PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2002
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.4 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 5 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 D ie Zahlen sprechen für sich. Bei rund vier Milliarden Euro Haushalt spart das Change- Management einen zweistelligen Millionenbetrag ein. Zudem hoben zusätzliche Professionalität und intelligente Vertragslösungen die Leistungsqualität für die Versicherten deutlich an. Die Projekte haben es der KKH ermöglicht, auf den neu gesteckten politischen Rahmen erfolgreich zu reagieren, heißt es bei der Kasse. Sie sieht sich in deutlich besserer Position. Die Versorgung der gesetzlich Versicherten sei verbessert, die Kasse habe im Markt deutlich als Dienstleister Stellung bezogen, die Sachbearbeitung sei ebenso optimiert worden wie das Controlling-System. Die Fäden des umfassenden Projektprogramms laufen im „Project Office“ des Unternehmens zusammen. Mit einer Kombination aus Beratung, zentralem Projekt- Controlling und Multiprojektsteuerung hilft das Office seinen jährlich rund vierzig Projekten auf die Sprünge. Was Projektmanagementexperten beeindruckt: Das Project Office der KKH ist in seiner Entwicklung weit vorangeschritten, weiter als ähnliche Offices in der Industrie. Das hat Walter Hüskes, Leiter des Offices, indirekt gemerkt. Die Einladungen mehren sich, auf Fachtagungen das Konzept zu präsentieren. Auch KKH- Vorstandsvorsitzender Ingo Kailuweit stellte jüngst das Office auf einem Expertenmeeting vor: Der Erfolg könne sich sehen lassen. In der KKH wurde, seit sechs AufgabenmixausProjektberatung,zentralemProjektcontrolling undMultiprojektsteuerung Das„ProjectOffice“derKKHgiltalsMusterbeispiel OliverSteeger WettbewerbdurchEffizienz: MiteinemPaukenschlagsetztediePolitikMittederneunziger JahrezueinergrundlegendenGesundheitsreforman.BinnenkurzerZeitverändertesie dieRahmenbedingungenfürdieKrankenkassen.WettbewerbderKassenundWahlfreiheitfürdieVersichertenrevolutioniertendasGesundheitswesen.FürdieVersichertenein spürbarerWandel.DiemeistenKassenmusstensichfürdieseWelt„rüsten“.Auchdie „KaufmännischeKrankenkasseKKH“inHannoverbereitetesichvor.DasTraditionsunternehmenreorganisiertesichineinemKonzertausvielenProjekten,brachtebeispielsweise mehrEffizienzinihrensogenanntenLeistungsbereich,woÄrzte,Apotheken,Krankenhäuser,TherapeutenundRehabilitationsklinikenihreDiensteabrechnen.MehrEffizienzin Vertriebsstruktur,ServicenetzundVerwaltung,soeinederMaximen.KaumeinBereichder HannoveranerKassemitihrenbundesweit4.200Mitarbeiternblieb(oderbleibt)ausgespart, eingewaltigesProgramm,dasnachKKH-MeinungkaumeineanderegesetzlicheKrankenversicherungsoumfassendangegangenist.DieFädendesumfassendenProjektprogrammslaufenim„ProjectOffice“desUnternehmenszusammen.-PM-aktuell-Redakteur OliverSteegerstelltdasOfficevor. IneinemKonzertausvielenProjektenbrachtedie„KaufmännischeKrankenkasseKKH“beispielsweisemehr EffizienzinihrensogenanntenLeistungsbereich,woÄrzte, Apotheken,Krankenhäuser,TherapeutenundRehabilitationsklinikenihreDiensteabrechnen. Foto: KKH REPORT 6 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 7 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Jahren eifrig vorangebracht, ein mustergültiges Project Office eingerichtet. Angesichts der vielen gestemmten Projekte hat sich das Office bestens bewährt. BeimProjektstartBeratungnötig „Wir begleiten die Projekte vom Start bis zum Abschluss“, erklärt Walter Hüskes den KKH-Ansatz. Und: „Wir verstehen uns dabei als interner Dienstleister des Projektleiters, eines unserer Hauptkunden.“ Dahinter steht eine ganze Liste von Aufgaben, die das Office übernommen hat. Es schult, berät und coacht Projektleiter. Zentrales Projektcontrolling und Multiprojektmanagement kommen hinzu. Zudem entwickelt und überwacht das Office Projektmanagementmethoden und Standards und leistet Support bei der PM-Software. Ein rundes Programm, das sich das fünfköpfige Team zur Aufgabe gemacht hat. „In der Startphase des Projekts haben Projektleiter häufig Probleme und sehen sich zudem einer Vielzahl zeitgleich zu erledigender Aufgaben gegenüber“, erklärt Walter Hüskes, „hier sind Beratung und Coaching stark gefragt.“ Tatkräftige Schützenhilfe, um die Projekte anzuschieben: Zielbestimmung des Projekts, Hilfe, das Projekt in Vorgehensziele und Ergebnisziele zu strukturieren. Das Project Office unterstützt bei Qualifizierungen, bei der Risikoanalyse, bei der Umfeldanalyse und dabei, das Projektteam zusammenzustellen. „So werden auf Wunsch des Projektleiters auch komplette Teambuilding-Workshops moderiert“, erläutert Hüskes das umfassende Angebot. ZentralesProjektcontrollingim„ProjectOffice“ Sind die Projektplanungen in „trockenen Tüchern“, verändert sich die Blickperspektive auf das Projekt. Je weiter das Projekt voranschreitet, desto mehr löst zentrales Projektcontrolling die Beratung ab - und das unterscheidet das Project Office der KKH von vielen ähnlichen Stellen. „Wir unterstützen zwar weiterhin bei der Steuerung des Projektes“, so Hüskes, „doch „Wirverstehenunsdabeialsinterner DienstleisterdesProjektleiters,einem unsererHauptkunden.“WalterHüskes, Leiterdes„ProjectOffice“derKKH HatbereitsselbstaufExpertenkonferenzendas„ProjectOffice“vorgestellt-KKH-Vorstandsvorsitzender IngoKailuweit Foto: KKH Foto: KKH das Controlling der Projektpläne und der Statusberichte tritt in den späteren Phasen in den Vordergrund.“ Kurz: Die Experten des Office sehen sich als „Lotsen“, die dem Projektleiter (dem „Kapitän“) helfen, durch schwierige Gewässer zu manövrieren. Sie haben sich weit mehr vorgenommen als nur Support für Projektleiter, als Betreuung und auch Coaching dann, wenn Projektleiter sich überlastet fühlen. Seinen ungewöhnlichen Aufgabenmix aus Beratung und Controlling hat das Project Office der KKH übernommen aus der Abteilung „Unternehmensentwicklung und Controlling“, in die es eingebettet ist. Hier bildet das Office ein eigenständiges Team und orientiert sich an der Controlling-Mentalität, die sich in dem Unternehmen ausgeformt hat - und die sich heute auf drei Ebenen bezieht. Die erste Ebene: das Analysieren, Planen und Steuern - die klassischen Aufgaben des Projektmanagements, in dem Controlling als wichtiges Instrument gilt. Die zweite Ebene: Vereinbarungen treffen und einhalten. Auf dieser Ebene betrachtet die KKH das Controlling als eine Art Kommunikationsansatz und Führungsmethode. Als dritte Ebene kommt das vernetzte Arbeiten hinzu. Hier gilt Controlling als Denkweise und Verpflichtung, als eine Art Arbeitsphilosophie, die die KKH im Unternehmen festgezurrt sehen will. Lenkungsausschussistzweiter„Kunde“ „Nachdem ich auf Fachtagungen unseren Ansatz mit dem anderer Unternehmen verglichen habe, scheinen Servicegroßgeschrieben: MitProjektenverbessertedie KKHdieVersorgungdergesetzlichVersicherten. Foto: Bayer 6 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 7 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 wir die Aufgaben eines Offices in der Tat umfassender zu verstehen“, bestätigt Walter Hüskes. Noch haben die Experten den Begriff „Project Office“ vergleichsweise unscharf gefasst. Unter diesem Etikett handelt die Projektmanagementszene derzeit einen ganzen Korb von Organisationseinheiten, die sich - irgendwie - um das Projektmanagement im Unternehmen bemühen. Ein reines Backoffice für Routineaufgaben versteht sich ebenso als Office wie Servicestellen oder komplexe Stellen, die auch Multiprojektmanagement durchführen oder einen eigenen Pool von Projektleitern bereitstellen. Die KKH hat früh auf diese umfassende „Project-Office“-Struktur gesetzt und dabei manchen Kraftakt geleistet. Heute hat das Project Office - neben den Projektleitern - einen weiteren Kunden. Den Lenkungsausschuss mit Vorstand, Hauptabteilungsleiter und dem Abteilungsleiter „Unternehmensentwicklung und Controlling“, der als zentraler Ausschuss alle Projekte auf strategischer Ebene überwacht. Auch er lässt sich von dem Office informieren, um Vorhaben zu priorisieren, zu genehmigen und zu begleiten. Multiprojektmanagementfür„Cockpit-Sicht“ In einem ausgeklügelten System zur Multiprojektsteuerung laufen die Fäden einzelner Projekte zusammen. In dem zentralen Multiprojekt zeichnet sich ab, wo welches Projekt steht, welche Mitarbeiter wo eingebunden DankneuerMedikamenteundTherapientut’snichtmehr ganzsoweh.MitderGesundheitsreformsolldiemedizinischeVersorgungerschwinglichbleiben.DieKassenallerdingsstelltedieReformvorneueHerausforderungen. Foto: Bayer 8 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 9 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 ImBlick: Die„Kaufmännische KrankenkasseKKH“ Rund zwei Millionen Versicherte und ein Etat von über vier Milliarden Euro - die KKH ist nach eigenen Angaben die viertgrößte bundesweite gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland. Und eine traditionsreiche dazu. Ihre historische Spur geht zurück ins Jahr 1862. Kaufmannsgehilfen gründeten in Halle an der Saale den Kaufmännischen Verein, um Mitgliedern zu helfen, die durch Krankheit in Not geraten waren. 1890 formierte die Generalversammlung aus ihrem Verein eine Krankenkasse. Heute ist die KKH eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie bezeichnet sich als modernes, servicestarkes Dienstleistungsunternehmen mit schlanken Verwaltungsstrukturen und eindeutiger Zukunftsorientierung. Flächendeckend in allen Bundesländern vertreten, betreibt sie 114 KKH-Servicestellen und beschäftigt bundesweit rund 4.200 Mitarbeiter. sind, was überhaupt derzeit „läuft“. Dabei kann im Prinzip jede Führungskraft auf die Daten des Multiprojektsystems zurückgreifen. Nicht nur der Vorstand, auch Linienmanager und die Projektleiter selbst. Damit hält das Project Office die Verbindung zwischen den Projekten und dem Lenkungsausschuss, lässt Informationen fließen, vermittelt, berät und ebnet Wege. Insofern erlaubt das Multiprojekt eine zentrale Steuerung von Projekten. Wichtige Stichworte sind einheitliche Berichtsbasis, einheitliche Ermittlung des Ressourcenbedarfs, Übersicht über Abhängigkeiten zwischen Projekten und Ressourcen sowie ein laufender Abgleich der Planung mit dem Projekt-Portfolio. Walter Hüskes spricht von einer „Cockpit-Sicht für alle Führungskräfte“. Monatlich werde die Sicht aktualisiert, zudem bringt das Office vor jeder Sitzung des Lenkungsausschusses die Daten auf neuesten Stand. Vertrauenaufbauen Dem Lenkungsausschuss und zugleich den Projektleitern verpflichtet - da kann es zu Rollenkonflikten kommen. Kann es, wenn das Project Office nicht vorbeugt. Mit fairen Spielregeln und offener Kommunikation begegnet das Project Office der Gefahr. „Um Rollenkonflikte zu vermeiden oder nicht zwischen die Fronten zu geraten, muss man sich Vertrauen erarbeiten und es pflegen“, sagt Hüskes. Offenheit ist ein wichtiges Stichwort. Fordert beispielsweise ein Top-Manager Daten zu einem Projekt an, bekommt der agierende Projektleiter zuvor Nachricht. „Es kann ja sein, dass er gerade dabei ist, diese Daten zu aktualisieren“, erklärt Walter Hüskes. Bei allen Controlling-Aufgaben, die er neben dem Service in seinem Büro entfaltet, weiß er: Controlling heißt nicht kontrollieren. Sondern fördern. SchulungundBeratungvonProjektleiternistnureineAufgabedesProject Offices. RundzweiMillionenVersicherteundeinEtatvonübervierMilliardenEuro-die KaufmännischeKrankenkasseKKHinHannover Foto: KKH Foto: KKH 8 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 9 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 „NutztdieErfahrungsdatenfrühererProjekte“,fordernVerfechterderProjektvergleichstechnik.Gehtesdarum,SchwierigkeitundGüteeinesProjektszumessen,habensieein bestechendesKonzeptentwickelt.SielegenzusammenfassendeMesszahlenvor,diesieaus vergangenenProjektenermittelthaben-undhebendieProjektbewertungaufeinesachlicheEbene.SielassenfundierteZahlensprechen,wennanderemitMissverständnissenund ungewolltenKränkungenüberdieGüteeinessoebenabgeschlossenenProjektsstreiten.Bei derProjektvergleichstechnikgehtesumnüchterne,aussagekräftigeZahlen-undauchdarum,wasamEnde„herumgekommen“ist,wieesalsoumBudget,TermineundQualitätsteht. Projektvergleichstechnik- das„zweiteBein“derProjektbewertung Prognose,Trendermittlung,Benchmarking D ie Erfahrungsdaten abgeschlossener Projekte nutzen? Aber ja, meinen Projektvergleichstechniker. Für sie liegt auf der Hand: Abgeschlossene Projekte sind eine wertvolle Informationsquelle. Fachmännische Vergleiche zwischen beendeten Projekten erbringen objektive Maßstäbe, die auch für neue Vorhaben nützlich sind. Die Daten, die in den Projektakten gesammelt sind, bilden ein breites Fundament für Benchmarking, Trendermittlung und Prognose. Benchmarking: Wie schneidet ein bestimmtes Projekt im Vergleich ab? Was lässt sich daraus lernen? Wie schlägt sich der beschrittene Weg im Ergebnis nieder? Trendermittlung: Sind die Projektergebnisse allgemein auf Kurs? Wie haben sie sich im Lauf der vergangenen Jahre entwickelt? Stimmt der projektübergreifende Trend mit den Unternehmenszielen überein? Prognose: Die Prognosen unterstützen die Projektplanung. Fundierte Erfahrungswerte helfen, Budgets zu planen sowie die Termine der Meilensteine zu setzen. Beispielsweise: Wie lange würde ein Tunnelbau im Vergleich mit anderen Projekten dauern? Was wären angemessene Kosten, wie gut würde die Qualität abschneiden - immer ermittelt am Maßstab anderer Projekte? Kurz: Wo werden die entscheidenden Werte eines Projekts - nach aller Erfahrung - liegen? Solche Methoden zur Prognose setzen US-Unternehmen seit den sechziger Jahren ein. Einige tausend Unternehmen in den USA nutzen sie heute zur Kostenschätzung. Europäische Unternehmen zogen zehn bis zwanzig Jahre später nach und entwickelten auch einen breiteren Ansatz. Dennoch, die Projektvergleichstechniker wirkten hierzulande bislang im Stillen. Jetzt aber hat sich eine GPM-Fachgruppe dieses Themas angenommen und auch kostenlose Anwendersoftware zum Benchmarking mit Projektvergleichstechnik bereitgestellt. ZielmerkmaleundParameter Experten empfehlen Einsteigern in die Projektvergleichstechnik, zuerst ihre vorhandenen Daten nach untereinander ähnlichen Projekten zu ordnen, dann nach Zielmerkmalen und Parametern. Das sind Begriffe der Projektvergleichstechnik. Zielmerkmale sind die wählbaren Größen, die die wichtigsten Eckwerte DieProjektvergleichstechnikgibtbereitsbeiderPlanungAnhaltspunkteandie Hand.WielangewürdeeinTunnelbauimVergleichmitanderenProjektendauern? WaswärenangemesseneKosten,wiegutwürdedieQualitätabschneiden? Foto: OliverSteeger 10 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 11 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 des Projekts beschreiben, beispielsweise Projektdauer, Projektkosten, möglicherweise Reparaturkosten und Betriebskosten des Objekts - also bedeutsame Anforderungen an das Projekt, die auf den Ablauf, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität zielen. Unter Parametern verstehen Projektvergleichstechniker die Größen, die die Werte der Zielmerkmale prägen, von denen diese also maßgeblich abhängen. Beispiele: bei Tunnelbauprojekten die Tunnellänge, bei Softwareprojekten der Aufgabenumfang oder die Zahl der Function Points. Parameter und Zielmerkmale sind auch die entscheidenden Ausgangsdaten der Anwendersoftware, die die GPM-Fachgruppe zur Projektvergleichstechnik bereitstellt. Das Tool, das die GPM seit kurzem kostenlos im Internet zum Download anbietet, errechnet zunächst die mittleren Zusammenhänge zwischen Parametern und Zielmerkmalen, dann Kennzahlen zur Projektbewertung (kostenfreie Software auf der GPM-Homepage www.gpm-ipma.de; dort in der Rubrik „PM-Entwicklung und Projekte“ unter „Fachgruppe Projektvergleichstechnik“). „Essenz“ausdemErfahrungsschatzerrechnen Die mittleren Zusammenhänge zwischen Parametern und Zielmerkmalen sind, so pointiert ein Projektvergleichstechniker, die „Essenz“ des Erfahrungsschatzes, der in den abgeschlossenen Projekten gespeichert ist. Sie liefern Richtwerte der Zielmerkmale mit Bezug auf die Parameter. Die ermittelten Richtwerte selbst dienen der Prognose. Die Abweichungen der einzelnen Projekte von diesen Richtwerten liefern die Kennzahlen zum Benchmarking. Dabei betonen die Projektanalytiker: Entscheidend ist, dass die Vergleiche richtig durchgeführt werden. Andernfalls droht Gefahr, dass nicht die maßgeblichen Projekteigenschaften, sondern sprichwörtlich Äpfel und Birnen in Relation gesetzt werden. Beispiel Tunnelbau: Abwegig wäre es, die Daten aus Tunnelbauprojekten allein nach der Länge des Baus zu vergleichen und die Härte des zu durchbohrenden Gesteins außen vor zu lassen. Hier werden Analytiker auch Parameter der geologischen Verhältnisse verwenden. Sie schließen aus, dass Tunnelbauten durch Granit Maßstab werden für Tunnel durch Sandboden. Projekte durch das Daten-Duo Parameter und Zielmerkmale vergleichbar machen und dann auch vergleichen - diese Strategie mutet simpel an. Sie erinnert an die Basics der Ingenieurwissenschaften: Es wird gemessen, nicht geraten. Analytiker versichern denn auch, dass ihre Technik transparent, effektiv und häufig sogar einfach ist. In Großunternehmen mit großem Projektgeschäft liegen auch die erforderlichen Daten früherer Projekte in großer Menge vor. NeueInformationenfürProjektmanager Macht die Methode Schule, können Projektmanager mit genaueren Informationen als bislang rechnen. Liegt ihr Projekt in Relation zu früheren Projekten in gutem Rahmen? Entspricht es den Richtwerten langjähriger Erfahrung - und am Ende deren Ergebnissen? „Diese Informationen sind hilfreich und unangenehm zugleich“, meint der Münchner Projektmanagementexperte Erwin von Wasielewski, „aber es verhält sich prinzipiell nicht anders als beim Controlling, in der Schule oder bei jedem Sportwettbewerb. Hauptsache, es wird nicht willkürlich geurteilt und wir lernen aus unseren Projekten.