PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 3 REPORT D er eine in Hamburg, der andere in Herne. Beide wollen am nächsten Morgen Software in Bremen präsentieren. Der eine kennt die Software, der andere nicht. Rund 350 Kilometer trennen die Schreibtische beider Partner. Und doch nehmen sie - virtuell! - nebeneinander Platz. Via Internetkonferenz hilft Oliver Klee in Herne seinem Projektpartner in Hamburg auf die Sprünge. Die beiden Computer sind so vernetzt, dass der Hamburger am Bildschirm genau verfolgen kann, was Klee ihm weiter südlich erklärt. Jeder Mausklick, jedes eingegebene Wort und aufgeklappte Pull- Down-Menü, jeder Cursorsprung wird auch auf dem Laptop in Hamburg abgebildet. „Ich kann ihm die Software so zeigen, als würden wir an einem Schreibtisch sitzen“, erläutert der Internetspezialist aus dem Ruhrgebiet. Vor allem: Dem Hamburger Kollegen bleibt es erspart, vor der Online-Datenkonferenz die komplette Software zu installieren. Werden beispielsweise Excel- Tabellen präsentiert, braucht nicht jeder Konferenzteilnehmer Excel zu starten. „Es ist wirklich so, als würden wir zusammen vor einem Monitor sitzen“, versichert Klee. Zukunftsmusik? Keineswegs. Die Konferenz hat im April stattgefunden. Technisch gesehen eine Fingerübung. Doch zwischen dem, was heute technisch möglich ist, und dem, was in Projektarbeit genutzt wird, klafft eine breite Lücke. Unwissenheit und Unsicherheit halten Projektteams davon ab, das Reich des World Wide Web ganz zu erobern. Sie verschicken Mails, hängen Dateien an, surfen gelegentlich bei den Mitbewerbern auf die Homepage. Mehr wissen viele Projektmanager mit dem Datennetz noch nicht anzufangen. So genanntes „Application Sharing“, das Oliver Klee mit seinem Hamburger Partner nutzte, ist ein Geheimtipp. Merkwürdigerweise: Die Software, die dem Application Sharing zugrunde liegt, hat der Hersteller Microsoft unter dem Namen „NetMeeting“ seit rund vier Jahren ständig weiterentwickelt. Das kleine Tool (rund 1,6 Megabyte) steht kostenlos auf der Microsoft-Homepage zum Download bereit. Bislang hat der Software-Gigant sein Zusatzmodul für den Browser nicht offensiv beworben. Die meisten spüren das Software-Helferlein per Zufall auf. Oliver Steeger „Ich bin drin! “, wirbt Tennisstar Boris Becker für das Internet. Punkt und Satz für ihn: Viele Projektmanager sind dagegen noch nicht so recht im Netz. Manche nutzen die weltumspannenden Daten-Highways bestenfalls als Postweg für E-Mails. Ginge es nach den WWW-Technikern, sähe die Projektmanagement-Welt anders aus. Global verteilte Teams würden sich auf den Daten-Highways zu virtuellen Konferenzen treffen, zu Daten- Meetings zusammenkommen oder Telefonkonferenzen abhalten. Management by Web: Technisch ist vieles möglich. Provider stehen in den Startlöchern. „Wer das Internet nutzt, spart vor allem Zeit“, meint Internet-Experte Oliver Klee im Gespräch mit Projektmanagement-aktuell-Redakteur Oliver Steeger. Fazit: Das Web erleichtert nicht nur Kommunikation. Es kann sie auch verbessern. Foto: klee.ac - advanced communication Internet für Projektmanager - Meetings auf Daten-Highways Internet bietet Projektteams neue Kommunikationswege „Die neue Technik wird Projektteams künftig helfen, wesentlich effizienter als bislang zu kommunizieren“, prognostiziert Internet-Experte Oliver Klee. Aber: „Man muss mit den neuen Kommunikationsmedien umgehen lernen.“ Der Internet-Boom hat eine Entwicklung ausgelöst, die mittlerweile ausgereift ist, allerdings neue Fertigkeiten in der Kommunikation erfordert. P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 4 REPORT Videokonferenzen sparen Reisezeiten Verbreitet dagegen sind Videokonferenzen. Teamkollegen beim virtuellen Meeting in die Augen zu schauen ist heute keine Hexerei mehr. Amerikanisch ausgerichtete Unternehmen bringen die Technik nach Deutschland, das Meeting im Web spart Flüge über den Atlantik. Auch DaimlerChrysler, BMW und Siemens arbeiten an und mit solchen Systemen. Routine kehrt ein. Für die Netz-Meetings sind Hardware und Software mittlerweile erschwinglich, Provider stehen in den Startlöchern, eine gemeinsame Computersprache für alle Systeme und Plattformen ist gefunden. Vorteil: Kommunikation via Internet spart Zeit, die vielleicht wichtigste Ressource der modernen Wirtschaft. Der Nachteil: Bei Videokonferenzen im virtuellen Besprechungsraum werden zwar Ton und Bild übertragen. Auf dem kleinen Monitorfenster lassen sich allerdings beispielsweise Körperhaltung, Gestik und Mimik kaum abbilden - wichtige Botschaften, die bei der Konferenz fehlen. Die Konferenzteilnehmer müssen diese „wortlose“ Kommunikation anderweitig ausgleichen. „Man muss mit den neuen Kommunikationsmedien umgehen können“, weiß Klee. Der Internet-Boom hat eine Entwicklung ausgelöst, die mittlerweile ausgereift ist, allerdings neue Fertigkeiten in der Kommunikation erfordert. Nicht einmal technische Fertigkeiten. So wie man früher einmal das Telefonieren lernen musste, sollen Projektteams heute Netz-Kommunikation trainieren. Schon warnen Experten: Reine Software-Schulungen werden nicht ausreichen, die Kommunikationstechnik der Zukunft zu nutzen. Sie raten Projektleitern, sich aktiv coachen zu lassen. Coachs beobachten, wie der Projektleiter Videokonferenzen moderiert, und geben ihm anschließend Feedback. Zu viel Aufwand? „Es kann sein, dass derlei Kompetenzen in wenigen Jahren selbstverständlich sind“, prophezeit Klee - und erinnert an den Siegeszug von E-Mails und Mobiltelefonen. „Die neue Technik wird uns künftig helfen, wesentlich effizienter als bislang zu kommunizieren“, prognostiziert Oliver Klee mit Blick auf die rasante Geschichte des Netzes. Mehr noch: Das Web beschleunigt nicht nur die Kommunikation. Es verbessert sie auch. Oliver Klee: „Wenn ich meinem Gesprächspartner beispielsweise via Internet am Bildschirm etwas zeigen kann, reduziert sich die Gefahr von Missverständnissen.“ Im Netz zu Hause. 1984 ging Oliver Klee erstmals online, zu einer Zeit, in der das WWW noch Datex-P hieß und die Bytes nur langsam aus den Leitungen tröpfelten. Damals war er Soldat bei der NATO, und per Internet unterstützte er beispielsweise die Logistik von Manö- Jeden erreichen, auf Projektakten zugreifen und an virtuellen Konferenzen teilnehmen können - Handy und Mini-Computer gehören jetzt schon zum Handwerkszeug vieler Projektmanager. Foto: Siemens Internet für Projektmanager E-Mails mit Dateiversand: Weit verbreitet. Vorsicht, wenn Unternehmen ihre firmeneigenen Netze mit Firewalls schützen! Nicht jede an die E-Mail angehängte Datei passiert die elektronischen Wächter. Manche kommen postwendend zurück, wenn sie zu umfangreich sind oder der Dateityp sicherheitshalber nicht angenommen wird. Telefon- und Videokonferenzen übers Internet: Seit rund drei Jahren kein Problem mehr. Mittlerweile gibt es Software und Übertragungsstandards, die Computer sogar mit unterschiedlichen Betriebssystemen (Windows, Apple, Linux) verbinden. Projektteams benötigen für die Konferenz eine Art „virtuellen Besprechungsraum“, in dem die „Leitungen“ gewissermaßen zusammengeschaltet werden. Einige Provider bieten diesen Vermittlungsdienst. Soll eine Diskussion zustande kommen, sollten höchstens sechs Teilnehmer in der Runde sitzen. Die Übertragungsqualität ist nicht immer optimal. Sprechen Sie deutlich und in kurzen Sätzen. Bei international zusammengesetzten Teams sollten Sie in einfachen Worten diskutieren und Redensarten, die Fremdsprachler nicht sofort verstehen, vermeiden. „Application Sharing“ über Internet: Was früher umständlich gefaxt oder als Kopie verschickt wurde, erscheint online bei den Besprechungsteilnehmern auf dem Bildschirm. Gewissermaßen werden zwei Bildschirme miteinander verbunden. Einer der Kommunikationspartner kann beispielsweise einen Bauplan laden. Seine Besprechungsteilnehmer benötigen weder die Plan-Datei noch die Software, mit der die Datei erstellt wurde. Mit dem normalen Browser und einem Zusatzmodul kann die Besprechungsrunde auf ihren Bildschirmen sehen, was der Meeting-Leiter auf seinem Monitor abgebildet hat. Wichtiges Feature dabei: Derjenige, der präsentiert, kann mit der Maus beispielsweise auf Details hinweisen, Details zoomen oder Notizen anbringen. Die Monitorbilder werden als „Live-Screenshots“ eins zu eins übertragen. P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 5 ver-Projekten. Obgleich Soldat aus Passion, stieg er 1994 (das Internet gewann an Tempo) bei der Truppe aus und heftete sich an ein EU-Projekt zur Telearbeit. Laut damaliger Studie der Europäischen Kommission sollte Telearbeit rund sechs Millionen neue Arbeitsplätze in Europa schaffen: Die Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase. Zurück blieben Erfahrungen mit dem Netz - und die Einsicht, dass die Kluft zwischen Internet-Technik und Mensch groß ist und man Brücken bauen muss. Oliver Klee verstand sich fortan als Dolmetscher, als Mittler zwischen Netz und Mensch. Global - nicht ohne Risiko … Eine Stärke des Netzes: Es verbindet Kulturen. Distanzen zwischen Ländern und Kulturen spielen keine Rolle. Autohersteller beginnen ihre Fahrzeuge rund um den Globus, rund um die Uhr zu entwickeln. Wenn die Entwickler in Deutschland ihre Computer abschalten und heimgehen, machen sich die Kollegen in Amerika ans Werk, und sie übergeben nach Feierabend an Mitarbeiter in Asien. Technisch alles kein Problem. Nur der menschliche Faktor kann dem globalen Teamwork in Echtzeit Probleme machen. „Da müssen sich unterschiedliche Kulturen über neue, bislang wenig bekannte Kommunikationskanäle verständigen“, spricht Klee eine versteckte Netz- Gefahr an. Beispiel E-Mail: Hierzulande wird akzeptiert, in Rund- Mails den Adressverteiler alphabetisch zu ordnen, ein Umgangston, der in asiatischen Ländern gegen elementare Büro-Etikette verstößt. Dort müssen die Empfänger von Rund-Mails nach Hierarchien gestaffelt sein. Eine andere „Kulturfalle“ droht, wenn der Arbeitsrhythmus einzelner Länder nicht berücksichtigt wird. Die Besprechung nach Mittag ist weit in der Welt tabu, weil dort Siesta herrscht. Problematisch: Derlei kleine Verstöße gegen die Arbeitskultur trüben nicht nur die Kooperation, sie können auch den Widerwillen gegenüber modernen Kommunikationsmedien schüren. Neu eingerichtete Kommunikationssysteme bleiben ungenutzt - obwohl sie dringend notwendig wären und das Projekt voranbringen könnten. Zukunftstrend E-Communication: Statt mühsam eine Telefonbuchse zu suchen, werden Projektteams künftig drahtlos via Notebook miteinander in Kontakt bleiben. Doch warnen Experten davor, dass Mitarbeiter nicht mit der Technik „wachsen“. Die neuen Medien benötigen neue Kommunikationsfertigkeiten. Kommunikationstechnik für Nicht-Techniker Internet im Projektmanagement: Achten Sie auf … … so genannte offene Standards. Welche Kommunikationstechnik Sie auch immer wählen: Wichtig ist, dass Hardware und Software, Tools und Methoden zu den wichtigsten Standards passen, beispielsweise zu Microsoft, Linux oder Apple. Die einzelnen Elemente müssen breit kompatibel sein. … den „human factor“. Im Mittelpunkt aller Kommunikationstechnik steht der Mensch. Er muss die Technik akzeptieren, nutzen wollen und mit ihr umgehen können. … Ihre eigene Kommunikations-Kompetenz. Lernen Sie, mit den neuen Kommunikationskanälen umzugehen. Nicht nur mit der Technik, sondern auch mit der neuen Kommunikationsform. Experten empfehlen, einen Coach um Begleitung zu bitten. Er führt nicht nur in die Technik ein, sondern trainiert auch die Kommunikation mit den neuen Medien. … ein offenes Auge für die Bedürfnisse anderer (Arbeits-)Kulturen. Der Teufel steckt häufig im Detail. Mit asiatischen Partnern sollte man sich beispielsweise auf einen gemeinsamen Zeichensatz einigen. Foto: Siemens P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 6 REPORT Technik gibt Marschrichtung vor Treibt die Kommunikationstechnik die Nachfrage? Oder stimuliert der Kommunikationsbedarf die Entwicklung? „Seit einigen Jahren gibt die Technik die Marschrichtung vor“, erklärt Klee. Und das Tempo. Der Internet- Hype löst nicht selten Kopfschütteln bei Nutzern und Anwendern aus. Schlimmer noch: Kommunikationstechniker und Anwender verstehen sich nicht, reden aneinander vorbei. „Immer wieder fehlt die menschliche Komponente“, erläutert Oliver Klee. Eine Lektion, die er früh gelernt hat. Ab Mitte der neunziger Jahre steuerte Klee europaweit Bauprojekte. Die Multiplex-Kinos entstanden. Zulieferer aus Frankreich und Großbritannien und Projektleiter aus Österreich musste er von Deutschland aus koordinieren. Er schöpfte seine Internet-Erfahrungen aus, die er während seiner Lehrjahre bei der NATO und bei der Europäischen Union gewonnen hatte. Alle Baustellen verfügten beispielsweise über Webcams. Mit ihnen wurden Bauschäden begutachtet und von Sachverständigen in anderen Ländern ausgewertet. Die Technik begeisterte den Internet-Fachmann aus Herne. Vor drei Jahren wechselte er zum Internet- Spezialisten UUNET, seit Ende letzten Jahres berät er mit seinem Unternehmen „klee.ac - advanced communication“ Projektteams und greift auf ein weltweites Netzwerk von zehn Spezialisten zurück. Zeitfalle „Kommunikation“ Erfolgsfaktor Zeit. Arbeitsstunden sind in der Projektarbeit knappe Ressourcen. Kommunikation droht immer mehr Zeit zu fressen. Effizienz heißt, die Kanäle zu wählen und zu beherrschen, die am meisten Zeit sparen und die besten Ergebnisse bringen. „Es wird immer wichtiger, Projektmanagern die Bandbreite zur Verfügung stehender Kanäle mit allen Vorteilen und Nachteilen zu präsentieren“, erklärt Oliver Klee. Das Problem ist derzeit die Vielzahl der Kanäle. Aus Handy, Fax, Internet, Telefon und Anrufbeantworter quellen ständig Nachrichten. Wie die Medien managen? „Ich gehe davon aus, dass die Kanäle verschmelzen werden“, erläutert Oliver Klee. Schon bald können Handys E-Mails und Faxe vorlesen. Auch das Diktat am Handy ist in Reichweite, ein Trend, den Experten unter dem Schlagwort „Unified Messaging“ fassen. Weiterer Trend: Nicht immer brauchen Projektmitarbeiter einen Telefonstecker in Reichweite. „Die drahtlose Übertragung von Daten wird sich durchsetzen“, meint Klee. ■ Weltweit über Internet mit Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und anderen Partnern kommunizieren: Die Technik steht bereit. Für weitere Recherchen Link- Tipps der Redaktion: www.collaboration-tools.com Orientierung und Links zum Thema http: / / quickplace.lotus.co.uk Lotus QuickPlace: E-Collaboration-Tool www.autonomy.com Autonomy: Anbieter eines „Portal-in-a-box“ www.documentum.de Documentum: „iTeam“-E-Collaboration- Anwendung auf der Basis von Documentum- Plattform www.hyperwave.com Hyperwave; Hersteller des E-Collaboration-Tools „Hyperwave Information Portal“ www.instinctive.com Instinctive: Anbieter von eRoom Digital Workplace www.klee.ac klee - advanced communication: Anbieter und Berater www.liveservices.siemens.de Siemens bietet eine Lösung mit LiveLing „LiveServices“ www.niku.com Niku: Hersteller unterschiedlicher E-Lösungen www.opentext.com OpenText: Anbieter www.pmboulevard.com PM Boulevard: Anbieter eines virtuellen Projektmanagement-Office www.projectplace.com Projectplace: Anbieter eines virtuellen Projektmanagement-Office www.quickplace.com/ qp2 Lotus QuickPlace: eine E-Collaboration-Lösung Foto: Siemens P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 7 S tecker rein und mittendrin im Projektgeschehen: Lieferanten aus Brasilien, der Kunde in Berlin, der Werkleiter in Bayern, der Projektleiter in Essen und die Entwickler in Holland haben ihre Zelte im Internet aufgeschlagen und dort ihr gemeinsames Büro angemietet. Dort hat jeder seinen Schreibtisch. Es gibt „Besprechungsräume“ mit Flipcharts zum Skizzieren, gemeinsame Kalender, gemeinsame Aktenschränke und schwarze Bretter. Zusammen über Plänen sitzen und diskutieren, im Archiv nach Unterlagen suchen, SMS versenden, Arbeiten planen, Zeiten protokollieren - das Projektbüro ist überall dort, wo die Mitarbeiter sind. Zumindest virtuell. Aus den USA kommt der Trend, digitale Projektbüros und Arbeitsräume einzurichten. Derzeit fasst er auch in Deutschland Fuß. So nutzen nach Angaben des Anbieters „eRoom“ beispielsweise Siemens, Hewlett-Packard, Sony, Adidas-Salomon und Bertelsmann den Service. Teams aus rund fünfhundert Unternehmen hat der Provider unter Vertrag und vermietet die digitalen Inter- Oliver Steeger Mit der Devise „Projekte ins Netz“ drängen Internet-Anbieter zunehmend auf den Projektmanagement-Markt. Kernidee ihrer Dienstleistung: Sie bieten Projektteams „Projektbüros“ im Internet. Auf den virtuellen Schreibtischen findet das Team Projektakten, kann seine Arbeit erledigen, Botschaften hinterlassen oder sich zu Meetings treffen. Ähnliches bieten zwar auch die Intranets vieler Unternehmen, doch die hausinternen Systeme verwehren externen Partnern wie Kunden, Lieferanten oder Beratern den Zugang. So stoßen Intranets beim modernen Projektmanagement schnell an die Grenzen. Die Versuche vieler Projektmanager, Partner immer stärker ans Projekt zu binden, können mit den neutralen Internet- Plattformen besser gelingen. Ab ins „Netz“ mit dem Projekt? Übers Internet mit weltweit verteilten Projektpartnern zusammenarbeiten: Teams können bei Providern virtuelle Projektbüros anmieten. Foto: Klee.ac - advanced communication P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 8 REPORT Datenklau oder im Netz verlorene Dateien - eine Horrorvision für Projektmanager. Bevor Sie im Netz ein virtuelles Projektbüro einrichten, sollten Sie die Sicherheitstechnik der Provider prüfen. Provider, die ihre Karten in puncto Sicherheit nicht offen legen (wollen), sollten nicht in die engere Wahl kommen. 