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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2001
123 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 3 REPORT D as gerahmte Poster in der Projekt-Kaffeelounge hat sich das Team selbst ausgesucht: ein Cartoon mit einem Dutzend Comic-Enten, fröhlichen Donald Ducks, die bei sturmgepeitschter See in einem Ruderboot sitzen; um die wetterfeste Bootsbesatzung herum Blitz und Donner, meterhohe Wellen, finstere Wolken. Und was tun die Donalds? Allem Unbill trotzend singen, lachen und in gemütlicher Runde fröhlich sein. Das witzige Motiv gefiel dem Team. Darin fand es sich wieder. „Denn so haben wir uns manchmal in unserem Projekt gefühlt“, meint Projektleiter Wolfgang Rzehak. Mit seiner Mannschaft hatte er im letzten Jahr für Siemens Business Services wichtige Prozesse optimiert und dabei eine kostengünstige, automatisierte Web-Hosting- Dienstleistung eingeführt. Die Fakten: Bislang hatte der 1995 gegründete IT-Spezialist für Großkunden maßgeschneiderte E-Business-Lösungen erstellt. Zusätzlich wollte das Unternehmen nun Dienste anbieten, die es automatisch abwickeln und damit günstig auf einen neuen, größeren Markt bringen konnte. Mit seinen elf Spezialisten erstellte Wolfgang Rzehak in einem Businesspiloten Machbarkeitsstudien, entwarf Businesspläne, strickte an Serviceprozessen, wählte Software aus und richtete ein Call-Center ein - keine leichte Sache. Was wie ein Sturm über die kleine Mannschaft hereinbrach: Mitten im Projekt änderte die Siemens-Tochter ihre Organisationsstruktur und richtete sich neu aus. Das dem Ende entgegengehende Projekt wurde komplett überdacht, die Ziele wurden umdefiniert. Der Boden unter den Füßen des Teams schwankte. Allein den grundlegenden Businessplan musste es viele Male überarbeiten und anpassen. Zuletzt endete das Team mit seinem Projekt, wo es sich niemand beim Kick-off hätte träumen lassen. Sein neues IT-Produkt - trotz aller Reife - ging nicht an den Markt. Alles umsonst? Gerne hätten Rzehak und seine Mannen das Serviceprodukt am Markt gesehen und ihr „Baby“ großgezogen. Doch vergeblich war das Projekt mit seinen Mühen nicht. Im Gegenteil, das Unternehmen profitiert heute von dem Know-how, das es während des Projekts entwickelt hat. Es berät andere Provider und Dienstleister, wie sie automatisiert und günstig diese E-Business-Dienste bereitstellen können. Man hat Erfahrungen gesammelt. Jetzt verkauft man sie. Auch einige Lektionen über effizientes Projektmanagement hat das Team bei diesem „Lern-Projekt“ verstanden. Entgegen allen Widrigkeiten hatte Rzehaks Mannschaft das IT-Projekt vorbildlich auf Kurs gehalten. Sie bewarb sich schließlich um den „Internationalen Deutschen Projektmanagement Award“ und kam mit ihrer Arbeit ins Finale des weltweit ausgeschriebenen Wettbewerbs um Management-Spitzenleistungen. Sommer 1999: Siemens Business Services will sich an Oliver Steeger Für viele Projektleiter ein Alptraum: Trotz Bilderbuch-Projektmanagements, Sachkompetenz und engagierten Teams bleibt ihr Projekt stecken. Denn ihr Unternehmen richtet die Geschäftspolitik neu aus, organisiert sich um oder hat einen neuen Mann in der Chefetage. Plötzlich werden Prestige-Objekte zu Problemobjekten. Gestraft sind die Teams, die über Monate zugepackt haben. Ein Team um den Siemens-Mann Wolfgang Rzehak fand sich von heute auf morgen auf schwankendem Boden - und stolperte dennoch nicht. Ganz im Gegenteil, mit ihrer Arbeit stürmten sie ins Finale des „Internationalen Deutschen Projektmanagement Awards 2001". Projektmanagement-aktuell-Redakteur Oliver Steeger besuchte die IT-Spezialisten in Fürth. Foto: Oliver Steeger Durch „stürmische See“ zum Ziel Siemens-Team bewies hervorragendes Projektmanagement Was wie ein Sturm über Projektleiter Wolfgang Rzehak und seine Mannschaft hereinbrach: Mitten im Projekt änderte die Siemens Business Services ihre Organisationsstruktur. Sein Projekt wurde komplett überdacht, die Ziele wurden umdefiniert. Der Boden schwankte unter den Füßen des Teams. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 4 REPORT die Spitze des E-Business-Zuges setzen, der immer mehr Fahrt aufzunehmen verspricht. Seit fünf Jahren ist das Unternehmen beim Hosting im Geschäft, allerdings mit individuell erarbeiteten Lösungen für Großkunden. Idee nun: Künftig will es mittelgroßen und kleineren Unternehmen als IT-Service Konfektionsangebote unterbreiten - für die Spezialisten der Siemens-Rechenzentren ein bis dato wenig bekanntes Terrain. Mit neuen, standardisierten Service-Bausteinen soll beispielsweise der Mittelstand beim Einstieg ins E-Business unterstützt werden. Dafür will Siemens Business Services sein Betreiber-Know-how nutzen und die (Internet-)Anwendungen in seinen Rechenzentren betreiben, im Branchenjargon „hosten“. „Web-Hosting“ beflügelt IT-Markt Die Entscheidung, die Arena dieses ebenso aussichtsreichen wie umkämpften Markts zu betreten, stand vor zwei Jahren auf sicherem Fundament. Hintergrund: Die Arbeitsprozesse der Zukunft werden massiv auf das Internet ausgerichtet sein. Nicht nur Endverbraucher, auch Unternehmen setzen zunehmend auf elektronische Märkte. Hier können sie binnen weniger Sekunden Angebote einholen und abgeben, vergleichen, Leistungen aushandeln, einkaufen und verkaufen. Nur, diese elektronischen Märkte benötigen technische Infrastruktur und Speicherplatz. Experten schätzen, dass allein das Web-Hosting als Basisdienstleistung sich bis zum Jahr 2003 verzehnfachen wird. Dabei wird sich der Web-Hosting-Markt auf fast 19 Milliarden US-Dollar ausdehnen und zur Wachstumsrakete der gesamten Internet-Wirtschaft werden. Die Chance für Siemens Business Services: Mit hohem Sicherheitsstandard und gutem Rundum-Service könnte sich das Unternehmen mit seinen hochwertigen Service- Standard-Paketen gegen Billiganbieter behaupten und sich als zuverlässiger Qualitätspartner positionieren. So setzt Siemens Business Services Anfang 2000 hohe Erwartungen in Rzehaks Projekt „MTS Web-Hosting“ ( M aket os tock, frei übersetzt: Definition und Erstellung einheitlicher Pakete für den Markt nach dem Prinzip „einmal erstellt, vielfach verkauft“). Aufgabe: Das Team soll in diesem Pilotprojekt die nötige Infrastruktur für die Dienstleistung entwickeln und ein erstes Servicepaket aus dem Boden stampfen. Mehrere tausend Produktnamen durchgespielt Die Zeit ist knapp. Der IT-Markt bestraft jede Säumigkeit. Binnen zehn Monaten soll MTS Web-Hosting am Markt sein. Indes, nicht nur die kurze Frist bezeichnet Wolfgang Rzehak als besondere Herausforderung seines Projekts. „Unser Geschäftsbereich betrat Neuland, indem er erstmals ein Produkt für den Massenmarkt entwickelte“, erläutert er. Und auch das Projektteam betritt Neuland. Die technischen Dimensionen des Vorhabens lassen sich gut abschätzen und in den Griff bekommen. Doch die IT-Technik selbst ist bei diesem Vorhaben die halbe Miete - bestenfalls. Das Projekt war, wie das Team heute weiß, zu rund zwei Dritteln ein Organisationsprojekt. Die Mitarbeiter - alles hervorragende IT-Spezialisten - müssen grundsätzliche Lösungen suchen: Wie kann Siemens Business Services das neue Web-Hosting anbieten? Welche Strukturen sind nötig? Braucht das Unternehmen neue Mitarbeiter? Oder: Wie soll das Marketing aussehen? Einige tausend Wörter spielt das Team durch, bis es auf den Produktnamen „yucee“ stößt, ein Kunstwort, das das englische „you“ mit dem Klang von „Siemens“ verbindet und tough genug für die „Generation E-Biz“ scheint. Dann entwirft das Team eine Homepage, die Internet, Telekommunikation und E-Business - ein neues Feld für Projektmanagement. Zeitdruck und Flexibilität als Herausforderung für die Teams Foto: Siemens Goldgräberstimmung beim Web-Hosting Traumhafte Zuwachsraten verzeichnen IT-Experten für den Web-Hosting-Markt. Jährlich verdoppelt sich der Markt. Allein beim Businessto-Business nehmen Unternehmen deutschlandweit rund 180.000 Mittelständler (10-500 Mitarbeiter) ins Visier und rechnen mit rund 3 Milliarden Mark erzielbarem Umsatz. Auch die kleinen Unternehmen bis zehn Mitarbeiter machen Appetit. Hier gelten rund 800.000 Unternehmen mit rund 1,1 Milliarden Mark Umsatz als mögliche Kunden. In Frage für diese Dienstleistung kommen Unternehmen, die bislang noch keinen Webauftritt haben oder deren E-Commerce-Anwendungen auf eine stabile, gesicherte und hochverfügbare Internetplattform ausgelagert werden sollen. Der Grund für diesen Boom: Immer mehr Unternehmen - beispielsweise DaimlerChrysler - definieren sich selbst als E-Companies. Statt aber eigene Webserver in der Computerzentrale zu betreiben, geben Unternehmen immer häufiger ihren Webbetrieb an Dienstleister. Das Outsourcing halbiert die Kosten; Investitionen in Hardware und Software sowie Wartungs- und Personalkosten entfallen. Bislang bedienten eher lokal ausgerichtete Service-Provider den lukrativen Markt. Jetzt dringen auch Global Player aufs Feld und entfachen einen gewaltigen Preiskampf. Für das Jahr 2005 prognostizieren Experten einen veränderten Markt: Reine Infrastruktur-Dienstleistungen (beispielsweise die einfache Speicherung und Einspeisung der Anwendung ins Web) werden zurücktreten. Stattdessen werden zusätzliche Dienstleistungen gefragt, beispielsweise das Management der Anwendungen. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 5 Experten als wegweisend für einen neuen, sachlichen Stil im Webauftritt loben. Doch kein Marktauftritt - das Aus? Ein Auftritt, der mit großem Getöse geplant ist und am Ende mäuschenstill verläuft. Die breite Kampagne wird gestrichen. Das Unternehmen entschließt sich, eine neue, wesentlich kleinere Zielgruppe ins Visier zu nehmen. Statt den Webhosting-Service auf dem Massenmarkt anzubieten, treibt es jetzt das Partnergeschäft voran und macht beispielsweise Provider fit, die Dienstleistung an den Markt zu bringen. Wolfgang Rzehak: „Gewissermaßen offerieren wir unsere Projekterfahrungen, unsere Prozessmodelle, unser Betreiber-Know-how und unsere IT-Infrastruktur.“ Das ist, als ob ein Team ein Auto mit dazugehöriger Fabrik entwirft und dann Fabrik und Know-how verkauft, um jemand anderes - beispielsweise Businesskunden - das Auto produzieren zu lassen. Der Mittelstand ist, so die Begründung für den Kurswechsel im Projekt, zwar startbereit für das neue Siemens-Produkt. Er ist aber nicht genug vorbereitet. Allein mit dem Hosting ist ihm nicht geholfen. Er benötigt mehr. Ihm fehlen Consulting, Software und eine Anpassung dieser neuen Software an seine eigene Softwarelandschaft - sprich: Er braucht umfassende Solutions. Genau hier wollen die ITler von Siemens ihre Stärke zeigen. „Wir wollen statt MTS-Paketen unsere Lösungen bieten“, erläutert der Projektleiter. Doch können die Pakete durchaus Teil einer Lösung sein. Die strategischen Akzente haben sich halt verschoben. Dass das Projekt trotz aller Hürden und Hindernisse gelingt - das schreibt Wolfgang Rzehak vor allem dem Projektmanagement zu. Von Anfang an hat das Team bewusst Projektmanagement-Kultur eingeführt. Nach den neun Kriterien des GPM-Qualitätsmodells „Project Excellence“ formte es das Management: Mitarbeiterorientierung und Ressourcenmanagement, Zielorientierung und Einbeziehung der Stakeholder, Führungsqualität und Prozessoptimierung gelten als Koordinaten für hervorragendes Projektmanagement, an denen sich Rzehak als Kenner des Modells orientiert. Beispiel: Wie geht ein Team mit den Ressourcen um, die ihm für seine Arbeit zu Verfügung stehen? Unter solcherlei Ressourcen verstehen Projektmanager nicht nur Budget und Personal, sondern auch Informationen. Wie kann man mit Informationen geschickt planen und steuern? Früh erarbeitet das Team Systeme für Information und Dokumentenablage. Damit will es der Gefahr ausweichen, mit veralteten oder fehlerhaften Informationen zu arbeiten - ein Risiko, das besonders bei Projekten unter Zeitdruck droht. Rzehaks Team hält sich strikt daran, nach diesem System alle wesentlichen Daten für das Team zentral abzulegen und erreichbar zu machen. Nur unwesentliche Dateien - beispielsweise Entwürfe - darf es auf seinen persönlichen PCs speichern. Auch nutzt das Team die hauseigene Softwarelösung „Teamplace“, eine Art Internet-Schreibtisch für jeden Mitarbeiter. Dank dieser virtuellen Arbeitsplätze (die Siemens Business Services auch als Softwarelösung anbietet) sind Mitarbeiter weltweit an das Projektbüro angeschlossen, können Nachrichten austauschen und auf gemeinsame Unterlagen zurückgreifen. „Virtuelle“ Projektarbeit Mit vorausschauender Planung und Systematik sind derlei „technische“ Aufgaben leicht zu meistern. Organisatorische Probleme sind für das Siemens-Projektteam schwieriger in den Griff zu bekommen. Es muss Siemens Business Services inside Siemens Business Services ist nach eigenen Angaben mit 33.500 Mitarbeitern in 88 Ländern und einem Umsatz von 5,8 Milliarden Euro einer der weltweit führenden Anbieter von Lösungen und Dienstleistungen auf dem Gebiet des Electronic und Mobile Business. Die Angebote des 1995 gegründeten Unternehmens umfassen IT-Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Beratung über die Systemintegration bis hin zur Übernahme von kompletten Geschäftsprozessen oder der Verwaltung gesamter firmeninterner IT-Systeme. Dabei erwirtschaftet es knapp die Hälfte seines Umsatzes in Deutschland, in Europa weitere 37 Prozent. Nach Branchen tätigt das Unternehmen seinen größten Umsatz für den Siemens-Konzern (26 Prozent). Jeweils 23 Prozent entfallen auf die Finanzdienstleistung und auf öffentliche Auftraggeber, 19 Prozent auf die Industrie sowie 9 Prozent auf Telekommunikation, Verkehr und Versorgungsunternehmen. Projektaufgabe Kommunikation: „Communicationer“ Frank Preuss nennt sich selbst „Projekt-Mama“, andere beschreiben ihn als „Kümmerer“ und gute Seele des Teams. Mit Engelsgeduld schlichtet er Konflikte und wirkt integrierend auf die Mannschaft. „Wir haben für unser Haus Know-how erarbeitet“, meint Georg Pessler, Teilprojektleiter „Call-Center“. Know-how nicht nur zu Make-to-stock-Produkten, sondern auch zum Projektmanagement. Foto: Oliver Steeger Foto: Oliver Steeger P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 6 REPORT während der ersten sechs Projektmonate virtuell arbeiten. Die Schreibtische der Teammitglieder stehen nicht nur in verschiedenen Büros, sondern sind auf München, Fürth und Paderborn verteilt. Schlimmer noch: Die Teammitglieder sind „in der Linie“ mit anderen Aufgaben betraut, haben neben ihrer Projektarbeit weitere Pflichten im Unternehmen. Das Team als Diener zweier Herren - ein Handicap für Projektleiter Wolfgang Rzehak. Verhalten wertet er heute das Konzept virtueller Projektarbeit. Zumindest müsse man es an einigen Ecken und Kanten nachschleifen, beispielsweise nochmals über Wege der Kompetenzverteilung und Ressourcenzuordnung diskutieren. „Die ganze Idee klingt zunächst verlockend“, meint er. Aber: „Wir haben festgestellt, dass virtuelle Projektarbeit für die Mitarbeiter kaum möglich ist. Sobald der Arbeitsaufwand in der Linie steigt, haben Sie als Projektleiter keinen Zugriff mehr auf ihre Leute.“ Zwischen den Fronten von Linie und Projekt zerreiben sich schnell Arbeitskraft und Motivation des Teams. Rzehak: „Der Zeitraum, über den man so arbeiten kann, ist sehr begrenzt.