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UVK Verlag Tübingen
61
2002
132 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 4 REPORT A utomobilbranche, Informationstechnologie, Finanzdienstleistung, Biotechnologie und Telekommunikation - weltweit holen diese Branchen beim Projektmanagement derzeit kräftig auf. „Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese Branchen überhaupt Marktplatz für Projektmanager: Eine Ausstellung informiert beim Weltkongress über neue Produkte und Dienstleistungen. Praxisbeispiele und Forschungsergebnisse zum Projektmanagement-Weltkongress in Berlin 1.200 Projektmanager aus aller Welt zu Gast - Premiere: Awardverleihung Oliver Steeger Für das Projektmanagement-Mega-Meeting hat die GPM Deutschlands größtes Hotel angemietet. Rund 1.000 Projektmanagement-Experten aus 40 Nationen treffen sich zum „16. IPMA Weltkongress für Projektmanagement 2002“ in Berlin. Vom 4. bis 6. Juni 2002 werden die Experten Trends, Nachrichten, Neuentwicklungen und Praxisbeispiele aus der Welt des Projektmanagements vorstellen. Das Programm: Rund 80 Vorträge und Workshops mit 170 Referenten stehen auf dem Programm. Höhepunkt wird die erstmalige Verleihung des „Internationalen Projektmanagement Award“ sein. Damit ist es der GPM zum zweiten Mal gelungen, den bislang alle zwei Jahre stattfindenden Weltkongress nach Deutschland zu holen. Zuletzt hatte er in London stattgefunden. - Eine Vorschau von PM-Redakteur Oliver Steeger. Projektmanagement anwenden“, erklärt GPM-Vorstand Roland Ottmann, „entscheidend ist, wie gut sie es tun.“ Eine erste globale Übersicht über den aktuellen Stand des Projektmanagements wird der „16. IPMA Weltkongress für Projektmanagement 2002“ (4. bis 6. Juni Foto: Estrel, Berlin P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 5 2002, Berlin) geben. „Wir erwarten zum Kongress sowohl reine Praktiker als auch Vordenker und Wissenschaftler“, betont GPM-Vorstand Dr. Ulrich Wolff. Er erwartet, dass die Diskussionen sich - passend zum weltweiten Meeting - um die Internationalisierung des Projektmanagements drehen werden, einen Trend, der die Szene beschäftigt. Hintergrund: Zunehmend müssen sich die Projektlenker mit international besetzten Teams, Auslandseinsatz und fremden Arbeitsmentalitäten auseinander setzen. „Die Globalisierung erreicht jetzt das Gros der Projektmanager“, betont Dr. Wolff. NASA, Hewlett Packard, Credit Suisse und Cisco Systems Auf dem Programm des Berliner Weltkongresses stehen rund 80 Vorträge und Workshops mit 170 Referenten. So werden der Kreativitäts-Papst Edward de Bono, der NASA-Astronaut Bernard Harris, Projektmanagement- Romancier Tom DeMarco sowie der weltweit erfahrene Projektmanager Martin Barnes (Großbritannien) sprechen. Weitere Referenten erwartet die GPM unter anderem aus den USA, Australien, Österreich, Südafrika, Großbritannien, Indien, Frankreich, Italien, Ägypten, Schweden, Malaysia, Belgien, Finnland und Russland. Projektmanagement-Fachleute entsenden beispielsweise die Stanford University, die NASA, Viag Interkom, Hypo Vereinsbank, Europäische Zentralbank, Infineon, die Credit Suisse Group, Hewlett Packard, Deutsche Bahn, Cisco Systems, Nortel Networks. Mit Nachrichten aus der Wissenschaft haben sich Experten von den Universitäten Rom, Helsinki, Neapel, Manchester und Sydney angemeldet. Gegliedert ist das umfangreiche Programm in fünf Themenschwerpunkte. So werden Teilnehmer zu den Branchen Informationstechnologie/ Neue Medien/ Telekommunikation, Biotechnologie/ Chemie/ Pharmazie, Automotive-Industrie sowie Finanzdienstleistung diskutieren. Ergänzend als fünfter Schwerpunkt steht das Thema „Innovation und Kompetenz für Projektmanagement“ auf dem Programm. Als Hauptsponsoren gewann die GPM Volkswagen und Siemens Business Services. Zudem unterstützen die Deutsche Bahn, klee.ac - advanced communication und scitor den Kongress. Die „IPMA International Project Management Association“ als Trägerin des Kongresses ist ein Dachverband von rund 30 nationalen Projektmanagement-Fachverbänden. Bislang fand der Weltkongress alle zwei Jahre statt, zuletzt in London. „Projektmanagement-Oscar“ erstmals weltweit Als Höhepunkt des Berliner Weltkongresses gilt die Verleihung des „Internationalen Projektmanagement Award“. Um den „Projektmanagement-Oscar“, mit dem die GPM seit 1997 Spitzenleistungen im Projektmanagement belohnt, ringen erstmals Teams aus aller Welt. Otto Zieglmeier, Assessor seit 1997, hat im vergangenen Jahr als „International PM Award Lead-Trainer“ mit Roland Ottmann, Dr. Olaf Pannenbäcker und Professor Nino Grau 61 Assessoren aus 16 Ländern ausgebildet, ein Team, das derzeit die Projekt-Weltelite besucht. Danach entscheidet die Jury über „Platz und Sieg“. - Indes, der Fachverband wertet diese Projektmanagement-Olympiade letztlich nicht nur als Leistungsmesser. Vielmehr bestehe die Chance, von den besten Projektteams zu lernen. So werden das Gewinnerteam und die Preisträger auf dem Kongress berichten, wie sie ihre Projekte gemeistert haben. Im letzten Jahr hatte BMW für ein groß angelegtes Kundenservice-Projekt die Wandertrophäe errungen. Als Preisträger gingen 2001 DaimlerChrysler und die Telekom-Tochter T-Systems aus dem Wettbewerb des Fachverbands hervor. Projektmanager vor internationalen Aufgaben Sorgen bereitet der GPM im Augenblick, dass viele deutsche Projektmanager auf internationale Aufgaben nicht vorbereitet sind. Immer mehr Projektmanager werden im Ausland eingesetzt oder müssen in Deutschland international zusammengesetzte Teams führen. „Das kann derzeit Herausforderung für jeden Projektmana- Die Automotive-Industrie als einer von fünf Themenschwerpunkten des Projektmanagement-Weltkongresses Foto: Volkswagen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 6 REPORT Projektmanagement in Biotechnologie, Chemie und Pharmazie: Einer von fünf großen Themenstreams auf dem IPMA-Weltkongress Foto: Bayer ger werden“, hat Professor Heinz Schelle von der Universität der Bundeswehr (München) beobachtet. Berüchtigt ist der „Kulturschock“: Kaum im Gastland gelandet, müssen sie ihr Projekt starten. Zum Akklimatisieren bleibt kaum Zeit. Auch die sonst eingeräumte Hundert-Tage-Schonfrist gilt nicht. Und: Selbst wenn Projektmanager in Deutschland arbeiten, kann sie die Globalisierung einholen. „Unternehmen kaufen Experten auf dem weltweiten Markt ein“, hat Professor Heinz Schelle beobachtet. Dann müssen sich Projektmanager mit fremden Arbeitsstilen, Kulturen und Mentalitäten arrangieren - in Deutschland! So werden Experten auf dem Kongress Erfahrungen mit globalen Projektorganisationen und „gemischten Teams“ vorstellen. Beispielsweise berichten Susan Vonsild und Merete Barstadt über multikulturelles Management in einem Projekt der skandinavischen Finanzwirtschaft. Hier waren bereits zwischen Nachbarländern Differenzen in der Arbeitsmentalität aufgetreten. „Trend-Thema“ Kompetenznachweis für Projektmanager Neben internationaler Arbeit gilt in Fachkreisen derzeit der Projektmanagement-Kompetenznachweis als „heißes Thema“. Auftraggeber und Kunden fordern zunehmend ihre Lieferanten auf, Projektmanagement-Kompetenz zu belegen. Der Nachweis, dass die Projektmanager ihr Handwerk beherrschen, kann in Zukunft obligatorisch werden. Ein Trend sei, so Experten, für einige Branchen abzusehen. Das Problem: Bislang gilt Projektmanagement nur als Zusatzqualifikation, die Fachkräfte meist berufsbegleitend erwerben. „Offizielle Diplome“ existieren noch nicht. Doch haben Projektmanager die Möglichkeit, ihre Methodenkenntnisse und Projekterfahrung von unabhängiger Seite prüfen und zertifizieren zu lassen. So weist das Zertifikat der GPM-eigenen Zertifizierungsstelle PM-ZERT Projektmanager in 29 Ländern als „sattelfest“ aus. Als weitere Trendthemen werten die Kongressveranstalter Multiprojektmanagement sowie virtuelle Projekte, bei denen Teams weltweit verteilt über Internet, Videokonferenz und Telefon zusammenarbeiten. „Bei der virtuellen Teamarbeit setzen sich gerade die Neuen Medien wie Internet im Projektmanagement durch“, erläutert Professor Schelle, „hier können Teams im Internet quasi ihre Zelte aufschlagen, Projektbüros einrichten und miteinander konferieren.“ Die angebotene Technik sei erstaunlich ausgereift. Zugleich aber müsse das Team auf diese virtuelle Arbeit vorbereitet werden, und da vermelde die Projektmanagement-Szene Nachholbedarf. P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 7 „Young Crew Initiative“ auf Kongress Erstmals bezieht die GPM den Projektmanagement-Nachwuchs ins Kongressgeschehen ein. Mit ihrer „Young Crew Initiative“ gibt der Fachverband Studenten und jungen Projektmanagern eine Chance. Beispielsweise konnten sich Studenten mit Fachbeiträgen an einem Sponsoring-Wettbewerb beteiligen und freien Eintritt gewinnen. Spezielle Workshops an zwei Tagen vor Kongressbeginn werden zudem den Nachwuchs fachlich einbinden. Für den Weltkongress hat die GPM international die Werbetrommel gerührt. Mit einer Roadshow warb sie in Zürich, London, Paris und Stockholm für das Mega-Meeting. 35.000 Einladungskarten sind an Experten in aller Welt unterwegs. „Bewusst haben wir für den Weltkongress Berlin gewählt“, erklärt Roland Ottmann. Mit seinen Bau- und Verkehrsprojekten gilt die Bundeshauptstadt unter Projektmanagern weltweit als Boomtown. Ottmann: „Auch in der Informationstechnologie, Telekommunikation und Pharmatechnologie hat Berlin einiges für die Projektmanagement- Szene zu bieten.“ So organisiert die GPM Besichtigungstouren zu Großprojekten der Stadt, darunter zum Lehrter Bahnhof und zur Cargo-Lifter-Zeppelinwerft. Weitere Informationen: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Geschäftsstelle, Max Schmidt, Roritzerstr. 27, 90419 Nürnberg, Tel.: 09 11/ 3 93 14 99, Fax: 09 11/ 3 93 14 98. 170 Referenten aus 39 Ländern: Auf dem „16. IPMA Weltkongress für Projektmanagement 2002“ in Berlin trifft sich die Welt des Projektmanagements. Foto: Lufthansa Foto: Estrel, Berlin Dialog zum Projektmanagement: Wohin führen die Trends? Welche Ergebnisse bietet die Forschung? Was berichten Unternehmen aus ihrer Praxis? ■ P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 8 REPORT Weltweite Wirtschaft honoriert Projektmanagement „made in Germany“ Hervorragende Ausbildung, saubere Methodik und gute Führung Oliver Steeger Im Juni trifft sich in Berlin die Projektmanagement-Szene zum IPMA-Weltkongress. Neben Fachdiskussionen steht erstmals internationales Projektmanagement-Benchmarking auf dem Kongressprogramm: Der „Internationale Projektmanagement Award“ wird verliehen. In der weltweiten Konkurrenz haben deutsche Projektmanager eine gute Startposition, meinen Beobachter. Lob und Anerkennung für „Projektmanagement made in Germany“ kommen zumeist aus dem Ausland. Dort haben sich deutsche Projektmanager - hierzulande unbemerkt - einen guten Ruf erarbeitet. D as schamvolle Neigen des Kopfes wird zum Reflex. In Sachen Wirtschaft halfterte Deutschland von Europas Lokomotive zum Bremser ab. Im weltweiten Ranking purzelte die einstige Vorzeigerepublik mit der starken Mark kräftig zurück. Selbst der deutsche Wirtschaftsnachwuchs gilt seit der PISA-Studie mehr als Schandfleck denn als Hoffnungsträger. Also beschämt Sack und Asche tragen, wenn im Juni rund 1.000 Projektmanager aus 40 Nationen nach Berlin einfliegen und sich die Welt des Projektmanagements in der Bundeshauptstadt trifft …? Fachleute haben beobachtet: Im Vergleich mit anderen Ländern spielt Deutschland in der Weltklasse, in manchen „Disziplinen“ könnten deutsche Projektmanager sogar Olympiamedaillen erringen. Die Gäste aus aller Welt wissen dies. Nur die Deutschen nicht. „Wir brauchen uns mit unserem Projektmanagement keineswegs zu verstecken“, fasst Projektmanagementexperte Klaus Pannenbäcker seine Beobachtungen zusammen. GPM-Vorstand und PM-Award-Manager Roland Ottmann stimmt zu: „Bei der Frage des Weltniveaus sollten wir unser Licht nicht immer unter den Scheffel stellen.“ Ähnlich resümiert Projektmanagementexperte Otto Zieglmeier seine internationalen Erfahrungen: „Man schätzt im Ausland häufig sowohl die Kompetenz als auch die Person deutscher Projektmanager.“ Die Propheten bleiben, wie so häufig, im eigenen Lande ungehört. Derweil man zwischen Flensburg und München bestenfalls mahnt, die deutsche Projektkompetenz nicht kleinzureden, zollt die Welt deutschen Projektmanagern offene Anerkennung. Auch die menschliche Sympathie haben die Projektmanager aus dem einstigen Wirtschaftswunderland gewonnen. Das hat man in Ägypten, Syrien, in der Ukraine, Russland und Kroatien begriffen. Hier stößt es noch immer bei der Wirtschaft auf taube Ohren. Konkrete Kennzahlen, wo und wie hoch deutsche Projektmanager im weltweiten Vergleich punkten, gibt es bislang nicht. Erstmals mit dem „Internationalen Projektmanagement Award“, der auf dem Projektmanagement-Weltkonkress verliehen wird, treten internationale Teams im Wettstreit an und lassen ihr Projektmanagement bewerten. Aus welcher Nation das Siegerteam kommen könnte - dazu schweigen sich die Fachleute aus. Den heimischen Bewerbern attestieren sie dennoch gute Chancen. Ein Grund: Im weltweiten Vergleich sind deutsche Projektmanager hervorragend qualifiziert. „Das Projektmanagement kann nur so gut sein, wie Projektverantwortliche vom Team und von Auftraggebern als Führungskraft anerkannt sind“, meint Klaus Pannenbäcker. Gerade der GPM-Standardlehrgang, der „Projektmanagement-Fachmann“, vermittle nicht nur Fachwissen, sondern trainiere auch die Führungspersönlichkeit. Deutsche Projektmanager brauchen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Besonders die Kompetenz steht hoch im Kurs. Experte Klaus Pannenbäcker: „Einzigartig an dem deutschen Qualifizierungskonzept ist, dass wir nicht Methodiker fabrizieren, sondern zur Führungskraft heranbilden und praktisch qualifizieren.“ Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 9 Deutsche Unternehmen, die international operieren, fragen derzeit nach einer englischsprachigen GPM-Ausbildung zum Projektmanager. In Ungarn wurde der Projektmanagementfachmann eins zu eins übersetzt und übernommen. Pannenbäcker: „Ausbildung zum Projektmanagement haben viele. Einzigartig an unserem Weg ist, dass wir nicht Methodiker fabrizieren, sondern zur Führungskraft heranbilden und praktisch qualifizieren.“ So müsse jeder Absolvent des Lehrgangs (neben einer fünfstündigen Fachprüfung) ein eigenes Arbeitsprojekt bearbeiten. Wissen, praktische Erfahrung und persönliche Führungskompetenz bilden die Trias, mit der deutsche Projektmanager weltweit Renommee einholen. „Project Management made in Germany“ ist auch in anderer Hinsicht global im Aufwind. Deutsche Sorgfalt genießt hohes Ansehen. Profunde Methodenkenntnis im Projektmanagement und eine saubere Projektmanagement-Sprache schaffen zusätzlich Vertrauen und lassen beispielsweise Investoren, die sich nach der Projektleitung erkundigen, aufhorchen. Ein guter Projektmanager, heißt es, weiß, was er tut. Wenn da Projektfachleute aus England oder den USA an dem deutschen Kritisches Feedback aus anderen Kontinenten: „Objektverliebtheit“ sagt man deutschen Projektmanagern nach. Sie bewegen sich zu sehr im Spannungsfeld von Qualität und Terminen. Der Gedanke ans Geschäftliche bleibe dabei mitunter zurück. Budget und Profitabilität seien mehr Sache anderer Nationen. Foto: Hochtief Kollegen vorbeiziehen, hängt dies häufig auch mit dem Sprachenproblem zusammen. „Native Speaker gelten als erste Wahl“, hat Pannenbäcker beobachtet, „ein arges Handicap für die deutschen Projektmanager in internationalen Projekten.“ Weiterer Pluspunkt für deutsche Projektmanager: Sie haben verinnerlicht, Projektgeber ins Boot zu holen - ein Schachzug, mit dem sie internationale Konkurrenz ausstechen. „Deutsche gelten als harmonieorientierte Projektführer“, meint Pannenbäcker. So seien die Deutschen wesentlich zögerlicher mit Claimmanagement als beispielsweise Amerikaner. Statt Nachforderungen zu stellen, regeln sie vieles auf dem Weg der Kulanz und eines Ausgleichs am Projektende. Andere Nationen gehen wesentlich offensiver in Konflikte. Indes, im Ausland gelten deutsche Projektmanager nicht durchgängig als Musterknaben. Methodensicherheit, Umgänglichkeit und Kulanzdenken - eben diese Sympathiepunkte werfen schnell Schatten, wenn es um die Wirtschaftlichkeit eines Projekts geht. Deutsche stehen im Ruf, viele Geschäfte quasi mit Handschlag zu besiegeln - zu Lasten hieb- und stichfester Verträge und schriftlicher Vereinbarung. Eine gewisse „Objektver- P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 10 REPORT liebtheit“ und Freude am Technischen sagt man ihnen nach. Dabei bleibe mitunter der Gedanke ans Geschäftliche zurück. Sie bewegen sich zu sehr im Spannungsfeld von Qualität und Terminen. Budget und Profitabilität seien mehr Sache anderer Nationen. US-amerikanische Projektmanager sehen sich in erster Linie als Vertragserfüller, dann erst als Macher, die technische Visionen umsetzen. „Auch beim Costreporting schneiden Deutsche im weltweiten Kontext unterdurchschnittlich ab“, ist Klaus Pannenbäcker überzeugt. Bei der Frage, was im Projekt an „Geldwert“ bereits erreicht sei, müssen deutsche Projektmanager häufig mit den Achseln zucken. Schon die Erkundigung nach dem bislang aufgezehrten Budget bringe manchen Projektverantwortlichen ins Rudern. Der in den anglo-amerikanischen Ländern selbstverständliche Begriff „earned value“ stelle hierzulande sogar langjährige Projektprofis vor ein Rätsel. Wie weit das Projekt fortgeschritten ist, das wissen sie, nicht aber, welchen wirtschaftlichen Wert sie bereits erreicht haben. Weiteres Indiz für das ausgeprägte Kostendenken anderer Projektmanagement-Nationen: Die Rolle des „Cost- Engineers“ ist hier unbekannt. Cost-Engineers sind eine Mischung aus Wirtschaftsingenieur und Buchhalter. Sie erstellen beispielsweise Kalkulationsgrundlagen für Einzelleistungen und Gewerke im Projekt. Die Kostentüftler können beispielsweise aus den Erfahrungen anderer Projekte zuverlässige Daten ermitteln, die der Kalkulation einzelner Arbeitspakete zugrunde gelegt werden. Auch beim Projektmonitoring spielen die Kostenspezialisten eine zentrale Rolle. „Cost-Engineers sind in anglo-amerikanischen Ländern häufig stellvertretende Projektleiter“, weist Klaus Pannenbäcker auf die hohe Position der Fachleute für Finanzielles hin. So hätten sich werden kann. „Das ist bei anglo-amerikanisch geprägten Projekten durchaus üblich, wenn die Arbeiten ins Stocken geraten“, weiß Klaus Pannenbäcker. Ein fliegender Tausch, der hier unmöglich wäre oder zumindest einem Pferdewechsel bei vollem Galopp gleichkäme. Für Amerikaner gilt: Ein in seinem aktuellen Projekt „verbrauchter“ Projektleiter ist willkommener Retter in einem anderen Projekt mit Schieflage. Deutsche Projektleiter führen tendenziell persönlicher - mit allen Vorteilen und Nachteilen. „Besonders die menschliche Komponente und die Nestwärme werden im Ausland honoriert“, hat Pannenbäcker festgestellt. Zugleich gelten Deutsche als angenehm berechenbar. Sie folgen immer, so pointierte ein ägyptischer Projektmanager gegenüber einem deutschen Kollegen, rechtwinklig den gekiesten Wegen. Sie wagen es nie, „quer“ über die Wiesen zu gehen. Der deutsche Kollege gab zurück: Bei aller Bescheidenheit, das wagen wir denn doch. Im Notfall. Und dann nur nachts. ■ Methodenkompetenz und Führungsqualität „made in Germany“ sind weltweit geschätzt. Deutsche Projektfachleute punkten mit Zuverlässigkeit und Sorgfalt. Foto: Hochtief rund 100.000 dieser hierzulande raren Spezialisten zu einem weltweiten Verband zusammengeschlossen und unterstützen sich in diesem Netzwerk gegenseitig beispielsweise mit Informationen über lokale Kosten und Preise. Als den Deutschen überlegen gelten andere Projektmanagement-Nationen auch beim Reporting. Das Berichtswesen in Deutschland gilt als sehr personenorientiert und wenig schematisiert. Derweil deutsche Projektmanager zu einer individuellen Handschrift neigen, arbeiten Amerikaner gerne mit eingängigen Graphiken und Symbolen. Das Ampel- Schema, das den Status von Teilprojekten wiedergibt, gilt als typisch amerikanisches Werkzeug: Bei „green“ ist alles im Lot. „Yellow“ bedeutet: „We have some trouble.