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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
91
2003
143 Gesellschaft für Projektmanagement
4฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 5฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 U nter dem Leitsatz „Projektmanagement - Führungskonzept für die Zukunft“ hatte die GPM ein Forums-Programm aus über 40 Vorträgen, Präsentationen, Workshops und Seminaren zusammengestellt. „Unser diesjähriges Forum hat sich neuen Themen zugewendet, um nachdenklich zu machen, den Dialog anzuregen und um unsere Lösungsansätze weiter zu entwickeln“, meinte GPM-Vorsitzender Roland Ottmann (MBA). So referierten neben Dr. Klaus von Dohnanyi der Erfolgsunternehmer Professor Jörg W. Knoblauch, der Jesuitenpater Dr. Albert Ziegler, der Managementtrainer Korai Dr. Peter Stemmann, Professor Rainer Thome von der Universität Würzburg und Heino von Winning (Lurgi Öl - Gas - Chemie). Professor Jörg Knoblauch (drillbox GmbH) beleuchtete Projektmanagement aus der Sicht eines Unternehmers. Der kreative Schwabe, der viele Unternehmenspreise erhielt, gilt als Kenner neuer Führungsmodelle, radikaler Kundenorientierung, Mitarbeiterbindung und Prozessoptimierung. Renommierte฀Keynote-Speaker฀ eröffneten฀Projektmanagern฀ Zukunftsperspektiven Projektmanagent-Forum฀in฀Würzburg฀mit฀über฀40฀Veranstaltungen Oliver฀Steeger Es฀beeindruckt,฀wenn฀ein฀Grandseigneur฀der฀Politik฀zu฀Projektmanagern฀spricht฀und฀seine฀ Vision฀vom฀„Faktor฀Mensch“฀in฀der฀Führung฀darlegt.฀Mit฀Exkursen฀in฀die฀Gegenwartspolitik฀unterstrich฀Dr.฀Klaus฀von฀Dohnanyi฀auf฀dem฀„20.฀Internationalen฀Deutschen฀Projektmanagement฀Forum฀2003“฀seine฀Ideen.฀Der฀frühere฀Hamburger฀Bürgermeister฀betonte: ฀ „Alle฀Führungstechniken฀machen฀noch฀keine฀Führungskraft฀aus.฀Dazu฀gehört฀mehr.“฀Für฀ die฀Projektmanager฀war฀sein฀Vortrag฀ein฀faszinierender฀Blick฀über฀den฀Horizont฀ihrer฀ Projekte฀hinaus,฀Impuls฀und฀Ermutigung฀für฀die฀Tagesarbeit.฀Solche฀„Blicke฀über฀den฀Tellerrand“฀bot฀das฀traditionelle฀GPM-Forum฀in฀Würzburg฀mehrmals.฀Wirtschaftsethik,฀Unternehmertum฀und฀japanische฀Geistestradition฀standen฀zusätzlich฀zum฀Projektmanagement฀auf฀ der฀Agenda. Dr.฀Klaus฀von฀Dohnanyi,฀ehemals฀Hamburger฀Bürgermeister,฀sprach฀auf฀dem฀„20.฀Internationalen฀ Deutschen฀Projektmanagement฀Forum฀2003“฀über฀Führung. Foto: ฀O.฀Steeger 4฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 5฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Ethik-Diskussion฀und฀Zen-Meditation Dr. Albert Ziegler, seit 50 Jahren Jesuitenpater und Spezialist für berufsethische Themen, diskutierte die Frage, ob Ethik im Projektmanagement „Hemmschuh oder Erfolgsfaktor“ ist. Einen Brückenschlag zwischen West und Ost versuchte Korai Dr. Peter Stemmann, japanischer Ordensmann im Zen-Buddhismus und Managementberater. Er leitete Projektmanager zu einer kleinen Meditation an. Anschließend berichtete er über das Erfolgsgeheimnis japanischer Top-Manager, die die jahrhundertealten Lehren der Samurai-Kämpfer verinnerlicht haben. - Aus der Projektmanagement-Praxis berichteten Heino von Winning und Professor Rainer Thome. Am Beispiel eines Projekts in Trinidad führte Heino von Winning in die Projektführung des internationalen Anlagenbaus ein. Professor Rainer Thome sprach über Projektmanagement und Wissensmanagement der Zukunft. Award-Gala฀als฀Höhepunkt Zum Jubiläums-Forum der GPM waren Experten aus Industrie, Wissenschaft und öffentlichem Dienst nach Würzburg gekommen. Vier Tage lang erörterten sie die Den฀Gewinnern฀standen฀Überraschung฀und฀Freude฀ins฀Gesicht฀geschrieben: ฀Ein฀Team฀des฀schweizerischen฀Finanzdienstleisters฀UBS฀(Zürich)฀ hat฀den฀„IPMA฀International฀Project฀Management฀Award“฀gewonnen.฀Verliehen฀wurde฀die฀Trophäe฀auf฀einem฀Gala-Abend฀im฀Rahmen฀des฀ Würzburger฀Forums. Aussteller฀nutzten฀das฀Forum,฀um฀Produkte฀und฀Dienstleistungen฀rund฀um฀das฀ Projektmanagement฀ins฀Gespräch฀zu฀bringen. Foto: ฀O.฀Steeger Foto: ฀O.฀Steeger 6฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 7฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Trends und Zukunftschancen im Projektmanagement. Schwerpunkte lagen dabei auf den Branchen Informationstechnologie, Telekommunikation, Neue Medien, Banken und Versicherungen, Automobil, Bau und Anlagenbau, Chemie, Pharma, Bio-Technologie sowie Öffentlicher Dienst. Höhepunkt des Forums: Auf einer effektvollen Award-Gala verlieh die GPM in Kooperation mit der IPMA International Project Management Association den „IPMA International Project Management Award“. Als Gewinner aus dem Wettbewerb um Spitzenleistungen im Projektmanagement ging der schweizerische Finanzdienstleister UBS (Zürich) hervor. Das Projektteam hatte im vergangenen Jahr eine Software für die Finanzanalyse und Beratung erarbeitet und eingeführt. Als Preisträger platzierte sich zudem ein Projektteam von Dade Behring, Spezialist für medizinische Labordiagnostik. Das Team hatte ein vollautomatisches Diagnosegerät für Plasmaprotein-Analysen entwickelt (siehe auch Bericht auf Seite 43). - Zudem verlieh die GPM ihren diesjährigen „Deutschen Studienpreis für Projektmanagement“. Preisträger waren Dr. Claudia Michalik, Christina Lehmann und Frank Thomé (siehe unseren Bericht auf Seite 47). Projektmanager฀pflegten฀ihr฀Netzwerk Neben Vorträgen, Workshops und Seminaren stand der Fachaustausch zwischen Projektmanagement-Fachleuten auf dem Programm. GPM-Fachgruppen trafen sich zu Sitzungen, auch im kleinen Kreise pflegten Projektmanager Kontakte. Dazu gab auch die Ausstellung, die das Forum begleitete, Gelegenheiten. Zehn Aussteller boten Dienstleistungen, Lösungen und Produkte rund ums Projektmanagement dar. So präsentierten sich DaimlerChrysler (Stuttgart), ACTANO (München), die GCA projektmanagement + consulting GmbH (Nürnberg), Le Bihan Consulting (Tanusstein), Management Circle (Eschborn/ Taunus), NESBIT (Gelnhausen), next Kontaktpflege,฀Erfahrungsaustausch,฀Nachrichtenbörse: ฀GPM-Mitglieder฀nutzen฀ das฀jährliche฀Forum฀auch฀für฀das฀persönliche฀Networking. Fachfragen฀des฀Projektmanagements฀wurden฀in฀Würzburg฀erörtert: ฀im฀Plenum,฀im฀Workshop฀-฀oder฀auch฀unter฀„vier฀Augen“. Neue฀Tools฀für฀Projektmanagement฀kennen฀lernen฀-฀Fachleute฀ergriffen฀auf฀ dem฀Forum฀die฀Chance,฀sich฀über฀aktuelle฀Produkte฀aus฀Softwareindustrie฀und฀ Dienstleistung฀zu฀informieren. Foto: ฀O.฀Steeger Foto: ฀O.฀Steeger Foto: ฀O.฀Steeger 6฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 7฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 level (Wien), Planisware (München), PLANTA (Karlsruhe) und Projectplace (Hamburg). Wie jedes Jahr stellte zudem die GPM ihren Mitgliederservice und ihre Produkte vor. Mit einem international besetzten Komitee hatte die GPM ihr diesjähriges Forumsprogramm initiiert. Vertreten waren Prof. Dr. Heinz Schelle (Chairman), Gilles Caupin (Frankreich), Alan Harpham (Großbritannien), Prof. Dr. Nino Grau, Dr. Dietmar Lange, Roland Ottmann, Prof. Dr. Siegfried Seibert und Otto Zieglmeier. Eine umfangreiche Dokumentation zu dem Forum ist erschienen.  Schnappschuss฀am฀Rande฀des฀„20.฀Internationalen฀Deutschen฀Projektmanagement฀Forums฀2003“: ฀Keynote-Speaker฀Dr.