1. Verfügbarkeit. Prinzipiell müssen die Daten und Funktionen sieben Tage pro Woche rund um die Uhr verfügbar sein. Die Provider müssen garantieren, dass niemand auf seine Daten warten muss, Verbindungen stabil sind und das Login zügig geschieht. 2. Verschlüsselung. Unverschlüsselt gleichen im Internet verschickte Dateien den Postkarten: Sie sind für jedermann einsehbar. Spezielle Verschlüsselungen - beispielsweise der SSL-Standard des Homebankings - schützen alle Daten vor unbefugten Mitlesern. Manche Provider lassen ihre Sicherheitstechnik von unabhängigen Sachverständigen regelmäßig überprüfen. Lassen Sie sich die Sicherheitstechnik erklären. Fordern Sie Nachweise. 3. Passwörter. Mitarbeiter können sich nur über Passwörter einwählen. Nutzen sie den Computer längere Zeit nicht, muss sich das System automatisch abmelden. Wichtige Frage: Wie sind Notebooks gegen fremden Zugriff abgesichert, wenn Mitarbeiter unterwegs sind? 4. Die Mitarbeiter des Providers. Der Provider sollte nachweisen, wie er den Zugriff seiner Mitarbeiter auf Projektunterlagen geregelt hat. Je weniger Dritte die Daten einsehen können, desto besser. 5. Serverarchitektur. Die Dateien werden an einem fremden Ort gespeichert. Welche Maßnahmen ergreift der Provider, um seine Server gegen unbefugten Zugriff zu schützen? Wie sichert er die Dateien? Einige Anbieter trennen den Applikationsserver (über den Anwendungen gestartet werden) von dem Server, der Dokumente speichert. Dieser Dokumentenspeicher ist physisch vom Internet getrennt. Dokumente können nur über den Applikationsserver gestartet werden. 6. Hotline. Der Provider muss ständig erreichbar sein und schnell helfen können, wenn es im System mal klemmt. Überprüfen Sie den Service. Stichwort: Sicherheit Projektdaten einem fremden Provider per Internet anvertrauen? „Die Daten auf unserem zentralen Server könnten nicht besser gesichert sein“, meint Mathias Malmgren, Managing Director Deutschland bei Projectplace. Der „virtuelle Schreibtisch“ ist überall erreichbar (und immer aufgeräumt! ). Benutzerfreundlichkeit ist entscheidend, damit die Zusammenarbeit via Internet im Team funktioniert. Foto: Projectplace Foto: Projectplace P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 9 Verbesserte Kommunikation, effiziente Nutzung des Know-hows und unkomplizierte Handhabung - Provider digitaler Arbeitsumgebungen sind um Argumente nicht verlegen, wenn sie ihre virtuellen Projektbüros anbieten. Argumente, die überzeugen: Mitarbeiter klinken sich von jedem beliebigen Ort zu jeder beliebigen Uhrzeit live ins Projektgeschehen ein. „Egal, ob Sie für ein Projekt mitbieten, Produkte entwickeln oder etwas herstellen - Sie erhalten Zugang zu den neuesten Daten und Informationen“, nennt Mathias Malmgren, Managing Director Deutschland bei Projectplace, ein Argument, das besonders für Ingenieur- und Bauprojekte zählt. Er argumentiert: „Solche Projekte werden von einem Konsortium verschiedener Unternehmen geführt. Sie benötigen eine gemeinsame, neutrale Arbeitsplattform, die sich auch von der Baustelle oder aus dem Büro beteiligter Partnerunternehmen erreichen lässt.“ Mitarbeiter greifen auf stets aktuelle Informationen zu. Dokumente sind zentral abgelegt und von überall erreichbar. Für Projektleiter bedeutet dies, über Informationen zu verfügen, die immer und automatisch auf dem neuesten Stand sind. Mitarbeiter brauchen Projektleiter nicht ständig um die aktuellen Informationen zu bitten. Wichtig für Entwickler und Bauingenieure: Die Arbeitsplattformen müssen mit der Software und den Dateiformaten harmonieren, die im Unternehmen verwendet werden. So sollten sie verbreitete Dateiformate beispielsweise von CAD-Plänen, Projektplänen und Tabellen unterstützen. Alle Projektbeteiligten in einem Boot. Prinzipiell ließe sich ein digitales Projektbüro im firmeneigenen Intranet einrichten. Problematisch wird es, wenn externen Partnern der Zutritt zu dem Büro gestattet werden soll. Hier kann in der Tat eine zentrale Plattform das Miteinander vereinfachen. Vorteil: Einige Provider stellen auch die benötigte Software und Anwendungen online zur Verfügung. Alle Teilnehmer können damit gängige Dokumente einlesen und bearbeiten. Probleme beim Austausch und beim Konvertieren von Dateien gehören der Vergangenheit an. Chancen für Ausbildung. Für Unternehmen, akademische Einrichtungen und Bildungsträger bieten sich die digitalen Arbeitsplattformen als Alternative zu Seminarräumen an. So lassen sich Lehrmittel über die Plattformen vertreiben, in Gruppen arbeiten, Probleme lösen, diskutieren oder Erfahrungen austauschen. In Schweden startet ein erstes Großprojekt: 170 Schulen werden an ein Gigabyte-Netzwerk angeschlossen. In einheitlicher IT-Umgebung werden rund achtzigtausend Schüler mit ihren Lehrern kommunizieren. Das Projekt soll nicht nur neue Wege des Schulbetriebs ausprobieren, sondern auch auf die Arbeitswelt von morgen vorbereiten. Kostenfaktor. Externe IT-Lösungen kosten Geld. Doch statt den „Zukauf“ der Leistungen zu verwerfen, sollten Teams mit dem spitzen Bleistift rechnen und die Kosten kalkulieren, die sich ergeben, wenn sie auf eigene Faust im Intranet ein virtuelles Büros einrichten und pflegen. Ebenfalls ein nachvollziehbares Argument der Provider: Als „Spezialisten“ verfügen sie über eine sichere und erprobte Plattform, die mit aktueller Software arbeitet. Finanziell interessant sind auch verschiedene Ansätze, das Büro nicht zu mieten, sondern nach Nutzung zu zahlen. Digitales Projektbüro - weshalb? net-Büros. Der aus Skandinavien stammende Provider „Projectplace“ zählt weltweit bereits siebzigtausend registrierte Anwender aus fünftausend Unternehmen, darunter BP, Avis, Ericsson sowie die Universitäten von Amsterdam und Maastricht. Die Dienstleister offerieren ihren Service zunehmend deutschsprachig, ein entscheidender Schritt, um die Plattformen hier zu etablieren. „Viele Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter, die unsicher sind im Umgang mit der englischen Sprache“, hat Prof. Dr. Joachim Schuler, Experte für Management Information Systems an der Fachhochschule Pforzheim, festgestellt. Wichtig ist auch, dass die Anbieter Dokumente und Dateien in Echtzeit zugänglich machen. Nur so können Teams gleichzeitig an ihren Unterlagen arbeiten, virtuelle Gruppen bilden und die Dokumente gemeinsam erörtern und ergänzen. Längst steht im WWW-Projektbüro mehr als nur ein „Aktenschrank“, der Projektunterlagen aufnimmt und weltweit erreichbar macht. Viele Provider richten im virtuellen Büro Besprechungsräume, schwarze Bretter und gemeinsame Terminkalender ein. Zum Mindestangebot gehören Chat-Funktionen, also Netz-Meetings, zu denen sich Mitarbeiter treffen können. Beim Chat tippt ein Mitarbeiter beispielsweise Fragen ein, auf die andere antworten. So können fast unbegrenzt viele Teammitglieder diskutieren, Ideen entwickeln und Informationen austauschen. Praktisch: Der schriftlich geführte Chat lässt sich abspeichern. Der Anbieter eRoom hat diese Chat-Funktion verfeinert. Er ermöglicht Whiteboard- und Brainstorming- Sitzungen, bei denen Teilnehmer ihre Ideen live visualisieren und bei der Diskussion eindeutig gekennzeichnete „Stifte“ verwenden. Weitere Kommunikationsofferte: Besprechungsgruppen können gewissermaßen ihre Bildschirme miteinander vernetzen. Beispielsweise ruft ein Mitarbeiter Anwendungen, Websites oder Dokumente auf, derweil die anderen Teilnehmer via Internet zuschauen. Das, was auf dem einen Monitor abgebildet ist, zeigt sich auch auf den anderen Bildschirmen. Diese Desktop-Steuerung kann die Gruppe dann problemlos von einem Benutzer zum anderen übergeben. Entscheidend für die Wahl eines Providers sind neben der Datensicherheit (siehe Kasten) die Features, mit de- P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 10 REPORT nen er sich auf die Bedürfnisse der Projektteams spezialisiert hat. Einige Anbieter haben sich hervorragend auf Projektarbeit eingestellt. Beispielsweise mit der „Feedback“- Funktion: Was hat sich in den letzten 24 Stunden im Projekt getan? Bei Projectplace erhalten die Mitglieder eines Projekts automatisch einen Ereignisbericht, der sie über die Geschehnisse und Aktivitäten auf dem Laufenden hält. Rote Symbolflaggen kennzeichnen auf dem Bildschirm Bereiche, die sich verändert haben. Im Dokumentenarchiv geben Verlauf und Versionierung Übersicht, wer was wann im Projekt durchgeführt hat. Mit seinem Projektbüro ins Netz „umzuziehen“ kann sich auch in puncto Budget rentieren. Die Dienstleister stellen Server-Hardware, Infrastruktur und Software zur Verfügung. Mehr als einen PC oder ein Notebook, ein Modem und einen Telefonanschluss brauchen die Nutzer nicht. Lizenzgebühren für Software, Kosten für Serverwartung und Hardware entfallen weitgehend. Einige Anbieter lassen sich ihren Service nach einem neuen Tarifmodell bezahlen: Statt ihre Kapazitäten nach Pauschalpreisen zu vermieten, berechnen sie nach dem „Pay-per- Use“-System nur die Leistungen, die das Team tatsächlich nutzt. Als Mittelwert gibt ein Anbieter zwölf Euro pro Teilnehmer und Monat an. Infos: www.eroom.com, www. projectplace.de, www.collaboration-tools.com ■ Mal eben im „virtuellen Projektbüro“ vorbeischauen: Projektmitarbeiter und Partner können alle wichtigen Daten abrufen, Dokumente ansehen, sich an Diskussionen beteiligen oder Termine verwalten. P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 11 WISSEN Die Zukunft des Projektmanagements Ergebnisse einer Expertenbefragung Karsten Hoffmann, Heinz Schelle Elf Fachleute auf dem Gebiet „Projektmanagement“ wurden in einer von der GPM initiierten und finanzierten, rechnergestützten asynchronen Befragung, die auf der Nominal Group Technique basiert, gebeten, Thesen zur Zukunft des Projektmanagements zu formulieren. 93 Thesen wurden formuliert und nach einer Phase der Klärung und Diskussion von den gleichen Fachleuten auf zwei Ordinalskalen nach eingeschätzter Wichtigkeit und dem Zustimmungsgrad bewertet. Die Multiplikation der vergebenen Skalenwerte ergab eine Bewertungszahl. 27 Thesen, die die höchsten Bewertungszahlen erhielten, werden hier dem Leser vorgestellt. Es ist vorgesehen, die Befragung in nächster Zeit auf einen größeren Kreis auszudehnen. Einleitung Die Zahl der Studien, die sich mit der Zukunft des Projektmanagements befassen, ist sehr gering. Eine umfassende Befragung, deren Ergebnisse 1982 auf dem Weltkongress in Kopenhagen veröffentlicht wurden, war von Bruce Baker (USA) [1] mit der Delphi-Methode durchgeführt worden. Die Auswertung der Projektmanagement-Literatur von Gutsch/ Dworatschek [2] liegt ebenfalls schon eine Reihe von Jahren zurück und war naturgemäß eher retrospektiv. Die vorliegenden Ergebnisse eines so genannten „Thesenmarkts“ sind problematisch. Den Besuchern von Foren der GPM und Weltkongressen der IPMA wurden auf Pinnwänden Statements zur Entwicklung des Projektmanagements präsentiert. Die Teilnehmer konnten dann mit Hilfe von Klebepunkten bei den einzelnen Aussagen auf einer Ordinalskala ihre Meinung von vollständiger Ablehnung bis zu uneingeschränkter Zustimmung bekunden. Für jeden Bewerter waren alle Bewertungen der Vorgänger sichtbar. Somit waren Mitläufer- und Oppositionseffekte nicht ausgeschlossen. Außerdem liegen die Befragungen schon zehn Jahre zurück und sind ebenfalls weitgehend retrospektiv [3]. Einzelne Aussagen zur voraussichtlichen künftigen Entwicklung finden sich selbstverständlich in vielen Veröffentlichungen. Eine Zusammenfassung fehlt allerdings. Warum eine durch die GPM veranstaltete Expertenbefragung? Dafür gibt es mehrere Gründe: ❏ Die GPM kann rechtzeitig auf Trends, die sich möglicherweise abzeichnen, z. B. durch das Angebot von entsprechenden Veranstaltungen und die Wahl von Themenschwerpunkten auf den alljährlichen Foren, reagieren. ❏ Die Resultate der Studie lassen sich auch für die Programmgestaltung des Weltkongresses 2002 in Berlin nutzen. ❏ Schließlich lässt sich die gewählte Methodik auch für eine internationale Befragung im Rahmen der IPMA nutzen, um mögliche nationale Verzerrungen auszuschalten und den Blick zu weiten. Auch die Veranstaltung eines „Thesenmarkts“ während des Weltkongresses ist möglich. Befragungsmethode und Auswahl der Teilnehmer Da die von Baker gewählte Delphi-Technik sehr aufwändig und Zeit raubend ist, fiel die Entscheidung für die in der Bundesrepublik wenig bekannte Nominal Group Technik [4]. Diese Befragungstechnik, mit der einer der Verfasser (H. S.) vor einigen Jahren Erfahrungen sammeln konnte, ist erheblich einfacher. Sie soll in einem späteren Beitrag in dieser Zeitschrift ausführlicher beschrieben werden, da sie in der Disziplin „Projektmanagement“ nicht nur für Expertenbefragungen genutzt werden kann. Hier soll eine kurze Charakterisierung am Beispiel der konkreten Befragung genügen. Zunächst wurde den ausgewählten Fachleuten eine Frage gestellt. Im Fall unserer Studie lautete sie: „Welche Entwicklungen sind auf dem Gebiet Projektmanagement Ihrer Meinung nach in den nächsten zehn Jahren zu erwarten? “ Dann wurden die Experten aufgefordert, unabhängig voneinander Thesen zu formulieren, die möglichst in einem oder zwei Sätzen zusammengefasst werden sollten. In einer Expertenrunde, die sich zur gleichen Zeit an einem Ort trifft, geschieht dies, indem jeder Teilnehmer reihum aufgefordert wird, jeweils eine These zu formulieren. Dieses Abfrageverfahren wird so lange fortge- P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 12 WISSEN setzt, bis keine Thesen mehr genannt werden. Die Aussagen werden auf einem Flipchart vom Moderator für jeden sichtbar ohne den Namen des Urhebers niedergeschrieben. Jeder Teilnehmer hört, wer die Aussage formuliert hat, und sieht alle Statements vor sich. Bei sehr vielen Aussagen ergibt sich aber ein gewisser Anonymisierungseffekt, allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beteiligten bei der Formulierung ihrer Thesen durch die schon vorhandenen beeinflusst werden. Für die Expertenbefragung war zunächst das soeben kurz beschriebene Verfahren der Thesengenerierung im Rahmen eines Workshops, bei dem alle Teilnehmer physisch anwesend sind, geplant. Dieser Plan wurde allerdings bald zugunsten einer asynchronen Befragung über das Internet geändert, nachdem einer der beiden Verfasser (K. H.) auf ein neu entwickeltes Programm (vgl. hierzu das folgende Kapitel) aufmerksam gemacht hatte, das genutzt werden konnte. Bei der asynchronen Form der Befragung mussten die Experten völlig unabhängig voneinander ihre Thesen formulieren. Erst nach Abschluss der Generierungsphase waren alle Thesen sichtbar. Mut zu diesem Schritt hat uns vor allem die Arbeit von Dowling und Louis [5] gemacht, in der über Erfahrungen mit der asynchronen Implementierung der Nominal Group Technique berichtet wird. Nach der Phase der Thesengenerierung folgte die Phase der Klärung, in der zu jeder These Fragen und Kommentare geäußert und hinterlegt werden konnten. Die Moderatoren beseitigten hier auch in Absprache mit den Urhebern der Thesen Redundanzen und Überschneidungen. In der letzten Phase wurden die Thesen von den Experten bewertet. Anzugeben waren der Grad der Zustimmung (1 = lehne völlig ab, 10 = stimme vollständig zu, 0 = keine Meinung) und die Bedeutung, die der jeweilige Fachmann der These einräumte (1 = geringe Bedeutung, 6 = hohe Bedeutung). Die Multiplikation des Zustimmungsgrads mit dem Gewicht der These ergab dann die Bewertungszahl der Aussage. Um eine thematische Verzerrung z. B. zugunsten von Tools und Software zu vermeiden, wurden Fachleute ausgewählt, die für ihre Arbeit auf dem Gebiet „Projektmanagement“ ganz unterschiedliche Schwerpunkte gewählt haben. Auch auf eine gewisse Branchenstreuung wurde geachtet. Folgende elf GPM-Mitglieder beteiligten sich an der Befragung: ❏ M. Bundschuh ❏ K. Hoffmann ❏ D. Mayrshofer ❏ R. Ottmann ❏ O. Pannenbäcker ❏ J. Platz ❏ G. Raberger ❏ M. Saynisch ❏ H. Schelle ❏ E. Schott ❏ S. Seibert Insgesamt wurden 93 Thesen generiert. Wir möchten uns an dieser Stelle für die engagierte Mitarbeit der Beteiligten und auch für die Unterstützung durch Dipl.