“ Und Rotsignal vermeldet ein „we are blocked“. Nichts geht mehr. Diese Vereinfachung und Schematisierung machen Projekte extrem transparent und übersichtlich, sogar so übersichtlich, dass mitten im Projekt die Führungscrew ausgetauscht P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 11 Oliver Steeger Noch gibt es nur Beobachtungen, keine handfesten Daten und Fakten. Niemand weiß genau, wie gut deutsches Projektmanagement im internationalen Maßstab abschneidet. Erste Hinweise wird der „Internationale Projektmanagement Award“ liefern, den die GPM auf dem „16. IPMA Weltkongress für Projektmanagement 2002" (Berlin, 4. bis 6. Juni 2002) verleiht. GPM-Vorstand und Award-Manager Roland Ottmann wertet den Wettstreit um den Projektmanagement-Oscar allerdings nicht als PM-Olympiade. Ihm geht es darum, dass die globale Projektmanagement-Szene von den Allerbesten lernen kann. „Deutsche Projektmanager sollten ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen.“ GPM-Vorstand Roland Ottmann im Gespräch Herr Ottmann, die Schreckensmeldungen der Konjunkturforscher verunsichern Projektmanager. Über die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft legt sich ein Schatten. Gilt das auch für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Projektmanagements? Roland Ottmann: Wie gut oder weniger gut das deutsche Projektmanagement im internationalen Vergleich ist - dazu ist mir leider keine Studie bekannt. Mir fehlen im Augenblick wesentliche Elemente, um aus einer rein subjektiven Wahrnehmung zu einem objektiven Vergleich zu kommen. Ich erhoffe mir aber vom „Internationalen Projektmanagement Award“ hierzu hilfreiche Erkenntnisse. Wie das? Roland Ottmann: Wir haben den einheitlichen Bewertungsansatz Project Excellence. Nach diesem Raster werden wir international laufende Projekte vergleichen. Auch die Assessoren, die diesen Vergleich durchführen, sind gleich ausgebildet. Durch den Wettbewerb können wir also eine gute Grundlage erwarten, um die Frage nach deutscher Wettbewerbsfähigkeit zu beantworten. Haben Sie schon Hinweise oder Vermutungen, wie die Deutschen abschneiden können? Roland Ottmann: Nein, keine Hinweise. Ich bitte um Geduld bis zum Juni. Nicht einmal eine Beobachtung oder Tendenz, wo wir im globalen Wettbewerb stehen? Roland Ottmann: Ich meine, bei der Frage des Weltniveaus brauchen wir unser Licht nicht immer unter den Scheffel zu stellen. Sicherlich gibt es vieles zu verbessern. Aber vielleicht sind es ja auch deutsche Projekte, die zeigen, was anderswo verbessert werden kann. Deutsche Projektmanager brauchen die internationale Konkurrenz nicht zu fürchten. Dennoch sieht GPM-Vorstand Roland Ottmann „Nachholbedarf“: „Im weltweiten Vergleich tun sie sich tendenziell schwer damit, sich, ihr Team und ihren Projekterfolg zu vermarkten.“ Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 12 REPORT Wie wichtig ist wirklich dieses internationale Benchmarking? Sehen wir mal vom sportlichen Ehrgeiz ab … Roland Ottmann: Zunächst einmal, heute stellt sich nicht mehr die Frage, ob Projektmanagement überhaupt angewendet wird. Entscheidend ist, ob das angewandte Projektmanagement gut genug ist. Wenn wir das internationale Projektmanagement im Wettbewerb vergleichen, geht es darum, vom Anderen zu lernen. Am meisten lernt man natürlich von den Besten. Und diese Elite müssen wir aufspüren - weltweit! Wir werden mit dem Award die besten Projektteams kennen lernen, die „Hidden Champions“ unserer Wirtschaftswelt. Anschließend müssen wir die Vorgehensmodelle und Verfahrensweisen der Besten anderen Projektmanagern und Unternehmen zugänglich machen. So verstehe ich Wettbewerb. Wir sprachen vom Projektmanagement. Wechseln wir zu den Agierenden, den Projektmanagern. Gute Ausbildung vorausgesetzt: Haben deutsche Projektmanager Anschluss ans Weltniveau? Roland Ottmann: Ich gebe Ihnen zwei Beispiele, zwei Projektmanager, die mit ihrem Team in den letzten Jahren beim Deutschen Projektmanagement Award ganz vorne waren. Die beiden Projektmanager zeichnen sich unter anderem durch eine fundierte Ausbildung in ihrem Fachgebiet, gute betriebswirtschaftliche Kenntnisse und die Beherrschung der englischen Sprache aus. Beide leiten heute in den USA große Projekte und sind dort als Partner völlig anerkannt. Was müssten deutsche Projektmanager tun, um ihnen nachzueifern? Roland Ottmann: Nachholbedarf besteht nach meiner Beobachtung am stärksten im Bereich der Vermarktung. Projektleiter müssen lernen, Marketing zu betreiben. Marketing für sich selbst, für ihre Mitarbeiter und für die erbrachten Leistungen, die Projekterfolge. Was das Marketing betrifft, da müssen wir in der Tat noch hart an uns arbeiten. Projektmanager auf Seite eins der Wirtschaftsmagazine - oder wie darf ich das verstehen? Roland Ottmann: Nein, damit würden Sie mich missverstehen. Ich will keine Selbstdarsteller ohne inhaltliche Argumente. Wir brauchen bessere Darsteller und Verkäufer von guter Leistung. Das ist ein völlig legitimes Ansinnen, das Projektmanager anderer Länder sehr gut beherrschen. Welche globalen Projektmanagemententwicklungen haben Sie in den letzten fünf Jahren beobachtet? Roland Ottmann: Die Frage stellt sich mir anders. Wie wirken sich die weltweiten Entwicklungen auf unser Projektmanagement aus …? Einverstanden, drehen wir die Frage so! Roland Ottmann: Was für Projektmanagement wichtig ist: Deutschland und auch andere Länder haben sich vom Produktlieferanten zum Systemlieferanten entwickelt. Das ist eine Riesenchance für uns Projektmanager, fordert aber auch eine ganze Menge von uns. Zum Beispiel? Roland Ottmann: Wir müssen über unsere Grenzen hinweg Projekterfolge realisieren. Das bedeutet mehr, als Prozesse zu beherrschen und vernünftige Strukturen für Organisation von Projekten aufzubauen. Wir müssen im Projektmanagement lernen, multikulturellen und sprachlichen Herausforderungen zu begegnen. Schulenglisch wieder hervorholen? Roland Ottmann: Nein, wesentlich mehr als nur Schulenglisch. Bleiben wir aber beim Englisch. Für den deutschen Projektmanager ist die „PM-Sprache“ längst fixiert - ohne fließend gute englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift (wie das so schön heißt) wird in naher Zukunft nichts mehr laufen. ■ P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 13 Oliver Steeger Projektmanagement-Berater Otto Zieglmeier hat in seinem internationalen Netzwerk nachgeforscht: Ausländische Kollegen zeichnen ein gutes Bild des deutschen Projektmanagers. Gut ausgebildet sei er, methodenkompetent und zuverlässig. Doch kein Licht ohne Schatten. „Man sagt deutschen Projektleitern auch eine etwas zu starke Technikverliebtheit und eher weniger pragmatischen ökonomischen Sinn nach“, meint Otto Zieglmeier. „Das Ausland schätzt deutsche Projektmanager! “ Interview mit Projektmanagement-Berater Otto Zieglmeier Herr Zieglmeier, das deutsche Niveau des Projektmanagements verglichen mit dem weltweiten Projektmanagement - wo stehen wir? Otto Zieglmeier: Wo wir genau stehen, lässt sich kaum messbar ausdrücken. Es ist ohnehin ein Problem, von dem Projektmanagement so allgemein zu sprechen. Nun, langsam. Man spricht ja auch von dem Niveau des deutschen Fußballs. In diesem Sinne ist die Frage gemeint. Otto Zieglmeier: Legen wir meine Beobachtungen, Erfahrungen und das, was ich von ausländischen Kollegen erfahre, zugrunde, dann nehmen wir eine anerkannte gute Position ein. Man schätzt die Qualität unserer Projektmanagement-Arbeit, dabei stehen der Methodik-Mix und die Zuverlässigkeit in der Umsetzung im Vordergrund. Damit können wir weltweit konkurrieren. Besonderes Augenmerk müssen wir in diesem Zusammenhang auf gute Sozialkompetenz der Projektmanager richten. Zudem sind internationale Erfahrung und Fremdsprachen entscheidend für unseren Erfolg in interkulturellen Projekten. Also durchaus Chancen für eine Weltmeisterschaft, wenn es sie gäbe? Otto Zieglmeier: Ja, gute Chancen. Eine Art Weltmeisterschaft gibt es ja. Wir haben den „Internationalen Projektmanagement Award“ der GPM. Hier stellen sich Projektteams dem internationalen Vergleich. Das Thema internationales Benchmarking scheint an Bedeutung zu gewinnen, nicht zuletzt auch des Awards wegen? Otto Zieglmeier: Auf jeden Fall. Ich habe beobachtet, dass das Thema Projektmanagement in vielen anderen Ländern in den letzten Jahren stark an Interesse und Bedeutung gewonnen hat. Das gilt nicht nur für die klassischen Industrienationen. Auch in osteuropäischen Ländern, in Asien und im mittleren Osten erkennt man die Bedeutung des Projektmanagements. Der globale Wettbewerb und die Zusammenarbeit in Projekten mit Otto Zieglmeier, Projektmanagement-Berater und GPM-Experte für internationales Projektmanagement Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 14 REPORT den Industrienationen erfordern Bestleistungen. Benchmarking spielt dabei eine große Rolle. Projektteams und Unternehmen wollen wissen, wo ihr Projektmanagement steht und wie sie sich verbessern können. Ein Benchmarking-Boom? Otto Zieglmeier: Kein Boom, aber ein starker Trend. Begünstigt wird dies von der Qualitätsmanagement-Bewegung, die sich ja fast weltweit verbreitet hat. Ich sehe nur die Gefahr, dass mancherorts das Pferd von hinten aufgezäumt wird. Bevor man Benchmarking betreibt, muss man Projektmanager fundiert ausbilden. Also erst Qualifizierung, dann Benchmarking. Benchmarking liefert harte Vergleichsfakten. Doch es gibt auch so etwas wie ein Image, das deutsche Projektmanager und deutsches Projektmanagement im Ausland haben. Wie schätzt man uns ein? Otto Zieglmeier: Deutsche Projektmanager gelten im Ausland als methodensicher und gut, teilweise exzellent ausgebildet. Wir hatten beispielsweise bei der GPM kürzlich eine chinesische Delegation zu Gast, die sich nach unserem Projektmanagement erkundigte. Man sagt deutschen Projektleitern eine etwas zu starke Technikverliebtheit und eher weniger pragmatischen ökonomischen Sinn nach. Tendenziell, versteht sich. Problematisch sind gewisse Ressentiments, die im Ausland gegenüber deutschen Projektleitern vorherrschen. Otto Zieglmeier: Richtig. Durch Einzelfälle werden solche Vorurteile weiterhin genährt, auch zurückliegende Erfahrung und unsere Geschichte nähren im Ausland diese Voreingenommenheit. Beispielsweise müssen wir mit dem Vorurteil, deutsche Projektmanager seien besserwisserisch und belehrend, sensitiver umgehen, besonders als Führungskräfte. Kein Kompliment an die Adresse der Deutschen. Otto Zieglmeier: Dies ist vorerst ein Vorurteil und man hat faire Chancen den Eindruck zurechtzurücken. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die GPM hat im letzten Jahr für den Internationalen Projektmanagement Award 61 Assessoren aus 16 Nationen ausgebildet. Das waren Projektmanagement-Fachleute ersten Ranges. Sie waren begeistert nicht nur von der Kompetenz, sondern auch von der Kooperationsbereitschaft und Umgänglichkeit der deutschen Kollegen. Also nicht nur Achtung, sondern auch zunehmend Sympathie für deutsche Projektmanager? Otto Zieglmeier: Ich habe im Ausland immer große Offenheit uns gegenüber festgestellt. Das Bild, das man sich anderswo von deutschen Projektmanagern macht, wandelt sich, ganz klar. Jetzt ist es an uns, diese Offenheit zu unserem Vorteil zu nutzen. ■ Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 15 D ie Pläne sind ehrgeizig. Im September 2001 nickte der Vorstand das „Projektmanagement Kompetenz Center“ ab. Zum Jahreswechsel ging es an den Start. In fünf Jahren werden es - wenn alles gut geht - 60 Consulter sein, die beraten, coachen, managen, trainieren und schulen. Doch bis dahin liegt ein Stück Weg vor dem Team. Zwar sind bis zu 9.000 VW- Mitarbeiter mit Projektarbeit betraut, ein fruchtbarer Acker für die Consulter - doch gibt es für die Projektmanager im Konzern keinen „Zwang“, die hauseigenen Experten ins Boot zu holen. Ganz im Gegenteil, das Center steht im Wettbewerb zu konzernfremden Beratern. Anders als „Project Offices“ hat Volkswagen sein Kompetenz Center als eigenständiges Profit Center organisiert, um dort sein Projektmanagement-Know-how zu bündeln - und es auch über die Werkstore hinaus anbieten zu können. Immerhin die Hälfte seiner Kapazität will das Center Unternehmen außerhalb des Konzerns andienen. Bei der Branche legt sich das Team keine Fesseln an. Der Schwerpunkt wird bei Automotive liegen, daran kein Zweifel, doch existiert bereits als „Branchenfremder“ ein Telekommunikationsunternehmen im Kundenkreis der niedersächsischen PM-Spezialisten. Berührungsängste und Erbhofdenken - davon haben sich die Berater verabschiedet. Volkswagen hat in Sachen Projektmanagement-Service nicht nur mobil gemacht, um sein eigenes Projektmanagement zu verbessern und lukrativen Service zu bieten. Priorität hat auch ein weiteres Ziel: Die Berater ho- Oliver Steeger Eine Welt wird transparent - so wirbt Volkswagen für seine neue „Gläserne Manufaktur“ in Dresden, wo der Konzern seit Dezember 2001 Luxusautos unter den Augen von Kunden und Öffentlichkeit fertigen lässt. Ähnlichen Einblick gewähren die Wolfsburger seit Jahresbeginn in ihr Projektmanagement. Wenngleich unspektakulär: Fast zeitgleich mit der Eröffnung der Manufaktur fiel der Startschuss für das „Projektmanagement Kompetenz Center“. Es soll, so das hohe Ziel, Projektmanagement-Praxis verbessern, und das nicht nur im eigenen Hause. Wie der Konzern Autos verkauft, wird er auch Projektmanagement „verkaufen“ - sogar über die Branchengrenzen hinaus. Rundum-Service über die Werkshallen hinaus Volkswagen eröffnet „Projektmanagement Kompetenz Center“ Bis zu 9.000 Mitarbeiter sind im Volkswagen- Konzern mit Projektarbeit beschäftigt. Foto: Volkswagen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 16 REPORT len aus anderen Branchen frische Impulse in den Wolfsburger Konzern, die sich für das eigene Management verwerten lassen. Weshalb nicht beispielsweise von der Telekommunikation, von der Bauwirtschaft, der Informationstechnik oder der Biochemie lernen? Zudem: Kompetenz sammeln die VW-Projektmanager auch bei der GPM, mit der das Center Schulterschluss sucht und deren Normen es teilweise übernimmt. So müssen alle Berater des Kompetenz-Centers den „Projektmanagement-Fachmann“ des Fachverbands nachweisen. Zudem nutzen sie obligatorisch das computergestützte PM-Assessment „PM DELTA compact“ der GPM, um die Qualität des Projektmanagements ihrer Klienten zu überprüfen. Partnerschaftliches Konzept Derweil viele Unternehmen derlei Projektmanagement- Stellen per Vorstandsdekret einrichten, gingen bei Volkswagen Initiative und Vorschlag von der Basis aus. Dort wünscht man sich ein partnerschaftlich orientiertes Konzept, um das Projektmanagement im Konzern zu verbessern. Die derzeit 15 Experten wollen nur beraten und unterstützen, nicht das Projektmanagement im Hause überwachen und auf seine Qualität hin kontrollieren. Sensibilisieren für Projektmanagement, ein kooperatives Miteinander zwischen den Beratern und den Projektmanagern suchen, Projektmanagement „von unten“ implementieren - so umreißen die Berater ihre Aufgabe. Seit rund 25 Jahren arbeitet der Automobilhersteller mit Projektmanagement. Sein Problem ist: In der weiten Konzernlandschaft werden die Tools und Techniken unterschiedlich intensiv genutzt. Insellösungen und unvollständige Ansätze prägen - wie in Großorganisationen häufig - das Bild. Beispielsweise bei der Fahrzeugentwicklung gehört gutes Projektmanagement zum Tagesgeschäft. Bei der Ersatzteillogistik oder bei Organisationsprojekten allerdings kann es Lücken aufzeigen. Für die Projektmanagement-Profis aus dem neuen Center bedeutet dies, zunächst gewissermaßen Projektmanagement-Inventur zu machen und Bedarf zu ermitteln. Keine leichte Aufgabe. Um festen Grund unter den Füßen zu bekommen, hat das „Projektmanagement Kompetenz Center“ eine Studie zum Thema Projektmanagement unter anderem in der Automotive-Branche aufs Gleis geschoben. Mit rund 500 Interviews wird der Konzern eine Bestandsaufnahme machen und untersuchen, welchen Trend das Projektmanagement nimmt. Der Fokus richtet sich weit über VW hinaus, auch wird sich die Studie nicht allein mit der Automotive-Branche beschäftigen. Veröffentlichungstermin: Frühjahr oder Sommer 2002. Drei Säulen des Kompetenz-Services Das Team des Kompetenz Centers will künftig nicht nur Projektmanagement in Organisationen aufbauen. Die Implementierung, so betont VW-Projektmanagement- Fachmann Karsten Schmidt, ist nur eine von drei Säulen, auf die sich Angebot und Service stützen. Die beiden anderen Schwerpunkte setzt das Kompetenz Center bei der Steuerung konkreter Projekte und bei der Qualifizierung. So rücken die Fachleute bei Projekten an und helfen dort aus, wo es im Projekt zu Engpässen kommt. Beispielsweise stellen sie Backoffices bereit, helfen bei Planung und Projektstart, übernehmen das Controlling oder optimieren den Ablauf. Wichtiges Ziel: Das Projektteam soll dabei von den Experten lernen. Im Idealfall schieben die Wolfsburger Fachleute das Projekt mit an, zeigen, wie es geht - und ziehen sich dann peu à peu zurück. Coaching-Absichten schwingen, so Karsten Schmidt, bei allen Dienstleistungen mit. Schnell haben die Wolfsburger begriffen, wie wichtig in ihrem Konzept das Top-Management ist - egal, ob sie inhouse oder in fremden Betrieben tätig werden. Implementieren sie Projektmanagement, stimmen sie die Erwartungen der obersten Führungscrew mit den Leistungen ab, die Projektmanagement wirklich bieten kann. Auch offeriert das Center den Top-Managern gesonderte Expertenwissen-Workshops, um sie über ihre Rolle im Projektmanagement zu orientieren. Wie Projektführung besetzen? Weshalb ist ein Projektleiter „Geschäftsführer auf Zeit“? Wie Entscheidungen kommunizieren, wie mehrere Projekte steuern? „Hier geht es nicht darum, Wissen zu vermitteln oder gar zu trainieren“, erläutert VW-Projektmanagement-Fachmann Karsten Schmidt, „wir wollen für Projektmanagement sensibilisieren.