“ „NutztdieErfahrungsdatenfrühererProjekte“,fordernVerfechterderProjektvergleichstechnik.Gehtesdarum,SchwierigkeitundGüteeinesProjektszu messen,habensieeinbestechendesKonzeptentwickelt.Sielassenfundierte Zahlensprechen,wennanderemitMissverständnissenundungewolltenKränkungenüberdieGüteeinessoebenabgeschlossenenProjektsstreiten. Foto: Nokia EineGPM-FachgruppehateinekostenloseAnwendersoftwarezumBenchmarkingmitProjektvergleichstechnikimInternetbereitgestellt. Foto: Nokia 10 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 11 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Was manchen auffällt: Die Projektvergleichstechnik lässt das Projektmanagement als solches unberücksichtigt. Wie Projektmanager vorgehen, das bleibt ihnen überlassen, im Vergleich werden diese „weichen“ Faktoren eines Projekts bislang nicht betrachtet. So geben die Vergleiche nur mittelbar Auskunft über die Managementqualität - nämlich, inwieweit der gewählte Weg erfolgreich war und ans Ziel geführt hat. Genau dies unterscheidet die Vergleichstechnik von Projektmanagement-Bewertungstechniken. Bei Projektbewertungen beispielsweise nach dem Reifegradmodell oder nach „PM-DELTA“ beurteilen Experten das Management nach einem Vorgehensmodell. Zugleich schöpfen sie für ihre Einschätzungen aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz. Dabei kann, so geben Vergleichstechniker zu bedenken, das zahlenmäßige Projektergebnis ins Hintertreffen geraten. Statt der so genannten „Zielerreichung“ steht das Management im Fokus. Eben diese Zielerreichung ermitteln die Projektanalytiker mit ihrer Technik und schaffen damit ein „zweites Bein“ der Projektbewertung. „Der Zielerreichung eines Projekts wird in Bewertungen oft zu wenig Beachtung geschenkt“, mahnt Erwin von Wasielewski. Werde Management bewertet, müsse man auch nachmessen und in voller Bedeutung berücksichtigen, wie effizient das Ziel erreicht wurde. „Hier liegt noch viel Lernpotenzial“, meint er, „am besten nutzt man es, wenn man Projektvergleichstechnik und Managementbewertungen zusammen einsetzt.“ MaßstäbefürProjekte Verfechter der Projektvergleichstechnik fürchten die Zahlenanalyse, die Maßstäbe keineswegs - weder für eigene Projekte noch für das Projektmanagement in Deutschland. Ganz im Gegenteil, Erwin von Wasielewski meint, die Vergleichstechnik beflügele das Lernen aus Projekten und damit den Fortschritt des Managements: „Mit ihr wird der Erfahrungsschatz eines Unternehmens oder der Branche erst ganz ausgeschöpft“. Sie sichere und benütze Know-how: „Zum Beispiel quantitative Prognosen wären mit herkömmlicher Managementbewertung gar nicht möglich.“ Indes, Verfechter der Projektvergleichstechnik wissen auch, wo ihre Methode Grenzen findet. Dort nämlich, wo sich zu wenig Einflussfaktoren von Projekten quantifizieren und in Zahlen ausdrücken lassen. „Man kann Kompromisse schließen“, erläutert Erwin von Wasielewski, „gefährlich aber wird es, wenn man Parameter verwendet, die sich überhaupt nicht glaubwürdig beziffern lassen.“ Dennoch ist er zuversichtlich, dass sich die Projektvergleichstechnik bei viel mehr Projektarten als bisher mit Gewinn anwenden lässt. BauprojektelassensichproblemlosmitderProjektvergleichstechnikanalysieren. Foto: Bayer 12 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 13 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Projektvergleichstechnik scheint auf den ersten Blick ein zweischneidiges Schwert zu sein. Erwin von Wasielewski: Inwiefern? Nun, das Unternehmen reiht ein Projekt in ähnliche, frühere Projekte ein und erkennt, wie lange vergleichbare Projekte dauerten, was sie kosteten und welche Qualität sie am Ende erarbeitet haben. Diese Zahlen können Unternehmen zum einen eine wichtige Hilfe für Planung, Steuerung und die Nachbetrachtung des Projekts sein. Zum anderen können sie Unternehmen verleiten, Projektmanager zu überfordern, indem sie für neue Projekte nur Bestleistungen aus der Vergangenheit als Maßstab gelten lassen. Erwin von Wasielewski: In dem Punkt gebe ich Ihnen Recht. Die Vergleichstechnik hat zwei Seiten und muss fachmännisch, mit Augenmaß angewendet werden. Vergleiche machen Sinn, um beispielsweise die Zielerreichung zu messen. Aber die Ziele müssen erreichbar bleiben und dürfen nicht auf die Personen projiziert werden. Es gibt zu viele Einflüsse in Projekten, die wir nicht mit Parametern erfassen können. Der Anteil persönlicher Leistung bleibt rechnerisch unbekannt. Das ist der zweckmäßige Einsatz. Man kann die Vergleichstechnik aber auch missbrauchen … Erwin von Wasielewski: Kann man, natürlich. Ebenso, wie man andere Kennzahlen, Prüfnoten oder Instrumente missbrauchen kann. Auch das Skalpell eines kundigen Chirurgen gehört nicht in die Hand eines Mordsüchtigen. Blindes Herumreiten auf Kennzahlen würde für das Team zur Tortur werden und für den „Reiter“ zur Disqualifikation führen. Davor kann ich nur warnen. Es würde die Mitarbeiter verprellen und dem Projekt mehr schaden als nützen. Keine erfahrene und verantwortungsbewusste Führungskraft würde dies zulassen. Aber solche Zahlen üben doch einen Reiz aus auf das Top-Management? Droht nicht Gefahr, dass sich Top-Manager nur noch die Daten der Vergleichstechnik vorlegen lassen - und ansonsten keine Projektinformationen? Erwin von Wasielewski: Ich glaube das nicht. Das laufende Controlling der Projekte bleibt unangetastet und unersetzlich. Lassen Sie mich deutlich sagen: Die Vergleichstechnik ist ein zusätzliches, wertvolles Analyse- und Bewertungsinstrument für Projekte als Ganzes. Sie ist aber kein Ersatz der bisherigen Instrumente und erst recht kein Mittel, um Projektmanager oder Teams zu führen. Man kann ein Projekt nicht allein auf diese Daten reduzieren. Das Bestechende - oder scheinbar Gefährliche - ist ja, dass die Technik nur mit Zahlen arbeitet und Projekte gewissermaßen bilanziert. Erwin von Wasielewski: Das ist in der Tat einer der Punkte, in dem sich die Technik fundamental von der Managementbewertung unterscheidet. Bei Bewertungen des Projektmanagements beurteilen Experten das Management nach einem Vorgehensmodell, oder der Projektmanager beantwortet einen Fragenkatalog, um die „Projektvergleichstechnikmit Augenmaßanwenden“ InterviewmitdemPM-ExpertenErwinvonWasielewski OliverSteeger Projektvergleichstechnikhilft,eineBilanzauszurückliegendenProjektenzuziehen.Sie ermittelteinenMaßstab,umTrendundGüteaktuellerProjektezumessen.Kennzahlenund ParameterspieleneinegroßeRolle,dieErgebnissesindhieb-undstichfest.Eigentlicheine enormeHilfe-soferndieZahlennichtgegendenProjektmanagerverwendetwerden.Im GesprächmitRedakteurOliverSteegerräumtePM-ExperteErwinvonWasielewskiBedenkenaus. ProjektmanagementexperteErwinvon Wasielewski: „DieProjektvergleichstechnikmussfachmännisch,mitAugenmaßangewendetwerden.VergleichemachenSinn,umbeispielsweise dieZielerreichungzumessen.Aber dieZielemüssenerreichbarbleiben unddürfennichtaufdiePersonen projiziertwerden.“ Foto: privat 12 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 13 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Vollständigkeit seines Projektmanagements zu prüfen. Dort geht es in erster Linie um das Management, nicht um die Ergebniskennzahlen. Dann ist die Vergleichstechnik also keine Ablösung der Managementbewertung, sondern eine Ergänzung? Erwin von Wasielewski: Voll und ganz. Im Idealfall gehen die verschiedenen Methoden und Techniken Hand in Hand. Die Projektvergleichstechnik ermittelt die Güte des Ergebnisses, die Managementbewertung die Qualität des Weges zu diesem Ergebnis. Das ist zu unterscheiden. So kann die Projektvergleichstechnik beispielsweise die Güte der Projekte vor und nach einer Managementveränderung messen, die möglicherweise wiederum auf einer Managementbewertung beruht. Wie gesagt, die ermittelte Projektgüte gibt keine unmittelbare Auskunft über die Qualität des Managements oder über organisatorische Verbesserungsansätze. Sie sagt nur: Das Ergebnis des Projekts ist gemessen an der Menge der Projekte so und so einzuordnen. Warum es gut oder weniger gut lief - dazu gibt die Vergleichstechnik keine Auskunft. Es ist also, als ob man Informationen zum Autokauf sammelt. Da gibt es Listen mit technischen Daten zu den einzelnen Modellen, beispielsweise Verbrauch, Motorleistung, Abgaswerte, Ausstattung, Verhältnis von Preis und Leistung. Und da gibt es die Berichte und Bewertungen von erfahrenen Testern. Erwin von Wasielewski: Richtig. Wer Autos klug kaufen will, wird beide Informationsquellen nutzen. In der Projektvergleichstechnik ist immer wieder von Parametern und Kennzahlen die Rede. Können denn wirklich alle Projekte in Kennzahlen erfasst und damit verglichen werden? Ich denke vor allem an nichttechnische Projekte, beispielsweise Organisationsprojekte. Erwin von Wasielewski: Die Projektvergleichstechnik hat ihre Grenzen. Bauvorhaben und Produktentwicklungsprojekte lassen sich gut erfassen. Schon etwas schwieriger sind Softwareprojekte. Bei reinen Organisationsprojekten könnte die Vergleichstechnik an eine Grenze stoßen. Die kennzeichnenden Eckdaten müssen sich ja in Zahlen ausdrücken lassen. Zahlen sicher ermitteln heißt, eine Sache nicht abschätzen, sondern nachmessen. Die Härte eines Gesteins bei Tunnelbohrungen können Sie in geologischen Skalen ausdrücken. Die Komplexität einer zu reorganisierenden Abteilung lässt sich so nur schwer erfassen. Aber ich denke, es wird nicht unmöglich sein, auch hier Parameter zu finden. Wer legt die Parameter fest? Erwin von Wasielewski: Das tut jedes Unternehmen am besten selbst. Die Parameter, die über die Schwierigkeit eines Vorhabens entscheiden, liegen ja nahe und sind im Unternehmen selbst am besten zu erkennen. Wie viele Projekte braucht man für einen Vergleich? Erwin von Wasielewski: Formal benötigt man nur zwei Projekte mehr als man Parameter einsetzen will. So kann man schon mit sehr wenigen Projekten nützliche Studien anstellen. Diese Studien sind wegen der natürlichen Projektstreuung aber noch wenig stabil, das heißt, das Hinzukommen eines weiteren Projekts kann die Ergebnisse erheblich ändern. Stabilität für anspruchsvolle Bewertungsaufgaben ist aber gewiss bei hundert Vergleichsprojekten erreicht, eingeschränkt auch schon ab dreißig Projekten. Woher bekommt man die Daten solcher Mengen von Projekten? Erwin von Wasielewski: Vergleiche mit kleinerer Projektanzahl sind keineswegs sinnlos, sondern nur eng an die ausgewählten Projekte gebunden. Aber auch die Beschaffung der genannten Datenmengen ist mindestens bei Großunternehmen oft kein grundsätzliches Problem. Sie bedeutet am Anfang nur die Fleißarbeit, im Archiv abgeschlossener Projekte einmal die gewählten Daten zu sammeln. Sie bleiben dann auf Dauer zur Nutzung erhalten. Darüber hinaus werden aber auch überbetriebliche Datensammlungen entstehen, wie es sie teilweise schon gibt. Wie viel Zeitaufwand ist nötig, um die Projekte anhand der Parameter zu analysieren und die Vergleichszahlen zu errechnen? Erwin von Wasielewski: Diesen Aufwand sollte man nicht überschätzen. Die GPM-Fachgruppe Projektvergleichstechnik hat auf der Homepage der GPM (www.gpm-ipma.de) in der Rubrik „PM-Entwicklung und Projekte“ kostenlose Software mit Anleitung für das Benchmarking mit Projektvergleichstechnik veröffentlicht, die die Einarbeitung in die Projektvergleichstechnik und ihre Anwendung sehr erleichtert. Ein bis zwei Personenwochen erstmalige Beschäftigung mit den gesammelten Daten und der Software sollten eigentlich schon interessante Anfangsergebnisse erbringen. Spätere, um weitere Projekte ergänzte Vergleiche werden nur noch einen Bruchteil dieser Zeit erfordern. Eine geringe Investition, wenn man bedenkt, dass sie einen wichtigen Teil des Projekt-Knowhow des Unternehmens erschließt. Anzeige 14 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 15 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 DieprojektbegleitendeHemmnisanalysebeiderEinführung innovativerMobilitätsformen- EinführungundMethodik DargestelltamBeispieldesVerbundprojekts„mobilist-MobilitätimBallungsraum Stuttgart“ DieterEberle,RogerKreja,ManfredWackersowieRalfLattner,AndreasMegerle,JanineSchubert ImRahmendesProjekts„mobilist-MobilitätimBallungsraumStuttgart“wirdeineprojektbegleitendeHemmnisanalysealsMethodenbausteinderProjektevaluationenentwickeltund angewendet.SieweisteinegewisseÄhnlichkeitmitderProjektumfeld-bzw.Stakeholderanalyseauf.DurchdieprojektbegleitendeundzeitnaheErhebungfördernderundhemmenderRandbedingungenkönnendieProjektumsetzungbeeinflussendeFaktorenerkanntund StrategienzurSicherungdesProjekterfolgsentwickeltwerden.Daessichhierbeiumeine sehrsensibleThematikhandelt,istesnotwendig,eineMethodikzufinden,dieaufdereinen SeiteeineVertrauensbasiszwischendenzuEvaluierendenunddemEvaluatorschafftund dieaufderanderenSeitedennochdennotwendigenInformationsaustauschinausreichenderTiefegewährleistet.InmobilististdiesdurcheineKombinationvonregelmäßigenmündlichenundschriftlichenBefragungen,diesichanSchlüsselpersonenimProjektwenden, gelungen,diedurcheineeinmaligeBefragungallerPartnerergänztwird.Fernerkannauf ErgebnisseeinessogenanntenNutzerbeiratszurückgegriffenwerden.DiehoheAkzeptanz derHemmnisanalysebeiallenProjektbeteiligtenzeigt,dasseineernsthafteNotwendigkeit zurDokumentationundzurBeeinflussungderUmsetzungsrandbedingungengesehenwird. 1.DieprojektbegleitendeHemmnisanalyseals Evaluierungsbaustein 1.1Einsatzformenund-bereiche Insbesondere bei innovativen Entwicklungsvorhaben ist immer wieder zu beobachten, dass trotz großen Projekterfolgs keine dauerhafte Umsetzung erfolgt. Dies liegt häufig an externen, d. h. vom Projekt nicht unmittelbar zu beeinflussenden Rahmenbedingungen (im Folgenden verkürzt als Hemmnisse bezeichnet), die der gewünschten Umsetzung entgegenwirken. Eine Beschäftigung mit derartigen Hemmnissen erfolgt meist erst, wenn das Projekt zu scheitern droht. Als Konsequenz wird dann aber oft nur festgehalten, „beim nächsten Mal alles besser zu machen“. Eine solche, am Ende eines Projekts durchgeführte Analyse der Rahmenbedingungen wird als Ex-post-Analyse bezeichnet. Bei größeren Projekten wird aus diesem Grunde verstärkt dazu übergegangen, bereits beim Entwurf des Projektes eine Strategie und Konzeption auszuarbeiten, wie im Projektverlauf auftretenden Hemmnissen frühzeitig entgegengewirkt und damit zum Erfolg des Projekts beigetragen werden kann (projektbegleitende Analyse). Ein geeignetes Instrument stellen dabei speziell auf die Identifikation von Hemmnissen ausgerichtete Analysen dar. Der klassische Ansatz erfolgt über eine Engpass- oder Mismatch-Analyse von Projektziel und Projektstand. Die Engpassanalyse hat zum Ziel, die zum überwiegenden Teil am schwächsten entwickelten Schlüsselbereiche innerhalb eines Projektes ausfindig zu machen, um daran anknüpfend deren Weiterentwicklung voranzutreiben. Vergleichbar mit dem Liebig’schen Gesetz vom Minimum (Pessimum-Gesetz) wird durch eine verstärkte Konzentration auf die identifizierten Problemfelder erwartet, dass insgesamt eine positive Auswirkung auf den weiteren gesamten Projektfortschritt erzielt wird. Die Mismatch-Analyse beschränkt sich auf das Aufdecken mangelnder Kongruenzen zwischen Projektstand und Projektziel. Die speziell für das Projekt mobilist [1] entworfene „Analyse fördern- 14 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 15 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 der und hemmender Randbedingungen“ geht in ihrem Ansatz einen Schritt weiter, indem neben der Konzentration auf Hemmnisse auch Maßnahmen und Sachverhalte einbezogen werden, die für das Projekt förderlich sind. Darüber hinaus werden auch projektbegleitend Lösungsansätze dokumentiert. Erst aus der Bewertung des Zusammenspiels dieser Faktoren werden dann projektsteuernde Maßnahmen abgeleitet, die zum richtigen Zeitpunkt in das Projekt eingebracht werden können. Zwar drückt die Bezeichnung „Analyse fördernder und hemmender Randbedingungen“ prägnant und ausgewogen die Inhalte dieser Analyse aus, allerdings ist sie in der Handhabung in Wort und Schrift recht sperrig. Trotz einer gewissen Skepsis gegenüber dem negativ belegten Begriff „Hemmnisanalyse“ konnte sich dieser letztlich in der Anwendung bei mobilist durchsetzen und wird auch im Folgenden - allerdings im weiteren Kontext unter der Einbeziehung fördernder Randbedingungen - gebraucht. 