eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 36/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2025-0004
0404
2025
361 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektmanagement im deutschen Bauwesen

0404
2025
(Paul) Christian Johnhttps://orcid.org/0009-0005-0648-9331
Shervin Haghshenohttps://orcid.org/0000-0002-0602-6370
Das Bau-Projektmanagement nimmt eine entscheidende Rolle bei der Abwicklung von Bauvorhaben ein. Oft sind die Kompetenzen der meist fachfremden Bauherren nicht ausreichend, um die hierbei anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Daher wird häufig auf externe Projektmanagement-Dienstleister zurückgegriffen. Diese Nachfrage hat zu einer unübersichtlichen Vielfalt an Ansätzen geführt, die bei Bauherren zu Unklarheit führen kann. In einer Studie wurde daher der deutsche Markt für Bau-Projektmanagement-Dienstleistungen systematisch analysiert. Die Ergebnisse bieten einen Überblick über die auf dem Markt agierenden Anbieter, deren Leistungsportfolios sowie die typischen Projektabwicklungsmöglichkeiten. Ziel dieser Studie ist die Schaffung der nötigen Transparenz, die Bauherren bei der Wahl passender Unterstützung für ihre Bauprojekte benötigen.
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16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 Charakteristika des Dienstleistungsmarkts Projektmanagement im deutschen Bauwesen (Paul) Christian John, Shervin Haghsheno Für eilige Leser | Das Bau-Projektmanagement nimmt eine entscheidende Rolle bei der Abwicklung von Bauvorhaben ein. Oft sind die Kompetenzen der meist fachfremden Bauherren nicht ausreichend, um die hierbei anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Daher wird häufig auf externe Projektmanagement-Dienstleister zurückgegriffen. Diese Nachfrage hat zu einer unübersichtlichen Vielfalt an Ansätzen geführt, die bei Bauherren zu Unklarheit führen kann. In einer Studie wurde daher der deutsche Markt für Bau-Projektmanagement-Dienstleistungen systematisch analysiert. Die Ergebnisse bieten einen Überblick über die auf dem Markt agierenden Anbieter, deren Leistungsportfolios sowie die typischen Projektabwicklungsmöglichkeiten. Ziel dieser Studie ist die Schaffung der nötigen Transparenz, die Bauherren bei der Wahl passender Unterstützung für ihre Bauprojekte benötigen. Schlagwörter | Bau-Projektmanagement, Marktstudie, Dienstleistung, Bauherr, Bauwesen 1 Überblick zum Bau-Projektmanagement In Deutschland wird jedes Jahr eine Vielzahl von Bauprojekten umgesetzt. Im Jahr 2022 (siehe Endnote 1 am Ende des Beitrags) wurden insgesamt 217.586 Baugenehmigungen erteilt (siehe Endnote 2), wobei knapp zwei Drittel der Genehmigungen für die Errichtung neuer Bauwerke und ein Drittel für Baumaßnahmen an bestehenden Bauwerken erteilt wurden [2]. Aufgrund der Tatsache, dass der Zeitraum zwischen der Erteilung der Baugenehmigung und der Fertigstellung des Bauvorhabens in der Regel mehr als ein Jahr beträgt, ist in Deutschland im Hinblick auf die Anzahl der derzeit laufenden Bauvorhaben von mehreren hunderttausend auszugehen. Diese Bauvorhaben werden in Deutschland generell in Form von Projekten organisiert, da mit ihnen weitreichende Risiken und häufig eine hohe Komplexität einhergehen. Initiiert wird ein Bauprojekt typischerweise durch einen sogenannten Bauherrn bzw. eine entsprechende Bauherrnorganisation. Folglich obliegt dem Bauherrn stets die Verantwortung für die Organisation und Durchführung seines Bauprojekts bzw. für das übergeordnete Bau-Projektmanagement, das häufig auch als „bauherrnseitiges Projektmanagement“ bezeichnet wird. Das bauherrnseitige Management eines Bauprojekts weist aufgrund der besonderen Charakteristika des Projekts sowie der Branche teilweise signifikante Unterschiede zum Projektmanagement in anderen Branchen auf [u. a. 3; 4; 5, S. 5 f.]