“ ■ Volkswagen gibt Gas - auch in Sachen Projektmanagement. Ein eigenes Kompetenz-Center bietet jetzt Projektmanagement an. Foto: Volkswagen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 17 Roland Gareis, Martina Huemann Gesellschaften, die Projekte und Programme als temporäre Organisationen zur Durchführung relativ einzigartiger Prozesse mittleren bis großen Umfangs einsetzen, können als Projektorientierte Gesellschaften wahrgenommen werden. Ziel der Forschungsinitiative „Project-oriented Society“ der IPMA - International Project Management Association ist es, ein Modell der „Projektorientierten Gesellschaft“ (POG) zu entwickeln und dieses zur Beurteilung und zum Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften einzusetzen. Eine erste Gruppe Projektorientierter Gesellschaften, nämlich Dänemark, Großbritannien, Österreich, Rumänien, Schweden und Ungarn, haben sich bereits einem Benchmarking unterzogen. Die Teilnahme weiterer nationaler Gesellschaften ist geplant. Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften Projekt- und Programmmanagement sowie Projektportfolio-Management in verschiedenen europäischen Staaten 1. IPMA-Forschungsinitiative „Project-oriented Society“ Die IPMA - International Project Management Association führt seit 1999 die Forschungsinitiative „Projectoriented Society“ unter der Leitung des Autors durch. Ziel mehrerer Forschungsprojekte ist es, ein Modell der Projektorientierten Gesellschaft (POG) zu entwickeln und anzuwenden. In einem Projekt „POG-Konzeption“ wurde das Modell der POG entworfen. Basierend auf diesem Modell wird zurzeit das Projekt „POG-Benchmarking“ durchgeführt. Die Ziele dieses Projekts sind die Beurteilung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften, die Analyse von Gemeinsamkeiten und von Unterschieden Projektorientierter Gesellschaften und die Entwicklung von Strategien zur Weiterentwicklung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften. Eine erste Gruppe Projektorientierter Gesellschaften, nämlich Dänemark, Großbritannien, Österreich, Rumänien, Schweden und Ungarn, haben im Zeitraum Oktober 2000 bis März 2001 ein Benchmarking durchgeführt. Die Forschungsarbeit konzentriert sich auf die Entwicklung von Modellen und von Hypothesen. Die Beurteilung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften und deren Benchmarking unterstützt die Entwick- Anzeige WISSEN P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 18 WISSEN lung eines „viablen“ Modells der POG. Der Forschungsprozess verläuft in mehreren Schleifen der Informationssammlung, Hypothesenentwicklung und Reflexion. Als Methoden kommen dabei Fragebögen, Dokumentenanalysen, Beobachtungen und Gruppendiskussionen zur Anwendung. Die Interpretation der Daten und das Generieren von Hypothesen erfolgen in Workshops gemeinsam mit Vertretern der verschiedenen Projektorientierten Gesellschaften. Die Qualität der Beurteilungsergebnisse ist vom Prozess in den einzelnen POGs abhängig. Sie repräsentieren die Sichtweisen der Beurteilungsteams der jeweiligen Projektorientierten Gesellschaften. 2. Das Modell der Projektorientierten Gesellschaft Definition und Kontext der Projektorientierten Gesellschaft In vielen nationalen Gesellschaften werden verstärkt Projekte und Programme in Unternehmen, aber auch in anderen Organisationen, wie z. B. in kleinen Gemeinden, in Schulen und sogar in Familien, durchgeführt. „Management by Projects“ wird zu einer Organisationsstrategie von Gesellschaften, um mit der steigenden Komplexität und Dynamik der Umwelt umzugehen. Die Globalisierung der Wirtschaft, neue Technologien mit immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen, die Anwendung eines neuen Management-Paradigmas, charakterisiert durch virtuelle Organisationen, „Empowerment“, Wissensmanagement etc. unterstützen die Anwendung von Projekt- und Programmmanagement. Nicht nur die Industrie, sondern auch Non-Profit-Organisationen und Familien sehen Projekte und Programme als adäquate Organisationsformen, um relativ einzigartige (Geschäfts-)Prozesse mittleren bis großen Umfangs durchzuführen. Neue Anwendungsgebiete und neue Projektarten, wie beispielsweise Marketing-, Produktentwicklungs- und Organisationsentwicklungsprojekte, gewinnen an Bedeutung. Eine Gesellschaft, die Projekte und Programme als temporäre Organisationen zur Durchführung relativ einmaliger Prozesse mittleren bis großen Umfangs einsetzt, kann als Projektorientierte Gesellschaft wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung einer Gesellschaft als POG ist eine Konstruktion. Sie setzt die Beobachtung der Gesellschaft durch eine „spezifische Brille“, nämlich die Brille der Projektorientierung, voraus. Dabei werden jene Kommunikationen der Gesellschaft, die im Zusammenhang mit Projekten, Programmen und Projektportfolios stehen, betrachtet. Die Bedeutung von Projekten und Programmen in der Gesellschaft, die Struktur der Gesellschaft, ihre Geschichte sowie Erwartungen bezüglich ihrer Zukunft beeinflussen die Entwicklung der Kompetenzen der POG. Die Bedeutung von Projekten und Programmen in einer Gesellschaft kann durch die Anzahl der Projektorientierten Industrien und sonstiger Projektorientierter Organisationen bestimmt werden. Praxis Projektorientierter Organisationen und PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen Das „POG-Modell“ berücksichtigt einerseits die Praxis Projektorientierter Organisationen (POO) im Projektmanagement, Programmmanagement, Projektportfolio- Management, Personalmanagement und in deren organisatorischen Designs. Andererseits beschreibt das Modell PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen, die die Anwendung von Projekt-, Programm- und Projektportfolio-Management in der Praxis fördern. PM-bezogene Dienstleistungen werden von PM-Ausbildungs-, PM-Forschungs-, PM-Marketing- und PM- Standardisierungs-Institutionen erfüllt. Das „POG-Modell“ kann in Form eines Spinnennetzes visualisiert werden (siehe Abb. 1). Die Achsen des Spinnennetzes repräsentieren einerseits die Dimensionen der Praxis Projektorientierter Organisationen und andererseits die PM-bezogenen Dienstleistungen von Institutionen. Im Folgenden werden die Achsen des Spinnennetzes 0 20 40 60 80 100 Praxis des Projektmanagements Praxis des Programmmanagements Praxis des Projektportfolio- Managements Praxis des Personalmanagements Praxis des organisatorischen Designs Dienstleistungen der PM- Ausbildung Dienstleistungen der PM-Forschung Dienstleistungen des PM-Marketings Dienstleistungen der PM- Standardisierung Abb. 1: Modell der Projektorientierten Gesellschaft (Spinnennetzdarstellung) P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 19 stimmten Zeitpunkt durchführt. Das Projektportfolio ist mehr als die Summe der einzelnen Projekte, da es die Beziehungen zwischen Projekten berücksichtigt. Eine Projektportfolio-Datenbank ermöglicht die Erstellung von Projektportfolio-Berichten, sie ist die Basis für das Projektportfolio-Management. Projektportfolio-Berichte unterstützen Entscheidungen, ob Projekte gestartet bzw. abgebrochen werden sollen, und helfen bei der Prioritätensetzung zwischen Projekten. Personalmanagement in Projektorientierten Organisationen: Prozesse des Personalmanagements in POOs sind die Einstellung, die Disposition und die (Weiter-)Entwicklung von Projektpersonal. Grundlage für die Personalentwicklung kann ein PM-Karrierepfad darstellen, der die Stufen Junior-Projektmanager, Projektmanager, Senior-Projektmanager und PM-Executive beinhalten kann. Organisatorisches Design Projektorientierter Organisationen: Spezifische Strukturen Projektorientierter Organisationen sind einerseits permanente Organisationseinheiten, wie z. B. ein PM-Office, eine Projektportfolio- Group und Expertenpools, und andererseits integrative Hilfsmittel, wie z. B. Richtlinien zum Projekt- und Programmmanagement und zum Projektportfolio-Management und Standardprojektpläne. PM-Ausbildung: Formale PM-Ausbildungsprogramme können von privaten und öffentlichen Ausbildungsinstitutionen angeboten werden. Sie können zu einem akademischen Abschluss im Projektmanagement (z. B. Masbzw. die diesen Achsen zugrunde liegenden Begriffe und Modelle kurz beschrieben. Die detaillierten Inhalte der einzelnen Achsen werden aus den Fragen des Fragebogens zur Beurteilung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften ersichtlich. Projektmanagement: Ein Projekt ist eine temporäre Organisation zur Durchführung eines relativ einmaligen, kurzbis mittelfristigen Prozesses mittleren bis großen Umfangs. Projektmanagement (PM) ist ein Geschäftsprozess Projektorientierter Organisationen. Der PM- Prozess beginnt mit der Projektbeauftragung und endet mit der Projektabnahme. Der PM-Prozess besteht aus den Subprozessen Projektstart, Projektkoordination, Projektcontrolling, der Bewältigung einer Projektdiskontinuität und dem Projektabschluss. Programmmanagement: Ein Programm ist eine temporäre Organisation zur Durchführung eines einmaligen, mittelbis langfristigen Prozesses großen Umfangs. Ein Programm besteht aus mehreren Projekten und Maßnahmen, die durch eine gemeinsame Zielsetzung eng gekoppelt sind. Programme sind zeitlich und budgetär begrenzt. Programmmanagement ist ein Geschäftsprozess Projektorientierter Organisationen, der aus den Subprozessen Programmstart, Programmkoordination, Programmcontrolling, Programmabschluss und manchmal aus der Bewältigung einer Programmdiskontinuität besteht. Projektportfolio-Management: Ein Projektportfolio besteht aus der Anzahl von Projekten (und Programmen), die eine Projektorientierte Organisation zu einem be- Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 20 WISSEN ten Organisationen und andererseits zur Bereitstellung von PM-bezogenen Dienstleitungen. Der Prozess der Beurteilung und des Benchmarkings der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften wird wie folgt durchgeführt: ❏ Jede POG nominiert ein Institutionenteam und ein Praxisteam, das aus Vertretern der nationalen Projektmanagement-Vereinigung, von Projektorientierten Unternehmen und von Universitäten (PM-Forscher und PM-Studenten) besteht. Ein Koordinator je POG repräsentiert die POG im POG-Koordinationsteam. ❏ Die PM-bezogenen Dienstleistungen werden von dem Institutionenteam erhoben und beschrieben. Die Analyse wird mit Hilfe des POG-Fragebogens durchgeführt. Es werden Internetrecherchen, Dokumentenanalysen und Interviews mit Vertretern von Institutionen, die PM-bezogene Dienstleistungen anbieten, durchgeführt. ❏ Die Beurteilung der Praxis der Projektorientierten Organisationen wird durch das Praxisteam in Workshopform durchgeführt. Das Praxisteam lädt zu diesem Workshop PM-Experten unterschiedlicher Industrien und von Non-Profit-Organisationen ein, um eine möglichst repräsentative Expertenmeinung zur Praxis Projektorientierter Organisationen zu erlangen. Im Workshop werden die Fragen des „POG-Fragebogens“ diskutiert und beantwortet. ❏ Die Analyse und die Diskussion der Ergebnisse der Beurteilungen der einzelnen Gesellschaften finden im POG-Koordinationsteam statt, das sich aus Vertretern der einzelnen POGs zusammensetzt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen POGs werden analysiert und interpretiert. Darauf basierend werden Strategien für die Weiterentwicklung der Kompetenzen der einzelnen POGs entwickelt. ❏ In einem POG-Benchmarking-Bericht werden die Benchmarking-Ergebnisse zusammengefasst. Der Bericht dient als Grundlage für weitere Publikationen und für die Kommunikation der Ergebnisse in den einzelnen POGs. 4. Benchmarkingergebnisse: Praxis Projektorientierter Organisationen Die Daten zur Praxis der Projektorientierten Organisationen sind Durchschnittswerte aller Branchen einer Projektorientierten Gesellschaft. Die in Abb. 2 nach Branchen differenzierten Antworten wurden zur Entwicklung einer integrierten Gesamtaussage für die Gesellschaft verwendet. Abb. 3 visualisiert die Kompetenzen der Projektorientierten Gesellschaften Österreichs (AT), Dänemarks (DK), Ungarns (HU), Rumäniens (RO), Schwedens (SE) und Großbritanniens (UK) für den Projektstartprozess. In Abb. 4 werden die Kompetenzen der Projektorientierten Gesellschaften bezüglich der weiteren PM-Subprozesse (Projektkoordination, Projektcontrolling, Bewältigung einer Projektdiskontinuität und Projektabschluss) dargestellt. In allen Projektorientierten Organisationen Österreichs werden die PM-Methoden zur Projektplanung (z. B. Projektzieleplan, Projektstrukturplan, Balkenplan, Projektkostenplan, Projektressourcenplan, Business Case Analyse etc.), zur Projektkontextanalyse (z. B. Projektumweltanalyse), zur Gestaltung der Projektorganisation (Projektter in Project Management) führen. PM-Ausbildungsprogramme können sich hinsichtlich der Anzahl der angebotenen Kurse und hinsichtlich des vermittelten PM- Ansatzes unterscheiden. PM-Forschung: Dienstleistungen, die von PM-Forschungsinstitutionen angeboten werden, sind PM-Forschungsprojekte und -programme, PM-Publikationen und PM-Forschungsevents. In Gesellschaften kann es PM-bezogene Forschungsfinanzierungen geben. PM-Marketing: PM-Marketingaufgaben in POGs werden vor allem von nationalen Projektmanagement-Vereinigungen wahrgenommen. Dienstleistungen nationaler Projektmanagement-Vereinigungen sind Mitgliederbetreuung, Zertifizierung von PM-Personal, Durchführung von PM-Events etc. PM-Standardisierung: Dienstleistungen von PM-Standardisierungsinstitutionen sind die Erstellung von PMbezogenen Normen, die Definition formaler Mindestanforderungen im Projektmanagement für öffentliche Ausschreibungen etc. 3. Beurteilung und Benchmarking von Kompetenzen der POG Der POG-Fragebogen Zur Beurteilung und zum Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften wurde der „POG-Fragebogen“ entwickelt, der aus folgenden Teilen besteht: ❏ Teil A: Kontext der POG und Bedeutung von Projekten und Programmen in der POG ❏ Teil B: PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen der POG ❏ Teil C: Praxis Projektorientierter Organisationen der POG In Abb. 2 ist eine Musterfrage des Teils C des „POG- Fragebogens“ dargestellt. Beurteilung und Benchmarking der Kompetenzen von POGs: Prozess Projektorientierte Gesellschaften benötigen Kompetenzen, d. h. Wissen und Erfahrungen, einerseits zur Durchführung der spezifischen Prozesse von Projektorientier- Abb. 2: Musterfrage des „POG-Fragebogens“ Im Projektstartprozess werden folgende PM-Methoden zur Gestaltung der Projektorganisation angewandt: Projektorganigramm, Projektrollenbeschreibungen, Projektfunktionendiagramm In der Projektorientierten Gesellschaft In der IT-Branche In der Telekommunikationsbranche Im Anlagenbau In der Baubranche In Banken und Versicherungen In Non-Profit-Organisationen Andere Branchen 1 … immer, 2 … oft, 3 … manchmal, 4 … selten, 5 … nie P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 21 organigramm, Projektrollenbeschreibung etc.) und die PM-Methoden für das Projektrisikomanagement (z. B. Projektrisikoanalyse) im Projektstartprozess manchmal eingesetzt. Selten hingegen werden in der Praxis Projektorientierter Organisationen im Projektstartprozess PM- Methoden zur Gestaltung der Projektkultur (z. B. Projektname, Projektlogo, Projektleitbild etc.) und zum Projektdiskontinuitätenmanagement (Projektszenarioanalyse, alternative Projektpläne etc.) eingesetzt. Ein ähnliches Bild wie in Österreich zeigt sich in Dänemark, mit dem Unterschied, dass in Dänemark PM-Methoden zur Gestaltung der Projektorganisation manchmal angewandt werden. In Ungarn werden in den Projektorientierten Organisationen im Projektstartprozess PM-Methoden zur Gestaltung der Projektorganisation und PM-Methoden zur Gestaltung der Projektkultur nur manchmal eingesetzt, andere PM-Methoden selten. Projektorientierte Organisationen in Schweden haben entsprechend den Benchmarkingergebnissen die höchsten Kompetenzen. In Projektorientierten Organisationen in Großbritannien werden im Projektstartprozess alle PM-Methoden manchmal angewandt. Abb. 3: Benchmarkingergebnisse: Projektstartprozess Projektstart: Projektplanung Projektstart: Projektkontextanalyse Projektstart: Projektorganisation Projektstart: Projektkultur Projektstart: Projektrisikomanagement Projektstart: Projektdiskontinuitätenmanagement keine Projektstartprozess AT DK HU RO SE UK nie selten manchmal oft immer Abb. 4: Benchmarkingergebnisse: Andere PM-Teilprozesse (Legende siehe Abb. 3) Projektkoordination: Sitzungen, To-do-Listen, AP-Abnahmen Projektcontrolling: Adaptierung Projektpläne Projektcontrolling: Adaptierung Projektorganisation Bewältigung einer Projektdiskontinuität: Szenarioanalyse etc. Projektabschluss: Projektabschlussbericht, Planung Nachprojektphase Projektworkshops: Start-, Controlling-, Abschluss- Workshop Andere PM-Prozesse AT DK HU RO SE UK Teilnahme von Vertretern relevanter Projektumwelten in Workshops Projektspezifische IT-Infrastruktur Projektspezifische Telekommunikations-Infrastruktur P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 22 WISSEN deren POGs weniger PM-Methoden eingesetzt. Schweden und UK haben die höchsten Kompetenzen. In Großbritannien werden Vertreter relevanter Umwelten (beispielsweise Kunden und Lieferanten) immer zu Projektworkshops eingeladen. Solche Projektworkshops (wie z. B. Projektstartworkshop, Projektabschlussworkshop) werden allerdings nur manchmal im PM-Prozess eingesetzt. Generell lässt sich Folgendes zu den Kompetenzen der betrachteten POGs zur Durchführung der PM-Teilprozesse Projektkoordination, Projektcontrolling, Bewältigung einer Projektdiskontinuität und Projektabschluss sowie zur Gestaltung des PM-Prozesses sagen: ❏ Die höchsten Kompetenzen haben die betrachteten Gesellschaften in der Projektkoordination. ❏ Die Kompetenzen zum Projektcontrolling und zur Bewältigung von Projektdiskontinuitäten sind sehr unterschiedlich. Zusammenfassend kann zur Praxis der Gestaltung des Projektstartprozesses festgestellt werden, dass zwischen zwei Gruppen von POGs unterschieden werden kann. Rumänien und Ungarn zeigen weniger Kompetenzen im Vergleich zu den anderen betrachteten POGs. Weiterhin ist zu beobachten, dass Methoden zum Projektrisikomanagement und zum Projektdiskontinuitätenmanagement im Projektstart nicht so häufig eingesetzt werden wie andere PM-Methoden. Österreich, Dänemark und Ungarn zeigen ähnliche Kompetenzen für die Durchführung der PM-Teilprozesse Projektkoordination, Projektcontrolling und Projektabschluss. In allen genannten POGs werden die PM- Methoden im Projektkoordinationsprozess oft eingesetzt. Die Projektpläne (Projektziele, Projektstrukturplan, Projektzeitpläne, Projektkostenplan etc.) werden im Projektcontrollingprozess hingegen nur manchmal adaptiert. In Rumänien werden