฀Klaus฀von฀Dohnanyi฀im฀Gespräch฀mit฀ GPM-Vorsitzenden฀Roland฀Ottmann฀und฀GPM-Vorstand฀Professor฀Siegfried฀ Seibert Foto: ฀O.฀Steeger 8฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 9฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 K arriere als Projektmanager machen: Das kommt manchen wie die Quadratur des Kreises vor. Sie arbeiten hart. Doch die Personalverantwortlichen und Auftraggeber vergessen derlei Projekterfolge schnell. Angebote der Unternehmen, die Karriereleiter emporzuklettern, bleiben aus. So versuchen manche Projektleiter, durch mehr Leistung auf sich aufmerksam zu machen und den Anlauf auf dem schwierigen Karriereweg zu schaffen. Es hilft nicht viel, leider. Karrierestrategien, die in der Linie wie eine gut geölte Maschine funktionieren, versagen im Projektmanagement. „Hoffnungen, dass Leistungen in Projekten im Unternehmen auffallen und die Karriere fördern, werden häufig bitter enttäuscht“, meint Heinrich Keßler, Berater für Bildung, Organisationsentwicklung und Wissensmanagement. Seit mehr als 15 Jahren ist er in einem deutschen Automobilkonzern tätig und hat sich des Themas Karriereentwicklung angenommen. Er beobachtet: „Geht es beispielsweise darum, einen Linienmanager für ein Team mit einem Etat von zehn Millionen Euro zu finden, liegen gute Instrumente und Strategien für die Personalauswahl und -entscheidung bereit. Dagegen werden Projektleiter für ein Projekt mit einem Budget von zehn Millionen Euro eher auf Zuruf, manchmal auch durch Zufall berufen.“ In der Tat bemühen sich derzeit wenige Unternehmen, das Thema „Karriere im Projektmanagement“ voranzubringen. Konzerne wie die Deutsche Telekom, Lufthansa Systems oder Siemens haben eigene Karrieremodelle erprobt oder dauerhaft installiert. Vorhut bildet hier unter anderem die Software-Branche. So hat Lufthansa Systems ein Karrieresystem entwickelt und dabei auf das vierstufige Zertifizierungssystem der GPM-eigenen, unabhängigen Zertifizierungsgesellschaft PM-Zert aufgesetzt (siehe „Projektmanagement aktuell“, Heft 3/ 2002). Noch lässt sich nicht abschätzen, ob diese ersten Ansätze auf breiter Front Schule machen. Das Gros der bundesdeutschen Unternehmen ist von solchen Karrieremodellen weit entfernt. Hier macht sich mehr oder minder Hilflosigkeit unter Projektma- Wenn฀Leistung฀allein฀nicht฀ voranbringt฀... Projektleiter฀sollten฀Karriereplanung฀zum฀eigenen฀„Projekt“฀machen Oliver฀Steeger Leistung฀zählt,฀heißt฀es฀unter฀aufstiegswilligen฀Projektmanagern.฀Sie฀krempeln฀die฀Ärmel฀ hoch.฀Mit฀jedem฀Projekt฀legen฀sie฀die฀Messlatte฀höher.฀Noch฀schwieriger,฀noch฀komplexer,฀ technisch฀noch฀anspruchsvoller฀ist฀das฀Folgeprojekt.฀Irgendwann฀aber฀liegt฀die฀Messlatte฀ zu฀hoch.฀Mit฀Misserfolg฀schließt฀das฀„finale“฀Projekt฀ab฀-฀und฀beendet฀den฀Aufstieg฀des฀ einst฀hoffnungsvollen,฀jetzt฀ratlosen฀Projektleiters.฀Eine฀heimtückische฀Karrierefalle.฀Und฀sie฀ ist฀derzeit฀nicht฀die฀einzige฀Falle฀auf฀dem฀beruflichen฀Weg฀vieler฀Projektmanager. Aufspringen฀auf฀den฀Karrierezug฀-฀leicht฀gesagt! ฀Noch฀wenige฀Unternehmen฀ bieten฀derzeit฀Projektmanagern฀ein฀attraktives฀Karrieremodell.฀Aber: ฀Tendenz฀ steigend฀… Foto: ฀Nokia 8฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 9฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 nagern breit, wenn es nicht um das Fortkommen des Projekts, sondern um die eigene Entwicklung geht. „Sinnvoll wäre es, die Karriere wie ein eigenes Projekt zu managen, statt auf Initiativen des Unternehmens zu warten“, meint Keßler, „Projektmanager sollten jedenfalls im Fünf-Jahres-Rhythmus ihren Karrierekurs neu bestimmen.“ Wichtige Empfehlungen dabei: Auf dem Weg nach oben nicht „verbrennen“: Raus aus dem Hamsterrad immer neuer, anspruchsvollerer Projekte! Wer zu hoch gepokert hat, kann die „Narbe“ im Lebenslauf kaum noch tilgen. Der Misserfolg mag nicht „aktenkundig“ sein - wissen wird jeder davon. „Wichtig ist, seine Grenzen zu kennen und unter Umständen Hilfe ins Projekt zu holen“, meint Keßler und schlägt beispielsweise Coaches, Mentoren und Projektberater vor. Grenzen erkennen und in der Karriereplanung akzeptieren kann auch heißen, klugerweise sich mit dem Erreichten (vorerst) zufrieden zu geben. Ruhepausen einplanen: In der Linie sind Ruhepausen beispielsweise in der schwachen Saison oder im Sommer üblich. Projektleiter müssen sich dagegen ihre Ruhepausen zwischen zwei Projekten nehmen, um sich zu regenerieren und Kraft zu schöpfen. Die Pause kann auch der Qualifizierung dienen. Einige Projektleiter nutzen die Zeit, um andere Projektleiter zu beraten oder ihre Fachkompetenz auszubauen. Vorsicht aber, wenn Vorgesetzte Leistungen und Verhalten des Projektleiters in einer solchen Pause von beispielsweise vier Monaten stärker Heinrich฀Keßler,฀Berater฀für฀Bildung,฀Organisationsentwicklung฀und฀Wissensmanagement: ฀„Die฀Hoffnung฀vieler฀Projektleiter฀wird฀enttäuscht,฀dass฀ihre฀Leistungen฀in฀Projekten฀auffallen฀und฀im฀Unternehmen฀ihre฀Karriere฀befördern.“ Foto: ฀privat 10฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 11฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 wahrnehmen als den gelungenen Projektabschluss vor vier Monaten. „Rückendeckung und die Fokussierung auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit kann hier die Dokumentation der im letzten Projekt bewiesenen Kompetenz geben“, so der Berater. Lebensplanung und eigene Grenzen ins Kalkül ziehen: Viele Projektleiter sind ausgesprochene Macher-Typen und wollen etwas bewegen. Das muss so sein, aber fordert einen persönlichen Preis. Die Annahme wird selten bestätigt, dass mit einer höheren Karrierestufe auch mehr Freiraum für Persönliches offen steht. (Zu den Karrierestufen im Projektmanagement siehe oben stehende Grafiken.) Eigene Grenzen ermitteln: Vor dem Sprung auf die nächste Karrierestufe sollten Projektmanager prüfen, ob sie für die neue Position (bereits) die fachliche und persönliche Eignung mitbringen. Entsprechen die Anforderungen den Neigungen, dem Alter, der beruflichen Biographie? Ist Bereitschaft vorhanden, sich zu verändern, hinzuzulernen und neue Erfahrungen zu machen? Stimmen körperliche und geistige Fitness mit den neuen Anforderungen überein? Wenn ja, sollte sich niemand vertrösten lassen - auch nicht durch ein neues Projekt, in welchem man sich (nochmals) bewähren müsse. Karriere-Möglichkeiten฀im฀Unternehmen฀prüfen Wie Projektleiter ihre eigene Kompetenz prüfen, sollten sie auch die Karrieremöglichkeiten in ihrem Unternehmen sorgfältig unter die Lupe nehmen. Bietet es wirklich die erwünschten und benötigten (Projekt-)Perspektiven? „Ich vertrete die These, dass Projektleiter mehrmals in ihrem Berufsleben die Organisation wechseln sollten“, erklärt Keßler. Das kann ein Sprung in andere Bereiche, in eine Konzerntochter oder andere Unternehmen sein - oder auch der Weg als freiberuflicher Projektleiter. Ein vernünftiges Maß Selbstbewusstsein bewahren: Obwohl viele Unternehmen ihre Projektleiter stiefmütterlich behandeln, sind die Karrierechancen insgesamt gut. Projektleiter werden in der deutschen Wirtschaft gesucht. Die Zahl der Projekte nimmt zu. Sogar operative Aufgaben - beispielsweise die Jahresproduktion von Bremsen - werden heute als Projekte abgewickelt. Kompetenz dokumentieren: Erfolgreiche Projekte sind schnell vergessen - und damit auch die Leistungen des Projektleiters. „Deswegen ist es notwendig, dass die persönliche Kompetenz dokumentiert wird“, erklärt Heinrich Keßler. Hier stehen unterschiedliche Instrumente bereit. Entscheidend für die Karriereplanung ist, dass diese Instrumente aussagekräftig die Leistungen Legende: Neben฀den฀drei฀Dimensionen฀Schwerpunkt฀des฀PM,฀Erfahrung฀und฀Verantwortung,฀ Funktion฀symbolisieren฀die฀Pfeile฀eine฀vierte฀Dimension฀vom฀Ausgangspunkt฀über฀ die฀Schwerpunkte฀zu฀den฀einzelnen฀Verantwortungsstufen฀und฀eine฀fünfte฀Dimension฀vom฀Ausgangspunkt฀über฀die฀einzelnen฀Erfahrungsstufen฀zu฀den฀einzelnen฀ Verantwortungsstufen. Die฀Viertelkreise฀markieren฀eine฀sechste฀Dimension,฀z.