. Folglich ist für die erfolgreiche Realisierung von Bauprojekten eine hohe Ausprägung spezifischer Kompetenzen in diesem Bereich erforderlich. Ein nicht unerheblicher Anteil der Bauherren ist jedoch in anderen Wirtschaftsbereichen tätig, sodass eine fachliche Expertise im Bauwesen nicht vorausgesetzt werden kann. In wirtschaftlich-mittelständischen und privaten Kontexten wird darüber hinaus nur selten bzw. nicht regelmäßig selbst gebaut, sodass die notwendigen Kompetenzen im Bau-Projektmanagement üblicherweise nicht vorhanden sind. Diese Bauherren werden auch als „Einmalbauherren“ bezeichnet. Bei den sogenannten „Wiederholungsbauherren“, also Bauherren, die wiederholt in regelmäßigen Zeitabständen bauen, sind die notwendigen Kompetenzen zwar häufig vorhanden, beispielsweise durch eine eigene Bauabteilung im Unternehmen. Allerdings fehlt es aufgrund des abweichenden Kerngeschäfts in der Regel an der personellen Kapazität, um die eigenen Bauprojekte vollständig allein zu managen [5, S. 2]. Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 Sofern ein Bauherr also das Projektmanagement seines Bauprojekts nicht selbst übernehmen kann, wird in Deutschland in der Regel ein spezialisiertes Unternehmen für Projektmanagement-Dienstleistungen beauftragt. Im Bauwesen werden diese Dienstleister häufig auch als Projektsteuerer oder Bauherrnvertreter bezeichnet [6, S. 26-28]. In Abhängigkeit von der Größe des Projekts sowie der Ausgestaltung der Projektorganisation kann der Bauherr zudem durch weitere klassische Projektbeteiligte bei der Wahrnehmung seiner Managementaufgaben unterstützt werden. Dies können beispielsweise Architekten, Generalplaner (GP) (siehe Endnote-3) oder Generalunternehmer (GU) (siehe Endnote-4) sein. Auf Basis dieser Zusammenhänge lassen sich die vier in Abbildung 1 dargestellten Konstellationen definieren, in die die Funktion des übergeordneten Projektmanagements aufgeteilt werden kann. Der Bauherr ist dabei jedoch grundsätzlich nur in der Lage, einen Teil der Aufgaben im Projektmanagement zu delegieren; ein gewisser Teil verbleibt stets in seiner Verantwortung. Dies umfasst beispielsweise die Finanzierung des Projekts, das Treffen grundlegender Entscheidungen sowie die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die Durchführung des Projekts. Daher werden diese Aufgaben häufig auch als „nichtdelegierbare Bauherrnaufgaben“ bezeichnet. 2 Markt für Bau-Projektmanagement- Dienstleistungen Der steigende internationale Wettbewerbsdruck in der deutschen Wirtschaft sowie wachsende technische, soziale und regulatorische Anforderungen sind wesentliche Faktoren, die dazu führen, dass Bauherren zunehmend externe Projektmanagement-Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Diese Entwicklung lässt sich seit einigen Jahren anhand der steigenden Nachfrage sowie anhand des stark wachsenden Angebots unterschiedlicher Ansätze und Leistungskombinationen für Abbildung 1: Typische Projektmanagement-Konstellationen in Bauprojekten das bauherrnseitige Projektmanagement auf dem deutschen Markt beobachten [u. a. 5, S. 2; 6, S. 10 f.; 7, S. 17]. Viele Bauherren sind durch das wildwachsende Angebot überfordert. Die Variantenvielfalt führt insbesondere bei Bauherren, die keine fachlichen Kenntnisse im Bauwesen aufweisen, zu Unsicherheit, Missverständnissen und Unklarheiten. In der Konsequenz werden dadurch teilweise ungeeignete oder überflüssige Dienstleistungen beauftragt oder es kommt zu einer Verzögerung der Beauftragung einer notwendigen Dienstleistung, was sich nachteilig auf das gesamte Bauprojekt auswirken kann. Vor dem Hintergrund dieser identifizierten Problemstellung wurde in den vergangenen zwei Jahren eine Marktstudie vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durchgeführt, um eine systematische und tiefgreifende Analyse des beschriebenen Marktes vorzunehmen. Das übergeordnete Ziel dieser Studie war es entsprechend, einen Beitrag zur Schaffung von mehr Markttransparenz zu leisten. 