“ Lösen könne sich der Konflikt, wenn die Mitarbeiter dem Projekt eindeutig und verbindlich zugeordnet werden. Doch diese Zuordnung beseitigt das Gesamtdilemma manchmal nur halb. Örtliche Trennung macht vielen virtuellen Teams zu schaffen, ein eher arbeitspsychologisches Problem. „Muss man unter Zeitdruck arbeiten, ist es problematisch, die Leute bei der Stange zu halten, wenn man nicht in einem gemeinsamen Büro arbeitet“ - von Anfang an in einem gemeinsamen Büro arbeitet. Denn als Rzehak endlich nach kräftezehrender virtueller Phase auf einer freistehenden Büroetage in Fürth ein gemeinsames Büro einrichten lässt und ein erstes echtes „Start-up“-Gefühl aufkommt, sind die Probleme längst noch nicht gelöst. Sommer 2000: Das Projekt läuft auf Hochtouren. Bislang traf sich Rzehaks virtuelles Team nur zu Telefonkonferenzen. Jetzt arbeitet es unter einem Dach, Schreibtisch an Schreibtisch. Der Projektleiter tut alles, um die Büroetage herzurichten. Er lässt das Büro hell, farbig und schick ausstatten. Sogar eine schmucke Kaffeelounge wird eingerichtet. Dennoch droht das Klima in der Mannschaft zu kippen. Die Mitarbeiter finden nur mühsam zusammen. Sie kommen von weither, aus verschiedenen Unternehmensbereichen, einige sogar von ganz „draußen“. Konfliktpotenzial, an dem sich Streit entzündet, gibt es genug. Rzehak steuert gegen. Auf zwei Teamworkshops mit einem externen Trainer kommt das „Staffing“ mühsam in Gang. „Wir haben stundenlang geredet und uns einfach ausgesprochen“, erzählt Rzehak. Allein der Austausch über Befindlichkeiten hilft bereits. Dann bearbeitet das Team seine Probleme, beweist zähen Willen zu Ausgleich und Konsens. Es spürt, wie wichtig Kommunikation und Informationsfluss sind. Je mehr die Zeit drängt und je enger die Meilensteine gesteckt sind, desto schrankenloser müssen Informationen fließen. Das Team umfasst sieben feste Mitarbeiter, zwei Diplomanden und zwei Werkstudenten. Hinzu kommen dreißig beteiligte Mitarbeiter in verschiedenen Siemens-Abteilungen und fünf externe Partnerunternehmen. So bestallt Rzehak offiziell einen Mitarbeiter zum „Communicationer“, zum Sprecher der Gruppe. Communicationer als „Projekt-Mama“ Er ist der Fels in der Brandung. Communicationer Frank Preuss nennt sich selbst „Projekt-Mama“, andere beschreiben ihn als Kümmerer und gute Seele des Teams. Mit Engelsgeduld schlichtet er Konflikte, wirkt integrierend auf die Mannschaft, sichert den Kontakt zu den Projektpartnern und zum Projektleiter, wenn er unterwegs ist. Offenheit wird Pflicht. Rzehak fordert von seinem Team Feedback auf seinen eigenen Führungsstil ein. Das Projektteam von Siemens Business Services: Klaus Kettner, Automatisierung & Programmierung; Markus Hanke, Security; Frank Preuss, Communication Manager; Georg Pessler, TPL CallCenter. Stehend von links: Roland Bernreuther, Navigation & Web-Design; Wolfgang Rzehak, Project Director. Nicht auf dem Bild: Gerald Zinnegger, Marketing & Vertrieb, stellv. PD; Carsten Dobschat, Technik; Klaus Gruber, Web-Design; Simon Schmidt, Controlling; Heinz Laumann, TPL Billing Hochsicherheitstrakt mit „Bodyguards“ für Daten Mehr als nur eine „externe Festplatte“: Server im Internet müssen rund um die Uhr verfügbar sein. Ausfallminuten kosten Geld und ramponieren das Image. Noch schlimmer: Hacker dringen ins System ein, stehlen vertrauliche Daten oder manipulieren sie. So hat Siemens Business Services beispielsweise sein Rechenzentrum in Fürth strengen Bestimmungen unterworfen. Rund um die Uhr ist das Zentrum erreichbar und helfen Fachleute bei Problemen. Ein Fünf- Zonen-Sicherheitssystem mit Infrarotüberwachung hält Eindringlinge fern. Wer sich per Datenleitung Zugang verschaffen möchte, wird mit dreifachem Firewall-System aufgehalten. Foto: Oliver Steeger Foto: Oliver Steeger P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 7 Für Wolfgang Rzehak sind Motivation und Eigenverantwortung ein Schlüssel zum Projekterfolg. Öffentliches Lob, stellt er fest, ist ein großer Motivator. Und Eigenverantwortung heißt für ihn: Seine Mitarbeiter nehmen selbstständig Arbeitspakete in Angriff, treffen in eigener Regie Entscheidungen, stehen zu ihren Ergebnissen. Von Kontrolle und umständlichen Abstimmungsschleifen hält er wenig, die Zeit fehlt ihm dafür. Beispiel: Ein Mitarbeiter prüft ein Softwareangebot und erarbeitet eine Expertise. Seine Entscheidungsanalyse geht „ungefiltert“ an den Lenkungsausschuss. Dort löst sie unbeabsichtigt Diskussionen aus - was den Mitarbeiter beunruhigt. Immerhin war das Papier „nur“ für den Projektleiter gedacht. Der Teamchef stellt sich hinter den Mitarbeiter, fängt den Konflikt auf. „Ich habe bewusst mein Team beauftragt, Qualität, Risiken und Erfolg seiner Arbeit zu erkennen“, erläutert Rzehak. Das führte am Anfang zu Irritationen. Er muss eigenverantwortliches Handeln mehrmals auf dem Jour fixe einfordern. Die Freiheit ist ungewohnt, manchmal auch belastend. Mit Teilprojekten Komplexität beherrschen Bislang unbekannte Aufgaben, starke Verzahnung mit anderen Abteilungen im Unternehmen, Pionierposition im eigenen Unternehmen - derart komplexe Projekte drohen unter ihrer eigenen Last erdrückt zu werden. Sie wachsen dem Team über den Kopf, auch dann, wenn es mit System zu Werke geht und die großen Ziele in kleine Arbeitspakete zerlegt. Um den Rahmen nicht zu sprengen, gliedert Rzehak kurzerhand zwei Projekte aus. Mit dem „Call-Center (Customer Care)“ und dem „Billing“ (Account und Abrechnungsverfahren) betraut er zwei Teilprojektleiter mit eigenem Team. Dank dieses „Outsourcings“ parallelisiert er wichtige Arbeiten, ein enormer strategischer Vorteil. Die Arbeiten gewinnen Fahrt. „Nehmen Sie unseren Jour fixe als Beispiel“, erläutert Georg Pessler, Teilprojektleiter „Call-Center“, „mein Team musste nicht die ganze Zeit über anwesend sein, sondern als eigenständige Einheit nur dann, wenn die Diskussion unser Projekt betraf.“ Strategische Planung für die Zukunft: Jetzt werden die „Claims“ im E-Business abgesteckt. Siemens Business Services ist bereits seit 1995 im Geschäft. Foto: Siemens Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 8 REPORT Zudem hat Pessler Glück: Er gewinnt für seine Arbeiten Sponsoren im Unternehmen, die ihm zusätzliche Ressourcen geben. Indes, derlei Teilprojekte bergen auch Risiken, schleichende Gefahren, die das Vorhaben unbemerkt vom Kurs bringen können. Sind die Schnittstellen zwischen dem Mutterprojekt und dem Teilprojekt schlecht definiert, passen später die Ergebnisse nicht zusammen. Die Projekte laufen zu weit auseinander, schlimmstenfalls verselbstständigt sich das Tochterteam und bildet eine Projektinsel - eine Klippe, die das Siemens-Team auch dank des Communicationers umschifft hat. Externer Projektmanager entlastet das Team Wolfgang Rzehak kann seine Kräfte gut abschätzen. Er weiß: Dieses Projekt kann in der Abwicklung keine One-Man-Show sein. So holt er einen versierten Projektmanager als Berater ins Team und gibt ihm die Rolle des „Projektmanagers“, gewissermaßen eines Lotsen an Bord. Der Externe kümmert sich um das Technische, um Methoden, Werkzeuge und Pläne. Rzehak selbst vertritt als „Projektleiter“ sein Team nach innen und außen und entwirft zudem die Strategien. Diese Lösung geteilter Aufgaben hat sich im Projektmanagement bewährt. Mal ist von „Kapitän und Steuermann“, mal von „Diplomat und Stratege“ die Rede. „Wichtiger als derlei Titulierung ist, dass die Rollen und Kompetenzen exakt verteilt sind“, erklärt der Siemens-Mann. Reizvoller Nebeneffekt: Der externe Consulter trägt zusätzliches Know-how ins Haus. Das Team lernt „by training-on-the-job“ Projektmanagement-Techniken. „Eignen sich Teams das fremde Know-how an, so müssen sie in großen Unternehmen darauf achten, dass sich ihre Vorgehensweisen und Werkzeuge nicht zu sehr von den Unternehmensgrundsätzen entfernen“, meint Rzehak. Denn: „Konformität ist notwendig, damit das Projekt im eigenen Hause akzeptiert wird.“ Anderenfalls zieht sich das Team auf eine Insel zurück und kappt alle Brücken. „Man darf ja auch nicht vergessen, dass es auch noch eine Zeit nach Projektende gibt.“ Und heute? Neue Aufgaben mit altem Teamgeist März 2001: Zum Jahreswechsel ging das Projekt zu Ende, den Anschluss an das Unternehmen hat Rzehaks Team längst wieder gefunden. „Seine“ Büroetage hat es noch heute. Weitere Mitarbeiter sind hinzugekommen, Wolfgang Rzehak leitet jetzt die neu eingerichtete Abteilung Servicemanagement im Geschäftssegment „EBO ElectronicBusinessOperations“, ein innovatives Feld mit sonnigen Zukunftsaussichten sowohl fürs Geschäft als auch für die Weiterentwicklung des Teams. Geblieben ist der alte Teamgeist. Man fühlt sich wie in einer Familie. Und das Team ist sich sicher, dem Unternehmen mit seinem Projekt den Widrigkeiten zum Trotz einen Dienst erwiesen zu haben. „Wir haben für unser Haus Know-how erarbeitet“, meint Georg Pessler - nicht nur zu Make-to-stock-Produkten, sondern auch zum Projektmanagement. Schon früh hatte Rzehak sein Projekt als „unternehmensinternen Eisbrecher“ erkannt, seine Mannschaft fühlt sich heute noch als Projekt-Pfadfinder, als Scouts oder Piloten. In der Versenkung verschwunden ist „MTS Web-Hosting“ nicht. Ganz im Gegenteil: Siemens Business Services vermarktet einzelne Komponenten und bringt - so Rzehak - die „Filetstücke“ an den Markt. So entwarf das Team einen Businessplan für das „Mobile Backup“, ein Verfahren, bei dem auch kleine Kunden im Rahmen eines Standardprodukts Kopien ihrer Daten sicher auf den Zentralrechner von Siemens Business Services auslagern können. Das Produkt „Auto-Web“, das aus „MTS Web-Hosting“ hervorging, scheint heute interessant. Es kommt wieder etwas in Bewegung. „Vielleicht kriegen wir so unsere Projektergebnisse stückweise an den Markt“, sagt Rzehak. Er ist sich sicher: „Wir haben mit unserem Projekt unser Unternehmen vorangebracht.“ Auch in „stürmischen Zeiten“. ■ Siemens Business Services mit eigenem PM-Karrieresystem Ein eigenes Karrieresystem für Projektmanager hat Siemens Business Services (weltweit 33.500 Mitarbeiter) entwickelt. In einem eigenen Projekt entwarf der IT-Dienstleister seinen neuen, dreistufigen Karrierepfad. So unterscheidet das Unternehmen zwischen Projektleitern, Projektmanagern und Senior-Projektmanagern. In einem Assessment-Verfahren werden Mitarbeiter mit Projekterfahrung den jeweiligen Stufen „zugeordnet“. „Dabei entscheidet in erster Linie die Erfahrung darüber, welche Ebene die Kandidaten erreichen“, erklärt Rüdiger Koschel, bei dem Unternehmen in München zuständig für Projektmanagement. Das Prinzip: Siemens Business Services lässt Mitarbeiter zunächst außerhalb dieser neuen Hierarchie Projekte führen. Äußern sie den Wunsch, dem neuen Karrierepfad zu folgen, nehmen sie an dem internen Assessment teil. Bislang haben von 900 Projektleitern 400 Manager das Angebot des Unternehmens genutzt. Koschel: „Wir haben damit neben der Fachlaufbahn und der Führungslaufbahn eine dritte, eigene und echte Laufbahn installiert.“ Er hat festgestellt: „Vor allem Mitarbeiter um die fünfzig Jahre, die wieder flexibel sind, gehen diesen Weg und sind dank ihrer Erfahrung häufig hervorragende Projektleiter.“ Diesem neuen System angeglichen hat Siemens Business Services seine Vergütung. Heute sind Projektleiter an dem Erfolg ihres Projektes beteiligt. Incentives belohnen sie, wenn sie bei ihrem Projekt beispielsweise das festgelegte Budget nicht ausschöpfen müssen oder vor Termin die Arbeiten abschließen. „Die Ziele werden individuell vereinbart“, erklärt Koschel, „als Kriterium kann alles zählen, was Kosten senkt und die Produktivität erhöht.“ So könne die Arbeit für Projektmanager eine durchaus lukrative Tätigkeit werden. Auch in dieser Hinsicht stehe die Projektleiter- Laufbahn der klassischen Führungslaufbahn in nichts nach. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 9 WISSEN Die Implementierung von Projektmanagementkonzepten in der Praxis Eine empirische Analyse Rudolf Wahl Die Implementierung von Projektmanagementkonzepten bereitet in der Praxis immer wieder erhebliche Schwierigkeiten. Häufig liegen dem Akzeptanzprobleme zugrunde, deren Relevanz von Seiten der einführenden Stellen unterschätzt wurde. Auf Basis einer empirischen Analyse der Situation in verschiedenen Großunternehmen werden im Folgenden die Ursachen diskutiert und Gestaltungsempfehlungen zur Steigerung des Implementierungserfolgs abgeleitet. Als besonders gewichtige Faktoren zeigen sich die subjektiven Befürchtungen einer Verschlechterung der persönlichen Arbeitssituation und die mangelnde Information über die anstehenden Veränderungen. Beide Punkte werden daher gesondert behandelt. Das Problem der Implementierung In der Unternehmenspraxis zeigt sich immer wieder, dass organisatorische Veränderungen von den Betroffenen abgelehnt werden, obwohl sie objektiv betrachtet nützlich oder sogar absolut notwendig für deren Tätigkeit sind. Diese Ablehnung reicht von passiver Opposition (Versandenlassen) bis hin zum aktiven Widerstand (Sabotage). Beispiele für dieses Phänomen finden sich z. B. in Berichten über das Scheitern von Reorganisationsprozessen ([1], S. 179; [2], S. 45 ff.; [3], S. 50; [4], S. 119). Grund des Widerstands sind meist unterschwellige Ängste vor einer Änderung der bisherigen Arbeitssituation (Überforderung, Verlust von Privilegien, Überwachung, Leistungskontrolle etc.) bzw. ein „natürlicher Widerwille“ gegen jegliche Änderung eines gewohnten Zustands. Auch die Einführung eines systematischen Projektmanagements stellt eine solche organisatorische Veränderung dar, deren Umsetzung in der Praxis häufig zu großen Schwierigkeiten führt. Dies verwundert einerseits, da diese Probleme nicht neu sind (Knopf et al. stellten beispielsweise schon in den siebziger Jahren fest, dass beim Abbruch von Reorganisationsprozessen personelle Faktoren eine weitaus wichtigere Rolle spielen als alle anderen Problembereiche [5], S. 75 ff.) und die betriebs- Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 10 WISSEN wirtschaftliche Organisationslehre bereits seit längerer Zeit ein umfassendes Instrumentarium zur Akzeptanzsicherung entwickelt hat, wird aber andererseits von vielen Praktikern immer wieder bestätigt. An der Universität der Bundeswehr wurde deshalb vor einigen Jahren unter Federführung von Prof. Dr. Heinz Schelle ein Forschungsprojekt initiiert, das sich explizit mit den Ursachen mangelnder Akzeptanz von Projektmanagementkonzepten und möglichen Lösungswegen für die Praxis befasste. Es sollte dabei vor allem untersucht werden, inwieweit ein geeignetes Implementierungsmanagement zur Verbesserung der beschriebenen Akzeptanzprobleme beitragen kann und welche Gestaltungsparameter von besonderer Bedeutung sind. Konkrete Forschungsfragen waren z. B.: ❏ Mit welchen Maßnahmen werden Projektmanagementkonzepte heute eingeführt? ❏ In welchen Bereichen sind besondere Problemfelder der Implementierung zu erkennen? ❏ Welche Faktoren spielen eine Rolle bei der Entstehung von Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz? ❏ Welche konkreten Handlungsempfehlungen lassen sich daraus für die Gestaltung von Implementierungsprozessen in der Praxis ableiten? Empirisches Vorgehen Um sicherzustellen, die tatsächliche Problematik in den Unternehmen wirklich zu treffen, wurde ein empirischer Forschungsansatz gewählt. Eine Analyse bisheriger empirischer und theoretischer Ansätze diente als Grundlage für eine explorative Befragung von Unternehmensvertretern bzw. Unternehmensberatern, die bereits Erfahrungen mit der Implementierung von Projektmanagementkonzepten sammeln konnten (Fallstudien). Insgesamt