im Vergleich zu den an- Abb. 5: Benchmarkingergebnisse: Programmmanagement (Legende siehe Abb. 3) Durchführung Programmstart, -controlling und -abschluss Anwendung Programmmanagement-Methoden Design einer Programmorganisation Programmmanagement AT DK HU RO SE UK Abb. 6: Benchmarkingergebnisse: Projektportfolio-Management (Legende siehe Abb. 3) Durchführung Projektportfoliokoordination, Netzwerken Anwendung von Projektportfoliomanagement- Methoden Existenz einer Projektportfolio-Group Projektportfolio-Management AT DK HU RO SE UK PM-Ausbildung Projektorientierte Gesellschaft Abb. 7: PM-Ausbildung AT keine manche möglich keine 3 Institutionen 3 Institutionen Primäre Ausbildung im PM Sekundäre Ausbildung im PM Doktorate im PM „PM Master Degrees“ „PM Bachelor Degrees“ (FH) PM-Diplome Tertiäre Ausbildung im PM DK keine manche möglich keine 1 Institution keine HU keine manche möglich 2 Institutionen keine keine RO keine keine keine 2 Institutionen keine keine SE keine manche möglich 2 Institutionen keine keine UK keine keine 13 Institutionen 13 Institutionen 3 Institutionen 3 Institutionen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 23 ❏ Ungarn hat doch deutlich höhere Kompetenzen als Rumänien in den betrachteten PM-Teilprozessen. ❏ Nachvollziehbar erscheint der Einsatz von IT- und Telekommunikations-Infrastruktur in Schweden. Außer der Projektmanagement-Praxis wurde auch die Praxis im Programmmanagement, Projektportfolio-Management, Personalmanagement und des organisatorischen Designs Projektorientierter Organisationen beurteilt. Die Auswertungen zum Programmmanagement und zum Projektportfolio-Management sind in den Abbildungen 5 und 6 exemplarisch dargestellt. Es ist offensichtlich, dass die diesbezüglichen Kompetenzen schwächer als die PM-Kompetenzen ausgeprägt sind. Eine Ausnahme stellt Schweden bezüglich des Programmmanagements dar. 5. Benchmarkingergebnisse: PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen Im Folgenden werden die Dienstleistungen, die von PM- Ausbildungs-, PM-Forschungs-, PM-Marketing- und PM-Standardisierungsinstitutionen in den kooperierenden POGs angeboten werden, beschrieben und miteinander verglichen: PM-Ausbildung In allen betrachteten POGs wird PM-Ausbildung von Institutionen im tertiären Ausbildungsbereich (Programme von Universitäten, Fachhochschulen und Colleges) angeboten. Beeindruckend ist das Angebot an „PM Master Degree“-Programmen in Großbritannien. In Österreich und Dänemark hingegen existieren keine Programme, die zu formalen Titeln im Projektmanagement führen. In Rumänien wurden im Jahr 2000 an zwei Universitäten „PM Master Degree“-Programme im Rahmen eines TEMPUS-Projekts etabliert. In Dänemark, Österreich und Schweden wird im sekundären Ausbildungsbereich (Mittelschulen, Handelsakademien; 11bis 18-jährige Schüler) Projektmanagement-Unterricht angeboten. In allen POGs, außer Rumänien, wird in den primären Ausbildungsangeboten (Volksschule, 6bis 10-jährige Schüler) Projektarbeit in den Unterricht integriert. Formaler PM-Unterricht wird in dieser Ausbildungsstufe allerdings nicht durchgeführt. Während in Rumänien und Ungarn der in den Ausbildungsprogrammen vermittelte PM-Ansatz eher planungsorientiert ist, wird in Dänemark, Österreich und Schweden ein eher organisationsorientierter PM-Ansatz angeboten. In Großbritannien existieren verschiedene PM-Ansätze. Es werden traditionell planungsorientierte, aber auch organisationsorientierte PM-Ansätze unterrichtet. PM-Forschung In keiner der betrachteten POGs existieren nationale Institutionen zur Koordinierung von PM-Forschungsaktivitäten. In Großbritannien wird diese Koordinationsaufgabe von der nationalen PM-Vereinigung durchgeführt. In Dänemark, Österreich, Schweden und Großbritannien wurden in den letzten fünf Jahren einige PM-Forschungsprojekte (und -programme) durchgeführt, wäh- Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 24 WISSEN Dänemark wird eine PM-Baseline entwickelt. In Ungarn kommen das PMBoK und Prince als PM-Standards zur Anwendung. In Rumänien existieren noch keine Normen oder Standards zum Projektmanagement. In Österreich wird die Anwendung von Projektmanagement auch durch Normen (DIN, ÖNORM) standardisiert. In Großbritannien werden in öffentlichen Ausschreibungen formale PM-Voraussetzungen verpflichtend nachgefragt. 6. POG-Kompetenz-Kennzahlen Einerseits kann die Kompetenz einer Gesellschaft als Projektorientierte Gesellschaft in einem Spinnennetzmodell visualisiert werden, andererseits können POG- Kennzahlen berechnet werden. Die POG-Kennzahl ist eine gewichtete Summe der Kompetenzen bezüglich der einzelnen Prozesse des POG-Modells. Da Projektmanagement als wichtigster Prozess der Projektorientierten Gesellschaft angesehen wird, wird er mit 20 % gewichtet. Alle anderen Prozesse haben ein Gewicht von 10 %. Die Gewichtung der einzelnen Fragen ist proportional zur Anzahl der Fragen pro Prozess. Die Abb. 8 zeigt die Kompetenzen Projektorientierter Organisationen im Projekt- und Programmmanagement, Projektportfolio-Management etc. und bezüglich PM-bezogener Dienstleistungen von Institutionen. Daraus werden für jede POG Kennzahlen für die Praxis Projektorientierter Organisationen, für PM-bezogene Dienstleistungen und eine POG-Kennzahl für die Gesamtkompetenz der POG errechnet. Großbritannien hat die höchste POG-Kompetenz-Kennzahl und Rumänien die niedrigste. Grundsätzlich können drei Gruppen von POGs unterschieden werden. Im Vergleich zu einer maximal erreichbaren POG-Kompetenz-Kennzahl von 1.000 haben Großbritannien und Schweden Kennzahlen über 500, Österreich und Dänerend in Ungarn wenig PM-Forschung zu beobachten war. In Rumänien ist die PM-Forschung noch nicht etabliert. PM-Marketing In allen betrachteten POGs existieren PM-Vereinigungen. Die jüngste PM-Vereinigung befindet sich in Rumänien. Sie wurde im Jahr 2000 gegründet und hat bereits einen Antrag auf IPMA-Mitgliedschaft gestellt. Die PM-Vereinigungen in Dänemark, Österreich, Schweden und Großbritannien bieten eine Vielzahl von Dienstleistungen an. Als Dienstleistungen, die zum Marketing von Projektmanagement wesentlich beitragen, gehören PM-Veranstaltungen, PM-Publikationen, PM-Diskussionsplattformen, Entwicklung von PM-Standards etc. In Österreich, Dänemark, Schweden und Großbritannien werden Zertifizierungen für PM-Personal nach IP- MA-Standards durchgeführt. APM, die IPMA-Vereinigung in Großbritannien, hat über 9.000 individuelle Mitglieder und ist somit die größte nationale Vereinigung. In Österreich und Dänemark existieren sehr aktive PM-Vereinigungen. In keiner der Gesellschaften wird Projektmanagement bereits als formal etabliertes Berufsbild betrachtet. In Österreich (programm | austria) und in Schweden werden derzeit PM-Initiativen durchgeführt, die unter anderem der Weiterentwicklung des Berufsbilds Projektmanager/ -in in der jeweiligen Gesellschaft dienen. In Dänemark, Österreich, Ungarn, Rumänien, Schweden und Großbritannien existieren auch Niederlassungen von PMI (Project Management Institute). PM-Standardisierung In Österreich und in Großbritannien gibt es nationale PM-Wissensbasen, die sich auf das Referenzdokument ICB-International Competence Baseline beziehen. In PM-Ausbildung 40 30 30 30 40 80 PM-bezogene Dienstleistungen und Praxis Projektorientierter Organisationen AT DK HU RO SE UK PM-Forschung 40 30 20 10 40 70 PM-Marketing 50 50 20 10 50 80 PM-Standardisierung 40 30 10 0 30 60 Kennzahl: PM-bezogene Dienstleistungen 170 140 80 50 160 290 Projektmanagement 87 92 84 63 127 111 Programmmanagement 30 37 37 17 70 30 Personalmanagement in POOs 50 50 46 26 62 58 Organisatorisches Design von POOs 35 55 35 30 65 40 Kennzahl: Praxis Projektorientierter Organisationen 237 277 239 145 380 269 POG-Kompetenz-Kennzahlen 407 417 319 195 540 559 Projektportfoliomanagement 35 43 37 10 57 30 Abb. 8: POG-Kompetenz-Kennzahlen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 25 mark Kennzahlen über 400 und Ungarn und Rumänien Kennzahlen unter 400. Während die Kennzahlen für die PM-bezogenen Dienstleistungen und die Praxis Projektorientierter Organisationen in Österreich und Dänemark relativ ähnlich sind, zeigen sich zwischen diesen Kennzahlen in Schweden und Großbritannien große Unterschiede. Großbritannien hat im Vergleich zu Schweden eine höhere Kennzahl für PM-bezogene Dienstleistungen und eine niedrigere Kennzahl für die Praxis Projektorientierter Organisationen. Daraus lässt sich interpretieren, dass umfangreiche PM-bezogene Dienstleistungen keine Garantie für eine hohe Kompetenz in der Praxis Projektorientierter Organisationen sind. Der Transfer von PM- Wissen in die tägliche Praxis ist gezielt zu organisieren. Die POG-Kompetenz-Kennzahlen müssen in ihrem jeweiligen nationalen Kontext interpretiert werden. Die maximal anzustrebende Kennzahl ist sicherlich nicht 1.000 und wird sich für die einzelnen Projektorientierten Gesellschaften in Abhängigkeit ihres aktuellen Entwicklungsstandes unterscheiden. 7. Schlussfolgerung und Ausblick Projekte und Programme als temporäre Organisationen werden eine immer weiter verbreitete Organisationsform zur Durchführung relativ einmaliger Prozesse mit mittlerem bis großem Umfang. Projekt- und Programmmanagement haben nicht nur mikroökonomische, sondern auch makroökonomische Bedeutung. Das POG-Modell wurde mit einer ersten Gruppe Projektorientierter Gesellschaften getestet und als „viabel“ erkannt. Die an diesem Benchmarking teilnehmenden POGs schafften sich einen Überblick über angebotene PM-bezogene Dienstleistungen und über die Praxis Projektorientierter Organisationen. Diese Daten stellten die Grundlagen für einen Vergleich der POGs dar. Es konnte festgestellt werden, dass alle teilnehmenden POGs noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium stehen. Daher bestehen hohe Entwicklungspotentiale als POGs. Es wurden Strategien zur Weiterentwicklung der POGs definiert, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Es ist zu erwarten, dass die Kompetenzen der POGs in einigen Jahren wesentlich höher sein werden. Das durchgeführte Benchmarking hat einen Beitrag zum PM-Marketing in den POGs geleistet und das PM- Bewusstsein gesteigert. Es ist geplant, im ersten Halbjahr 2002 ein weiteres Benchmarking mit einer zweiten Gruppe POGs durchzuführen. Dadurch soll das POG- Modell weiterentwickelt werden und die Datenbasis erweitert und qualitativ verbessert werden. ■ Literatur [1] Gareis, R./ Huemann, M.: 2001 Assessing and Benchmarking Project-oriented Societies. In: Project Management - International Project Management Journal, Project Management Association Finland, Norwegian Project Management Forum, Vol. 7, Nr. 1, S. 14-25 Schlagwörter Benchmarking, Programmmanagement, Projektmanagement, Projektorientierte Gesellschaft, Projektorientierte Organisation, Projektportfolio-Management Autor Univ. Prof. Dkfm. Dr. Roland Gareis, Professor für Projektmanagement, Projektmanagement Group der Wirtschaftsuniversität Wien; Leiter des Universitätslehrgangs „Internationales Projektmanagement“; Vorstandsvorsitzender von Projektmanagement Austria; Director of Project Management Research of the IPMA - International Project Management Association, Programmmanager von programm I austria - Die österreichische Projektmanagement Initiative; Geschäftsführender Gesellschafter von Roland Gareis Consulting. Autorin Dr. Martina Huemann, Universitätsassistentin für Projektmanagement, Projektmanagement Group der Wirtschaftsuniversität Wien; Projektmanagerin in programm | austria - Die österreichische Projektmanagement Initiative; Trainerin und Beraterin bei Roland Gareis Consulting. Anschrift der Autoren Projektmanagement Group Wirtschaftsuniversität Wien Franz-Klein-Gasse 1 A-1190 Wien Tel.: ++43/ 1/ 42 77-2 94 01 Fax: +43/ 1/ 3 68 75 10 E-Mail: pmg@wu-wien.ac.at Internet: www.wu-wien.ac.at/ pmg Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 26 WISSEN z. B. in der Mobilfunk-Industrie derzeit durch den Aufbau der UMTS-Netze der Fall) fällt es schwer, den Überblick zu behalten, Risikopotentiale frühzeitig zu erkennen oder durch projektübergreifende Synergien einen Project Value Added zu erhöhen. Multiprojektmanagement ist dabei nicht nur „die Grundlage für Effizienzsteigerung quer über das Unternehmen und Projekte hinweg“ [1], sondern muss weit über die operative Ebene hinaus auch strategische Aufgaben wahrnehmen, als zentralen Bestandteil also auch die „Projektpolitik als ein Element der Unternehmenspolitik“ [2] festlegen. 1.1 Möglichkeiten Ohne elektronische Unterstützung ist es kaum mehr sinnvoll möglich, die oben genannten Anforderungen bewältigen zu können. Für viele Bereiche, die originäre Teile des Projektmanagements oder zumindest eng damit verknüpft sind, gibt es bereits Software, die das tägliche Business deutlich erleichtert. Natürlich ist in den seltensten Fällen eine komplette Abwicklung mit Tools erreichbar (dies würde ja eine Strukturierung der unternehmerischen Prozesse entlang den Vorgaben der in der Applikation hinterlegten Modelle notwendig machen! ), aber zumindest der operative Teil und darüber hinaus ein paar Schnittstellen, sind einfach und mit schnell sichtbarem Erfolg abdeckbar: Projektplanung, -steuerung und -kontrolle, Projektkostenrechnung, Workflow-Steuerung, Dokumenten- und Wissensmanagement, elektronische Projektakten, Ressourcenplanung oder die Steuerung multilokaler Teams sind nur einige der Bereiche, in denen der Einsatz von Software zu überlegen ist. 1.2 Problematik Doch so hoch die Zahl der Einsatzbereiche ist, so hoch ist auch die Zahl an Programmen mit teilweise ähnlichen, teilweise unterschiedlichen Funktionalitäten, an Werkzeu- 1. Einführung in die Thematik Multiprojektmanagement ist nicht umsonst eines der aktuellsten Schlagworte der derzeitigen Wirtschaftspraxis und Managementliteratur. Durch verkürzte Lebenszyklen und die immer schnellere und radikalere Veränderung der betrieblichen Systemumgebung müssen häufiger als früher mehrere Projekte nebeneinander abgewickelt werden. Da deren Komplexität ebenfalls kontinuierlich zunimmt, die zur Bearbeitung zur Verfügung stehenden Ressourcen oft jedoch nicht im selben Umfang mitwachsen, kommt es zu einer verstärkten Konkurrenz um dieselben Mittel. Vor allem in Unternehmen mit einer Vielzahl von mehr oder weniger vernetzten, voneinander abhängigen und sehr aufwandsintensiven Projekten (dies ist Software für Multiprojektmanagement Einsatzbereiche und modellgestützte Evaluation Claus Herbolzheimer Das Management von immer mehr, immer komplexer werdenden Projekten verlangt nach einer elektronischen Unterstützung durch entsprechende Softwaretools für Planung, Monitoring, Controlling, Multiprojecting, Workflow-Steuerung, Team- und Dokumentenmanagement. Durch eine entsprechende Auswahl eines möglichst optimalen Werkzeugs und dessen konsequente Nutzung sollte es möglich sein, Abläufe und Koordinationsprozesse zu vereinfachen und zu verkürzen sowie den Verbrauch von zeitlichen, personellen und finanziellen Mitteln möglichst gering zu halten. Genau diese Auswahl stellt Unternehmen jedoch häufig vor eine langwierige und kostenintensive Aufgabe. Durch Nutzung des vorgestellten flexiblen und mehrstufigen Evaluationsmodells können die Entscheidungsprozesse deutlich verkürzt werden. Kunde Geschäftsprozesse Projekt Planung, Ressourcenmanagement, Reporting Controlling Entscheidungen, Strategie & Kontrolle Entscheidungs- Filter Kontrollschleife STRATEGISCH OPERATIONAL MULTIPROJEKTMANAGEMENT-UMWELT Abb. 1: Multiprojektmanagement-Systemumgebung P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 27 Anzeige gen, die auf verschiedenste Branchen und Aufgabenbereiche zugeschnitten sind. Versucht man einen Marktüberblick zu bekommen, erhält man sogar bei einer relativ groben Suche sehr rasch eine Liste mit über 200 unterschiedlichen Tools, die sich hauptsächlich allein auf den deutschsprachigen Markt konzentrieren! Und diese Aufzählung kann bei einer umfangreicheren Recherche noch erheblich ausgeweitet werden. Aus dieser Fülle an Angeboten lässt sich rasch ableiten, dass für eine Vielzahl von Unternehmen die Suche nach der geeigneten Applikation, ja schon nach einem passenden Hersteller, leicht zu einer aufwendigen und herausfordernden Arbeit werden kann. 1.3 Unterstützter Lösungsansatz Vor derselben Aufgabe stehend, hat sich der Verfasser im Rahmen eines Praktikums bei der Dornier System- Consult GmbH intensiv mit der Thematik beschäftigt und ein flexibles, mehrstufiges und dreidimensionales Modell zur Softwarebewertung entwickelt. Damit ist es möglich, die Komplexität der Nutzwertanalyse deutlich zu reduzieren und einen Überblick über die Positionierung des Tools in einem Portfolio potentieller Kandidaten zu erreichen. 2. Grundlagenansatz Grundlage des angesprochenen Modells ist ein von dem in der Fachliteratur Vorherrschenden geringfügig abweichender Ansatz, der Multiprojektmanagement als eine weitreichende, integrierte Sichtweise unternehmerischer Abläufe darstellt (siehe Abb. 1). Danach bauen Projekte in fast allen Fällen auf klassischen betrieblichen Prozessen auf, sei es im Sinne einer Prozessentwicklung des Business Reengineerings oder aber in der totalen Neugestaltung von ganzen Unternehmenskonzepten. Auf dieser operativen Projektebene laufen die gesamten bekannten planerischen, organisatorischen und realisierenden Aufgaben unter der Leitung von einem oder mehreren Projektmanagern ab. In dem in Abb. 1 dargestellten Ansatz sind nun zusätzlich dazu noch zwei weitere Ebenen erkennbar: zum einen der strategische Bereich der funktionellen Pyramide mit ihren Linienfunktionen wie Kontrolle, Entscheidung, Strategieentwicklung und Top-Level-Projektplanung. Parallel zu den dazu notwendigen Kommunikations- und Organisationsstrukturen muss sinnvollerweise eine kontinuierliche Kontrollschleife zwischen Projektmanagement und den höheren Ebenen ablaufen; zum zweiten existiert die Ebene des (internen oder externen) Projektkunden, der Ideen und Aufträge liefert. Eine Aufgabe der Managementpyramide ist es, aus diesen jene Impulse herauszufiltern, die - umgesetzt in einem Projekt - Sinn machen und im besten Falle zu einer gesteigerten Wertschöpfung führen. 