3 Aufbau und Ablauf der Marktstudie Die Marktstudie wurde methodisch und thematisch in zwei aufeinander aufbauende Phasen eingeteilt: 3.1 Phase 1-- Desk Research: Identifikation der Marktteilnehmer, die Projektmanagement- Dienstleistungen für Bauherren anbieten Im Rahmen einer umfassenden Recherche wurden hierbei zunächst alle relevanten Marktteilnehmer in Deutschland identifiziert und hinsichtlich allgemeiner Unternehmensmerkmale (z. B. Standortlage und -anzahl, Internationalität und Geschäftsführung) sowie ihres Leistungsportfolios und der Verwendung von Projektmanagementbegrifflichkeiten analysiert. Im Rahmen einer Vorlaufstudie wurden dafür mehrere standardisierte Rechercheansätze entwickelt und evaluiert. Die Grundidee der systematischen und ganzheitlichen Markt- Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 betrachtung basierte auf einer geografischen Aufteilung in kleinere Untersuchungseinheiten. In diesem Zusammenhang wurde die Kreisgliederung aus dem amtlichen Regionalschlüssel der Bundesrepublik Deutschland herangezogen. Im Rahmen einer kombinierten Schlagwortsuche mit vorab definierten Projektmanagementbegriffen (inhaltliches Merkmal) wurden alle 400 Stadt- und Landkreise Deutschlands (geografisches Merkmal) auf unterschiedlichen Plattformen (u. a. Google) einzeln untersucht. Hierbei wurden insgesamt über 10.000 Schlagwortsuchen durchgeführt. Im Rahmen der Recherche wurden ausschließlich öffentlich zugängliche Quellen berücksichtigt, darunter Homepages, Register, Jobinserate und Projektreferenzen. In der nachfolgenden Untersuchung wurden alle identifizierten Unternehmen anhand vorab definierter Ein- und Ausschlusskriterien einer kritischen Überprüfung unterzogen. Nur wenn die Zugehörigkeit zum untersuchten Markt sichergestellt werden konnte, wurden die Unternehmen als Ergebnis in ein Marktregister aufgenommen. Aufgrund der umfassenden Recherche und der hierbei beobachteten Sättigung im Suchvorgang lässt sich argumentieren, dass eine annähernd vollständige Erfassung aller Marktteilnehmer in Deutschland gelungen ist. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnten insgesamt 2.692 Dienstleistungsunternehmen in Deutschland identifiziert werden, die von 4.091 nationalen Unternehmensstandorten aus Bauherren bei der Umsetzung ihrer Bauprojekte unterstützen [6, S. 17]. 3.2 Phase 2-- Field Research: Analyse der Marktteilnehmer, ihrer Leistungsportfolios und der typischen Projektabwicklungsmöglichkeiten Im Anschluss an die Identifikation der annähernden Grundgesamtheit des Marktes erfolgte eine vertiefende Untersuchung mittels einer Online-Umfrage. Die Konzeption der Untersuchung erfolgte in Anlehnung an die gängigen Empfehlungen aus der Methodenforschung [8]. Der entwickelte Befragungsbogen wurde anschließend im Rahmen eines Pretests evaluiert. Insgesamt beteiligten sich 350 Unternehmen an der Befragung. Die Umfrage umfasste 38 Fragen, die sich inhaltlich in vier Bereiche untergliedern: Unternehmensstruktur, Leistungsportfolio, Projektabwicklung und Trends. Die Adressaten der Befragung waren das Topmanagement der Marktteilnehmer, da für die Beantwortung der Fragen ein Gesamtüberblick zu den Geschäftstätigkeiten des Unternehmens erforderlich war. Die Umfrage wies eine zahlenmäßige, strukturelle und inhaltliche Repräsentativität auf, sodass die Ergebnisse der Befragung auf den gesamten deutschen Markt verallgemeinerbar sind (weitere Erläuterungen zur Repräsentativität der Marktstudie finden sich im zugehörigen Forschungsbericht [6, S. 33-37]). Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte gemäß den gängigen Regeln der Inferenzstatistik [10]. 