wurden dazu 21 ca. einstündige Interviews geführt. Auf dieser Basis konnte anschließend eine großzahlige schriftliche Befragung von Linienführungskräften, Projektleitern und Projektmitarbeitern in drei deutschen Großunternehmen erfolgen. Die für Befragungen dieser Art extrem hohe Antwortquote von 56,3 % (277 verwertbare Fragebögen) zeigt deutlich die Relevanz, die diese Thematik unter den Betroffenen aufweist, und kann damit als Hinweis gewertet werden, die Implementierung eines systematischen Projektmanagements nicht zu unterschätzen, sondern durch eine sorgfältige Planung und ein begleitendes Implementierungsmanagement zu unterstützen. Im Folgenden sind beispielhaft einige zentrale Befunde dargestellt (der Gesamtbericht findet sich bei [6]). Befunde der qualitativen Erhebung (Interviews) Nahezu übereinstimmend wurde in allen Gesprächen die Wichtigkeit der Unterstützung durch das oberste Management betont. Dies weist einerseits auf das hohe Konfliktpotenzial hin, das die nötigen Veränderungen zwangsläufig mit sich bringen, zeigt aber andererseits auch die häufig verhältnismäßig schwache Position der für die Implementierung Verantwortlichen innerhalb des hierarchischen Gefüges der Organisation. Funktionsbereiche wie „Organisationsentwicklung“ oder auch explizit „Projektmanagement“ werden vielfach als Servicestellen betrachtet, die den „produktiven“ Abteilungen bei Bedarf Unterstützungsleistungen liefern sollen, nicht aber in deren Arbeitsabläufe einzugreifen haben, zumal die Fachabteilungen diesen Servicestellen teilweise auch die Kompetenz absprechen, ihre Tätigkeitsfelder adäquat beurteilen zu können. Als besonders heikel wird auch die Kompetenzverteilung zwischen Linie und Projektleiter empfunden, was sich häufig in Auseinandersetzungen über Fragen der Zeichnungsberechtigung oder der Form des Berichtswesens an die Linie äußert. Da z. T. selbst in den Fällen, in denen die Unternehmensleitung die Implementierungsaktivitäten unterstützt, ihr tatsächlicher Beitrag zur Durchsetzung des Konzepts hinter den Erwartungen der Beteiligten zurückbleibt, sind hier weitere Maßnahmen nötig. Als Gründe für das fehlende Engagement werden sowohl zeitliche Überlastung als auch eine gewisse Scheu, in interne Konflikte (Befragte sprachen von „Bereichsfürsten“, die ihr Reich verteidigen) einzugreifen, genannt, so dass die bloße Forderung nach einer stärkeren Beteiligung der Unternehmensleitung keine Besserung bringen dürfte. Zusätzlich erschwert die Intransparenz der Projektarbeit die Machtpromotion des Konzepts. Intransparenz bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bspw. eine zu starke Einmischung der Linie in die Projektarbeit (und somit eine mangelnde Kompetenzabgabe) vom Projektleiter nicht kritisiert wird, weil er nach Projektende wieder in den Verantwortungsbereich der Linienführungskraft zurückkehrt und von dieser beurteilt wird. Als Konsequenz aus dieser Problematik ergibt sich folglich die Forderung, die Implementierungsverantwortung Personen zu übertragen, die ❏ über ausreichende hierarchische Macht verfügen, um sich gegen Opponenten durchzusetzen, bzw. direkten Zugang zur Unternehmensleitung haben, um dies zu erreichen; ❏ von den Betroffenen als kompetent anerkannt sind und deren Vertrauen genießen; ❏ engen Kontakt zur praktischen Projektarbeit aufweisen und somit Missstände selbst erkennen. Die Gewinnung einer solchen Person aus dem jeweiligen Fachbereich (im Regelfall selbst schon als Projektleiter tätig) für das Implementierungsteam dürfte für die Bereitschaft der Betroffenen, sich mit der Veränderung objektiv auseinander zu setzen, eine zentrale Rolle einnehmen, ohne dass diese Voraussetzung bereits als hinreichend für den Implementierungserfolg gelten kann. Ebenfalls als wichtiges Gestaltungsinstrument zu betrachten ist die Anreizgestaltung in den jeweiligen Organisationen. So finden sich in den betrachteten Unternehmen kaum betriebliche Anreize zur Unterstützung des Projektmanagements, oder sie wirken aufgrund ihrer zu subjektiven Leistungsbeurteilung eher kontraproduktiv. In diesem Zusammenhang muss auch stärker als bisher auf die Definition langfristiger Karrierepfade im Projektmanagement oder zumindest unter Einbeziehung des Projektmanagements geachtet werden. Explizite Fachlaufbahnen als Projektleiter sind momentan noch relativ selten zu beobachten, und selten ist auch eine derartige Verwendung zwingende Voraussetzung für eine Karriere innerhalb der Linienhierarchie. Daraus ergibt sich nicht nur ein fehlender Anreiz, entsprechende Konzepte zu übernehmen, sondern sogar eine Verunsicherung über die weitere Zukunft im Un- P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 11 ternehmen, da meist unklar bleibt, welche Aufgaben die einzelnen Mitglieder eines Projektteams nach Abschluss des Vorhabens übernehmen werden. Nicht selten führt dies zu einer absichtlichen Verzögerung des Projektendes ([7], S. 212). Dies trifft vor allem auf Projekte zu, die als reine Projektorganisation organisiert sind. In den anderen Organisationsformen wird diese Unsicherheit durch den fortbestehenden Kontakt zur Linie als „organisatorischer Heimat“ deutlich reduziert. Befunde der quantitativen Erhebung (großzahlige schriftliche Befragung) Auf Basis der qualitativen Ergebnisse sowie der vorhandenen theoretischen Ansätze wurde ein Variablenmodell entwickelt, das die vielfältigen Zusammenhänge integriert. In der Auswertung erfolgte hauptsächlich die empirische Prüfung dieser Abhängigkeiten. Dabei wurde zum einen nach Unternehmen und zum anderen nach der Rolle des Befragten (Projektmitarbeiter, Projektleiter, Linienführungskraft) differenziert. Die in Tabelle 1 aufgeführten drei Gruppen von Variablen sind zu unterscheiden. Die Auswertung der im Rahmen der empirischen Studie gewonnenen Daten lieferte eine Reihe von Informationen, die zusammengefasst das Bild der Projektmanagementimplementierung in der Praxis präzisieren. Zunächst wurde die ökonomische Bedeutung des Implementierungsprozesses und der Akzeptanz des Konzepts aufgrund ihres Zusammenhangs zu den Indikatoren des Projekterfolgs (Termin, Kosten, Funktionalität) und damit die Notwendigkeit einer systematischen Beschäftigung mit Fragen der Implementierung und des Einsatzes von Projektmanagementkonzepten aufgezeigt. Als zentrale Problemfelder der Implementierung wurden Widerstände aufgrund befürchteter Nachteile für die persönliche Arbeitssituation, vor allem unter den Angehörigen der Gruppe der Linienführungskräfte, Verunsicherungen der Betroffenen durch eine unzureichende oder unglaubwürdige Informationspolitik und die Behinderung der Neuerung als Resultat einer wandlungsfeindlichen Unternehmenskultur diagnostiziert. Während Kultur verändernde Maßnahmen nur über einen längeren Zeitraum hinweg wirksam werden können und in der Regel den Rahmen einer Projektmanagementimplementierung sprengen, werden die beiden anderen Punkte noch aufgegriffen und auf ihre Konsequenzen für eine Akzeptanz fördernde Implementierungsgestaltung untersucht. Hinsichtlich der einzelnen Gestaltungs- und Kontextvariablen wurde festgestellt, dass die Bedeutung der einzelnen Implementierungsmaßnahmen zwischen den drei Funktionsgruppen (Projektleiter, Projektmitarbeiter, Linienführungskräfte) deutlich variiert. Zudem unterscheidet sich ihr direkter Einfluss in Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Effizienzvariablen (Bewertung des Implementierungsprozesses, Akzeptanz des Konzepts, Verhaltensänderung und Projekterfolg), wie Tabelle 2 im Überblick belegt. Als insgesamt relativ stabil erwies sich jedoch die Bedeutung der Motivationskomponenten (Ermutigung durch ■ Schulung ■ Information ■ Partizipation ■ Motivation ■ Vertrauen in den Implementator ■ Fachliche Eignung des Konzepts Gestaltungsvariablen ■ Voreinstellung der Betroffenen (= Erwartungen über die Konsequenzen der Implementierung × Bewertung dieser Konsequenzen) ■ Wahrgenommene Einstellung der Vorgesetzten ■ Wahrgenommene Einstellung der Kollegen ■ Individuelle Ziele und Bedürfnisse in der Arbeitssituation Kontextvariablen ■ Bewertung des Implementierungsprozesses ■ Akzeptanz des Projektmanagementkonzepts ■ Anwendung des Konzepts in der Praxis ■ Projekterfolg (Kosten, Termin, Funktion) Effizienzvariablen Tabelle 1: Betrachtete Variablengruppen Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 12 WISSEN Vorgesetzte, Vorbildfunktion, betriebliche Anreize) und der fachlichen Eignung des implementierten Konzepts generell. Dieser Faktor, der bezogen auf neun Funktionsgebiete erhoben wurde, kann als grundlegende Voraussetzung für die Akzeptanz des Konzepts angesehen werden. Auch die Charakteristiken der für die Implementierung verantwortlichen Person(en) im Hinblick auf ihre Vertrauenswürdigkeit in den Augen der Betroffenen spielt eine beachtenswerte Rolle. Für diese Implementatoren wird neben fachlicher Kompetenz ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit gefordert. Zusätzlich muss ihre Durchsetzungsfähigkeit durch eine entsprechende hierarchische Positionierung gesichert sein. Das gewonnene Realbild der Projektmanagementimplementierung in der Praxis zeigt immer noch eine stark technisch geprägte Vorgehensweise bei der Einführung, vor allem auf der Ebene der Planer und Entscheider. Organisationspsychologische Aspekte wurden oft etwas vernachlässigt. Dies mag zum Teil auch am häufig traditionell ingenieurwissenschaftlichen Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund der für das Thema verantwortlichen Führungskräfte liegen. Klare Defizite in den beobachteten Einführungsprozessen ergaben sich vor allem hinsichtlich der Ausgestaltung des Faktors ‚Partizipation‘, was im krassen Widerspruch zu den bekannten Empfehlungen zur Akzeptanzsteigerung steht ([8], S. 49 f.). Bedingt durch die praktischen Schwierigkeiten einer allumfassenden Beteiligung sämtlicher Betroffenen erscheint anhand der festgestellten Unterschiede zwischen den Präferenzstrukturen der einzelnen Funktionsgruppen eine differenzierte Partizipationsstrategie angebracht. So ist für die Gruppe der Projektmitarbeiter die Möglichkeit der indirekten Partizipation stärker zu nutzen. Primärer Anspruch der Betroffenen ist es dabei, ihre Meinungen und Befürchtungen einbringen zu können. Die Gruppe der Projektleiter ist dagegen meist stärker an gestalterischem Einfluss auf Konzept und Einführungsprozess interessiert und auch zur Übernahme entsprechender Verantwortung bereit. Als besondere Problematik für die Implementierung des Konzepts wurde die häufig gewählte Matrixorganisation erkannt. Die Wirkung der geteilten Weisungsbefugnis bzw. der disziplinarischen Vorgesetztenstellung der Linienführungskräfte ist hier nicht zu unterschätzen, da sich dadurch die betroffenen Projektmitarbeiter stark an den Einstellungen der Linienmanager orientieren, zumal diesen ihre Leistungsbeurteilung obliegt. Die Befunde zeigen jedoch gerade in dieser Gruppe Vorbehalte gegen ein systematisches Projektmanagement, da sie Kompetenzverluste befürchten. Eine reine Projektorganisation vermeidet diese Schwierigkeiten, bietet sich aber nur für Großprojekte oder Unternehmen mit ausschließlicher Projekttätigkeit (Anlagenbau, Hoch- und Tiefbau, Softwareerstellung etc.) an. Bei geringer Projekttätigkeit ist abzuwägen, ob die Matrixform und der damit verbundene Mehraufwand gerechtfertigt sind oder die auftretenden Vorhaben in einer anderen Organisationsform zu erledigen sind. Ge- Gesamtbewertung des Vorgehens PL PMA Akzeptanz des Konzepts PL PMA Anwendung des Konzepts PL PMA ● = Korrelation vorhanden Verbesserung des Projekterfolgs PL ● Schulung - - - ● - ● ● Information ● ● ● ● ● - - Partizipation - - ● - - - ● Motivation ● ● ● ● ● ● ● Fachliche Eignung des Konzepts ● - ● - ● ● ● Einstellung der Bezugsgruppen ● ● ● ● ● ● ● Vertrauen in den Implementator - - - ● - - - Voreinstellung der Betroffenen - - - - - - - Bedürfnisse der Betroffenen - - - - - - ● Unternehmenskultur ● ● ● ● - - Tabelle 2: Zusammenfassung der Korrelationen (PL = Projektleiter, PMA = Projektmitarbeiter) P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 13 nerell sollte die Position des Projektleiters aber mit soviel Kompetenzen wie möglich ausgestattet werden, um seine Rolle als Meinungsführer zu stärken. Abgeleitete Gestaltungsempfehlungen Wie bereits erwähnt, können zwei übergeordnete Faktoren als häufige, tiefer liegende Ursachen des Widerstands identifiziert werden. Dies betrifft einerseits die Furcht vor einer Verschlechterung der persönlichen Arbeitssituation und andererseits die Ablehnung aufgrund mangelnder Einbeziehung und Information über die bevorstehende Veränderung. Beispielhaft sollen im Folgenden für diese beiden Punkte Gestaltungsempfehlungen entwickelt werden. Befürchtete Verschlechterung der Arbeitssituation In Anlehnung an Doppler und Lautenburg ([9], S. 207), die implizit auf die Bedürfnistheorie nach Maslow zurückgreifen, lassen sich verschiedene Bedrohungen unterscheiden. Diese Befürchtungen können objektiv betrachtet gerechtfertigt sein, da Reorganisationen den Betroffenen häufig Opfer abverlangen, oder aber auf unbegründeten Ängsten beruhen, die möglicherweise aus der vorherrschenden mentalen Grundtendenz der Beschäftigten gegenüber Veränderungen resultieren. Um als Implementator richtig reagieren zu können, ist es wichtig, die subjektive Bewertung des Einzelnen nachzuvollziehen. Selbst allgemein gewünschte und in jeder Hinsicht positive Restrukturierungen werden unter Umständen nicht von allen Beteiligten identisch beurteilt. Je nach Ursache sind aber vollkommen unterschiedliche Strategien der Akzeptanzsicherung angezeigt, wie aus Abb. 2 ersichtlich wird. Jeder Bewertung der Konsequenzen der Implementierung liegt ein Präferenzsystem zugrunde. Da beide Seiten den Nutzen für den Betroffenen einschätzen, dessen Nutzenkalkül dem Implementator im Voraus aber nicht bekannt ist, muss dieser entweder Abschätzungen der Nutzenbewertung anstellen oder mit den Betroffenen in Kontakt treten (Einzelgespräche, Mitarbeiterbefragungen etc.). Dieses Bewusstsein der eigenen Subjektivität in der Bewertung der Veränderung ist von elementarer Bedeutung für das Verständnis der auftretenden Widerstände und in der Praxis bisher noch nicht ausreichend entwickelt. Im Einzelnen sind folgende Besonderheiten zu beachten: Fall 1: Beide Seiten sind sich über die positiven Auswirkungen der Implementierung einig. Es kommt zu keinerlei Widerständen. Fall 2: Die Betroffenen erwarten sich eine Verschlechterung ihrer Situation, obwohl die Implementatoren von einer Verbesserung ausgehen. Ursachen können sowohl die angesprochenen Unterschiede in den Nutzenkalkülen sein als auch ein Informationsmangel der Betroffenen, der erfahrungsgemäß durch Gerüchtebildung und Mutmaßungen aufgefüllt wird. Hier wäre also ein Defizit in der Kommunikationspolitik zu vermuten. Darüber hinaus wurden von den Implementatoren möglicherweise nicht alle relevanten Auswirkungen der Veränderung bedacht, was nur im Dialog mit den Betroffenen erkannt werden kann. Besonders problematisch ist in diesem Fall, dass das Widerstandspotenzial für den Implementator im Vorfeld nicht erkennbar ist, da seiner Einschätzung nach eher von einer Verbesserung für den Mitarbeiter auszugehen ist. Er ist deshalb darauf angewiesen, vor der Realisierung die Erwartungen und Präferenzen im Dialog mit den Betroffenen zu erkunden oder, wenn dies versäumt wurde, bei später auftretenden