PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2025-0025
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Konflikte im Projekt
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Merle Runge
Konflikte in Projekten kosten Zeit und Energie, bieten aber auch enormes Potenzial für Innovation und Teamentwicklung. Der Artikel zeigt, warum sie ein natürlicher Teil des Projektalltags sind und wie sie gewinnbringend genutzt werden können. Von unklaren Rollen und gegensätzlichen Interessen bis zu kulturellen Missverständnissen wird beleuchtet, welche Ursachen es gibt und wie sich Eskalationen vermeiden lassen. Rollendefinition, Spannungsarbeit und psychologische Sicherheit helfen, Konflikte erfolgreich zu entschärfen. Außerdem erfahren Sie, wie Konflikte auf Entscheider- oder Organisationsebene das Projekt beeinflussen und wie sich auch komplexe Streitsituationen souverän klären lassen. Er bietet praxisnahe Beispiele und gibt Einblicke, wie Sie frühzeitig eingreifen, Konfliktgespräche sinnvoll strukturieren und den Teamzusammenhalt stärken.
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44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 Konflikte im Projekt Merle Runge Für eilige Leser | Konflikte in Projekten kosten Zeit und Energie, bieten aber auch enormes Potenzial für Innovation und Teamentwicklung. Der Artikel zeigt, warum sie ein natürlicher Teil des Projektalltags sind und wie sie gewinnbringend genutzt werden können. Von unklaren Rollen und gegensätzlichen Interessen bis zu kulturellen Missverständnissen wird beleuchtet, welche Ursachen es gibt und wie sich Eskalationen vermeiden lassen. Rollendefinition, Spannungsarbeit und psychologische Sicherheit helfen, Konflikte erfolgreich zu entschärfen. Außerdem erfahren Sie, wie Konflikte auf Entscheider- oder Organisationsebene das Projekt beeinflussen und wie sich auch komplexe Streitsituationen souverän klären lassen. Er bietet praxisnahe Beispiele und gibt Einblicke, wie Sie frühzeitig eingreifen, Konfliktgespräche sinnvoll strukturieren und den Teamzusammenhalt stärken. Schlagwörter | Konfliktmanagement, Projektmanagement, Rollenklärung, Spannungsarbeit, psychologische Sicherheit, Eskalationsvermeidung, Teamentwicklung, Grundkraftprozess Wenn Konflikte in der Projektarbeit aufkommen, stören sie erst einmal. Sie kosten Zeit und Energie. Die Komplexität steigt. Die Betroffenen fühlen sich mindestens unwohl. Teil eines Konflikts zu sein ist für die meisten Menschen belastend. Dabei ist selten bewusst, dass Konflikte ein Teil davon sind, wenn etwas Neues entsteht. Das ist das Kennzeichen von Projekten. Konflikte sind wertvolle Hinweisgeber auf ungelöste Themen. Bei gutem Umgang können sie jedes Projekt bereichern und die Beteiligten stärken. Dieser Artikel soll Ihnen neue Perspektiven und neues Handwerkszeug zum hilfreichen Umgang mit Konflikten in Ihrer Arbeit geben. Dies gilt insbesondere in Veränderungsprojekten. So können Sie Ihre Projekte leichter zum Erfolg führen. Konflikte im Projektteam Oberflächlich wirken alle Konflikte ähnlich. Zwei oder mehr Personen streiten sich. Je weiter der Konflikt eskaliert, desto schlechter benehmen sie sich. Das schlechte Benehmen wird dann den Personen zugeschrieben. Tatsächlich ist es aber ein Zeichen für den Eskalationsgrad: Hier wird schon deutlich, dass schnelles Einschreiten gefragt ist. Warten Sie nicht darauf, dass sich der Konflikt von selbst erledigt. Das passiert nahezu nie. Handeln Sie, sobald Sie ein Missverständnis, eine Irritation oder einen Konflikt wahrnehmen. Je eher Sie handeln, desto leichter ist der beginnende Konflikt zu lösen. Die Beteiligten und Sie selbst sind emotional noch nicht so angefasst und können souverän mit der Situation umgehen. Abbildung: Eskalationsstufen