4 Struktur des Marktes und Typologie der Marktteilnehmer In den Betriebswissenschaften erfolgt eine allgemeine, strukturelle Beschreibung eines Marktes häufig unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße der jeweiligen Marktteilnehmer. Diese wird üblicherweise durch die Mitarbeiteranzahl, den Jahresumsatz und die Standortanzahl beschrieben. In Abbildung 2: Geografische Verteilung der Marktteilnehmer Bezug auf den deutschen Markt für bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen lässt sich feststellen, dass dieser vor allem durch kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) geprägt ist, die mehrheitlich primär regional ausgerichtet und von nur einem (nationalen) Standort aus tätig sind [6, S. 38 f.]: • Mitarbeiter: Hinsichtlich der Mitarbeiteranzahl lässt sich feststellen, dass 63 % der Marktteilnehmer weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen. Nur etwa jedes zehnte Unternehmen hat 50 oder mehr Mitarbeiter. Lediglich 2 % der Unternehmen beschäftigen 250 oder mehr Mitarbeiter [6, S. 38 f.]. Bei mehr als der Hälfte aller Marktteilnehmer arbeitet mindestens die Hälfte der Belegschaft schwerpunktmäßig (> 50 % der Arbeitszeit) im Projektmanagement [6, S. 40 f.]. Es lässt sich zudem feststellen, dass in Unternehmen mit geringer Mitarbeiterzahl ein höherer Anteil der Belegschaft im Projektmanagement tätig ist [6, S. 113]. • Umsatz: Hinsichtlich des Jahresumsatzes lässt sich festhalten, dass 87 % der Marktteilnehmer weniger als 5 Mio. € erzielen, während 55 % der Unternehmen einen Jahresumsatz von weniger als 1 Mio. € generieren. Demgegenüber haben lediglich 2 % Prozent der Marktteilnehmer einen Jahresumsatz von 50 Mio. € oder mehr [6, S. 39]. • Standorte: Hinsichtlich der Standorte zeigt sich, dass vier von fünf Marktteilnehmern (81 %) lediglich von einem (nationalen) Standort aus tätig sind. Nur etwa jedes zehnte Unternehmen (9 %) hat mehr als zwei Standorte, während 4 % über fünf oder mehr Standorte verfügen [6, S. 18 f.]. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass lediglich etwa die Hälfte der Unternehmen mit vier oder mehr Standorten auch von sämtlichen Standorten aus Projektmanagement- Dienstleistungen für Bauherren erbringt [6, S. 41 f.]. Hinsichtlich der geografischen Verteilung der Marktteilnehmer in Deutschland lässt sich erkennen, dass diese insbesondere in den ökonomisch starken Zentren konzentriert ist. Diesbezüglich ist hervorzuheben, dass über die Hälfte aller nationalen Unternehmensstandorte (51 %) in den 43 A-, B- und C-Städten lokalisiert ist (siehe Abbildung 2). Die Klassifizierung der Städte in die Kategorien A, B und C erfolgt anhand ihrer nationalen immobilienwirtschaftlichen Relevanz [11]. Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 In Bezug auf den Internationalisierungsgrad des Marktes lässt sich jedoch feststellen, dass lediglich etwa 3 % der Marktteilnehmer mindestens einen Standort im Ausland aufweisen [6, S. 44]. Dies lässt den Schluss zu, dass Projektmanagement-Dienstleistungen im Bauwesen eine ausgeprägte nationale Ausrichtung aufweisen. Als mögliche Erklärungen für die geringe Internationalisierung können die nationalen Besonderheiten bei der Abwicklung von Bauvorhaben in baurechtlich-regulatorischer Hinsicht, die erforderliche regionale Marktkenntnis sowie die anerkannten Standards hinsichtlich Verfahren und Bauqualität herangezogen werden. In Verbindung mit der Unternehmensgröße lässt sich zudem feststellen, dass tendenziell die größeren Unternehmen auch im Ausland vertreten sind [6, S. 116]. Es ist zudem zu beobachten, dass deutsche Marktteilnehmer primär im europäischen (40 % der internationalen Marktteilnehmer sind hier) und asiatischen (32 %) Ausland Standorte haben [6, S. 44 f.]