฀B.฀die฀Methodik฀der฀ Projektunterstützung,฀der฀Projektleitung,฀des฀Wissensmanagements,฀des฀Programmmanagements,฀der฀Unternehmensleitung฀des฀Projektmanagements฀bis฀zur฀ Kulturbildung฀im฀Projektmanagement. Ferner฀markieren฀die฀Viertelkreise฀eine฀siebte฀Dimension,฀z.฀B.฀die฀Methodik฀der฀ Kleinprojekte,฀der฀Projekte฀von฀Organisationsteilen,฀der฀Organisationsprojekte,฀der฀ Inter-Organisationsprojekte฀und฀der฀interkulturellen฀Projekte. Die฀Schnittpunkte฀der฀Pfeile฀und฀der฀Viertelkreise฀können฀als฀achte฀Dimension฀ gelesen฀werden,฀die฀z.฀B.฀mit฀der฀Verantwortung฀für฀die฀Projektmanagementunterstützung฀für฀die฀Methodik฀von฀Kleinprojekten฀beginnt฀und฀zur฀Verantwortung฀für฀ die฀Methodik฀von฀Interkulturprojekten฀führt. Die฀Schnittpunkte฀der฀Pfeile฀und฀der฀Viertelkreise฀zeigen฀auch฀die฀neunte฀Dimension฀auf,฀die฀z.฀B.฀mit฀der฀Verantwortung฀für฀die฀Kulturbildung฀für฀Kleinprojekte฀ beginnt฀und฀zur฀Kulturbildung฀für฀interkulturelle฀Projekte฀führt. Die฀Felder,฀die฀sich฀zwischen฀den฀Linien฀bilden,฀können฀als฀zehnte฀Dimension฀ gelesen฀werden,฀in฀der฀es฀darum฀geht,฀innerhalb฀der฀jeweiligen฀Felder฀die฀„Ganzheitlichkeit“฀sicherzustellen,฀d.฀h.฀alle฀Fragen฀zu฀beantworten,฀alle฀Prozesse฀zu฀ organisieren฀und฀alle฀Maßnahmen฀durchzuführen,฀die฀sich฀aus฀den฀vorgenannten฀ Dimensionen฀ergeben. Karrieredimensionen฀im฀Projektmanagement฀[2] Karrierestufen฀im฀Projektmanagement฀[1,฀S.฀52] 10฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 11฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 des Projektmanagers ermitteln. Der HCPM-Pass [3] (Human Capital Project Management) beispielsweise dokumentiert die bewiesene Kompetenz im Projektmanagement auf Basis der Ergebnisse des jeweils zuletzt geleiteten Projekts (siehe Kasten auf dieser Seite). Als Instrument steht in der Fachdiskussion auch das „People Capability Maturity Modell“, das den „Reifegrad“ von Personal beurteilen hilft. Entwickelt wurde dieses Modell von dem renommierten Software Engineering Institute [4]. Der richtige Zeitpunkt für Karriereschritte: Viele Projektleiter versuchen, direkt nach einem erfolgreichen Projekt die nächste Karrieresprosse zu erklimmen. Das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. Doch eignen sich weder das Ende oder der Start eines Projektes noch die Projektlaufzeit für den Karriereschritt. „Günstiger ist die Zeit zwischen Projekten“, empfiehlt Heinrich Keßler, „in der ruhigen Zeit können Projektmanager Ein฀„Pass“฀für฀Projektmanager Der so genannte HCPM-Pass dokumentiert die bewiesene Kompetenz des Projektmanagers. Basis für diese Kompetenzbewertung ist das Anforderungsprofil des zuletzt geleiteten Projektes und der Leistungen des Projektmanagers für dieses Projekt. Vorteil: Neue Projekte können mit dem bisherigen Erfahrungsprofil des Projektleiters verglichen werden, da der HCPM-Pass (Human Capital Project Management) wie der Projektindex aufgebaut ist. Im Projektindex wird ein Projekt bewertet nach Kriterien, die unabhängig vom Inhalt des Projekts sind. Damit macht der Index die Anforderungen verschiedener Projekte an das Projektmanagement deutlich. So kommen als Kriterien für diesen Projektindex beispielsweise das Umfeld, die Merkmale oder die Struktur des Vorhabens in Frage. Konkret: Das Kriterium „Komplexität der Beziehungen“ wird beispielsweise mit null Punkten bewertet, wenn zu den Schlüsselpersonen des Projekts gute Beziehungen bestehen. In diesem Fall bestanden keine oder geringe Herausforderungen an das Projektmanagement. Angenommen, in dem Umfeld des Projekts sind mehrere Schlüsselpersonen in Interessenkonflikte verstrickt - dann wird dieses Kriterium mit einer höheren Punktzahl bewertet. Immerhin ist das Projektmanagement (und damit der Projektleiter) erheblich mehr gefordert. Auf diesen Projektindex setzt der Projektmanagerindex auf. Bei ihm werden die gleichen Kriterien wie bei dem Projektindex verwendet - nun aber bezogen auf die Leistungen des Projektleiters im zuletzt geleiteten Projekt. Dokumentiert wird die Leistung im HCPM-Pass. Als Urkunde erhellt das Dokument die Leistungen des Projektmanagers unabhängig vom Projektinhalt. Im Idealfall verwaltet ein HCPM-Manager die Anforderungsprofile der Projekte und die Projektmanagerindizes. Er kümmert sich im Betrieb um die Human Capitals für das Projektmanagement. 12฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 13฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 ihre Perspektiven mit Vorgesetzten, Personalabteilungen und Projektauftraggebern klären.“ Karrierevorschläge der Unternehmen sorgfältig prüfen: Nur wenige Projektmanager wollen nach dem abgelaufenen Projekt wieder ihre „Heimatposition“ in der Linie besetzen. Sie fordern neue Projekte - und laufen Gefahr, mit einem zweitrangigen Projekt „beschäftigt“ zu werden. Diese Projekte können unterfordern oder im Unternehmen schlecht verankert sein. Auch Angebote, direkt nach Projektende in der Linienhierarchie aufzurücken, wertet Heinrich Keßler kritisch. „Das Management von Projekten und in der Linie unterscheiden sich stark“, betont er, „die Strategie, aus Projektleitern einen Teil des Top-Managements zu rekrutieren, geht leider selten auf.“ Denken Sie auch über Karrieremöglichkeiten außerhalb von Projekten nach. Der Karriereweg eines Projektmanagers kann auch außerhalb von Projekten voranführen. PM-Wissensmanager, die Projekterfahrungen systematisch erfassen, Mentoren für Projektleiter, Programm-Manager, Projektmanagement-Trainer sowie (interne) Berater sind Beispiele dafür.  Literatur [1]฀Keßler,฀Heinrich/ Hönle,฀Claus: ฀Karriere฀im฀Projektmanagement.฀Springer-Verlag,฀2002 [2]฀Keßler,฀Heinrich: ฀Karriere฀machen฀im฀und฀durch฀Projektmanagement.฀In: ฀Schelle/ Reschke/ Schnopp/ Schub: ฀ Projekte฀erfolgreich฀managen.฀Loseblattwerk,฀Kapitel฀8.4,฀ TÜV-Verlag,฀derzeit฀in฀der฀20.฀Aktualisierung [3]฀Informationen฀zum฀HCPM-Pass฀unter฀http: / / www.human-kapital.de [4]฀Software฀Engineering฀Institute,฀http: / / www.sei.cmu.edu Projektleiter฀mit฀Karriereambitionen฀sind฀gut฀beraten,฀ihre฀persönliche฀Lebensplanung฀in฀die฀Karriereplanung฀einzubeziehen. Foto: ฀Nokia 12฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 13฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 „Projektmanager฀dürfen฀Konflikte฀ nicht฀scheuen! “ Jürgen฀Hansel฀warnt฀vor฀übertriebener฀„Harmoniesucht“฀in฀Projekten Oliver฀Steeger Projektmanagement฀heißt฀täglich฀Konflikte฀managen,฀mit฀Macht฀und฀Unternehmenspolitik฀ gehen฀und฀gezielt฀Autorität฀einsetzen.