- Kfm. G. Lämmle und Dipl.-Kfm. H. Hahn (beide Universität der Bundeswehr München) herzlich bedanken. Kurze Beschreibung des verwendeten Programms Verwendet wurde ein EDV-Programm, das für eine „virtuelle“ Politikplattform im Internet („Democracy On- Line ToDAY“, www.dol2day.de) eingesetzt wird. Es basiert auf einem Apache-Server, der Datenbank MySQL sowie Skripten der Programmiersprache PHP3. Dieses Tool-Set wird heute öfter für Internet-Plattformen eingesetzt, in denen dynamische Textinhalte durch verschiedene Teilnehmer erstellt und einer Menge von Anwendern präsentiert werden (Stichwort „Content-Management“). Nach Kontakt mit den Machern von dol2day und der Bewilligung eines kleinen Entwicklungsbudgets durch den Vorstand der GPM wurde in wenigen Tagen eine kleine Plattform entwickelt, die unter www.asynchron.org freigeschaltet wurde. Hier konnten die Teilnehmer u. a. ein Profil einstellen und, wie schon erwähnt, Thesen formulieren sowie in einer späteren Phase über jede einzelne der freigegebenen Thesen abstimmen. Das Programm wird auch weiterhin für die GPM zur Verfügung stehen. Ausgewählte Thesen Im Folgenden haben wir aus der Vielzahl der Thesen zunächst je Kategorie die zwei Thesen mit der höchsten Bewertungszahl, außerdem alle weiteren Thesen, die eine Gesamtbewertungszahl (Zustimmung × Wichtung) > 40 haben, ausgewählt. Diese 27 am besten bewerteten Thesen sind in Tabelle 1 (siehe S. 13-15) aufgeführt. Die Ergebnisse zu allen 93 Thesen lassen sich detailliert im Internet unter www.asynchron.org studieren (dort sind u. a. die Autoren der einzelnen Thesen sowie die Einzelstimmergebnisse - natürlich anonym - ablesbar). Ausblick Die weiteren Bemühungen gehen nun einerseits dahin, die Mitglieder der GPM ebenfalls zur Abstimmung über die angeführten 27 am besten bewerteten Thesen aufzufordern. Wenn dies erfolgreich war, ist bei Erscheinen dieser Ausgabe ein Link dazu auf der Homepage der GPM gesetzt (also bitte unter www.gpm-ipma.de nachschauen und sich, falls möglich, an der Abstimmung beteiligen). In einem weiteren Schritt wollen wir eine zweite Phase auf internationaler Ebene (weltweit) durchführen, die wir bis zum Winter 2001/ 2002 vorbereitet und bis zum IPMA-Kongress 2002 abgeschlossen haben wollen. ■ Literatur [1] Baker, B. N.: The Future of Project Management. In: Proceedings of the 7. Internet World Congress 1982, September 12th-17th, Copenhagen, Vol. A-F, pp. 67-70 [2] Gutsch, R./ Dworatschek, S.: Wandel der Themenschwerpunkte der internationalen Konferenzen von INTERNET und PMI. In: GPM-Nachrichten, 1987, Heft 13, S. 22-33 [3] Müller-Ettrich, R., et al.: Wandel der Projektmanagement-Anwendungen in den letzten 10 Jahren. Ergebnisse P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 13 Die Ansätze zur Messung der Güte der Projektabwicklung und der Güte eines Projektmanagementkonzepts einer Organisation werden mehr und mehr verfeinert. Die Bewertung wird durch Software unterstützt werden. Kategorie/ These 8,3 4,8 39,8 Zustimmung Wichtung Zustimmung × Wichtung Ansätze, die Auswirkungen von Projekterfolgen und -misserfolgen auf das gesamte Unternehmensergebnis deutlicher als bisher sichtbar machen, werden entwickelt werden (Stichworte: Balanced Scorecard, Integration von Bilanz, kurzfristiger Erfolgsrechnung, Finanzplanung sowie Projektkosten- und Projekteinzahlungs- und -auszahlungsrechnung). 8,4 4,6 38,6 Bewertung Beziehung Die Zunahme der Wechsel der Strukturen im Bereich des Projektumfeldes bzw. der Auftraggeber (bzw. der Stakeholder) wird verstärkt die ursprünglich vereinbarten Projektziele in Frage stellen. Deren erneute Verankerung oder eine entsprechende Modifizierung wird erhöhte Anforderungen auf Seiten des Projektmanagements erfordern. 8,1 4,8 38,9 Neue Herausforderungen an das Verhalten, an das Miteinanderumgehen durch innovative Projektallianzen. Wir bewegten uns über Jahrzehnte langsam, doch jetzt immer schneller und gänzlich unaufhaltsam, um aus dem „Tal der Tränen und schmerzlichen Verluste“ herauszufinden. Dieser Weg wird seit etwa 10 Jahren in den USA mit großem Erfolg beschritten und wird sich in Europa durchsetzen. Win/ win is in! Und dies bedeutet keineswegs kuschelige Nachgiebigkeit. 7,9 4,4 34,8 In den Projekten der Zukunft muss in zunehmendem Maße die Zusammenarbeit von Experten verschiedener Fachrichtungen, verschiedener Sprachen und verschiedener Kulturen organisiert werden. 9,4 5 47 Globalisierung Die zunehmende Globalisierung der gesamten Wirtschaft wird immer mehr länderübergreifende, globale Projekte erfordern. Die dazu erforderliche Qualifizierung der Projektmitarbeiter steckt noch in den Kinderschuhen. 9 5,1 45,9 Die Internationalisierung schreitet mit riesigen Schritten voran. Dies führt im PM zu einer stärkeren Betonung der sprachlichen Kompetenz in der „Lingua franca“ des 21. Jahrhunderts. Englisch ist m. E. unabdingbare Grundvoraussetzung, um zukünftig im PM bestehen zu können. 8,9 5 44,5 Die internationale Standardisierung im Projektmanagement wird von der Praxis verlangt. Dabei sind trotz der globalen Ausrichtung von Gültigkeit und Anwendbarkeit auch kulturelle Besonderheiten einzubeziehen. 8,6 4,8 41,3 Für die Einbindung des Kunden und die möglichst präzise Ermittlung seiner Wünsche wird es in IT- Projekten neue Ansätze geben. Stichwort: QFD für IT-Vorhaben. 8,1 5 40,5 Methoden Für die Erfahrungssicherung in Projekten werden den Mitarbeitern Anreize geboten und neue Verfahren angewendet (z. B. Lerngeschichten und fallbasiertes Lernen). 7,7 5,1 39,3 Organisation Bedingt durch die immer weitere Verbreitung elektronischer Kommunikationsformen wird ein immer größerer Anteil von Projekten von „virtuellen“ Teams bearbeitet werden. 8,8 5,1 44,9 Projekte werden zunehmend standortübergreifend durchgeführt werden. Virtuelle Teams entstehen, weil ❏ Aufgaben komplexer werden und mehrere Standorte umfassen, ❏ personelle Ressourcen gezielter eingesetzt werden (z. B. im IT-Bereich) und ❏ neue Technologien diese Arbeitsform unterstützen. 8,7 5,1 44,4 Tabelle 1: Die 27 am besten bewerteten Thesen P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 14 WISSEN Tabelle 1: Die 27 am besten bewerteten Thesen (Fortsetzung) Für die Bearbeitung von verteilten (auch internationalen) Projekten werden integrierte Lösungen bereitstehen. Jedes Projektteam kann sich ohne großen Aufwand (innerhalb von einer Stunde) eine geeignete Infrastruktur für die Bearbeitung eines neuen Projektes zusammenstellen (z. B. Verbindung von Projektplanung, To-do-Verfolgung, Management-Reporting, Dokumentenmanagement, virtuelle Meetings). Kategorie/ These 8,4 5,2 43,7 Zustimmung Wichtung Zustimmung × Wichtung Der PM der Zukunft muss stärker noch als heute mit dem Verwalten mehrerer gleichzeitig laufender Projekte zurechtkommen. Dabei wird es nicht um die Frage gehen, ob ich sieben oder sechs Projekte gleichzeitig bewältigen kann, sondern, ob ich acht oder keines bearbeiten „darf“. Die Komplexität des PM nimmt hiermit zumindest weiter zu, und wir werden zukünftig mehr noch als heute nachweisen müssen, dass wir in der Lage sind, Multi-PM und Programmmanagement zu betreiben. 8,8 4,9 43,1 Qualifizierung Die PM-Ausbildung (sowohl im Rahmen der Ausbildung wie der berufsbegleitenden Weiterbildung) wird als eigenständiges Profil etabliert und anerkannt sein. 8,6 5,3 45,6 Projektmanagement wird zunehmend als integriertes System gesehen werden, in dem z. B. die Projektorganisation, die Prozesse für Genehmigung, Zieldefinition, Planung etc. inhaltlich voll aufeinander abgestimmt sind. 8,4 5 42 Die Ausbildungsangebote für Projektmanagement an Universitäten und Fachhochschulen werden deutlich zunehmen. Viele dieser Institutionen werden anstreben, ihren Studenten den Erwerb von IPMA- oder PMI- Zertifikaten als Bestandteil des Studiums zu ermöglichen. 7,7 5,2 40 Relevanz Durch die voranschreitende Individualisierung der Märkte und der Produktangebote wird auch die Anzahl der Projekte weiter zunehmen. Projektmanagement wird dadurch immer weiter zur generellen Anforderung an qualifizierte Fachkräfte in Unternehmen. 9,4 5,3 49,8 Projektmanagement wird weiter an Bedeutung gewinnen. 9 4,7 42,3 Soziale Kompetenz Erhöhte Anforderungen bzgl. Terminerfüllung, Qualität und Integration verschiedener Beteiligter erhöhen die Anforderungen hinsichtlich sozialer Kompetenzen an das Projektmanagement. Deshalb sollten Elemente wie z. B. die Supervision verstärkt bei der PM-Ausbildung berücksichtigt werden. Gleichzeitig werden diejenigen Projektmanager Vorteile haben, die aufgrund praktischer Branchenerfahrung den beteiligten Fachkräften kompetente Gesprächspartner sein können. 8,8 5 44 Professionelle Projektleitung wird sich zukünftig nicht nur auf harte Faktoren des Projektmanagements beschränken können, sondern die Belange der am Projekt beteiligten Menschen sowie die Kultur der beteiligten Organisationen stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit und Steuerung einbeziehen müssen. 8,7 4,9 42,6 Steuerung Die strategische Projektplanung (Projektauswahl, Projektstopp, Angebotscontrolling) wird enger als bisher mit der strategischen Unternehmensplanung verknüpft werden. 9,2 5,1 46,9 Management-Reporting (im Rahmen von Programmmanagement bzw. Multi-Projektmanagement) wird sich als echtes Element der Unternehmenssteuerung etabliert haben. 8,3 4,9 40,7 Erfahrungsdatenbanken werden an Bedeutung gewinnen. 8,2 5 41 Tools P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 15 Tabelle 1: Die 27 am besten bewerteten Thesen (Fortsetzung) eines Thesen-Workshops (Projektmanagement-Forum 1990 in Aachen). In: Projektmanagement, 2/ 91, S. 3-11 [4] Delbecq, A. L./ Van de Ven, A. H./ Gustafson, D. H.: Group Techniques for Programm Planning. A guide to nominal group and delphi processes. Glenview (Ill.) 1975 [5] Dowling, K. L./ Louis, R. D. St.: Asynchronous implementation of the nominal group technique: is it effective? In: Decision Support Systems, 29, 2000, pp. 229-248 Schlagwörter Asynchrone Workshops, Bewertungsverfahren, Delphi-Methode, Expertenbefragung, Nominal Group Technique, Zukunft des Projektmanagements Autor Dr. Karsten Hoffmann, geb. 1955, promovierte nach dem Diplom in Mathematik im Bereich Fertigungstechnik. Er ist als freiberuflicher Projektleiter oder -coach auch für größere IT-Projekte tätig und hält außerdem Seminare zu modernen DV-Architekturen sowie zum IT-Projektmanagement. Während seiner zehnjährigen Tätigkeit bei einer IT- Unternehmensberatung sammelte er zahlreiche Projekterfahrungen. Er lebt und arbeitet im Raum Stuttgart, ist seit 1999 selbstständig und seither auch Mitglied der GPM. Anschrift Gorch-Fock-Straße 1 D-70619 Stuttgart E-Mail: info@hitpm.de Autor Prof. Dr. Heinz Schelle, geb. 1938, ist Inhaber einer Professur für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Projektmanagements an der Fakultät für Informatik der Universität der Bundeswehr München. Er ist einer der Gründer der GPM, war von 1979 bis 1998 Mitglied des Vorstands und ist heute Ehrenvorsitzender der Gesellschaft und Mitglied des Kuratoriums. Anschrift Universität der Bundeswehr München Fachbereich Informatik Werner-Heisenberg-Weg 39 D-85577 Neubiberg E-Mail: h.schelle@gaponline.de Kategorie/ These Zustimmung Wichtung Zustimmung × Wichtung Die Werkzeuge des PM werden sich weiter vereinfachen, d. h., die Anwendung von praktikablen SW-Lösungen wird die Arbeit des PM im Sinne der Planung, Steuerung, Überwachung und Dokumentation des Projekts vereinfachen. Vieles wird direkt im Internet dokumentiert werden. Damit gewinnt die Zugriffsmöglichkeit auf das World Wide Web weiter an Bedeutung. 8,6 4,7 40,4 Weitere Aspekte Risikomanagement wird, nicht zuletzt auf Grund des „Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)“ insbesondere in Projekten mit hohem Neuheitsgrad, stärker betont. 8,7 5 43,5 Projektmanagement wird bei mehr als 60 % der Kundenprojekte (bei Aufwand > 100 Personentage) als eigenständige Dienstleistung angeboten und fakturiert werden. 8 4,5 36 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 16 WISSEN Konzeption und Zieldefinition eines Projekts Die vernachlässigte Phase des Projektmanagements Axel Germer Bevor es auf große Fahrt geht, muss alles penibel vorbereitet und möglichst jede Eventualität eingeplant sein. Was jeder Skipper weiß und jeder Autofahrer wissen müsste, das sollten in Unternehmen und Verwaltungen auch die Verantwortlichen eines anstehenden Projektes verinnerlicht haben. Wollen sie das Risiko gering halten, Schiffbruch zu erleiden, müssen sie bereits in der Konzeptionsphase ihre Route genauestens ausarbeiten, ihre Ziele und Wendemarken eindeutig definieren und genügend Orientierungspunkte und Kontrollmechanismen einbauen. Die Praxis beweist leider das Gegenteil. Allzu oft wird die gründliche Vorbereitung vernachlässigt und der Endpunkt aus Uninformiertheit oder Selbstüberschätzung zu forsch direkt angesteuert. Misserfolg, finanzieller Schaden und Frustration sind dann vorprogrammiert. Der vorliegende Beitrag dient als Drehbuch der Konzeption von Projekten: eine Gebrauchsanleitung, mit der die Erfolgsaussichten eines unternehmerischen Vorhabens deutlich steigen. Dabei lässt sich die entscheidende Anlaufphase jeder Initiative mit dem Bestandteil eines Zellkerns vergleichen, in dem ebenfalls bereits die gesamten Informationen zum Entstehen und Wachstumsverlauf der neuen Lebensform gespeichert sind - ein Plan, der nur noch befruchtet und abgespult werden muss. 1. Ursache und Wirkung mangelhafter Projektkonzeption - drei Beispiele In zahlreichen Projekten verschiedener Branchen ist zu beobachten, dass die Konzeptionsphase vernachlässigt wird. Unkenntnis über die Bedeutung dieser Phase für die Projektrealisierung oder schlichte Ignoranz sind dafür ausschlaggebend. Dies erstaunt umso mehr, als in der einschlägigen Fachliteratur kein Mangel herrscht an problemorientierten Vorgehensmodellen und Fallbeispielen zu diesem Themenkomplex. Die Vernachlässigung der Konzeptionsphase macht sich, früher oder später, fast immer bemerkbar. Häufig hat sie gravierende finanzielle Auswirkungen. Drei anonymisierte Beispiele mögen zur Veranschaulichung des Sachverhalts dienen: „Da haben wir uns monatelang abgerackert, alles sorgfältig geplant, montiert und kontrolliert, und jetzt das“, höre ich den Projektleiter der Firma Automatisierungssysteme H & Co. noch heute völlig verzweifelt sagen. Mit „das“ war die Weigerung des Kunden gemeint, die neue Fertigungsstraße abzunehmen. Sein Urteil: „Unsere Erwartungen sind nicht erfüllt, die Durchlaufzeiten sind viel zu lange, die Ausschussquote ist viel zu hoch. Damit können wir nicht leben.