. 5 Leistungsportfolio der Marktteilnehmer Unternehmen im Dienstleistungssektor bieten in der Regel ein breites Spektrum an Leistungen für eine heterogene Kundschaft an. Innerhalb des untersuchten Marktes lässt sich jedoch feststellen, dass etwa vier von fünf Unternehmen auf Projektmanagement-Dienstleistungen für Bauherren spezialisiert sind (siehe Abbildung 3). Im Durchschnitt wird von den auf Projektmanagement spezialisierten Marktteilnehmern mit dieser Tätigkeit auch durchschnittlich über 50 % des Jahresumsatzes erzielt [6, S. 46 f.]. Unter Berücksichtigung der Unternehmensgrößen lässt sich feststellen, dass kleinere Unternehmen in der Regel eine höhere Spezialisierung aufweisen, während größere Unternehmen ein breiteres Leistungsspektrum anbieten und zusätzlich zum Projektmanagement weitere fachliche Schwerpunkte setzen [6, S. 121 f.]. Eine Analyse der vorliegenden Abbildung 3: Anteil der Marktteilnehmer nach fachlichen Schwerpunkten im Leistungsportfolio (n-= 350) Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 Kombinationen im Leistungsportfolio zeigt auf, dass spezialisierte Projektmanagement-Dienstleistungsunternehmen oftmals auch Baumanagementleistungen (Objekt-/ Fachplanungsleistungen nach Leistungsphasen 6-9 der HOAI), Projektentwicklungsleistungen und sonstige Beratungsleistungen anbieten [6, S. 120]. Folglich haben insbesondere große Generalplanungs- und Architekturunternehmen im Laufe der Zeit auch den Markt für bauherrnseitige Projektmanagement- Dienstleistungen für sich erschlossen. In Bezug auf den Leistungsumfang externer Projektmanagement-Dienstleistungen im Bauwesen lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Einsatzformen unterscheiden [12, 8], die in Abbildung 4 dargestellt sind. Es lässt sich auf dem Markt beobachten, dass der volle Leistungsumfang des Projektmanagements vor allem von den kleineren und größeren Marktteilnehmern angeboten wird, während dies bei den Unternehmen mit mittlerer Größe weniger häufig der Fall ist. Demgegenüber wird das Projektcontrolling signifikant häufiger von den großen Unternehmen angeboten als von den mittleren und kleineren Unternehmen. Die Auswertung der Daten lässt den Schluss zu, dass die beratende und unterstützende Projektsteuerung am Markt generell am häufigsten beauftragt wird. In dieser Konstellation verbleibt die Projektleitung selbst jedoch beim Bauherrn [6, S. 49 f.]. 6 Markttypische Projektabwicklungsmöglichkeiten Im Folgenden sollen markttypische Projektabwicklungsmöglichkeiten mit Projektmanagement-Dienstleistungen unter Berücksichtigung von vier maßgeblichen Dimensionen erörtert werden. 6.1 Projekttyp Grundsätzlich lassen sich Bauprojekte in zwei Kategorien unterteilen: Neubauprojekte, bei denen ein Bauwerk „auf der grünen Wiese“ von Grund auf neu errichtet wird, und Bestandsbauprojekte, die eine Erweiterung, Sanierung oder Modernisierung eines bereits bestehenden Bauwerks darstellen. In Abhängigkeit des Projekttyps sind spezifische Rahmenbedingungen für das Projektmanagement zu berücksichtigen. Im Falle eines Bestandsbaus sind insbesondere Themen wie Bestandschutz, Denkmalschutz, verborgene Mängel in der bestehenden Bausubstanz, unvollständige Planstände des Bestandsbauwerks sowie ein etwaig laufender Betrieb von Relevanz. Eine Analyse des Marktes zeigt diesbezüglich auf, dass trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen die meisten Marktteilnehmer sowohl Projektmanagement-Dienstleistungen im Neubau (91 %) als auch im Bestandsbau (89 %) anbieten [6, S. 51-53]. Der Schwerpunkt der betreuten Projekte liegt jedoch deutlich im Bereich des Neubaus [6, S. 129-132]. Diese Diskrepanz lässt sich unter anderem damit erklären, dass generell auch eine höhere Anzahl an Neubauprojekten durchgeführt wird als an Bestandsbauprojekten [2]. 