eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 36/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2025-0060
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/pm364/pm364.pdf0922
2025
364 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

89 riesige Tunnelelemente – fast wie am Fließband

0922
2025
Oliver Steeger
Am Fehmarnbelt entsteht ein achtzehn Kilometer Tunnel langer Tunnel durch die Ostsee. Auf dänischer Seite – in Rødbyhavn – werden in einer riesigen Fabrik die 73.000 Tonnen schweren Tunnelelemente produziert. Sie werden später in einen Tunnelgraben auf den Ostseegrund herabgelassen. Solche Absenktunnel sind keine Novität. Doch mit seiner Dimension betritt das dänische Großprojekt weltweit Neuland. Wir beobachteten auf der Baustelle, wie die Tunnelelemente entstehen und wie es gelingt, die Elemente immer schneller zu produzieren – fast wie am Fließband.
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4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0060 Am Fehmarnbelt entsteht der weltweit längste Absenktunnel 89 riesige Tunnelelemente-- fast wie am Fließband Oliver Steeger Am Fehmarnbelt entsteht ein achtzehn Kilometer Tunnel langer Tunnel durch die Ostsee. Auf dänischer Seite-- in Rødbyhavn-- werden in einer riesigen Fabrik die 73.000 Tonnen schweren Tunnelelemente produziert. Sie werden später in einen Tunnelgraben auf den Ostseegrund herabgelassen. Solche Absenktunnel sind keine Novität. Doch mit seiner Dimension betritt das dänische Großprojekt weltweit Neuland. Wir beobachteten auf der Baustelle, wie die Tunnelelemente entstehen und wie es gelingt, die Elemente immer schneller zu produzieren-- fast wie am Fließband. Der König kam. Mit strahlend weißem Bauhelm und gelber Schutzweste weihte Frederik X. das erste Tunnelelement ein. Der beliebte dänische Monarch winkte den Zaungästen zu, die ihn mit rot-weißen Fähnchen in der Hand begrüßten. Er begab sich auf die Großbaustelle zu den Ingenieuren und Bauarbeitern. Das Tunnelelement, das er einweihte, hat gigantische Ausmaße: 217 Meter lang, 73.000 Tonnen schwer, zwei Röhren für die vierspurige Autobahn und zwei für Schnellzüge. Eines von 89 Elementen für den Fehmarnbelt-Tunnel, der unter der Ostsee Skandinavien mit Europa verbinden wird. Das größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte Dänemarks. Dann tat der König etwas ungewöhnliches. Frederik X. nahm eine Münze hervor. Sie war ihm zum achtzehnten Geburtstag geschenkt worden. Eine Silbermünze. Er legte sie in eine Zeitkapsel, die vor dem künftigen Tunneleingang eingegraben wird. Eine königliche Geste. Man kann sie als Wertschätzung verstehen - aber auch als Ansporn. 2029 soll der Tunnel eröffnen. Darauf arbeiten derzeit Hunderte Menschen hin. Der Fehmarnbelttunnel wird eine achtzehn Kilometer lange Lücke auf der europäischen Nord-Süd-Trasse schließen. Reisende nach Dänemark, Schweden und Norwegen kennen diese Lücke. Für die Fährüberfahrt von der deutschen Insel Fehmarn zur dänischen Hafenstadt Rødbyhavn kalkulieren sie eine gute Stunde Extra-Fahrtzeit ein, manchmal mehr. Anders ab 2029: Züge werden nur noch sieben Minuten benötigen, und die Fahrt mit dem Auto dauert zehn Minuten. Solche Lücken im Verkehrsnetz sind nicht nur ein Erschwernis für Reisende. Sie sind ein Hindernis und Bürde im Warenverkehr. Beispielsweise muss der Transitverkehr von Hamburg nach Kopenhagen heute einen Umweg von 160 Kilometer nehmen. Zudem: Europa wächst zusammen. Solche Flaschenhälse sind ein Unding, meinen viele Politiker. Sie treffen besonders den umweltfreundlichen Schienenverkehr. Seit den 1960er Jahren kamen immer wieder Ideen für diesen Lückenschluss auf. Doch viele kühne Pläne verschwanden schnell wieder in der Versenkung. Mal war es das Geld. Mal war es die geopolitische Lage. Mal gab es Wichtigeres. Zur Jahrtausendwende kam erneut Bewegung in die Sache. Dänemark