nach Glasl Wissen | Konflikte im Projekt 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 Konflikte in Projekten äußern sich meistens auf der persönlichen Ebene. Die Ursache liegt aber oft woanders. Daher ist es wichtig, nach der Klärung eines persönlichen Konfliktes auch die dahinterliegende Ursache zu beseitigen. Für die Identifikation bieten sich folgende Prozessebenen im Projekt an: Typische Konfliktursachen auf der inhaltlichen Ebene (Produktentstehungsprozess) Im Projektteam kommen Menschen unterschiedlicher Fachrichtung aus verschiedenen Organisationseinheiten zusammen. Darum bringen die Teammitglieder verschiedene Interessen und oft verschiedene professionelle Werte mit. Bei internationalen Projekten kommen oftmals auch verschiedene kulturelle Werte hinzu. Das beeinflusst, welche Ergebnisse oder Zwischenergebnisse sie auf der inhaltlichen Ebene richtig und wichtig finden. So wird dem Vertriebsmitarbeiter in einem Projekt zur Neuentwicklung einer Vertriebs-Software vor allem eine hohe Benutzerfreundlichkeit wichtig sein. Der IT-Fachfrau geht es vor allem um Umsetzbarkeit in der gegebenen IT-Struktur sowie um eine aufwandsarme Wartung nach der Einführung. Wird eine der beiden Personen mit ihrem Anliegen oder ihren Bedenken nicht gehört, entsteht schnell ein größerer Konflikt. Dieser kann dazu führen, dass diese Person sich aus der Projektarbeit zurückzieht. Dies geschieht oft nur innerlich. Typische Ursachen im Planungs- und Controllingprozess Die Projektleiterin plant, wann welche Aufgaben von wem erledigt werden sollen. Sie prüft, inwieweit es wegen Planabweichungen nötig ist, die Pläne anzupassen. Unklare Rollen und Verantwortlichkeiten sind ein Hauptgrund für Konflikte. Dies gilt nicht nur in der Projektarbeit. Sie führen zu enttäuschten Erwartungen und zu Empörung, weil jemand „in meinem Garten wildert“. Die Projektarbeit wird von den Teammitgliedern oft neben ihrer normalen Linientätigkeit geleistet. Dies gilt insbesondere in Transformationsprojekten. Sie kommt also zusätzlich hinzu. Sind den Mitarbeitenden Projektnutzen und -ziele unklar, schwindet bald die Motivation. Diese ist aber für die zusätzliche Anstrengung nötig. In der Folge erscheinen sie unpünktlich oder gar nicht zu Projektmeetings. Oder sie erledigen ihre Aufgaben halbherzig, zu spät oder gar nicht. All dies kann zu Konflikten führen. Typische Ursachen auf der Teamentwicklungs- Ebene Durch die verschiedenen Herkünfte sprechen die Teammitglieder unterschiedliche Sprachen. Was der IT-Fachmann sagt, ist für die Person aus der Rechtsabteilung vermutlich schwer zu verstehen. Umgekehrt ist es meistens genauso. So entstehen erste Missverständnisse. Diese können schnell eskalieren, wenn sie nicht zügig geklärt werden. Auch das Verhalten ist meistens sehr verschieden. So ist es in der einen Abteilung vielleicht normal, sich gegenseitig zu unterbrechen. In der anderen Abteilung gehört sich das gar nicht. In der einen Abteilung zieht man sich bequem an, um alle Energie für die Arbeit geben zu können. In der anderen Abteilung bedeutet jede andere Kleidung als ein formeller Anzug eine Respektlosigkeit. Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse der Mitarbeitenden von Person zu Person ganz unterschiedlich sind. Wenn die Teammitglieder nicht verstehen, warum sich jemand anders verhält als sie selbst, kann dies ebenfalls schnell zu Konflikten führen. Wie kann ich unnötigen Konflikten im Team vorbeugen? Hilfreich ist es, dem Team bewusst durch die Teamentwicklungsphasen zu helfen. • In der Orientierungsphase bedeutet das, dem Team ausreichend Zeit zum Kennenlernen zu lassen. Geben Sie Raum dafür, dass sich die Teammitglieder auch über ihre Interessen bezogen auf das Projekt austauschen können. Unterschiedliche