฀Projektleiter฀müssen฀mehr฀Macher-Qualität฀beweisen฀und฀Prozesse฀gestalten,฀behauptet฀der฀Projektmanager฀und฀Buchautor฀Jürgen฀Hansel.฀ Seine฀Kritik: ฀Viele฀Projektleiter฀agieren฀zu฀sehr฀auf฀der฀Ebene฀der฀Methodik฀und฀des฀Fachwissens.฀Die฀Führung฀blenden฀sie฀aus.฀Was฀der฀rheinländische฀Unternehmensberater฀in฀ einem฀Gespräch฀mit฀der฀„Projektmanagement฀aktuell“฀äußerte,฀findet฀nicht฀immer฀Beifall฀ bei฀seinen฀Kollegen.฀Neugierde฀weckt฀es฀allemal.฀Sein฀(gemeinsam฀mit฀Gero฀Lomnitz฀verfasstes)฀Buch฀„Projektleiter-Praxis“฀wurde฀von฀der฀Kritik฀gelobt฀und฀ging฀kürzlich฀in฀die฀ vierte฀Auflage.฀ Rundheraus gefragt: Was entscheidet aus Ihrer Sicht über den Erfolg eines Projekts? Jürgen Hansel: Ich antworte fast so, wie die meisten Projektmanager antworten würden: Sage mir, wie du das Projekt beginnst … … so sage ich dir, wie das Projekt endet … Jürgen Hansel: … eher, wie der Projektmanager selbst endet. Oha! Wie darf ich das verstehen? Jürgen Hansel: Projektmanagement besteht auf der einen Seite aus einer Vielzahl von Methoden. Auf der anderen Seite gibt es eine psychosoziale Dimension, also Fragen von Führung, Hierarchie, Autorität, Konflikten und persönlichen Eigenschaften des Projektleiters. Die Frage ist, wie Projektleiter neben ihrem Methoden-Know-how ihr Führungsverhalten ausbilden können. Sind das nicht Nebenschauplätze des Projektmanagements? Jürgen Hansel: Keineswegs. Es mag sein, dass solche Fragen in Studium und Ausbildung stiefmütterlich behandelt werden. In der Praxis zeigt sich schnell, dass Projekterfolge nicht nur durch Methodik und Fachwissen entschieden werden. Im Arbeitsalltag stellt sich schnell die Frage, wie sie beispielsweise mit ihrem Auftraggeber und dem Team umgehen sollen, wie sie Konflikten begegnen, wie sie ihre Autorität erarbeiten und einsetzen sollen. Ein Beispiel? Jürgen Hansel: Da haben wir zum einen die typische Situation eines Projektauftrags. Ich kolportiere gerne die Szene, in der ein potentieller Projektmanager morgens am Kaffeeautomaten steht, von seinem Vorgesetzten angetippt wird mit den Worten: „Sie haben doch bestimmt Interesse, ein Projekt zu leiten.“ Der klassische, bekannte Überraschungsangriff … Jürgen Hansel: … der den Projektmanager sofort in die Defensive bringt. In diesem ersten Moment wird viel für das Projekt entschieden, zumindest in psychosozialer Richtung. Viele Projektleiter nicken sofort und nehmen den Projektauftrag an. Die wenigsten bitten um Bedenkzeit, um Grundsätzliches zu reflektieren. Ist es wirklich das richtige Projekt für mich? Motiviert mich das Projekt, kann und will ich es führen? Kann ich hinter dem Projekt stehen, kann ich es meistern? Welche Unterstützung brauche ich? Stimmt der Rahmen? Ist der Auftrag einigermaßen klar? Leicht gesagt. Nur die Glücklichen haben immer die Wahl! Jürgen Hansel: Da sind wir schon mitten in der psychosozialen Dimension. Hier spielen Ängste eine Rolle, wenn Projektmanager einen Projektauftrag nicht kritisch hinterfragen. Sie wollen das Management nicht versetzen. So in die Enge gedrängt, meinen sie, sie würden mit dem Projekt schon fertig. Ich bezweifele, dass dies ein gutes Vorzeichen für ein Projekt ist. Im฀Gespräch: ฀Jürgen฀Hansel,฀Projektmanager฀und฀Buchautor Foto: ฀privat 14฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 15฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Was halten Sie dem entgegen? Jürgen Hansel: Ich halte dem entgegen, dass in diesem Moment der Projektmanager gerade durch kritisches Hinterfragen, durch Erbitten von Bedenkzeit und sachlicher Diskussion seine Position festigt. Er beweist Führungsqualität gegenüber den Vorgesetzten, eine Strategie, die sich später auszahlen wird. Der Projektleiter hat mit seinem Projekt dann beim Top-Management ein ganz anderes Standing. Und noch etwas: Ich kenne genug Projektleiter, die nur halb oder gar nicht hinter einem solchen „aufgezwungenen“ Projekt stehen. Wie sollen sie ihr Team motivieren, wenn sie selbst nicht motiviert sind …? Da erwarten Sie eine Menge Rückgrat von einem Projektmanager. Sie erwarten von ihm, dass er sich - obwohl er in einem Unternehmen eingebunden ist - seine Handlungsfähigkeit bewahrt. Jürgen Hansel: Genau. Management heißt Handeln. Projektleiter, die sich von Anfang an in die Ecke gedrängt und ihre Handlungsfreiheit eingeschränkt sehen, haben - bei allem Methodenwissen - nur einen beschränkten Erfolgshorizont. Der Wind ist rauer geworden, die Anforderungen an Projekte haben sich erhöht. Hier kommt Ihre zentrale These ins Spiel, dass ein Projektleiter Konflikte nicht scheuen darf … Jürgen Hansel: Der Vorstandsvorsitzende eines großen deutschen Konzerns hat einmal die Harmoniesucht, den Harmonieterror in den Unternehmen angeprangert. Viele technisch gut ausgebildete Projektmanager weichen systematisch Konflikten und allem „Politischen“ aus. Sie gehen davon aus, allein gute Fach- und Methodenkompetenz zeichne sie aus, und vermeiden Auseinandersetzungen, die nichts mit der Sache zu tun haben. Sie behaupten weiterhin, dass die Position des Projektmanagers geradezu den Umgang mit Konflikten erfordert, dass der Umgang mit Konflikten eine wichtige Aufgabe im Projektmanagement ist. Jürgen Hansel: Es ist nicht die Arbeit mit Konflikten allein. Ich beobachte, dass Projektleiter allgemein mit ihrer Rolle als Führungskraft schwer zurechtkommen. Das zeigt sich in mehreren Punkten. Welche Punkte sind dies? Jürgen Hansel: Wenn Projektleiter einen Projektauftrag annehmen, erhalten sie nicht automatisch Führungskompetenz. Sie mögen die Befugnis, das Projekt zu managen, erhalten. Ihr Standing, ihre Führungsakzeptanz müssen sie sich erarbeiten, manchmal auch erkämpfen - häufig auch dem gegenüber, der ihnen den Auftrag erteilt hat. Das wird gerne vergessen. Sie denken in punkto Konflikte auch an die Teamarbeit? Jürgen Hansel: Ja, auch an Teamarbeit. Viele Projekt- Gefährlich: ฀Nicht฀wenige฀Projektleiter฀versuchen฀ihre฀Autorität฀ausschließlich฀durch฀Fachkompetenz฀zu฀untermauern.฀Damit฀spielen฀sie฀die฀Spezialisten฀in฀ihrem฀Team฀schnell฀gegen฀die฀Wand.