2.1 Einsatzbereiche Nach unseren Erfahrungen ist es mit Multiprojektmanagement-Software möglich, vor allem die in Abb. 2 hinterlegt dargestellten Bereiche ganz oder teilweise zu unterstützen: Zur Erleichterung der täglichen Arbeit sind vor allem Kommunikations-, Dokumentenbzw. Wissensmanagement-Funktionalitäten geeignet, außerdem bieten viele der größeren Applikationen auch Support in P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 28 WISSEN Kommunikationsu. Dokumentationsmanagement Planung, Ressourcenmanagement, Reporting Controlling Entscheidungen, Strategie & Kontrolle Kontrollschleife STRATEGISCH OPERATIONAL MULTIPROJEKTMANAGEMENT-UMGEBUNG Abb. 2: Einsatzbereiche von Multiprojektmanagement-Software 3. Modellgestützte Evaluation mit Hilfe der „DSC Matrix“ Ebenso wie für Einzelgibt es auch im Multiprojektmanagement selten standardisierte Vorgehensweisen. Es gibt eine Vielzahl von Theorien und Definitionen sowie entsprechend auch eine Vielzahl von unterschiedlichsten Ansätzen, auf welchen Softwareunternehmen ihre Lösungen aufbauen. Dennoch ist es mit dem vorliegenden Bewertungsmodell gelungen, eine reproduzierbare Methode zu entwickeln und damit eine Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Applikationen zu ermöglichen. Durch eine Reduktion der Komplexität auf einige wenige, aber wichtige Kriterien kann - mit vertretbarem Verlust irrelevanter Informationen - in vergleichsweise kurzer Zeit aus einer Vielzahl von möglichen Kandidaten eine überschaubare Anzahl von genauer zu prüfenden Tools identifiziert werden. In drei Schritten (siehe Abb. 3) wird anhand der Definition von zunehmend restriktiveren Merkmalen eine sukzessive Ausscheidung von nicht geeigneten Herstellern erzielt. 3.1 Schritt 1 - Ableitung und Anwendung von Masterkriterien Nachdem sich ein Unternehmen grundsätzlich für den Einsatz einer Software entschieden hat, muss es festlegen, welche Prozesse und welche Bereiche eines Projektes unterstützt werden sollen. Möglicherweise erweist sich eine nur teilweise Abdeckung aller Abläufe als zielführender als die Einführung einer komplexen Allin-one-Software, möglicherweise stehen nicht mehr Finanzmittel zur Verfügung - kurz, es muss überlegt werden, wie durch elektronische Unterstützung ressourcenwerte Vorteile erzielt werden können. Das Resultat solcher Reflexionen, die übrigens oft auch neue Einblicke in die tägliche Projektarbeit mit sich bringen und allein dadurch schon zum Aufdecken von Innovationspotentialen führen können, ist ein grobes Informationsraster (Masterkriterien). Werden diese Grundsätze im Sinne eines abgeschwächten K.-o.-Verfahrens auf die Menge aller recherchierten Tools angewendet, kann ein Großteil (erfahrungsgemäß ca. 70-80 %) von vornherein ausgeschieden werden, da sie den Masterkriterien nicht entsprechen. Diese können mit Prämissen verglichen werden, die aufgestellt werden müssen, um z. B. mathematische oder physikalische Modelle in eine vergleichbare Umwelt zu transferieren und nicht mess- oder wahrnehmbare Einflussgrößen darzustellen. Im Falle einer Softwarebewertung bedeuten sie eine Eingrenzung der relevanten Tools durch das Aufstellen von Bedingungen, die auf jeden Fall erfüllt werden müssen: Exemplarisch sind das z. B. gewisse Beschränkungen der Systemressourcen, die nicht überschritten werden können, Kompatibilitätsanforderungen mit Legacy-Systemen oder Konformität mit unternehmensspezifischen IT- und Service-Strategien. Zusätzlich dazu werden Aspekte bezüglich des notwendigen Schulungsaufwands (ein Kriterium, mit dem auch ansonsten schwer greifbare Unterschiede in der Anwenderfreundlichkeit und Bedienungskomplexität zwischen verschiedenen Programmen ansatzweise dargestellt werden können) ebenso erste Bewertungskriterien sein wie die vom Unternehmen gestellten Ansprüche an Sicherheit oder die Möglichkeit von Remote-Zugriffen. Bezug auf Workflow-Organisation und -Durchführung. Zusätzlich dazu sind Informations- und Reportingstrukturen zwischen Teammitgliedern, -leitern und den Managementebenen gut abbildbar. Dadurch werden die Einhaltung und die Nutzung von Planungs- und Kontrollmechanismen deutlich erleichtert und die Annahme solcher Routinen durch die Mitarbeiter klar erhöht. Bei der Evaluierung umfassender und doch mit erheblichen Kosten verbundener Tools sollte immer darauf geachtet werden, dass vor allem langfristige strategische Ausrichtungen des Unternehmens berücksichtigt werden, bzw. dass es durch den Einsatz der Software nicht zu einer zu starken solitären Konzentration auf die abgebildeten Bereiche kommt. Wir haben aus der Erfahrung heraus gelernt, eine ständige Beobachtung der Umgebung oder - im besten Falle - sogar eine dynamische Integration anderer Systeme oder der Schnittstellen zu anderen Einheiten einzubeziehen. Dies kann so weit gehen, dass dem Projektkunden Zugriff auf ausgewählte Teile der Projektdokumentation gegeben wird. Ändern sich an einer Stelle die Erfordernisse, wirkt sich dies direkt aus. Systemänderungen können frühzeitig erkannt und Anpassungsmaßnahmen mit verhältnismäßig geringer Ressourcenbelastung angeordnet werden. 2.2 Grenzen des Einsatzes Wie in Abb. 2 zu erkennen ist, gehört das Feld des Entscheidungsfilters nicht mehr zu jenen Bereichen, die mit herkömmlichen Tools gut unterstützt werden können. Manche Instrumente bieten eine Funktion an, mit deren Hilfe über komplexe Kennzahlensysteme eine Bewertung von Ideen erfolgt, jedoch muss hier berücksichtigt werden, dass insbesondere Entscheidungen nicht immer nur durch objektiv nachvollziehbare Kriterien beeinflusst werden. Durch die Komponente der Emotion, der Erfahrung und des aus Erfolgen und Fehlschlägen aggregierten Wissens ergibt sich naturgemäß auch die ureigenste Aufgabe des Managements, Entscheidungen auf einer oft nicht vollständigen Informationsbasis treffen zu können. P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 29 3.2 Schritt 2 - Weitere Reduktion des Portfolios Im zweiten Schritt wird anhand der Masterkriterien und der in Phase 1 erhaltenen Informationen über die Beschaffenheit von Multiprojektmanagement-Software sowie durch weitere Anspruchsdefinitionen ein zweiter, detaillierter Anforderungssatz ermittelt (Reviewkriterien). Dieser beinhaltet neben unternehmensspezifisch aufzunehmenden Aspekten auch zu Gruppen aggregierte Funktionalitäten, die das Programm im Betrieb abdecken sollte. Im hier diskutierten Fall sind dies etwa Aufgabenbereiche wie Aktivitätenplanung, Terminverfolgung mit Reminder-Funktionen, Besprechungs- und Konferenzmanagement, strukturierte Ablage („Elektronische Projektakte“), Budget- und Ressourcenmanagement, besondere Unterstützung multi-lokaler Teams oder sogar der Support des strategischen Projektcontrollings. Diese Funktionalitäten sollten darüber hinaus etwas genauer beschrieben werden. Aktivitätenplanung zum Beispiel beinhaltet „die Übernahme von Teilaufgaben, Arbeitspaketen etc. inklusive Zeit- und Ressourcenplanungsangaben aus dem derzeit verwendeten reinen Planungstool und ermöglicht die anschließende Zuordnung von Aufgaben auf spezielle Teammitglieder oder -gruppen per E-Mail bzw. die Diskussion von Aufgabenpaketen, Vorgangsweisen sowie die Koordination der Zusammenarbeit multilokaler User in speziellen Foren oder per E-Mail“. Auf diese Weise werden die an die Software gestellten Anforderungen qualitativ relativ genau beschrieben, und es Anzeige Abb. 3: Dreistufiges Evaluationsverfahren MASTERKRITERIEN ANFORDERUNGSBESCHREIBUNG REVIEWKRITERIEN MATRIX-ANALYSE Portfolioreduktion um 70-80 % Weitere 15-25 % fallen weg 5% AUSWAHL-PORTFOLIO fällt leichter, die Spreu vom Weizen zu trennen. Es geht hier also nicht mehr um die Identifikation von allgemein für den Einsatz im Unternehmen geeigneten Tools, sondern vielmehr um die Auswahl der besten Programme aus einem Pool von Applikationen, die aufgrund ihrer technischen und inhaltlichen Strukturen grundsätzlich alle eingesetzt werden könnten. Nachdem in dieser Phase P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 30 WISSEN dung der Cluster eine gewisse Flexibilität erhalten bleibt. In Abb. 5 ist ein Ausschnitt aus dem Katalog für den Cluster „Automatische Workflow-Generierung“ dargestellt. Über farbliche Markierung werden die Anforderungen des Unternehmens zu den einzelnen Kriterien dargestellt, die tatsächliche Funktionalität der Software wird mittels eines Zahlencodes von -2 bis +2 dargestellt. Die automatische Alarmierung beim Verstreichen von Deadlines wird in diesem Fall beispielsweise als Muss-Anforderung gesehen. Da das Scheduling-Modul der Software dies sehr gut unterstützt, wird dieser Punkt als Kernfunktion bewertet. Die farblichen Markierungen werden in der Spalte „Grad der Anforderung“ in den für die Funktionalitätsbewertung verwendeten Zahlencode übersetzt. Durch solche Quantifizierung von generell qualitativen Informationen kann so die Kennzahl „Funktionalitätsgrad“ ermittelt werden, außerdem ist es ein Leichtes, einen Soll-Ist-Vergleich vorzunehmen und auch graphisch darzustellen. Projektkomplexität: Die auf der y-Achse abgetragenen Informationen resultieren aus einer Klassifizierung der Software in jene von vier Projekt-Komplexitätsstufen, die mit Hilfe des Tools noch bearbeitet werden kann. Die Stufen werden von der Projektgröße, der Projektdauer, der Mitarbeiteranzahl und der angenommenen Schwierigkeit der Projektrealisierung bzw. des Projekterfolgs bestimmt. Durchschnittlich kann folgende Unterteilung angenommen werden: ❏ kleine Projekte: bis zu fünf Mitarbeiter, Dauer bis zu drei Monaten, niedrige Komplexität, ❏ mittlere Projekte: sechs bis 15 Mitarbeiter, drei bis zwölf Monate, mittlerer Schwierigkeitsgrad, ❏ komplexe Projekte: mehr als 15 Mitarbeiter, Dauer länger als zwölf Monate, hohe Komplexität, ❏ sehr große Projekte: viel mehr als 15 Mitarbeiter, ca. weitere 15 bis 25 % (in Bezug auf die ursprüngliche Gesamtmenge) eliminiert werden, bleiben nur noch ungefähr 5 % übrig, wobei diese eine konzentrierte Menge an geeigneten Programmen darstellen. 3.3 Schritt 3 - Matrixanalyse Die so erhaltenen Tools können mit Hilfe des Matrix- Modells einfach bewertet werden. Durch eine Reduktion auf die drei Dimensionen ❏ Funktionalitätsgrad der Software (x-Achse), ❏ Grad der bearbeitbaren Projektkomplexität (y-Achse), ❏ Kosten (Kreisdurchmesser) werden eine Standardisierung der Bewertung und das Ausscheiden von eventuell das Ergebnis beeinflussenden Faktoren erreicht. Grundlage des in Abb. 4 dargestellten Portfolios ist ein detaillierter Katalog zur Analyse des jeweiligen Tools aufgrund von über 120 wichtigen Kriterien, die in zehn Bewertungsclustern (Kompatibilitätsanforderungen, Sicherheit, Multiprojektmanagement-Fähigkeit, Projektplanung, Automatische Workflow-Generierung, Dokumenten- und Kommunikationsmanagement, Ressourcenmanagment, Reporting-Funktion und Allgemeine Kriterien) zusammengefasst sind. Dieser Katalog erlaubt eine Erfassung der Unternehmensansprüche mittels einer fünfstufigen Bewertung der jeweiligen Priorität sowie die Angabe des Erfüllungsgrads auf einer ebenfalls fünfstufigen Skala. Dies ermöglicht zusätzlich zur graphischen Auswertung im Matrix- Modell die Durchführung eines Soll-Ist-Vergleichs und die deutliche Indikation von Abweichungen und Negativbereichen in einzelnen Clustern. Funktionalitätsgrad der Software: Mit Hilfe des Kriterienkatalogs erfolgt eine Ermittlung des Funktionalitätsgrads des Programms, wobei durch die Anwen- 79 185 153 163 158 120 0 1 2 3 4 5 0 80 160 240 Funktionalitätsgrad Projektkomplexität Abb. 4: Portfolio-Modell P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 31 Dauer sehr viel länger als ein Jahr, Teilprojekte sind mittlere oder komplexe Projekte. Kosten: Als dritte Dimension wird die Untersuchung der Kosten empfohlen, so dass die drei wichtigsten entscheidungsbestimmenden Faktoren auf einen Blick aus der Matrix erkennbar sind. Hier liegt es natürlich im Auge des jeweiligen Betrachters, wie detailliert die Kostenevaluation erfolgen sollte. Auf jeden Fall sollte aber ein Szenario angenommen werden, das allen Berechnungen zugrunde liegt, da ansonsten keine Vergleichbarkeit gegeben ist. 4. Resümee Die Auswahl von Multiprojektmanagement-Software ist ein langwieriger und mit Ressourcen-Aufwand verbundener Prozess. Die Anschaffung ist oft mit nicht unerheblichen Kosten verbunden und eine falsche Entscheidung kann zu beträchtlichen finanziellen Belastungen führen. Mit dem oben beschriebenen Modell kann der Entscheidungsprozess unterstützt und durch ein schrittweises Vortasten in Richtung der endgültigen Auswahl entschärft werden. Durch die Standardisierung der Vorgehensweise ist es ein Leichtes, besondere Aspekte von vornherein zu gewichten und dennoch sicherzustellen, dass an den entscheidenden Stellen unbedeutende Informationen nicht zu K.-o.-Kriterien werden können. Der Weg zur Wahl von Produkten - gleichgültig ob sie eingesetzt oder zunächst in Pilotversuchen getestet werden sollen - ist dokumentiert und nachvollziehbar. Ein Punkt, der es ermöglicht, eventuelle Synergien zu nutzen und für die aktuelle Auswahl nicht relevantes Wissen in zukünftigen Projekten zu nutzen - was ja genau im Sinne des Multiprojektmanagements ist. ■ Abb. 5: Ausschnitt aus dem Kriterienkatalog Literatur [1] Mempel, G.: Workshop-Multi-Projektmanagement-Praxis. In: Gesellschaft für Projektmanagement Internet Deutschland e.V. (Hrsg.): Beiträge zur Jahrestagung 1989. GPM München 1989, S. 209 [2] Balzer, H.: Den Erfolg im Visier - Unternehmenserfolg durch Multi-Projekt- Management. Logis-Verlag, Stuttgart 1998, S. 32 Schlagwörter Dreidimensionales Bewertungsmodell, Multiprojektmanagement, operative Ebene, Portfolio, Projektmanagement-Software, Reduktion von Komplexität, strategische Ebene, Systemumgebung Autor Claus Herbolzheimer, Student, geb. 1979; Studium des Betrieblichen Prozess- und Projektmanagements an der FH Vorarlberg/ Österreich (7. Semester). Tätigkeit als Projektleiter und -mitarbeiter in verschiedenen Logistik- und IT-Beratungsprojekten in Österreich, Deutschland, Frankreich und Liechtenstein. Im Rahmen eines Praktikums Einsatz bei Dornier SystemConsult GmbH (DSC) in Friedrichshafen. Mitbegründer eines studentischen Unternehmens für Schulung und Training. e-fellows.net-Stipendiat. Anschrift Kreuzlingerstraße 12a A-6830 Rankweil Tel.: ++43/ 6 64/ 4 94 56 84 E-Mail: cwh@gmx.at P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 40 NACHRICHTEN müssen anwenderfreundlich sein, das ist das oberste Gebot bei der Auswahl“, hat Dr. Ullrich Bauch festgestellt, „sie müssen Mitarbeitern sinnvoll und nützlich erscheinen.“ Er habe gute Erfahrungen mit systematischen Schulungen und anschließendem Coaching der Mitarbeiter gemacht: eine Investition, die sich zumeist rentiert. „In zehn Jahren sind diese Softwaretools ohnehin Standard.“ Ideal sei es, bei Großprojekten einen Mitarbeiter eigens für das System und die Schulungen abzustellen, der zudem als zentraler, leicht erreichbarer Ansprechpartner bereitstehe. Er müsse neben EDV-Kenntnissen und Branchenwissen auch firm sein in Methoden, Teammitarbeitern die Software „schmackhaft“ zu machen und Akzeptanz herzustellen. O. Steeger Bauch, moderne Baucontrolling- Software viel Rechenarbeit automatisieren und Listenerstellen abwickeln. Lohnt sich die Software-Investition ins Baucontrolling? „Controller haben im Bauprojektmanagement eine herausragende Position und müssen in die Prozesse eingreifen können“, betont Dr. Ullrich Bauch. So beziehen sie Vergleichsprojekte bei ihren Hochrechnungen ein und geben Projektleitern Fakten für die Kursbestimmung. „Je mehr Daten sie ,bewältigen‘ können, desto zuverlässiger arbeiten Baucontroller“, erklärt der Experte. Wichtig auch das Tempo: Prognoserechnungen sind meistens eilig. Da kann Computerpower Entscheidungen beschleunigen. Experten verweisen immer wieder auf den „human factor“, der über Erfolg und Scheitern des Softwareeinsatzes entscheidet. „Die Tools zu? Wer hat wann Zugriffsrechte? Welchen Weg müssen welche Pläne von Station zu Station nehmen? „Je gründlicher das System vorbereitet wird, desto effizienter und zuverlässiger kann es arbeiten“, hat Dr. Ullrich Bauch festgestellt. Indes, zwei weitere Vorbereitungsschritte sollten Teams nicht unterschätzen. Zum einen sollten sie ihre Mitarbeiter ständig schulen, mit dem System umzugehen. „Schaffen Sie Akzeptanz im Team und bleiben Sie auch nach dem Systemstart dran“, empfiehlt der Experte. Zum anderen gilt: Der Hersteller sollte an dem System beteiligt werden. Im Notfall muss er erreichbar sein und bei Pannen binnen kurzer Zeit dem Team aus der Klemme helfen können. Also schon bei der Wahl der Software sicherstellen, dass im Fall des Falles der Bau nicht ruht. Ihren ganzen Segen entfalten die Systeme dann, wenn möglichst viele Projektbeteiligte an den Rechner angeschlossen sind, beispielsweise Genehmigungsbehörden. Das Eisenbahnbundesamt in Nürnberg arbeitet als Prüfinstanz mit einem EDM- System, eine weitere süddeutsche Stadt will probeweise folgen. Dr. Ullrich Bauch ist sich sicher: „Das System wird kommen.“ Auch, um im Genehmigungsverfahren Kopierkosten zu sparen. So summieren sich bei Großprojekten Kopierkosten auf gut und gerne 50.000 Euro, wenn eine Genehmigungsbehörde zwanzig komplette Plansätze einfordert. Neben dem EDM-System hält peu à peu auch andere Spezialsoftware Einzug in Bauprojekte. Eigens für die Branche konzipierte Programme erleichtern das Baucontrolling. Die Aufgabe: Baucontroller versorgen die Projektleiter zügig mit Zahlenfakten, etwa die Kostenschätzung während Planungsarbeiten, Ergebnisse der Auftragsvergabe sowie Hochrechnungen und Prognosen. Kompliziert wird es, wenn Controller die Budget-Chronologie festhalten müssen: Was wurde wann freigegeben und abgerechnet? Wie wirken sich erfolgte Abrechnungen und Nachforderungen auf das Budget aus? Ebenfalls tückisch sind spezielle, im Bauwesen nach DIN-Standard vereinheitlichte Kostengliederungen, die von sonst üblichen Strukturen abweichen. Hier könne, so Dr. Ullrich Mindmapping-Software für Projektmanagement ■ Ordnung in die Gedanken bringen: „Mindmapping“ hilft, Ideen und Informationen zu gliedern und übersichtlich zu Papier zu bringen. Schlüsselwörter werden gesammelt, dann mit Pfeilen und Symbolen verbunden, Bezüge skizziert, neuen Ideen und Aspekten mit gezeichneten „Ästen“ Stichworte angefügt. Am Ende bildet das MindMap wie eine Landkarte die Überlegungen in allen Verästelungen und Zusammenhängen ab. Also ein gutes Werkzeug, um umfangreiche Projekte geistig in den Griff zu bringen? Das meinen zumindest Software- Idee „gehirngerecht“ aufzeichnen, gliedern und vernetzen: MindMap-Software kann helfen, komplexe Projekte übersichtlich zu machen. Foto: Mindjet P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 41 Ähnliches gilt für die Anbindung an gängige Office-Software. Die MindMap erscheint in Microsoft Word als Dokument mit exakt gegliederten Überschriften, Unterpunkten und Fließtext. Hier lassen sich komplexe Dokumente, beispielsweise wissenschaftliche Arbeiten, problemlos konzipieren. Genauso komfortabel gestalteten die Entwickler den Export der MindMaps als PowerPoint-Dokument oder HTML-Dokument. Ebenfalls ein Novum: Erstmals lässt sich die MindMap-Software für den Palm Organizer einsetzen („Mobile Edition“). Im Zug, im Auto oder im Hotelzimmer halten damit kreative Köpfe ihre Ideen fest. MindMaps kopieren sie vom PC auf den Organizer - und nach getaner Arbeit wieder zurück auf den Rechner. Tip für MindMap-Unerfahrene: Mindjet bietet eine 21-Tage-Demoversion als CD und im Internet (www.mindjet.de) an. Testen Sie zunächst, ob Ihnen die Methodik des MindMappens liegt. diesem Werkzeug „Grad und Qualität unserer internen und externen Kommunikation deutlich gesteigert zu haben“. Technisch ist die MindMap-Software ausgereift und weit entwickelt. Der „MindManager“ von Mindjet beispielsweise ermöglicht, dass per Internet rund um den Globus verteilte Teams an einer MindMap arbeiten. Hier gilt MindMapping sogar als Alternative zur Videokonferenz. Der Vorteil: Alle Teilnehmer haben den Stand der Besprechung buchstäblich vor Augen und im Überblick. Über ein eigenes Chatfenster können sie parallel Unklarheiten beseitigen. Und derweil sie Ideen sammeln, Zusammenhänge erstellen und Fakten gliedern, erstellen sie direkt das Protokoll - die MindMap eben. Perfektioniert haben die MindManager-Entwickler vor allem die Anbindung an gängige Software. Wichtigste Nachricht für Projektmanager: Die Versionen Business und Enterprise der neuen Version „Mind- Manager 2002“ umfassen jetzt detaillierte Aufgabenplanung. Aufgabeneigenschaften wie Termine, Ressourcen und Kategorien lassen sich problemlos zuweisen. Der Import und Abgleich mit MS-Outlook-Aufgaben ist nach Herstellerangaben ebenso möglich wie ein wechselseitiger Abgleich mit MS Project. Bislang hatten diese für Projektmanager wichtigen Anbindungen gefehlt. Schmieden, die für ihre MindMap- Software jetzt Projektmanager und Teams als neue Zielgruppe entdeckt haben. Gar nicht so abwegig: MindMap hilft dabei, Komplexität zu bändigen, gemeinsam kreativ Lösungen zu finden, Arbeiten zu planen und Aufgaben zu verteilen. Bislang rund 200.000 Lizenzen hat beispielsweise Mindjet für seinen „MindManager“ verkauft, nach eigenen Angaben ist das Unternehmen aus Alzenau weltweit führender Anbieter Business-orientierter Mindmapping-Software. Die Software verbinde, so Geschäftsführer Michael Louis, rationales Denken mit schöpferischer Kreativität. „Dies ist gerade in schnelllebigen Märkten entscheidend, in denen innovative Ideen rasch in reale Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden müssen.