1.2MöglichkeitenderprojektbegleitendenHemmnisanalyse Ein wesentlicher Vorteil der projektbegleitenden Analyse gegenüber einer Ex-post-Analyse liegt darin, dass aufkommende fördernde oder hemmende Randbedingungen frühzeitig erkannt werden, so dass im Fall von fördernden Faktoren die Entwicklungen genutzt und im Fall von Hemmnissen Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen werden können. Bei einer intensiven projektbegleitenden Analyse werden bereits relevante Verdachtsmomente und somit wesentlich mehr Aspekte dokumentiert als bei einer Ex-post-Analyse. Bei Letzterer sind dies in der Regel nur die „bekannt“ gewordenen Aspekte, die in Erinnerung geblieben sind oder sich kaum verbergen lassen, da sie den Projekterfolg oder -misserfolg maßgeblich mitbestimmt haben. Wichtige Informationen über ehemals vorhandene Hemmnisse können verloren gehen, da innerhalb des Projektverlaufs gelöste Probleme durch die Projektverantwortlichen im Nachhinein nicht mehr als hemmende Faktoren wahrgenommen werden oder als solche kommuniziert werden wollen. 1.3GrenzenderprojektbegleitendenHemmnisanalyse Ein kritischer Punkt liegt in der z. T. fehlenden Bereitschaft der Projektbeteiligten, den eigenen Kompetenzbereich von projektinternen Evaluatoren durch eine Hemmnisanalyse untersuchen zu lassen. Zudem wird vielfach dazu tendiert, eine zu positive Einschätzung des Projektverlaufs und -fortschritts zu geben. Um als Evaluator Einblick in interne Projektabläufe zu erhalten, sind Fingerspitzengefühl sowie Erfahrung im Umgang mit den beteiligten Projektpartnern und nicht zuletzt mit dem Projektinhalt notwendig. Dies gilt insbesondere, wenn, wie auch im Fall von mobilist, sich unterschiedliche Projektpartner mit konkurrierenden Unternehmenszielen direkt gegenüberstehen, die im Sinne einer erfolgreichen Projektarbeit jedoch kooperieren müssen. In einem derartigen Fall ist es nur mit großen Anstrengungen aller Beteiligten möglich, eine gegenseitige Zurückhaltung und Befangenheit abzubauen. Zusätzlich besteht die Gefahr einer nicht nur zeitlichen Überforderung der zu evaluierenden Projektpartner. Hier gilt es, eine ausgewogene Mischung zwischen notwendiger Informationsdichte und Auskunftsbereitschaft der Partner zu finden. 2.DieprojektbegleitendeHemmnisanalysebei mobilist 2.1DasProjektmobilist In vielen bundesdeutschen Ballungsräumen sind die Verkehrssysteme an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Für das Verkehrswachstum der letzten Jahre werden im jüngst verabschiedeten Regionalverkehrsplan der Region Stuttgart [7, S. 6] das Abwandern der Bevölkerung in die suburbanen Räume mit günstigerem Bauland sowie häufige Jobwechsel unter Beibehaltung des Wohnsitzes als Hauptgründe verantwortlich gemacht. Weitere Gründe sind der hohe und stetig wachsende Anteil von Freizeit- und Wirtschaftsverkehr [5, S. 118 ff.] am Gesamtverkehrsaufkommen. Unter Federführung des Verbands Region Stuttgart beteiligte sich die Region Stuttgart mit einigen angrenzenden Landkreisen an der Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs zum Themenfeld „Mobilität in Ballungsräumen“ des BMBF [2] im Jahre 1997. Gefordert war die Bildung von Netzwerken mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand, die gemeinsam innovative Formen von Mobilitätsdiensten und -produkten entwickeln und im Rahmen von Demonstratoren in ihrer Wirkungsweise untersuchen sollten. Als einer von fünf Ballungsräumen erhielt die Region Stuttgart mit dem Projekt „mobilist - Mobilität im Ballungsraum Stuttgart“ den mit einem Fördervolumen von 27 Mio. und einer Eigenbeteiligung von rund 20 Mio. DM verbundenen Zuschlag. Beteiligt sind bei diesem Verbundprojekt über 40 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung - von der Kommune über Landkreise und Regionalverbände bis zu Verkehrsbetrieben und Automobilkonzernen. Die Gesamtlaufzeit liegt bei etwas über vier Jahren, von Ende 1998 bis Ende 2002. Die mobilist-Devise lautet: „Mehr Mobilität - weniger Verkehr“. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es einer Vielzahl von einzelnen, möglichst ineinander greifenden Angeboten im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen. Das umsetzungsorientierte Projekt mobilist verfolgt einen solchen Ansatz, der sich mittels dreier Handlungsstränge darstellen lässt, die wiederum in insgesamt 12 Arbeitspakete unterteilt sind, in welchen die Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen entwickelt werden (vgl. Tabelle 1). Weitere Arbeitspakete stellen die Projektsteuerung und Eigenevaluierung sowie die Anwendung der Dienstleistungen bei Demonstratoren dar. Letztere realisieren eine erste Einführung der entwickelten Produkte in kleinem Umfang unter gegebenen Rahmenbedingungen. Die Eigenevaluierung besitzt bei mobilist einen sehr hohen Stellenwert. 2.2Dasmobilist-Evaluierungskonzeptundseine Bausteine Durch die mobilist-Eigenevaluierung werden die mobilist-Endprodukte auf der Grundlage eines vom BMBF vorgegebenen Lastenhefts unter verkehrlichen, 16 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 17 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten bewertet. Die Erhebung der voraussichtlichen Effekte dient der Politikberatung und basiert auf den zwei Säulen Potenzialuntersuchungen und Wirkungsanalysen sowie Umsetzungschancen und -voraussetzungen. Der Gegenstand dieses Aufsatzes - die projektbegleitende Analyse fördernder und hemmender Randbedingungen - ist ein Baustein aus dem Arbeitspaket „Umsetzungschancen und -voraussetzungen“ (vgl. Tabelle 1). Mit diesem Baustein werden ordnungspolitische, rechtliche, administrative und institutionelle Gegebenheiten identifiziert und dokumentiert, die den Projekterfolg be- oder verhindern. Sofern möglich wird zusätzlich aufgezeigt, mit welchen Veränderungen im Bereich der Rahmenbedingungen bestimmte Verbesserungen erreicht werden können. Dies ist stets vor dem Hintergrund einer denkbaren, an den Demonstrationsbetrieb anschließenden Umsetzung zu sehen. Die Analyse fördernder und hemmender Randbedingungen wird gemeinsam vom Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik des Instituts für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart und vom Lehrstuhl für Angewandte Geographie des Geographischen Instituts der Universität Tübingen durchgeführt. 2.3Zieledermobilist-Hemmnisanalyse Für die projektbegleitende Analyse der fördernden und hemmenden Rahmenbedingungen im Rahmen von mobilist wurden zwei übergeordnete Ziele definiert. Zum einen dient die Hemmnisanalyse dazu, günstige Projektverläufe zu sichern. Zum anderen geht es darum, unter dem Blickwinkel der Evaluation den wissenschaftlichen Kenntnisstand voranzubringen und einen Input für die Wirkungsermittlung der mobilist- Produkte zu liefern. Unter diesen beiden Oberzielen wurden folgende weiteren Einzelziele der mobilist-Hemmnisanalyse festgelegt: frühzeitige Identifizierung bereits aufgetretener oder möglicher fördernder oder hemmender Randbedingungen; Dokumentation möglicher Hemmnisse sowie deren Ursachen und Auswirkungen im Hinblick auf den Projekterfolg; gegebenenfalls Erarbeiten von Lösungsstrategien; Dokumentation möglicher Hemmnisse, deren Ursachen und Auswirkungen im Hinblick auf deren künftige Vermeidung bei der weiteren Verbreitung der mobilist-Produkte in der Praxis; Identifizierung begünstigender Faktoren. Hierunter fallen auch spezifische Besonderheiten, wie sie bei einer weiteren Verbreitung der mobilist-Produkte in der Praxis nicht überall als gegeben vorausgesetzt werden können; Entwicklung eines methodischen Ansatzes für die projektbegleitende Analyse fördernder und hemmender Randbedingungen. 2.4Methodik Grundgedanke der projektbegleitenden Analyse ist, bereits während der Bearbeitung der einzelnen mobi- Projektstruktur mobilist Handlungsstränge Projektsteuerung & Eigenevaluierung Mobilitätsdienstleistungen Betriebsoptimierungen Verkehrssubstitution Demonstratoren & Akzeptanztests Steuerkreis und Einführungsstrategie Internetbasierter intermodaler Dienstleister Interkommunales Parkraummanagement Telearbeit Mobilitätsdienstleistungen Potenzialuntersuchungen und Wirkungsanalysen Transportauskunftssystem für Berufsverkehre Adaptives Verkehrsmanagement für den MIV Electronic Commerce Neue Funktionen von Mobilitätsagenturen Umsetzungschancen und -voraussetzungen (u. a. Hemmnisanalyse) Dynamischer Mitfahrservice ÖV-Anschlussinformationssystem Virtuelle Amtsgänge Demonstration von Verkehrssubstitution Software für (IV)- Verkehrsprognosen Raumplanerische Konzepte mobilist-online- Dienste Software für (ÖV)-Verkehrsprognosen Tabelle1: Projektstrukturmobilist 16 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 17 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 list-Arbeitspakete mit den jeweils zuständigen Koordinatoren der Arbeitspakete in Kontakt zu kommen und in gemeinsamem Austausch fördernde und hemmende Randbedingungen zu evaluieren. Dabei ist eine Methodik zu finden, die die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schafft und gleichzeitig sicherstellt, dass ohne Überforderung der zu Evaluierenden auch verborgene, d. h. nicht nur vordergründig offenkundige Hemmnisse eruiert werden können. Daher erfolgt der Kommunikationsfluss zwischen dem Koordinator und I Strukturelle Hemmnisse A. Organisation Ablehnung von Innovation Geringe Personalkapazität für das Dienstleistungsangebot … B. Kooperation Probleme bei der Kooperation unabhängiger, gleichberechtigter Gebietskörperschaften Konfligierende Ämterzuständigkeiten Berufung auf bestehende, mit dem Projekt nicht kompatible Verträge … C. Finanzierung Geringe Förderfähigkeit durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) … D. Politische Akzeptanz Geringe politische Akzeptanz für notwendige Arbeitsschritte bzw. Entscheidungen Fehlendes Problembewusstsein bei Gemeinden und Entscheidungsträgern … II Externe Hemmnisse für die Produktentwicklung E. Technische Randbedingungen Mangelnde Verfügbarkeit von Frequenzen Inkompatible Systeme … F. Daten Unzureichende Kompatibilität der Daten Geringe Qualität der von Dritten bereitgestellten Daten … G. Rechtliche Randbedingungen Abgabe hoheitlicher Aufgaben an andere Behörden bzw. an Private Versicherungsrechtliche Fragen … III Umsetzungshemmnisse H. Betrieb Partnerausstieg … I. Markteinführung Kritische Masse Widerstände der Bevölkerung gegen die Umsetzung … J. Wettbewerb Konkurrenz vergleichbarer/ gleicher Dienste Verzerrung durch öffentliche Förderung … K. Soziale Hemmnisse Imageverlust Verlust sozialer Kontakte … L. Übertragbarkeit Mangelnde Übertragbarkeit in andere Räume … Tabelle2: HemmnisclustermiteinigenbeispielhaftenHemmnissen 18 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 19 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 den Bearbeitern der Hemmnisanalyse abwechselnd in mündlicher und schriftlicher Form. Die persönlichen Gespräche dienen dazu, einen Überblick über den aktuellen Stand des jeweiligen Arbeitspakets zu erhalten und im Gesprächsverlauf für das Projekt hemmende und begünstigende Faktoren sowie zugehörige Lösungsansätze aufzudecken bzw. die Entwicklung der bereits genannten Aspekte zu dokumentieren. Dabei werden sämtliche Problempunkte, vom Verdachtsmoment bis zum projektverzögernden Problem, festgehalten. Derartige Gespräche wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt, je nach Fortschritt eines Arbeitspakets, bis zu dreimal durchgeführt, wobei situativ über die Notwendigkeit und den Zeitpunkt des Gesprächs entschieden wurde. Die erste Gesprächsrunde nimmt einen besonderen Stellenwert ein, da hier die Basis für die weitere Zusammenarbeit gelegt werden muss, um einen kontinuierlichen Informationsfluss über die Projektlaufzeit gewährleisten zu können. Hier müssen dem Arbeitspaket-Koordinator die Ziele, die Vorgehensweise und der allgemeine Nutzen der Hemmnisanalyse vermittelt werden, und es ist eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Über die persönlichen Gespräche werden jeweils mit den Arbeitspaketkoordinatoren abgestimmte Protokolle angefertigt. Um den Informationsfluss über eine längere Gesprächspause aufrechterhalten zu können, wird die Methodik des persönlichen Gesprächs durch schriftliche Abfragen zwischen den Gesprächen ergänzt. Zu Beginn der Analyse wurde auf der Basis der ersten Gesprächsrunde ein Hemmnis-Cluster entwickelt, der die Randbedingungen thematisch kategorisiert. Anhand der Ergebnisse der einzelnen Befragungsrunden wird dieser Hemmnis-Cluster laufend fortgeschrieben und aktualisiert. Dieser Cluster stellt zum einen ein Hilfsmittel für die Systematisierung der Fülle von aufgedeckten Hemmnissen dar. Zum anderen ist durch das Fortschreiben des Clusters nach jeder Befragungsrunde ein Vergleich nach den einzelnen Runden möglich, der Aufschluss über die allgemeine Entwicklung der hemmenden Faktoren gibt. Aus jedem Cluster ist ablesbar, welche Änderungen sich bei den einzelnen Hemmnissen gegenüber der vorherigen Runde ergeben haben und für welche Faktoren bereits Lösungsansätze oder gar Lösungen gefunden werden konnten. Weiterhin ermöglicht der arbeitspaketübergreifende Überblick jedoch auch, Synergieeffekte zwischen den einzelnen Arbeitspaketen leichter zu erkennen und zur Beseitigung von hemmenden Faktoren nutzen zu können. Der Cluster bildet somit eine geeignete Grundlage für das Aufzeigen von Zusammenhängen der Faktoren untereinander sowie für die Zuordnung der Relevanz von Hemmniskategorien. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sämtliche Anhaltspunkte in den Gesprächsrunden, vom bloßen Verdachtsmoment bis hin zum wirklich kritischen Ereignis, allgemein als Hemmnis dokumentiert und nicht nach ihrem Stellenwert oder ihrer Bedeutung bewertet wurden. Tabelle 2 zeigt den grundsätzlichen Aufbau eines Hemmnisclusters und nennt beispielhaft einige Hemmnisse. Abb. 1 verdeutlicht, dass der methodische Ansatz für die projektbegleitende Analyse fördernder und hemmender Randbedingungen im Wesentlichen durch die iterative Wiederholung der Tiefeninterviews, die periodische Anpassung des Clusters und der Lösungen sowie die Nutzung von Synergieeffekten zwischen den Teilprojekten oder anderen, thematisch verwandten Projekten geprägt wird. 2.5ErfahrungenausdemVerlaufder mobilist-Hemmnisanalyse In Reaktion auf im Projektverlauf unerwartet oder unvorbereitet aufgetretene Ereignisse unterlag die Hemmnisanalyse von Beginn an einer kontinuierlichen Entwicklung und Anpassung von Methode und Vorgehensweise. Diese Flexibilität hat sich insbesondere dann als vorteilhaft erwiesen, wenn es zu unvorhergesehenen personellen Wechseln in den begleiteten Arbeitspaketen kam. Bereits geführte Diskussionen relevanter Aspekte mussten in diesen Fällen innerhalb der nächsten Gesprächsrunde mit dem neuen Arbeitspaketkoordinator wieder aufgearbeitet werden. Die Methodik der abwechselnd mündlichen und schriftlichen Befragung der einzelnen Arbeitspaketko- Abb.1: Ablaufdermobilist-Hemmnisanalyse 18 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 19 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 ordinatoren kann zwar zu einem kontinuierlichen Informationsfluss beitragen, dennoch zeigt sich, dass die Aussagekraft der schriftlichen Abfrage im Vergleich zur mündlichen gering ist. Bei einem persönlichen Gespräch kann nicht nur gezielter befragt, sondern anschließend auch nachgehakt werden, wenn Aspekte unklar bleiben oder unvollständig erläutert wurden. Dies ist dagegen bei den schriftlichen Befragungen nur mit Einschränkungen möglich. Bei dem komplex aufgebauten Projekt mobilist ist aus diesem Grunde das projektbegleitende Beobachten aller Arbeitspakete mit einem sehr hohen Kommunikationsaufwand verbunden. Es muss für sämtliche zu untersuchenden Arbeitspakete ein permanenter Informationsfluss gewährleistet sein, wobei die aktive Unterstützung durch die Arbeitspaketkoordinatoren eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der Analyse fördernder und hemmender Randbedingungen ist. Die für die Projektdokumentation zu erstellenden Protokolle und Berichte bergen eine gewisse Brisanz, wenn firmenstrategisch sensible Bereiche thematisiert werden, die zwar zum Verständnis der Projektentwicklung und des Projektfortschritts von Bedeutung, nicht aber für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind. Hierunter fallen auch Konkurrenzaspekte der in mobilist als Projektpartner auftretenden Wettbewerber oder sensible Bereiche wie die Weitergabe von betriebs- oder firmeneigenen Daten. Die aufgedeckte Fülle von fördernden und hemmenden Randbedingungen setzt geeignete Strategien voraus, um diese selektieren und gewichten zu können. Erst aufgrund dieser Selektion und Gewichtung kann entschieden werden, welche Aspekte weiterverfolgt werden oder wo Lösungsstrategien erforderlich sind. Im Verlauf der Hemmnisanalyse hat es sich gezeigt, dass der erarbeitete Cluster (vgl. Tabelle 2) hierzu eine geeignete Basis darstellen kann. 2.6SchriftlicheBefragungaller mobilist-Partner Die mobilist-Hemmnisanalyse wendet sich primär ausschließlich an die jeweiligen Arbeitspaketkoordinatoren. Angeregt durch ähnliche Aktivitäten in anderen Leitprojekten „Mobilität in Ballungsräumen“ wurde allerdings ergänzend im Rahmen der Analyse hemmender und fördernder Randbedingungen eine schriftliche Befragung aller Partner in mobilist durchgeführt. Dabei wurde diesen für jedes Arbeitspaket, in dem sie mitarbeiten, ein für dieses Arbeitspaket zugeschnittener Fragebogen zugesandt, der auf den bislang mit dem jeweiligen Arbeitspaketkoordinator eruierten Hemmnisclustern basiert. Die einzelnen Partner hatten dann zu den jeweiligen Hemmniskategorien, soweit vorhanden, konkrete Hemmnisse zu benennen und hinsichtlich deren Bedeutung qualitativ zu bewerten. 2.7Nutzerbeirat Im Rahmen von mobilist wurde ein Nutzerbeirat eingeführt, um im Vorfeld der Umsetzung einen Input aus Nutzersicht über einzelne während des Forschungsvorhabens entwickelte Produkte und Dienstleistungen zu erhalten. Ziel war es, in Erfahrung zu bringen, wie die innovativen mobilist-Angebote seitens der Bürger aufgenommen werden und welche Bereiche besonders fokussiert werden müssen, damit die potenziellen Nutzer davon profitieren können. Dazu wurden 75 Bürger aus der Region Stuttgart statistisch ausgewählt, um in je vier Abendsitzungen in Bürgerforen drei dieser neuartigen Dienste zu testen und gezielte Fragestellungen zu der Thematik zu diskutieren. Es wurde bei der Konzeption des Nutzerbeirats die Strategie verfolgt, einen Schnitt von der Großstadt bis hin zur Peripherie zu ziehen, so dass je 25 Bürger aus Stuttgart, aus einer mittleren Stadt (Waiblingen) sowie einer Flächengemeinde ohne Anbindung an den Schienen-ÖV (Berglen) ein Bürgerforum gebildet haben. Im Rahmen der begleitenden Ermittlung von fördernden und hemmenden Faktoren wurde ergänzend zu Anzeige 20 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 21 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 den Befragungsrunden in den einzelnen Arbeitspaketen die Beteiligung der Evaluatoren am Nutzerbeirat angestrebt, um diesen als weitere Informationsquelle nutzen zu können. Mit dem Veranstalter des Nutzerbeirats wurde aufgrund der hohen Sensibilität des Verfahrens gemeinsam beschlossen, diese Beteiligung auf die teilnehmende Beobachtung zu begrenzen. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Dokumentation von Umsetzungshemmnissen und -voraussetzungen aus Sicht des Nutzerbeirates gelegt. 2.8ArbeitsgruppeUmsetzungsrahmenbedingungen derLeitprojekte Aufgrund des bereits erwähnten Lastenhefts des BMBF zur leitprojektinternen Evaluation sind alle Leitprojekte „Mobilität in Ballungsräumen“ [3] verpflichtet, eine entsprechende Hemmnisanalyse durchzuführen. Da mit diesen Hemmnisanalysen auf der einen Seite methodisches Neuland betreten wird und auf der anderen Seite die Überwindung einiger Hemmnisse, die in mehreren oder gar allen Leitprojekten auftreten, durch gemeinsame Aktivitäten der Leitprojekte erleichtert wird, wurde eine leitprojektübergreifende Arbeitsgruppe zur Hemmnisanalyse eingerichtet. Aufgaben dieser Arbeitsgruppe sind die gegenseitige Information (methodisch und inhaltlich), die Identifizierung wichtiger Hemmnisse, für die gemeinsam Lösungsansätze gesucht werden, sowie die vollständige Dokumentation aller in den Leitprojekten beobachteten fördernden und hemmenden Randbedingungen. In dieser Arbeitsgruppe arbeiten neben den Vertretern der Leitprojekte auch Vertreter des BMBF und des zuständigen Projektträgers mit. 3.Handlungsempfehlungenfürprojektbegleitende Hemmnisanalysen Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Durchführung einer projektbegleitenden Hemmnisanalyse sind deren frühzeitige Berücksichtigung und Integration in die Projektstruktur. Stehen erst einmal das Gerüst und die Organisationsform des Projektes, kann es unter Umständen Schwierigkeiten bereiten, eine mögliche Hemmnisanalyse im Nachhinein einzugliedern, da dann die Rahmenbedingungen gesetzt sind und sich individuelle Bedürfnisse meist nur noch mit erheblichen Einschränkungen realisieren lassen. Idealerweise gehen die Vertragspartner bei entsprechenden Forschungsvorhaben mit der Vergabe bzw. Annahme der Fördermittel auch die Verpflichtung ein, sich einem solchen Prozess zu unterziehen. Dies ist zwar nicht immer die allerbeste Voraussetzung für eine konstruktive Mitarbeit, aber so kann für diejenigen, die sich einem solchen Prozess unterziehen, zumindest die dafür aufzuwendende Zeit budgetiert werden. Auch das Argument, dass eine solche Analyse lediglich im Interesse der Fördermittelgeber liegt, greift zu kurz. Tatsächlich kann von einer Winwin-Situation gesprochen werden, wenn man bedenkt, dass Produkte nur dann im Markt platziert werden können, wenn beispielsweise rechtliche Hemmnisse als solche erkannt und auf entsprechender Ebene kommuniziert sind, um die Möglichkeiten der Beseitigung zu schaffen. Insofern wird es immer auch Aufgabe der Bearbeiter von Hemmnisanalysen sein, Vorurteile abzubauen und eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Dies wird am ehesten erreicht, wenn die Bearbeiter der Hemmnisanalyse eine neutrale Position beziehen und wirtschaftlich wie firmenpolitisch unabhängig agieren können. 4.Fazit Die hier vorgestellte Methode hat sich trotz ihres hohen Aufwandes, der jedoch vor allem in der Komplexität des Projekts mobilist begründet ist, als geeignet erwiesen. Eine generelle Übertragbarkeit sowie Spielraum für weitere Anpassungen sind gegeben. Dies kann bereits vor Abschluss des Gesamtprojekts festgestellt werden. Eine projektbegleitende Hemmnisanalyse schafft Winwin-Situationen, so dass alle Beteiligten davon profitieren können. Sie kann dazu beitragen, dass in Projekten auftretende Schwierigkeiten ordentlich dokumentiert werden. Dies kann verhindern, dass beim nächsten Projekt ähnliche Hemmnisse wieder auftreten. In günstigen Fällen können durch vermittelnde Tätigkeiten der Hemmnisanalysten kleine Probleme beseitigt, im besten Fall kann der Anstoß zu Gesetzesinitiativen gegeben werden. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg einer projektbegleitenden Hemmnisanalyse ist ein gegenseitiges Vertrauen zwischen den verschiedenen beteiligten Partnern. Von besonderer Bedeutung dabei ist, dass auch die Hemmnisanalytiker Fachwissen über das zu evaluierende Projekt haben, da ihnen sonst keine Lösungskompetenz zugesprochen wird. Auch gilt es, die richtige Balance zwischen hartnäckigem Einfordern der Information und methodischer Variabilität zu finden, um im Rahmen der Gesamt-Evaluation bei den einzelnen Evaluierungsgegenständen den unterschiedlichen Charakteren der Kontaktpersonen gerecht zu werden. Dennoch lässt sich der Erfolg einer Hemmnisanalyse schwer messen und nicht direkt am Grad der Projektzielerfüllung ablesen. Die zunehmend höher werdende Akzeptanz der Hemmnisanalyse sowohl bei den Forschungsgebern, z. B. dem BMBF, als auch bei den Evaluierten selbst zeigt allerdings, dass, zumindest innerhalb von mobilist, nicht nur die Methodik akzeptiert ist, sondern dass eine ernsthafte Notwendigkeit zur Dokumentation und zur Beeinflussung der Umsetzungsrahmenbedingungen gesehen wird. Hier bieten sich bislang noch ungeahnte Chancen, den Erfolg innovativer Projekte zu verbessern. In diesem Beitrag wurde eine allgemeine Einführung in die Notwendigkeit und die Chancen einer projektbegleitenden Hemmnisanalyse gegeben sowie am Beispiel des Leitprojekts mobilist die Methodik einer derartigen projektbegleitenden Hemmnisanalyse erläutert. In einem weiteren Beitrag soll nach Abschluss des Leitprojekts mobilist der vollständige Cluster fördernder und hemmender Rahmenbedingungen vorgestellt sowie einige exemplarische Hemmnisse vertieft betrachtet werden. 20 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 21 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Literatur/ Anmerkungen [1]WeiterführendeprojektspezifischeInhalteundDetails könnenüberdasPortalwww.mobilist.deabgerufenwerden. [2]BundesministeriumfürBildungundForschung [3]CashCar(Berlin),intermobil(Dresden),mobilist(Stuttgart),MOBINET(München),stadtinfokoeln(Köln)undWAYflow(Frankfurta.M.) [4]Beckmann,KlausJ.: ThesenzuAnstößenundErfolgsfaktorensowieErschwernisseninterkommunalerKooperationen.In: Forschungs-undSitzungsberichtederARL,Band 210: KooperationimProzessdesräumlichenStrukturwandels.ARL(Hrsg.),Hannover2000 [5]Dispan,J.: DieQualitätderNähe.Quellgebietsbezogene raumplanerischeAnsätzezurVerkehrsvermeidungbeim WegezweckFreizeit-eineProblemanalyse.In: RaumPlanung,H.90,Dortmund2000,118-122 [6]Scheuermann,M.: KooperationdurchKoordination. WissenschaftsmanagementindersozialwissenschaftlichenUmweltforschung.Roderer,Regensburg1999 [7]VerbandRegionStuttgart(Hrsg.): Entscheidendist,waswir darausmachen.In: RegionStuttgartaktuell,H.2,2001,6-10 [8]VerbandRegionStuttgart(Hrsg.): GroßesOrchester mobilist.In: mobilistNewsletterApril,Nr.1,2001,3-4 (www.mobilist.de) [9]VerbandRegionStuttgart(Hrsg.): mobilist-Diensteinder Erprobung.In: mobilistNewsletterOktober,Nr.2,2001,4-5 (www.mobilist.de) [10]VerbandRegionStuttgart(Hrsg.): Projektatlasmobilist. VRS,Stuttgart2001(www.mobilist.de) [11]Vogel,B./ Stratmann,B.: Public PrivatePartnershipinderForschung. HIS,Hannover2000 Schlagwörter Evaluation,Hemmnisanalyse,Mobilitätsdienstleistungen,Projektmanagement,Projektumfeldanalyse, Stakeholderanalyse Autor Prof.Dr.Dieter Eberle,geb. 1944,istInhaber desLehrstuhls fürAngewandte Geographiean derFakultätfür GeowissenschaftenderUniversitätTübingen. ErstudierteBauingenieurwesen, promovierteimBereichLandschaftsplanungundwardannalsRaum-und UmweltplaneranverschiedenenUniversitätentätig. Anschrift UniversitätTübingen LehrstuhlfürAngewandteGeographie Hölderlinstr.12 D-72074Tübingen E-Mail: Dieter.Eberle@unituebingen.de Autor Dipl.-Geogr.RogerKreja,geb.1974; StudiumderGeographieandenUni versitätenTübingenundStuttgart. Pro dukt-undMarketingmanagementimIT-Bereich.WissenschaftlicherAngestellteramLehrstuhlfürAngewandteGeographieimRahmenderPotenzialuntersuchungen undWirkungsanalysenzumForschungsprojektMobilität imBallungsraumStuttgart(mobilist).WeitereTätigkeitsschwerpunkteliegeninderAnwendungGeographischer Informationssysteme(GIS)inBereichenderRaum-undUmweltplanungals freiberuflicherMitarbeiterimtechnischenUmweltschutz. Anschrift UniversitätTübingen LehrstuhlfürAngewandteGeographie Hölderlinstr.12 D-72074Tübingen E-Mail: Roger.Kreja@uni-tuebingen.de Autor Dipl.Geogr.RalfLattner,geb.1967; nachdemStudium derGeographie(Abschluss1997)TätigkeitenimRahmen kommunalerAgenda-21-Prozesse,imQualitätsmanagementeinerUnternehmensberatungimIT-Bereichsowie MitarbeitbeiderEvaluierungdesProjektesmobilistals AngestellteramLehrstuhlfürAngewandteGeographie derUniversitätTübingen.Mittlerweilezuständigfür StromhandelundPortfoliomanagementbeiderSüdWest- DeutschenStromhandelsgesellschaftTübingen. Anzeige 22 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 23 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Anschrift Eisenhutstr.6 D-72072Tübingen E-Mail: ralf.lattner@suedweststrom.de Autor Dr.AndreasMegerle,Dipl.-Geogr., geb.1961; StudiumderGeographie andenUniversitätenTübingenund Aix-en-provence.NachTätigkeiten inverschiedenenPositionenbeiVerbändenundPlanungsbüroszuerstals wissenschaftlicherAssistent,jetzt sowohlalsfreiberuflicherGutachter (Umwelt-undTourismusplanung)alsauchalswissenschaftlicherAngestellteramLehrstuhlfürAngewandte GeographieimRahmenverschiedenerForschungsprojekte tätig.TätigkeitsschwerpunkteliegenhierindenBereichen „Kooperationsnetzforschung“und„Nachhaltiger,landschaftsbezogenerTourismus“,vorallem„Geotourismus“. Anschrift UniversitätTübingen LehrstuhlfürAngewandteGeographie Hölderlinstr.12 D-72074Tübingen E-Mail: Andreas.Megerle@uni-tuebingen.de Autor Dipl.-Ing.JanineSchubert,geb. 1973; StudiumdesBauingenieurwesensmitVertiefungsrichtung VerkehrsplanunganderUniversität Hannover.Seit1999wissenschaftlicheAngestellteamLehrstuhlfür VerkehrsplanungundVerkehrsleittechnikdesInstitutsfürStraßen- undVerkehrswesenderUniversitätStuttgartu.a.imRahmendesForschungsprojektesMobilitätimBallungsraum Stuttgart(mobilist).Tätigkeitsschwerpunkteliegenim BereichderMobilitätsforschung. Anschrift UniversitätStuttgart InstitutfürStraßen-undVerkehrswesen LehrstuhlfürVerkehrsplanungundVerkehrsleittechnik Seidenstr.36 D-70174Stuttgart E-Mail: schubert@isvs.uni-stuttgart.de Autor AORDipl.-Ing.ManfredWacker,geb. 1958,iststellvertretenderLeiterund AkademischerOberratamLehrstuhl fürVerkehrsplanungundVerkehrsleittechnikdesInstitutsfürStraßen- undVerkehrswesenderUniversität Stuttgart.ErstudierteBauingenieurwesenmitderVertiefungsrichtung„Verkehrswesen“undistnacheinerzweijährigen TätigkeitanderUniversitätHannoverseit1985amInstitut fürStraßen-undVerkehrswesenderUniversitätStuttgartmitdenSchwerpunktenRuhenderVerkehr,Verkehr undUmweltsowieAnalysefördernderundhemmender Umsetzungsrahmenbedingungentätig. Anschrift UniversitätStuttgart LehrstuhlfürVerkehrsplanungundVerkehrsleittechnik Seidenstraße36 D-70174Stuttgart E-Mail: wacker@isvs.uni-stuttgart.de 22 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 23 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Jawosindsiedenn…? WIP-WomenInProjectmanagement Oder: WelchenNutzenhabenUnternehmen,Organisationen,Behördenundeinzelne BetroffenevoneinerstärkerenPräsenzderFrauenimProjektmanagement? ObbundesweiteoderinternationaleVeranstaltungenzumThemaProjektmanagement,MitgliederzahlenundaktivTätigeinderGPM(DeutscheGesellschaftfürProjektmanagement e.V.),Kongresse,Veröffentlichungen(Theorien,Praxis,Ratgeber),Weiterbildungsveranstaltungen,LehrstuhlbesetzungenanUniversitätenoderFachhochschulen,aktivtätigeProjektleitende,KarrierepfadefürProjektleitende-überallistdieTeilnahmeunddiePräsenzvon Frauenunterdurchschnittlich. DaswirftfolgendeFragenauf: Warumistdasso? Seitwannistdasso? Wiesowurdees bisherkaumbemerkt? WelcheFolgenergebensichhierausfürbeideGeschlechter? WelcheFolgenhatdasfürBehörden,Unternehmen,Organisationen,Weiterbildungs-undAusbildungsinstitutionenundUniversitäten? WerkannwieundwodurchdieseBenachteiligung (Ungleichheit)ausgleichen? WelchenNutzenhatjede/ rvoneinerVeränderung? Odersoll allessobleiben,wieesist? 1.DerIst-ZustandderPräsenzvonFrauenimProjektmanagement-ZahlenundFakten Bei der Recherche nach genauen Fakten über die Präsenz von Männern und Frauen im Bereich Projektmanagement zeigt sich eine überraschende Situation. Es gibt kaum empirisches Datenmaterial zu diesem Thema. Es gibt keine Datenbanken in oder über Universitäten/ Fachhochschulen und auch fast keine empirischen Forschungsarbeiten. In Unternehmen gibt es nur Zahlen in den Personalabteilungen, wenn Projektmanagement als Karriereinstrument angewandt wird. Selbst in der GPM gibt es lediglich rudimentäres Zahlenmaterial. Alle weiteren Zahlen zu diesem Thema sind freundlicherweise in der Geschäftsstelle auf meine Anfrage erstmals erhoben worden. Das Nichtvorhandensein solcher Daten sagt viel aus. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse können also lediglich einen ersten Trend zu diesem Thema darstellen. Fast schon zwingend ergibt sich hieraus für die Wissenschaft die Aufgabe, damit zu beginnen, das Geschlechterverhältnis im Bereich Projektmanagement weiter gehend zu erforschen. 1.1DeutscheGesellschaftfürProjektmanagemente.V. Von den mehr als 2.000 GPM-Mitgliedern sind nur 13 % Frauen (Stand 2/ 2002). Lediglich bei den studentischen Mitgliedern ist der Frauenanteil mit 28 % höher. Bei der Teilnahme an Seminaren, Foren und Fachtagungen liegt der Anteil der Frauen entsprechend niedrig bei 11 % und 20 %; von den bisher Zertifizierten sind 15 % Frauen. 1.2AusdenUnternehmen Exemplarisch sind nun folgende Ergebnisse (Beispielzahlen aus der Automobilindustrie): Dort ergibt sich aus einem Teilbereich der Forschung und Entwicklung, der sicherlich auch übertragbar auf die anderen Unternehmensbereiche ist, folgendes Bild. Auf 1.000 männliche Projektleiter kommen fünf weibliche Projektleiterinnen. Mit diesen Zahlen lassen sich keine Aussagen zu geschlechterspezifischen Unterschieden in Bezug auf die Teilnahme unterschiedlicher PM-Trainingsinhalte treffen. Interessant ist an dieser Stelle, wer in diesen Unternehmen die Projektleitungen qualifiziert. Es gibt einen Pool aus internen und externen Trainern, die die gesamte Breite des Projektmanagementtrainings abdecken. Dieser Trainerpool besteht zu 50 % aus weiblichen Trainerinnen und zu 50 % aus männlichen Trainern. Die weiblichen Trainerinnen decken zu rund 40 % die weichen Faktoren (z. B. soziale Kompetenz) ab und zu rund 60 % die harten Faktoren (z. B. Methodentraining). Bei den männlichen Trainern ergibt sich ein kaum merklich anderes Bild. Fazit: Frauen bilden Männer aus, und das sehr erfolgreich, aber sie sind mit ihrer Qualifikation nicht als Projektleitende tätig. 1.3Universitäten Bei dem Versuch, einen deutschlandweiten Überblick zur geschlechterspezifischen Verteilung der Lehrstühle, der Gratifikationen und der Inhalte zu bekommen, zeichnete sich ein ähnliches Bild ab. Auch hier gibt es keine Stelle, die diese Daten erhoben hat. In der GPM UlrikeHolzberger 24 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 25 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 gab es vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches „Qualifizierung und Zertifizierung von Projektpersonal“ einen Versuch, einen Überblick herzustellen. In diesem erstellten Hochschulkataster ergibt sich ein 1,3 %iger Anteil von Frauen als Lehrstuhlinhaberinnen im Projektmanagement. 1.4VeröffentlichungenzumThemaProjektmanagement Betrachtet man exemplarisch ein paar Standardwerke (vgl. Tabelle 1), lässt sich auch hier feststellen, dass der Anteil der Autorinnen an den Veröffentlichungen 20 % nicht überschreitet. Auch in diesem Bereich sind Frauen also unterrepräsentiert. In „Projektmanagement aktuell“ erschienen von 1998-2001 insgesamt 127 Fachartikel, davon 13 % von Autorinnen. Bei der Loseblattsammlung „Projekte erfolgreich managen“ waren von den 66 Beiträgen 7,5 % von Frauen mit den Schwerpunkten „Marketing“, „Team“ und „Konflikt“. Das Buch „Projektleiter-Praxis“ wurde komplett von einem Mann verfasst. In „Projektmanagement Fachmann“ sind von 47 Beiträgen neun von Autorinnen, davon sieben Beiträge zur sozialen Kompetenz, einer über Methoden und einer über Organisationskompetenz. Lediglich am „Handbuch Projektmanagement Öffentlicher Dienst“ arbeiteten drei Frauen und zwei Männer im Team. 2.Stärkennutzen Neuere Unternehmenskonzeptionen und Managementstrategien wie Projektmanagement sind darauf ausgerichtet, Verantwortlichkeiten für die Arbeitsergebnisse an die Beschäftigten zu geben. Dabei geht es um die Nutzung menschlicher Stärken wie Kreativität, Improvisationstalent und Lernvermögen angesichts der Vielfalt unvorhersehbarer Situationen bei der Bearbeitung von Aufträgen in festgesetzten Zeiträumen. Moderne Managementstrategien setzen an den Stärken der Menschen an, statt wie früher die Schwächen mit Hilfe von Kontrolle möglichst einzudämmen. 3.VerschiedenartigkeitbeflügeltKreativität Diese innovativen Strategien erfordern besondere Fähigkeiten und bieten für deren Entfaltung und Nutzung eine exzellente Plattform. Der Erfolg der Projekte wird maßgeblich durch die Qualitäten des Teams bestimmt. Hier spielen Erfahrungen und neue Ideen, Kenntnisse und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen zusammen und lassen Neues entstehen. Projektmanagement bietet die Chance, alles, was die Mitarbeitenden schon mitbringen, für das gemeinsame Titel Kapitel Anteil Frauen - Männer in % Themen „Projektmanagement aktuell“ Fachzeitung (1998-2001) 127 Artikel 16 Beiträge 13 % 111 Beiträge 87 % (1998 0 % Frauen 1999 - 5/ 30 2000 - 5/ 30 2001 - 15/ 6) Bereich Wissen und Report „Projekte erfolgreich managen“ (Loseblattsammlung) bis 2002 66 Beiträge 61 Männer (92,5 %) 5 Frauen (7,5 %) 3 Marketing, Team und Konflikt 1 (plus 1 mit Mann) Verfahrenssysteme Projektleiter-Praxis 100 % Männer Handbuch Projektmanagement Öffentlicher Dienst Autorenteam: 3 Frauen 2 Männer Projektmanagement Fachmann 1 und 2 47 Beiträge 38 Männer (81 %) 9 Frauen (19 %) 7 Beiträge mit dem Thema: Soziale Kompetenz 0 Grundlagen 1 Methoden 1 Organisationskompetenz 77,7 % sozial 22,2 % andere Tabelle1: Fachliteratur: ExemplarischdieBereichederStandardwerke 24 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 25 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Projekt nutzbar zu machen und in kreativen Prozessen neue Ansätze zu entwickeln. Kreativität hat besonders dort Entfaltungsmöglichkeiten, wo Verschiedenartigkeit im gelungenen konstruktiven Kommunikationsprozess aufeinander trifft. Bei allen positiven Entwicklungen der letzten Jahre gibt es bisher nur erste Ansätze, den ganzen Erfahrungsschatz, die Qualifikationen und kulturell gewachsenen Besonderheiten von Frauen ins Spiel zu bringen. Auch in der GPM sind, wie schon erwähnt, nur 15 % der Mitglieder und durchschnittlich 20 % der Teilnehmenden an PM-Tagungen Frauen. Das zu verändern - daran sollten wir arbeiten! 4.WeiblicheStärken,diedieProjektarbeit bereichernkönnen Kommunikative Kompetenzen und besondere Konsensfähigkeiten werden schon von Kindesbeinen an bei Mädchen und jungen Frauen besonders gefordert und gefördert. Bei der Mitarbeit im Haushalt lernen sie, viele Dinge parallel zu erledigen, ohne dabei den Überblick zu verlieren. Es liegt im Wesen der Hausarbeit, dass hierbei viele Einzelaufgaben anfallen, die zeitgleich bewältigt werden können, um schnell erledigt zu werden (Wäschewaschen, Kochen, Einkaufszettel schreiben …). In der Haushaltsführung trainieren Frauen täglich, Arbeitsprozesse zeitsparend zu organisieren, ohne Kontrolle und Druck von außen. Durch andere Familienmitglieder, besonders durch Kinder, werden Arbeitsabläufe zu Hause immer wieder unterbrochen, ohne dass sie deshalb unerledigt liegen bleiben können. Schrittweise werden Aufgaben von den Frauen delegiert und abgegeben, wobei sie sich sehr realistisch an den Fähigkeiten der Partner und Kinder orientieren und die Aufgabe klar und knapp benennen können. In der Familie leisten Frauen häufig einen großen Beitrag, die Interessen der Einzelnen miteinander zu vereinbaren, heute auch mit angstfreien Methoden. G. A. Knapp [5] prägte hierfür den Begriff der „doppelten Vergesellschaftung“. Frauen werden nicht nur im privaten Bereich, der Reproduktionsarbeit, sondern auch im schulischen und beruflichen Bereich auf Anforderungen der Berufswelt hin sozialisiert. Frauen haben hier im Vergleich zu Männern eine Doppelorientierung, die auch manchmal eine Unvereinbarkeit der verschiedenen Bedürfnisse nach sich zieht. Frauen und Männer müssen in ihren individuellen Lebenszusammenhängen die Integration ihrer verschiedenen Koordinationsleistungen erbringen. Da Frauen auf verschiedene Lebenszusammenhänge vorbereitet werden, ist ihre Erfahrung und dadurch ihre Kompetenz in dieser Koordinierungsleistung um vieles vertrauter, größer und sicherer als die der Männer. Um den Aufgaben in Haushalt, Partnerschaft und Familie gerecht werden zu können, werden Mädchen und junge Frauen, Jungen und junge Männer innerhalb der Familie, in Gleichaltrigengruppen und durch zahlreiche Vorbilder darauf vorbereitet. Dabei werden Jungen und junge Männer im Hinblick auf andere Fähigkeiten sozialisiert. Eine besondere Rolle spielen für Jungen dabei das Hineinwachsen in die Welt des Sports und die Einflussnahme der Bundeswehr. Hier spielen u. a. sportlicher Erfolg, Leistungsorientierung, Konkurrenz und Wettbewerb eine starke Rolle. Dieses soll jedoch hier nicht erörtert werden. Fest steht, dass in der jahrelangen Sozialisation bei Frauen und Männern unterschiedliche Profile entwickelt werden. Gelingt es, die personalen Fähigkeiten von Frauen und Männern und die jeweiligen besonderen beruflichen Qualifikationen in der Projektarbeit zusammenzubringen, erhöht dies den Erfolg der Arbeit in großem Maße. Diese Chancen sollten wir nutzen. 5.PMbietetfürFrauenbesondereKarrierechancen Arbeitsprozesse beschleunigen sich, Projektarbeit in Unternehmen nimmt stetig zu, strategisch wichtige und erfolgreich abgewickelte Projekte sind in vielen Unternehmen maßgeblich für die individuelle Karriereentwicklung aller Mitarbeitenden. Durch erfolgreich abgewickelte Projekte werden Projektleiter in ihrem Unternehmen sichtbar. Gute Arbeit fällt auf. Der Weg nach oben ist geebnet. Führungskräfte geben Spezialkenntnisse als den mit Abstand wichtigsten Erfolgsfaktor für die Karriereentwicklung an. Projektmanagement ist als Spezialkenntnis in diesem Zusammenhang unbedingt zu erwähnen [1, S. 50]. Bei traditioneller Unternehmensführung haben Frauen oft wenig Chancen, in die männlich geprägte Welt der Führungspositionen aufzusteigen. Zurzeit sind nur 5 % der Top-Management-Positionen mit Frauen besetzt, im mittelständischen Bereich sind es 8 %, also auch nicht viel mehr [1]. Die Hierarchien in traditionellen Strukturen sind oft stark verkrustet und innovationsresistent. Die Strukturen projektbezogener Arbeit sind hingegen flexibel und können auch innovativen Ansätzen gegenüber offener sein. Sie bieten daher prinzipiell mehr Chancen für qualifizierte Frauen, Führungsaufgaben zu übernehmen. Häufig wird befürchtet, dass Frauen nicht dauerhaft und zuverlässig in Führungspositionen wirken können, da sie ja schwanger werden oder durch andere Familienarbeit ausfallen könnten. Heutzutage gebiert jede dritte Frau in Deutschland überhaupt kein Kind mehr, und viele qualifizierte Frauen haben die Geburten hinter sich und für eine tragfähige, zuverlässige Betreuung ihrer Kinder gesorgt. Gerade die zeitliche Überschaubarkeit der Projektarbeit und die Arbeit in Teams bieten aber auch für Frauen in der Familiengründungsphase Möglichkeiten zu verantwortlichem, vollem Engagement in Führungspositionen während der Dauer des Projekts. Gerade hier kann Familienplanung ihren Platz haben. Die flexibleren Strukturen machen Beruf und Familie leichter vereinbar. 6.Wegenachvorn Die besonderen Stärken der Frauen müssen erst einmal wahrgenommen und in ihrem Wert geschätzt werden. Einen Beitrag dazu leistet organisierter Erfahrungsaustausch, z. B. bei Tagungen oder in Netzwerken. Hierin liegt eine besondere Aufgabe für die GPM und WIP, die Fachgruppe „Women in Projectmanagement“ in der GPM. Ihre Ziele sind, Chancengleichheit von Frauen im Projektmanagement herzustellen, frauenspezifische Orientierung zur Aus- und Weiterbildung im PM 26 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 27 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 aufzuzeigen und anzubieten, Nachwuchsförderungen an Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen zu initiieren, Networking zu betreiben, Erfahrungsaustausch zu gestalten und eine Datenbank für PM-Fachfrauen einzurichten. Forschung, Veröffentlichungen und Vorträge zum Thema können den Blick schärfen und die Einstellungen entwickeln. Jede(r) kann Ausschau halten nach qualifizierten Frauen, die in Führungspositionen eine gute Arbeit leisten können, kann diese dafür werben und sie an entsprechender Stelle vorschlagen. Gezielt können qualifizierte Frauen protegiert werden, auch von Frauen, die schon entsprechende Positionen innehaben. Mit den PM-Zertifizierungsmöglichkeiten durch die GPM können Frauen ihre Fähigkeiten vervollständigen und nachweisen. 7.WassinddiebesonderenMöglichkeitenvonWIP? Hier haben Frauen eine Plattform, ihre Erfahrungen und Ideen als Frauen im Projektmanagement und in der GPM zusammenzutragen und auszuwerten. Der hohe Zulauf und das starke Interesse seit Gründung von WIP haben schon viele Aktivitäten entstehen lassen. Geplant ist ein eigener WIP-Stream beim nächsten GPM-Kongress, erste PMF-Zertifizierungskurse nur für Frauen werden angeboten. Dadurch werden interessierte Frauen auf die GPM aufmerksam. Die Außenwirkung der GPM wird dadurch in andere Arbeitsbereiche getragen. Frauen in der GPM werben in Firmen, Kolleginnenkreisen und Verbänden neue Frauen als Mitglieder an. Die Mitgliederzahlen steigen. WIP entfaltet eine eigene Öffentlichkeitsarbeit besonders in Fachzeitschriften. 8.Abschlussthesen These 1: Projektmanagement-Kompetenzen, vor allem Projektleitungsund/ oder Teilprojektleitungserfahrung, sind Voraussetzung, Schlüsselqualifikation und Katalysator für die beruflichen Karrieren. Männer und Frauen haben zurzeit nicht die gleichen Chancen, Projektmanagement zu lernen, zu lehren und anzuwenden. These 2: Für Unternehmen, Behörden und Organisationen ist es sehr kostspielig, wenn Frauen, die gut ausgebildet sind, aufgrund von fehlenden Rahmenmodellen (Arbeitszeiten, weiblichen Karrieremodellen, Kinderbetreuung) fortgehen und Männer für deren Position nachqualifiziert werden müssen. Oft erhalten sie gerade deshalb erst gar keine Chancen. These 3: Die gesellschaftspolitische Diskussion um Gleichstellung im Projektmanagement ist in Deutschland noch kaum entfacht. Die GPM als bundesdeutscher anerkannter Verband kann sich dem nicht entziehen. Auch sie leistet dadurch einen Beitrag, sich als männlich dominierter Verein zu diesem Thema untersuchen zu lassen. These 4: Betrachtet man die Ist-Situation der Frauen und Männer im PM aus der Sicht der Chancengleichheit für berufliche Karrieren, lassen sich signifikante Unterschiede feststellen - nämlich Ungleichheit. Literatur [1]Bischoff,S.: MännerundFraueninFührungspositionen derdeutschenWirtschaftinDeutschland.In: Deutsche GesellschaftfürPersonalführunge.V.(Hrsg.): SchriftenreihederDGFP,Nr.60,WirtschaftsverlagBachem,1999 [2]Becker-Schmidt,R.: DiedoppelteVergesellschaftung -diedoppelteUnterdrückung: BesonderheitenderFrauenforschungindenSozialwissenschaften.In: Unterkirchner, L./ Wagner,I.(Hrsg.): DieandereHälftederGesellschaft. Wien1987,10-25 [3]Henning,M./ Jardim,A.: FrauundKarriere.Erwartungen, Vorstellungen,Verhaltensweisen.ReinbeckbeiHamburg1991 [4]Hofmann-Lun,I./ Schönfeld,S./ Tschirner,N.: DokumentationzumWorkshop: MentoringfürFrauenim Unternehmen.In: DeutschesJugendinstitute.V.(Hrsg.): Projekt„MentoringfürFrauen“,AbteilungGeschlechterforschungundFrauenpolitik.München2000 [5]Knapp,G.A.: ZurwidersprüchlichenVergesellschaftung vonFrauen.In: Hoff,E.H.(Hrsg.): DiedoppelteSozialisation Erwachsener.WeinheimundMünchen1990,S.17-52 [6]Quack,S.: KarrierenimGlaspalast.WeiblicheFührungskräfteineuropäischenBanken.WissenschaftszentrumBerlinfürSozialforschung,1997 [7]Stiegler,B.: FrauenimMainstreaming: PolitischeStrategienundTheorienzurGeschlechterfrage.Expertisenzur Frauenforschung.Electronic.ed.,FESLibrary,Bonn1998 [8]Wimbauer,C.: Organisation,GeschlechtundKarriere: FallstudienauseinemForschungsinstitut.In: Allemendinger,J.