฀ Foto: ฀Siemens 14฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 15฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 manager halten ein Team überspitzt gesagt für eine Kuschelgruppe. Dass Teamarbeit extrem schwierig ist, dass Konflikte vorprogrammiert sind, dass sich Projektleiter ihre Position geschickt erarbeiten müssen - das blenden sie aus. Wie zeigt sich dies? Jürgen Hansel: Nehmen wir die erste Sitzung des Teams, die das künftige Arbeitsklima prägt. In dem Team sitzen womöglich gleichrangige Kollegen des Projektleiters. Er vermittelt: Ich bin zwar Teamleiter, aber ansonsten bleibt alles, wie es ist. Ein Fehler? Jürgen Hansel: Zumindest eine sehr gefährliche Strategie. Seine für kritische Situationen dringend benötigte Autorität ist verloren. Was heißt denn nun genau, mit Autorität umzugehen und sie einzusetzen? Jürgen Hansel: Es kann heißen, deutlich Grenzen zu ziehen, die erläutert, aber nicht diskutiert werden müssen. Nehmen wir die erste Teamsitzung als Beispiel. Ich empfehle eine doppelgleisige Strategie. Bei den Regeln der Zusammenarbeit sollte der Projektleiter Grenzen setzen und nicht diskutieren. Hier ist er gefordert, genau zu formulieren, was er vom Team und der Zusammenarbeit erwartet. Bei inhaltlichen Fragen kann und muss er dann durchaus den Konsens oder Kompromisse suchen, beispielsweise bei Fragen der Termingestaltung oder bei der Verteilung der Aufgaben. Augenblick! Ist nicht an einem gewissen Punkt der Projektmanager überfordert? Ich höre immer nur, was von ihm in Sachen Führung und Autorität erwartet wird. Projektleiter aber sind zumeist Fachspezialisten … Jürgen Hansel: Eben dieser Rückzug auf ein Fachgebiet erschwert ihnen doch die Projektleitung! Bleiben wir bei einem ungünstigen Beispiel. Der Projektleiter ist selbst Spezialist für seine Projektaufgabe. Um seine Autorität zu beweisen, mischt er sich immer wieder in die Arbeit seines Teams ein. Am Ende spielt er damit die Einzelspezialisten an die Wand, und deren Motivation geht verloren. So wird der Autoritätskonflikt nicht auf der Beziehungsebene, sondern auf der Sachebene ausgefochten. Das lähmt das Projekt inhaltlich. Verbündete฀im฀Unternehmen฀finden,฀das฀Projekt฀im฀Haus฀promoten,฀die฀Unternehmenspolitik฀nicht฀scheuen฀-฀Projektleiter฀müssen฀sich฀mit฀Fragen฀von฀Hierarchie฀und฀Diplomatie฀immer฀mehr฀auseinander฀setzen. Foto: ฀Nokia Anzeige 16฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 17฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Was halten Sie entgegen? Jürgen Hansel: Bei einem Team von fünf Spezialisten lohnt es sich nicht, als Projektleiter den sechsten Spezialisten zu spielen. Wesentlich effizienter ist es, aus der übergeordneten Position heraus den Prozess zu gestalten. Und damit sind wir bei einer weiteren Kernthese: Der Projektleiter ist Prozessgestalter, das ist seine Hauptaufgabe. Er muss auf der Ebene der Prozesse, der Konflikte und des Politischen agieren. Es gibt eine Reihe von Praktikern, die ihre Rolle als Vermittler zwischen Interessengruppen verstehen. Jürgen Hansel: Sofern sie damit im Sinne ihres Projekts arbeiten, ist dies in Ordnung. Gefährlich wird es, wenn der Projektleiter nur vermittelt und die eigenen Interessen nicht wahrt. Da ist beispielsweise der klassische Hierarchiekonflikt. Der eine Abteilungsleiter erwartet von dem Projekt genau das Gegenteil dessen, was der andere Abteilungsleiter anstrebt. Die meisten Projektleiter versuchen es dann, beiden recht zu machen - statt die beiden Abteilungsleiter zu einer Einigung zu zwingen. Genau diese Einigung brauchen sie aber, und in diesen Konflikt müssen sie reingehen. Viele Konflikte entstehen, wenn einem Projekt nicht ausreichend Ressourcen gegeben werden. Jürgen Hansel: Ja, gerade hier weichen Projektleiter aus. Sie meinen, mit einem Bericht an die Projektgeber sei das Problem gelöst … Ist es aber nicht? Jürgen Hansel: Selbstverständlich nicht. Ressourcenkonflikte werden nur im Kampf entschieden, das ist ein typischer Kampf-Konflikt. Dann noch einen weiteren Konflikttyp als Beispiel, den Regelkonflikt. Mitarbeiter im Team halten sich nicht an die Regeln. Hier hilft meistens nur der Weg, dass Projektleiter Autorität beweisen und den Regelbruch nicht gestatten. Diese Konflikte lassen sich alle nicht allein auf der sachlichen Ebene lösen. Das mögen sich einige Projektleiter am Anfang ihrer Karriere ganz anders vorgestellt haben … Jürgen Hansel: Möglich. Man kann es allerdings trainieren, ein Gespür für die psychosoziale Dimension der Projekte zu entwickeln, mit Konflikten umzugehen, Autorität konstruktiv und fördernd einzusetzen, selbst Position zu beziehen und damit eine gewünschte Wirkung zu entfalten. Gilt das auch für das vielfach verhasste „Politische“ eines Projektes? Jürgen Hansel: Auch dort gilt dies. Politik heißt, Verbündete und Promotoren zu finden, Kontaktnetze zu bilden und Drähte ins Top-Management zu spinnen. Die Regel, man solle nicht zum Chef gehen, wenn man nicht gerufen wurde … Jürgen Hansel: … gilt im Projektmanagement schon lange nicht mehr. Gerade dort muss man für sein Projekt offensiv werben und darf den Konflikt nicht scheuen. Ziel muss immer sein, dass der Projektleiter seine Handlungsfähigkeit behält. Geht sie ihm verloren, dann ist das häufig das Todesurteil für sein Projekt.  Literatur [1]฀Hansel,฀Jürgen/ Lomnitz,฀Gero: ฀Projektleiter-Praxis.฀ 4.฀Auflage,฀Springer-Verlag,฀2003 [2]฀Gregor-Rauschtenberger,฀Brigitte/ Hansel,฀Jürgen: ฀Innovative฀Projektführung.฀Erfolgreiches฀Führungsverhalten฀ durch฀Supervision฀und฀Coaching.฀2.฀Auflage,฀Springer-Verlag,฀2001 [3]฀www.managementvision.de฀(Jürgen฀Hansel) [4]฀www.ipo-Lomnitz.de฀(Gero฀Lomnitz) Führung฀und฀Umgang฀mit฀Autorität฀fallen฀nicht฀jedem฀Projektleiter฀leicht.฀ Foto: ฀Nokia 18฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 19฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Project฀Controlling฀-฀eine฀ vergessene฀Disziplin? Dieter฀S.฀Koreimann Die฀Anwendung฀der฀Methoden฀des฀Project฀Controlling฀ist฀in฀der฀Praxis฀nach฀wie฀vor฀unterrepräsentiert,฀obwohl฀zahlreiche฀Projekte฀weder฀die฀zeitlichen฀noch฀die฀finanziellen฀und฀ inhaltlichen฀Ziele฀erreichen.฀Mit฀diesem฀Beitrag฀soll฀die฀Notwendigkeit฀für฀ein฀systematisches฀Controlling฀hervorgehoben฀werden,฀wobei฀der฀Schwerpunkt฀auf฀einer฀pragmatisch฀ anwendbaren฀Vorgehensweise฀liegt.฀Die฀Problematik฀einer฀mehrdimensionalen฀Controlling-Systematik,฀in฀die฀mehrere฀Instanzen฀und฀Funktionen฀eingebettet฀sind,฀wird฀ebenso฀ behandelt฀wie฀die฀Checklisten฀der฀verschiedenen฀Kontrollobjekte,฀die฀als฀Leitfaden฀für฀die฀ Kontrollverantwortung฀des฀Projektleiters฀und฀der฀Kontrollfunktionen฀dienen฀können. W er in der Praxis des Projektmanagements steht, wird mit vielfältigen Problemen konfrontiert: Planungsprobleme, methodische Probleme, soziale Kompetenzprobleme u. v. a. m. Auffallend ist die Tatsache, dass das Thema Project Controlling unterrepräsentiert ist im Vergleich zu allen anderen Themenbereichen. Das spiegelt sich auch in der Literatur wider, die diesem Thema bisher einen eher bescheidenen Platz zuordnete. Möglicherweise spielen hier psychologische Elemente eine Rolle, die unbewusst Blockaden aufbauen, die verhindern, dass gescheiterte Projekte offen gelegt werden, und die eine gezielte Ursachenforschung verwehren [1, S. 7 f.]. Eine Ursache ist sicherlich das in vielen Unternehmen nur rudimentär ausgebildete Project Controlling, das sich allenfalls auf eine finanzielle Vor- und Nachkalkulation der Projekte konzentriert. Der folgende Beitrag befasst sich mit einer mehrdimensionalen Betrachtung des Project Controlling mit dem Ziel, nicht nur die Notwendigkeit für ein systematisches Controlling aufzuzeigen, sondern auch um Ansatzpunkte und Hilfestellung für die erfolgreiche, d. h. zielorientierte Projektsteuerung für die Praxis abzuleiten. 