ergriff die Initiative, dieses Mal energisch. Das Königreich setzte an, die Lücke endgültig zu schließen. Nach einem ausgiebigen Variantenvergleich fiel die Entscheidung zugunsten eines Absenktunnels: In einer „Tunnelfabrik“ auf Lolland werden Betonelemente produziert und schließlich in einen zuvor ausgehobenen Tunnelgraben abgesenkt. Noch dieses Jahr will man das erste Tunnelelemente absenken-- und zwar das, das der dänische König eingeweiht hat. Als wir die Baustelle in Rødbyhavn besuchen, ist der Besuch des Königs bereits Erinnerung, quasi ein leuchtender Ein- Reportage | 89 riesige Tunnelelemente-- fast wie am Fließband 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0060 trag ins Bautagebuch. Auf dem riesigen Gelände - groß wie 310 Fußballfelder - reihen wir uns mit einem Geländewagen in den Verkehr auf der dänischen Baustelle ein. Wir folgen den mit Barken abgesteckten Pisten und fahren auf riesige Fabrikhallen zu, in denen die Tunnelelemente produziert werden. Mittags hat es geregnet. Jetzt stehen die Fabrikhallen weiß und mit scharfer Kontur gegen die abziehenden, stahlgrauen Wolken. Die Ausmaße der Hallen sind überwältigend- - groß wie Flugzeughangars. Klein dagegen die Baustellenfahrzeuge mit blinkenden Warnlichtern, die Sprinter und Jeeps, die durch die Pfützen fahren. Dazwischen - winzig - die Menschen mit ihren Helmen und gelben Warnwesten. Die Ingenieure und Arbeiter kommen aus vielen Ländern; in einem Pausenraum ist an einem Aushang ein Fußballturnier angekündigt in drei Sprachen, darunter polnisch. Polnisch, weil viele Stahlbauer aus Polen stammen. Der Projektdirektor, den wir treffen, hat bereits viele Großbaustellen geleitet. Gerhard Cordes berichtet von Milliardenprojekten beispielsweise in Katar. Er ist hochgewachsen, in sich ruhend, blickt einem direkt in die Augen. Wir kennen ihn bereits vom vergangenen Jahr, von unserem ersten Besuch der Baustelle. „Ist ja mächtig vorangekommen“, sagen wir. „Ja“, entgegnet er, „die Produktion der Tunnelelemente läuft jetzt fast wie am Fließband.“ Die weißen Hallen beherbergen eine gigantische Fabrik-- mit einem Zweck: die Betonelemente, jedes groß wie ein Häuserblock, herzustellen. Sie werden später in bis zu vierzig Metern Wassertiefe verbunden. Zum längsten Absenktunnel der Welt. Diese Elemente entstehen derzeit auf sechs Produktionslinien. Eines nach dem anderen. Der Termin 2029 gilt. Der Besuch des Königs drückt auch die Erwartungen aus, die Dänemark an dieses Projekt richtet. Wir betreten eine der Hallen. Vereinfacht gesagt, sie besteht aus zwei Bereichen. Vorne errichten Stahlbauer haushohe Körbe aus Bewehrungsstahl. Weiter hinten wird betoniert. Manche vergleichen die riesigen, braunen Stahlkörbe mit einem Skelett für die Tunnelelemente. Ist das „Skelett“ vorne in der Halle fertig, wird es weiter geschoben in die Betonieranlage. Dort kommt das „Fleisch“-- der Beton-- dazu. Die erste Betonage galt als etwas Besonderes. Doch mittlerweile sind die Montage der Bewehrungskörbe und die anschließende Betonage Routine. Quasi wie am Fließband. Wir gehen an den Bewehrungskörben vorbei und sehen den Stahlbauern in ihren orangen Overalls und blauen Bauhelmen zu. Solche feingliedrigen Geflechte aus daumendicken Stahlstangen zu bauen ist eine Kunst: erst der Boden, dann die Seitenteile, zuletzt die Decke. Die Röhren für Straße und den Schienenweg sind bereits zu erahnen. „Wir haben beim Bau der ersten Elemente einiges gelernt“, erklärt Gerhard Cordes, „es gab anfangs ein paar Herausforderungen bei der Montage. Jetzt haben wird die Bewehrung so angepasst, dass es einfacher und schneller geht.