6.2 Nutzungsart Des Weiteren variiert das Bau-Projektmanagement in Abhängigkeit der geplanten Nutzungsart von Bauwerken in nicht unerheblichem Maße. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass sich eine Vielzahl von Marktteilnehmern auf einzelne Nutzungsarten spezialisiert hat. Eine Betrachtung des Marktes zeigt, dass die meisten Unternehmen insbesondere im Bereich von Büro und Verwaltung (66 %), Wohnen und Hotels (55 %) sowie Handel und Gewerbe (40 %) tätig sind [6, S. 53-55] (siehe Abbildung 5). Im Hinblick auf die Unternehmensgröße ist hierbei erkennbar, dass sich kleinere Unternehmen meist auf einzelne Nutzungsarten spezialisieren, während die größeren Unternehmen (insbesondere ab 100 und mehr Mitarbeitern) nahezu alle Nutzungsarten im Projektmanagement abdecken können. Hinsichtlich der Nutzungsarten lässt sich eine verhältnismäßig hohe Spezialisierung im Bereich Verkehrswege, Wohnen und Hotels sowie Flughäfen beobachten [6, S. 133-140]. Abbildung 4: Stufenmodell für Projektmanagement-Dienstleistungen [6, S. 49] Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 6.3 Projektgröße Die Größe eines Bauprojekts steht in direktem Zusammenhang mit der Art und Weise des Projektmanagements. Mit steigender Projektgröße nimmt in der Regel auch die Projektdauer zu, ebenso die Anzahl und das Interesse von Stakeholdern, der Umfang der Kommunikationsbeziehungen und die Zahl der zu beachtenden Rahmenbedingungen. In Summe führt dies zu einer Zunahme der Komplexität des Bauprojekts. Als ein gängiges Maß für die Projektgröße kann das monetär gemessene Projektvolumen herangezogen werden, welches meist nach den Kostengruppen 200-700 gemäß DIN 276 (5) definiert wird. In Abbildung 6 wird ersichtlich, dass sich Marktteilnehmer auch in Bezug auf die Projektgröße spezialisiert haben. Die Grafik zeigt auf, wie viele Marktteilnehmer prozentual wie viele ihrer Projekte in den jeweiligen Projektvolumina-Klassen mit Projektmanagement betreuen. Ein Viertel der Marktteilnehmer ist hiernach (zumindest im gewählten Bezugszeitraum von den letzten fünf Jahren) lediglich für Projekte mit Abbildung 5: Anteil der Marktteilnehmer nach Nutzungsart (n-= 350) einem Projektvolumen von unter 10 Mio. € im Einsatz. Hierbei handelt es sich jedoch überwiegend um kleine Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern. Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass mit steigender Projektgröße immer weniger Unternehmen das Projektmanagement übernehmen. Dies lässt sich einerseits an den damit einhergehenden steigenden Anforderungen im Projekt begründen, andererseits gibt es jedoch auch verhältnismäßig deutlich weniger Projekte in der Größenordnung von 100 Mio. € aufwärts. Folglich haben über drei Viertel der Marktteilnehmer keine Projekte in dieser Größenordnung mehr betreut. Die durchgeführte Erhebung hat jedoch ergeben, dass Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern eine ausgewogene Betreuung von Projekten aller Größenklassen aufweisen [6, S. 158-167]. 6.4 Vertragsgrundlage Eine Besonderheit im Bau-Projektmanagement besteht darin, dass die Abwicklung eines Bauprojekts in der Regel nach einem auf die Baubranche zugeschnittenen Leistungsbild er- Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 folgt. Auf dem Markt hat sich ein allgemeines, methodenneutrales Leistungsbild etabliert: das AHO-Heft Nr. 9 „Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft- - Standards für Leistungen und Vergütung“ [12] (oft auch als „das grüne Heft“ bezeichnet). Das genannte Leistungsbild wird von 69 % der Marktteilnehmer als Vertragsgrundlage genutzt (siehe Abbildung 7). Neben dem AHO-Heft Nr. 9 haben sich inzwischen jedoch auch einige, auf die Bedürfnisse spezifischer Bauherren ausgerichtete Leistungsbilder etabliert, die den externen Dienstleistern