Problemen sich diese Konstellation bewusst zu machen und die dahinter liegenden „verschlüsselten“ Ursachen zu ergründen. Fall 3: Sowohl aus Sicht des Implementators als auch aus Sicht des Betroffenen ergeben sich aus der Implementierung negative Konsequenzen für den Mitarbeiter. Es liegt dann an den Vorgesetzten bzw. der Unter- Vergütung Werden direkte Einkommenseinbußen oder andere, indirekte finanzielle Nachteile erwartet? Sicherheit Wird ein Wechsel oder gar Verlust des Arbeitsplatzes befürchtet? Kontakt Drohen gute persönliche Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern verloren zu gehen? Ist nach der Veränderung der Zwang zur Zusammenarbeit mit besonders unangenehmen Menschen zu befürchten? Anerkennung Bestehen Befürchtungen, in der neuen Arbeitssituation fachlich oder persönlich überfordert zu sein oder nicht mehr über die zur Aufgabenerfüllung nötigen Mittel zu verfügen? Selbstständigkeit Ist der Verlust von Entscheidungsbefugnissen oder persönlichen Handlungsspielräumen zu befürchten? Bestehen heute indirekte Einflussmöglichkeiten, die in Zukunft nicht mehr gegeben wären? Entwicklung Welche Lernbedürfnisse und Karriereambitionen liegen vor? Welche Möglichkeiten sind in der heutigen Situation gegeben und wie ist die zukünftige Konstellation diesbezüglich einzuschätzen? Tabelle 3: Arten von Bedrohungen der persönlichen Arbeitssituation Beurteilung durch den Implementator Beurteilung durch den Betroffenen Fall 1 Fall 4 Fall 3 Fall 2 Akzeptanz Irrationale Angst Rationale Angst Irrationale Zustimmung Abb. 1: Bewertung der Konsequenzen der Implementierung für den Betroffenen P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 14 WISSEN nehmensführung, durch entsprechende Eingriffe in das Anreizsystem des Unternehmens eine Kompensation für die Verschlechterung der Arbeitssituation zu schaffen, die die Anreiz-Beitrags-Relation auf ein akzeptables Niveau verbessert. Wichtig ist hierbei, die Situation nicht zu beschönigen, sondern realistisch und ehrlich zu kommunizieren, um die für die weiteren Maßnahmen nötige Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden. Fall 4: Analog zu Fall 2 unterscheiden sich die Einschätzungen, dieses Mal aber mit umgekehrten Vorzeichen. Die divergierenden Bewertungen liegen entweder an unzutreffenden Annahmen des Implementators zum Präferenzsystem des Betroffenen oder an dessen unzureichender Informationslage, die zu einem unvollständigen Überblick über die tatsächlich zu erwartenden Veränderungen führt. Liegt tatsächlich ein Informationsdefizit vor, so sollte auf alle Fälle vor der Implementierung auch über die negativen Konsequenzen informiert werden, da andernfalls zu einem späteren Zeitpunkt mit umso massiveren Widerständen zu rechnen ist. Als Resultat ergibt sich damit eine Situation wie in Fall 3 beschrieben. Es sollte klar sein, dass das im Fall 2 nötige und in der Literatur häufig geforderte Diagnostizieren und Analysieren von Widerständen bereits als Notfallmaßnahmen einzustufen sind. Vorrangiges Ziel sollte immer das antizipative Erkennen potenzieller Akzeptanzbarrieren sein. Dazu müssen bereits vor der Realisierung die Erwartungen und Präferenzen im Dialog mit den Betroffenen erkundet werden. Wird ein Interessenausgleich in Erwägung gezogen (Fälle 3 und 4), so sind folgende in Abb. 2 systematisierten Situationen zu unterscheiden. Dargestellt ist jeweils das Ausmaß des Vorteils bzw. Nachteils, das sich als Resultat der Implementierung für das Unternehmen und die betroffenen Mitarbeiter ergeben würde. Der erste und der dritte Quadrant sind somit eindeutig, da beide Parteien nur Vorteile bzw. nur Nachteile aus der Implementierung zu erwarten haben und deshalb gleich gerichtete Interessen aufweisen. Im vierten Quadranten ist der klassische Fall von Kompensationsleistungen des Unternehmens an die Mitarbeiter wiedergegeben. Oberhalb der Diagonalen stellt sich dies als sinnvoll dar, da der Vorteil, den das Unternehmen aus der Einführung zieht, größer ist als die Nachteile der Betroffenen. Unterhalb der Diagonalen kehrt sich dieses Verhältnis um, so dass das Unternehmen nicht bereit sein wird, den gesamten Nachteil der Betroffenen auszugleichen. Die umgekehrte, praktisch eher seltene Konstellation zeigt sich im zweiten Quadranten. Hier profitieren die Mitarbeiter von der Implementierung, während das Unternehmen benachteiligt wird. Möglicherweise sind diese daher zu Zugeständnissen an ihren Arbeitgeber bereit (z. B. Flexibilisierung der Arbeitszeiten, Höhe der Zielvorgaben), dies allerdings wiederum nur, solange ihr Vorteil größer als der zu kompensierende Nachteil des Unternehmens ist (Fläche oberhalb der Diagonalen). Andernfalls unterbleibt die Veränderung. Grundsätzliches Bestreben sollte es also sein, einen positiven Nutzenbeitrag des Projektmanagements deutlich zu machen bzw. zu schaffen und damit den Nachteil zu verringern bzw. sogar in einen Vorteil umzuwandeln. Möglichkeiten dazu bestehen durch die Kopplung des Projektmanagementeinsatzes an die Leistungsbeurteilung bzw. generell an das Anreizsystem des Unternehmens. Die damit erforderliche Quantifizierbarkeit der Zielerreichung bringt zwar Schwierigkeiten mit sich, ist aber für ein mehrdimensionales Kriteriensystem der Leistungsbeurteilung nicht ungewöhnlich. Aber auch ohne eine solche explizite Berücksichtigung des Methodeneinsatzes sind persönliche Vorteile denkbar. Angesichts der Leistungsfähigkeit eines sinnvollen Projektmanagementkonzepts ergeben sich für aufgeschlossene Abteilungen innerhalb des Unternehmens neue Chancen zur Ergebnisverbesserung. Eine wesentliche Aufgabe der Implementierung besteht darin, dies erkennbar zu machen. Denkbar wären Vergleiche zu bereits erfolgreich reorganisierten Unternehmen bzw. der Nachweis messbarer Leistungssteigerungen durch gelungene Piloteinführungen innerhalb der eigenen Organisation. Internes Marketing zur Information über die Veränderung Ähnlich einem beliebigen Produkt, das auf den externen Absatzmarkt ausgerichtet ist, muss auch für die interne Neuerung „Projektmanagement“ durch geeignete Maßnahmen für ihren Erfolg, d. h. ihre Adoption durch die angestrebte Zielgruppe im Unternehmen, gesorgt werden. Als unverzichtbar dafür gelten marketingpolitische Instrumente und Maßnahmen, die, analog zum Vorgehen auf einem externen Markt, das interne Produkt „Projektmanagementkonzept“ steuern und seine Einführung unterstützen. Wunderer spricht in diesem Zusammenhang von „Internem Marketing“, einem neuen Ansatz, der „die Arbeit, den Arbeitsplatz und die Arbeitssituation als Marketing-Produkt analysiert, gestaltet und kommuniziert“ ([11], S. 345). Dem folgt Stauss in sei- Vorteile des Mitarbeiters: win MA Nachteile des Mitarbeiters: lose MA Vorteile des Unternehmens: win U Nachteile des Unternehmens: lose U Kompensation Unterlassung der Einführung Zugeständnisse der MA Problemlose Einführung lose U / lose MA lose U > win MA lose U < win MA win U / win MA win U >lose MA win U < lose MA Q I Q IV Q III Q II Abb. 2: Möglichkeiten des Interessenausgleichs ([10], S. 77) P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 15 ner Festlegung: „Internes Marketing bezeichnet die Übertragung des herkömmlichen, auf externe unternehmerische Zielgruppen bezogenen Marketing-Konzepts auf die Gestaltung unternehmensinterner Austauschbeziehungen.“ ([12], Sp. 1046) Als problematisch wird dabei eine zu extreme Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Mitarbeiter gesehen, da der externe Gütermarkt nur bis zu einem gewissen Grad mit den Systemen interner Austauschbeziehungen zu vergleichen ist. So herrscht hier für den internen Kunden ein wesentlich höherer Druck, ein Produkt zu akzeptieren, da der Anbieter im Regelfall über eine stärkere Marktposition verfügt. Die bedürfnisgerechte Gestaltung interner Produkte unterliegt aber auch generell starken ökonomischen Beschränkungen und ist nur innerhalb gewisser Grenzen realisierbar. Da zudem eine völlige Übereinstimmung von Mitarbeiterbedürfnissen und Anforderungen des externen Markts unwahrscheinlich ist, wird im Normalfall die externe Kundenorientierung als strenge Nebenbedingung das Ausmaß der internen Kundenorientierung beschränken ([12], Sp. 1047 f.; [13], S. 21). Trotzdem erscheint der damit verbleibende Gestaltungsspielraum groß genug, um hier zu einer spürbaren Verbesserung der Implementierungsleistung zu gelangen, da die beschriebene Perspektive des internen Marketings im Rahmen der Projektmanagementeinführung bisher kaum eingenommen wurde. Die Ausrichtung an den Bedürfnissen der betroffenen Mitarbeiter als generelle Geisteshaltung der Entscheidungsträger konkretisiert sich auf einer nachgelagerten Ebene in Form des internen Einsatzes verschiedener Instrumente des klassischen, absatzwirtschaftlich geprägten Marketing-Mix. Die Informationsbasis für dessen Einsatz liefert dabei die interne Marktforschung ([14], S. 415 ff.). Sie soll durch Interviews, schriftliche Befragungen oder Gruppengespräche Einstellungen, Bedürfnisse und Probleme der betroffenen Mitarbeiter frühzeitig offen legen, so dass es dem Management ermöglicht wird, die Zufriedenheit seiner „internen Kunden“ (= von Änderungen betroffene Mitarbeiter) durch Gestaltung bzw. Variation des „internen Produkts“ (= Projektmanagementkonzept) zu verbessern. Darauf aufbauend und gleichzeitig als strategischer Rahmen für den Instrumenteneinsatz dienend, fungiert eine interne Marktsegmentierung, die die unterschiedlichen Interessenlagen und Einstellungen der Betroffenen gegenüber bestimmten Änderungsmaßnahmen berücksichtigt. Unter Umständen lassen sich hier bereits Typologien der Betroffenen im Sinne einer Zielgruppendifferenzierung bilden, deren spezielle Charakteristika bei der Gestaltung und Einführung des „internen Produkts“ berücksichtigt werden müssen. Auf dieser Basis kann schließlich in Analogie zum klassischen Marketing-Mix mit den Bestandteilen Produktpolitik, Kommunikationspolitik, Preispolitik und Distributionspolitik ein Bündel von Instrumenten festgelegt werden (vgl. Tabelle 4). Meffert weist für den Bereich des externen Marketings auf die Schwierigkeit der geeigneten Koordination der unterschiedlichen Felder hin, die sich als Allokationsproblem eines üblicherweise begrenzten Budgets niederschlägt ([15], S. 120 ff.). Über diese rein budgetorientierte Betrachtung hinaus zeigt sich aber auch die Notwendigkeit einer inhaltlichen Abstimmung der Entscheidungen, damit sich die Effekte der einzelnen Maßnahmen gegenseitig verstärken und nicht miteinander konkurrieren ([16], S. 152). Auch scheint in der Praxis der Projektmanagementimplementierung häufig eine Dysbalance (im Sinne einer zu einseitigen Fokussierung der Aktivitäten auf einige wenige Instrumente) zwischen den vier Feldern aufzutreten. In den folgenden Abschnitten soll im Einzelnen auf die möglichen Maßnahmen eingegangen werden. Externes Marketing (Absatzsteuerung) Internes Marketing (Implementierungssteuerung) Kommunikationspolitik ■ Werbung ■ Verkaufsförderung ■ Öffentlichkeitsarbeit ■ Informationsmaßnahmen ■ Befragung, Workshop ■ Externe Werbung (second audience) Preispolitik ■ Preisgestaltung (Rabatte) ■ Zahlungsbedingungen (Zeitpunkt, Sicherheiten, Finanzierungsmodelle) ■ Aufwand-Nutzen-Relation der Anwender (Umstellungs- und Schulungsaufwand vs. Leistungssteigerung, Zeitgewinn und betriebliche Anreize) Distributionspolitik ■ Absatzkanäle ■ Physische Distribution (Lieferbereitschaft und -zeit, Lagerhaltung) ■ Verbreitung im Unternehmen (z. B. Pilotprojekt vs. breite Einführung) ■ Implementierungskapazität Produktpolitik ■ Produktgestaltung (Material, Design, Funktion) ■ Verpackungsgestaltung, Namensgebung ■ Zusatzleistungen (Kundendienst, Service, Wartung) ■ Sortimentsgestaltung (Absatzverbund) ■ Inhaltliche Gestaltung des Projektmanagementkonzepts (fachliche Eignung) ■ Gestaltung der Implementierung ■ Interdependenzen zu anderen Maßnahmen innerhalb der Organisation Tabelle 4: Maßnahmen des internen Marketings Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 16 WISSEN Kommunikation Vor allem im Bereich Kommunikation lassen verstärkte Anstrengungen Verbesserungen des Implementierungserfolgs erwarten. Als Maßnahme empfiehlt sich dabei die Adaption der klassischen Instrumente des externen Marketings, die sich dann in interne und externe Kommunikation unterteilen lassen. Im internen Bereich ist weiter zu differenzieren zwischen interaktiven Formen und reiner Massenkommunikation. Tabelle 5 zeigt eine Auswahl gängiger Mittel der internen Kommunikation. Bei der Bewertung des Implementierungsprozesses wurden im Rahmen der empirischen Untersuchung von den Befragten eine unzureichende Informationspolitik und zu geringe Partizipationsmöglichkeiten bemängelt. Ein Schwerpunkt der vorbereitenden und begleitenden Kommunikation sollte daher auf interaktiven internen Maßnahmen liegen, wie z. B. Workshops, Arbeitskreise und Diskussionsforen. Diese können durch den Einsatz moderner Kommunikationstechnik und der fortschreitenden Vernetzung der Organisationen erheblich unterstützt werden. Die Einsatzmöglichkeiten neuer Multimediatechnologien beschreibt Weidinger eindrucksvoll am Beispiel der Schering AG ([17], S. 30 f.). Diskussionsrunden sind auch als unternehmensinterne Diskussionsgruppe im firmeneignen Netz denkbar, so dass die hauptsächlichen Nachteile interaktiver Kommunikationsformen wie hoher Zeitbedarf und der Zwang zur zeitlich und räumlich synchronen Teilnahme deutlich zurückgehen. Der Einsatz des Intranets als Kommunikationskanal bietet zudem den Vorteil, dass die Mitarbeiter bei bedeutenden Ereignissen umgehend und vor allem zumindest zeitgleich mit externen Adressaten informiert werden ([18], S. 33 f.). Allerdings muss dafür Sorge getragen werden, dass die Betroffenen tatsächlich Zugang zum System erlangen. Für Mitarbeiter ohne eigenen Arbeitsplatz-PC sollten daher Terminals an gut zugänglichen Stellen (Sitzecken, Cafeteria, Foyer) eingerichtet werden. Ebenso ist durch kurze Schulungen das nötige Anwenderwissen sicherzustellen. Neben diesen neuen Medien spielt sicherlich das persönliche Gespräch als Instrument der Informationsverbreitung in nachgelagerte Hierarchiestufen weiterhin eine wesentliche Rolle. Zwei Drittel der Betroffenen wurden in den beobachteten Fällen von Kollegen oder Vorgesetzten über die geplante Neuerung informiert. Allerdings verbirgt sich in dieser Kommunikationsform auch die Gefahr einer bewussten oder unbewussten Informationsselektion und -verzerrung bei der Weitergabe. Sie ist um so größer, je weniger flankierende Informationen angeboten werden, die dem Einzelnen zur Validierung des Gehörten dienen, und je weniger Rückkopplung zur Klärung von Widersprüchen möglich ist, die aus einer verzerrten Informationsweitergabe resultieren. Die interne Massenkommunikation wird bereits häufiger im Rahmen der Implementierungen eingesetzt. Sie erfolgt in Form von Rundschreiben oder Mitteilungen in regelmäßig erscheinenden Firmenzeitschriften. Denkbar wäre auch hier der Einsatz neuer Medien, bspw. Business-TV oder elektronische Newsletter. Vorteil der bisher eingesetzten Instrumente der Massenkommunikation ist der relativ geringe Aufwand, mit dem alle Beteiligten Zugang zu absolut identischen Informationen erhalten. Ob allerdings dieses Angebot tatsächlich wahrgenommen wird, ist nicht feststellbar. Insgesamt muss ihre Wirkung im Vergleich zu interaktiven Maßnahmen geringer eingeschätzt werden, vor