“ Dabei ging es vor allem um praktische Details, die bei der Montage Zeit kosteten oder sie umständlich machten. „Natürlich wird schon bei der Planung auf eine Bewehrungsführung geachtet, die auch auf der Baustelle gut umzusetzen ist“, sagt Gerhard Cordes. Aber es gebe immer Fälle, bei denen man die Pläne anpassen muss-- „natürlich, ohne die Qualität zu vermindern“, wie der Projektdirektor anfügt. Auch hat man einige Montagearbeiten in eine andere, neue errichtete Halle ausquartiert: die „Panelfactory“. Dort werden beispielsweise Bewehrungsmatten vorproduziert. Dann holt man diese Bauteile auf Abruf in die Hallen. Dank der Panelfactory hat man bestimmte Routinearbeiten in der Halle „aus den Füßen“. Vorgesehen war die Panelfactory in keinem der ursprünglichen Pläne. Die Idee ergab sich aus der Praxis. Gerhard Cordes spricht von einer Lernphase, die das Projekt durchlief. Trotz des Termindrucks sammelte man anfangs Erfahrung, startete langsam. Gerhard Cordes findet das Wort „langsam“ nicht ganz treffend („Ich will nicht, dass es zu negativ klingt“). Doch Tatsache ist, dass man anfangs bewusst Zeit in den Start der Fabrik investiert hat- - Zeit, die natürlich „eingepreist“ war im Terminplan. Man merzte nicht nur leichte Anlaufschwierigkeiten aus-- sondern nahm sich Zeit, sich Abläufe auf der Baustelle anzuschauen und stellenweise anzupassen. Bewusstes Lernen. „Wir haben viele Optimierungen vorgenommen“, sagt Gerhard Cordes, „heute sind wir bei etwa 30 Stunden je Betoniervorgang“. Das kann man kaum noch beschleunigen, fügt er an. Doch die Prozesse dazwischen-- an denen wurde gearbeitet. Hinter den Toren der Fabrik ist das grauen Tunnelelement zu erkennen. Foto: Oliver Steeger Reportage | 89 riesige Tunnelelemente-- fast wie am Fließband 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0060 Wir gehen an den Bewehrungskörben vorbei und erreichen den hinteren Teil der Halle. Ein Vorhang trennt die Betonierabteilung von dem Rest der Halle, des Klimas wegen, ganzjährig 20 Grad. Ein gleichmäßiges Surren erfüllt die Halle. Wir blicken auf die Betonieranlage mit ihren Schalungen, vielen Rohren und Schläuchen. Hochleistungspumpen befördern den Beton über Pipelines hierher. Die Mischanlage steht zwischen den Fabrikhallen. Unter dem Hallendach erblicken wir die Arme der Betonpumpen, wie Insektenarme. Langsam schwenken sie vor und zurück und verteilen den Spezialbeton gleichmäßig. Dafür darf die Mischung weder zu fest noch zu flüssig sein. Präzisionsarbeit. In seiner Ruhe ein meditativ wirkender Vorgang. „Wir gießen in einem Stück-- ohne Unterbrechung“, erklärt Gerhard Cordes. Dies vermeidet Fugen-- eine technische Herausforderung. Die Übergänge zwischen der Bodenplatte, den Wänden und der Decke gelten als besonders schwierig. „Bei solchen Details haben wir anfangs viel dazugelernt“, sagt der Projektdirektor. Gelernt beispielsweise zur Betonrezeptur. Es ging um optimale Zusammensetzung, Abbindezeit, die Luftfeuchtigkeit in den Hallen. Zum einen: Der Beton muss langlebig sein und extremen Einsatzbedingungen am Meeresboden standhalten. „Der Tunnel ist ja auf eine Mindestlebensdauer von 120 Jahren ausgelegt“ erklärt Gerhard Cordes. Zum anderen: Den Ingenieuren ging es um die Frage, wie man den Beton optimal verarbeiten kann. Zusatzstoffe verhindern, dass er zu schnell abbindet; das ermöglicht langsames Gießen. Dieses langsame, gleichmäßige Gießen ist es, das auf Laien „meditativ“ wirkt. „Wir haben anfangs außerhalb der Fabrik einen Testguss gemacht“, erklärt Gerhard Cordes, „wir haben ein maßstabsgetreues Modell eines Teilabschnitts eines Tunnelelements hergestellt.“ Man muss wissen: Ein Tunnelelement besteht aus neun Segmenten, die aneinandergefügt werden. Selbst ein solches Teilstück ist in seinen Ausmaßen beeindruckend. „Um die Testbetonage unter nahezu realistischen Bedingungen zu simulieren, wurden unter anderem die Originalbewehrung und alle notwendigen Einbauteile installiert“, sagt Gerhard Cordes, „während dieser Testphase konnten wir gut sehen, wo es zu Schwierigkeiten kommen kann.