(Hrsg.): StudienzurWissenschafts-undOrganisationssoziologie.Leske+Budrich1999 Schlagwörter AnreizefürProjektarbeit,FrauenimProjektmanagement, KarrieredurchProjekte,Projektpersonal,Qualifizierung undZertifizierungimPM Autorin UlrikeHolzberger,geb.1968,ist SozialpsychologinundSoziologin M.A.undInhaberinderFirmaHolzbergerOrganisationsberatung-Personaltraining.DerzeitigeArbeitsschwerpunkte: Projektplanung/ Prozessbegleitung/ Projektcoaching, Führungskräftetraining,Personalentwicklung,MentoringvonweiblichenFührungskräften, Einzel-undTeamcoaching.IhreTätigkeitübtsievorallem inderAutomobilindustrie,derIT-Branche,beiAutomobilzulieferern,imMittelstandundinderEvangelischenKircheaus.SieistLehrbeauftragtederEvangelischenFachhochschuleHannoverzumThemaProjektmanagement fürkirchlicheMitarbeitendeundGründungsmitgliedder GPM-FachgruppeWIP-WomeninProjectmanagement. PublikationenzumThemaCoaching,OrganisationsaufstellungimProjektmanagementsindvonihrerschienen. Anschrift HolzbergerOrganisationsberatung-Personaltraining Bessemerstr.1 D-30177Hannover Tel.: 0511/ 690999-14 Fax: 0511/ 690999-15 E-Mail: mail@u-holzberger.de www.u-holzberger.de 26 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 27 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WaserwartetdieWirtschaftvom Diplom-Projektmanager? NinoGrau,RichardRoth,UlrichVossebein SeiteinigerZeitzeigtsich,dassimmermehrUnternehmenMitarbeiterinnenundMitarbeitersuchen,dienichtnurüberKenntnissebzw.ErfahrungenimProjektmanagementverfügen,sonderndiesauchdurchentsprechendeNachweisebelegenkönnen.DieFrage,die oftdiskutiertwird,ist,welchenStellenwerteinHochschuldiplomineinemsolchenSystem hätte.IneinerExpertenbefragung,dieimRahmeneinerPersonalmessevonMitarbeitern derFachhochschuleGießen-Friedbergdurchgeführtwurde,wurdedieserFragenachgegangen.DieBefragungwurdepersönlichanhandeinesteilstrukturiertenFragebogens durchgeführt. Z iel der Untersuchungen war es, den Bedarf und das Anforderungsprofil von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Hochschulausbildung im Bereich Projektmanagement zu erfassen. Darüber hinaus sollte auch aufgezeigt werden, in welcher Art und Weise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Aufgaben im Rahmen von Projekten bisher vorbereitet wurden. Nicht zuletzt sollte die Analyse Hinweise dafür liefern, welche Inhalte in einem akademischen Weiterbildungsstudiengang, der zum Abschluss „Diplom-Projektmanager“ führt, aus Sicht der Unternehmen benötigt werden. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Zugangsvoraussetzung für das Weiterbildungsstudium ein abgeschlossenes Studium (i. d. R. der Ingenieurwissenschaften) ist. Insgesamt wurden in der qualitativen Studie auf der Personal-Messe der DGFP (Deutsche Gesellschaft für Personalführung) 33 Personen befragt. Die Gruppe setzte sich wie in Abb. 1 dargestellt zusammen. Die Verteilung in Abb. 1 zeigt, dass die wesentlichen Branchen, in denen Projektmanagement vielfältig eingesetzt wird, in der Studie vertreten sind. Dadurch, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten aus dem Personalbereich kam (siehe Abb. 2) und in diesem Bereich in Führungspositionen anzutreffen ist (siehe Abb. 3), ist gewährleistet, dass die geäußerten Meinungen hohe Relevanz aufweisen. Aus der Zuordnung einiger der Befragten zu den beiden Kategorien „Projektmanagement-Teammitglied“ und „PL-Projektleiter“ wird aber auch deutlich, dass es bisher offensichtlich keinen „normalen“ Karriereaufstieg im Projektmanagement gibt, wie dies in den anderen Funktionsbereichen (Gruppen-, Abteilungs- Hauptabteilungs-Bereichsleiter) der Fall ist. Dieser Aspekt sollte an anderer Stelle aktiv aufgegriffen und diskutiert werden. Von den Befragten gaben über die Hälfte an, dass über 50 % der unternehmerischen Tätigkeiten im Rahmen von Projekten erfolgen. Hierbei sind bei über einem Drittel der Unternehmen mehr als 50 % aller Mitarbeiter in Projekte eingebunden. Auch wenn diese Werte von Branche zu Branche deutlich schwanken, belegen sie eindeutig die Bedeutung des Projektmanagements. In einer Folgeuntersuchung, die für dieses Jahr geplant ist, werden diese Werte sicherlich noch höher liegen, da rund 2 ⁄ 3 der Unternehmen angaben, dass zukünftig noch mehr Aufgaben im Rahmen von Projekten bewältigt werden sollen. Ein großer Schub in diese Richtung wird hierbei von den Themenbereichen E-Commerce und E-Business ausgehen. Nachdem der erste Anlauf in vielen Unternehmen diesbezüglich gescheitert ist, wird man beim zweiten Anlauf versuchen, die bisher begangenen Fehler zukünftig zu vermeiden. Einer der Hauptfehler lag in vielen Fällen darin, dass ohne klare Organisations- und Verantwortungsstruktur erst einmal angefangen wurde. Die Einführung des E-Commerce bzw. die Umstellung des Unternehmens auf E-Business Abb.1: BranchederBefragten Abb.2: StrukturFunktionszuordnungderBefragteninihrem Unternehmen 28 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 29 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 sind klassische Projekte, die entsprechend gemanagt werden müssen. Erstaunlich waren die Ergebnisse zur Vorbereitung der Mitarbeiter auf die Tätigkeit in Projekten. Fast die Hälfte der Unternehmen gab an, dass so gut wie keine Vorbereitung stattfindet (vgl. Abb. 4). Bei einem weiteren Drittel beträgt die Vorbereitungszeit weniger als drei Tage, wohingegen nur sechs Befragte 4-14 Tage bzw. ein Befragter eine Ausbildung im Bereich Projektmanagement angaben. Erstaunlich war auch, dass keine Antwort zu der Frage nach einem Abschluss im Bereich Projektmanagement kam. Die obigen Angaben gewinnen insbesondere deshalb an Bedeutung und zeigen ein großes Defizit in den Unternehmen auf, da nur vier Befragte angaben, dass die Mitarbeiter, die hauptsächlich in Projekten eingesetzt werden, über intensive Kenntnisse im Bereich Projektmanagement verfügen. Die Antworten auf die Frage, welche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen im Bereich Projektmanagement notwendig sind, zeigten sehr deutlich, dass es nicht ausreichend ist, wenn die Grundlagen (Systemdenken, Projektziele, Projekterfolgs- und -misserfolgskriterien, Projektphasen- und -lebenszyklen, Normen und Richtlinien im PM) und Methoden des Projektmanagements (Projektstrukturierung, Ablauf- und Terminmanagement, Ressourcenmanagement) beherrscht werden, sondern dass zu einer erfolgreichen Arbeit in einem Projekt auch soziale Kompetenzen benötigt werden. Der Begriff Sozialkompetenz wurde in der Umfrage mit Wahrnehmung, Kommunikation und Motivation, soziale Strukturen sowie Selbst- und Konfliktmanagement inhaltlich beschrieben. Bei der differenzierten Befragung nach den Inhalten der sozialen Kompetenz wurde die der Kommunikation am häufigsten genannt. Auf die Frage nach den notwendigen Sprachkenntnissen gab es eine eindeutige Antwort. Englisch als Wirtschaftssprache wurde überwiegend als notwendig angesehen, wohingegen Französisch, Spanisch oder andere Sprachen als nicht relevant bewertet wurden. Wie sollte ein Weiterbildungsstudium im Bereich Projektmanagement aufgebaut sein? Dieser Fragenkom- Abb.3: PositionderBefragteninihremUnternehmen Abb.4: VorbereitungaufdieTätigkeitinProjekten Abb.5: NotwendigeKenntnisseimPM 28 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 29 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 plex bezog sich einerseits auf die Gesamtdauer des Studiums, andererseits auf die Verteilung der Lernphasen. Der Ansatz, den Weiterbildungsstudiengang über insgesamt drei Semester (= 1,5 Jahre) gehen zu lassen, fand große Zustimmung. Bei der Frage, wie viele Stunden in dieser Zeit zur Vermittlung der Inhalte notwendig sind, gab es keine eindeutige Aussage, wobei sich aber ein Schwerpunkt zwischen 600 und 700 Stunden abzeichnete. Wichtig war es vielen Befragten aber, dass die Zeit außerhalb des Unternehmens möglichst gering gehalten wird und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht jede Woche für einen Tag oder einen Abend das Unternehmen verlassen, um an einer Präsenzveranstaltung teilzunehmen, da dadurch zu viel Zeit für die eigentlichen Aufgaben am Arbeitsplatz verloren gehen würde. Häufig wurde vorgeschlagen, eine Kombination aus Präsenz-, Fern- und Selbststudium zu versuchen. Die Bereitschaft, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen eines Weiterbildungsstudiums zu unterstützen, war vielfach vorhanden, wobei vielen Unternehmen offensichtlich eine finanzielle Unterstützung leichter fällt als eine zeitliche. Aufgrund der oben dargestellten Ergebnisse sowie zahlreicher Gespräche, die mit Unternehmensvertretern aus allen Branchen geführt wurden, erhielt der erste deutschsprachige Weiterbildungsstudiengang Projektmanagement einer staatlichen deutschen Hochschule folgende Struktur (siehe Abb. 6): Die erste Säule bilden die Themen des Projektmanagements. Der Umfang deckt im Wesentlichen die Inhalte des PROJECT-MANAGEMENT-KANON der GPM ab. Die zweite Säule umfasst das General Management mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Controlling/ IT. Die dritte Säule „Kultur/ Kommunikation“ greift die genannten Anforderungen an die soziale Kompetenz der Projektmitglieder auf. (Nähere Informationen zum Weiterbildungsstudiengang ab S. 40.) Der Bedarf an einer akademischen Ausbildung im Bereich Projektmanagement wird laut unserer Umfrage als sehr hoch eingeschätzt. Dies betrifft sowohl die „klassischen“ projektorientiert arbeitenden Branchen als auch Branchen, die sich erst langsam dieser Form der Aufgabenbewältigung nähern. Insgesamt wurde von den befragten Unternehmen für die nächsten Jahre ein Bedarf von über 1.000 Mitarbeitern mit akademischer Ausbildung im Bereich Projektmanagement genannt. Weitere Informationen sowie die Anmeldeunterlagen zum ersten Diplomstudiengang Projektmanagement im deutschsprachigen Raum können unter nachfolgender Adresse bezogen werden: Dipl.-Ing. (FH) Monika Gonka, Fachhochschule Gießen-Friedberg, Wilhelm- Leuschner-Straße 13, D-61169 Friedberg, E-Mail: Monika.Gonka@wp.fh-friedberg.de, http: / / www.fhfriedberg.de/ fachbereiche/ wp/ pm/ index.htm. Studiengang Projektmanagement Projektmanagement General Management Kommunikation und Kultur Diplomarbeit Abb.6: StrukturdesWeiterbildungsstudiengangsProjektmanagementanderFHGießen-Friedberg Literatur [1]Grau,N./ Roth,R./ Vossebein,U.: E-Commerce-Risksandopportunitiesfor anentrepreneur.In: 2ndInternationalConferenceonDynamicEnterprises. Portoroz2001,S.92-100 [2]GrauN./ Feyerabend,F.-K./ Vossebein,U.(Hrsg.): E-Life-mehralsBusiness. Aachen2001 [3]Grau,N./ Roth,R./ Vossebein,U.: CustomerLoyaltyManagement(CLM)and SuccessinE-Commerce.In: 3rdInternationalConferenceonDynamicEnterprises.Portoroz2001,S.81-90 Schlagwörter PersonalentwicklungfürProjektmanager,PM-Anforderungen,PM-Bedarf,PM- Diplom,PM-Studium,WeiterbildungsstudiumProjektmanagement Autor Prof.Dr.NinoGrau,Jahrgang1950,istseit1991Professoru.a.fürProjekt-undProzessmanagementan derFachhochschuleGießen-FriedbergimFachbereich WirtschaftsingenieurwesenundProduktionstechnik. NachdemStudiumderInformatikinErlangenunddes WirtschaftsingenieurwesensanderTUMünchenwarer knapp1JahrzehntinderIndustrietätig-imIT-Bereich zuletztalsOrganisations-undEDV-Leiter.Seineheutigen SchwerpunktesindProjekt-undProzessmanagement.GrauistMitgliedder GPM,woeralsVorstandfürdenBerufsverbandderimProjektmanagement tätigenPersonenzuständigist.Erwarbzw.istMitgliedimProgrammkommitee zahlreichernationalerundinternationalerTagungenundAutorverschiedener VorträgeundVeröffentlichungenimBereichProjektmanagement.GrauistProjektleiterfürdieEinführungdesneuenWeiterbildungsstudiengangszumDipl.- Projektmanager(FH)bzw.Dipl.Projektmanagerin(FH),derimSeptember2002 mitdenerstenVorlesungenstartet. Autor Prof.Dr.RichardRoth,Jahrgang1952,istseit1995ProfessoranderFachhochschuleGießen-FriedbergimFachbereichWirtschaftsingenieurwesenundProduktionstechnik. SeineLehrgebietesindMarketing-Management,Führung undOrganisation,Grundlagendeswissenschaftlichen Arbeitens.NachdemStudiumderBetriebswirtschaftslehreanderUniversitätMannheimwarerüber14Jahrein derIndustrie,zuletztalsMarketingleitereinesUnternehmensderKonsumgüterindustrie,tätig.SeineForschungsschwerpunkteliegen 30 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 31 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 imBereichService-Marketing,Kundenzufriedenheitund BiometrischeIdentifikation.EristAutorundCo-AutorzahlreicherVeröffentlichungensowieVorträgezudenThemen Service-Marketing,Innovation,Informationsmanagement, Electronic-CommerceundBiometrischeIdentifikation. Autor Prof.Dr.UlrichVossebein,1957, studiertevon1978bis1983ander Johann-Wolfgang-vonGoethe-UniversitätinFrankfurta.M.Volkswirtschaftslehreundpromovierte währendseinerTätigkeitalswissenschaftlicherMitarbeiteranschließend anderselbenUniversität.Nachseiner Promotionwarervon1988bis1992beiderEckesAGim BereichMarktforschung-zuletztalsAbteilungsleiterim UnternehmensbereichAfG-beschäftigt.Seit1992hater eineProfessurfürAllgemeineBetriebswirtschaftslehre, insbesondereMarketinganderFachhochschuleGießen- Friedberg.SeineHauptforschungsschwerpunkteliegenim BereichstrategischeMarktforschung,Marketing-Controlling,undInnovationsmanagement.ImMai2000gründete erzusammenmitProf.Dr.KlausTölledasInstitutfür MarktanalysenundUmfrageforschung(IMU).Prof.Dr. VossebeinistAutorzahlreicherPublikationenundals Seminar-undTagungsleitertätig. AnschriftderAutoren UniversityofAppliedSciences FachhochschuleGießen-Friedberg Wilhelm-Leuschner-Str.13 61169Friedberg E-Mail: Nino.Grau@wp.fh.friedberg.de Richard.Roth@wp.fh-friedberg.de Ulrich.Vossebein@wp.fh-friedberg.de www.fh-friedberg.de/ pm 30 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 31 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 AufdemWegzuMultiprojektmanagementalsUnternehmensstrategie LufthansaundBertelsmannevaluierendasneueMSProject2002 ChristopheCampana,EricSchott,SvenHausen,StefanHaffner JedesUnternehmenhatProjekte-abernichtjedesUnternehmenhatsauberfunktionierendeProjektmanagementprozesse.HierliegteineklatanterHandlungsbedarf.Insbesonderein derderzeitwirtschaftlichangespanntenLagemüssenProjektemitgekürztenBudgetsauskommenundRessourcennocheffizientereingesetztwerden.DasManagementistdafür verantwortlich,dassdieProjekteinsgesamtundinihremZusammenwirkenalsProgramm oderPortfoliostrategischsinnvollundwirtschaftlicherfolgreichsind.DieseAnforderungen könnennurdurchpraktikableunderfolgreichimplementierteProjektmanagement-Prozesseerfülltwerden.DiemeistenProjektmanagement-ProzessesindheuteohneSoftware- Unterstützungnichtmehrdenkbar.DieserArtikelzeigtauf,welchenBeitragdieaktuellen Systeme,welchenBeitraginsbesondereMSProjectalsMarktführerzurRealisierungder gestiegenenAnforderungendesheutigenProjektmanagementsleistet. 1.NeueAnforderungenandasProjektmanagement Campana & Schott Realisierungsmanagement, Frankfurt und München, hat bereits mit einem Dutzend Großunternehmen und Organisationen in Deutschland das neue MS Project 2002 evaluiert. Der folgende Bericht bezieht sich dabei auf zwei sehr umfangreiche Bewertungen gemeinsam mit der Deutschen Lufthansa (IT-Konzernmanagement sowie unterschiedliche Lufthansa-Konzernbereiche) und der Bertelsmann media - Systems, in denen die Möglichkeiten und Einsatzpotenziale des neuen MS Project 2002 auf Basis der Betaversion kritisch getestet wurden. Im Mittelpunkt der Evaluierung standen Einsatzszenarien für Projektleiter, Teammitglieder, Controller und Manager mit folgenden Schwerpunkten *: 1. Prozessorientierte Projektplanung und -steuerung, 2. Ressourcenmanagement, 3. Programm- und Portfolio-Management. Für einen ausführlichen Überblick zu diesen Funktionen bzw. insgesamt zu den neuen Funktionen von MS Project siehe den Kasten am Ende dieses Beitrags auf S. 33 f. 2.ProzessorientierteProjektplanungund-steuerung Mit dem „Project Guide“ steht ein wirkungsvolles Instrument zur Verfügung, mit dessen Hilfe unternehmensspezifische PM-Prozesse abgebildet und u. a. durch Planungsschritte in MS Project unterstützt werden können. Als Zielgruppe für diesen Ansatz sahen die Experten der Lufthansa sowohl erfahrene Projektleiter als auch Anwender, die eher selten mit MS Project arbeiten. Insbesondere aber von MS-Project-Neueinsteigern wird der „Project Guide“ genutzt werden, um sie schrittweise durch alle Punkte zu führen, die erforderlich sind, um einen Projektplan zu erstellen bzw. zu pflegen. Bei Bertelsmann stand beim „Project Guide“ die prozessorientierte Umsetzung des Anwenderleitfadens im Vordergrund. So könnte der von Bertelsmann media- Systems (BMS) entwickelte unternehmensspezifische Leitfaden „BMS Guideline“, der zukünftig von MS- Project-Anwendern und im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen bei Bertelsmann mediaSystems verwendet werden soll, direkt in MS Project integriert werden. Beide Unternehmen versprechen sich einen hohen Nutzen von der Möglichkeit des Customizings des „Project Guides“. Der bei Bertelsmann mediaSystems Verantwortliche für die unternehmensweite Unterstützung der MS-Project-Anwender dazu: „Unabhängig von der gesammelten Erfahrung eines Anwenders ist der ,Project Guide‘ für alle Gruppen von Anwendern geeignet. Vor- * Merkmale wie Teamkommunikation und Ist-Rückmeldung, Dokumenten- und Aufgabenmanagement oder Zugriffs- und Rechtekonzept wurden hier nicht behandelt, diese sind Gegenstand eines gesonderten Beitrags. 