“ Ein Blick in die Projektdokumentation machte schnell klar: Über die „Erwartungen“ des Kunden gab es keine Unterlagen. „Das war doch nicht nötig. Wir kennen uns seit Jahren und wissen, was der Kunde will“, erklärte der Projektleiter. Offensichtlich wusste er das nicht, zumindest nicht genau genug, wie die Entscheidung des Kunden zeigte. Und es war eben nicht „alles“ sorgfältig geplant, wie er meinte. Man hatte nämlich versäumt, die technische Spezifikation für die Fertigungsstraße detailliert zu beschreiben und mit dem Auftraggeber abzustimmen. Aufwändige Nacharbeiten stellten den Kunden schließlich zufrieden, aber das Projekt schloss mit einem hohen Verlust ab. „Wo bleibt eigentlich unser Geld? Wir haben das Projekt pünktlich beendet, die Qualität stimmt, der Bauherr ist zufrieden, die ersten Mieter sind eingezogen! “, polterte der Geschäftsführer des Bauunternehmens K. „Wir haben schon dreimal gemahnt, aber nach der letzten Abschlagszahlung nichts mehr erhalten“, so die Antwort des Oberbuchhalters. Umgehend wurde die Hausbank mit Recherchen beauftragt. Das Ergebnis ihrer Prüfungen schockierte die Geschäftsführung: Der Bauherr war bereits seit vielen Jahren hoch verschuldet, kam seinen Zahlungsverpflichtungen vermehrt nur noch sehr zögerlich nach und stand jetzt unmittelbar vor dem Konkurs. Trotz intensiver Bemühungen kam letztlich kein Geld mehr in die Kasse des Bauunternehmens, die Restforderungen in Millionenhöhe mussten vollständig abgeschrieben werden. Es war nicht nur versäumt worden, das Zahlungsrisiko durch eine Ausfallbürgschaft abzusichern, schlimmer noch, über ein mögliches Risiko hatte man sich bei der Projektvorbereitung überhaupt keine Gedanken gemacht. „Der Chef hat mich rausgeschmissen und gesagt, bevor ich wieder an seine Tür klopfe, soll ich erst meine P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 17 Hausaufgaben erledigen.“ Mit hochrotem Kopf berichtete der Leiter der Organisationsabteilung bei den Feinmechanischen Werken D & S seinen Mitarbeitern, dass der kaufmännische Geschäftsführer seinen Projektantrag abgelehnt hatte. Von einem „richtigen“ Antrag konnte allerdings keine Rede sein. „Herr Direktor, Sie wissen ja, dass uns die Arbeit seit langem über den Kopf wächst. Wir brauchen unbedingt ein neues EDV-System, damit wir effizienter arbeiten können. Ich schätze, das kostet insgesamt etwa zwei bis drei Millionen Mark. Und in sechs bis acht Monaten könnten wir damit fertig sein, wenn wir bald beginnen. Ich bitte Sie deshalb, die Mittel kurzfristig freizugeben.“ Das war als Begründung einfach nicht ausreichend. Warum war der Organisationsabteilung die Arbeit „über den Kopf gewachsen“? Gab es zu wenig Personal? Entsprach die Qualifikation einzelner Mitarbeiter nicht den Anforderungen? Welche Hard- und Software sollte die Probleme lösen? Welche Produktivitätssteigerung wird erwartet? Was könnte die angestrebten Ziele möglicherweise gefährden? Sind Schulungskosten berücksichtigt? Ist externe Unterstützung erforderlich? Sind die Terminvorstellungen realistisch? Sind Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche zu erwarten? Alles Fragen, auf die der Abteilungsleiter keine klaren Antworten geben konnte. Ganz abgesehen davon, dass die dürftigen handschriftlichen Notizen seines „Antrags“ außer ihm niemand entziffern konnte. Es fehlten ein schlüssiges Konzept, eine ausführliche Beschreibung der Ziele und Rahmenbedingungen. Eine sachgerechte Prüfung und Bewertung des Antrags waren unter diesen Voraussetzungen also nicht möglich. Allerdings hatte nicht nur der Abteilungsleiter seine „Hausaufgaben“ noch zu machen. Auch die Geschäftsführung bekannte sich zu ihrer Verantwortung und regelte die Mindestanforderungen an Inhalte und Form eines Projektantrags in einer Unternehmensrichtlinie. Sie folgte damit endlich einer Anregung, die viele Abteilungen wiederholt geäußert hatten. Wie diese Beispiele zeigen, sind Ursache und Wirkung mangelhafter Projektvorbereitung vielschichtig. Durch ein stringentes Vorgehen können solche Pannen vermieden werden. Dieser Beitrag soll den Praktiker für die Bedeutung der Konzeptionsphase sensibilisieren und ihm eine Hilfestellung bei der Bearbeitung seiner Vorhaben bieten. Die Ausführungen basieren auf den langjährigen Erfahrungen des Verfassers in zahlreichen Projekten verschiedener Branchen. 2. Hauptphasen und Hauptziele des Projektmanagements Eine in der Praxis bewährte Vorgehensweise des Projektmanagements ist die Strukturierung mit Hilfe eines Phasenmodells, auch Phasenplan oder Vorgehensmodell genannt. Dabei wird das Gesamtvorhaben in mehrere logisch und inhaltlich getrennte Abschnitte (Phasen) gegliedert, die zeitlich aufeinander folgen. Wie noch zu zeigen sein wird, können in manchen Projekten bestimmte Teilaufgaben nicht nur sequenziell, sondern auch parallel bearbeitet werden. Das bedeutet eine Überlappung einzelner Phasen. Unabhängig von der Projektart und -größe oder von branchentypischen und unternehmensspezifischen Besonderheiten lassen sich in einem Projekt grundsätzlich vier Hauptphasen unterscheiden (Abb. 1). Die erste Hauptphase, Konzeption, wird auch als Zielfindungsphase, Definitionsphase oder Vorstudie bezeichnet. In Phase 2 werden Aufbauorganisation und Ablaufplanung festgelegt. Die Phasen 2, 3 und 4 sind unter dem Oberbegriff Realisierungsphase bekannt. Meilensteine grenzen die einzelnen Phasen voneinander ab und vernetzen gleichzeitig den Projektverlauf. Als Meilenstein bezeichnet man ein Schlüsselereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt. So ist zum Beispiel der freigegebene Ablaufplan für Termine, Kosten und Ressourcen das Schlüsselereignis am Ende der zweiten Hauptphase. Der Beginn der dritten Phase, die Projektsteuerung, ist an die Erfüllung dieses Meilensteins gebunden. Zwischen den einzelnen Phasen besteht also über die Meilensteine eine enge Kopplung. Innerhalb der einzelnen Hauptphasen, die bei größeren P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 18 WISSEN Projekten in der Regel weiter in Teilphasen untergliedert werden, werden üblicherweise weitere Meilensteine gesetzt, deren Anzahl von der Komplexität und Dauer eines Vorhabens abhängig ist. Sie alle dienen dazu, Zwischenziele kenntlich zu machen und ihre Einhaltung systematisch zu überwachen. Grundsätzlich wird bei Erreichen eines Meilensteins geprüft, ob vorgegebene Funktionsziele, Qualitätsmerkmale, Kosten, Termine, Entscheidungen oder Vorbedingungen erfüllt wurden. Die Ergebnisse werden bewertet und daraus gegebenenfalls erforderliche Steuerungsmaßnahmen abgeleitet. Während bei den meisten Projekten eine intensive Bearbeitung der beiden Phasen Planung und Steuerung erfolgt, ist vielfach zu beobachten, dass man dem Abschluss eines Projekts vergleichsweise wenig Beachtung schenkt. Neben einer fehlenden Analyse der Ergebnisse und deren Einflussfaktoren werden häufig auch die gesammelten Erfahrungen nur unzureichend für zukünftige Projekte genutzt. Oft vermisst man auch eine Befragung des Auftraggebers oder der Projektmitarbeiter zur Zufriedenheit mit der Abwicklung und den Projektergebnissen. Schwerwiegender als die Vernachlässigung eines geordneten Projektabschlusses ist jedoch der Verzicht auf eine gründliche Konzeptionsphase. Gerade bei inhaltlich ähnlichen Projekten oder bei einem breit gefächerten Erfahrungsschatz aus vielen Projekten glauben manche Unternehmen, diese Phase überspringen zu können. Diese Selbstsicherheit ist trügerisch - Erfahrung kann eine Vorbereitung vereinfachen, aber niemals kompensieren. Verkannt wird dabei, dass für jedes Projekt unterschiedliche, einmalige Rahmenbedingungen existieren. Der Erfolg eines Projekts wird deshalb ganz wesentlich durch ein individuelles, transparentes Konzept bestimmt. Klar definierte Ziele und eine methodisch konsistente Vorgehensweise sind unabdingbare Voraussetzungen für ein ergebnisorientiertes Arbeiten und einen erfolgreichen Projektabschluss. In jedem Projekt stellen sich drei Hauptziele. Diese betreffen die Leistung (Funktion und Qualität), die Termine und die Kosten. Die Erfüllung dieser Ziele ist bei den meisten Projekten Risiken ausgesetzt. Es gilt, diese Risiken so früh wie möglich zu identifizieren, so weit wie möglich zu quantifizieren und rechtzeitig Steuerungsmaßnahmen (Eventualpläne) vorzubereiten. In Form der bereits erwähnten Meilensteine sind deshalb schon in der Konzeptionsphase erste Kontrollpunkte festzulegen, die auf potenzielle Risiken aufmerksam machen und zu definierten Zeitpunkten während der Projektrealisierung eine Istanalyse verlangen. Fehlentwicklungen sollen somit frühzeitig erkannt und gegebenenfalls notwendige Korrekturen nicht in nachfolgende Bearbeitungsabschnitte verlagert, sondern „ad hoc“ vorgenommen werden, was sich in der Regel kostendämpfend auswirkt. Andererseits können sich an solchen Kontrollpunkten auch Chancen zur Verbesserung der Projektergebnisse abzeichnen. Leistungs-, Termin- und Kostenziele sind nicht nur isolierten Einzelrisiken ausgesetzt, häufig stehen sie auch in konkurrierenden Wechselbeziehungen zueinander. Ist beispielsweise der Plantermin für ein Arbeitspaket nur mit erhöhtem Personaleinsatz erreichbar, bedeutet das, dass der geplante Kostenansatz überschritten, dieses Teilziel also verfehlt wird. Umgekehrt kann das Erreichen eines Kostenteilziels bedeuten, dass Funktion und Qualität nicht den Vorgaben entsprechen. Diese Zielkonflikte im Projektverlauf zu überwachen und so zu steuern, dass die Gesamtziele des Projekts nicht gefährdet werden, ist Aufgabe der Projektleitung. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „magischen Dreieck“ des Projektmanagements. Diese Zielkonflikte frühzeitig zu erkennen ist Bestandteil der Konzeption. In der Konzeptionsphase ist vor allem zu klären, ob die Hauptziele in ihrer Gesamtheit während der Realisierungsphase erreichbar sind (Plausibilitätsprüfung). Wird auch nur eines der drei Hauptziele verfehlt, bedeutet das nämlich, dass der Projektauftrag nicht vollständig erfüllt wurde. 3. Zieldefinitionen und Entscheidungsprozesse in der Konzeptionsphase Primärziel der Konzeptionsphase ist es, von einer Projektinitiative zu einer Projektbeauftragung zu gelangen. Dies ist abhängig von der Erfüllung bestimmter Anforderungen, die in einem mehrstufigen Prozess definiert und bewertet werden. In vielen Projekten, die der Verfasser betreut hat, hat sich die Unterscheidung von sieben Bearbeitungsstufen bewährt: Realisierung 1 - Konzeption 2 - Planung 3 - Steuerung 4 - Abschluss Abb. 1: Die vier Hauptphasen eines Projektes Funktion und Qualität Kosten Termine konkurrierende Wechselbeziehungen Risiken Risiken Risiken Abb. 2: Das magische Dreieck des Projektmanagements P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 19 Stufe 1 - Initiative Die Initiative zu einem Projekt kann von verschiedenen Stellen ausgehen. Intern kann dies ein einzelner Mitarbeiter in einem technischen oder kaufmännischen Fachbereich, ein Arbeitskreis, der Leiter einer Abteilung oder die Geschäftsführung selbst sein. Häufig sind Projektideen auch das Ergebnis einer methodischen „Ideenproduktion“, wie etwa Brainstorming oder Workshop. Mitunter sind Projektideen auch Bestandteil der unternehmerischen Jahresplanungen. Extern kann ein Kunde, ein Kooperationspartner oder auch ein Lieferant den Anstoß zu einem Projekt geben. Unabhängig von der initiierenden Stelle ist die Projektidee, also die Problemstellung, in jedem Fall in einem Konzeptpapier zu dokumentieren, um eine strukturierte Weiterbearbeitung zu ermöglichen. Die inhaltlichen Mindestanforderungen an dieses Dokument sind in der folgenden Checkliste zusammengefasst. ❏ Name (Kurzbezeichnung des Vorhabens) ❏ Art (Entwicklungs-, Organisations-, Investitionsvorhaben etc.) ❏ Bearbeitende Stelle ❏ Problemstellung, Anlass ❏ Ziele (Funktion, Qualität, Kosten, Termine) ❏ Lösungsvarianten ❏ Anwendernutzen ❏ Voraussichtlicher Bedarf an Sachmitteln und Personalressourcen (auch externer Art) ❏ Risiko- und Erfolgsfaktoren ❏ Abhängigkeit und Abgrenzung zu anderen Projekten ❏ Vorhandene Erfahrungen Tabelle 1: Checkliste „Konzeptpapier“ Stufe 2 - Konzeptbewertung Erster Prüfschritt in der Konzeptionsphase ist die Bewertung des Konzeptpapiers. Dabei stellen sich vor allem folgende Fragen: ❏ Steht die Projektidee im Einklang mit den allgemeinen strategischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unternehmenszielen? ❏ Sind die angestrebten Projektziele erreichbar? ❏ Ist das erforderliche Know-how im Unternehmen vorhanden? ❏ Sind die notwendigen Kapazitäten und Personalressourcen verfügbar? ❏ Sind die zu erwartenden Risiken hinreichend konkretisiert? ❏ Gibt es Überschneidungen mit anderen Vorhaben? Tabelle 2: Checkliste „Konzeptbewertung“ Die Bewertung sollte vorzugsweise durch ein Steuerungsgremium für Projekte (Lenkungsausschuss) erfolgen, das mit den allgemeinen Unternehmenszielen vertraut ist und genaue Kenntnis von bereits laufenden Projekten bzw. anderen Initiativen hat. Zu vermeiden ist eine Bewertung durch eine einzelne Stelle oder Person, da hierbei die Gefahr eines subjektiven, isolierten Urteils besteht. Es ist in diesem ersten Prüfschritt auch erforderlich, eine Projektinitiative in Relation zu anderen geplanten Vorhaben zu betrachten, die gleiche Ressourcen zeitlich parallel nutzen wollen. Da Ressourcen in der Regel nur begrenzt zur Verfügung stehen, gilt es, konkurrierende Vorschläge zu priorisieren. Hierzu haben sich als Instrumente die Multiprojektplanung und die Projekt-Portfolio-Methode bewährt. Ergebnis der Konzeptbewertung ist eine dieser drei Handlungsalternativen: 1. Die Projektidee wird verworfen und nicht weiter verfolgt. 2. Die initiierende Stelle wird zur Überarbeitung des Vorschlags aufgefordert. 3. Die Idee wird akzeptiert und die weitere Bearbeitung zu einem definierten Zeitpunkt fortgesetzt. Stufe 3 - Anforderungsdefinition Einer der wichtigsten Schritte in der Konzeptionsphase ist die Erstellung des Lastenheftes, das auf dem Konzeptpapier aufbaut. Im Lastenheft werden die Anforderungen an die Lieferungen und Leistungen aus Anwendersicht einschließlich aller Randbedingungen detailliert beschrieben. In ihm wird definiert, WAS zu lösen ist und WOFÜR. So weit wie möglich sind diese Anforderungen zu quantifizieren. Nur so können die Ergebnisse während der Projektrealisierung gemessen und bewertet werden. Zu Inhalt und Struktur eines Lastenheftes haben verschiedene Fachverbände Gliederungsvorschläge ausgearbeitet, die für die Praxis eine wertvolle Hilfe sind. Als Beispiel sei hier die VDI/ VDE-Richtlinie 3694, „Lastenheft/ Pflichtenheft für den Einsatz von Automatisierungssystemen“, genannt. 