“ Das ist für ihn auch Teil des Risikomanagements. „Dieser Testguss hatte für uns einen hohen Informationswert“, sagt er. Er fügt an, dass dieses „Testsegment“ jetzt weiterverwendet wird- - quasi als Testlabor etwa für die Montage der späteren Tunneleinbauteile. „Auch das wird erprobt“, sagt er. Je früher man Schwierigkeiten erkennt, desto besser kann man sie lösen. Ohnehin gab es vor Start der Produktion eine Menge Tests. Das kostet Zeit- - ist aber unumgänglich. Beispielsweise Tests zur Dichtigkeit des Materials (mit einer Partnerfirma in Singapur). Die Standards sind hoch. Doch für Gerhard Cordes sind sie auch Teil seines vorausschauenden Risikomanagements. (siehe Interview). Wenn einmal die Elemente unter Wasser sind, wird es schwieriger, Probleme zu lösen. Sorgfalt, hören wir oft auf der Baustelle, geht vor Schnelligkeit. Sorgfalt heißt auch: Lernen. Verbessern. Wissen sammeln und nutzen. Die Fabrik produziert nicht nur Tunnelelemente. Sondern-- gewissermaßen-- auch Wissen. Viel Wissen. Als wir die Fabrikhalle durch ein Seitentor verlassen, erblicken wir eines der nun fertigen Tunnelelemente. Es liegt in einem der drei Trockendocks vor der Fabrik. Man erklärt uns: Während der Produktion wird das Element Stück für Stück aus der Halle herausgeschoben. Ist das Element fertig und der Beton ausgehärtet, wird es über Schubbalken von der Halle in ein Trockendock geschoben, ein Vorgang mit dem Namen „Big Push“. Im Trockendock findet das „Outfitting“ statt, beispielsweise die Montage von Dichtungen oder Brandschutzverkleidungen. „Wir bringen hier schon viele Teile der technischen Ausstattung in die Elemente herein, bauen sie aber noch nicht alle ein“, erklärt Gerhard Cordes. Denn später, unter Wasser, ist der Platz im Tunnel begrenzt. Baumaterial müsste von außen In der Betonieranlage wird das Stahlskelett-- der Bewehrungskorb-- in einem Guss mit Beton gefüllt. Foto: Oliver Steeger Reportage | 89 riesige Tunnelelemente-- fast wie am Fließband 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0060 wichtiges Methodenwissen für einen strukturierten Einstieg in das Projektmanagement uvk.de Reportage | 89 riesige Tunnelelemente-- fast wie am Fließband 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0060 durch das Tunnelportal in die bereits abgesenkten Tunnelelemente eingefahren werden. Anschließend werden die Tunnelelemente an den beiden Enden mit Stahlschotten wasserdicht versiegelt. Wie eine Schleuse wird das Trockendock geflutet. Die Tunnelelemente schwimmen auf (trotz ihres enormen Gewichts). „Float-up“ nennt sich dieser Vorgang im Fachjargon. Drei Tunnelelemente wurden bis Mai bislang in den Becken vor der Fabrik zum Schwimmen gebracht. Ein weiterer Meilenstein für das Projekt. Nachdem die Abläufe auf jeder der Produktionslinien reibungslos funktionierten, nahmen sich Fachleute das Gesamtsystem vor: Das Zusammenspiel der sechs Linien. Mit Lean Management koordiniert man die Abläufe der Linien. Was abstrakt klingt, verdeutlicht Gerhard Cordes so: Das Gesamtsystem hat- - naturgemäß- - Engpässe. Zum Beispiel, wenn auf jeder der Linie gleichzeitig ein Element fertig wird. Doch nur zwei Elemente finden im vorgelagerten Becken Platz, von dem sie ausgeschifft werden. Ein Stau vor dem Becken würde die Produktion blockieren. Lean Management bedeutet, die Fabrik nach dem Pull-Prinzip zu steuern. Das Ziel: Es wird immer das rechtzeitig nachgeliefert, was man im nächsten Produktionsschritt benötigt. „Lean Management ist für uns das letzte Stadium der Optimierung“, erklärt Gerhard Cordes. Die Fabrik soll so effizient und präzise wie ein Uhrwerk laufen. Die gigantischen Tunnelelemente beeindrucken. Doch ebenso gigantisch ist das Wissen, das sich die Projektteams erarbeiten. Ein solches Megaprojekt betritt immer unbekanntes Terrain. Hier wird dieser Charakterzug von Projekten besonders deutlich. Der Aufbruch ins Unbekannte-- das sich mit dem Unbekannten bekannt machen. Lernen. In bis zu 40 Metern Wassertiefe