Werte sollten thematisiert werden können. • Vermitteln Sie dem Team klar Ziele und Nutzen des Projektes. Sollten Sie nicht agil vorgehen, laden Sie dazu am besten den Auftraggeber ein. Verständnis von Ziel und Nutzen erhöht die Motivation. Ebenso steigert der Kontakt zum hierarchisch höher stehenden Auftraggeber die Motivation. Geben Sie dann ausreichend Zeit, Fragen zum Auftrag zu klären und Bedenken zu äußern. • In der Konfliktphase sorgen Sie für eine frühzeitige Bearbeitung von Konflikten. Nehmen Sie Kritik an Ihnen selbst als Hinweis, dass das Team in der Konfliktphase angekommen ist. Abbildung: Projektprozessebenen, inspiriert von Daniela Mayrshofer Wissen | Konflikte im Projekt 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 • In den ersten Sitzungen finden sich Menschen oft automatisch in Rollen ein. Diese möchten sie aber nicht dauerhaft einnehmen. Ein Teil der Konflikte entsteht darum auch daraus, dass die Teammitglieder alte Rollen loswerden möchten. Beispiele für solche Rollen sind der Pünktliche, die Zuverlässige, der Vermittelnde oder die Sture. Die Teammitglieder möchten in neue Rollen schlüpfen. Wenn Sie können, unterstützen Sie dies. • In der Regelungsphase findet das Team neue Vereinbarungen. Diese entstehen auf der Basis der Konflikte in der vorherigen Phase. Hier können Sie das Team unterstützen, indem Sie Reflexionsfragen stellen. Weitere Ideen zum Vorbeugen: • Sorgen Sie in Ihren Meetings dafür, dass die nächsten Schritte klar sind. Ebenso sollte deutlich sein, wer für sie verantwortlich ist und bis wann sie erledigt sein sollen. Am besten tun Sie das, indem Sie schon während des Meetings ein Protokoll anlegen. Dieses sollten alle Teammitglieder schon im Entstehen sehen können. Dann können sie gegebenenfalls nachfragen, wenn etwas unklar ist. • In vielen Unternehmen werden Projekte agil durchgeführt. Dies führt normalerweise zu einer durchgehenden Rollenklarheit. Sollte das bei Ihnen nicht so sein, sorgen Sie für klare Rollen. Die bekommen Sie, indem Sie für jede Rolle den Zweck der Rolle, die Verantwortlichkeiten und die Aufgaben definieren. Wenn Sie dies gemeinsam mit Ihrem Projektteam tun, entsteht eine hohe Rollenklarheit. Sollten Sie dafür nicht die Zeit haben, definieren Sie die Rollen allein. Stellen Sie sie dem Team vor und lassen dann genügend Raum für Fragen und Anpassungen. • In agilen Teams definieren die Teammitglieder selbst ihre Aufgaben und arbeiten diese selbstorganisiert ab. Sollten Sie nicht agil vorgehen können, sorgen Sie dafür, dass die Teammitglieder trotzdem intensiv an der Aufgabenplanung beteiligt sind. Je mehr sie hier selbst planen können, desto klarer werden die Aufgaben. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit für Konflikte. Wenn sie sich dann auch noch selbst für die Bearbeitung der Aufgaben melden können, sind sie hoch motiviert. Sie werden die Aufgaben wie geplant bearbeiten. Auch wenn Sie nicht agil vorgehen können, ist die Nutzung von Ansätzen und Methoden aus der Selbstorganisation hilfreich. Ein paar Beispiele: • Reflektieren Sie in regelmäßigen Abständen die Zusammenarbeit im Team und sorgen für gegenseitiges Feedback. So können kleine Irritationen frühzeitig angesprochen und gelöst werden. • Implementieren Sie eine Fehlerkultur entsprechend der obersten Direktive aus dem agilen Arbeiten. Suchen Sie also bei Fehlern nach der Ursache, nicht nach den Schuldigen. Das trägt dazu bei, dass Fehler schnell benannt werden. Sie führen dadurch weniger zu Ärger und Konflikten. • Führen Sie spannungsbasiertes Arbeiten ein. Spannungen sind jede Art von Gefühlen. Dazu gehören Ärger, Freude, Neugier und Unsicherheit. Auch Ideen und Veränderungswünsche zählen hierzu. Hinter spannungsbasiertem Arbeiten steht die