1 - Konzeption 2 - Planung 3 - Steuerung 4 - Abschluss Stufe 4 Machbarkeitsanalyse Stufe 5 Beantragung Stufe 2 Konzeptbewertung Stufe 1 Initiative Stufe 7 Beauftragung Stufe 6 Prüfung und Genehmigung Stufe 3 Anforderungsdefinition Abb. 3: Die sieben Bearbeitungsstufen eines Projektes P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 20 WISSEN Statt des Lastenhefts werden Nutzeranforderungen häufig auch in Form eines Leistungsverzeichnisses beschrieben. Der Begriff Leistungsverzeichnis ist vor allem in der Bauindustrie und im Handwerk weit verbreitet, im Anlagenbau oder bei der Softwareentwicklung dagegen gehört der Begriff Lastenheft zum Standardrepertoire des Projektmanagements. Unabhängig von dieser begrifflichen Differenzierung muss jede Beschreibung die Anforderungen an das geplante Vorhaben überschaubar und verständlich darstellen und Abhängigkeiten sowie Restriktionen aufzeigen. Für die Inhalte eines Lastenheftes ist grundsätzlich der Nutzer der Projektergebnisse verantwortlich. Häufig wird diese Zuständigkeit aber delegiert, zum Beispiel an eine Fachabteilung. Sofern der Nutzer das Lastenheft nicht selbstständig erstellt, sind die Inhalte mit ihm sorgfältig abzustimmen. Die weiteren Bearbeitungsschritte sind von seiner Freigabe des Lastenhefts abhängig. Während das Lastenheft das WAS und WOFÜR beschreibt, wird im Pflichtenheft definiert, WIE und WO- MIT die Anforderungen zu realisieren sind. Das Pflichtenheft baut auf dem Lastenheft auf und wird in der Planungsphase (2. Hauptphase) erstellt. Aufgabe des Auftragnehmers (Projektleitung) ist es, bei der Erstellung des Pflichtenhefts die Widerspruchsfreiheit und Realisierbarkeit der im Lastenheft genannten Anforderungen zu prüfen. Bei großen, komplexen Vorhaben kann die Erstellung eines Lastenhefts erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen binden und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Die Erstellung des Lastenhefts ist dann als eigenständiges Teilprojekt abzuwickeln. Dementsprechend kommen alle Phasen des Projektmanagements zur Anwendung: Es werden Ressourcen geplant, ein separates Budget zugeteilt, ein Projektteam gebildet, ein Terminablaufplan erstellt und der Bearbeitungsfortschritt periodisch überwacht und gesteuert. Stufe 4 - Machbarkeitsanalyse Auf die Fixierung der Anforderungsdefinitionen folgt eine erneute Bewertung, die hier als Machbarkeitsanalyse bezeichnet wird. Sie unterscheidet sich von der Konzeptbewertung vor allem dadurch, dass sie aufgrund der inhaltlichen Detaillierung der Projektidee - in Form des Lastenhefts - umfangreicher ist. Außerdem liegen jetzt vermehrt quantitative Aussagen vor, die eine gründlichere Analyse und zuverlässigere Bewertung der Projektrisiken gestatten. Allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe lassen sich nicht definieren. Das folgt schon daraus, dass Projekte einmalige Vorhaben sind, die durch individuelle Zielsetzungen und Rahmenbedingungen gekennzeichnet sind. Die Checkliste in Tabelle 3 beschränkt sich deshalb auf Aspekte, die bei einer Machbarkeitsanalyse grundsätzlich zu berücksichtigen sind, und nennt die wichtigsten Bewertungskriterien. Gefahren und Auswirkungen von Risiken lassen sich grundsätzlich dadurch verringern, dass man ❏ Eventualmaßnahmen vorbereitet, ❏ die Kalkulation entsprechend anpasst, was das Projektbudget erhöht, ❏ eine Überwälzung auf Lieferanten oder den externen Kunden vornimmt bis hin zum Haftungsausschluss, was durch Gesetze aber häufig stark eingeschränkt ist, oder ❏ Versicherungen abschließt, wodurch sich das Projektbudget ebenfalls erhöht. Wenngleich Analyse und Bewertung der Risikofaktoren in der Konzeptionsphase eine herausragende Bedeutung haben, so dürfen ihre Gegenpole, die Erfolgsfaktoren, nicht vernachlässigt werden. Eine systematische Analyse der Risiken wird in der Regel auch die Erfolgsfaktoren aufdecken. Als Fragestellungen formuliert ist dabei unter anderem zu klären: ❏ Auf welchem eigenen Know-how kann man bei der Realisierung aufbauen? ❏ Ist der Zugriff auf externes Know-how gegeben? ❏ Verfügt das Unternehmen über erfahrene Projektleiter? ❏ Gibt es bewährte Standards und Richtlinien für das Projektmanagement? ❏ Bestehen zuverlässige Beziehungen zu (Projekt-)- Subunternehmen? Tabelle 4: Checkliste „Erfolgsfaktoren“ Ebenso wie die Risikoanalyse ist eine vom Controlling vorzunehmende Wirtschaftlichkeitsanalyse/ Rentabilitätsrechnung ein Muss in diesem Abschnitt der Konzeption. Die Zuständigkeit für die Machbarkeitsanalyse liegt, wie für die Konzeptbewertung, vorzugsweise bei einem Steuerungsgremium für Projekte (Lenkungsausschuss). Für das Ergebnis der Machbarkeitsanalyse kommen (analog zur Konzeptbewertung) drei Handlungsalternativen in Frage: 1. Das Lastenheft wird verworfen und das Vorhaben nicht weiter verfolgt. 2. Die zuständige Stelle wird zur Überarbeitung des Lastenhefts aufgefordert. 3. Das Lastenheft wird akzeptiert und die weitere Bear- Die Projektrisiken betreffen ❏ technische (Leistungsmerkmale, Lieferantenqualität etc.), ❏ kommerzielle (Kosten, Währungsrisiken, Zahlungsfähigkeit etc.), ❏ terminliche (Inbetriebnahme- und Abnahmetermine) ❏ juristische (Gesetze, behördliche Auflagen, Gewährleistungsbedingungen etc.) ❏ personelle (Qualifikation, Einsatzbereitschaft etc.) und ❏ administrative (Projektmanagement-Know-how etc.) Aspekte. Bei ihrer Bewertung sind vor allem ❏ die Wahrscheinlichkeit des Eintretens, ❏ die potenzielle Schadenshöhe, ❏ der Einfluss auf andere Elemente des Projekts, ❏ Methoden zur Kontrolle und ❏ Möglichkeiten zur Minderung zu berücksichtigen. Tabelle 3: Checkliste „Machbarkeitsanalyse“ P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 21 beitung der Konzeption zu einem definierten Zeitpunkt fortgesetzt. Stufe 5 - Beantragung Es ist bewährte Praxis, die Bearbeitung eines Projektantrags an die Erfüllung inhaltlicher und formaler Mindestanforderungen zu binden. Für einen Projektantrag sind vor allem die bis dahin erstellten Dokumente (gegebenenfalls als Extrakt mit Schlüsselaussagen) übersichtlich zusammenzustellen. Außerdem sind Vorschläge für die Realisierungsphase einzureichen, um deutlich zu machen, dass bereits in der Konzeptionsphase wesentliche Voraussetzungen für die Planung, Überwachung und Steuerung eines Projekts definiert wurden, und unter welchen Bedingungen die gesetzten Ziele erreicht werden können. Die Einhaltung von Formvorschriften ist eine Selbstverständlichkeit. Zu den wichtigsten Bestandteilen eines Projektantrags gehören: ❏ Konzeptpapier und Konzeptbewertung ❏ Verabschiedetes Lastenheft ❏ Ergebnisse der Machbarkeitsanalyse (Risiken, Erfolgsfaktoren) ❏ Wirtschaftlichkeitsanalyse, Rentabilitätsrechnung ❏ Meilensteinplan für die Realisierungsphase ❏ Kostenplan (Budgetantrag) ❏ Vorschlag für die Zusammensetzung des Projektteams (Organigramm) ❏ Bedarf an externen Ressourcen (Lieferanten, Berater) ❏ Vorgesehene Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber ❏ Abstimmungsbedarf mit anderen Projekten ❏ Notwendige Unterstützung durch Unternehmens-/ Bereichsleitung ❏ Anforderungen an das Berichtswesen ❏ Projektübergreifende Standards und Richtlinien ❏ Zu berücksichtigende Gesetze, Verordnungen, Normen ❏ Einzusetzende Hilfsmittel und Werkzeuge ❏ Schulungsbedarf (technisch, organisatorisch, methodisch) für das Team Tabelle 5: Checkliste „Antragsunterlagen“ Stufe 6 - Prüfung Eine noch so professionelle Vorbereitung eines Projekts bietet keine Gewähr dafür, dass seine Abwicklung erfolgreich verlaufen wird. So bleibt es - auch nach sorgfältigster Prüfung und Bewertung der Ziele, Risiken und Chancen - letztlich immer eine unternehmerische Entscheidung, ob ein Projektantrag genehmigt oder abgelehnt wird bzw. die Projektziele zu ändern sind. Für die Prüfung und Genehmigung von Projekten ist die Festlegung eines unternehmensweit gültigen Prozesses zweckmäßig. Er regelt die Zuständigkeiten, spezifiziert die bereits erwähnten Anforderungen an Inhalte und Form des Antrags und soll eine systematische Bearbeitung und gleichrangige Behandlung aller Initiativen sicherstellen. Bezüglich der Zuständigkeiten können hierarchische Abstufungen erfolgen. Beispielsweise sind alle Projekte ab einer bestimmten Budgetgröße oder Laufzeit oder von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung grundsätzlich von der Unternehmensleitung zu genehmigen, während die Genehmigung kleinerer Projekte mit geringen Risiken in den Zuständigkeitsbereich von Abteilungs- oder Bereichsleitern fällt. Entsprechende Entscheidungskriterien (quantitative und qualitative) sind unternehmensspezifisch festzulegen. Allgemein lässt sich nur festhalten, dass bei allen Projekten die betroffenen Fachabteilungen, das Qualitätsmanagement und das Controlling immer in den Genehmigungsprozess einzubeziehen sind. Die Entscheidungsvarianten im Genehmigungsverfahren sind analog zu denen in den Stufen 2 (Konzeptbewertung) und 4 (Machbarkeitsanalyse): grundsätzliche Ablehnung des Antrags, Aufforderung zur Überarbeitung oder Weiterverfolgung, das heißt Beauftragung. Stufe 7 - Beauftragung Der Startschuss für die zweite Hauptphase (Planung) fällt mit der Beauftragung des Projektleiters. Dabei ist auch seine vorgesetzte Stelle (projektführende Stelle) festzulegen, der gegenüber er verantwortlich und berichtspflichtig ist. Während sich Aufgaben und Zuständigkeiten fast „automatisch“ aus den Zielen und Rahmenbedingungen des Projektauftrags ergeben, werden Projektleiter zu häufig nicht mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet. Dazu gehören vor allem: ❏ Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl von Projektmitarbeitern ❏ Fachliches, projektgebundenes Weisungsrecht gegenüber Projektverantwortlichen ❏ Zuordnung von Arbeitspaketen in Abstimmung mit Fachabteilungen ❏ Teilnahme an Verhandlungen mit projektbezogener, vertragsrechtlicher Bindungswirkung für das Unternehmen ❏ Herbeiführen bzw. Treffen und Durchsetzen von Entscheidungen ❏ Anfordern von Berichten und Analysen ❏ Einberufung und Leitung von Besprechungen Tabelle 6: Checkliste „Notwendige Kompetenzen des Projektleiters“ Ohne diese Kompetenzen kann ein Projektleiter seiner Verantwortung nicht gerecht werden, sein persönliches Scheitern und das des Projekts sind vorprogrammiert. Zum Anforderungsprofil, zu den Auswahlkriterien und Aufgaben eines Projektleiters wird auf die umfangreiche Fachliteratur verwiesen. Im Projektauftrag wird unter anderem auch das endgültige Budget festgelegt. Nicht unüblich ist die Praxis, zunächst nur einen Teil der beantragten Mittel freizugeben. Die Freigabe weiterer Mittel wird an die planmäßige Erfüllung von Zwischenzielen gebunden. Dies setzt den Projektleiter und sein Team von Anfang an unter Erfolgsdruck, aus den praktischen Erfahrungen heraus eine durchaus sinnvolle Maßnahme. Eine Projektbeauftragung sollte stets schriftlich erfolgen. Über den Projektstart sind zusätzlich zum Projekt- P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 22 WISSEN leiter dessen vorgesetzte Stelle, die an der Konzeption und (späteren) Planung und Abwicklung beteiligten internen Organisationseinheiten, der interne oder externe Nutzer, gegebenenfalls auch Lieferanten und externe Mitarbeiter zu informieren. 4. Rückwirkungen der Realisierungsphase auf die Konzeption Mit der Beauftragung des Projektleiters ist die Konzeptionsphase nicht generell als endgültig abgeschlossen zu betrachten. Bei fast allen Projekten ergeben sich nämlich in der Realisierungsphase Änderungen gegenüber dem Projektauftrag. In Abhängigkeit von den Auswirkungen auf Termine und Kosten kann dies zu einer Neukonzeption im Detail oder des gesamten Projektauftrags führen. So erfordern beispielsweise zusätzliche Anforderungen (Mehrungen) des Nutzers eine Ergänzung des Lastenhefts, eine zusätzliche Risikoanalyse, eine neue Machbarkeitsstudie, eine Aufstockung des Budgets und eine Anpassung des Ablaufplans. Dabei ist zu beachten, dass man alle Planungs- und Handlungsparameter eines solchen Nachtrags getrennt vom Ursprungsauftrag ausweist. Nur dann ist es möglich, eine zwischen Hauptauftrag und Zusatzauftrag differenzierende Projektsteuerung und Ergebniskontrolle vorzunehmen. Beschreibung ❏ der Projektidee ❏ der Ziele ❏ des Lösungsansatzes ❏ des erforderlichen Know-hows 1. Initiative Konzeptpapier Prüfung und Bewertung des Konzeptpapiers (1) nach vorgegebenen Kriterien Einzelheiten siehe Checkliste auf Seite 19 2. Konzeptbewertung Entscheidung: ❏ Initiative wird verworfen oder ❏ neues Konzept (1) erstellt oder ❏ Fortsetzung mit Anforderungsdefinition (3) Stufe Aktivität Ergebnis Detaillierte Beschreibung der Anforderungen aus Nutzersicht bezüglich ❏ der Funktionsziele ❏ der Qualitätsmerkmale ❏ der Aufwendungen/ Kosten ❏ der Realisierungstermine ❏ der Rahmenbedingungen 3. Anforderungsdefinition Lastenheft oder Leistungsverzeichnis: Basis für (4) WAS soll erreicht werden und WO- FÜR? Prüfung der beschriebenen Anforderungen auf Realisierbarkeit, einschließlich Bewertung von Risiken und Erfolgsfaktoren sowie Wirtschaftlichkeitsanalyse/ Rentabilitätsrechnung 4. Machbarkeitsanalyse Entscheidung: ❏ Lastenheft (3) wird verworfen oder ❏ ist zu überarbeiten oder ❏ Fortsetzung mit Projektantrag (5) Aufbereitung und Zusammenstellung der Antragsunterlagen: ❏ Lastenheft ❏ Machbarkeitsstudie, Risikoanalyse ❏ Meilenstein- und Kostenplan ❏ Organigramm ❏ Hilfsmittel und Werkzeuge Weitere Einzelheiten siehe Tabelle 5 5. Beantragung Entscheidungsvorlage zur Prüfung und Genehmigung (6) Prüfung der Entscheidungsvorlage (Antragsunterlagen aus (5)) Vorbedingung: Erstellung einer Richtlinie „Beantragung, Prüfung und Genehmigung von Projektinitiativen“ durch Unternehmensleitung 6. Prüfung Entscheidung: ❏ Ablehnung des Antrags oder ❏ Überarbeitung der Abschnitte (1) bis (5) oder ❏ Genehmigung und Fortsetzung mit Beauftragung (7) Freigabe zur Projektrealisierung: ❏ Ernennung des Projektleiters ❏ Festlegung des Starttermins ❏ Freigabe des Projektbudgets 7. Beauftragung Projektauftrag (schriftlich) Tabelle 7: Die 7 Bearbeitungsstufen der Konzeptionsphase im Überblick P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 23 Auch eine Minderung des Leistungsumfangs führt zu einer Anpassung des Lastenhefts und der Projektplanung. Eine Änderung, die die Projektleitung zu vertreten hat, kann beispielsweise auf der Erkenntnis basieren, dass einzelne Teilziele oder die Projektziele insgesamt nicht erreicht werden können. Dies kann zu einer Neukonzeption oder auch zu einem bewussten Projektabbruch führen, um weitere Aufwendungen zu vermeiden. Gerade das Setzen von Kontrollpunkten in Form von Meilensteinen macht bereits in der Konzeptionsphase deutlich, dass ein einmal begonnenes Projekt nicht um jeden Preis zu Ende zu führen ist, sondern weitere Schritte von der Erfüllung geplanter Zwischenziele oder der Akzeptanz von Änderungen abhängig zu machen sind. Änderungen im Projektverlauf können also bedeuten, dass bereits als „erledigt“ deklarierte Bearbeitungsschritte den Status „obsolet“ oder „geplant“ erhalten. Ein erneuter „Durchlauf“ wird erforderlich, angefangen bei der Konzeption über die Planung bis zur Steuerung. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Phasenrücksprung oder revolvierender Phasenbearbeitung. Ein weiterer Grund dafür, dass die Konzeptionsphase mit der Beauftragung nicht endgültig abgeschlossen ist, kann sich bei Großprojekten mit langer Laufzeit ergeben. Bestimmte Anforderungen und Ziele kristallisieren sich dort erst im Laufe der Projektabwicklung heraus. Zu einem Zeitpunkt, zu dem schon wesentliche Arbeitspakete erfolgreich abgeschlossen sind, ist also das Lastenheft zu ergänzen, Risiken und Chancen sind neu zu analysieren und zu bewerten und die Projektplanung weiter zu detaillieren. An der Systematik der Vorgehensweise ändert sich damit nichts, und das Phasenmodell wird damit auch nicht außer Kraft gesetzt. Es bedeutet lediglich, dass das Vorhaben in seiner Gesamtheit die einzelnen Phasen nicht sequenziell durchläuft, sondern für bestimmte Teilziele das stufenweise Vorgehen erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt. So gesehen kommt es zu einer parallelen Bearbeitung des Projekts in verschiedenen Phasen. Die spätere Detaillierung Änderung Änderung 1 - Konzeption 2 - Planung 4 - Abschluss 3 - Steuerung Abb. 4: Phasenrücksprung bei Projektänderungen P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 24 WISSEN kann dazu führen, dass sich der ursprüngliche Endtermin verschiebt oder sich die Kosten erhöhen. Solche Änderungen sind stets genehmigungspflichtig. Auch eine noch so sorgfältige Konzeption ist keine Garantie, sondern nur eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektrealisierung. Negatives Denken, „Killerphrasen“ oder politisch geprägtes Handeln der Beteiligten können die brillanteste Idee und innovative Lösungsansätze zum Scheitern bringen. Ein Konzept muss also genauso konsequent, wie es erarbeitet wurde, auch umgesetzt werden. Dazu gehören in den Realisierungsphasen vor allem ❏ eine uneingeschränkte Unterstützung durch das Management, ❏ detaillierte Kenntnis aller Projektbeteiligten über die Ziele und Inhalte des Projekts sowie über das methodische Vorgehen, ❏ pionierhaftes Engagement und unternehmerische Verantwortung aller Projektbeteiligten, ❏ offene und konstruktive Information und Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten und ❏ kurze, unbürokratische Entscheidungsprozesse. Auf eine nicht vernachlässigte Konzeptionsphase sollte also stets auch eine nicht vernachlässigte Realisierungsphase folgen. ■ Literatur [1] Crosby, P. B.: Qualität ist machbar. 2. Auflage, Hamburg 1990 [2] Gareis, R.: Programmmanagement und Portfolio-Management. In: Projektmanagement 1/ 2001 [3] Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. (Hrsg.): Qualitätsmanagement in der Entwicklung. DGQ-Band 13-51, Frankfurt 1995 [4] Gora, W. (Hrsg.): Auf dem Weg zum virtuellen Unternehmen. 1. Auflage, Köln 1996 [5] Neumann, R./ Bredemeier, K.: Projektmanagement von A-Z. Frankfurt 1996 [6] Schelle, H.: Projekte zum Erfolg führen. 2. Auflage, München 1999 [7] Steinle, C./ Bruch, H./ Lawa, D. (Hrsg.): Projektmanagement, Frankfurt 1995 [8] DIN-Norm 69 901: Projektmanagement, Begriffe [9] HOAI, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure [10] VDI/ VDE-Richtlinie 3694, Lastenheft/ Pflichtenheft für den Einsatz von Automatisierungssystemen Schlagwörter Entscheidungsprozesse, Erfolgsfaktoren, Kompetenzen (des Projektleiters), Konzeption, Lastenheft, Meilenstein, Phasenmodell, Projektbeauftragung, Zieldefinitionen Autor Dipl.-Wirtsch.-Ing. Axel Germer, geb. 1941, studierte an der Technischen Hochschule Darmstadt. Bei einem amerikanischen Chemiekonzern war er in verschiedenen Führungspositionen im In- und Ausland mit Schwerpunkten in der Produktionsplanung, im Transportwesen und in der Logistik beschäftigt. Danach übernahm er als Geschäftsführer für die technischen Bereiche in Unternehmen der Feinmechanik und Optik Verantwortung. Nach zwanzigjähriger Industriepraxis ist er seit 1988 als freiberuflicher Consultant und Coach für führende deutsche Unternehmen auf dem Gebiet des Projektmanagements tätig. Dabei arbeitet er eng mit der Sulzbacher Management- und Technologieberatung Gora, Hecken & Partner zusammen, die seit Mai dieses Jahres zu EDS Deutschland gehört. Branchenschwerpunkte des Beraters sind die Automatisierungstechnik, Hochbauindustrie, Gebäudetechnik und Telekommunikation. Spezialisiert hat sich der Wirtschaftsingenieur auf die methodische Modellierung von Geschäftsprozessen zur Konzeption, Planung und Steuerung von Projekten. Außerdem entwickelt er kundenspezifische Systeme zur Aufbau- und Ablauforganisation und betreut den Einsatz von Planungstools. Anschrift Spechtweg 2 D-35435 Wettenberg Tel.: 0 64 06/ 7 23 92 Fax: 0 64 06/ 31 83 E-Mail: Axel.Germer@t-online.de Konzeption Planung Steuerung Abschluss Zeit 1 2 Detaillierung zum Zeitpunkt 2 Ursprungsziele Detaillierung zum Zeitpunkt 1 Abb. 5: Parallele Bearbeitung in verschiedenen Projektphasen P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 25 1. Einleitung Das Thema Wissensmanagement erfreut sich seit einiger Zeit einer beachtlichen Resonanz. Das ist zunächst erstaunlich, denn die Erkenntnis, dass Wissen von zentraler Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist, ist gewiss nicht neu. Dessen ungeachtet gibt es allerdings eine Reihe von Gründen, weshalb betriebliches Wissensmanagement in den nächsten Jahren besondere Aufmerksamkeit verdient: ❏ Der beschleunigte technische Fortschritt und kürzere Produktlebenszyklen erhöhen die Nachfrage nach Wissen über Produkte, technologische Entwicklungen und Verfahrensweisen. ❏ Wachsender Wettbewerbsdruck führt zu einer zunehmenden Kundenorientierung und damit zu einem erhöhten Bedarf an Wissen über Kunden und Märkte. ❏ Die Globalisierung und Internationalisierung der Märkte erfordern ein verstärktes Verständnis der kulturellen Hintergründe und rechtlichen Rahmenbedingungen anderer Länder. ❏ Auf den Arbeitsmärkten verschärft sich der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter, also um Wissensträger. ❏ Flexible Organisationsformen und eine weit reichende, oft internationale Arbeitsteilung bedürfen eines verstärkten Wissensaustauschs und ermöglichen damit einen stärkeren Zugriff auf unternehmensexterne Wissensbestände; zugleich erhöht sich dadurch der Schutzbedarf unternehmenskritischen Wissens. ❏ Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen neue Möglichkeiten der Verwaltung, Darstellung und Verbreitung von Wissen. Dabei ist auch an das Internet zu denken. Nicht zuletzt unterstreichen die wachsende Verbreitung von Projektorganisationen [1, 11, S. 36] sowie die Organisation ganzer Unternehmen in Projektform („Management by Projects“), wie zum Beispiel im Consultingbereich üblich, die Bedeutung eines leistungsfähigen Wissensmanagements zur Sicherung einer strukturierten Vorgehensweise und zur Generierung von Synergieeffekten. So dürfte es unstrittig sein, dass die Verfügbarkeit von Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten wie auch von Wissen über den jeweiligen Projektgegenstand oder allgemein über Projektmanagement einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die wirtschaftliche Durchführung von Projekten darstellt. Trotz der offensichtlichen Bedeutung des Wissensmanagements für das Projektmanagement ist festzustellen, dass die entsprechenden Forschungsbereiche weitgehend unabhängig voneinander behandelt werden. Der Beitrag stellt dar, wie existierende Konzepte und Verfahren des Wissensmanagements sinnvoll für das Projektmanagement genutzt werden können. Darüber hinaus wird erläutert, in welcher Weise Wissensmanagement für den Einsatz in Projekten angepasst werden kann. Ein Blick auf die charakteristischen Eigenschaften von Projekten [3] verdeutlicht die große Bedeutung eines systematischen Umgangs mit Wissen. Gleichzeitig zeigt er spezifische Herausforderungen für das Wissensmanagement in Projekten auf. Zeitliche Begrenzung von Projekten: Der Erfolg eines Projektes wird nicht allein am Projektgegenstand gemessen, sondern ist vielmehr determiniert durch die Einhaltung von zeitlichen, finanziellen und inhaltlichen Vorgaben. Projekte werden demzufolge meist unter Zeitdruck durchgeführt. Die Projektdokumentation wird deshalb häufig auf das erforderliche Minimum reduziert, die notwendigen Schritte zur Erfassung von Wissen unterbleiben. Interdisziplinarität und arbeitsteilige Aufgabenerfüllung: Die Erfüllung der Projektaufgabe wird arbeitsteilig durch meist interdisziplinäre Teams vorgenommen. Da das projektbezogene Wissen fast ausschließlich personengebunden ist, liegt es in Projekten dezentral vor. Demzu- Wissensmanagement in Projekten Status quo und informationstechnologische Unterstützungspotenziale Ulrich Frank, Silke Schönert Die Wandlungen innerhalb der organisatorischen und technologischen Rahmenbedingungen von Projekten führen dazu, dass das Thema Wissensmanagement in Projekten immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die sich dabei für das Projektmanagement erschließenden Potenziale sind bemerkenswert, ihre Verwirklichung ist jedoch ein komplexes Vorhaben. Zu berücksichtigen sind dabei die mit der Einführung eines Wissensmanagements verbundenen Ziele und die entsprechende Auswahl bzw. Anpassung von Systemen an im Projekt bestehende Bedarfe. Der Weg zum Wissensmanagement kann sicher nicht in einem Schritt vollzogen werden, vielmehr bietet sich dabei eine evolutionäre Vorgehensweise an. P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 26 WISSEN folge kann eine zentrale Instanz die gesamte Wissenserfassung nicht leisten, höchstens als Kontrollinstanz fungieren, um einen gewissen Qualitätsstandard zu sichern. Weiterhin folgt aus der Interdisziplinarität eine Heterogenität der Aufgabenträger und insbesondere ihres Informationsbedarfs hinsichtlich des Projektgeschehens. Personelle Fluktuation: Eines der Kernprobleme des Managements von Projekten ist der Umgang mit der Fluktuation der Wissensträger. Diese resultiert zunächst aus der zeitlich begrenzten Existenz der Projektorganisation. Darüber hinaus werden primär Mitarbeiter in Projekten eingesetzt, die über besondere Fähigkeiten und Spezialkenntnisse zur Bearbeitung der Projektaufgaben verfügen. Aufgrund der hohen Personalkosten für diese Mitarbeiter wird seitens der Unternehmung deren Einsatz im Projekt zeitlich limitiert. Es ist daher mit einem hohen Grad an Arbeitsteilung und mit einem baldigen Verlust wichtiger Wissensträger zu rechnen. Neben derartigem Wissen, das z. B. als Gegenstand eines Projektes erarbeitet werden soll, ist auch Wissen zu beachten, das zur Koordination innerhalb des arbeitsteilig organisierten Projektes erforderlich ist. In dieser Hinsicht ist es insbesondere die Aufgabe der Projektleitung, prozessrelevantes Wissen, das zur Verbesserung der Kommunikation und Koordination zwischen den am Projekt beteiligten Gruppen dient, zu erschließen. Einzigartigkeit von Projekten: Projekte werden per definitionem als einzigartige Vorhaben aufgefasst und grenzen sich dadurch zwangsläufig von anderen Projekten ab. Bei strukturierter Vorgehensweise sind jedoch viele Projekte vergleichbar. Es macht also Sinn, vom Einzelfall zu abstrahieren und über die Erfassung von Informationen hinaus gemeinsame Strukturen zu identifizieren und zu klassifizieren, um daraus projektbezogenes Wissens einer höheren Abstraktionsstufe ableiten zu können. Zeitlich begrenzte und unternehmensübergreifende Organisationsstruktur: Projektbezogene Kooperationen bestehen zum Teil nur für die relativ kurze Zeitspanne der Projektdurchführung. Dies ist insbesondere im Falle von virtuellen Projektzusammenschlüssen der Fall. Die Zusammensetzung der Teams kann bei Folgeprojekten abweichen. Dies wirft die Frage auf, wer projektbezogenes Wissen in ähnlichen Projekten verwenden darf, um sich damit gegebenenfalls Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Dem Interesse der Kooperationspartner daran, projektbezogenes Wissen auch nach Projektende nutzen zu können, steht das Bedürfnis nach Schutz erfolgskritischen Wissens einzelner Partner gegenüber. Üblicherweise agieren alle Kooperationspartner virtueller Projektorganisationen nach Projektende wieder unabhängig voneinander. Es sollte deshalb frühzeitig geklärt werden, wer nach Projektende Zugriff auf dieses projektinterne Wissen hat. Im Sinne der der virtuellen Organisationsform zugrunde liegenden Leitidee wäre es gegebenenfalls sinnvoll, allen Kooperationspartnern die fortgesetzte Verwendung des Wissens zu ermöglichen. Tatsächlich kann die Wissensverwahrung jedoch auch an ein Unternehmen gebunden sein, das z. B. im Projekt „Keyplayer“ war oder dem das generierte Wissen eindeutig zugeordnet werden kann. Internationale Projekte: Zusätzlich zu den im vorigen Punkt genannten Aspekten gehen internationale Projekte mit der Verwendung verschiedener Sprachen oder der Einigung auf eine Sprache im Projekt einher. Weiterhin treffen unterschiedliche Landeskulturen aufeinander. Hinsichtlich des Wissensaustauschs kann dies zu verschiedenen Schwierigkeiten führen. Zum einen können sprachliche Abweichungen die Verwertbarkeit von erfasstem Wissen unterminieren. Andererseits kann der Fall eintreten, dass eingestelltes Wissen nur im Landeskontext Sinn stiftend ist. 2. Wissen und Wissensmanagement Um aufzuzeigen, in welcher Weise Wissensmanagement zur Unterstützung der Durchführung von Projekten eingesetzt werden kann, ist zunächst zu klären, was unter Wissen und Wissensmanagement zu verstehen ist. Beginnen wir entgegen der gängigen Vorgehensweise mit dem Kompositum: Wissensmanagement bezeichnet alle Maßnahmen, die auf die systematische Erhebung, Aufbereitung, Verwaltung, Pflege und adressatengerechte Vermittlung von Wissen gerichtet sind. Die Klärung des Begriffs Wissen gestaltet sich deutlich schwieriger. Betrachten wir zunächst einige Aspekte, die mit dem Begriff Wissen in Verbindung gebracht werden. In den Wissenschaften wird Wissen mit Erkenntnis assoziiert und von bloßem Glauben unterschieden. Dabei ist allerdings die nahe liegende Vorstellung, dass Wissen immer wahre Ansichten widerspiegelt, kaum haltbar, wie der Soziologie Luhmann zu bedenken gibt: „Wenn von Wissen die Rede ist, versteht man darunter normalerweise wahres Wissen. Oder für wahr gehaltenes Wissen? Oder auch unwahres Wissen? “ [9, S. 167]. In den Wissenschaften sind denn auch Methoden, die zwischen konkurrierenden Erkenntnisangeboten zu unterscheiden helfen, von zentraler Bedeutung - nur so ist wissenschaftlicher Fortschritt erfassbar. Dabei spielen Begründungsverfahren und die darin verwendeten Wahrheitsbegriffe eine wichtige Rolle. Auch die Sprache, mit der Wissen dargestellt wird, ist hier zu berücksichtigen, da sie die Nachvollziehbarkeit und damit Überprüfbarkeit von Wissen wesentlich bestimmt. Im Zusammenhang mit einem rechnergestützten Wissensmanagement ist hier nicht zuletzt an die alte Frage zu denken, ob sich jedwedes Wissen formal beschreiben lässt und damit einer maschinellen Auswertung zugeführt werden kann. Vor dem Hintergrund der dargestellten Begriffsfragmente schlagen wir eine pragmatische Fassung des Wissensbegriffs vor, die gleichwohl in ihren Grundzügen mit der in den Wissenschaften verbreiteten Begriffswendung übereinstimmt. Danach wird Wissen durch bestätigte, aber widerlegbare Annahmen über einen Realitätsausschnitt repräsentiert. Die Forderung nach prinzipieller Widerlegbarkeit ist deshalb wichtig, weil nicht widerlegbare Aussagen, also Tautologien („Wenn der Hahn kräht auf dem Mist …„), keinen Informationsgehalt haben. Im Unterschied zu Informationen handelt es sich dabei nicht um Aussagen über singuläre Instanzen, sondern um solche über ganze Klassen - z. B. über alle Projekte einer bestimmten Art. Daten wiederum können von Informationen dadurch abgegrenzt werden, dass sie lediglich durch eine Syntax und eine rudimentäre, formale Bedeutung - die sich z. B. darin äußert, dass für Zahlentypen andere Operationen definiert sind als für Zeichenketten - gekennzeichnet sind. Zusammenfassend ist Wissen damit durch drei Merkmale gekenn- P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 27 zeichnet: Abstraktion (von Einzelfällen), Begründung und Originalität - wobei eine objektive Beurteilung dieser Merkmale nur eingeschränkt möglich ist. Das Wissensmanagement umfasst verschiedene Bereiche, deren Zusammensetzung in der Literatur stark variiert. Weggemann sieht die Funktionen des Wissensmanagements darin, das Wissen zu entwickeln (d. h. ermitteln und inventarisieren), das Wissen zu teilen, anzuwenden und zu evaluieren. Probst und Romhardt gehen von der Definition von Wissenszielen aus, die abschließend zur Bewertung der Wissensqualität herangezogen werden können, und ergänzen dies um den Aspekt der Wissensbewahrung [10]. Um die Erfassung, Strukturierung, Verwaltung und Verbreitung von Wissen, das für das Projektmanagement hilfreich ist, in angemessener Weise zu unterstützen, ist eine Reihe von Anforderungen zu berücksichtigen - neben der zentralen Voraussetzung, dass der Umgang mit Wissen qualifizierte und motivierte Mitarbeiter erfordert. 