“ MindMapping als Turbo-Technik für den menschlichen Geist? Gewissermaßen ja. Mit den informativen Graphiken lassen sich Ideen sammeln, komplizierte Sachverhalte ordnen, komplexe Sachverhalte untersuchen, Fakten priorisieren, Informationen sammeln, Arbeitspakete erstellen und „herunterbrechen“ in Aufgaben, Ziele und Arbeitspläne sowie Präsentation und Konzepte erarbeiten. Vor allem lässt sich die Technik sowohl im Team als auch für einzelne Kopfarbeiter nutzen. Vor rund 30 Jahren hat der Brite Tony Buzan die Kreativitätstechnik entwickelt, um Gedanken zu visualisieren und graphisch zu vernetzen. Er erkannte: MindMapping kommt der Funktionsweise des menschlichen Gehirns entgegen. Die Methode schöpft das Potential des menschlichen Geistes umfassend aus. Sie nutzt sowohl die logisch arbeitende, rationale linke Gehirnhälfte (zuständig für Fakten, Zahlen und Sprache) als auch die rechte Gehirnhälfte, die mit Bilder, Farben und Emotionen arbeitet. Längst lassen Unternehmen wie PriceWaterhouseCoopers, IBM, DaimlerChrysler oder BASF ihre Mitarbeiter „mindmappen“. Eine „perfekte Schnittstelle zwischen Mensch und PC“, meint Dr. Ulrich Eder, der sich bei Due Finance in Düsseldorf mit MindMapping beschäftigt. Auch Jürgen Rögele von DaimlerChrysler ist überzeugt, mit Wie eine Besprechung organisieren? Beispiel für eine gelungene MindMap Abbildung: Mindjet P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 37 Multiprojektmanager: Navigatoren für „Projektflotten“ ■ Der tägliche Kampf um Fachleute und Budget: Auf dem Weg zu ihren Zielen müssen Projektmanager mit anderen Projekten zunehmend um Ressourcen ringen. Viele Spezialisten - so ein großes Problem - sind in Unternehmen überbucht, manchmal in drei oder vier Projekte eingebunden. Schlimmer noch, auch Projektmanager müssen auf mehreren Hochzeiten tanzen. Sie führen Projekte gleichzeitig und arbeiten parallel die Liste ihrer Linienaufgaben ab. Ordnung ins (Projekt-)Chaos bringen sollen so genannte Multiprojektmanager. Sie halten Übersicht über laufende Projekte und helfen damit, so Projektmanagement-Experte Gero Lomnitz, die „Projektelandschaft zu steuern“. Sie sind gewissermaßen Navigatoren, die eine ganze Flotte von Projekten auf dem Radarschirm beobachten. Aus dieser Position liefern sie wichtige Informationen für die Planung und Steuerung. Ihr Job: die Projekte gebündelt überschauen, strukturieren, Projektmanagement-Standards setzen - nicht aber in einzelne Projekte eingreifen und als „Projektpolizei“ die Teams beaufsichtigen. Gero Lomnitz erläutert im Gespräch die komplizierte Leuchtturm-Position der Multiprojektmanager. Wöchentlich, fast täglich die gleiche Herausforderung für Projektleiter. Sie müssen um Mitarbeiter ringen, auf Spezialisten für ihr Projekt warten. Bringt Multiprojektmanagement die ersehnte Lösung? Gero Lomnitz: Multiprojektmanagement ist ein wichtiger Schritt in die Richtung. Ein Multiprojektmanager wird aber dem Projektleiter nicht die Aufgabe abnehmen, sein Team zusammenzustellen und Fachkräfte zu gewinnen. Er kann ihm auch keine Mitarbeiter zuteilen. Er hat keine Ressourcenverantwortung. Keine Ressourcenverantwortung? Gero Lomnitz: Nein. Er hat generell keine Entscheidungsverantwortung für das einzelne Projekt. Der Multiprojektmanager bewilligt auch keine Projekte. Dafür sind definitiv andere zuständig. Ganz deutlich: Der Multiprojektmanager ist kein Entscheider, der die Priorität der Projekte bestimmt. Der Multiprojektmanager - also ein König ohne Land …? Gero Lomnitz: Er ist kein König, eher der königliche Staatssekretär, der mit seinen Informationen die Entscheidungen erheblich beeinflussen kann. Der Multiprojektmanager hat wichtige Aufgaben. Er hält Übersicht über das Projektportfolio, prüft die Vernetzung der einzelnen Projekte unter anderem in puncto Ressourcen, zeitliche Abhängigkeiten und Inhalte. In einem Schweizer Finanzdienstleistungsunternehmen ist es beispielsweise heute üblich, dass der Multiprojektmanager jedes neue Projekt vor der Beauftragung überprüft, ob es in das Projektportfolio passt, mit bislang laufenden Projekten kompatibel ist und sich inhaltlich in die Unternehmensstrategie fügt. Ein Multiprojektmanager wird dabei auch prüfen, ob es zwischen einzelnen Projekten Synergien oder Redundanzen gibt. Aber Entscheidungsbefugnis hat er nicht? Gero Lomnitz: Nein, wie gesagt, Entscheidungen zu treffen ist und bleibt Aufgabe des Managements, der Auftraggeber und der Lenkungsausschüsse einzelner Projekte sowie des Projektportfolio-Boards für die Projektelandschaft. Der Multiprojektmanager greift auch nicht direkt in Projekte ein, das ist Aufgabe der Projektleiter. Er sammelt Informationen, bereitet Entscheidungen vor, damit das Top-Management die richtigen Entscheidungen treffen kann. Also auch kein „Aufpasser“ für Projektleiter …? Gero Lomnitz: Er ist kein Aufpasser, aber zu seinen Aufgaben gehört in manchen Unternehmen, Reviews zu veranlassen, manchmal auch selbst durchzuführen. Es gibt Unternehmen, die ordnen dem Multiprojektmanagement auch die Aufgabe zu, schlimmstenfalls Projekte zu retten. Kernaufgabe ist dies aber nicht. Wenn ich das skizzierte Bild eines Multiprojektleiters überblicke - er scheint ein Fachmann zu sein, der zwischen allen Stühlen sitzt. Gero Lomnitz: Ich gebe Ihnen zum Teil recht. Er befindet sich in Spannungsfeldern. Er muss Widersprüchlichkeiten eines Unternehmens bewältigen können. Bei den Ressourcen beispielsweise wird das schnell deutlich. Aber er ist alles andere als ein Blitzableiter. Seine Aufgabe ist es, koordinierend Entscheidungen vorzubereiten und herbeizuführen. Muss der Multiprojektmanager in jedem Projekt zu Hause sein? Gero Lomnitz: Nein, das kann nicht seine Aufgabe sein. Er ist kein Oberprojektleiter, das ist nicht sein Job. Allein schon aus praktischen Gründen nicht. Selbst dann, wenn er nur für einen Projektbereich eines Unternehmens zuständig ist, beispielsweise IT oder Forschung und Entwicklung - selbst dann wird die Vielzahl laufender oder geplanter Projekte einfach seine Leistungsfähigkeit übersteigen. Er ist Generalist. Er muss die Projekte verstehen und überblicken, mehr nicht. Die Details bleiben beim Projektleiter. Die Projektteams müssen selbst wissen, wo sie stehen und ihren Statusbericht an das Multiprojektmanagement regelmäßig liefern. Und dafür muss im Unternehmen die Projekttransparenz zum Standard gesetzt werden. Nochmals zurück zu den Kernaufgaben. Er überwacht und steuert das Projektportfolio. Ein wichtiges Thema sind dabei die Ressourcen. Welche Aufgaben hat er noch? Gero Lomnitz: Ein Multiprojektmanager wird das Projektmanagement in seinem Unternehmen wei- Gero Lomnitz, Experte für Multiprojektmanagement aus Köln Foto: privat NACHRICHTEN P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 38 NACHRICHTEN terentwickeln. Er ist zuständig für PM-Guidelines, für klare Prozessbeschreibungen und für optimale Tools. Eine weitere Aufgabe besteht darin, dass er gemeinsam mit dem Projektteam Projekte qualifiziert auswertet und dieses Wissen regelmäßig in die Organisation einspeist. Gehört die Qualifizierung von Projektleitern auch zu seinem Job? Gero Lomnitz: Als gemeinsame Aufgabe mit der Personalentwicklung - ja. Was hat der einzelne Projektleiter davon, dass es Multiprojektmanagement gibt? Gero Lomnitz: Er profitiert. Der häufig politisch ausgetragene Kampf um Ressourcen in Unternehmen wird im Idealfall nach transparenten Regeln ausgetragen. Die Prioritäten der Projekte werden sicher gesetzt, die Entscheidungen letztlich verbessert. Das vermindert den Druck, unter dem Projektleiter heute vielfach stehen. Natürlich kommen auch neue Aufgaben auf den Projektleiter zu. Er muss beispielsweise monatlich einen Bericht für das Multiprojektmanagement aufsetzen oder andere Standards einhalten, die im Einzelfall durchaus lästig sein können. Für die Steuerung der Projektlandschaft ist dies allerdings unumgänglich. Multiprojektmanager - auch eine Karrierechance für Projektleiter? Gero Lomnitz: Meiner Erfahrung nach muss ein Multiprojektleiter das Projektmanagement-Handwerk sehr gut kennen - und zwar aus Erfahrung, nicht nur aus der Theorie. Aber er braucht weitere Qualifikationen, soziale Kompetenz beispielsweise. Er arbeitet ständig mit Konflikten und muss sich mit der Politik auseinander setzen. Er muss über die Fähigkeit verfügen, Komplexität zu denken, Organisationen zu verstehen, Wechselwirkungen und Abhängigkeit von Strukturen und Verhalten zu begreifen und zu beeinflussen. Ein Komplexitätsmanager? Gero Lomnitz: Ja, klar, auf jeden Fall. Er braucht eine solide theoretische Basis, sollte Kenntnis von Systemtheorie haben und sollte Veränderungsmanager sein. Er muss auch was von Risikomanagement und Projektcontrolling verstehen. Wenden wir den Fokus dem Thema Einführung zu. Was muss beachtet werden, wenn Multiprojektmanagement eingeführt werden soll? Gero Lomnitz: Zunächst einmal sollte klar sein, wer als „Auftraggeber“ Multiprojektmanagement wünscht und welche Ziele damit verfolgt werden sollen. Das klingt banal, ist aber von zentraler Bedeutung, denn Multiprojektmanagement sollte in der Hierarchie möglichst hoch aufgehängt werden. Hat der Multiprojektmanager keine starke Rückendeckung, ist er im Kraftfeld der Organisation fast immer chancenlos. Bei den Zielen gilt es wichtige Fragen zu klären: Soll der Multiprojektmanager beispielsweise auch die wirtschaftliche und strategische Ausrichtung einzelner Projekte überprüfen? Wie wichtig ist es, Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären? Gero Lomnitz: Erfolgreiches Multiprojektmanagement steht und fällt mit der Klarheit der Rollen. Ich nenne Ihnen einige Schlüsselfragen. Was ist Aufgabe der einzelnen Projektleiter? Welche Aufgabe hat die Geschäftsführung oder das Portfolio-Board? Welche formalen Einflussmöglichkeiten hat der Multiprojektmanager? Ein weiterer Punkt: Auch Standards und Prozesse des Projektmanagements müssen geklärt werden. Und nicht zu vergessen die Toolfrage: Der Multiprojektmanager braucht Planungs- und Reportingtools, die Multiprojektmanagement ermöglichen beziehungsweise unterstützen. Sie müssen Abhängigkeiten zwischen einzelnen Projekten abbilden. Die Abhängigkeit von Ressourcen oder Terminen abzubilden ist dabei nicht das schwierigste Problem. Schwieriger ist es, inhaltliche Abhängigkeiten abzubilden. Pläne managen und Bauprojekte controllen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 38 NACHRICHTEN terentwickeln. Er ist zuständig für PM-Guidelines, für klare Prozessbeschreibungen und für optimale Tools. Eine weitere Aufgabe besteht darin, dass er gemeinsam mit dem Projektteam Projekte qualifiziert auswertet und dieses Wissen regelmäßig in die Organisation einspeist. Gehört die Qualifizierung von Projektleitern auch zu seinem Job? Gero Lomnitz: Als gemeinsame Aufgabe mit der Personalentwicklung - ja. Was hat der einzelne Projektleiter davon, dass es Multiprojektmanagement gibt? Gero Lomnitz: Er profitiert. Der häufig politisch ausgetragene Kampf um Ressourcen in Unternehmen wird im Idealfall nach transparenten Regeln ausgetragen. Die Prioritäten der Projekte werden sicher gesetzt, die Entscheidungen letztlich verbessert. Das vermindert den Druck, unter dem Projektleiter heute vielfach stehen. Natürlich kommen auch neue Aufgaben auf den Projektleiter zu. Er muss beispielsweise monatlich einen Bericht für das Multiprojektmanagement aufsetzen oder andere Standards einhalten, die im Einzelfall durchaus lästig sein können. Für die Steuerung der Projektlandschaft ist dies allerdings unumgänglich. Multiprojektmanager - auch eine Karrierechance für Projektleiter? Gero Lomnitz: Meiner Erfahrung nach muss ein Multiprojektleiter das Projektmanagement-Handwerk sehr gut kennen - und zwar aus Erfahrung, nicht nur aus der Theorie. Aber er braucht weitere Qualifikationen, soziale Kompetenz beispielsweise. Er arbeitet ständig mit Konflikten und muss sich mit der Politik auseinander setzen. Er muss über die Fähigkeit verfügen, Komplexität zu denken, Organisationen zu verstehen, Wechselwirkungen und Abhängigkeit von Strukturen und Verhalten zu begreifen und zu beeinflussen. Ein Komplexitätsmanager? Gero Lomnitz: Ja, klar, auf jeden Fall. Er braucht eine solide theoretische Basis, sollte Kenntnis von Systemtheorie haben und sollte Veränderungsmanager sein. Er muss auch was von Risikomanagement und Projektcontrolling verstehen. Wenden wir den Fokus dem Thema Einführung zu. Was muss beachtet werden, wenn Multiprojektmanagement eingeführt werden soll? Gero Lomnitz: Zunächst einmal sollte klar sein, wer als „Auftraggeber“ Multiprojektmanagement wünscht und welche Ziele damit verfolgt werden sollen. Das klingt banal, ist aber von zentraler Bedeutung, denn Multiprojektmanagement sollte in der Hierarchie möglichst hoch aufgehängt werden. Hat der Multiprojektmanager keine starke Rückendeckung, ist er im Kraftfeld der Organisation fast immer chancenlos. Bei den Zielen gilt es wichtige Fragen zu klären: Soll der Multiprojektmanager beispielsweise auch die wirtschaftliche und strategische Ausrichtung einzelner Projekte überprüfen? Wie wichtig ist es, Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären? Gero Lomnitz: Erfolgreiches Multiprojektmanagement steht und fällt mit der Klarheit der Rollen. Ich nenne Ihnen einige Schlüsselfragen. Was ist Aufgabe der einzelnen Projektleiter? Welche Aufgabe hat die Geschäftsführung oder das Portfolio-Board? Welche formalen Einflussmöglichkeiten hat der Multiprojektmanager? Ein weiterer Punkt: Auch Standards und Prozesse des Projektmanagements müssen geklärt werden. Und nicht zu vergessen die Toolfrage: Der Multiprojektmanager braucht Planungs- und Reportingtools, die Multiprojektmanagement ermöglichen beziehungsweise unterstützen. Sie müssen Abhängigkeiten zwischen einzelnen Projekten abbilden. Die Abhängigkeit von Ressourcen oder Terminen abzubilden ist dabei nicht das schwierigste Problem. Schwieriger ist es, inhaltliche Abhängigkeiten abzubilden. Pläne managen und Bauprojekte controllen Planung Dr. Ullrich Bauch (Kaiser BRB-Baucontrol Ingenieurgesellschaft): „Bei vielen Bauprojekten werden die neuen, effizienten EDV- Tools nicht optimal eingesetzt.“ ■ Bauprojektteams ziehen nicht nur Wände, sondern auch Papiertürme hoch. Stapelweise erstellen sie Pläne, die zur Korrektur und Freigabe den Weg durch die Ingenieurbüros nehmen. Allein der fast abgeschlossene Umbau des Nürnberger Hauptbahnhofs „kostete“ rund 1.000 Einzelpläne. Doch längst sammeln sich die Pläne nicht mehr in Leitz- Ordnern, sondern auf den Festplatten von Rechnern. Seit den neunziger Jahren erleichtern EDM-Systeme den Projektteams die Aufgabe, Pläne zu verwalten und rundzusenden. Die „Elektronischen Dokumentenmanagementsysteme“ haben sich in der Baubranche bewährt - ebenso wie andere EDV-Tools, die Zeit sparen, Arbeitsabläufe beschleunigen und das Projekt strukturieren helfen. Vielmehr: helfen könnten. „Bei vielen Bauprojekten werden die EDV-Tools noch nicht optimal eingesetzt“, hat Experte Dr. Ullrich Bauch festgestellt. Auch trüben überzogene Erwartungen den Erfolg. „Ein neues EDV-Tool kann zur Effizienz beitragen, nicht aber ganze Projekte retten.“ Computer sind in der Baubranche nichts Neues. So ist die computergestützte Software für Projektplanung - seit rund zehn Jahren im Handel - weitgehend verbreitet. Rund 90 % aller Büros verwenden Software-Tools. Standardprogramme wie Microsoft Project haben längst Meilensteine gesetzt. Ein ähnliches Bild in puncto Software für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung: Auch hier haben die Bauingenieure verstanden, dass Kollege Computer dem Bleistift so weit Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 39 voraus ist wie ein Kipplaster der Handschaufel. Vergleichsweise neu sind viele rechnergestützte Management-Tools, die in der Baubranche noch selten genutzt werden. An erster Stelle steht das Planmanagement, das so genannte EDM-System, das seit rund zehn Jahren am Markt Platz gefunden hat. In anderen Branchen wird EDM unternehmensweit eingesetzt. In der Baubranche dagegen arbeiten bestenfalls Großunternehmen und Projektteams gewaltiger Bauvorhaben damit. So verwendet das Projektteam, das das ICE-Neubaustrecken-Projekt zwischen Nürnberg und Ingolstadt ins Rollen brachte, EDM-Software. Was bei dem Bahnbauprojekt tadellos funktioniert, muss nicht immer funktionieren. Projektteams müssen die Software, so mahnen Experten, auf ihren Einsatz vorbereiten. „Die Projektstrukturen und Prozesse müssen quasi im Rechner abgebildet werden“, betont Dr. Ullrich Bauch. Und: „Sind die Strukturen einmal abgebildet, müssen sich alle Projektbeteiligten an diese Spielregeln halten.