Überzeugung, dass jede Spannung wichtig ist. Sie hilft, Anpassungsbedarf zu identifizieren. Spannungsbasiertes Arbeiten führt dazu, dass schnell identifiziert werden kann, wo vielleicht Unklarheiten über Aufgaben herrschen. Auch Uneinigkeit über Vorgehen und Prioritäten wird deutlich. Zudem kann Unzufriedenheit mit der Art des Projektmanagements erkannt werden. • Fragen Sie in Ihren Projektsitzungen nach neuen Spannungen. Sammeln Sie diese in einem Spannungsspeicher und klären Sie, in welchen Meetings diese Spannungen bearbeitet werden sollen. • Sorgen Sie für eine hohe psychologische Sicherheit im Team. So trauen sich die Teammitglieder, jede Art von Spannung zu benennen. Hohe psychologische Sicherheit ist das, was Hochleistungsteams von normalen Teams unterscheidet. Wie können Sie das angehen? Lassen Sie Ihr Team in regelmäßigen Abständen den Fragebogen zur psychologischen Sicherheit ausfüllen. Dieser umfasst sie- Abbildung: Teamphasen von Tuckman Wissen | Konflikte im Projekt 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 ben Fragen und ist im Internet frei herunterzuladen. Überlegen Sie gemeinsam, wie Sie als Team die psychologische Sicherheit erhöhen können. Das kostet alles zu viel Zeit und zu viel Energie? Ja, es kostet viel Zeit und Energie. Allerdings kosten Konflikte noch mehr Zeit und Energie. Ungelöste Konflikte sind eine häufige Ursache für krankheitsbedingte Ausfälle bis zum Burnout. Und was tue ich, wenn trotzdem ein Konflikt entstanden ist? Menschen sind komplex. Teams sind komplexe Systeme. Auch bei vorbildlicher Vorbeugung können Konflikte auftauchen. Hier folgt ein Prozessvorschlag für den Umgang mit Konflikten: 1. Führen Sie Vorgespräche mit beiden Parteien Das Ziel ist, beide gut zu verstehen und für sie gegebenenfalls im Konfliktgespräch als Übersetzer fungieren zu können. In Konfliktsituationen agieren die meisten Menschen nicht souverän in ihrer Stärke. Dies führt oft dazu, dass sie sich zu kurz äußern. Manchmal kreisen sie zu langatmig um den eigentlichen Punkt herum. Es kommt auch vor, dass sie aggressiv auftreten, weil sie denken, sie müssten sich verteidigen. Das Handeln aus der Schwäche führt dazu, dass die Gegenpartei nicht die wirklich wichtigen Informationen hören kann. Hier sind Sie gefragt. Sie unterstützen beim Ausdrücken der inhaltlichen Punkte sowie der Gefühle durch Übersetzung der Anliegen. Darüber hinaus dienen die Vorgespräche dazu, ein gemeinsames Gesprächsziel festzulegen. Es ist wichtig zu klären, wozu das Gespräch dienen soll. Möglicherweise geht es darum, wieder miteinander arbeiten zu können. Vielleicht soll wieder Freude in der Zusammenarbeit entstehen. Oder es geht zunächst darum, die Knackpunkte transparent zu machen. 2. Vereinbaren Sie einen genügend langen Termin für die Klärung Menschen in Konfliktsituationen haben ein großes Redebedürfnis. Sie möchten ihre Position genau darlegen können. Zudem wollen sie zeigen, dass es nicht ihre Schuld ist. Je nach Eskalationsgrad sollten Sie mindestens zwei, manchmal eher vier Stunden einplanen. Falls Sie früher fertig sind, freuen sich alle über den gewonnenen Zeitdiamanten. 3. Bereiten Sie sich gut auf das Klärungsgespräch vor Überlegen Sie sich einen guten Einstieg und einen groben roten Faden. Planen Sie auch, was Sie tun wollen, falls im Gespräch etwas schief geht. 4. Ihr Gesprächsleitfaden • Ankommen, Hintergrund und Ziel des Gesprächs: Lassen Sie sich ausreichend Zeit für diesen ersten Schritt. Erst wenn alle Anwesenden angekommen und mit dem Ziel einverstanden sind, gehen Sie zum nächsten Schritt über. • Partei A erklärt die eigene Sichtweise: Sie unterstützen bei der Formulierung und sichern ab, dass Partei B die wesentlichen Punkte verstanden hat. • Das gleiche macht Partei B: Sie wiederholen