allem aufgrund der fehlenden bzw. umständlichen Rückkopplungsmöglichkeit. Eine grundsätzlich andere Wirkung weist die externe Kommunikation für die Betroffenen auf. Werbemaßnahmen der Unternehmen, die Botschaften wie bspw. Kompetenz und Zuverlässigkeit des Projektmanagements beinhalten, werden von den Mitarbeitern als „second audience“ ([19], S. 269 f.) wahrgenommen und fördern somit im Idealfall die Akzeptanz für deren Umsetzung. Zusätzlich demonstriert die Unternehmensführung damit die Bedeutung des Projektmanagements für das Bestehen im Wettbewerb, indem sie es als Faktor der Differenzierung von der Konkurrenz einsetzt. So wurde in einem Interview (Anlagenbau) berichtet, dass die Akzeptanz einer konkreten Reorganisationsmaßnahme schlagartig stieg, nachdem sich Großkunden im Verkaufsgespräch nach den Fortschritten der Umsetzung erkundigt hatten. Sollte man auf die Möglichkeiten zur Unterstützung interner Ziele durch die externe Kommunikation verzichten, so ist auf alle Fälle eine negative Beeinflussung der internen „Empfänger“ zu vermeiden. Sie ist insbesondere dann zu befürchten, wenn ❏ für die Betroffenen bedeutsame Informationen zuerst extern kommuniziert werden, ❏ ein Widerspruch zwischen externen und internen Informationen auftritt, ❏ durch die Kommunikation nach außen auf externer Seite Erwartungen erzeugt werden, durch die sich die Betroffenen überfordert sehen ([13], S. 41). Preispolitik Als Maßnahme der „Preispolitik“ muss die Aufwand- Nutzen-Relation durch eine konkretere Karriereplanung für die im Projektmanagement Tätigen und andere Anreize günstiger gestaltet werden. Da die Gesamtheit der betroffenen Mitarbeiter nicht als homogene Gruppe angesehen werden kann, sondern vielmehr damit zu rechnen ist, dass je nach persönlichen und situativen Faktoren ganz unterschiedliche Motivstrukturen vertreten sind, muss das Anreizsystem flexibel genug ausgestal- Schriftliche Kommunikation Persönliche bzw. multimediale Kommunikation Mitarbeiterzeitschrift Betriebsversammlung Hausmitteilung/ Informationsblätter Mitarbeitergespräche Schwarzes Brett/ Schaukasten Sprechstunde der Geschäftsführung Regelmäßiger Pressespiegel Strategietage, Informationsveranstaltungen Reden- und Vortragsdienst für Mitarbeiter Business-TV, -Radio, -Video Veröffentlichungen zu Fachthemen/ Broschüren Intra-/ Internetdienste (Communities)/ Telefondienste Tabelle 5: Interne Kommunikationsmittel P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 17 tet werden, um auf diese Unterschiede eingehen zu können ([20], S. 1003). Von besonderer Bedeutung ist dabei eine möglichst große Transparenz der Anreizvergabe und damit zusammenhängend die Möglichkeit der Operationalisierbarkeit bzw. Messbarkeit der erwünschten Leistungen. Der Eindruck einer willkürlichen Belohnung kann das gesamte System entwerten und letztlich für die ursprüngliche Zielsetzung unbrauchbar machen. Distributionspolitik Hinsichtlich der Distributionspolitik ist zu beobachten, dass die meisten Organisationen mit der Einführung nicht unternehmensweit beginnen, sondern in einem Teilbereich starten und das Konzept danach auf die gesamte Organisation übertragen. Dieses Vorgehen ist im Normalfall sinnvoll, da der betroffene Teilbereich besser zu überblicken ist und auftretende Fehler schnell erkannt und behoben werden können. Er dient somit als Testfeld der nachfolgenden umfassenden Implementierung. Zusätzlich wirken hier erreichte Erfolge durch ihre Vorbildfunktion als Argumentationshilfe bei der weiteren Verbreitung. Vorsicht ist in diesem Zusammenhang allerdings bei der Orientierung an organisatorischen Abteilungs- oder Bereichsgrenzen geboten. Da im Projektmanagement von Natur aus häufig viele unterschiedliche Funktionseinheiten kooperieren, muss für sie alle sichergestellt sein, dass sie nach dem gleichen Konzept vorgehen. Die Festlegung des Einsatzfelds des Pilotprojekts muss dies berücksichtigen. Außerdem bestehen zwangsläufig Schnittstellen zum Rechnungswesen bzw. Controlling, das auf eventuell veränderte Verfahrensweisen ebenfalls vorbereitet werden muss. In Ausnahmesituationen kann allerdings auch die sofortige flächendeckende Implementierung eine geeignete Lösung darstellen. Dies gilt beispielsweise, wenn das bisherige Vorgehen massive Schwächen aufweist bzw. auf veränderte Anforderungen nicht reagieren kann und die Leistungsfähigkeit der Projektabwicklung dadurch ernsthaft gefährdet ist. Für größere Organisationen stellt dann allerdings die Handhabung der Fehlerkorrektur einen kritischen Faktor der Implementierung dar, der nur mit erheblichem Aufwand beherrscht werden kann. Grundsätzlich stellt sich dieses Vorgehen umso problematischer dar, je umfangreicher die Veränderungen sind und je größer die Zahl der betroffenen Mitarbeiter ist. Für die Implementierung eines so tief greifenden Konzepts wie das des Projektmanagements empfiehlt sich somit die erstgenannte Lösung der Piloteinführung. Für die Phase der breiten Einführung sollte schließlich in den meisten Organisationen die Distributionskapazität deutlich ausgeweitet werden, um eine größere Zahl von Mitarbeitern in kürzerer Zeit mit den nötigen Fähigkeiten und Kenntnissen auszustatten, da ansonsten die Gefahr des permanenten Unterschreitens der „kritischen Masse“ an motivierten Anwendern besteht. Produktpolitik Der eigentliche Kern der Veränderungsmaßnahme, nämlich die inhaltliche Gestaltung des Projektmanagementkonzepts selbst im Sinne einer produktpolitischen Entscheidung, stellt im Vergleich zu den vorher genannten Bereichen nur selten den primären Grund der Ablehnung durch die Betroffenen dar. Diese in der durchgeführten Untersuchung als „fachliche Eignung“ des zu implementierenden Konzepts bezeichnete Qualität bezieht sich auf dessen tatsächlichen Nutzen für die Erfüllung der konkreten Aufgabenstellungen der Anwender und wird in der Gesamtheit zumindest zufrieden stellend beurteilt. Dennoch wären Verbesserungen bei der Unterstützung einzelner Teilfunktionen, wie z. B. Aufwandsschätzung und Qualitätssicherung, angebracht. Generell ist die inhaltliche Eignung des Konzepts als unumgängliche Voraussetzung zur Erlangung einer breiten Akzeptanz zu sehen, so dass die Anpassung an die tatsächlichen Problemstellungen und spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Unternehmung unbedingt sicherzustellen ist. Instrumente dafür sind neben den bereits angesprochenen partizipativen Maßnahmen vorbereitende Arbeitsanalysen, die die tatsächlichen, evtl. von den im Organisationshandbuch vorgesehenen abweichenden Arbeitsabläufe erfassen. Unter Umständen bietet sich auch in diesem Punkt schon die Ansatzmöglichkeit zu einer vorgeschalteten Optimierung der Tätigkeitsprozesse, was allerdings über die hier betrachtete Thematik hinausreicht. Weniger im Bewusstsein der Verantwortlichen steht die Frage nach den Wechselwirkungen zwischen Projektmanagementimplementierung und anderen organisatorischen Maßnahmen. Häufig wird die Leistungsbzw. Aufnahmefähigkeit der Mitarbeiter durch eine zu dichte Folge von Veränderungsmaßnahmen überstrapaziert, was auf Dauer zu einem Abstumpfen der Beteiligten führt, die schließlich jede weitere Aktivität nicht mehr ernsthaft begleiten, da sie gelernt haben, dass sie schon bald wieder überholt sein wird. Äußerst negative Folgen ergeben sich auch aus einer in früheren Veränderungsmaßnahmen erlebten mangelnden Glaubwürdigkeit der Managementebene, beispielsweise hinsichtlich der Ziele und Konsequenzen einer Änderung, vor allem wenn diese mit dem Abbau von Arbeitsplätzen oder sonstigen nachteiligen Folgen für die Beschäftigten zusammenhing ([21], S. 529). In Vorausschau auf die Notwendigkeit zukünftiger Organisationsänderungen sollte hier also mit größtmöglicher Transparenz und Offenheit gegenüber den Betroffenen operiert werden. Fazit Neben den Einzelergebnissen der Analysen fielen im Rahmen der beschriebenen Untersuchungen vor allem zwei Dinge auf, die eine gesonderte Erwähnung verdienen. Erstens muss die Vernachlässigung der bisherigen Erkenntnisse zur Akzeptanzsteigerung kritisiert werden. Maßnahmen der Mitarbeiterpartizipation und -information sind seit langem bekannt und sollten mittlerweile als sinnvolle Werkzeuge erkannt worden sein. Ein Grund für dieses Defizit mag das mangelnde Bewusstsein dafür sein, dass überhaupt Widerstände gegen die (aus eigener Sicht doch so nützlichen) Veränderungen denkbar sind. Zweitens fällt auf, dass in der Praxis ein großes Interesse an empirischen Analysen und entsprechenden Erkenntnissen über real vorliegende Zusammenhänge besteht. Vor allem der Vergleich der eigenen Situation mit den Werten anderer Unternehmen erscheint häufig hilfreich. Vor diesem Hintergrund wäre eine noch stärkere Betonung der empirischen Forschung im Projektmanagement sicher zu begrüßen. ■ P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 18 WISSEN Literatur [1] Kieser, A.: Business Process Reengineering - neue Kleider für den Kaiser? In: zfo 3/ 1996, S. 179-184 [2] Nippa, M.: Erfolgsfaktoren organisatorischer Veränderungsprozesse in Unternehmen - Ergebnisse einer Expertenbefragung. In: Nippa, M./ Scharfenberg, H. (Hrsg.): des Internen Marketing. In: Meyer, A. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungs-Marketing. Stuttgart 1998, S. 991-1009 [21] Wollert, A.: Unternehmenskommunikation in Krisenzeiten - der Beitrag des Internen Marketing für Veränderungsprozesse - am Fallbeispiel von HERTIE. In: Bruhn, M. (Hrsg.): Internes Marketing: Integration der Kunden- und Mitarbeiterorientierung. Grundlagen - Implementierung - Praxisbeispiele. Wiesbaden 1995, S. 527-542 Schlagwörter Akzeptanz, Empirische Analyse, Implementierung, Interessenausgleich, Internes Marketing, Organisationsveränderung Autor Dr. Rudolf Wahl, geb. 1968, war nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre (Ludwig-Maximilians-Universität, München, und Ecole de Management Européen, Strasbourg) bis 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Informatik der Universität der Bundeswehr München tätig. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehörten u. a. die Konzeption und Durchführung verschiedener empirischer Forschungsvorhaben zu den Themen IT, E-Business und Projektmanagement. Die hier vorgestellte Studie zur Implementierung von Projektmanagementkonzepten war dabei eines der umfangreichsten Projekte, dessen vielschichtige Ergebnisse mittlerweile in Buchform veröffentlicht wurden (siehe [6]). Der Autor ist heute in einer Bank im Rahmen eines Strategieprojekts zum Thema E-Business tätig. Anschrift Bayerische Landesbank Schwerpunkt eBusiness - 6507 - Briennerstr. 24 D-80333 München Tel.: 0 89/ 2 17 12 87 92 E-Mail: rudolf.wahl@blb.de Implementierungsmanagement: Über die Kunst, Reengineeringkonzepte erfolgreich umzusetzen. Wiesbaden 1997, S. 21-57 [3] Hammer, M./ Champy, J.: Business Reengineering. Frankfurt a. M. 1994 [4] Hall, G., et al.: How to make Reengineering Really Work. In: Harvard Business Review 6/ 1993, S. 119-131 [5] Knopf, R., et al.: Der Abbruch von Reorganisationsprozessen. München 1976 [6] Wahl, R.: Akzeptanzprobleme bei der Implementierung von Projektmanagementkonzepten in der Praxis. Eine empirische Analyse. Frankfurt u. a. 2001 [7] Schelle, H.: Projekte zum Erfolg führen - Projektmanagement systematisch und kompakt. 2. Aufl., München 1999 [8] Picot, A./ Freudenberg, H./ Gaßner, W.: Die neue Organisation - ganz nach Maß geschneidert. In: Harvard Business Manager 5/ 1999, S. 46-57 [9] Doppler, K./ Lautenburg, Ch.: Change Management. 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Im Jahr 2001 wird bei 11 Prozent der befragten Unternehmen das Projektvolumen im siebenstelligen Bereich liegen; 3 Prozent erwarten sogar ein Volumen von über 5 Mio. DM mit deutlich steigender Tendenz in den folgenden Jahren. Die Steigerung des Marktvolumens für E-Business-Investitionen wird von 3,5 Mrd. DM in 1999 auf 18 Mrd. DM in 2003 beziffert ([1], S. 56). Dieses Investitionswachstum gipfelt in Aussagen wie z. B. der von Andy Grove, Mitbegründer und Vorsitzender der Intel Corporation, wonach es zukünftig zwischen Business und E-Business keinen Unterschied mehr geben wird ([2], S. 4). Nur zögerlich setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass das E-Business der aktuellen Stunde ein höchst komplexes Vorhaben ist, das sich nicht nur darauf beschränkt, ein neues Web-Design oder Datenbankanbindungen an vorhandene Legacy-Systeme zu realisieren, sondern dass strategische Geschäftsmodelle, Unternehmensprozesse und -organisation, Kompetenz und Motivation der Mitarbeiter sowie IT-Systeme und -Infrastruktur in bisher nie gekanntem Ausmaß zusammenspielen. Erschwerend kommt hinzu, dass Fehler im E-Business im Zeitalter von weltumspannender E-Mail- Kommunikation und von Meinungsportalen beängstigend schnell eine negative Außenwirkung entfalten können. Betrachtet man zudem im Detail die aktuelle Situation in den Unternehmen, so findet sich insbesondere auf der Ebene der Strategieentwicklung und Koordination ein deutlicher Nachholdbedarf. Häufig existiert keine dediziert ausgearbeitete E-Business-Strategie, welche mehr ist als eine um „E-Termini“ ergänzte IT-Strategie. Ergänzend tummelt sich in den Unternehmen eine Vielzahl an E-Business-Initiativen und -Projekten, die nicht immer den unternehmerischen Gesamtrahmen und -nutzen berücksichtigen. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 75 Prozent der E-Business-Projekte aus Gründen mangelnder Kundenorientierung erfolglos bleiben (z. B. [3]); nichtsdestoweniger gibt es aber auch viel versprechende E-Business- Programme und -Projekte (z. B. [4]). Der Artikel möchte daher einen Weg aufzeigen, wie Unternehmen aus der Sicht eines Programm-Managements erfolgreich ihr E-Business fortsetzen oder ins E-Business einsteigen können. E-Business als neues Unternehmensverständnis Die konsequente Abwicklung aller Geschäftsvorfälle auf der Basis von Internet-Standards und moderner Informationstechnologie - E-Business - verändert das Wirtschaftsgeschehen sowie öffentliche und private Bereiche grundlegend. Auf dem Weg zum E-Business werden Geschäftsmodelle sowie die Unternehmens- und Kommunikationsprozesse und letztendlich auch die Unternehmenskultur einem fundamentalen Wandel unterworfen. Dieser Wandel geschieht je nach Branche und Marktsituation sowohl langsam als auch in Sprüngen. Aber auch wenn Märkte und Technologien heute schnelle Lösungen erfordern, ist es aufgrund der Komplexität (vgl. Abb. 1) nicht ratsam, eine „große Lösung“ anzustreben, sondern besser, stufenweise vorzugehen und E-Business - Erfolg durch Strategieentwicklung und Programmmanagement Peter Michael Frieß E-Business und Global Economy sind Herausforderungen, denen sich neue und etablierte Unternehmen nicht entziehen können. Aktuelle Erfahrungen zeigen jedoch, dass zahlreiche Projekte fehlschlagen, da vielfach Erfahrungswerte und eine geeignete Vorgehensweise fehlen. Hierzu werden nach kurzer Einführung in die E-Business-Thematik typische Problemstellen und Fallen aufgezeigt. Im Folgenden wird dann ein E-Business-Programmansatz dargestellt, welcher es Unternehmen ermöglicht, dennoch erfolgreich ins E-Business einzusteigen oder ihr E-Business auszubauen. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 20 WISSEN der eigenen Organisation Zeit zum Lernen zu geben. Ein erfolgreiches E-Business ist immer in eine bestehende oder zukünftige Unternehmensstrategie integriert - einerseits als Umsetzungsbasis für neue Geschäftsmodelle, andererseits als Befähiger für neue Geschäftsideen. Wie auch immer Unternehmen in Richtung E-Business bewegt werden - sei es durch ultimative Forderungen der Kunden, Verbesserung der Reichweite und Ausweitung des Umsatzes oder gar durch neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen -, die Kernzielsetzungen für die Realisierung von E-Business lassen sich auf drei Punkte fokussieren: ❏ Kostensenkungen durch Prozessverbesserung (z. B. standardisiertes Bestellwesen) und das Ausnutzen von Synergien, ❏ Erhöhung der Kundenbindung durch profunde Kenntnis des persönlichen Bedarfs, individuelles Marketing sowie ein erweitertes oder neues Produkt- und Dienstleistungsangebot und ❏ Erschließung neuer und zukunftssichernder Märkte durch innovative Geschäftsmodelle und Allianzen. E-Business-Entwicklungspfad Die Entwicklung eines Unternehmens hin zum E-Business verläuft in der Regel in vier Stufen (vgl. Abb. 2 und z. B. [5]). Jedes Unternehmen wird für sich entscheiden müssen, wo es sich befindet und wann die nächste Stufe in Abhängigkeit der Marktsituation anzugehen ist. Folgende Stufen können unterschieden werden: ❏ Stufe 1: Präsenz/ Information: In dieser Stufe wird im Wesentlichen die Außenwirkung des Unternehmens durch eine Präsenz im Internet erhöht oder verbessert. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung und dem Austausch allgemeiner sowie produkt- und dienstleistungsspezifischer Informationen. Viele Unternehmen sind dabei, diese Stufe bereits zu verlassen und in die nächsthöhere aufzusteigen. ❏ Stufe 2: Interaktion: In der zweiten Stufe kann über die Internetpräsenz hinausgehend bereits intensiver mit einem Unternehmen auf der Basis von Computern oder mobilen Endgeräten kommuniziert werden. Durch Konfiguration und Personalisierung werden individuelle Informationen bereitgestellt sowie die Kundenbedürfnisse explizit berücksichtigt. Über Firmenportale für die Mitarbeiter eines Unternehmens werden aber auch die internen Interaktionsprozesse unterstützt. ❏ Stufe 3: Transaktion: In der dritten Stufe erfolgt eine noch stärkere Integration von Kunden und Geschäftspartnern; so werden diese durch personalisierte Workflows in die Geschäftsprozesse und IT-Systeme eines Unternehmens eingebunden. Die Unternehmensgrenzen werden durchlässig, und Kunden, Geschäftspartner und die Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten über die Wertschöpfungskette hinweg in Allianzen, Partnerschaften oder sog. Communities zusammen. ❏ Stufe 4: vollständige Adaptation: In dieser Stufe sind Internet sowie Intranet und Extranet über feste und mobile Zugangsportale mit den Geschäftsprozessen und IT-Systemen vollständig integriert; Prozesse und Organisation sind über eine fortlaufende Optimierung für das E-Business ausgerichtet worden. Darüber hinaus ermöglichen die vorhandenen IT-Technologien eine bisher unerreichte Durchdringung des gesamten Lebensraumes mit Internet-Technologien und -standards (sog. Pervasive computing). Dieser Entwicklungspfad gilt für bereits bestehende Unternehmen. In jüngster Zeit entstandene Internet-basierte Unternehmen - vernetzt agierende Personen, Gruppen und Unternehmen, die neue Geschäftsideen (z. B. Meinungsportale, Kaufbörsen, …) umsetzen - beginnen ihre Entwicklung bereits in Stufe 3 oder 4. Darüber hinaus unterliegen sie, bedingt durch wechselnde Kooperationen, Wettbewerbsfelder sowie Technologien, schnelleren Veränderungstendenzen als bereits bestehende, eher traditionell geprägte Unternehmen (vgl. [6]). Handlungsfelder für die E-Business-Realisierung Für die Realisierung des E-Business haben sich in der Literatur sowie in der Praxis mehrere Handlungsfelder herauskristallisiert (vgl. [5], [7] u. a.); im Einzelnen sind dies: ❏ E-Commerce: Vertrieb und Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an Kunden und Partner über das Internet; hierbei ist neben der Internetpräsenz Unternehmensstrategie Wertschöpfungskette Geschäftsprozesse Vertrieb IT-Infrastruktur Produktentwicklung Knowledge- Managem. Unternehmenskultur Marketing Personalentwicklung E-Business- Gestaltungsfelder Abb. 1: E-Business-Gestaltungsfelder Präsenz/ Information Zeit/ Investitionsvolumen Reifegrad/ Erfolg Interaktion Transaktion vollständige Adaption Abb. 2: E-Business-Entwicklungspfad P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 21 und Kostensenkung auch die Reichweitenerhöhung ein wichtiger Aspekt, ❏ E-Procurement: in Verbindung mit einem umfassenden Verständnis der Logistikkette (Supply Chain Management); steht für Kostensenkung und Optimierung der Beschaffungsprozesse durch Standardisierung (Katalogsysteme), aber auch durch Ausschreibungen und Auktionen bzw. Reverse Auctions, ❏ E-Development: gemeinsame, standort- und unternehmensübergreifende Produktentwicklung auf der Basis von Internet-Technologien, ❏ E-Service für Kunden: schnelle Bearbeitung und Beantwortung von Kundenanfragen und -problemen rund um die Uhr, aber auch Newsgroups, Foren und Wissens- und Produktdatenbanken, ❏ E-Learning für Angestellte: Förderung der dezentralen und individuell gesteuerten Weiterbildung (z. B. in der Form von computerbasierten Lehrgängen, Wissensdatenbanken und Foren) durch Internet-Technologien, ❏ E-Care für „Influencers”: sachliche Information und personalisierte Betreuung von öffentlichkeitsrelevanten Personen und Gruppen eines Unternehmens (z. B. Journalisten, Analysten) über das Internet, ❏ E-Intelligence: umfassende Auswertung der durch die Internet-Präsenz anfallenden Kundendaten als Basis für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM), die kundenbezogenes Marketing (One-to-one-Marketing) und die Markenführung durch einen „E-Brand“ ermöglichen. Deutliche Favoritenthemen und heiße Eisen um diese Handlungsfelder herum sind derzeit Portale, Marketplaces, Supply Chain Management, Corporate Websites, Shops und Mobile Internet. E-Business-Management Der Weg vom „Doing E-Business“ zum „Being E-Business“ ist ein immer wieder und mit wandelnder Geschwindigkeit zu beschreitender Pfad - Verbraucherverhalten, Wettbewerb und Technologie führen dazu, dass E-Business keine Eintagsfliege oder Einmalaktivität, sondern eine ständige Aufgabe für die nächsten Jahre sein wird. Aus der Sicht der Unternehmensführung ist dies eine besondere Herausforderung, die nur durch ein spezifisches E-Business-Management-System zu bewältigen sein wird. Dieses wird durch folgende Zielsetzungen und Aufgabenfelder bestimmt: ❏ das E-Business-Programm (Strategie, Geschäftsmodelle, Marketing und Innovation) eines Unternehmens zu entwickeln und voranzutreiben, ❏ die Umsetzung des E-Business-Programms zu koordinieren und zu unterstützen, ❏ den Lebenszyklus von Web-Produkten (z. B. einem Online-Versicherungsverkauf) zu verfolgen und zu unterstützen, ❏ den IT-Infrastrukturbetrieb für das E-Business (Applikations-Integration, Webhosting, Netzwerke, Updates, Security, …) und beteiligte Partner zu koordinieren und zu überwachen. Wo liegen die Probleme in E-Business-Projekten? E-Business-Projekte beinhalten eine nicht zu unterschätzende Komplexität, die Geschäftsstrategie und -modelle, Prozesse und Organisation, IT-Infrastruktur, Webdesign und Marketing einschließt. Verglichen mit Business Process Reengineering oder IT-Projekten ist ihre Komplexität deutlich höher, da die Geschäftsprozesse über die Organisationsgrenzen hinausgehen und umfangreiche IT-Systeme zu verknüpfen sind. Darüber hinaus haben im Zeitalter des „Der-Wettbewerber-ist-nur-einen-Klick-entfernt“ gut gestaltete Webpages sowie eine reibungslose Funktionalität eine eminente Wichtigkeit für den Geschäftserfolg. Ein Nichtbeherrschen der komplexen Materie eines E-Business-Projektes äußert sich in Realisierungsschwächen und Fehlschlägen, von denen einige in Abb. 3 auszugsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgelistet sind. Was sind nun die übergeordneten Ursachen für die Fehlschläge? Im Rahmen der Beratungspraxis konnte festgestellt werden, dass Misserfolge von E-Business-Projekten aus dem Zusammenwirken „klassischer Projektmanagementfehler“, den speziellen Schwierigkeiten von E-Business-Projekten sowie den Auswirkungen vergangener Managementtrends resultieren. Im Einzelnen bedeutet dies: ❏ Zerstückelung der E-Business-Einführung in ein Konglomerat von Projekten und Einzelaktivitäten: Hierbei wird nicht selten versucht, E-Business-Aktivitäten politisch geschickt durch eine „scheibchenweise“ Realisierung in die Tat umzusetzen. Auch wenn dies opportun erscheint, so ist doch die Komplexität eines E-Business-Projektes in dieser Weise nicht zu bewältigen (vgl. auch [8]). Ebenso werden nicht selten ähnliche Projekte mit unterschiedlichen Dienstleistern parallel gestartet und nicht miteinander abgeglichen; ❏ Reduktion von E-Business auf informationstechnologische Aufgabenstellungen: Da die Zuständigkeit für E-Business-Projekte in vielen Fällen bei der IT-Leitung angesiedelt ist (62 Prozent von 835 deutschen Unternehmen ([1], S. 25), besteht die deutliche Gefahr, dass der Geschäftsfokus (z. B. relevante Produkte und Dienstleistungen, Markterfordernisse, Kundensegmente, Allianzen) aus dem Blickfeld gerät und informationstechnologische Aufgabenstellungen (z. B. Shopanbindung) im Vordergrund stehen; ❏ Know-how-Probleme für E-Business: E-Business-spezifische Geschäfts-, Prozess- und Organisationsmodelle, rasante Innovationen in der Informationstechnologie, kundenorientiertes Informationsmanagement, Webdesign und Online-Marketing erfordern ein hohes fachliches Wissen, das nur partiell oder gar nicht in den Unternehmen vorhanden ist. Darüber hinaus haben, bedingt durch eine fortgeschrittene Dezentralisierung der Geschäftsbereiche, immer weniger Personen das erforderliche Wissen, E-Business-Themen bereichsübergreifend bearbeiten zu können; ❏ Mängel in Strategie-, Entscheidungs- und Controllingprozessen: Schwierigkeiten einer erfolgreichen Realisierung von E-Business-Projekten begründen sich auch durch unzureichende Strategieentwicklungsprozesse. So gaben 64 Prozent der in 1999 befragten Unternehmen an, noch keinerlei Strategie für den Einsatz einer E-Business- oder E-Commerce-Lösung zu haben ([1], S. 8). Entscheidungen sind häufig nur von statischem Kosten-Nutzen-Denken geprägt und werden durch budgetäre Bereichsegoismen weiter verzögert. Das Controlling fußt meist auf traditionellen P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 22 WISSEN Größen wie ROI, richtet sich an einem binnenorientierten Unternehmenskonzept aus und greift auf falsche Erfahrungswerte zurück (vgl. [9]); ❏ Ressourcenengpässe in den Unternehmen sowie in den Beratungs- und Dienstleistungsfirmen: Der Ressourcenbedarf umfassender E-Business-Projekte, die zeitgleich mit anderen internen Projekten durchgeführt werden, kann häufig nicht ausreichend gedeckt werden, da nach Abbau zahlreicher interner Stabs- und Supportabteilungen das erforderliche qualifizierte Personal für Reorganisation, Programmierung, Webdesign und Projektmanagement fehlt. Zudem sind die Personalmärkte in diesen Wissensgebieten leergefegt. Aber auch Beratungs- und Dienstleistungsfirmen kämpfen mit dem Problem, für ihre Kundenprojekte ausreichend qualifiziertes Personal bereitstellen zu können; ❏ belastete Dienstleistungsbeziehungen: In den vergangenen Jahren wurden in vielen Unternehmen Teile der unternehmerischen Leistungserstellung ausgegliedert, um sich auf die Kernaufgaben zu konzentrieren und Kosten zu senken. Insbesondere aufgrund des letzten Punktes existieren häufig von einem finanziellen „Nullsummenspiel“ und Misstrauen geprägte Dienstleistungsbeziehungen, deren Denkhaltung und Know-how auf beiden Seiten nicht geeignet sind, nun plötzlich hoch anspruchsvolle E-Business-Projekte kreativ, schnell und motiviert durchzuführen (vgl. [1], S. 15); ❏ unzeitgemäßer Führungsstil im E-Business und in E-Business-Projekten: Es gelingt häufig nicht, die unterschiedlichen Kompetenzen und Mentalitäten zu integrieren und Synergien aus einem gemeinsamen Vorgehen zu gewinnen. Obwohl temporär und punktuell immer wieder Höchstleistungen gefordert werden, wird zu wenig für ein teamorientiertes und stimulierendes Klima in produktiver Arbeitsatmosphäre gesorgt. Erfolgreiche E-Business-Realisierung durch Programmmanagement Wie bereits gezeigt, ist der Weg ins E-Business aufgrund seiner dynamischen Kontexte (Märkte, Technologien, Partnerschaften, Arbeitskulturen) und der Vielzahl der beteiligten Akteure besonders komplex. Umso schwieriger und von zahlreichen Unsicherheiten geprägt ist daher auch das Management des Weges in Richtung E-Business. Ein Projektmanagement, welches nur auf eine Einzelprojektbetrachtung abhebt (und dies ist häufig noch der Fall), genügt nicht mehr, da es für die hohen Unsicherheiten des E-Business zu kurz greift. In Anlehnung an vorhandene Definitionen (vgl. [10], S. 6; [11], S. 16) sollte für die E-Business-Einführung ein entsprechender Programmansatz zur Anwendung kommen, welcher vernetzte Einzelprojekte vereint und die vorhandenen Unsicherheiten durch eine übergeordnete Strategieentwicklung und -verfolgung kompensiert (vgl. Abb. 4). E-Business-Strategieentwicklung als wesentliche Basis des Programmmanagements Die Entwicklung einer E-Business-Strategie speist sich aus der Unternehmensstrategie, dem vorhandenen IT- E-Commerce erbringt keinen Mehrwert für das Unternehmen Kunden mit Kaufprozess unzufrieden (Artikel nicht verfügbar, Fehllieferungen, Verzögerungen, falsche Bepreisung, …) Interaktion im Internet unzumutbar (lange Antwortzeiten, Navigation irreführend, Browserfehlfunktion) Callcenter-Dienstleistungen unzureichend (nicht verfügbar, nicht kompetent oder überfordert) Security-Probleme (Kunden-/ Firmendaten gehen verloren oder werden manipuliert, Systeme werden lahm gelegt) … Geschäftsstrategie und -modelle Prozesse und Organisation IT-Infrastruktur Webauftritt Marketing • Produkte-/ Dienstleistungen nicht aus Unternehmensstrategie abgeleitet • Business Case unzureichend • Dienstleistungen nicht in Geschäftsmodell eingebunden • Reibungsverluste zwischen Internet- und anderen Vertriebskanälen • Vertriebsanbindung unzureichend • Logistikprozess nicht auf E-Commerce abgestimmt • Mitarbeiter unzureichend geschult • Brüche zwischen Vertriebs- und After-Sales-Prozess • fehlende Zuständigkeiten und Prüfungsprozeduren • fahrlässiger Umgang seitens der Mitarbeiter • Fehlinvestitionen in Hardware und Software • Integration der einzelnen IT- Systeme unzureichend • Kapazität der IT- Systeme falsch und nicht skalierbar ausgelegt • Callcenter-Support- Systeme zu langsam • Kunden- Datenbanken veraltet • fehlendes State-ofthe-art-Sicherheitskonzept • Systeme fehlerhaft konfiguriert Schwachstellen in folgenden Bereichen • Bedienungsoberfläche unterstützt Kunden nicht und lässt Fehleingaben zu • Informationsdesign unzureichend • Standards nicht eingehalten • keine sichere Dateneingabe möglich • keine spezifische Vermarktung des Internethandels • zu umfangreiche Werbung stört Kunden im Kaufprozess • Ladezeit fressende Werbung Typische Fehlschläge von E-Business-Projekten Abb. 3: Typische Quellen für Fehlschläge von E-Business-Projekten P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 23 Potenzial und Geschäftsgelegenheiten; bestehende E-Business-Initiativen und Projekte werden zusammengefasst und in einen Gesamtkontext gestellt. Die Strategie dient im Wesentlichen der Festlegung eines