“ Die Ordnung im Projekt helfe nicht nur dem Rechner bei der Arbeit, sondern dem gesamten Team. „Der Zwang zur Strukturierung hat mit Sicherheit günstige Effekte auf die Projektarbeit“, meint Dr. Ullrich Bauch. Weshalb muss die EDM-Software das Projekt so gut „kennen“, damit sie pannenfrei funktionieren kann? Der Grund für die strengen Regeln liegt auf der Hand. Der Rechner „schickt“ die Pläne selbstständig durch die Planungsstadien und Genehmigungsprozesse. Von den ersten Zeichnungen bis zum genehmigten Endplan überwacht das EDM- System jeden Schritt, verteilt die Dokumente an alle Beteiligten, die sie bearbeiten, korrigieren, gegenzeichnen, bestätigen und Genehmigungen erteilen. Die Software überwacht den Status und stellt sicher, dass niemand außer autorisierten Mitarbeitern auf den Plan zugreifen kann - eine wichtige Hilfe bei mehreren hundert Planungsvorgängen, die bei Großprojekten aufeinander aufbauen und ineinander verschachtelt sind. EDM verhindert, dass ein Planer irrtümlich seine eigene Arbeit auf einen noch nicht endgültig verabschiedeten Plan aufsetzt. Für den Projektleiter entscheidend: Er kann jederzeit beobachten, in welchem Stadium die Planungen sich befinden. Zugleich legt das System automatisch eine Planungschronologie an und übernimmt einen Teil der Projektdokumentation. Die Möglichkeiten, die das System eröffnet, klingen verlockend. Funktionieren kann die Software allerdings nur, wenn Projektteams sie systematisch und sorgfältig einführen. Dr. Ullrich Bauch hat ein Konzept entwickelt, mit dem er in seinen Projekten vorgeht. Nach der Wahl eines geeigneten Systems muss das Team die Software sorgfältig an seine Projektstruktur anpassen und gewissermaßen Organigramm und Zuständigkeiten abbilden. Dann kann das EDM-System den Workflow darstellen: Wer arbeitet wem Lückenschluss der Bahn AG: 18,4 Kilometer lang ist der Abschnitt Mitte der neuen ICE-Verbindung zwischen Nürnberg und Ingolstadt, sieben Brücken und drei Tunnel gehören mit zu dem 327-Millionen-Euro-Großprojekt. Beim Projektmanagement wird auch neuartige Planungsmanagement-Software eingesetzt. Foto: Hochtief P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 40 NACHRICHTEN müssen anwenderfreundlich sein, das ist das oberste Gebot bei der Auswahl“, hat Dr. Ullrich Bauch festgestellt, „sie müssen Mitarbeitern sinnvoll und nützlich erscheinen.“ Er habe gute Erfahrungen mit systematischen Schulungen und anschließendem Coaching der Mitarbeiter gemacht: eine Investition, die sich zumeist rentiert. „In zehn Jahren sind diese Softwaretools ohnehin Standard.“ Ideal sei es, bei Großprojekten einen Mitarbeiter eigens für das System und die Schulungen abzustellen, der zudem als zentraler, leicht erreichbarer Ansprechpartner bereitstehe. Er müsse neben EDV-Kenntnissen und Branchenwissen auch firm sein in Methoden, Teammitarbeitern die Software „schmackhaft“ zu machen und Akzeptanz herzustellen. O. Steeger Bauch, moderne Baucontrolling- Software viel Rechenarbeit automatisieren und Listenerstellen abwickeln. Lohnt sich die Software-Investition ins Baucontrolling? „Controller haben im Bauprojektmanagement eine herausragende Position und müssen in die Prozesse eingreifen können“, betont Dr. Ullrich Bauch. So beziehen sie Vergleichsprojekte bei ihren Hochrechnungen ein und geben Projektleitern Fakten für die Kursbestimmung. „Je mehr Daten sie ,bewältigen‘ können, desto zuverlässiger arbeiten Baucontroller“, erklärt der Experte. Wichtig auch das Tempo: Prognoserechnungen sind meistens eilig. Da kann Computerpower Entscheidungen beschleunigen. Experten verweisen immer wieder auf den „human factor“, der über Erfolg und Scheitern des Softwareeinsatzes entscheidet. „Die Tools zu? Wer hat wann Zugriffsrechte? Welchen Weg müssen welche Pläne von Station zu Station nehmen? „Je gründlicher das System vorbereitet wird, desto effizienter und zuverlässiger kann es arbeiten“, hat Dr. Ullrich Bauch festgestellt. Indes, zwei weitere Vorbereitungsschritte sollten Teams nicht unterschätzen. Zum einen sollten sie ihre Mitarbeiter ständig schulen, mit dem System umzugehen. „Schaffen Sie Akzeptanz im Team und bleiben Sie auch nach dem Systemstart dran“, empfiehlt der Experte. Zum anderen gilt: Der Hersteller sollte an dem System beteiligt werden. Im Notfall muss er erreichbar sein und bei Pannen binnen kurzer Zeit dem Team aus der Klemme helfen können. Also schon bei der Wahl der Software sicherstellen, dass im Fall des Falles der Bau nicht ruht. Ihren ganzen Segen entfalten die Systeme dann, wenn möglichst viele Projektbeteiligte an den Rechner angeschlossen sind, beispielsweise Genehmigungsbehörden. Das Eisenbahnbundesamt in Nürnberg arbeitet als Prüfinstanz mit einem EDM- System, eine weitere süddeutsche Stadt will probeweise folgen. Dr. Ullrich Bauch ist sich sicher: „Das System wird kommen.“ Auch, um im Genehmigungsverfahren Kopierkosten zu sparen. So summieren sich bei Großprojekten Kopierkosten auf gut und gerne 50.000 Euro, wenn eine Genehmigungsbehörde zwanzig komplette Plansätze einfordert. Neben dem EDM-System hält peu à peu auch andere Spezialsoftware Einzug in Bauprojekte. Eigens für die Branche konzipierte Programme erleichtern das Baucontrolling. Die Aufgabe: Baucontroller versorgen die Projektleiter zügig mit Zahlenfakten, etwa die Kostenschätzung während Planungsarbeiten, Ergebnisse der Auftragsvergabe sowie Hochrechnungen und Prognosen. Kompliziert wird es, wenn Controller die Budget-Chronologie festhalten müssen: Was wurde wann freigegeben und abgerechnet? Wie wirken sich erfolgte Abrechnungen und Nachforderungen auf das Budget aus? Ebenfalls tückisch sind spezielle, im Bauwesen nach DIN-Standard vereinheitlichte Kostengliederungen, die von sonst üblichen Strukturen abweichen. Hier könne, so Dr. Ullrich Mindmapping-Software für Projektmanagement ■ Ordnung in die Gedanken bringen: „Mindmapping“ hilft, Ideen und Informationen zu gliedern und übersichtlich zu Papier zu bringen. Schlüsselwörter werden gesammelt, dann mit Pfeilen und Symbolen verbunden, Bezüge skizziert, neuen Ideen und Aspekten mit gezeichneten „Ästen“ Stichworte angefügt. Am Ende bildet das MindMap wie eine Landkarte die Überlegungen in allen Verästelungen und Zusammenhängen ab. Also ein gutes Werkzeug, um umfangreiche Projekte geistig in den Griff zu bringen? Das meinen zumindest Software- P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 42 NACHRICHTEN befriedigend zu lösen.“ Das ist der erste Schritt. Schritt zwei - „Was ist los? “ Sofort Partei für eine Streitpartei zu ergreifen, davon raten die Experten meist ab. „Reagieren Sie nicht zu schnell. Drängen Sie anfangs nicht zu sehr zu einer Lösung“, warnt Renate Koppmann, Psychologin und Konfliktberaterin aus Lindau. Besser ist es, sorgfältig den Parteien zuzuhören, zu vermitteln, Gemeinsamkeiten in der Auseinandersetzung zu finden. Die Grundeinstellung, dass jeder der Kontrahenten aus seiner Perspektive - gewissermaßen - Recht hat, hilft beim Sondieren. Unterschiedliche Sichtweisen, Gefühle, Bedürfnisse und auch Wertvorstellung (Arbeitstempo gegen Qualitätsdenken) werden deutlich - allesamt „Material“, mit dem der Projektleiter später die Parteizerfallen ist, mit Schuldzuweisungen am sozialen Dynamit. Zuletzt stellt jemand den Sinn des ganzen Unternehmens in Frage. Das Projekt: ein Minenfeld aus Grundsatzdebatten, Streitereien, Scharmützeln, Grabenkämpfen und persönlichen Feindseligkeiten. Ein Einzelfall? Kein Einzelfall. Kaum ein Projektleiter, der im Laufe seines Projekts nicht über offene und verborgene Konflikte klagt. Derlei Streitereien zerren an der Motivation und gefährden ernsthaft den Projekterfolg. So weit die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Arbeitspsychologen und Soziologen haben in der „Konfliktforschung“ handfeste Ergebnisse gesammelt, von denen auch Projektmanager profitieren. Konflikte, meinen die Fachleute, gehören unweigerlich zum Projektmanagement. ■ Das Joint-Venture-Projekt zweier Chemieriesen droht zu platzen. Schon wenige Wochen nach Projektstart zeichnen sich im Team Konflikte ab, zunächst nur Spannungen, dann lähmende Streitereien. Die Atmosphäre in den Meetings ist geladen, die Diskussionen drehen sich um Projekttools und um die Prioritätenfrage, ob Termindruck oder Qualitätsanspruch Leitlinie der Arbeit ist. Später zündelt das Team, das längst in zwei Lager In fünf Schritten Teamkonflikte lösen Expertin Gissou Assmann über den ersten Schritt, Streitigkeiten im Team zu bewältigen: „Äußern Sie die Absicht, den Konflikt befriedigend zu lösen.“ Projektarbeit ist auch Konfliktarbeit. Mehr noch, Arbeitspsychologen haben beobachtet, dass Konflikte festes Element der Teambildung sind. Sie sprechen von einer „Konfliktphase“, die jede Mannschaft durchmacht, bevor sie sich wirklich als effizient arbeitendes Team fühlt. Ähnlich wie in einer Ehe, in der „überwundene“ Konflikte zur Harmonie führen, schweißen bewältigte Auseinandersetzungen ein Team zusammen und stärken es. Andersherum bleibt ein Team, das den Zoff nicht durchgemacht hat, unter seinen Möglichkeiten. Zwietracht und Spannungen letztlich als Motivationsfaktor? Konflikte als Rückenwind für ihre Projektarbeit zu nutzen, davon sind die meisten Projektmanager entfernt. Sie stellen nur fest, dass die Streitigkeiten im Team die Arbeit lähmen und Meilensteine gefährden. Plötzlich bilden sich im Team kleine Grüppchen, drehen Mitarbeiter Endlos-Diskussionsschleifen zur Vorgehensweise und Methodik, machen Schuldzuweisungen die Runde und finden Erörterungen kein Ende. Mit einem Mal zieht das Team, um Munition für seine Kleinkriege zu haben, längst Beschlossenes in Zweifel; oder greift den Projektleiter an. An derlei Alarmzeichen lässt sich ablesen, dass im Teamklima das Barometer fällt und die Stimmung auf Sturm steht. Projektmanager haben Probleme, der auf Krawall gebürsteten Mannschaft beizukommen. Nachfolgend fünf Schritte zur Konfliktbewältigung: Schritt eins - „Oha, ein Konflikt …“ Die Erkenntnis, dass der Haussegen schief hängt, bringt Projektleiter bereits voran. Profis sehen die Konfliktsymptome ohnehin als Chance und begrüßen sie. „Jeder, der einen Konflikt zum Thema macht, weist auf ein Problem hin“, erklärt Gissou Assmann, Projektmanagementberaterin bei Consensa in Hamburg. Im Klartext: Tragen Mitarbeiter einen Streit im Team zum Projektleiter, sollte er ihn nicht nach dem „Auch-das-noch! “-Muster überspringen. Gissou Assmann: „Äußern Sie die Absicht, den Konflikt Foto: privat Konfliktberaterin Renate Koppmann: „Reagieren Sie bei einem Konflikt im Team nicht zu schnell. Drängen Sie nicht zu sehr zu einer Lösung.“ Foto: privat en zusammenführen kann. „Es ist, als ob man mit einem Scheinwerfer das Konfliktfeld ausleuchtet“, meint Projektmanagement-Berater Kristoffer Krsmanovic (Consensa, Hamburg), ein Prozess, der manchmal schon heilsam wirkt. Schritt drei - „Woran liegt’s? “ Erst nach diesem Ausleuchten lohnt es sich, die Differenzen zu bearbeiten. Gemeinsam mit den Parteien analysiert der Projektleiter die Situation, setzt Prioritäten, forscht P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 43 müssen sich später weniger über Konflikte ärgern. Ähnliches gelte für eine gewissenhafte Projektumfeldanalyse und für Planungstechniken. Zudem empfiehlt sie, in Projekten Spielregeln zu vereinbaren - eine simple Technik, die sie gerne in Trainings-Teams zur Aufgabe macht. Derlei Spielregeln entschärfen Konfliktpotential auf der Beziehungsebene zwischen den Mitarbeitern. Umfassende Richtlinien brauchen die Teams dabei nicht zu ersinnen. Praktische Regeln sind gefragt, Spielregeln nach dem Muster, dass beispielsweise jeder täglich dreimal seine E-Mails abruft und beantwortet, dass das Team bei Brainstormings Ideen nicht sofort kritisiert oder bei Problemen nicht Schuldige, sondern Lösungen sucht. Renate Koppmann warnt allerdings: „An diese Spielregeln muss sich jeder halten, auch die Projektleitung.“ Da gebe es keine Ausnahmen. Hinweis am Rande: Gissou Assmann, Renate Koppmann und Kristoffer Krsmanovic haben vor GPM- Regionalgruppen zum Thema Konflikte Vorträge gehalten. O. Steeger keit, verschiedene Konfliktarten erkennen zu lernen. Kracht es auf der Beziehungsebene, sind die meisten Sachdiskussionen nur Scheingefecht. Krsmanovic: „Hier ist es sehr wichtig herauszuhören, aus welchem Grund die beiden Parteien wirklich streiten.“ Wer solche Beziehungskonflikte lösen will, muss den Kontrahenten zwei Dinge ermöglichen: ihre Sichtweise offen darzulegen sowie dabei eine wertschätzende Haltung dem anderen gegenüber einzunehmen. Krsmanovic: „Ein Arbeitsklima der Wertschätzung und Anerkennung ist ohnehin wichtige Grundlage, um andere überhaupt auf Konflikte im Projekt anzusprechen und sie zu lösen.“ Vielen Konflikten, so meinen Experten, können Teams ohnehin aus dem Wege gehen. Mit vorbeugenden Maßnahmen lassen sich Wogen glätten. Bemerkenswert, dass gerade saubere Projektmanagement-Methodik dazu beiträgt, Streitigkeiten im Keim zu ersticken. Renate Koppmann hat beobachtet: Projektleiter, die zu Anfang sorgfältig Auftrag und Ziel ihres Vorhabens klären, nach Ursachen und skizziert mögliche Lösungen. Wird es ganz knifflig, führt zunächst die Frage weiter, wo - neben all den Differenzen - letztlich Gemeinsamkeiten sind, bei denen man ansetzen kann. Ohnehin befriedet es die Parteien mehr, wenn nicht die eine Fraktion den Sieg, die andere die Niederlage davonträgt. Kompromisse, bei denen sich beide bewegen müssen und der Verlust geteilt ist, wirken nachhaltig. Noch besser: eine Lösung, bei der alle Parteien ihr Ziel erreichen und die in eine Win-Win-Situation mündet. Indes, die Experten warnen auch, mit zu viel „Kuschelführung“ Konflikte zu lösen. Manche Auseinandersetzungen sind gewaltig eskaliert. Projektleiter können die Streitigkeiten nur noch im Auge behalten - und müssen sie notfalls per Machtdekret lösen. „Sie können nur so lange moderieren, wie beide Seiten bereit sind, aufeinander zuzugehen“, zieht Gissou Assmann die feine Linie zwischen lösbaren und den unlösbaren Konflikten. Schritt vier - „Was tun wir jetzt? “ Eine Lösung ist in Sicht, die Gemüter beruhigen sich - doch mit seiner Schlichtung ist der Projektleiter noch nicht am Ende. In Schritt vier überprüfen die Parteien, ob die Lösungen tatsächlich realisierbar sind. Stehen die Aussichten gut, treffen sie klare Abmachungen und verteilen Aufgaben. Ein Protokoll nach dem „Wir-haben-vereinbartdass …“-Muster ist hilfreich. Schritt fünf - „Und? Alle zufrieden? “ Aus Konflikten können Mitarbeiter lernen - sowohl für das Projekt als auch für sich selbst. Sprechen Sie die Kontrahenten darauf an, ob sie mit der Lösung zufrieden sind, wie das Gespräch auf sie gewirkt hat und welche „Lehren“ sie daraus ziehen. Indes, bevor Projektleiter Konflikte lösen helfen, sollten sie feststellen, um welche Art von Konflikten es sich handelt. Erst dann können sie geeignete Lösungswege suchen (siehe Kasten auf S. 44). Beziehungskonflikte, bei denen es nicht mehr in erster Linie um die Sache geht, sind besonders „heikel“. „Projektleiter machen häufig den Fehler, die Beziehungskonflikte zu ignorieren oder allein auf der Sachebene lösen zu wollen“, hat Krsmanovic festgestellt und betont die Dringlich- „Häufig machen Projektleiter den Fehler, Konflikte allein auf der Sachebene zu schlichten“, hat Projektmanagement-Berater Kristoffer Krsmanovic festgestellt. Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 45 GPM INTERN „Brief und Siegel“ für Projektmanagement- Kompetenz ■ Der von Unternehmen viel gesuchte Projektmanager ist selten - selten zumindest auf dem Papier. Das Problem: Obwohl viele Projektleiter ihr Management-Handwerk gründlich gelernt haben, können sie ihre Qualifikation fast nie mit einem Diplom nachweisen. Sie reichen bei Bewerbungen Arbeitszeugnisse, Ausbildungsurkunden und Referenzarbeit ein, Indizien, die viele Personalchefs als unsicher bewerten. Die Personaler vermissen das von unabhängiger Hand ausgestellte Zeugnis, ein Gütesiegel, das Methodensicherheit und Führungsqualifikation der Projektmanager bescheinigt. Mit Zertifikaten hat die GPM-eigene Zertifizierungsstelle „PM-ZERT“ diese Lücke geschlossen. Fachleute dieser unabhängigen GPM-Organisationseinheit überprüfen die Kompetenzen von Projektmanagern und stellen ein Zertifikat aus, das in 30 Ländern anerkannt ist. Dieses Verfahren haben viele europäische Länder abgestimmt. Weltweit schlossen sich beispielsweise auch China, Ägypten, Indien und Russland an. „Ein international gültiger ,Projektmanagement-Führerschein’“, umschreibt GPM-Vorstand Dr. Ulrich Wolff das System. Bislang erwarben rund 750 deutsche Projektmanagement-Fachleute das „Gütesiegel“, allein im letzten Jahr rund 500, Tendenz stark steigend. „Ganze Unternehmen entschließen sich, ihre Projektleiter zertifizieren zu lassen“, erklärt Dr. Ulrich Wolff, „daran lesen wir ab, dass Projektmanagement eine Schlüsselqualifikation für unsere Zeit ist.“ So schicken beispielsweise Daimler- Chrysler, Union Investment, VIAG Interkom, Lufthansa Systems Group, Siemens, DFS Deutsche Flugsicherung, DHL, Deutsche Telekom und Thyssen Krupp ihre Projektmanager zu PM-ZERT. Als einen der Gründe für diesen Boom nennt Dr. Ulrich Wolff Sparzwänge in der Wirtschaft, die effizientes Projektmanagement erfordern. Für ihn steht fest: „Projektmanager mit Kompetenznachweis haben im Karrieremarkt einen klaren Vorsprung.“ Ein Vorsprung, der den Kandidaten allerdings viel Schweiß kostet. Leicht machen es ihnen die Zertifizierer („Assessoren“) nicht, den „Projektmanagement-Führerschein“ zu erwerben. Insgesamt vier Levels sowie ein Zusatzlevel für internationale Projektarbeit bieten sich an. Für den untersten Eingangslevel D wird lediglich das Projektmanagement-Fachwissen in einer fünfstündigen schriftlichen Prüfung abgecheckt. Für die weiteren Levels müssen Kandidaten sich kräftiger ins Zeug legen. Zusätzlich zu einem zweistündigen schriftlichen Wissenstest - der Inhabern des Level-D-Zertifikats erspart bleibt - nehmen sie beispielsweise an einem eintägigen Projektworkshop teil, in dem sie ihr Fachwissen „live“ demonstrieren, aber auch ihre Teamfähigkeit und ihr persönliches Führungsverhalten beweisen. Die Assessoren, selbst erfahrene Projektleiter, beobachten die Kandidaten bei der Arbeit und beurteilen beispielsweise deren soziale Kompetenz sowie ihre Fähigkeit, Probleme zu lösen, zu motivieren und zu kommunizieren. Zudem gehören - je nach Level - eine bis zu dreißig Seiten lange Studienarbeit über ein selbst geleitetes Projekt sowie ein Prüfungsgespräch zum Procedere. Für die höheren Levels sind Methodenwissen und Führungsqualität nur die halbe Miete. Berufserfahrung spielt eine große Rolle bei der Zertifizierung. Je höher Projektmanager in der Level-Hierarchie klettern wollen, desto mehr Projekterfahrung müssen sie nachweisen. Derweil für den untersten „Level D“ (Zertifizierter Projektmanagement-Fachmann [GPM]) noch keine Erfahrung in Projekten nötig ist, steigen die Ansprüche mit jeder Stufe. So wird für den nächsthöheren Level C (Zertifizierter Projektleiter [GPM]) drei Jahre Projektmanagement-Praxis mit Leitungsverantwortung gefordert. Für den Level B (Zertifizierter Projektmanager [GPM]) erwarten die Assessoren fünf Jahre Erfahrung in komplexen Projekten, davon drei Jahre Leitungsverantwortung. Für den Zusatzlevel B* (Zertifizierter Internationaler Projektmanager) gelten fünf Jahre Erfahrung in komplexen internationalen Projekten mit drei Jahren Leitungsverantwortung als Bedingung. Dabei fallen für den Level B* interkulturelle Arbeit, Neben Fachwissen qualifizieren Erfahrung und Führungspersönlichkeit für die Projektmanagement-Zertifizierung. GPM-Mitglieder: 2.630 Davon Firmenmitglieder: 164 Teilnehmer am Lehrgang „Projektmanagement-Fachmann“: 2.964 Durch PM-Zert vergebene Projektmanagement-Zertifikate insgesamt: 839 + +++ +++ +++ +++ +++ + + +++ +++ +++ +++ +++ + Foto: Nokia P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 46 GPM INTERN hoch im Kurs. Manche Branchen müssen Kunden gegenüber sogar zunehmend den Beweis erbringen, dass ihre Mitarbeiter etwas vom Projektmanagement verstehen und firm bei Methoden und Vorgehensweisen sind. „Mitarbeiter, die ein unabhängiges Zertifikat mitbringen, haben da die besseren Karten“, betont Dr. Erhard Motzel, einer der Wegbereiter des Zertifizierungssystems und langjähriger Leiter von PM-ZERT. Zugleich unterstreicht er: „Die Zertifizierung ist keine Qualifizierungsmaßnahme, sondern ein Kompetenznachweis.