seitens der Bauherren vorgegeben werden. Im Kern weisen sie jedoch oftmals eine starke Ähnlichkeit mit dem AHO-Heft Nr. 9 auf [6, S. 63-65]. In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße wird das grüne Heft bei mindestens einem Drittel (bis zu 60 %) der Marktteilnehmer in über 50 % aller betreuten Projekte als Vertragsgrundlage eingesetzt [6, S. 171]. In Übereinstimmung mit der seit langem bestehenden These lässt sich somit bestätigen, Abbildung 6: Anteil an Marktteilnehmern nach Anteil der betreuten Projekte in den Projektvolumina-Klassen (n-= 350) Abbildung 7: Anteil der Marktteilnehmer nach Nutzung der gängigen Leistungsbeschreibungen als Vertragsgrundlage für Projektmanagement-Dienstleistungen (n-= 350) dass das AHO-Heft Nr. 9 inzwischen den Marktstandard für externe Projektmanagement-Dienstleistungen im Bauwesen darstellt. 7 Nutzen der Studienergebnisse Die Ergebnisse der durchgeführten Marktstudie tragen wesentlich zur Steigerung der Markttransparenz sowie zu einem vertieften Verständnis des Projektmanagements im deutschen Bauwesen bei. Die vorliegenden Erkenntnisse bieten Bauherren eine Orientierungshilfe bei der Auswahl von Unterstützungsleistungen für ihr Projektmanagement. Gleichzeitig bietet die Marktdarstellung den Marktteilnehmern die Möglichkeit, ihre Positionierung im Wettbewerb zu optimieren und ein klareres Dienstleistungsangebot für Bauherren bereitzustellen. Schließlich wurde auf diese Weise eine solide Basis Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 für künftige Forschungsarbeiten im Bereich des (Bau-)Projektmanagements geschaffen. 8 Schlussbemerkung Die Marktstudie wurde durch den DVP (Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und von 23 Marktteilnehmern finanziert. Alle Ergebnisse der Marktstudie sind im zugehörigen Marktbericht „Bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen in Deutschland“ dargestellt. Die Publikation ist über den DVP (Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V.) digital und in Print erhältlich: www.dvpev.de/ shop/ Endnoten: (1) Im Jahr 2023 ist laut dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie [1, S. 6 f.] ein deutlicher Rückgang der genehmigten Bauvorhaben im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. Als Ursachen hierfür werden unter anderem die gestiegenen Zinsen, die gestiegenen Baumaterial- und Baupreise, der Wegfall von Fördermöglichkeiten sowie die angespannte Wirtschaftssituation auf Seiten der Bauherren / Investoren genannt. Insgesamt wurden im Jahr 2023 lediglich 163.906 Baugenehmigungen erteilt. (2) Verpflichtend einzuholende behördliche Freigabe einer Planung zum Bau oder Umbau eines Bauwerks. (3) Der Begriff „Generalplaner“ (auch GP abgekürzt) bezeichnet ein Unternehmen, das die Verantwortung für (fast) alle Planungsleistungen eines Bauwerks übernimmt. Dies führt dazu, dass der Bauherr lediglich einen Vertragspartner und somit einen zentralen Ansprechpartner für die Planung im Projekt hat. Teilweise erbringt der Generalplaner jedoch nicht alle Planungsleistungen selbst. In diesem Fall werden die fehlenden Planungsleistungen durch den Generalplaner beauftragt, koordiniert und schließlich zusammengeführt. (4) Ein Generalunternehmer (auch als GU abgekürzt) stellt das entsprechende Gegenstück zum Generalplaner im Hinblick auf Bauausführungsleistungen dar. (5) Die DIN 276 „Kosten im Bauwesen“ [13] definiert u. a., welche Kosten wie zu berechnen und welcher Kostengruppe zuzuordnen sind. Literatur [1] Kraus, Petra; Weitz, Heinrich (2024): Bauwirtschaft im Zahlenbild 2023. Online-Jahresbericht vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. [2] Statistisches Bundesamt (Destatis) (2024): Baugenehmigungen im Hochbau: Deutschland, Jahre, Bautätigkeit, Gebäudeart (Datenbank-Code: 31 111-0001). Genesis-Online, Datenbank des Statistischen Bundesamtes. Stand: 13. 