1฀ Empirische฀Tatbestände Verschiedene Studien belegen erhebliche Abweichungen von den ursprünglichen Zielen eines Projekts. Nach einer aktuellen Studie, die im Rahmen der Umfeldanalysen der GPM zitiert wird [2, S. 26-31], scheitern 54 % der Projekte an Widerständen aus dem Projektumfeld. Diese Tatsache deckt sich auch mit den Ergebnissen einer bereits 1979 von Kirsch et al. durchgeführten Untersuchung, nach der 45,2 % der Projekte am erklärten Widerstand der Betroffenen scheitern [3, S. 24]. Auch die von der Gartner-Gruppe im Jahr 2001 durchgeführte Erhebung für CRM-Projekte kommt zu dem Ergebnis, dass 65 % dieser Projekte gescheitert sind, wobei unzureichende Planung und Akzeptanzprobleme als wichtigste Gründe genannt werden [4, S. 1]. Im Bereich des Kostenmanagements kommt eine Studie zu dem Ergebnis, dass von 162 untersuchten Projekten 59 eine Kostenabweichung von 50 % bis 100 %, weitere 55 eine solche von mehr als 100 % aufwiesen [5, S. 14]. Die Zahlen geben allerdings nur ein oberflächliches Bild von der realen Situation der gescheiterten Projekte: Frustrationen, langwierige Anpassungsmaßnahmen und Projektmüdigkeit sind die nicht messbaren negativen Konsequenzen. 2฀ Zielsetzung฀und฀Definition 2.1฀ Definitorische฀Abgrenzung Der Begriff des Controllings wird im deutschen Sprachgebrauch sehr häufig mit dem der Kontrolle gleichgesetzt. Dies ist eine unzulässige Einengung. Controlling bedeutet darüber hinausgehend auch die Unterstützung im Sinne einer Steuerung der durch die Planung festgelegten Zielgrößen. Dieser Aspekt ist für das Project Controlling wesentlich: Es geht weniger um die Kontrolle (die für die Ermittlung von Kenndaten nach wie vor ihre Bedeutung hat) als vielmehr um die Unterstützung des Projektleiters und des jeweiligen Teams. Als Project Controlling bezeichnen wir die koordinierte Steuerung und Kontrolle des gesamten Projekt-Portfolios sowie einzelner Projekte mit dem Ziel, geplante und vereinbarte Ergebnisse sicherzustellen, die Erfolgsfaktoren zu realisieren und organisatorische und persönliche Reibungsverluste zu vermeiden. 2.2฀ Zielsetzungen฀des฀Project฀Controlling Das Project Controlling verfolgt sowohl strategische als auch operative Aufgaben. Als strategisches Controlling gelten die Steuerung und Überwachung des geplanten Projektportfolios und dessen Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen der jeweiligen Organisation. Das operative Controlling bezieht sich dagegen vorwiegend auf die Steuerung der Zieldefinitionen, der Planung und der Unterstützung der Projektverantwortlichen 18฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 19฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 [6, S. 215]. Zwischen dem operativen und strategischen Controlling steht das dispositive Controlling, das sich auf die Abstimmung der Projektpläne und deren Interdependenzen bezieht, vor allem auf den Ausgleich der knappen Ressourcen. Allen drei Bereichen können vier Kontroll- und Steuerungsfelder zugeordnet werden: a) das formale Controlling, dessen Ziel auf die Einhaltung gesetzlicher, vertraglicher und betriebsinterner Vorschriften und Vereinbarungen gerichtet ist, z. B. die Einhaltung der Berichts-, Dokumentations- und Vertragsvorschriften sowie auf die formalen Aspekte des Vorgehensmodells (Reviewtermine, Protokollpflichten, schriftliche Vereinbarung der Rechte und Pflichten der Beteiligten, Delegationsauftrag, Projektauftrag); b) das inhaltliche Controlling, das sich im Wesentlichen auf die Zielerreichung, die Qualitätskontrolle, die sachliche Definition des Projektstrukturplans und der Arbeitspakete sowie auf die Termineinhaltung und den Personaleinsatz konzentriert; c) das finanzielle Controlling, das die Budgetierung, die Steuerung und Überwachung des Ressourcenverbrauchs in monetären Größen und die Kontrolle der Investitionen zum Gegenstand hat. Darüber hinaus hat das finanzielle Controlling die Aufgabe, Machbarkeitsstudien durchzuführen bzw. kritisch zu überprüfen sowie die Risiken durch entsprechende Umfeldanalysen zu bewerten und geeignete Präventivmaßnahmen auszuarbeiten; d) das Controlling der Unterstützungsfunktionen, das sich auf die Steuerung und Überwachung der Support-Funktionen bezieht, vor allem auf die Mitwirkung der sog. Beratergremien, die als „Beauftragte“ im Unternehmen definiert sind und Einfluss auf die Güte und Qualität eines Projekts nehmen (z. B. Datenschutz, Ergonomie, Datensicherheit, Arbeitsplatz- und Bürogestaltung). Die Gesamtheit der Controlling-Aktivitäten lässt sich gemäß Abb. 1 in zwei Hauptbereiche untergliedern. 3฀ Instanzen฀des฀Project฀Controlling Grundsätzlich ist das Project Controlling als Bestandteil des Unternehmens Controlling zu betrachten. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit der Einbettung des Project Controlling in die Unternehmensorganisation. Steinle et al. [7, S. 133 ff.] definieren die Mehrdimensionalität als kennzeichnendes Kriterium eines modernen Organisationskonzepts. Dabei steht die Koordinationsfunktion einer Vielzahl die Projekte bestimmender Einzelaufgaben sowie die Steuerung der organisatorischen Schnittstellen im Vordergrund. Die Abstimmung von Planung und Kontrolle erweist sich als ein zentrales Anliegen des Project Controlling, die mit dem zeitlichen Ablauf der einzelnen Phasen eines Projekts einhergeht. Steinle et al. definieren ein Phasenkonzept der Controlling-Aktivitäten und unterscheiden dabei drei Phasen:  Phase der konzeptionellen Planung und Grundgestaltung (Konzeptionsphase);  Phase der Systemgenerierung und Implementierung (Realisationsphase) und  Kontroll- und Abschlussphase (Reviewphase). Ordnet man das gesamte Spektrum der Controlling- Aktivitäten der Management-Pyramide [8, S. 156] zu, dann lässt sich ein abgestimmtes System des Programm-, Planungs- und Zielerreichungs-Controllings gemäß Abb. 2 ableiten. Die Aufgabengliederung der einzelnen Instanzen folgt dem Prinzip des „Feed-forward“ und „Feed-back“: Feed-forward bedeutet die durch die Kontrollstandards definierten Ziel- und Planungsvorgaben (Top down), während das Feed-back die Rückkopplung der betrieblichen aktuellen Werte und Ereignisse darstellt (Bottom up). Folgen diesem Regelkreis entlang dem zeitlichen Projektverlauf eine kontinuierliche Steuerung und Kontrolle, dann sind aus einem zeitnahen Plan-Ist- und Plan-Plan-Vergleich Abweichungen im Sinne eines Frühwarnsystems erkennbar, die ein rechtzeitiges Eingreifen zur Sicherstellung eines ordentlichen Projektverlaufs Project฀Controlling Steuerungsfunktion Kontrollfunktion Unterstützung Inhalt Formal Finanzen Abb.฀1: ฀Kernbereiche฀des฀Project฀Controlling 20฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 21฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 zulassen. Es ergibt sich aus ablauforganisatorischer Sicht eine arbeitsteilige Struktur des gesamten Project Controlling, dessen Szenario in Abb. 3 dargestellt ist. Alle genannten Instanzen sind direkt oder indirekt in das Project Controlling eingebunden, wobei eine differenzierte und abgestimmte Arbeitsteilung realisiert wird, deren wichtigste Aufgaben wie folgt bestimmt sind:  Die Projektleitung und das Projektteam sind primär mit der operativen Steuerung des Projekts beauftragt, wobei als Generalaufgabe die vereinbarte zielentsprechende Ergebnisrealisierung gilt.  