den vorherigen Schritt mit der anderen Partei. • Umgang mit persönlichen Konflikten: Falls der Konflikt bereits persönlich geworden ist, helfen Sie den Parteien, sich gegenseitiges Feedback zu geben. Welches Verhalten schätze ich an dir? Was kostet mich Kraft oder ärgert mich? Was genau wünsche ich mir für unsere zukünftige Zusammenarbeit? • Überblick gewinnen: Nun haben beide Parteien und Sie selbst einen Gesamtüberblick über die Konfliktlandschaft. Sammeln Sie die zu besprechenden Themen und lassen Sie sie von den beiden Parteien priorisieren. • Gemeinsame Lösungsfindung: Lassen Sie beide Parteien gemeinsam Lösungen für die Themen erarbeiten. Überprüfen Sie dabei auch, welche Themen das gesamte Projekt betreffen. Sind beispielsweise Rollen unklar? Diese Themen nehmen Sie aus dem Gespräch heraus. Das Ziel ist, sie im gesamten Team zu besprechen. • Konkrete Vereinbarungen treffen: Wenn Lösungen für alle anderen Themen gefunden sind, legen Sie gemeinsam konkrete nächste Schritte und Vereinbarungen fest. • Gesprächsabrundung: Nun können Sie das Gespräch abrunden. Fragen Sie nach der Stimmung und nach der Zufriedenheit mit dem Gespräch. 5. Führen Sie ein Follow-up durch Es ist hilfreich, ein paar Wochen oder Monate nach dem Gespräch noch ein Follow-up durchzuführen. Dabei geben sich die Parteien gegenseitiges Feedback. Was hat sich schon positiv verändert? Was fehlt gegebenenfalls noch? 6. Klären Sie Teamthemen im nächsten Meeting Bringen Sie die Themen, die das gesamte Team betreffen, im nächsten Meeting ein und klären Sie sie dort. Wichtiger Hinweis zu Rollen In Konfliktklärungsgesprächen braucht man stets die Rolle des allparteilichen Moderators. Manchmal ist jedoch auch die Rolle des Entscheiders erforderlich. In den meisten nicht stark eskalierten Konflikten können Sie als Projektleitung beide Rollen einnehmen. Bei weiter eskalierten Konflikten sollten Sie prüfen, ob Sie sich auf die Entscheider-Rolle konzentrieren wollen. Gegebenenfalls ziehen Sie eine teamexterne Moderatorin hinzu. Worauf Sie sonst noch achten sollten: • Konflikte nicht durch räumliche Trennung lösen: Es kommt vor, dass nach vergeblichen Klärungsversuchen Konfliktparteien so eingesetzt werden, dass sie möglichst keine Berührungen mehr bei der Arbeit haben. Das soll dazu führen, dass die Arbeit störungsfrei abläuft. Dies funktioniert vielleicht sogar eine Zeit lang. Aber was folgt daraus? Die Konfliktparteien haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine schlechte Meinung voneinander. Mit diesen Bildern können sie ihre Meinung nicht mehr in der Realität überprüfen. Stattdessen steigen negative Fantasien übereinander. Man projiziert alles Schlechte in die andere Partei. Irgendwann müssen sie dann doch wieder zusammenarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt ist oft gar nichts mehr miteinander möglich. Versuchen Sie darum mit aller Kraft, Wissen | Konflikte im Projekt 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 die Konflikte zu lösen. Setzen Sie zur Not eine teamexterne Moderatorin oder einen Mediator ein. Das ist stets günstiger als ein langer, schwelender Konflikt. • Unparteiisch bleiben: Ein typischer Fehler von Führungskräften im Umgang mit ihrer Macht ist es, dass sie Menschen bevorzugen, die ihnen ähnlich sind. Dies geschieht oft unbeabsichtigt. In Konfliktsituationen führt das dazu, dass man eine Seite besser verstehen kann als die andere. Man steht mehr an der Seite des einen als des anderen. Das spürt die benachteiligte Person. Wenn Sie bemerken, dass Sie eine Seite bevorzugen, versuchen Sie die andere Seite zu verstehen. Fragen Sie sich: Wo waren Sie vielleicht einmal in einer ähnlichen Situation? Wo haben Sie sich vielleicht einmal ähnlich verhalten? Welche Ängste hatten