3. Anforderungen des Projektmanagements an das rechnergestützte Wissensmanagement Im Hinblick auf den Einsatz rechnergestützter Wissensmanagementsysteme sind die folgenden Anforderungen zu berücksichtigen: Integration von Wissen und Information: Es ist nicht sinnvoll, Wissen unabhängig von Informationen zu behandeln: Einerseits sind Informationen über Einzelfälle eine wichtige Quelle der Entwicklung von Wissen, andererseits sind sie hilfreich, um Wissen zu vermitteln. Wir werden im Folgenden immer dann von Inhalt sprechen, wenn sowohl Wissen als auch Information gemeint ist. Verschiedene Perspektiven: An Projekten sind Personen beteiligt, deren Aufmerksamkeit sich auf ganz unterschiedliche Aspekte richten kann. Um möglichst viele Projektbeteiligte zu unterstützen, sollte ein System verschiedene Sichten bzw. Perspektiven auf seinen Inhalt bieten. Dabei ist auch darauf zu achten, dass die Inhalte für verschiedene Anwender jeweils in anschaulicher Form präsentiert werden - also beispielsweise auch grafisch. Kontrolle der Integrität: Ein System sollte unsinnige bzw. falsche Eingaben verhindern. Das setzt voraus, dass es die Möglichkeit bietet, entsprechende Integritätsbedingungen zu definieren. Unterstützung und Auswertung der Kommunikation: Der Austausch von Wissen in Projekten erfolgt über Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten. Ein System sollte die Projektbeteiligten bei der Wissensvermittlung unterstützen. In diesem Zusammenhang ist u. a. an Reportgeneratoren zu denken, die eine strukturierte Dokumentation fördern. Auch die automatisierte Dokumentation und Auswertung von Kommunikationsstrukturen und -prozessen stellen wertvolle Erkenntnisse für die Projektorganisation in Aussicht [12, 13]. Assoziative Strukturierung von Wissen: Das ein Projekt betreffende Wissen kann mitunter umfangreich und in vielen unterschiedlichen Dokumenten abgelegt sein. Da die Bedeutung der in einzelnen Dokumenten abgelegten Wissenselemente häufig durch geeignete Assoziationen mit anderen Dokumenten angereichert wird, sollte ein entsprechendes System die Definition und Überwachung von Assoziationen zwischen Dokumenten unterstützen (Abb. 1). 4. Verwendung von Ansätzen des Wissensmanagements für das Projektmanagement Der Erfolg der Einführung eines Wissensmanagements im Unternehmen hängt wesentlich vom Zusammenspiel organisatorischer und technologischer Maßnahmen ab [5]. Auf der einen Seite benötigen die beteiligten Pro- Meilensteinbericht 1/ 2001 Teilprojekt 2 Projekt Alpha Teilprojekt 1 Mitarbeiterinformationen Mitarbeiterinformationen Arbeitspakete Arbeitspakete Arbeitspakete Korrespondenz a Korrespondenz b Korrespondenz c Korrespondenz d Korrespondenz e Korrespondenz f Teilprojekt 3 Teilprojekt 4 Mitarbeiterinformationen Mitarbeiterinformationen Arbeitspakete Kundenkontakte Abb. 1: Beispiel zur assoziativen Organisation von Projektwissen P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 28 WISSEN jektmitarbeiter entsprechende Unterstützung des (rechnergestützten) Wissensmanagements in Form von leistungsfähigen Werkzeugen. Auf der anderen Seite kann jedoch nur eine entsprechende Haltung auf allen Hierarchiestufen wegbereitend für eine erfolgreiche Einführung eines Wissensmanagements sein. Organisatorische Ansätze „Wissen ist Macht“ lautete die Devise von zwei Dritteln der durch Kienbaum befragten Mitarbeiter und zeigte damit eines der Haupthindernisse für die Teilung von Wissen. „Keine Zeit“ sei das häufigste Argument gegen die Weitergabe, gefolgt von „gegen meine Interessen“, da Wissen, das man selbst vorhält, einen Vorteil gegenüber Kollegen bedeutet [8]. Daraus folgt, dass die Nutzung eines Wissensmanagementsystems nur dann sinnvoll möglich ist, wenn sie mit den persönlichen Zielen der Projektmitarbeiter vereinbar ist. Dabei ist vor allem zu vermitteln, dass das Teilen von Wissen den Projektmitarbeitern nicht Verlust, sondern Gewinn bringt. Zur erfolgreichen Einführung des Wissensmanagements in Projekten muss es als wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur etabliert werden, dessen Sinnhaftigkeit und Nutzen für jeden Projektmitarbeiter einsichtig sind. Als erfolgbestimmend können insgesamt die folgenden Punkte angesehen werden [8], [7]: Einbeziehen der Mitarbeiter in die Gestaltung des Wissensmanagementsystems: Die bedarfsgerechte Konzeption eines Systems ist abhängig von der genauen Kenntnis der Arbeitsabläufe, die durch den Systemeinsatz unterstützt werden sollen. Zum Abgleich der fachlichen Anforderungen ist es demnach sinnvoll, die späteren Nutzer des Systems einzubeziehen. Darüber hinaus ist auch die psychologische Komponente relevant. Nutzer, die an einem Systementwurf partizipierten, sind beim tatsächlichen Einsatz offener und engagierter. Vorbehalte können dadurch zu einem frühen Zeitpunkt ausgeräumt oder vermieden werden. Nutzungsanreize: Die Benutzung des Systems muss für den Anwender Vorteile mit sich bringen. Solche Vorteile ergeben sich z. B. dadurch, dass Arbeitsabläufe beschleunigt werden oder Entscheidungen erleichtert werden. Die folgenden Fragen, deren Beantwortung ein leistungsfähiges System unterstützen sollte, mögen diesen Nutzen illustrieren: ❏ Gibt es eine bewährte Struktur, die man für jedes Projekt anwenden kann? ❏ Gibt es definierte Berichtswege, bzw. welche Instanzen/ Gremien müssen über bestimmte Schritte informiert werden oder ihre Zustimmung erteilen? ❏ Welche Arten von Ressourcen sind bei der Projektplanung zu berücksichtigen? ❏ Welche Maßnahmen gehören in unserem Unternehmen zum Projektcontrolling? ❏ Aus welchen Gründen sind in der Vergangenheit Projekte in unserem Unternehmen gescheitert? ❏ Welche Möglichkeiten bestehen, in einem zz. laufenden Projekt die geplante Restlaufzeit zu verringern? Führungsebene als Vorbild: Bereitschaft zur Offenlegung von Wissen kann sich nur in einer entsprechenden Unternehmenskultur entwickeln. Dazu trägt in erheblichem Maße die von der Führungsebene postulierte und vertretene Leitlinie zum Wissensmangement bei. Eine durch Offenheit und Vertrauen geprägte Unternehmenskultur beginnt primär auf der Führungsebene. Anerkennung der Wissensverteilung: Die Unternehmensführung sollte die Auffassung vertreten, die Wissensverteilung anzuerkennen und zu belohnen. Dazu gehört es zum einen, dass das von Projektmitgliedern zur Verfügung gestellte strukturierte Wissen mit dem Namen des Wissensträgers verknüpft wird, um dessen Kompetenz auf einem bestimmten Gebiet zu dokumentieren. Die Teilnahme am Wissensaustausch kann zudem mit monetären Anreizen bedacht werden, z. B. im Rahmen der jährlichen Leistungsbeurteilung [2]. Vorgesetzte, die demgegenüber das „Information hiding“ dulden oder gar belohnen, begünstigen die Verdeckung von Informationen, um sich zum geeigneten Zeitpunkt einen Vorteil damit zu verschaffen. Flache Hierarchien: Organisationen, die flache Hierarchien und Teamarbeit pflegen, haben insgesamt günstigere Voraussetzungen für den Wissensaustausch, da in hierarchischen Strukturen häufig der Wissensaustausch besonders als Machtverlust, einhergehend mit Status- und Prestigeverlusten, angesehen wird [8]. Kurzfristige Erfolgserlebnisse ermöglichen: Wird die Einführung eines Wissensmanagements schon nach kurzer Zeit als belastend, kompliziert oder fehlerhaft angesehen, kann dies die Bereitschaft zum diesbezüglichen Engagement stark reduzieren. Oft werden auch in dieser Phase nicht wieder ausräumbare Vorbehalte aufgebaut. Stufenweise und evolutionäre Einführung eines Wissensmanagements: Die schrittweise Einführung eines Wissensmanagementsystems kann ein Erfolg versprechender Ansatz sein, der die Projektmitarbeiter unterstützt und fordert, ohne sie zu überfordern. Nicht empfehlenswert ist es, die Wissensteilung unter Zwang zu verlangen. Dies kann durch die Eingabe unvollständiger oder falscher Informationen in das System kontraproduktiv wirken. Informationstechnologische Unterstützung In Projekten besteht ein ausgeprägter Bedarf an aktuellem Wissen, das zudem an verschiedenen Orten verfügbar sein sollte. Es liegt deshalb auf der Hand, dass der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie eine wirkungsvolle Unterstützung des Wissensmanagements in Projekten verspricht. Es ist allerdings nicht offenkundig, welche Leistungsmerkmale entsprechende Unterstützungssysteme aufweisen sollten bzw. wie solche Systeme zu gestalten sind. In der Literatur wie auch am Markt findet sich eine große Bandbreite von Systemen, die unter dem Etikett „Wissensmanagementsystem“ bzw. „Knowledge Management System“ firmieren. Eine entsprechende Recherche im WWW führt zu mehr als 10.000 Treffern. Offenbar spielen dabei in vielen Fällen Marketing-Überlegungen eine wichtigere Rolle als das Bemühen um eine überzeugende konzeptionelle Abgrenzung. Da es noch keine klar erkennbaren Klassen von Wissensmanagementsystemen gibt, betrachten wir im Folgenden prototypische Evolutionsstufen. Im einfachsten Fall präsentiert sich ein Wissensmanage- P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 29 mentsystem als eine Menge von Dateien, die von unterschiedlichen Anwendungen, wie z. B. Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder auch Projektmanagement-Software, erstellt werden können. Um eine übersichtliche Ablage zu unterstützen, können dabei die Strukturierungsmöglichkeiten des jeweiligen Dateiverwaltungssystems verwendet werden, indem etwa ein Verzeichnisbaum angelegt wird, dessen Knoten Kategorien von Dokumenten zugeordnet werden. Gleichzeitig können für diese Kategorien verschiedenen Nutzergruppen Zugriffsrechte zugeordnet werden. Der Nutzen eines solchen einfachen Systems für das Projektmanagement hängt also wesentlich von der Wahl der Kategorien und ihrer disziplinierten Verwendung ab. Abb. 2 zeigt ein Beispiel für Dokumentkategorien, wie sie für das Wissensmanagement in Projekten eingesetzt werden können. Die Nutzung des in den Dokumenten abgelegten Wissens hängt darüber hinaus von den jeweils verfügbaren Retrievalverfahren ab. Während eine Volltext-Recherche durchaus hilfreich sein kann, sind Rechercheverfahren, die zusätzlich auf Thesauri zurückgreifen, wesentlich leistungsfähiger. Aber auch dann bleiben die Teile der Dokumente, die nicht textuell repräsentiert sind, i. d. R. unberücksichtigt. Der Vorteil dieser ersten Evolutionsstufe von Wissensmanagementsystemen zur Unterstützung des Projektmanagements liegt im Wesentlichen in ihrer einfachen und robusten technischen Basis. Zu ihrer Realisierung kann auf Standardanwendungen zurückgegriffen werden. Die Nachteile einer solchen Lösung sind allerdings nicht zu übersehen: Obwohl der Inhalt der Dokumente von zentraler Bedeutung ist, bietet das System keine Möglichkeit, unsinnige oder unangemessene Eingaben auszuschließen bzw. den Benutzer bei der Darstellung seiner Projekterfahrungen zu unterstützen. Ein erster Schritt, um die Erfassung von Inhalten wirksamer anzuleiten, ist darin zu sehen, Dokumenttypen einzuführen. Ein Dokumenttyp wird durch eine Struktur festgelegt, deren Elemente entweder obligatorisch oder optional sind. Auf diese Weise wird natürlich nicht nur die Erfassung, sondern auch die Wiederver- Projekte Pl ä ne Controlling Erfahrungen Korrespondenz BW L Technologie F ü hrung "Lessons Learnt" Organisation/ Strukturierung Projektdurchf ü hrung Termine/ Aufw ä nde/ Kosten Plan/ Ist- Vergleiche Soll/ Ist- Vergleiche Plan/ Plan- Vergleiche Abb. 2: Mögliche Kategorien zur Ablage von Dokumenten über Projekte P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 30 WISSEN wendung von Inhalten unterstützt. Tabelle 1 zeigt beispielhaft die Struktur eines Dokuments zur Erfassung von Lektionen, die in einem Projekt gelernt wurden. Im einfachsten Fall kann für die Elemente einer solchen Struktur nicht angegeben werden, welchen Wertemengen die Elemente jeweils zugeordnet sind. Diese Einschränkung gilt z. B. für XML-Dokumenttypen. Damit werden offensichtliche Falscheingaben, etwa die Verwendung einer Zeichenkette zur Beschreibung einer Kostengröße, von dem System, das entsprechende Dokumente verwaltet, nicht erkannt. Leistungsfähigere Ansätze zur Spezifikation von Dokumenttypen erlauben es, die Elemente einer Dokumentstruktur durch Datentypen zu kennzeichnen. Hier ist z. B. an Dokumentverwaltungssysteme wie Lotus Notes zu denken. Auch solche Ansätze bleiben unbefriedigend, wenn nicht die Identität der Objekte, die von Symbolen repräsentiert wird, überprüft wird - also z. B. die Personen oder Gruppen, die als mögliche Interessenten angegeben werden. Da zur Dokumentation von Projekten i. d. R. mehrere Dokumente verwendet werden, die aufeinander verweisen, wäre es wünschenswert, dass entsprechende Systeme die referentielle Integrität der verwalteten Dokumente garantieren: Solange ein Dokument von einem anderen referenziert wird, darf es nicht gelöscht werden. Bedauerlicherweise weisen die meisten Dokumentverwaltungssysteme dieses Leistungsmerkmal nicht auf. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass diese Evolutionsstufe natürlich mit der ersten kombiniert werden kann. Ein umfassendes Beispiel dazu findet sich in [4]. Systeme zur Verwaltung von Dokumenten können zudem kombiniert werden mit solchen Systemen, die es erlauben, zwischen Dokumenten Assoziationen zu definieren. Auf diese Weise lassen sich die Beziehungen zwischen den korrespondierenden Wissenselementen nachbilden, wodurch das Verstehen der entsprechenden Inhalte u. U. erheblich erleichtert wird. Einen ersten Ansatz dazu bietet die Software „Personal Brain“ (www.thebrain.com), die eine assoziative Organisation von Wissenselementen in Form multimedialer Dokumente unterstützt. Dabei wird die Analogie zum menschlichen Lernen betont. Wenn strukturierte Dokumente mit Hilfe entsprechender Dokumentverwaltungssysteme in disziplinierter Weise verwendet werden, stellen sie eine pragmatische Grundlage für das projektbegleitende Wissensmanagement dar. Dabei kann allerdings nicht übersehen werden, dass sie eine Reihe von Schwächen aufweisen, die alle darauf zurückzuführen sind, dass es sich dabei um ein generelles Software-Werkzeug handelt, das lediglich durch Konventionen, die von den Benutzern festgelegt werden, für den Einsatz in Projekten angepasst wird. So bieten solche Systeme i. d. R. keine Möglichkeiten, spezielle Integritätsbedingungen auszudrücken. Eine einfache Bedingung dieser Art wäre z. B., dass die Gesamtprojektlaufzeit mindestens genauso groß sein muss wie die eines beliebigen Teilprojekts. Auch können von solch generellen Systemen keine spezifischen Präsentationsformen erwartet werden. Hier ist etwa an grafische Darstellungen von Prozessen oder Organisationsstrukturen zu denken. Ebenso bieten Dokumentverwaltungssysteme keine spezifische Funktionalität, die für das Wissensmanagement in Projekten von Nutzen wäre, also z. B. die Ermittlung von Schwachstellen in Projekten oder die Suche nach gemeinsamen Mustern in verschiedenen Erfahrungsberichten. Die skizzierten Schwächen von Dokumentverwaltungssystemen ließen sich zum Teil durch den Einsatz gängiger Projektmanagementsysteme beheben. Insofern scheint eine Integration beider Systemarten vielversprechend. Erste Ansätze dazu ergeben sich durch die Integration von Workflow-Management-Systemen und Projektmanagementsystemen. So lässt sich mit Hilfe von Workflow-Management-Systemen festlegen, welche Dokumenttypen an welchen Stellen eines Projektes bearbeitet werden müssen. Eine solche Integration bleibt allerdings oberflächlich, weil die Inhalte der Dokumente und die des Projektmanagementsystems nach wie vor unabhängig voneinander gepflegt werden. Eine engere Integration erfordert ein gemeinsames Schema. Dazu werden Begriffe, die den zu integrierenden Systemen gemein sind, z. B. in einem Datenbankschema, definiert. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass ein Projektplan, der von einem Projektmanagementsystem verwaltet wird, innerhalb des integrierten Systems dem gleichen Projekt zugeordnet ist wie ein Dokument über „Lessons Learnt“. Gleichzeitig erlaubt ein Schema die Festlegung von Integritätsbedingungen. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Einsatz solcher Systeme wäre es wünschenswert, wenn sie neben dem Schema auch weiteres wiederverwendbares Wissen beinhalteten. Dabei ist etwa an Referenzpläne für bestimmte Projektarten zu denken. Systeme, die eine hohe Integration von Wissensmanagement und Projektmanagement bieten, sind zz. am Markt noch nicht verfügbar. Abb. 3 zeigt die Architektur eines prototypischen Systems. Die oberste Schicht des Systems („Ontologieschicht“) enthält ein Schema der zentralen Begriffe. Hier ist z. B. festgelegt, wie ein Projekt allgemein zu strukturieren ist, wie eine Organisationseinheit zu beschreiben ist etc. Diese Schicht repräsentiert also allgemeines Wissen über Projekte. In der darunter liegenden Schicht können auf dieser Grundlage branchen- oder auch unternehmensspezifische Erweiterungen vorgenommen werden. Die unterste Schicht dient der Beschreibung einzelner Projekte. Hier werden nicht nur die Repräsentationen verwaltet, die von Projektmanagementsystemen bekannt sind, sondern auch Dokumente, die struktu- Strukturelement Datentyp Erstellt am Datum Erstellt von String Interessenten String Relevanz <hoch, mittel, gering> Darstellung String Begründung String Vergleichbar mit String Weiteres Vorgehen String Tabelle 1: Mögliche Struktur eines Dokumenttyps „Lessons Learnt“ P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 31 rierte Erfahrungen in einzelnen Projekten beschreiben. Ein Anwender wählt die Schicht, die der von ihm gewünschten Abstraktion am ehesten entspricht. Ein System, das auf dieser Architektur basiert, erfüllt weitgehend alle Anforderungen, die wir eingangs formuliert haben. Im Hinblick auf die Unterstützung der Koordination von dezentralen Projekten, die u. U. mit internationaler Beteiligung durchgeführt werden, ist an folgende Ergänzungen zu denken: Die Kommunikation und die mangelnde Transparenz darüber, wer Wissen wann benötigt oder Wissen vorhält, stellen innerhalb dieser Projekte das häufigste Konfliktpotenzial dar, da der persönliche Austausch nur sehr eingeschränkt erfolgen kann. Die Mitarbeiter kennen sich nur selten persönlich und wissen mitunter nicht, wer konkret mit welcher Aufgabe beschäftigt ist. Daraus resultiert, dass auch Experten nur schwer identifiziert werden können. Ein erster Ansatzpunkt ist darin zu sehen, Transparenz über das im Unternehmen vorhandene Wissen herzustellen. Weiterhin ist es sinnvoll, aktiv Wissensangebote machen zu können und gleichzeitig die Möglichkeit zu haben, Wissensnachfragen zu generieren [13]. Zur Befriedigung der Anforderungen, die aus der internationalen Zusammensetzung von Projektteams resultieren, ist insbesondere auch auf die sprachlichen Differenzen abzustellen. Hier kann ein multilingualer Thesaurus hinsichtlich der internationalen Nutzung unterstützend wirken. Dabei wird zum Beispiel nach Eingabe eines deutschen Begriffs auf Wunsch gleichzeitig auch nach Synonymen, Oberbegriffen und verwandten Begriffen automatisch mehrsprachig recherchiert. 5. Die Integration von Wissensmanagement und Projektmanagement als evolutionärer Prozess Auch wenn ein elaboriertes Wissensmanagement, das durch leistungsfähige IuK-Technologien unterstützt wird, eine erhebliche Verbesserung der Effizienz des Projektmanagements in Aussicht stellt, wird es in vielen Fällen nicht angemessen sein, gleich zu Beginn die bestmögliche Lösung anzustreben. Das liegt weniger daran, dass eine solche Lösung i. d. R. mit erheblichen Investitionen verbunden ist. Vielmehr ist hier vor allem an Kompetenzen und Einstellungen der Mitarbeiter zu denken, die für die Erfassung, Bewertung und Nutzung von Wissen von elementarer Bedeutung sind. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass jenseits individueller Fähigkeiten der jeweiligen Organisationskultur eine Schlüsselrolle zukommt: Nur wenn es gelingt, ein hinreichendes Teambewusstsein zu entwickeln, sind die Barrieren, die der Preisgabe eigenen Wissens und der Nutzung fremden Wissens im Weg stehen, zu überwinden. Die Entwicklung einer solchen Kultur erfordert Zeit. Aus diesem Grund bietet es sich an, die Anreicherung des Projektmanagements mit Wissensmanagement als einen evolutionären Prozess zu betrachten. Die folgenden vier prototypischen Phasen dienen dazu, diesen Umstand in vereinfachter Weise zu verdeutlichen (Abb. 4). Der Einstieg in diesen Prozess erfolgt in Abhängigkeit von den Voraussetzungen, die ein Unternehmen bereits erfüllt. Ähnliches gilt für das Durchlaufen der Phasen, das mehr oder weniger rasch geschehen kann. Die erste Phase „Informationsmanagement im Projekt“ Netzplan Ausgewählte Objekte Darstellung der Inhalte für den Benutzer Ein Projekt besteht aus null bis vielen Aufgaben. Eine Aufgabe benutzt null bis viele Ressourcen. Eine oder mehrere Organisationseinheiten sind f ü r ein Projekt verantwortlich. Software-Entwicklung ... Jedem Projekt ist genau ein Projektleiter zugeordnet ... Wenn ein Projekt l ä nger als maxDauer l ä uft, ist eine Ausnahme zu generieren. ... Dieses Projekt begann am 20.05.2001. Sein gegenw ä rtiger Zustand ... Peter Berger ist Projektleiter. Die weiteren ..... "erkl ä rt durch" "konkretisiert durch" Projekt 1 Projekt 3 ... Projekt 2 "Software-Entwicklung" "Produktgestaltung" Organisationseinheit Aufgabe Ressource Projekt "Wissen" "Information" Ontologieschicht Dom ä nenschicht Projektschicht Aufgabenstrukturplan Pr ä sentationsschicht Editoren Viewer Abb. 3: Architektur eines „Project Memory and Management System“ (in Anlehnung an [6, S. 338 ]) P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 32 WISSEN verdeutlicht den notwendigen Status quo in Projekten. Sie setzt eine systematische Erfassung von Einzelinformationen im Projekt voraus und ist damit wegbereitend für ein strukturiertes Informationsmanagement. Dazu gehört weiterhin, dass im Sinne eines Berichtswesens festgehalten wird, wer wann in welcher Form und mit welchem inhaltlichen Anspruch Berichte benötigt. Klassischerweise wird dies in Form von Berichtsplänen vorbereitet. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dies in graphischer Form vorzunehmen. Die strukturierte Projektdokumentation ist eine Verdichtung der gesammelten Einzelinformationen und meist für externe Zwecke ausgelegt. Adressaten sind üblicherweise die Projektauftraggeber. Hier wäre ein wünschenswerter Schritt, die Projektdokumentation auch auf interne Zwecke im Sinne von „Was haben wir in diesem Projekt gelernt? “ auszurichten. Dies fokussiert auch die zweite Phase des Vorgehensmodells, indem systematisch abgeschlossene Projekte analysiert werden, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die sinnvoll bei Folgeprojekten eingesetzt werden können. Es handelt sich dabei um eine Ex-ante-Betrachtung von Projekten, die die bereits erwähnten „Lessons Learnt“ hervorbringt. Ein Resultat kann auch die Generierung von Projektphasentemplates sein - z. B. in Form einer standardisierten Vorgehensweise beim Projektstart (Skizzieren der Projektidee, gemeinsame Festlegung von Sach- und Formalzielen anhand von Formularen), falls Erfolg versprechende Muster in den betrachteten Projekten erkannt wurden. Die dritte Stufe der evolutionären Vorgehensweise impliziert den Einsatz eines Wissensmanagementsystems, an dessen Konzeption die Mitarbeiter idealerweise partizipiert haben, in laufenden Projekten, um die strukturierte Erfassung von Projektwissen zu unterstützen. Dazu ist im Vorhinein festzulegen, welche Ziele überhaupt mit dem ermittelten Wissen verfolgt werden sollen, um auch eine zielgerechte Wissenserfassung und -bewertung zu ermöglichen. Wichtig ist dabei, die Ziele aller Nutzer eines Systems im Auge zu behalten. Die kooperative Konzeption und Nutzung eines solchen Systems können Wegbereiter sein für die Entstehung einer Wissenskultur im Projekt oder darüber hinaus im gesamten (projektorientierten) Unternehmen. Die Entstehung einer Wissenskultur ist die höchste Stufe des Vorgehensmodells und bezeichnet einen Zustand, in dem sich organisatorische und technologische Unterstützungsmaßnahmen in ausgewogener Weise ergänzen. Darüber hinaus haben die Nutzer die Sinnhaftigkeit des Wissensmanagementsystems erkannt und persönliche Vorteile identifiziert. 6. Abschließende Bemerkungen Der Hinweis auf die Bedeutung der Erfassung und Wiederverwendung von Wissen ist aus der Sicht eines professionellen Projektmanagements nicht neu. Mit der Betonung des Wissensmanagements in Projekten ist also gewiss kein Paradigmenwechsel des Projektmanagements zu erwarten. Es wäre allerdings falsch, Wissensmanagement deshalb als eine Modeerscheinung mit kurzer Verweildauer abzutun. Im Hinblick auf ein leistungsfähiges Projektmanagement ist es u. E. angemessener, Wissensmanagement als Chance und als Herausforderung zu betrachten. Wissensmanagement ist eine Chance, weil die große Resonanz, die dieses Thema seit einiger Zeit erfährt, zu einer Reihe von Konzepten und (Software-)Werkzeugen geführt hat, deren Nutzung eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Projekten in Aussicht stellt. Gleichzeitig ist Wissensmanagement mit der Herausforderung verbunden, vorhandene Konzepte und Technologien an die spezifischen Anforderungen konkreter Projekte anzupassen. Dabei ist Offenheit gegenüber neuen Formen der Unterstützung des Wissensmanagements wichtig, um den individuellen Bedarfen das bestmögliche Unterstützungsangebot gegenüberstellen zu können. Gleichzeitig empfiehlt sich eine kritische Distanz gegenüber den mitunter wenig seriösen Verlautbarungen von Anbietern einschlägiger „Wissenstechnologien“. Ein wichtiger Grundsatz bei der Einführung eines Wissensmanagementsystems ist sicher das evolutionäre Vorgehen bei der Einführung. Nur dadurch kann Vorsorge getroffen werden, dass Unternehmen und Mitarbeiter langfristig den größtmöglichen Nutzen aus der Unterstützung ziehen und die Systemgestaltung an die individuellen Anforderungen angepasst werden kann. Der Nutzen seitens der Unternehmen wird insbesondere in der qualitativ ausgereifteren Projektdurchführung liegen, da der Rückgriff auf vorhandenes Wissen möglich ist und somit die Zeitspanne, die zur Erarbeitung des Wissens nötig wäre, entfällt. Auf diese Weise werden letztlich eine Kostenreduktion sowie eine höhere Qualität der Projektergebnisse gefördert. Für Mitarbeiter wird der Einstieg in ein lau- Informationsmanagement im Projekt Wissensgenerierung anhand von Referenzprojekten strukturierte Wissensgenerierung in aktuellen Projekten Wissenskultur strukturiertes Berichtswesen strukturierte Projektdokumentation Ex-ante-Betrachtung von Projekten Generierung von "Projekt- Templates" "lessons learnt" Definition von Wissenszielen dezentrale Wissenserfassung Anwendung von "best practices" Einbeziehung aller Hierarchiestufen organisatorische und technologische Ma ß nahmen sind etabliert Offenheit und Vertrauen als Leitlinie • • • • • • • • • • • Abb. 4: Skizze eines Vorgehensmodells P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 33 fendes Projekt erleichtert, da inhaltliches und methodisches Wissen explizit und transparent vorliegt. Dies kann auf der Mitarbeiterseite zu einer höheren Zufriedenheit führen, indem Unsicherheiten entgegengewirkt wird. Schließlich läge das für die Aufgabenerfüllung notwendige Wissen vielfach bereits vor. Hinsichtlich der Anwendung des Projektwissens eröffnen sich nicht nur Potenziale in laufenden Projekten, sondern dieser Punkt ist insbesondere für Folgeprojekte relevant. Neben den genannten Vorteilen für Unternehmen und Projektmitarbeiter sind Unternehmen mit einem projektbezogenen Wissensmanagement natürlich auch interessante Partner für eine Kooperation im Rahmen virtueller Organisationsformen. Gerade die Kooperation mehrerer Unternehmen zeigt nachhaltig den Nutzen einer strukturierten Projektdurchführung und -dokumentation, da sie zu einer deutlichen Verringerung von Reibungsverlusten an den zwischenbetrieblichen Schnittstellen beitragen. Unserer Einschätzung nach werden Unternehmen, die im Rahmen ihrer Projekte eine methodische Vorgehensweise bei der Planung und Durchführung von Projekten insbesondere auch auf dem Gebiet des Projektinformationsmanagements verfolgen, früher oder später die Potenziale des Wissensmanagements erkennen. ■ Literatur [1] Balck, H.: Projects as a Form of Change. In: Gareis, R. (Hrsg.): Handbook of Management by Projects. Manz, 1990, S. 22-28 [2] Bergmann, K.: Die Bausteine des Wissensmanagements. In: Report Wissensmanagement. Symposion, 1999 [3] Birker, K.: Projektmanagement. Cornelsen, 1995 [4] Blessing, D./ Riempp, G.: Structuring Business Engineering Knowledge - Reference Solution and Application. Erscheint in: Proceedings des International Symposium on Information Systems and Engineering. Las Vegas 2001 [5] Böhmann, T./ Krcmar H.: Werkzeuge für das Wissensmanagement. In: Report Wissensmanagement. Symposion, 1999 [6] Frank, U./ Fraunholz, B./ Schauer, H.: A Multi Layer Architecture for Integrated Project Memory and Management Systems. In: Khoshrow-Pour, M. (Hrsg.): Managing Information Technology in a Global Economy. Proceedings of the 2001 Information Resources Management Association International Conference, Toronto, Ontario, Canada. Idea Group Publishing, Hershey, London et al. 2001, S. 336-340 [7] Jost, A.: Computer Aided Selling im Pharma-Kundenmanagement. DUV, 1998. [8] Lange, F.: Wissensmanagement in der Investitionsgüterindustrie. Kienbaum Management Consultants, Düsseldorf, 1999 [9] Luhmann, N.: Die Wissenschaft der Gesellschaft. 2. Auflage, Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt/ M. 1994 [10] Probst, G./ Romhardt, K.: Bausteine des Wissensmanagements. In: Wieselhuber (Hrsg.): Lernende Organisation. Gabler, 1997 [11] Reichwald, R./ Möslein, K./ Sachenbacher, H./ Englberger, H./ Oldenburg, S.: Telekooperation. Springer, 1998 [12] Schönert, S./ Hampe, J. F.: Communication based knowledge management in virtual projects. In: Proceedings des International Symposium on Information Systems and Engineering. Las Vegas 2001 (in Vorbereitung) [13] Schönert, S.: Kommunikationsbasiertes Wissensmanagement in Projekten. In: Tagungsband zur 5. Internationalen Tagung Wirtschaftsinformatik. Augsburg 2001 (in Vorbereitung) Schlagwörter Projektmanagement, Vorgehensmodell, Wissensmanagement, Wissensmanagementsystem Autor Prof. Dr. Ulrich Frank ist Professor für Wirtschaftsinformatik am Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik der Universität Koblenz-Landau. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die konzeptionelle Unternehmensmodellierung und das betriebliche Wissensmanagement. Anschrift Universität Koblenz-Landau Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik Rheinau 1 D-56075 Koblenz Tel.: 02 61/ 2 87 25 20 Fax: 02 61/ 2 87 25 21 E-Mail: ulrich.frank@uni-koblenz.de Autorin Dipl.-Inform. Silke Schönert ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig am Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik der Universität Koblenz-Landau. Neben Lehre und Forschung ist insbesondere die Leitung des Kooperationsprojektes CCIRP (Communication Center Initiative Rheinland-Pfalz) des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau sowie des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit und der Universität Koblenz-Landau ihr Aufgabenschwerpunkt (http: / / www.unikoblenz.de/ ~ccirp). Anschrift Universität Koblenz-Landau Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik Rheinau 1 D-56075 Koblenz Tel.: 02 61/ 2 87 25 20 Fax: 02 61/ 2 87 25 21 E-Mail: schoen@uni-koblenz.de