wird der Tunnel Dänemark und Deutschland verbinden. Illustration: Sund & Bælt Holding A / S Ein Tunnelelement vor der Fabrik, im nicht gefluteten Becken. Foto: Oliver Steeger Reportage | 89 riesige Tunnelelemente-- fast wie am Fließband 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0060 Doch wer lernen will, braucht Vorwissen. Ein Punkt, von dem er starten kann. Das Problem: Es gibt wenige Absenktunnel-Projekte auf der Welt, die man „fragen“ kann. Dänemark hatte Glück. Im eigenen Königreich hat man bei einem Tunnelbauprojekt vor 25 Jahren auf die Absenktechnologie gesetzt. Beim Öresund-Tunnel. Der Öresund-Tunnel ist ein Teil der berühmten Öresundverbindung zwischen Dänemark und Schweden. Der Tunnel hat vier Kilometer Länge, der Absenktunnel selbst 3,5 Kilometer. Die zwanzig eingesetzten 55.000 Tonnen schweren Tunnelbauelemente galten damals als größte vorfabrizierten Tunnelbauelemente der Welt. „Vom Design her ist dieser Tunnel unserem sehr ähnlich“, sagt Gerhard Cordes, „wir haben das Design für unser Projekt allerdings weiterentwickelt.“ Ein Beispiel: Beim Fehmarnbelt-Tunnel gibt es alle 1,8 Kilometer ein sogenanntes „Spezialelement“. Dieses Element ist kürzer als die Standardelemente, verfügt aber über ein Untergeschoss. Dort ist die Betriebstechnik für den Tunnel untergebracht. „Diese zehn Spezialelemente sind eine Weltneuheit“, sagt der Projektdirektor. Vom Öresundtunnel haben die Ingenieure am Fehmarnbelt vieles gelernt und dann technisch weiterentwickelt. Sie konnten auf Grundlegendes aufsetzen. Doch wie lernt man von einem Projekt, das 25 Jahre zurückliegt? Zum einen durch die Dokumentation. Zum anderen, indem man Spezialisten, die am Öresund-Tunnel beteiligt waren, aufspürt und ins Team holt. „Wir haben Mitarbeiter in unser Projekt geholt, die damals an Design und Ausführung mitgewirkt haben“, sagt Gerhard Cordes, „sie haben sehr viel Know-how mitgebracht.“ Auch von anderen Absenktunnel-Projekten auf der ganzen Welt kamen Mitarbeiter. Dies ist für Cordes ein hocheffizienter Weg, Wissen zu managen. Für ihn bedeutet dieses Wissensmanagement Nehmen - und Geben. Geben für künftige Projekte. Das Wissen, das auf der Baustelle gesammelt wird, weiterreichen. Beispielsweise dokumentiert das Team jeden einzelnen Schritt und hält das Wissen fest, das es gewinnt. „Dokumentation ist essenziell bei einem solchen Projekt“, sagt Gerhard Cordes, „wir wollen aber, dass man in Zukunft auch auf dieses Wissen zugreifen kann.“ Bei Sund & Bælt (zu dieser Holding gehört auch Femern A / S) nutzt man gezielt das Wissen und die Erfahrung von Mitarbeitern, um künftige Infrastrukturprojekte umzusetzen. Durch den Einsatz erfahrener Fachkräfte wird Know-how weitergegeben. Dies stärkt nicht nur die Expertise der Mitarbeiter. Es stellt sicher, dass jedes neue Projekt auf bewährten Lösungen und kontinuierlicher Weiterentwicklung basiert. Gerhard Cordes ist ein Freund dieser Wertschöpfungskette. „Value Chain“ heißt das bei Sund & Bælt. Einige seiner Spezialisten bringen ihr Wissen bereits jetzt in ähnliche Tunnelbau-Projekte ein, die in der Holding derzeit vorbereitet werden. Dies fördert Innovation und Qualität. Für Gerhard Cordes ergibt sich so eine Kette der Generationen von Projekten. Zwischen ihren Gliedern wird das Wissen wie ein Erbe weitergegeben. So gesehen leben Projektmanager nicht nur für ihr Projekt, sondern auch für folgende. Jedes Projekt hinterlässt etwas für nachfolgende Projekt-Generationen. Vielleicht hat dies der König symbolisch ausdrücken wollen, als er seine Silbermünze in die Zeitkapsel legte. Eingangsabbildung: Stahlarbeiter montieren die Bewehrungskörbe: das Stahlskelett der späteren Beton-Tunnelelemente. Foto: Oliver Steeger projektron.de PM und E-Rechnung in einer Lösung Angebote und Angebote und E-Rechnungen Projektportfolio Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA, BPMN Anzeige