Sie damals? Wofür haben Sie damals gekämpft? • Konfliktparteien nicht austauschen: Auch wenn die Versuchung groß ist, versuchen Sie nicht, den Konflikt durch Austausch einer Konfliktpartei zu lösen. Meistens ist die schwierige Person nur ein Symptomträger für ein Problem im System. Wenn Sie die Person austauschen, wird das Problem sich einen anderen Symptomträger suchen. Das ganze Spiel beginnt von vorn. Konflikte bei den Entscheidern Manchmal liegt die Ursache für den Konflikt nicht im Projektteam. Sie befindet sich auf der Entscheider-Ebene. Das können im agilen Projekt Stakeholder mit verschiedenen Interessen sein, die der Product Owner nicht kanalisieren kann. Im Wasserfall-Projekt sind es möglicherweise Entscheider in einem Lenkungsausschuss. Sie haben eventuell Konflikte untereinander, die nichts mit dem Projekt zu tun haben. Diese Konflikte haben meist einen Einfluss auf das Projekt. Die Teammitglieder erkennen aber oft nicht, dass die Konfliktursache außerhalb ihres Teams liegt. Die größte Herausforderung ist genau diese Erkenntnis. Wenn Sie und Ihr Team das erkannt haben, haben Sie zwei Möglichkeiten: • Sie spiegeln den Entscheidern Ihre Erkenntnisse und die Auswirkungen auf Ihr Projekt. Sie bitten sie, den Konflikt zu klären. • Sie und Ihr Team akzeptieren die Situation als Rahmenbedingung und machen das Beste daraus. Sie suchen also Wege des Umgangs mit dem äußeren Konflikt. Diese ermöglichen es Ihnen, die Projektarbeit in guter Teamzusammenarbeit fortzuführen. Konflikte auf der Organisationsebene Gerade Transformationsprojekte können auch Konflikte in der Organisation auslösen. Da gibt es immer die Personen, die sich auf das Neue freuen. Sie fangen schon frühzeitig an, das Neue zu leben. Und es gibt diejenigen, die dagegen sind. Diese werden dann als Bremser, Querulanten oder rückständig bezeichnet. Tatsächlich ist der Widerstand gegen Veränderung ein elementarer Bestandteil derselben. Wenn es keinen Widerstand gibt, gibt es auch keine Veränderung. Um hier Konflikten vorzubeugen, ist ein gutes Change Management nötig. Dazu gehört: • Betroffene, insbesondere die Gegner des Neuen einladen, das Neue mitzugestalten. Wenn sie nicht ins Projektteam eingeladen werden können, können sie vielleicht in Fokusgruppen zumindest Rückmeldung zu Zwischenergebnissen geben. • Ausreichend Informationen zur Verfügung stellen. Diese werden so lange wiederholt gegeben, bis wirklich alle verstanden haben. Hilfreich ist auch, diese Informationen persönlich zu geben. Es ist besser, als die Informationen nur schriftlich zur Verfügung zu stellen. Bieten Sie Gelegenheit zu Nachfragen und Diskussion an. • Die Mitarbeitenden ausreichend für das Neue schulen. Dies gibt ihnen auch in Zukunft die Chance auf Erfolg. • Bedürfnisse in Veränderungen im Blick behalten. Gute Hinweise gibt hier das SCARF-Modell. Typische Bedürfnisse der Mitarbeitenden in Veränderungssituationen sind dementsprechend: Status: Die eigene Wichtigkeit in Bezug auf Andere. Certainty: Die Vorhersagbarkeit der Zukunft. Autonomy: Selbstbestimmtes Handeln, mitgestalten können. Relatedness: In Beziehung zu anderen sein. Fairness: Das Gefühl, dass es hier fair zugeht. Was kann ich tun, wenn es trotzdem Konflikte gibt? Besonders hilfreich ist es, Personen mit gegenläufigen Standpunkten gut moderiert in Kontakt zu bringen. Dies ist besser, als selbst zu versuchen, die Kritiker zu überzeugen. Hier sind zwei Ideen, wie Sie das tun können: • Veranstalten Sie ein gemeinsames Meeting, in dem die strittigen Punkte herausgearbeitet werden. In gemischten Kleingruppen arbeiten die Teilnehmenden anhand von hilfreichen Arbeitsfragen Lösungen heraus. Sie klären, wie sie in Zukunft mit den Punkten umgehen wollen. Durch die Kleingruppenarbeit haben die