“ Für diesen Nachweis spiele es keine Rolle, wo Projektmanager ihr Handwerk gelernt haben. Wichtig ist, dass sie es beherrschen - und zwar so, dass sie auch nach Jahren noch ihre Qualifikation nachweisen können. So reicht es bei dem untersten Level D aus, wenn Projektleiter ihre Kenntnisse ein einziges Mal auf die Probe stellen. Bei den darüber liegenden Levels werden sie alle drei Jahre (Level A: fünf Jahre) rezertifiziert, Kommunikationsfähigkeit und Führungsqualität besonders ins Gewicht. Auch müssen B*-Projektmanager sattelfest in englischer Sprache sein. So wird hier die gesamte Zertifizierung zweisprachig, in Deutsch und Englisch, vorgenommen. Für den höchsten Level A (Zertifizierter Projekt-Direktor [GPM]) werden fünf Jahre Erfahrung im Mehrprojektmanagement und Programm-Management erwartet, davon wiederum drei Jahre Leitungsverantwortung. Indes, mit diesem Level A werden nicht Projektmanager zertifiziert, die ein einzelnes Projekt leiten. Es gibt Spezialisten, die eine Reihe von Projekten überwachen und beispielsweise in Projekt- Stabsstellen arbeiten. Sie tragen Verantwortung für das gesamte Projektmanagement in Unternehmen oder einem Unternehmensbereich. Unter dem Strich, so meinen Experten, lohnt sich die Mühe für Prüflinge, Assessoren - und auch für Unternehmen. Der Grund: In der Wirtschaft steht Projektmanagement ein Verfahren, das gleich bleibende Kompetenz sicherstellt. Sehr weit gefasst hat PM-ZERT diese Kompetenz, die sie von Projektmanagern und im Projektmanagement tätigen Personen erwartet. Neben den Grundlagen des Projektmanagements und dem Methodenwissen umfassen die Beurteilungskriterien weitere Schwerpunkte, darunter soziale Kompetenz, Organisationskompetenz, persönliches Verhalten bei der Projektarbeit und den allgemeinen Eindruck, den der Kandidat bei den Assessoren hinterlässt. „Dieser Katalog ist mit den 30 Projektmanagement-Fachverbänden, die die Zertifizierung weltweit anbieten, abgestimmt“, erläutert Dr. Erhard Motzel, „wer bei den internationalen Partnern das Zertifikat vorlegt, wird ohne weitere Nachfrage verstanden.“ Weitere Informationen: PM-ZERT- Geschäftsstelle, Tel.: 0911/ 3 93 14 88, E-Mail: pm-zert@gpm-ipma.de, sowie unter www.gpm-ipma.de, Rubrik „Zertifizierung“. O. Steeger ■ Zahlen und Gleichungen beschreiben die Welt. Nicht ganz. Projekte beispielsweise gehorchen nicht allein den Formeln auf kariertem Papier. „Vor mehr als 30 Jahren habe ich lange gebraucht, um mich von meinem Ingenieursglauben an allmächtige Differentialgleichungen zu lösen und mich dem weniger mathematischen Management zu öffnen“, meint Manfred Saynisch (Jahrgang 1936) nachdenklich. An seinem scharfen Blick für Logik hielt er allerdings fest, als er 1965 für das erste deutsche Satellitenprojekt „Heos-A“ Projektmanagement-Know-how aus den USA nach Deutschland holte. Aus erster Hand gewissermaßen. Die amerikanischen Planer des ersten atombetriebenen U-Boots POLARIS versorgten ihn mit den Techniken und Instrumenten des Projektmanagements, die sie eigens für dieses Projekt entworfen hatten - und damit das Projektmanagement „erfanden“. „Mich haben die unmathematischen, doch präzisen Planungswerkzeuge früh fasziniert“, sagt er. Eine Gratwanderung zwischen logischer Schlüssigkeit und Praxistauglichkeit. Damals schon. War er 1965 mit dem frisch im- Manfred Saynisch wirkte an Meilensteinen deutscher Industrieprojekte mit portierten Know-how aus den Staaten in Deutschland Projektmanagement-Pionier? „Vielleicht“, meint Saynisch, „jedenfalls gehörte ich zu den Ersten.“ Seither wirkte der überzeugte Entwicklungsingenieur und (bekehrte) Projektmanager an vorderster Front und trieb das bundesdeutsche Projektmanagement voran. Entscheidende Meilensteine der jüngsten Industriegeschichte und Projektmanagement-Entwicklung hat er begleitet, an Projekten mitgewirkt, die heute als Lehrbeispiele, vielleicht sogar als Legenden gelten. Beispielsweise Anfang der siebziger Jahre beim ARIANE-Raketenprojekt, dessen Management-Konzept er heute noch für mustergültig hält. Mit den Erfahrungen aus dem europäischen Renommierprojekt arbeitete Manfred Saynisch weiter und bereicherte sie um heute selbstverständliche PM-Methoden. Der gebürtige Sauerländer feilte an eigenen Projektmanagement-Konzepten und nutzte P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 46 GPM INTERN hoch im Kurs. Manche Branchen müssen Kunden gegenüber sogar zunehmend den Beweis erbringen, dass ihre Mitarbeiter etwas vom Projektmanagement verstehen und firm bei Methoden und Vorgehensweisen sind. „Mitarbeiter, die ein unabhängiges Zertifikat mitbringen, haben da die besseren Karten“, betont Dr. Erhard Motzel, einer der Wegbereiter des Zertifizierungssystems und langjähriger Leiter von PM-ZERT. Zugleich unterstreicht er: „Die Zertifizierung ist keine Qualifizierungsmaßnahme, sondern ein Kompetenznachweis.“ Für diesen Nachweis spiele es keine Rolle, wo Projektmanager ihr Handwerk gelernt haben. Wichtig ist, dass sie es beherrschen - und zwar so, dass sie auch nach Jahren noch ihre Qualifikation nachweisen können. So reicht es bei dem untersten Level D aus, wenn Projektleiter ihre Kenntnisse ein einziges Mal auf die Probe stellen. Bei den darüber liegenden Levels werden sie alle drei Jahre (Level A: fünf Jahre) rezertifiziert, Kommunikationsfähigkeit und Führungsqualität besonders ins Gewicht. Auch müssen B*-Projektmanager sattelfest in englischer Sprache sein. So wird hier die gesamte Zertifizierung zweisprachig, in Deutsch und Englisch, vorgenommen. Für den höchsten Level A (Zertifizierter Projekt-Direktor [GPM]) werden fünf Jahre Erfahrung im Mehrprojektmanagement und Programm-Management erwartet, davon wiederum drei Jahre Leitungsverantwortung. Indes, mit diesem Level A werden nicht Projektmanager zertifiziert, die ein einzelnes Projekt leiten. Es gibt Spezialisten, die eine Reihe von Projekten überwachen und beispielsweise in Projekt- Stabsstellen arbeiten. Sie tragen Verantwortung für das gesamte Projektmanagement in Unternehmen oder einem Unternehmensbereich. Unter dem Strich, so meinen Experten, lohnt sich die Mühe für Prüflinge, Assessoren - und auch für Unternehmen. Der Grund: In der Wirtschaft steht Projektmanagement ein Verfahren, das gleich bleibende Kompetenz sicherstellt. Sehr weit gefasst hat PM-ZERT diese Kompetenz, die sie von Projektmanagern und im Projektmanagement tätigen Personen erwartet. Neben den Grundlagen des Projektmanagements und dem Methodenwissen umfassen die Beurteilungskriterien weitere Schwerpunkte, darunter soziale Kompetenz, Organisationskompetenz, persönliches Verhalten bei der Projektarbeit und den allgemeinen Eindruck, den der Kandidat bei den Assessoren hinterlässt. „Dieser Katalog ist mit den 30 Projektmanagement-Fachverbänden, die die Zertifizierung weltweit anbieten, abgestimmt“, erläutert Dr. Erhard Motzel, „wer bei den internationalen Partnern das Zertifikat vorlegt, wird ohne weitere Nachfrage verstanden.“ Weitere Informationen: PM-ZERT- Geschäftsstelle, Tel.: 0911/ 3 93 14 88, E-Mail: pm-zert@gpm-ipma.de, sowie unter www.gpm-ipma.de, Rubrik „Zertifizierung“. O. Steeger ■ Zahlen und Gleichungen beschreiben die Welt. Nicht ganz. Projekte beispielsweise gehorchen nicht allein den Formeln auf kariertem Papier. „Vor mehr als 30 Jahren habe ich lange gebraucht, um mich von meinem Ingenieursglauben an allmächtige Differentialgleichungen zu lösen und mich dem weniger mathematischen Management zu öffnen“, meint Manfred Saynisch (Jahrgang 1936) nachdenklich. An seinem scharfen Blick für Logik hielt er allerdings fest, als er 1965 für das erste deutsche Satellitenprojekt „Heos-A“ Projektmanagement-Know-how aus den USA nach Deutschland holte. Aus erster Hand gewissermaßen. Die amerikanischen Planer des ersten atombetriebenen U-Boots POLARIS versorgten ihn mit den Techniken und Instrumenten des Projektmanagements, die sie eigens für dieses Projekt entworfen hatten - und damit das Projektmanagement „erfanden“. „Mich haben die unmathematischen, doch präzisen Planungswerkzeuge früh fasziniert“, sagt er. Eine Gratwanderung zwischen logischer Schlüssigkeit und Praxistauglichkeit. Damals schon. War er 1965 mit dem frisch im- Manfred Saynisch wirkte an Meilensteinen deutscher Industrieprojekte mit portierten Know-how aus den Staaten in Deutschland Projektmanagement-Pionier? „Vielleicht“, meint Saynisch, „jedenfalls gehörte ich zu den Ersten.“ Seither wirkte der überzeugte Entwicklungsingenieur und (bekehrte) Projektmanager an vorderster Front und trieb das bundesdeutsche Projektmanagement voran. Entscheidende Meilensteine der jüngsten Industriegeschichte und Projektmanagement-Entwicklung hat er begleitet, an Projekten mitgewirkt, die heute als Lehrbeispiele, vielleicht sogar als Legenden gelten. Beispielsweise Anfang der siebziger Jahre beim ARIANE-Raketenprojekt, dessen Management-Konzept er heute noch für mustergültig hält. Mit den Erfahrungen aus dem europäischen Renommierprojekt arbeitete Manfred Saynisch weiter und bereicherte sie um heute selbstverständliche PM-Methoden. Der gebürtige Sauerländer feilte an eigenen Projektmanagement-Konzepten und nutzte Als Gast beim „Club of Rome“ regte PM-Experte Manfred Saynisch an, Projektmanagement für gesellschaftliche Veränderungen nutzbar zu machen. Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 47 Beiden Ansätzen, so Saynisch, liege unterschiedliche Logik zugrunde. „Ich habe einen Weg gefunden, diese zwei Phasenansätze zu kombinieren“, berichtet er. Seine Forschungen werde er im Frühjahr vorstellen. Ohnehin begreift sich das GPM-Gründungsmitglied zugleich als Praktiker und Forscher. „Mein Ziel ist es, die Projektmanagement-Szene mit fachlichen Impulsen und Praxiserfahrungen auf systematischer Basis zu unterstützen“, erklärt er. Die Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis zieht sein Interesse immer wieder an. Unlogisch oder inkonsistent dürfen die Methoden, Strategien und Werkzeuge des Projektmanagements für den Zahlenmenschen Saynisch nicht sein. Umgekehrt gilt: Projektmanagement darf sich nicht von der Praxis entfernen. Ungenutzte Theorie ist totes Wissen. Und: Scheuklappen legt sich Saynisch nicht an. die ARIANE-Rakete entwickelte die MAN in München Turbopumpen für das Triebwerk. Das Unternehmen, das mit dem Auftrag zum fachgerechten Projektmanagement verpflichtet worden war, holte sich 1969 Saynisch ins Haus. Er baute zunächst das Projektcontrolling auf und leitete dann diese Abteilung. „Ich brachte Raumfahrterfahrung und PM-Wissen mit“, erklärt Saynisch. Die technische Herausforderung fasziniert ihn noch heute: Eine Hochleistungspumpe zu bauen, die binnen weniger Minuten flüssigen, minus 200 Grad Celsius kalten Treibstoff aus einem gewaltigen Tank in Raketentriebwerke presst und die zudem - Maxime in der Raumfahrt - extrem und zuverlässig und leichtgewichtig ist. Doch von der rein technischen Entwicklungsarbeit hatte sich Saynisch bereits entfernt. Er widmete sich dem Projektmanagement. Entwarf mit seiner Ingenieurspräzision neue Werkzeuge und Strategien. Als einer der Ersten führte er Anfang der siebziger Jahre die (heute völlig selbstverständliche) Kostenplanung und Kostenüberwachung ins Projektmanagement ein. „Ich verband die Planungstechniken mit dem kaufmännischen Rechnungswesen“, erklärt er. Das integrierte Projektkostenkonzept mit Zeitplanung gilt bis heute als Grundlage des Projektcontrollings. Weiterer „Meilenstein“: 1984 Saynischs erste umfassende Darstellung des Konfigurationsmanagements, das erweiterte Änderungsmanagement. „Damit habe ich die Integration mit dem Projektmanagement aufgezeigt“, erklärt der Experte, der sich auch beim heute wichtigen Konfigurationsmanagement einen internationalen Ruf erworben hat. Ähnlich wirkte er am Fundament des Phasenkonzepts mit. Für dieses Konzept mit den heute verbreiteten Projektgliederungen und Meilensteinen nutzte er wieder die PM-Fundamente aus dem ARIANE-Projekt. Indes, gerade dieses bewährte Phasenkonzept scheint Saynisch noch nicht ausgereift. Logische Brüche, so meint er, erschweren den Umgang mit dem Modell. Das Problem: Derweil beispielsweise bei einer Produktentwicklung die einen Projektmanager in Produktphasen (Idee, Konzept, Entwicklung, Prototypen, Produktion …) denken, orientieren sich andere am Auftrag (Angebot, Vertragsverhandlung, Auftragserteilung …). sie bei weiteren Projekten. So beteiligte er sich an Meilensteinen deutscher Industrieentwicklung, beispielsweise am Großprojekt ISDN der Telekom, an einer Automobilfabrik, am „Schnellen Brüter“, am Großflughafen München oder beim „Tornado“-Kampfjet. In den neunziger Jahren half er dem russischen GAZprom-Konzern beim Aufbau seines Projektmanagements. Sechzig Top-Manager des 500.000-Mann- Unternehmens ließen sich bei ihm ausbilden. „Aus dem Kommunismus waren in Russland gute Planungsmethoden bekannt“, berichtet er, „doch bei der Kostenrechnung fehlte jegliches Know-how.“ Längst hat sich Saynisch mit Vorträgen, Seminaren, Workshops, Fachtagungen, Büchern und rund 100 Aufsätzen und Beiträgen Expertenruf erworben. Er unterrichtete an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (Projektmanagement in der Medienwirtschaft), an der Technischen Universität München und an der Fachhochschule Merseburg. Zudem machte sich das Münchner Projektmanagement-Urgestein 1985 mit einem Beratungsbüro selbstständig. Für DaimlerChrysler, Hoechst, BMW, Mannesmann-DEMAG, Deutsche Post und Siemens war er tätig. Indes, wie viele andere Projektmanager „der ersten Stunde“ geriet Manfred Saynisch durch Zufall ans Projektmanagement. Der Entwicklungsingenieur beschäftigte sich bei den Münchner Junkers Flugzeug- und Motorenwerken mit Kernreaktor- Triebwerken für frühe Raumtransporter-Konzepte, den nie gebauten Vorläufern des Spaceshuttles. Ein Studienkollege brachte PM-Unterlagen aus den USA mit, Papiere, die er zwar durchblätterte, aber dann - mangels mathematischer Stringenz des Konzepts - zur Seite legte. „Als unser Unternehmen dann erstmals mit einem Satellitenprojekt Neuland betrat, war auch Projektmanagement gefordert“, erzählt Saynisch. Das Projektteam ging die Ausschreibungsunterlagen durch. Das Stichwort PERT - eine der ersten Netzplantechniken - fiel. Saynisch hatte davon in den Unterlagen seines Studienkollegen gelesen. „Und so bekam ich den Auftrag, diese Planung für unser Projekt aufzubauen.“ Damit war der „strenggläubige“ Ingenieur Saynisch - freiwillig oder unfreiwillig - im Projektgeschäft. Für Manfred Saynisch: Der Weg in die GPM Netzplantechnik hat viel mit Mathematik zu tun. So sahen es Mitte der 60er Jahre zumindest Ingenieure, die Projektmanagement aus den USA importierten und in Deutschland aufbauten. Viele schlossen sich dem Fachverband „DGOR - Deutsche Gesellschaft für Operation Research“ an. Doch um 1979 erkannten sie: Das Projektmanagement, das aus der Netzplantechnik herangewachsen war, passte nicht mehr in den mathematisch orientierten Verband. „Wir waren über Netzplantechnik hinaus“, erklärt Manfred Saynisch, „wir mussten uns von den Mathematikern trennen und brauchten einen eigenen Verband.“ Damit war der Kerngedanke für die „GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.“ gelegt. 1979 gründete Manfred Saynisch die GPM mit. Im Rampenlicht des Vorstands allerdings stand er nie. „Ich habe mich bewusst auf die Entwicklung des Projektmanagements konzentriert und die Facharbeit gesucht.“ Der gebürtige Sauerländer unterstützte in München die GPM-Gremien und Fachgruppen - häufig im Schatten des Rampenlichts. So ist er beispielsweise seit über 25 Jahren Mitglied des DIN-Normenausschusses, Leiter der GPM-Fachgruppen „Neue Wege im Projektmanagement“ sowie Mitglied in der GPM-Gruppe „Projektmanagement-Berater“, die eng mit dem BDU Bund Deutscher Unternehmensberater kooperiert. Auch publizistisch hinterlässt Saynisch Spuren: rund 100 Artikel, Beiträge und Bücher, zudem als langjähriger deutscher Vertreter im internationalen Beirat der IPMA-Zeitschrift „International Journal of Projectmanagement“ sowie Beiratsmitglied der „Projektmanagement aktuell“. P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 48 GPM INTERN Gast bei einer Tagung des renommierten „Club of Rome“ und nachfolgenden Einzeldiskussionen regte Manfred Saynisch an, Projektmanagement für gesellschaftliche Veränderungen nutzbar zu machen. Der Hintergrund: In den 90er Jahren hat der Experte dazu beigetragen, Projektmanagement bei der Treuhand (später: Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) einzuführen. In 500 Einzelprojekten sanierte die Behörde die ostdeutsche Industrie, schulte Mitarbeiter um und bereitete die einst maroden Betriebe auf den Verkauf vor. „Damals wurde das erste Mal in Deutschland eine große gesellschaftliche Aufgabe mit Projektmanagement gelöst“, erläutert Saynisch die PM-Dimension des Projekts, das 1997 zu den Preisträgern des „Deutschen Projektmanagement Awards“ der GPM zählte. O. Steeger Also, interdisziplinäres Arbeiten ist nicht nur gestattet, sondern gefordert. „Das Bild von unserer Welt und dem Menschen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark geändert“, weiß er. Aber: „Viele Managementkonzepte und Prinzipien von heute orientieren sich an einem 50 bis 100 Jahre alten Verständnis von Mensch und Natur.“ So leitet er die GPM-Fachgruppe „Neue Wege im Projektmanagement“, in der Projektteams das neue Welt-Verständnis für das Projektmanagement auswerten. „Erkenntnisse aus Biologie, Physik, Philosophie und Sozialwissenschaften fließen in unsere Arbeit ein“, erklärt Saynisch. Impulse für seine Arbeit holte er sich bei dem Jahrhundert-Denker, Kybernetiker und Erkenntnistheoretiker Heinz von Foerster. Auch Ervin Laszlo, Vordenker globaler Lösungen und Gründungsmitglied des „Club of Rome“, steht Saynisch geistig Pate. Glanzlicht der Bemühungen um neue PM-Horizonte: Als