32 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 33 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 aussetzung für eine Nutzung bei Bertelsmann mediaSystems wäre allerdings ein einfach zu handhabendes Customizing des ,Project Guides‘.“ Microsoft stellt daher bei der Markteinführung in Deutschland mit dem Produkt ein eigenes „Software Development Kit“ bereit. Neben diesen Vorteilen wurden aber auch einige Schwächen des „Project Guides“ identifiziert: Beim Anlegen eines neuen Projektplans mit dem „Project Guide“ kann man keine generellen Projektinformationen, so genannte „Properties“, hinzufügen. Im Rahmen eines abschließenden Workshops wurde festgestellt, dass der „Project Guide“ in der voreingestellten Form eine „Totallösung“ mit einer Vielzahl von Funktionen darstellt und deswegen aus Unternehmenssicht auf jeden Fall angepasst werden sollte. Insbesondere müssten Funktionen, die nicht bei jeder einzelnen Projektplanung durchlaufen werden sollten, wie z. B. die Bearbeitung des Basiskalenders, aus dem „Project Guide“ entfernt werden. Insgesamt haben die Projektmanagementexperten von Lufthansa und Bertelsmann den „Project Guide“ sehr positiv bewertet. 3.Ressourcenmanagement Bei der Evaluierung der verschiedenen Einsatzszenarien zum Ressourcenmanagement mit MS Project 2002, vor allem in Hinblick auf Multiprojektmanagement, ergaben sich folgende Ergebnisse: 1. Große Performancevorteile konnten erreicht werden durch den jetzt endlich datenbankbasierten Ansatz des neuen „Enterprise Ressourcenpools“, insbesondere gegenüber der Verwaltung des Ressourcenpools in einem gesonderten Projektplan in den Vorgängerversionen. 2. Der Ressourcenpool lässt sich, so die Teilnehmer beider Unternehmen, mit Hilfe des in MS Project 2002 integrierten „Teambuilders“ effizient zur unternehmensweiten Informationsgewinnung über Ressourcenprofile und Ressourcenverfügbarkeiten nutzen. Diese Prozeduren können zur Vorbereitung der Bildung von Projektteams benutzt werden. Auf diese Weise wird die Verwendung des „Teambuilders“ zur Verkürzung von Projektvorlaufzeiten und somit zur Reduktion von Projektkosten führen. „Gerade in einer heterogenen und eher dezentral organisierten Konzernlandschaft, wie sie bei der Lufthansa vorherrscht, kann ich mir ein rasches Auffinden von Mitarbeitern mit den gewünschten Eigenschaften sehr gut vorstellen“, so einer der beteiligten Projektleiter gegenüber Campana & Schott. 3. „Essentiell für die Umsetzung“, so ein QM-Verantwortlicher von Bertelsmann, „ist dafür das Rechtesystem in MS Project 2002, das sich auch auf Ressourcen auswirkt. Gerade im Hinblick auf die Einbeziehung des Betriebsrats könnte das Fehlen eines Rechtesystems in der Praxis schnell ein K.-o.- Kriterium darstellen.“ 4. Die Verwendung der bereitgestellten benutzerdefinierbaren „Enterprise Ressourcen Gliederungscodes“ wurde von den Bertelsmann-Teilnehmern als sinnvoll und hilfreich im Sinne der Abbildung der unternehmenseigenen Ressourcenstruktur angesehen. 5. In der Praxis relevant ist auch, dass mit MS Project 2002 sowohl Ressourcen aus dem „Enterprise Ressourcenpool“ übernommen als auch gleichzeitig in einem Projektplan lokale Ressourcen angelegt werden können, ohne dass diese in den Ressourcenpool mit übernommen werden müssen. Dies ist von Vorteil, wenn beispielsweise neben Mitarbeitern aus dem eigenen Unternehmen auch externe Ressourcen eingeplant werden. 6. Das Anlegen von generischen Ressourcen führt zu Vereinfachungen bei der Ressourcenplanung und somit zu einem Nutzenzuwachs gegenüber MS Project 2000. Dadurch lassen sich insbesondere erste Schätzungen auf Skill-Ebene wesentlich schneller durchführen. Alle Beteiligten vertraten die Meinung, dass die Prozesse des Zusammenspiels von Teambuilder und Ressourcenpool am besten für ein stark durch Projektarbeit geprägtes Umfeld, wie zum Beispiel die IT-Anwendungsentwicklung, geeignet sind. Neben den erwähnten Anwendungsszenarien und den erzielten Verbesserungen wurden von den Projektmanagern auch einige mögliche Probleme bei der Verwendung des Ressourcenmanagements in MS Project 2002 benannt: In MS Project 2002 ist das Feld „RSP-Code“ (Ressourcen-Struktur-Plan) zur Abbildung einer Organisationsstruktur vorgesehen. Während der Testdurchführung wurde von beiden Unternehmen festgestellt, dass ein solches Feld alleine nicht ausreichend für diese Aufgabe ist. Es erscheint daher notwendig, einer Ressource mehrere Attribute zur Abbildung der Position innerhalb der Organisationsstruktur zuzuweisen. Daher müssen im Rahmen der Einführung unternehmensspezifische benutzerdefinierte Felder im „Enterprise Ressourcenpool“ angelegt werden. Einige Projektleiter waren der Meinung, dass das Zusammenspiel von Teambuilder und Ressourcenpool in der betrieblichen Praxis nicht immer für die Auswahl von Ressourcen für Projekte geeignet ist. Eine notwendige Prämisse wäre z. B., dass der Projektleiter bereits bei der Teambildung völlig flexibel über Ressourcen des Unternehmens verfügen kann, um sie für neue Projekte einzuplanen. Hingewiesen wurde auch darauf, dass die fortlaufende, zentralisierte Datenpflege der Ressourcenprofile im Ressourcenpool zu Aufwand zum Beispiel in einem Project Office führt. Dies lässt sich vermeiden, wenn man Ressourcen den Zugriff auf die eigenen Daten im „Enterprise Ressourcenpool“ mit MS Project Web Access ermöglicht - mit dem Ziel einer dezentralen Pflege der Ressourcenprofile durch die Ressourcen selbst. Kritisch wurde auch von einem Teil der PM-Experten der „Ressourcenersetzungsassistent“ gesehen: „Eine vom Rechner durchgeführte, automatisierte Substitution von Team-Ressourcen würde der Lufthansa- Unternehmenskultur keinesfalls gerecht.“ Problematisch wurde von Bertelsmann hier die Verwendung der Attribute „Request“ und „Demand“ (Nachfrage/ Bedarf) für die Zuweisung unterschiedlicher Ressourcenprioritäten bewertet. Auf die organisatorischen Vorraussetzungen wies, stellvertretend für alle Beteiligten, ein Projektmana- 32 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 33 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 ger aus dem Konzernbereich Lufthansa Passage hin: „Die im Teambuilder und Ressourcenersetzungsassistenten implementierten Automatismen hängen wesentlich von der hinterlegten Datenqualität ab.“ Schließlich handelt es sich bei der Projektplanung und deren Optimierung nicht um eine Maschinenbelegungsplanung, wo mehrere Mitarbeiter ungefragt untereinander substituierbar sind. In der abschließenden Bewertung zeigte sich für die Lufthansa ein selektiver Einsatz eines zentralen Ressourcenmanagements für bestimmte, stark projektorientierte Konzernbereiche als am sinnvollsten. Ein Teilnehmer brachte die Position bei Bertelsmann folgendermaßen auf den Punkt: „Ressourcenmanagement stellt bei Bertelsmann mediaSystems kein Toolproblem, sondern vielmehr ein organisatorisches Problem dar.“ Die detaillierte Erfassung der Ressourcenauslastung stellt einen hohen organisatorischen bzw. administrativen Aufwand dar. Das Fazit für Campana & Schott: Nur wenn der Nutzen eines entsprechenden Ressourcenmanagements über alle Ebenen akzeptiert ist, kann die Software-Unterstützung der erforderlichen Prozesse gelingen. 4.Programm-undPortfoliomanagement Sehr hohe Akzeptanz kam dem „Portfolio Analyzer“ zu. Hier profitieren nicht nur Projektmanager von neuen Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten, sondern sicher auch Programmmanager und Projektcontroller, die Projekte im Zusammenhang bewerten müssen und Aufwände oder Kosten übergreifend nach Skills, Organisationseinheiten oder Projektarten online auswerten wollen. Als positiv zur Erweiterung der Möglichkeiten des Multiprojektmanagements und der Portfolioanalyse wurden bei Lufthansa und Bertelsmann die folgenden Aspekte bewertet: 1. Einen hohen wahrgenommenen Mehrwert stellen aus Sicht der Projektmanagementexperten die in der „Enterprise Global“ definierbaren „Enterprise Gliederungscodes“ wie z. B. Projektart und -status dar. Diese ermöglichen die Steuerung einer ganzen Projektlandschaft. 2. Von den Lufthansa-Teilnehmern wurde der „Portfolio Analyzer“ besonders als ein wirksam einsetzbares Tool zur Portfolioanalyse eingeschätzt. Hervorgehoben in der Bewertung wurde, dass ein Portfolio-Manager dynamisch per „Drag & Drop“ Attribute zur Portfolioanalyse anpassen kann. Somit wird der „Portfolio Analyzer“ als Online-Controlling-Instrument einsetzbar. 3. Wichtig für Bertelsmann mediaSystems wie für Lufthansa: Mit dem „Portfolio Analyzer“ lassen sich erzeugte Grafiken, Diagramme wie auch Pivot- Tabellen in einer Datei separat abspeichern oder direkt für Managementpräsentationen verwenden. Zentrale Erkenntnisse über Projektfortschritte, Aufwände, Kapazitätsauslastung, Budgetverbrauch können so dem Management zugänglich gemacht werden. Abgesehen von diesen Weiterentwicklungen wurden allerdings auch Schwächen hinsichtlich des Multiprojektmanagements und der Portfolioanalyse festgestellt: Sowohl mit den Features der Portfolioansichten als auch mit dem „Portfolio Analyzer“ kann man nicht direkt Druckberichte aus MS Project 2002 generieren. Für Verlaufsgrafiken und Statusberichte, die einen Überblick über die Projekthistorie und qualitative Einschätzungen vermitteln sollen, gilt Ähnliches. Hier stuften die PM-Experten aus beiden Unternehmen den von Campana & Schott vorgestellten Ansatz eines Projektportals sehr hoch ein. Der „Portfolio Analyzer“ setzt als OLAP-Analysetool einen professionellen Umgang bzw. eine gesonderte Anwenderqualifizierung voraus. Die beiden Unternehmen waren sich einig: Der „Portfolio Analyzer“ ist sehr mächtig. Er muss mit einer Vielzahl von Schaltflächen bedient werden. Für den professionellen Benutzer, der sich bereits mit Pivot-Tabellen u. Ä. auskennt, stellt dies keine Hürde dar. Ein anderes Bild dürfte sich aber für einen Großteil der Anwender von MS Project ergeben. Für diese erscheinen eine spezielle Schulung der Funktionalitäten des „Portfolio Analyzer“ und dessen Einsatz zum Beispiel im Rahmen eines Portfoliomanagements unerlässlich. 5.MultiprojektmanagementalsUnternehmensstrategie Für viele Unternehmen wird in Zukunft ein funktionierendes Multiprojektmanagement Teil der Unternehmensstrategie sein. Projektmanagement wird damit zur Aufgabe des Managements. Die Unternehmensleitung muss die Rahmenbedingungen schaffen, dass Projekte einheitlich, vergleichbar und mit so wenig wie möglich Verwaltungsaufwand realisiert werden. Für die Unternehmensleitung selbst wird der „lokale“ Blick auf einzelne Projekte nicht mehr ausreichen. Das Management muss sich vielmehr über die Projekte in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken informieren. MS Project 2002 bietet zusammen mit dem MS Project Server eine Projektmanagementumgebung, die nicht nur die Einzelprojektplanung und -steuerung, sondern auch das Management einer Vielzahl von Projekten über ein gesamtes Unternehmen sinnvoll unterstützt. Komplexes Projektcontrolling oder Szenario-Management sind ab MS Project 2002 ohne weiteres möglich. Aufgrund der dargestellten Vielfalt und Komplexität der neuen Elemente von MS Project 2002 erscheint es jedoch unentbehrlich, die optimale Anwendungstiefe - also welche Funktionen in welchen Unternehmensbereichen mit welchem Umfang einzusetzen sind - individuell zu ermitteln. Die Workshops haben ergeben, dass keines der Unternehmen sämtliche Funktionen in ihrer Gesamtheit einsetzen würde. Die in den Workshops festgestellten Prioritäten wichen teilweise erheblich voneinander ab. Somit besteht stärker als bisher ein Bedarf an Beratungs-, Schulungs- und Customizing-Dienstleistungen, um die relevanten Funktionen optimal zu implementieren und eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit für die Einführung und im späteren Betrieb zu gewährleisten. Der Umfang dieses Bedarfs richtet sich jeweils nach den spezifischen Anforderungen, Kompetenzen und der IT- Strategie des Unternehmens. 34 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 35 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Schlagwörter Einsatzmittelplanung,Multiprojektmanagement,Programmmanagement,Projektmanagementsoftware,Projektportfolio Autoren Dipl.-Wirtschaftsing.Dr.ChristopheCampanaM.A.istbei derCampana&SchottRealisierungsmanagementGmbH, FrankfurtamMain,zuständigfürdieBereiche„PM-Informationssysteme“und„OperativesProjektmanagementI“. DavorlangjährigeIT-undProjektmanagementerfahrung beiderBetreuungundSteuerunggroßerOrganisations- undSoftwareprojekte. Dipl.-Wirtschaftsing.Dr.EricSchottM.A.istbeiderCampana&SchottRealisierungsmanagementGmbH,FrankfurtamMain,zuständigfürOrganisationsberatungund Projektmanagement.NachTätigkeitenanverschiedenen ForschungsinstitutenarbeiteterseitmehrerenJahren beratendimBereichProjektmanagementundInformationssysteme. AnschriftderAutoren Campana&SchottRealisierungsmanagementGmbH Sophienstraße8 D-60478Frankfurt Tel.: 069/ 977883-0 Fax: 069/ 977883-33 E-Mail: schott@campana-schott.de www.campana-schott.de WasistneubeiMSProject2002? Mit der Einführung von MS Project 2002 wird es zwei Versionen von MS Project geben: Standard und Professional. MS Project 2002 Standard umfasst u. a. prinzipiell die Funktionalität der Version 2000, allerdings mit optimierten Bedienungsmöglichkeiten. MS Project 2002 Professional hingegen bietet - besonders im Zusammenspiel mit dem MS Project Server - eine Reihe von neuen Funktionen. Das frühere Begleitprodukt MS Project Central wurde integriert (viele Server-Funktionen können direkt aus Project Professional aufgerufen werden) und umbenannt in MS Project Server. Der Webzugriff auf die Funktionen des MS Project Servers heißt MS Project Web Access. VereinfachteProjektplanungundZeitrückmeldung Ein Hauptaugenmerk im Design des neuen MS Project lag auf einer verbesserten Führung des Anwenders bzw. unterschiedlichen Navigationsmöglichkeiten. In vielen Unternehmen wurde in der Vergangenheit Kritik an der Komplexität der Planungssoftware geäußert. Gerade neue Anwender von MS Project konnten zum Beispiel die Auswirkungen ihrer Eingaben nicht immer richtig nachvollziehen oder wussten nicht, was im nächsten Planungsschritt von ihnen verlangt wurde. Hierfür steht nun der so genannte Project Guide bereit. Dies ist ein interaktiver Leitfaden, der Anwender Schritt für Schritt durch das Anlegen, Planen und Auswerten eines (neuen) Projektes führt. Er lässt sich - im Unterschied zu den bisher bekannten Assistenten - immer und an jeder beliebigen Stelle während des Arbeitens mit MS Project aktivieren oder unterbrechen. Wichtig: der Project Guide lässt sich sehr flexibel anpassen, zum Beispiel an die definierten Projektmanagementprozesse im eigenen Unternehmen. MS Project Web Access ermöglicht den Projektteams, die Projektleitung mühelos über den Status ihrer Aktivitäten zu informieren. Dabei sind zum Beispiel eingegangene Veränderungen nach Rückmeldungen (von Ist- Zeiten oder Fertigstellen eines Vorgangs) für den Projektleiter markiert und leicht zu erkennen. Der Ablauf des gesamten Rückmeldezyklus wurde im Vergleich zu den bisherigen Versionen von MS Project deutlich verbessert. Nur auf Wunsch werden durch den MS Project Server Benachrichtigungen über Aufgabenanfragen oder 34 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 35 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Veränderungen an die normale E-Mail-Adresse des Anwenders geschickt. Einen separaten, projektbezogenen Posteingang im MS Project Server gibt es aber nicht mehr. UnternehmensweitesRessourcenmanagement MS Project 2002 Professional baut auf einem neu entworfenen, unternehmensweiten Ressourcenpool mit einer recht einfach zu handhabenden Skill-Verwaltung auf. Große Mengen an Ressourcen und Projekten können zentral organisiert und administriert werden. Abb.1: TeamBuilder Mit dem so genannten Team Builder (Abb. 1) werden Projektteams interaktiv aus dem unternehmensweiten Ressourcenpool zusammengestellt. Bereits während der Auswahl können die Verfügbarkeiten der gewünschten Mitarbeiter geprüft werden. Wichtiges Geschenk für die Multiprojektmanagement-Interessierten: Bei der laufenden Arbeit an einem Projekt wird nicht mehr der gesamte Ressourcenpool geladen, sondern immer nur die Detaildaten der jeweils eingesetzten Ressourcen. Dabei handelt es sich um eine Datenbankabfrage - den alten Ressourcenpool in Form eines speicherintensiven und wenig performanten Projektplans gibt es nicht mehr. Um die Grobplanung eines Projekts zu vereinfachen, ist der Einsatz generischer Ressourcen auf Basis von Skill-Merkmalen möglich. So können Mitarbeiter einer bestimmten Abteilung oder Mitarbeiter mit bestimmten Kenntnissen („Systemanalytiker“) zugeordnet werden, ohne dass diese namentlich bekannt sein müssen. Im Laufe der weiteren Planung werden diese generischen Ressourcen dann durch die tatsächlichen Mitarbeiter ersetzt. Dies hilft dem Projektmanager immer dann, wenn er noch keine Informationen über die tatsächlichen Projektressourcen hat oder vorerst nur an einer Schätzung der Projektaufwände und -kosten interessiert ist. Weiteres Leckerli: Bei der Planung und Steuerung des Projekts wird dem Projektleiter die Verfügbarkeit der Ressourcen direkt bei der Planung graphisch angezeigt, ohne dass er zwischen verschiedenen Ansichten wechseln muss. DasManagementvonProjektportfolios Mit dem MS Project Server werden grafische und tabellarische Ad-hoc-Auswertungen über das gesamte Projektportfolio ermöglicht (Abb. 2). Dies können teilweise gefilterte oder gruppierte Projektlisten und auch Auswertungen über die laufenden Projekte in einer bestimmten Organisationseinheit sein. Kostenverteilungen oder Engpässe bei kritischen Skills können ebenfalls dargestellt werden. 