E-Business-Entwicklungspfades (nicht einer Marschrichtung! ) und reduziert die E-Business-Komplexität für ein Unternehmen in Bezug auf Entwicklung und Priorisierung von E-Business-Initiativen und -Projekten. Eine E-Business-Strategie ist der Startpunkt für das E-Business-Programmmanagement. Sie unterliegt einer periodischen Verbesserung durch Erfahrungen und Erkenntnisse in den einzelnen E-Business-Projekten sowie einer schnellen Anpassung an Markt- und technologische Chancen. Ziel des Strategieprojektes sind die Entwicklung und grobe Beschreibung folgender Inhalte: ❏ Geschäftsmodelle: Welche Produkte und Dienstleistungen auf Basis der Internettechnologien werden mit welchen Partnern wie erbracht? Wie ist Customer-Relationship-Management umzusetzen? ❏ Prozess- und Organisationskonzept: Welche Geschäftsprozesse und welche Organisationsstruktur werden für diese Geschäftsmodelle benötigt? ❏ Marketing-Konzept: Wie werden die Produkte und Dienstleistungen zukünftig offline und online vermarktet? Welche externe und interne Corporate Identity wird benötigt? ❏ Webauftritt: Welche Gestaltung begeistert unsere Kunden? Welche Navigationslogik ist erforderlich? Wie realisieren wir das Content Management? Mit welchen Partnern wollen wir wie zusammenarbeiten? ❏ IT-Infrastruktur: Welche Funktionalität und Performance werden benötigt? Welche Systeme werden zukünftig eingesetzt? Wie werden vorhandene Systeme verbunden und/ oder integriert? Welches Sicherheitskonzept ist erforderlich? Sind externe Dienstleister eingebunden? ❏ Personal (Human Resources): Was ist der Qualifizierungsbedarf, wie werden vorhandene Mitarbeiter weiterentwickelt und wie werden passende neue Mitarbeiter für das E-Business gewonnen? Wie wird das Wissensmanagement gestaltet? sowie ❏ Return on Web-Investment (ROWI): Welche Investitionen sind erforderlich? Wie und woran wird der Erfolg der E-Business-Initiativen und Projekte gemessen und bewertet? ❏ Unternehmens-/ Arbeitskultur („E-Culture“): Wie wird oder muss die zukünftige Form der Arbeit, der Zusammenarbeit und des Lernens im Unternehmen und mit den Geschäftspartnern aussehen? ❏ Transformationsplanung: Wo steht das Unternehmen, und welche Maßnahmen und welches interne Marketing sind für die Transformation des Unternehmens in Richtung „Being E-Business“ erforderlich? Funktion und Aufgaben des E-Business-Programmmanagements Das E-Business-Programmmanagement agiert auf der strategischen und der operativen E-Business-Ebene und verknüpft diese. Auf der strategischen Ebene sind insbesondere das Aufsetzen des E-Business-Strategieprojektes sowie die Weiterentwicklung der E-Business-Strategie von Bedeutung. Auf der operativen Ebene gilt es, die E-Business-Initiativen und -Projekte anzustoßen und zu koordinieren, laufende E-Business-Projekte zu unterstützen und deren Resultate einem kontinuierlichen E-business-Management zuzuführen. Weitere, wesentliche Bestandteile des E-Business-Programmmanagements sind die Verknüpfung von strategischer Konzeption und konkreter Realisierung sowie die Förderung von Lernprozessen auf und zwischen diesen Ebenen. Darüber hinaus ist das Lifecycle-Management von Webprodukten, d. h. die Konzipierung, Realisierung und Weiterentwicklung von Internet-spezifischen Produkt- und Serviceangeboten, zu unterstützen. Erfolgreiche E-Business-Projekte und erfolgreiches E-Business sind das gelungene Zusammenspiel zahlreicher unternehmensinterner und externer Kompetenzen, Funktionen und Personen (vgl. Abb. 5). Das E-Business-Programmmanagement muss hierbei dafür Sorge tragen, dass die Zusammenarbeit funktioniert und Konflikte zielorientiert, letztendlich im Sinne des Kunden gelöst werden. Hieraus können für das E-Business-Programmmanagement folgende Aufgaben abgeleitet werden: ❏ Vorantreiben der Entwicklung und Fortführung einer E-Business-Strategie und einer E-Business-Roadmap, ❏ Entwicklung und Koordination von E-Business-Initiativen und -Projekten, ❏ Gestaltung und Unterstützung des strategischen und operativen Partner- und Dienstleister-Managements für das E-Business, ❏ Coaching und Review von E-Business-Projekten, Online/ Offline Marketing Programmmanagement Prozessoptimierung Aufbau/ Ausbau IT-Infrastruktur Kompetenzentwickl./ Kulturwandel Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Review/ Finetuning E- Business-Strat. Realisierungsprojekte Entwicklung E- Business- Strategie Finetuning E- Business- Strategie strategisch operativ Review/ Finetuning E- Business-Strat. Abb. 4: Ablauf E-Business-Programmmanagement P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 24 WISSEN ❏ Entwicklung von Standards für die effiziente Bearbeitung von E-Business-Projekten, ❏ Budgetvorbereitung sowie Wirtschaftlichkeits- und Erfolgsbetrachtungen für das E-Business, ❏ Dokumentation und Kommunikation wesentlicher Ergebnisse sowie Erfahrungen/ Erkenntnisse (Knowledge-Management), ❏ Durchführung von Benchmarks, ❏ Unterstützung des Lifecycle-Managements von Webprodukten, ❏ Unterstützung und ggf. Koordination der E-Business- Transformation, ❏ Advokat und „Nervenzentrale“ für das E-Business (Visionen, Trends, Veränderungen, Marketing, …). Für die Umsetzung dieser Aufgaben bedarf es einer firmenspezifischen Zielsetzung und Arbeitsplanung des Programmmanagements, der Definition der erforderlichen Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus gilt es für die Beteiligten des E-Business- Programmmanagements, Maßnahmen bezüglich Stakeholder-Management, Marketing und Kommunikation sowie der Weiterentwicklung der persönlichen Wissensbasis zu ergreifen. Fazit und Ausblick Die Herausforderungen an das E-Business-Programmmanagement für ein erfolgreiches E-Business sind vielfältiger Natur: Vorantreiben des E-Business, Verknüpfung verschiedenster und teilweise weltweiter Projekte und Initiativen, Umgang mit ungleichen Unternehmen, Kulturen und Menschentypen sowie das Zusammenspiel sozialer und technischer Systeme. Auf der Habenseite steht die gute Chance, erfolgreich am Markt zu bestehen und die Position auszubauen oder verlorenes Terrain wiederzugewinnen. Im E-Business werden von allen Beteiligten zeitintensive und intellektuell anspruchsvolle Höchstleistungen gefordert, die nur in einem teamorientierten Klima erbracht werden können. Der Spaß am E-Business-Programmmanagement liegt hierbei auch in der Möglichkeit, eine „E-Culture“ mit gestalten zu können. Literatur [1] Meta Group: Electronic Business in Deutschland. Meta Group GmbH, Ismaning 2000 [2] Wirtz, Bernd: Electronic Business. Gabler, Wiesbaden 2000 [3] Peiner, Werne: Elektronischer Handel krempelt die Logistik um. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 1. 2001 [4] Butt, Joseph L./ Rutstein, Charles/ Howe, Carl D./ Kim, Steven D.: Staples’ Path To Nonstop eBusiness. The Forrester Report. Forrester Research, Cambridge 2001 [5] IBM: e-business Strategy and Governance. International Business Machines Corporation, Armonk 1999 [6] Tapscott, Don/ Ticoll, David/ Long, Alex (Hrsg.): Digital Capital. Harvard Business School Press, Boston 2000 [7] Dörken, Jost: Spurensuche auf elektronischen Pfaden. E-Intelligence, Wirtschaftlichkeit messen. In: Computerwoche extra, 5/ 2000, S. 52-55 [8] Waterhouse Change Integration Team: Das Management-Paradox. 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Zahlreiche Fachpublikationen. Aktives Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement und im Programm „Neue Wege im Projektmanagement“ (www.gpm-ipma.de/ 04-1_wege.htm). Anschrift Gärtnerstraße 101 D-20253 Hamburg Tel./ Fax.: 0 40/ 43 18 03 40 E-Mail: peterfriess@lycos.de Projekt n Projekt 2 Projekt 1 Programmmanagement Strategischer Berater/ Partner Top- Management IT-Provider Multimedia- Agentur Marketing- Agentur Prozess- Beratung Rechtsberatung Web-Produkt- Management IT-Management Marketing- Management .... .... weitere Funktionen Abb. 5: Schema E-Business-Programmmanagement-Organisation P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 25 Entwicklungsstufen von Organisationen In der Ökonomie sind Entwicklungsstufen wohl bekannt. Dies gilt für Produkte, Märkte, aber ebenso auch für Unternehmen und ganze Branchen. Ein Unternehmen durchläuft nach Pümpin [1] vier typische Entwicklungsstufen oder Phasen: die Pionierphase, die Wachstumsphase, die Reifephase und die Wendephase. In jeder Phase findet eine andere Dynamik statt, herrschen andere Spielregeln und sind andere Organisationsformen nötig. Dies geht bis hin zu den Menschentypen, die für jede Phase die geeignetsten sind. In der Pionierphase geht es um die Erforschung des Terrains, die Entwicklung einer Identität und die Ausbildung einer stabilen Position im Markt. Formen sind weniger wichtig als Flexibilität. Kreativität der Problemlösung kommt vor Effizienz der Prozesse. In der Wachstumsphase geht es um den Aufbau von Strukturen, um die wachsenden Märkte zu bedienen. Die Effizienz der Prozesse wird wichtiger, aber die Dynamik des Wachstums und dessen Anforderungen an Mitarbeiterintegration und Ausweitung der Kapazitäten überdecken alles andere in dieser Phase. Die Reifephase schließlich ist gekennzeichnet durch Sättigungserscheinungen des Marktes bei gleichzeitig zunehmender Konkurrenz. Der Kostendruck steigt, und die Anforderungen an effiziente Prozesse treten deutlich in den Vordergrund. Hohe Volumina bei sinkenden Margen kennzeichnen die Reifephase. Standardisierung und Automatisierung sind besonders in dieser Phase ein Thema. Entwicklungsstufen bei der Projektdurchführung Für die Durchführung von Projekten gilt das Gleiche wie für Unternehmen: Für Pionierprojekte in einem völlig neuen Terrain gelten andere Spielregeln als in einem etablierten Umfeld. Wie bei der Unternehmensentwicklung gibt es auch bei der Projektdurchführung Entwicklungsstufen. Man kann sie auch als Standardisierungsstufen bezeichnen. Die Zusammenhänge zeigt die Tabelle 1. Projektmanagement In der ersten Entwicklungsstufe werden Standards der Projektplanung angewendet. Diese sind unabhängig von der Art des Projektes, z. B. Projektstrukturpläne, Balkenpläne etc. Diese Art der Standardisierung wird durch alle marktgängigen Projektmanagementsysteme unterstützt und kann in diversen Handbüchern nachgelesen werden. Projektabwicklung nach Vorgehensmodellen Die zweite Entwicklungsstufe für die Durchführung von Projekten sind Vorgehensmodelle. Projekte werden dabei nach einem festgelegten Schema, eben dem Vorgehensmodell, abgewickelt. Es definiert die einzelnen Teilergebnisse und die Prozeduren und legt fest, wie diese zu erstellen sind. Ein Vorgehensmodell ist zunächst einmal generell, aber es bezieht sich jeweils auf eine bestimmte Art von Ergebnissen. Zum Beispiel ist ein Vorgehensmodell für die Softwareerstellung ein anderes als für Vertriebsprojekte oder für Projekte des Anlagenbaus. Das Vorgehensmodell kann unter verschiedenen Randbedingungen eingesetzt werden und ist jeweils konkret auf den Anwendungsfall zuzuschneiden. Es lässt sich aber für sehr verschiedenartige Ergebnisse einer ähnlichen Ergebnisklasse anwenden. Das Vorgehensmodell der Bundeswehr (V-Modell) [2] regelt die Softwareerstellung im Bereich der Bundes- Vom Projekt zum Prozess Projektabwicklung unter industriellen Randbedingungen Eugen Muchowski Ebenso wie in der Unternehmensentwicklung gibt es auch im Projektmanagement Stufen des technischen Fortschritts. Drei Entwicklungsstufen der Projektabwicklung lassen sich unterscheiden: Projektmanagement mit standardisierter Vorgehensweise, Projektabwicklung nach Vorgehensmodellen und Projektdurchführung im Rahmen von Geschäftsprozessen. Prozessmanagement ist die Grundlage für die industrielle Projektdurchführung in Geschäftsprozessen. Es wird ein Werkzeug vorgestellt, mit dem Prozessmodellierung und Prozessmanagement im industriellen Rahmen unterstützt werden können. Als Beispiel und Anwendungsfall ist die Optimierung des Produktentwicklungsprozesses in einem Automobilkonzern beschrieben. Durch die Nutzung von Vorgehensmodellen und durch Prozessmanagement wird Transparenz geschaffen und die Projektabwicklung in weiten Bereichen effizienter. Für unternehmensübergreifende Projektabwicklung mit der Geschwindigkeit des E-Business ist Prozessmanagement eine unabdingbare Voraussetzung. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 26 WISSEN wehr durch die einheitliche und verbindliche Vorgabe von Aktivitäten und Ergebnissen, die bei der Softwareerstellung und den begleitenden Tätigkeiten anfallen. Als Vorteile eines Vorgehensmodells werden u. a. angeführt [3], dass sich die Softwarequalität verbessert, dass das standardisierte Vorgehen die Kalkulation des Aufwandes transparenter macht, dass Kostenrisiken besser erkannt werden und dass sich aufgrund standardisierter Begriffe die Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten verbessert. Das Vorgehensmodell bezieht sich von seinem Wesen her auf gleichartige Produkte, nämlich Software in diesem Fall. Es kommt dabei nicht darauf an, wo und zu welchem Zweck das erzeugte Produkt hergestellt wird. Insofern ist das Vorgehensmodell eine Vorschrift zur Produkterstellung. Eine solche Vorschrift lässt sich speichern und zerlegen in Teilvorschriften, die bei der Aufgabenerledigung herangezogen werden können. Dadurch steht jedem Bearbeiter stets das zutreffende Regelwerk für seine Aufgabenverrichtung zur Verfügung. Projektdurchführung im Rahmen von Geschäftsprozessen Projekte sind Geschäftsvorfälle mit Planungsbedarf. Weil sie jeweils neu an die Randbedingungen angepasst werden müssen, wird Projekten im Sprachgebrauch ein einmaliger Charakter zugeschrieben. Dies ist nicht unbedingt zutreffend. Zwar bedeuten Projekte fallweise Entscheidungen über Ressourcen, unvorhergesehene Schwierigkeiten und Aufgabenstellungen, Abstimmungsbedarf und Eskalation. Daraus folgt aber noch nicht der einmalige Charakter. Im Gegenteil: Projekte haben im industriellen Umfeld häufig Wiederholungscharakter. Mit der Etablierung von Geschäftsprozessen wird nämlich eine dritte Stufe der Standardisierung erreicht. Projekte finden dabei in einem definierten Rahmen statt, in einer Firma etwa oder in einem Werk. Die Leistungsbreite und Variation der Projektergebnisse sind durch den Prozess und seine Ressourcen festgelegt. Die Supportprozesse sind ebenfalls festgelegt und werden von allen Projekten im Rahmen des Gesamtprozesses genutzt. Die Koordinierung der Projekte innerhalb des gemeinsamen Rahmens ist erforderlich und Bestandteil des Prozesses. Charakteristisch sind: gemeinsame Nutzung von Ressourcen, gemeinsame Nutzung von Supportprozessen und auch die gemeinsame Anbindung an Overheadprozesse. Im Unterschied zu einem Vorgehensmodell bezieht der Geschäftsprozess konkrete Ressourcen und Randbedingungen mit ein, die bei der Projektbearbeitung eine Rolle spielen (siehe Abb. 1). Anstatt vom Vorgehensmodell spricht man daher bei der industriellen Projektabwicklung von einem Prozessmodell. Das Prozessmodell beschreibt dabei nicht nur die Vorgehensweise und die Art der Ergebnisse, sondern auch die Nutzung konkreter Informationssysteme und anderer Ressourcen sowie gibt Verweise auf konkrete Vorschriften und sonstige Abhängigkeiten. Beispiel dafür ist der Entwicklungsprozess in der Automobilindustrie. Jedes Jahr werden in einem großen Automobilkonzern neue Modelle auf den Markt gebracht. Parallel wird an verschiedenen Entwicklungsprojekten gleichzeitig gearbeitet. Die Projekte laufen dabei alle nach dem gleichen Schema ab (Vorgehensmodell). Aber zusätzlich nutzen sie auch dieselben Ressourcen: Maschinen, Personal und Informationssysteme. Die mittel- und langfristige Ressourcenplanung, personal- und investitionsbezogen, kann dabei realistischerweise nur aus den Bedarfen der Prozesse abgeleitet werden. Ebenso sind in einer Multiprojektumgebung die Leistungsfaktoren der Projekte, nämlich Geschwindigkeit der Abwicklung, Kosten und Qualität, nur aus einer Prozessbetrachtung herzuleiten. Es zeigt sich, dass die überwiegende Anzahl industriell durchgeführter Projekte standardisierungsfähig wäre. Trotzdem werden solche Projekte oftmals und immer noch als Pionierprojekte abgewickelt. Auch die zur Verfügung stehenden Werkzeuge zur Projektplanung unterstützen nur in den wenigsten Fällen den Bedarf von Projekten, die innerhalb eines durchorganisierten Industriebetriebes durchgeführt werden. Aufgaben des Prozessmanagements im industriellen Umfeld Nicht mehr das einzelne Projekt allein gilt es zu planen, sondern den gesamten Prozess, der mit der Projektabwicklung zusammenhängt. Jedes Einzelprojekt greift dann auf den vordefinierten Prozess zurück und nutzt die damit zur Verfügung gestellten Vorgehensweisen und Ressourcen. Entwicklungsstufe Standardisierungselemente Eigenschaften Anwendungsbereich Projektmanagement Projektmethodik Zeit- und Kostenersparnis und Qualitätsverbesserung durch standardisierte Vorgehensweise bei Projektplanung und Projektabwicklung alle Projekte Vorgehensmodell Dokumente, Verfahren, Ergebnisse, Begriffe weitere Verbesserung hinsichtlich Qualität, Kosten und Zeit durch gemeinsame Begriffe, Festlegung der Teilergebnisse und der Ergebnisstruktur Projekte einer bestimmten Ergebnisklasse, z. B. Software Prozessmanagement Randbedingungen, Ressourcen, Informationssysteme, Vorschriften, Supportprozesse weitere Verbesserung hinsichtlich Qualität, Kosten und Zeit durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Supportprozessen und konkreten Vorschriften Projekte in einem definierten Umfeld, z. B. in einer Firma Tabelle 1: Eigenschaften verschiedener Entwicklungsstufen der Projektabwicklung. Mit zunehmender Standardisierung steigen die Vorteile hinsichtlich Kosten, Qualität und Zeit bei der Projektdurchführung. Der Anwendungsbereich wird dabei jeweils spezieller. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 27 Prozesse stellen Leistungen bereit. Sie werden durch einen Auftrag angestoßen und liefern die vereinbarte Leistung zu den vereinbarten Konditionen. Bisher ist das Prozesswissen eines Unternehmens häufig in verschiedenen Köpfen oder „Töpfen“ gespeichert und nicht allgemein verfügbar. Daher heißt Prozessmanagement, dass Aufgaben, Arbeitsanweisungen und Ablaufzusammenhänge festgelegt und in einem DV-System gespeichert sind. Prozessmanagement ist in diesem Sinne auch Knowledge-Management. Bei der operativen Bearbeitung der Aktivitäten können Aufgaben, Arbeitsanweisungen etc. aus einem Prozessmanagementsystem abgerufen werden. Prozessmanagement ist auch kontrollierter Workflow. Die Bearbeiter einer Aufgabe werden durch das System rechtzeitig auf Zusammenhänge mit anderen Abteilungen und Aufgaben aufmerksam gemacht. Auswirkungen von Störungen können im System rechtzeitig erkannt werden. Prozessmanagement erfordert daher eine aussagefähige, konsistente, alle Teilprozesse übergreifende Prozessmodellierung. Prozessmanagement in der Automobilentwicklung Neue Entwicklungskonzepte in der Automobilindustrie wie virtuelle Absicherung und simultanes Engineering erfordern in stärkerem Maße Prozesssicherheit als die herkömmliche Vorgehensweise. Eine wesentliche Grundlage für Prozesssicherheit ist ein funktionierendes Produktdatenmanagement. Dafür wiederum ist eine genaue Kenntnis über die Datenverwendung und Weitergabe von Produktdaten im Entwicklungsprozess unerlässlich. Der Zwang zur Effizienzsteigerung verlangt darüber hinaus die parallelisierte Abwicklung von Entwicklungsprojekten. Wurden früher Limousine, Cabrio und Kombi nacheinander entwickelt und in Prototypen getestet, so werden heute ganze Baureihen auf einmal aufgelegt und alle Komponenten gemeinsam entwickelt. Dazu bedarf es einer Informationsbasis, die alle Prozessinformationen abrufbar bereithält, die entsprechenden Auswertungen liefert und komplexe Zusammenhänge grafisch darstellt. Die oben genannten Herausforderungen waren für BMW der Anlass, den gesamten Produktentwicklungsprozess auf den Prüfstand zu stellen. Der erste Schritt dazu war die Erstellung eines Prozessmodells, mit dem Abläufe und die darin verborgenen Schwachstellen transparent gemacht werden konnten. Obwohl in der Vergangenheit in vielen Unternehmen ähnliche Versuche gescheitert sind, ein übergreifendes Prozessmodell mit einem solchen Umfang zu erstellen, gab es dazu keine Alternative. Der Prozess der Automobilentwicklung bei BMW ist kontinuierlich. Er deckt 8 Phasen der Produktentwicklung ab und beansprucht einschließlich Vorentwicklung einen Zeitraum von 60 Monaten vor Serienanlauf bis ca. 60 Monate nach Serienanlauf. Er umfasst modellabhängige Entwicklungsaktivitäten und modellunabhängige Entwicklungsaktivitäten. Er integriert Eigenentwicklung, Systemlieferanten und Fremdentwickler. Er erzeugt Detailplanung, Fertigungseinrichtungen und Abläufe für Komponenten, Fahrzeuge und ganze Produktlinien mit verschiedenen Modellvarianten. Er bedient verschiedene Baureihen. Er beschäftigt bei BMW und bei Lieferanten über 10.000 hochqualifizierte Mitarbeiter. Er besteht aus ca. 1.500 Hauptaktivitäten mit ca. 8.000 Einzelaktivitäten. Aktivität Spezifikation V o r v e r s u c h s ergebni s E r g e b n i s P e r s o n e n C o m p u t e r R essourcen M e t h o d e n Projektabhängigkeiten (Modul) V e r s u c h s a b h ä n g i g k e i t e n N o r m e n Modellvarianten V e r s i o n Input- Informationen Ergebnis-Output N a m e Aktivitätsnumme r Aktivitätstyp Aktivitätsgruppe K u r z b e s c h r e i b u ng B e m e r k u n g z u r L e i s t u n g s v e r e i n b a r u n g V e r a n t w o r t l i c h e r Attribute: Verweise: R e s s o u r c e n n a m e R e s s o u r c e n t y p Qualität/ Qualifikation K u r z b e s c h r e i b u ng B e s c h r e i b u n g s d o k u m e n t V e r a n t w o r t l i c h e r E r g e b n i s E r g e b n i s t y p B e s c h r e i b u n g s d o k u m e n t V e r a n t w o r t l i c h e r D a t e n o b j e k t z u g e o r d n e t a u s O b j e k t m en g e E r g e b n i s a u s Input-Aktivität Input-Qualität Input-Nutzbarkeit U n t e r a k t i v i t ä t 1 Teilergebnis 1 U n t e r a k t i v i t ä t 2 Teilergebnis 2 U n t e r a k t i v i t ä t 3 Teilergebnis 3 V o r g a n g s - N r. V o r g a n g s b e s c h r e i b u n g V o r g a n g s a r t H i n w e i s d o k u m e n t Fälligkeit Vorgänge: Abb. 1: Projekte unter industriellen Randbedingungen haben viele Verknüpfungen zu dem internen Umfeld, in dem sie abgewickelt werden. Solche Verknüpfungen sind die Eingangsinfomationen, die genutzten Ressourcen - Personal, Dienstleistungen und Informationssysteme -, Vorschriften, Normen und sonstige Abhängigkeiten. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 28 WISSEN Die Prozessmodellierung musste das Fachwissen aus über 10 Unternehmensbereichen und von externen Partnern zusammenbringen: Unternehmensstrategie, Vorentwicklung, Design, Karosserieentwicklung, Antriebsentwicklung, Fahrwerksentwicklung, Fahrzeugelektrik, Projektsteuerung, Technische Planung, Einkauf und Controlling. Die Vorstellung der Beteiligten über die Prozessabläufe musste in geeigneter Form synchronisiert werden. Dazu waren erforderlich: eine Projektorganisation, ein Rahmenwerk und eine Methodik zur abgestimmten Prozessmodellierung sowie ein Werkzeug zur Prozessmodellierung, das die Informationseingabe erleichtert, alle erforderlichen Auswertungen zulässt und Übersicht schafft. Die Aktivitäten im Prozess der Automobilentwicklung sind sehr eng miteinander verflochten. Eine abgetrennte Modellierung einzelner Bereiche ist praktisch nicht möglich. Trotzdem musste der Prozess in Strukturen zerlegt werden, erstens als Hilfsmittel zur Orientierung und Navigation und zweitens, um die Modellierungsarbeit auf die Projektteammitglieder aufteilen zu können. Der gesamte Prozess wurde daher in 170 Prozessgruppen aufgeteilt. Die umfangreichste und schwierigste Aufgabe in den ersten Projektphasen war die Einigung der Beteiligten über die Vereinheitlichung der verwendeten Begriffe. Werkzeug für Prozessmodellierung und Prozessmanagement Für die Aufgabenstellung bei BMW wurde ein komplett neues Werkzeug - Sketch - geschaffen. Sketch ist ein Repository für Prozessinformationen. Es enthält Modellfunktionen mit mehreren hierarchisch konsistenten Detaillierungsstufen. Sketch beruht auf einer relationalen Datenbank. Dadurch können komplexe Zusammenhänge wie ganze Vorgehensmodelle abgespeichert und verwaltet werden. Im Gegensatz zu anderen Prozessmodellierungswerkzeugen, bei denen die Prozessinformationen in Grafiken eingegeben werden, geht Sketch den umgekehrten Weg und lässt alle Informationen über Eingabemasken direkt in eine Datenbank eingeben. Dadurch wird es möglich, alle im Prozess genutzten Ressourcen, Vorschriften, Organisationseinheiten und Informationssysteme in Sketch zu speichern und bei Bedarf den Aktivitäten zuzuordnen. Das Prozessmanagement kann so jederzeit alle Prozessressourcen ansprechen. In der Abb. 2 ist dargestellt, wie Projektplanung und externe Firma Fachabteilung Projektleiter Proje kt plane n Sketch Prozessmanagement Leistungsvereinbarung Projektzusammenhänge Vorschriften Aufgabenlisten Auswertungen Fortschrittsmeldung Problemlisten Statusbericht Projekt durchführen Statusberichte Problemlisten 3 4 5 Proje kt überwachen Projektplan Änderungen 6 2 Vorgehensmodell 1 Abb. 2: Projektdurchführung mit einem Prozessmanagementsystem. Bei der Projektplanung ist das im System gespeicherte Vorgehensmodell (1) die Grundlage für den konkreten Projektplan (2), der wiederum im System gespeichert wird. Damit stehen alle Teilaufgaben und Abhängigkeiten fest. Mit den Projektbeteiligten können Leistungsvereinbarungen (3) getroffen werden, in denen die Randbedingungen, Vorschriften und Teilaufgaben festgelegt sind. Diese Leistungsvereinbarungen können direkt aus dem System erzeugt werden. Gegen die Leistungsvereinbarung erfolgt das Projektreporting (4) mit Fortschrittsberichten, Problem- und Statusmeldungen. Auswertungen daraus (5) dienen der Projektüberwachung. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 29 Projektdurchführung mit einem Prozessmanagementsystem ablaufen. Da die Prozessgrafik aus der Datenbank erzeugt wird, kann sie vom Anwender auch nach beliebigen Kriterien gefiltert, markiert und gestaltet werden. Anwendungsmöglichkeiten des Werkzeugs Das System Sketch ist nicht nur für die Prozessmodellierung geeignet, sondern unterstützt auch die Projektdurchführung in der Leistungsplanung, Leistungskontrolle und bei der Projektkoordination. Auch die Projektabwicklung nach Vorgehensmodellen wird unterstützt. Da die einzelnen relevanten Vorschriften im System aktivitätsbezogen gespeichert sind, können sie bei der Bearbeitung aktuell genutzt werden. Dies ist bei Handbüchern und Papierformularen nicht immer der Fall, weswegen papiergestützte Vorschriften häufig im Regal verstauben. Sketch kann im E-Business Projekte unterstützen, die unternehmensübergreifend und vernetzt aufgesetzt werden. Dies geschieht bei der Planung, zur Erzeugung von Leistungsvereinbarungen und in der Projektbearbeitung zur strukturierten Information aller Beteiligten über die Projektzusammenhänge. Der Prozess- und Systemplaner kann Entscheidungen über Prozessalternativen, z. B. Outsourcing, am Prozessmodell kostenmäßig belegen. Abstimmungsprobleme beim Prozessdesign werden minimiert. Die Systementwicklung wird einfacher und billiger, wenn die Prozesse definiert und verfügbar sind. Mit dem Prozessmodell wird eine Planungsbasis für Prozessverbesserungen und für die dazu notwendigen Investitionsmaßnahmen bereitgestellt. Der Projektmanager spart Zeit bei der Projektplanung, weil Vorgehensmodelle für Projekte im System gespeichert sind. Geschäftsprozesse können über Unternehmensgrenzen hinweg geplant, bewertet und gesteuert werden. Die Fachbereiche können ihre Projektaufgaben im System verwalten. Die Projektbearbeitung wird sicherer und einfacher, weil alle Informationen über Aktivitäten, Abläufe, Ressourcen, Vorschriften kontextgerecht zur Verfügung stehen. Prozessmanagement ist nicht auf Branchen beschränkt. Allerdings können die Branchen, in denen traditionell große Projekte abwickelt werden, am ehesten von standardisiertem Prozessmanagement profitieren. Dazu zählen: Anlagenbau, Automobilindustrie, Bauindustrie, chemische Industrie, Elektroindustrie, Luft- und Raumfahrtindustrie, Maschinenbau, Computerindustrie, Medien und Behörden. ■ Literatur [1] Pümpin, Cuno/ Prange, Jürgen: Management der Unternehmensentwicklung. Campus Verlag, Frankfurt/ New York 1991, S. 83 ff. [2] Allgemeiner Umdruck 250: Softwareentwicklungsstandard der Bundeswehr [3] http: / / www.scope.gmd.de/ vmodel/ de/ Schlagwörter Automobilentwicklung, E-Business, Geschäftsprozesse, Knowledge-Management, Projektabwicklung, Projektmanagement, Prozessmanagement, Prozessmodellierung, Prozessmodellierungswerkzeug, Vorgehensmodelle Autor Dr.-Ing. Eugen Muchowski, geb. 1947, ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung BusinessDesign in Oberhaching. Er studierte Physik an der Universität Karlsruhe und trat 1972 zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Assistent in das Institut für Thermische Verfahrenstechnik der Universität Karlsruhe ein. Nach seiner Promotion 1977 absolvierte er einen einjährigen Forschungsaufenthalt an der University of California in Berkeley als Stipendiat der Deutschen Forschungsgesellschaft. Später war er in verschiedenen Großprojekten als Projektmanager tätig. Unter anderem war er Projektleiter für die Automatisierung der thermischen Prüfstände der BMW AG, leitete für die Fa. Digital Equipment große Automatisierungprojekte in der Automobilindustrie und die Konzeptentwicklung eines Engineering Data Managementsystems für die ESA (European Space Agency). Aus der Erfahrung zahlreicher Projekte insbesondere in der Automobilindustrie entwickelte er mit der Fa. BMW zusammen das Sketch-System zur Prozessmodellierung und -optimierung in komplexen Entwicklungsprojekten. Anschrift BusinessDesign Unternehmensberatung Bahnhofstraße 43 D-82041 Oberhaching b. München Tel.: 0 89/ 62 83 00 77 Fax: 0 89/ 62 83 00 79 E-Mail: EM@businessdesign.de Fortsetzung von S. 30 Man kann aus den offenen und ehrlichen Darstellungen vermutlich mehr lernen als aus der Lektüre vieler mehr oder weniger abstrakter Lehrbücher, zumal die einzelnen Beiträge auch noch eine ganze Reihe von Anregungen (z. B. zur präzisen Formulierung von Meilensteinen und zum Risikomanagement) bieten. Die weitgehend einheitliche Kommentierung und die umfangreiche Literaturliste steigern den Wert des Werks noch erheblich. Fazit: Das Beispiel kann anderen Autoren - nicht nur aus der IT-Branche - nur dringend zur Nachahmung empfohlen werden. Die Edition derartiger Projektanalysen wäre für die Ausbildung des Projektmanagement- Nachwuchses erheblich wichtiger als die in neuerer Zeit geradezu hektische Aufschüttung des schon genügend hohen Lehrbuchbergs mit zum Teil schlechtem Schüttgut. Heinz Schelle, Neubiberg