Teilnehmenden genügend Zeit und Raum. Sie können sich mit dem Thema auseinandersetzen und sich gegenseitig inspirieren. Die gefundenen Lösungen sind praxistauglich. • Wenn die Meinungen schon stark polarisiert sind, empfehle ich den Grundkraftprozess von Lukas Hohler. In diesem sehr strukturierten Verfahren steigen die Teilnehmenden tief in die Perspektive und Erfahrungswelt der Gegenseite ein. Sie erkennen sich selbst darin wieder. Dies führt zum einen dazu, dass die polarisierten Seiten wieder zusammenrücken. Zum anderen bewirkt es auch, dass alle Beteiligten plötzlich Dinge sehen, die sie vorher nicht sehen konnten. Diese neuen Perspektiven ermöglichen neue Lösungen. Der Prozess ist auch mit 100 bis 200 Personen durchführbar. So können Sie mit einer recht großen Gruppe die bestehenden Konflikte bearbeiten. Fazit Wenn Konflikte im Projekt auftauchen, bereichern sie Sie als Projektleiterin sowie die Betroffenen. Sie alle bekommen eine Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln. Die Konflikte zeigen ungelöste Themen wie unklare Rollen oder gegenläufige Interessen auf. Nach ihrer Klärung führen sie zu besseren Prozessen und Ergebnissen sowie zu einem höheren Teamzusammenhalt. Darum nutzen Sie sie und begrüßen Sie sie freudig. Wissen | Konflikte im Projekt 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 Seien Sie neugierig, welche Erkenntnisse Sie im Klärungsprozess gewinnen werden. Literaturempfehlungen: Der Loop Approach (Klein, Hughes, Fleischmann) enthält diverse hilfreiche Methoden für selbstorganisiertes Arbeiten Potenzial und Weisheit kollektiver Intelligenz (Lukas Hohler) beschreibt den Grundkraftprozess im Detail und enthält viele Fallbeispiele 1. Perspective-Dimension • Governance, structures, and processes (2): Unerkannte oder schlecht definierte Rollen sowie unklare Verantwortlichkeiten werden als Hauptursachen für Konflikte dargestellt. • Power and interest (4): Es wird beschrieben, wie divergierende Interessen von Stakeholdern, Auftraggebern und Teammitgliedern in Projekten zu Spannungen führen können. • Culture and values (5): Der Artikel widmet sich kulturellen Unterschieden und verschiedenen Verhaltensnormen, die Konfliktpotenzial bergen. 2. People-Dimension • Personal communication (3): Der Artikel zeigt auf, wie wichtig klare, wertschätzende Kommunikation für das Erkennen und Lösen von Konflikten ist. • Teamwork (6): Mehrfach wird beschrieben, wie Teammitglieder ihre Zusammenarbeit verbessern, Rollen klären und gegenseitige Erwartungen abstimmen können. • Conflict and crisis (7): Im Zentrum stehen konkrete Methoden und Prozesse zur konstruktiven Konfliktlösung und -moderation. • Leadership (5): Die Rolle der Projektleitung wird betont, etwa wenn es um Allparteilichkeit, Entscheidungsbefugnis oder das frühzeitige Eingreifen in Konflikte geht. 3. Practice-Dimension • Plan and control (10): Konflikte entstehen oft durch unterschiedliche Erwartungen an Zeitpläne und Verantwortlichkeiten. Der Beitrag erläutert, wie klares Planen und Controlling helfen kann, Konflikte zu vermeiden. • Stakeholders (12): Entscheider-Ebene, Lenkungsausschüsse oder externe Interessengruppen werden als mögliche Konfliktauslöser angesprochen, was den Stakeholder- Umgang relevant macht. • Change and transformation (13): Da es speziell um Transformationsprojekte geht, wird gezeigt, wie Widerstand und Konflikte zum natürlichen Bestandteil tiefgreifender Veränderungen werden- - und wie man sie positiv nutzen kann. Eingangsabbildung: © iStock.com / Atstock Productions Merle Runge Merle Runge begleitet seit 30 Jahren Veränderungsprojekte, bildet Führungskräfte aus und moderiert leidenschaftlich gern, insbesondere in Konflikt-Situationen. Sie arbeitet als Selbständige in einem großen Netzwerk.