36 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 37 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Abb.2: GrafischeundtabellarischeAuswertungen Grundlage dieser Auswertungen sind die einzelnen Projekte. Diese werden mit Kriterien versehen, die als so genannte „Enterprise Codes“ unternehmensspezifisch festgelegt und zur Klassifizierung der Projekte herangezogen werden. Somit kann auf Knopfdruck zum Beispiel die Untermenge aller Projekte des Bereiches Produktentwicklung analysiert werden. Die Projektdaten werden zur schnellen Auswertung in einem OLAP-Cube verwaltet und liegen dort nur verdichtet auf der Ebene des Gesamtprojektes vor. Vorgangsinformationen können mit dem Analyzer nicht ausgewertet werden. Der Portfolio-Modeler des MS Project Servers bietet die Möglichkeit, auf der Grundlage unterschiedlicher Einsatzszenarien der Ressourcen Simulationen über alternative Projektportfolios durchzuführen (Was wäre, wenn wir auf 10 externe Ressourcen verzichten müssen …). So kann ein optimiertes Projektportfolio mit den gegebenen Ressourcen definiert und verglichen werden. Eine direkte Übertragung der einzelnen Modelle in die eigentliche Planung ist jedoch noch nicht möglich. DokumentenmanagementundSicherheitskonzept Projektbezogene Dokumente, Aufgaben und offene Punkte (Issues) lassen sich ab sofort im MS Project Server durch die nun integrierten Sharepoint-Team-Services pflegen. Einzelne Dokumente (oder Issues) können einem Projekt oder einem Vorgang zugewiesen werden. Somit stehen die wichtigen Informationen dem Projektteam in der einheitlichen Projektumgebung zur Verfügung. Um dem gestiegenen Bedarf nach Zugriffssicherheit und Anwenderfreundlichkeit gerecht zu werden, liegt sowohl MS Project 2002 als auch dem MS Project Server nun endlich ein durchgängiges, differenziertes Rollen- und Sicherheitskonzept zugrunde. Dadurch können Zugriffsberechtigungen auf die unterschiedlichen Aufgaben und Zuständigkeiten im Rahmen der Projektorganisation zugeschnitten werden. Der Anwender hat je nach Funktion oder Gruppenzugehörigkeit Zugriff auf die ihm zugewiesenen Projekte, Ressourcen, Dokumente etc. ChristopheCampana,EricSchott,StefanHaffner,Frankfurt 38 NACHRICHTEN P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 39 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 PM-Studie: Den„SoftSkills“gehörtdieZukunft So genannte „Soft Skills“ werden im Projektmanagement künftig noch mehr Bedeutung gewinnen. Interkulturelles Management, Konfliktmanagement, Kreativität, Motivation, partnerschaftliches Projektmanagement - was bislang am Rande des Blickfelds vieler Projektmanager lag, wird binnen der nächsten zehn Jahre ins Zentrum rücken. In einer Studie hat die GPM 23 international renommierte Projektmanagementexperten aus elf Ländern zu den Trends für das nächste Jahrzehnt befragt. Die Überraschung: Tools und Methoden halten die Experten aus elf Ländern zwar für wichtig und unabdingbar. Dennoch werden sie nicht die weltweiten PM-Trends bestimmen. Die Zukunft, so das Meinungsbild, gehört den „weichen“ Erfolgsfaktoren. Im ersten Halbjahr 2002 hatten die Fachleute knapp hundert Thesen zur Zukunft des Projektmanagements erarbeitet und bewertet. Auf einer Skala hatten die Experten ihre Zustimmung zu den Thesen signalisiert sowie ihre Bedeutung für die nächsten Jahre eingeschätzt. Nach beiden Kriterien - geschätzte Wichtigkeit und Zustimmungsgrad - am höchsten bewertet wurden Thesen zur Sozialen Kompetenz, ein Ergebnis, das die Studienleiter in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hatten. Beispielsweise nennen die Experten ständige Weiterbildung, Lernfähigkeit und Selbstmanagement, Motivation, Führungsqualifikation, kulturelle Sensibilität, Teamfähigkeit und Kreativität als wichtige Erfolgsfaktoren der Zukunft. „Diese Faktoren können nicht dem Zufall überlassen bleiben“, mahnen sie, „sie müssen systematisch im Projektmanagement entwickelt werden.“ Und ganz ausdrücklich: „Sie werden wichtiger werden als PM-Tools und Techniken.“ Für die Ausbildung heißt dies: zusätzlich Soft Skills, interkulturelle Kompetenz und Führungsqualifikation fördern - oder wenigstens bei der Auswahl des Teams auf Sozialkompetenz achten. Weitere Kernpunkte der Studie: Unternehmensstrategie und Projektauswahl müssen künftig stärker verknüpft werden. Nach wie vor unterstützen viele Projekte nicht die Strategie der Unternehmen. Es fehle, so die Experten, an Kommunikation zwischen den Strategen und den Projektmanagern. Gemeinsame Planungsworkshops und weit gefasstes Multiprojektmanagement gelten als wirksames Instrument, um beides zu verknüpfen. „Wichtig ist, dass die Gruppen miteinander kommunizieren“, fasste ein Fachmann seine Erfahrung zusammen. Die Nutzer eines Projekts müssen stärker in die Phase der Zieldefinition eingebunden werden. „Projekte sind nur so erfolgreich, wie sie vom künftigen Nutzer oder Benutzer akzeptiert werden“, so die These, die viele Projektmanagementkenner unterschrieben haben. Die Nutzer sollen, so das Ziel, Widerstände gegen Veränderungen aufgeben, sich mit dem Projektergebnis identifizieren und es bestmöglich nutzen. Projekte werden immer internationaler - und erfordern interkulturelle Kompetenz beim Projektmanagement. Dieser Trend wird künftig noch mehr soziale Kompetenz als bislang erfordern. Zugleich müsse sich das Selbstverständnis des Projektmanagers wandeln: Trat er früher selbstbewusst für Vorgehensweisen und Planungen ein, so sollte er sich künftig öffnen für andere Arbeitsmentalitäten und Wertvorstellungen. „Nutzen Sie die unterschiedlichen Mentalitäten Ihrer Projektmitarbeiter“, lautet die Aufforderung der befragten Fachleute Es werden neue, hierzulande wenig bekannte Modelle des Konfliktmanagements an Bedeutung gewinnen. Dabei liegt der Akzent auf Vorbeugung. Mit Partnering-Modellen, die vor allem aus den USA und England kommen, schmieden vereinzelt auch deutsche Projektteams vertrauensvoll zusammenarbeitende Allianzen - noch zu selten, wie die Befragten meinen. Hier messen die Sachkenner auch der Startphase eines Projekts neue Bedeutung zu. Vielfach fangen Teams einen ungeschickten Start noch ab. Doch das Improvisieren nach einem verschenkten Aufbruch findet seine Grenzen, wenn das Projekt unter extremem Zeitdruck steht, eine gänzlich neue Aufgabe zu bewältigen ist - oder wenn viele Partner mitwirken und sich arrangieren müssen. Das General Management muss mehr am Projektmanagement in seinem Unternehmen teilnehmen. Häufig steht Projektmanagement beim TOP-Management im Ruf, allein eine gute Arbeitstechnik zu sein. Das General Management müsse, so die Teilnehmer der Befragung, künftig erkennen, dass Projektmanagement mehr ist - und als strategischer Erfolgsfaktor machtvolle Promotion aus den Führungsetagen benötigt. „Top- Führungskräfte werden zunehmend ins Projektmanagement involviert“, meinen die Fachleute, „sie werden Projekte in allen Phasen mehr begleiten und unterstützen.“ Im Projektmanagement eröffnen sich zunehmend Karrierepfade. Bislang bieten nur wenige deutsche Unternehmen ihren Projektmanagern eigene Karrieremodelle an - gegenläufig zum weltweiten Trend. Nach Meinung der Experten werden bald nicht nur bessere Karrieremöglichkeiten im Projektmanagement offen stehen, sondern sich von dort aus auch Türen ins Top-Management öffnen. Die Logik: Wer erfolgreich ein Großprojekt gestemmt hat, hat sich umfassend mit dem Unternehmen beschäftigt und viele Bereiche kennen gelernt, Erfahrungen, die er an der Spitze gut verwerten kann. Weitere Informationen: Editorial von Prof. Heinz Schelle in diesem Heft, Ergebnisse der Studie unter www.asynchron.org. O.Steeger 42 GPMINTERN P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 43 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 ImPorträt: Dr.ErhardMotzelbaute ZertifizierunginChinaauf Die Aufmerksamkeit chinesischer Fernsehleute war dem Projektmanager aus Deutschland sicher. Als Dr. Erhard Motzel in China die ersten Projektmanager zertifizieren half, war der Besuch aus Deutschland der Presse eine Nachricht wert. Der international renommierte Zertifizierungsexperte betreute im vergangenen Jahr in China den Aufbau einer eigenen Zertifizierungsstelle, schulte das Personal und führte es an die Aufgaben heran. Und er half, eine Zertifizierungswelle in China loszutreten: Seine asiatischen Kollegen eroberten binnen kurzem das Reich der Mitte. In 30 Städten ist die Zertifizierungsstelle bereits vertreten, rund 3.000 Projektmanager haben sich angemeldet und wollen ihre persönliche Fachkompetenz von unabhängiger Stelle mit Brief und Siegel bestätigen lassen. „Ich bin stolz darauf, in China die Zertifizierung mit angeschoben zu haben“, meint Dr. Erhard Motzel. Die chinesischen Projektleiter sind gut ausgebildet, an Hochschulen gehört Projektmanagement scheinbar mittlerweile zum regulären Curriculum. Die Fachleute, die Dr. Erhard Motzel in Peking, Xi’an und Shanghai kennen lernte, bewiesen Kompetenz, die dem Vergleich mit westlichen Standards standhält. Ehrgeizige Ingenieure aus dem Bau und Anlagenbau, der Pharmazie, der IT- und Softwarebranche, der Luftfahrt und sogar aus dem Militär waren dabei. Die Dynamik beeindruckte ihn. „In zwei oder drei Jahren haben die Chinesen so viele Projektmanager zertifiziert wie die gesamte IPMA in den letzten Jahren“, prognostiziert er. Nur: Die Chinesen haben ihre eigene Mentalität. Chinesische Projektfachleute zu zertifizieren, Wissen auf Lücken zu prüfen und die Kandidaten dennoch das Gesicht wahren zu lassen, wie es die Kultur fordert - das bedeutet manchmal einen Spagat. Dennoch, Dr. Erhard Motzel nimmt seine Aufgabe genau. Er hat das international gültige Zertifizierungsprozedere der IPMA mit geprägt und die deutsche Zertifizierungsstelle PM-ZERT bis Ende 2001 aufgebaut und geleitet. Nachdem die GPM-eigene, aber unabhängige Stelle in der deutschen Projektmanagementszene Fuß gefasst hatte und bereits mehr als 1.000 Projektmanager zertifiziert worden waren, übergab er das PM- ZERT-Ruder an Werner Schmehr. Dr. Erhard Motzels nächstes Ziel: in Brasilien die Zertifizierung nach IPMA-Regularien präzise aufs Gleis zu schieben. „Das reizt mich jetzt“, meint der Weltreisende in Sachen Kompetenz-Zertifizierung. Eine Fügung des Zufalls weckte sein Interesse an der Zertifizierung im internationalen Kontext. Von 1988 bis 1999 steuerte er im GPM- Vorstand den Kurs der GPM. 1996, daran kann sich der promovierte Bauingenieur gut erinnern, tagte in Mainz ein Team der IPMA, das die Zertifizierung im internationalen Dachverband abstimmen sollte. Bereits Anfang der neunziger Jahre hatten die Briten die Zertifizierung der Projektleiter eingeführt, jetzt sollte sie in der IPMA auf den Weg gebracht werden. Nach Mainz zu dem Team war es von Frankfurt aus, wo Dr. Erhard Motzel für Mannesmann arbeitete, ein Katzensprung. Er fuhr spontan über den Rhein, setzte sich zu dem Team - und schüttelte den Kopf über die Streitigkeiten. Streitigkeiten, die sich um die Fragen drehten, wie sich die Kompetenz der Projektleiter gestalten und wie die einzelnen PM-Elemente angeordnet werden sollten. Zertifizierung von Projektleitern, die Idee faszinierte ihn. Was er in Mainz und bei künftigen Treffen hörte, trug er in die GPM-Vorstandssitzungen und machte sich für eine professionell organisierte, eigenständige Zertifizierungsstelle in Deutschland stark. „Die Industrie erwartete und erwartet diese Professionalität“, erläutert er. Hier könne der Fachverband nicht nur mit Ehrenämtlern arbeiten. Hier seien, so argumentierte er, professionelle Strukturen gefragt - zumal in gültigen Normen von Zertifizierungsstellen Wirtschaftlichkeit und Qualitätsmanagement gefordert werden. Dr. Erhard Motzel schied aus dem Vorstand aus mit dem Ziel vor Augen, diese professionelle Zertifizierungsstelle aufzubauen, was ein Kraftakt war. Allein die Dokumentation, die von solchen Stellen gefordert ist: Mit über einhundert verschiedenen Formularen GPM-Mitglieder: 2.908 DavonFirmenmitglieder: 179 TeilnehmeramLehrgang„Projektmanagement-Fachmann“: 3.623 DurchPM-ZertvergebeneProjektmanagement-Zertifikateinsgesamt: 1.363 + +++ +++ +++ +++ +++ + + +++ +++ +++ +++ +++ + Dr.ErhardMotzel: „Inzweioderdrei JahrenhabendieChinesensoviele Projektmanagerzertfiziert,wiediegesamteIPMAindenletztenJahren.“ Foto: privat 42 GPMINTERN P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 43 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 und Arbeitsunterlagen, die sich auf alle Geschäftsprozesse erstrecken, stellt PM-ZERT sein Qualitätsmanagement nach ISO 9001 sicher. Jährlich findet ein externes Qualitätsmanagement-Audit statt. „Eine Zertifizierungsstelle muss beispielsweise der Euro-Norm 45013 für Zertifizierungsstellen, die Personal zertifizieren, genügen“, erklärt er, „das bedeutet eine Menge sorgfältig zu erledigender Arbeit.“ Die junge Zertifizierungsstelle bezieht ein Büro in Darmstadt, Gernot Waschek und Dieter Eysel unterstützen ihn. Sieben Jahre lang führt Dr. Erhard Motzel PM-ZERT, die seit Beginn des letzten Jahres in Nürnberg sitzt. Zwischenzeitlich hilft er, ähnliche Stellen in Island, Slowenien, Dänemark, Lettland und zuletzt in China aufzubauen. Zufall und Interesse führten Dr. Erhard Motzel zur Zertifizierung, und beides führte ihn seinerzeit auch zum Projektmanagement. Der in Darmstadt promovierte Ingenieur arbeitete bei Mannesmann im Anlagenbau. 1980 wurde er zur Kraftwerksunion nach Offenbach geschickt, dort ständen, so die Auskunft, Projekte an. Ein Freelancer des Konzerns erklärt ihm die Grundlagen des Projektmanagements. In Offenbach erfährt er von der Dimension des Projekts. Im so genannten Konvoi sollen - nach einem Plan - an drei Standorten Kernkraftwerke entstehen, an denen sich Mannesmann beteiligt. Das Konvoi-Prinzip war revolutionär. Noch immer wird der Witz kolportiert, dass bei Kernkraftwerksbauten Planungspapier und Dokumentationen mehr wiegen als das Kraftwerk selbst. Millionen von Planungs-, Fertigungs- und Prüfschritten brachte das Projekt mit sich. Die Strategie, nur einmal für drei Standorte zu planen, versprach eine - so Dr. Erhard Motzel - Riesenersparnis. Für ihn bedeutete dies, sich mit dem Projektmanagement, der Materialwirtschaft und Dokumentationswirtschaft bekannt zu machen. Bis heute gehören diese drei Elemente zusammen, sie sind, so meint er, fest miteinander verbunden. Er arbeitete sich schnell ein. „Unser Unternehmen wurde nach Leistungsfortschritt am Bau bezahlt“, erläutert er. Täglich musste Mannesmann seinem Kunden die Baufortschritte nachweisen. Dr. Erhard Motzel richtete die Strukturen dafür ein. „Dieses Projekt hat meine Begeisterung für Projektmanagement angestoßen.“ Bei Mannesmann baute er eine Servicestelle für Projektmanagement auf, ein „Project Office“, wie es heute heißt, das später auch andere Unternehmen beriet, fremde Projekte steuerte, Projektmanager schulte und Strukturen schuf. 1984 wurde Dr. Erhard Motzel GPM-Mitglied und fing auch Feuer für den Verband. Dr. Erhard Motzel krempelte die Ärmel auf. 1987 gründete er die Regionalgruppe Frankfurt und wurde ein Jahr später in den Vorstand gewählt. „Hier hatten sich Ingenieure versammelt, die sich nicht nur durch Technik verbunden sahen“, berichtet er. Anregende Menschen, die sich beispielsweise der Musik oder Kunst aufschlossen, die sich für Wirtschaftspolitik interessierten und weit über den Tellerrand ihrer Tätigkeit hinausschauten. O.Steeger Foto: OliverSteeger