09. 2024 [3] Nam, C. H.; Tatum, C. B. (1988): Major Characteristics of Constructed Products and Resulting Limitations of Construction Technology, S. 133-148, in: Construction Management and Economics, Vol. 6 [4] Shenhar, Aaron J.; Dvir, Dov (2004): How projects differ, and what to do about it, S. 1265-1286, in: Morris, Peter W. G.; Pinto, Jeffrey K. (Hrsg.): The Wiley Guide to Managing Projects, John Wiley & Sons, Hoboken / New Jersey (USA) [5] Eschenbruch, Klaus (2021): Projektmanagement und Projektsteuerung für die Immobilien- und Bauwirtschaft, 5. Auflage, Wolters Kluwer, Hürth [6] Haghsheno, Shervin; John, Paul Christian (2024): Marktbericht- - Bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen in Deutschland, herausgegeben durch den DVP-- Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V. [7] Sundermeier, Matthias; Beidersandwisch, Philipp; Höcker, Thomas; Zeller, Arthur; Hensel, Jörg; Penn, Stefan (2021): Rollenentwicklung des Bauprojektmanagements- - Zukunftsperspektiven, herausgegeben durch den DVP-- Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V. [8] Schnell, Rainer; Hill, Paul; Esser, Elke (2018): Methoden der empirischen Sozialforschung, 11. Auflage, De Gruyter Oldenbourg, Berlin / Boston (USA) [9] Töpfer, Armin (2012): Erfolgreich Forschen- - Ein Leitfaden für Bachelor-, Master-Studierende und Doktoranden, 3. Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden [10] Braunecker, Claus (2023): How to do empirische Sozialforschung- - Eine Gebrauchsanleitung, 2. Auflage, facultas, Wien (Österreich) [11] bulwiengesa AG (o. J.): Klassifikation der Standorte, abgerufen auf RIWIS (Regionales Immobilienwirtschaftliches Informationssystem-- Datenbank zum Immobilienmarkt), Zugang über www.riwis.de [12] AHO-Heft Nr. 9 (2020): Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft-- Standards für Leistungen und Vergütung, 5. Auflage, erarbeitet von der AHO-Fachkommission „Projektsteuerung / Projektmanagement“, Reguvis, Köln [13] DIN 276-1: 2018-12: Kosten im Bauwesen, herausgegeben durch die DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Eingangsabbildung: © TungArt7 / pixabay Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 (Paul) Christian John, M. Eng. • Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Forschungsschwerpunkte: Bau- Projektmanagement, Lean Construction und Faktor Mensch • Promotion zum Thema „Lean Project Management im Bauwesen“ • Dozent im Projektmanagement • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Institut für Technologie und Management im Baubetrieb • Gotthard-Franz-Straße 3, 76 131 Karlsruhe • eMail: christian.john@kit.edu • orcid.org / 0009-0005-0648-9331 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Shervin Haghsheno • Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Geschäftsführender Direktor am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb • Forschungsschwerpunkte: u. a. Bau-Projektmanagement, kooperative Projektabwicklung, Digitalisierung • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Institut für Technologie und Management im Baubetrieb • Gotthard-Franz-Straße 3, 76 131 Karlsruhe • eMail: shervin.haghsheno@kit.edu • orcid.org / 0000-0002-0602-6370 Buchtipp UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Mithilfe von Strategie, Taktik und Psychologie richtig verhandeln Die Everest-Methode®von Jörg Pfützenreuter und Thomas D. Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gefragt. Seit Jahren coachen sie Ein- und Verkäufer: innen gleichermaßen und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Denn am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raf nesse, wer als Sieger: in vom Verhandlungstisch aufsteht. 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