Das Project Controlling erweist sich als eine Unterstützungs-Instanz, die den Rang einer Abteilung analog der innerbetrieblichen Revision einnehmen kann. Diese Instanz unterstützt die Projektleitung und das Projektteam auf allen Ebenen des betrieblichen zur Verfügung stellen. Es handelt sich dabei um die Funktionen Datenschutz, Datensicherheit, Büro- und Ablauforganisation, Betriebsrat, Ergonomie, Rechenzentrum, Benutzerunterstützung, Wartungsteams, Qualitätssicherung, Facility Management, Standards und Normung. Sie alle nehmen Einfluss auf das Projekt bzw. sind in ihren Bereichen von der Projektrealisierung direkt oder indirekt betroffen.  Die Fachabteilung bzw. die Auftraggeber nehmen im Rahmen des Project Controlling eine besondere Stellung ein: Sie sind verpflichtet, Teilergebnisse während der Projektentwicklung kritisch zu überprüfen. Dazu zählen nicht nur die laufenden Statusberichte des Teams, sondern vor allem die Ergebnisse der einzelnen Checkpoints oder Reviewtermine, insbesondere die Überprüfung des Pflichtenheftes und der Testvorbereitungen sowie die Analyse der Testergebnisse. Formal Inhalt Finanzen Support Strategisches฀Controlling: Programm-Management, Portfolio-Analysen Dispositives฀Controlling: Planungs-Management Operatives฀Controlling: Zielerreichungs- Management Abb.฀2: ฀Management-Aktivitäten฀des฀Controllings Instanz Aufgaben Projektleiter und Team Project Controlling Unternehmens- Controller Support- Abteilungen Fachabteilung Externe Berater Finanz- Controlling Project- Budget Kennzahlen- Analysen Portfolio- und Risiko- Analyse Kosten- Analyse Kosten- Umlagen Risiko- Szenarien Formal- Controlling V-Modell Standards Wert- Analysen Wirtschaftlichkeit Normen- Konformität Dokumentation Termine Team- Reviews Inhalts- Controlling Arbeitspakete Zielerreichung Budget- Analyse Earned Value Analyse Normen u. Standards Pflichtenheft Change Mgmt. Zielerreichung Abb.฀3: ฀Szenario฀des฀Project฀Controlling฀(Beispiele) Controllings, z. B. bei der Durchführung von Projekt-Reviews, der Bereitstellung repräsentativer Kennzahlen für die Wirtschaftlichkeitsanalyse und den Methoden der Nutzenanalyse.  Das unternehmensweite Project Controlling, wahrgenommen durch den Unternehmens-Controller, konzentriert sich auf das strategische Projektportfolio, auf das Investitionsbudget (insbesondere bei Infrastruktur-Projekten) sowie auf alle Fragen, die mit der Ausrichtung des Unternehmens auf den Führungsstil „Management by Projects“ zusammenhängen. Dabei spielen unternehmensspezifische Organisationsmuster, z. B. Lenkungsgremien oder Ownership-Relationen eine besondere Rolle, da an sie derartige strategische Aufgaben delegiert werden können.  Die Unterstützungsfunktionen sind Teil der Projektorganisation, die ihr Fachwissen für die Projektrealisierung dem Team 20฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 21฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Eine Besonderheit stellt die Einbeziehung des Aufraggebers bei kundenorientierten Projektrealisierungen dar. Inwieweit sie als formal legitimierte Controlling-Instanzen agieren, muss durch vertragliche Vereinbarungen zu Beginn eines Projekts geklärt werden. Allerdings kann beobachtet werden, dass im Rahmen so genannter Prosumer-Projekte (Producer/ Consumer) der Auftraggeber auch als Kontrollorgan mit definierten Rechten und Pflichten wirkt. 4฀ Aufgaben฀des฀Project฀Controlling In der Praxis kann oftmals beobachtet werden, dass das Project Controlling - sofern es überhaupt wahrgenommen wird - in viel zu späten Phasen des Projekts einsetzt, zumeist dann, wenn eklatante Fehlleistungen oder Kostenüberschreitungen im Finanzgebaren offenkundig werden. Das systematische Project Controlling beginnt dagegen bereits bei der Vorbzw. Machbarkeitsstudie und sollte Bestandteil der Projektumfeldanalyse sein. Die Feasibility-Studie klärt nicht nur die organisatorische und technische Machbarkeit, sondern ganz wesentlich auch die finanziellen Rahmenbedingungen, die bei größeren Portfolios wegen der oftmals notwendigen infrastrukturellen Investitionen als limitierender Faktor für die Zielerreichungsgarantie bzw. den sachlichen Inhalt und damit die Reichweite des Projekts wirken. 4.1฀ Milestones฀des฀Project฀Controlling Auch für das Project Controlling gelten analog den Checkpoints des Project Life Cycle wichtige Termine bzw. Zwischenergebnisse, die für den weiteren Fortgang des Projekts und damit die Projektsteuerung verbindlich sind. Liegt dem Entwicklungsprozess ein Phasenmodell zugrunde, dann bestimmen die Endtermine der einzelnen Phasen den jeweiligen Checkpoint (Review-Date) für das Controlling, und zwar in allen Bereichen, wie sie in Abb. 1 dargestellt wurden. Als besonders kritische Checkpoints für derartige Reviews gelten:  die „Go-Entscheidung“ zu Beginn des Projekts, die üblicherweise durch das Kick-off-Meeting bestimmt wird. Gegenstand der Überprüfung sind hier die organisatorischen und finanziellen Ziele sowie die operationalisierten Ziele, wie sie vom Auftraggeber vorgegeben wurden. Die Vorbereitung eines Kick-off- Meetings erfordert daher eine sorgfältige Kontrollaktivität, um zu verhindern, dass bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt unrealistische Projektziele angekündigt werden und Erwartungen geweckt werden, die sich dann im Verlauf der Entwicklung als nicht realisierbar erweisen;  Pflichtenheft und konzeptionelles Design: Werden die Phasen „Systemanalyse“ und „System Design“ zu einer Phase „Konzeptionelles Design“ zusammengefasst, stellen das Pflichtenheft und dessen Überprüfung einen Meilenstein des Controllings dar. Als Hilfsmittel dienen die einschlägigen Normen (z. B. DIN 69 901 ff., ISO 10 006, DIN EN ISO 10 007). Das Pflichtenheft mit seinem Charakter als Dienstleistungsvertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (das ist das Entwicklungsteam) erfordert eine Überprüfung auf allen Ebenen des Controllings. Eine entsprechende Aufbereitung des Pflichtenhefts in die vier Hauptbestandteile Organisations-, Fach-, Technik- und Realisierungskonzept erleichtert die Überprüfung, insbesondere für den Auftraggeber, dessen Hauptinteresse das Fach- und Organisationskonzept sind. In der Regel beginnt mit dem Sign off des Pflichtenhefts (das ist die formale Akzeptanz der Lösungskonzeption) auch das „Software Freeze“ („Frozen Zone“), mit dem die Vereinbarungen über das Change Request Management festgelegt werden;  Vorbereitung Testphase: Nach Abschluss der Phase „Realisierung“ (Programmierung und Modultest) beginnt die Testphase, für deren Durchführung umfangreiche Vorbereitungen zu treffen sind. Die spezifischen Reviews beziehen sich dabei nicht nur auf die Code Inspection, sondern auch auf die Überprüfung des gesamten Testplans (z. B. Aufbau des Testsystems, Bereitstellung der Testdaten, Verfügbarkeit des Personals und der Rechenkapazitäten);  Durchführung des Integrationstests und die anschließende Freigabe zur Umstellung („Going Life“) stellen den letzten Checkpoint des Controllings während der Entwicklungsarbeiten dar. Die Überprüfung der Testergebnisse in fachlicher und technischer Sicht (z. B. Laufzeitverhalten, Antwortzeit, Durchsatz, Datensicherung) sowie die Korrektheit der Geschäftsprozesse bestimmen zugleich das Einverständnis der Auftraggeber. Als finanzielle Kontrolle erfolgt nach der erfolgten Umstellung die Projektabschlusskontrolle, Anzeige 22฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 23฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 die sich auf die Ermittlung der projektspezifischen Kennziffern konzentriert und damit die Voraussetzung für eine nachfolgende Wirtschaftlichkeitsanalyse bildet („Earned Value Analysis“). Bei Migrationsprojekten (z. B. SAP R/ 2 nach R/ 3) werden inhaltlich ähnliche Reviews empfohlen [9, S. 3-5], wobei allerdings die Phasenfolge etwas differenziert ist, z. B.: Customizing entsprechend den Anforderungen des Auftraggebers, Customizing Level für den Integrationstest, Customizing Test aller Geschäftsprozesse, Authorized Concept (i. e. das Pflichtenheft), Aufbau des Produktiv-Systems, Migration Phase 1 und Phase 2, Migration zum Produktiv-System und Projektabschlusskontrolle. Bedeutend für die Gesamtheit der Controlling-Aktivitäten ist ein von allen Projektbeteiligten bereits zu Beginn eines Projekts fest vereinbarter Review-Plan, in dem die Milestones des Controllings und die entsprechenden Kontrollobjekte definiert sind. Der Reviewplan ist ein Bestandteil des Projektplans, womit die logische Verbindung zwischen Planung und Kontrolle erreicht wird. 4.2฀ Kontrollobjekte In den Abbildungen 4 bis 7 werden beispielhaft einige typische Kontrollobjekte dargestellt, die als Leitfaden für den Aufbau eines Kontrollsystems dienen können. Die Checklisten erheben keinen Anspruch auf Vollstän- Checkliste Finanzkontrolle: Kontrollobjekte  Machbarkeitsstudie, Durchführung und Bewertung ฀฀ Risiko-Chancen-Analyse ฀฀ Investitionsbudget ฀฀ Benchmarking ฀฀ Kennzahlen-Analyse ฀฀ Early-Warning-Indikatoren ฀฀ Projektbudget, Plan-Ist-Vergleich, Prognosewerte ฀฀ Planfortschrittsergebnisse ฀฀ Kosten-Nutzen-Analyse ฀฀ Earned-Value-Analyse ฀฀ Bereitstellung und Quantifizierung der Bewertungsfaktoren ฀฀ Projektabschlussbewertung ฀฀ Kostenstellen-, Kostenartenanalyse ฀฀ Innerbetriebliche Verrechnungssätze ฀฀ Bewertung der Projektindikatoren Abb.฀4: ฀Checkliste฀Finanzkontrolle: ฀Kontrollobjekte Checkliste Formalkontrolle: Kontrollobjekte  Dokumentenverwaltungssystem ฀฀ Aufbau und Struktur des Repository ฀฀ Inhalt, Aufbau und Objekte des Projektplans ฀฀ Vertragliche Abmachungen, Abstimmung mit Rechtsabteilung ฀฀ Einhaltung interner Standards und Normen, z. B. Projektleitfaden ฀฀ Protokolle durchgeführter Reviews ฀฀ Vereinbarungen mit dem Auftraggeber ฀฀ Teamorganisation, Einweisung in die Aufgaben ฀฀ Delegationsaufträge für Arbeitspakete ฀฀ Dokumentation durchgeführter Workshops und ฀฀฀฀฀ Qualifizierungsmaßnahmen ฀฀ Termin-Management ฀฀ Stellvertreterregelungen ฀฀ Schriftliche Vereinbarungen der Rechte und Pflichten der Projektmitarbeiter ฀฀ Absprachen mit dem Personalbzw. Betriebsrat ฀฀ Kommunikationsmatrix und Präsentationsstandards ฀฀ Letzter Termin des Statusreports und dessen Inhalt Abb.฀5: ฀Checkliste฀Formalkontrolle: ฀Kontrollobjekte Checkliste Inhaltskontrolle: Kontrollobjekte ฀฀ Vorgehensmodell, Phasengliederung, Migrationsplan ฀฀ Checkpoints und Reviewtermine ฀฀ Aktualität des Projektplans ฀฀ Zielvereinbarungen ฀฀ Operationalisierung der Ziele ฀฀ Qualitätskriterien und deren Quantifizierung ฀฀ Plan-Ist-Vergleich der aktuellen Situation ฀฀ Plan-Plan-Vergleich (Outlook) ฀฀ Restarbeitsvolumen in Manntagen ฀฀ Konfidenzintervall der Terminsituation ฀฀ Change Request Management Procedure ฀฀ Inhalt und Struktur des Pflichtenheftes ฀฀ Fachkonzept ฀฀ Organisationskonzept ฀฀ Technikkonzept ฀฀ Realisierungskonzept ฀฀ Absprachen (Genehmigungen) der Auftraggeber ฀฀ Arbeitspakete und deren inhaltliche Beschreibung ฀฀ Rückmeldungen der Projektmitarbeiter ฀฀ Einbindung der Unterstützungsfunktionen ฀฀ Datum des letzten Team-Meetings (Protokoll) Abb.฀6: ฀Checkliste฀Inhaltskontrolle: ฀Kontrollobjekte Checkliste Unterstützungsleistungen: Kontrollobjekte ฀฀ Absprachen mit dem Betriebsrat: Personalfunktion ฀฀ Gutachten und Fremdsupport: Finanzabteilung, Lenkungsgremium ฀฀ Verträge mit Externen: Rechtsabteilung ฀฀ Büro- und Arbeitsablaufsteuerung: Organisationsabteilung, Betriebsrat ฀฀ Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung: Ergonomie- Beauftragter ฀฀ Datenschutzbestimmungen: Datenschutz-Beauftragter ฀฀ Datensicherheit: Sicherheits-Beauftragter, Rechenzentrum ฀฀ IT-Konzept (DV-Topologie): Rechenzentrum ฀฀ Qualitätsstandards: Qualitätsbeauftragter ฀฀ Qualifizierungsmaßnahmen: Schulungsabteilung ฀฀ Beschaffungsmaßnahmen: Einkaufsbereich ฀฀ Raumgestaltung: Facilitiy Management, Büroorganisation Abb.฀7: ฀Checkliste฀Unterstützungsleistungen: ฀Kontrollobjekte 22฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 23฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 digkeit, zeigen jedoch in ihrer Gesamtheit die Komplexität und die Bedeutung des Project Controlling auf. Bei der finanziellen Kontrolle und Steuerung sind die projektspezifischen Indikatoren des finanziellen und leistungsmäßigen Status sowie deren Projektion über den Gesamtverlauf des Projekts von Bedeutung. Nur durch die Projektion der Indikatoren gelingt es, ein Frühwarnsystem zu etablieren, das rechtzeitige Steuerungsmaßnahmen zur Sicherung eines ordentlichen Projektverlaufs ermöglicht. Krüger et al. [10, S. 144 f.] nennen einige dieser Indikatoren, z. B.: (a) Realisierungsgrad (RG) = Geplanter Aufwand - Restaufwand Geplanter Aufwand (b) Fertigstellungsgrad (FG) = Verbrauchter Aufwand × 100 Geplanter Aufwand (c) Kostenfortschrittsindikator (KFI) = Aktueller Kostenverbrauch × 100 Geplante Kosten (d) Termin-Performance (TP) = RG × 100 FG (e) Kosten-Performance (KP) = RG × 100 KFI Aus der Übertragung derartiger Werte über den Life Cycle des Projekts hinweg lassen sich verschiedene Steuerungsmaßnahmen ableiten:  rechtzeitige Beeinflussung der Leistungs- und Kostenparameter;  Restrukturierungsmaßnahmen des Projekts durch: Reduzierung des Anspruchniveaus, zusätzliche Ressourcen, Konzentration auf Kernfunktionalitäten, Akzeptanz von Risiken durch geringeren Testaufwand, Modularisierung des Projekts;  Unterteilung des Projekts in selbständig implementierbare Teilprojekte, sofern dies sachlich-inhaltlich möglich ist;  Reorganisation des Teams und der Aufgaben der Teammitglieder. Unabhängig von der Art bzw. Kombination der gewählten Steuerungsmaßnahmen muss in einer solchen Situation eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Wirkung der Maßnahmen durch zeitlich kurzfristige Analysen der Indikatoren erfolgen. 4.3฀ Geteilte฀Verantwortung Die Vielzahl der Kontrollobjekte verdeutlicht, dass das Project Controlling nicht einheitlich auf eine Stelle oder gar Person delegiert werden kann. Vielmehr ist ein koordiniertes unternehmensweites Kontrollmanagement zu etablieren, wie dies auch bei allen übrigen Funktionen des Controllings der Fall ist (man vergleiche hierzu die Investitionskontrolle oder die innerbetriebliche Revision). Das Zusammenspiel von Instanzen, Stellen und Personen muss einer einheitlichen strategischen Ausrichtung folgen, dessen Grundlage eindeutige Vorgaben und u. U. Stellenbeschreibungspläne sind. Die Projektkontrolle folgt damit dem Prinzip der „Shared Responsibility“, d. h. der geteilten und gleichzeitig koordinierten Steuerung des Projektportfolios. Das Project Controlling beginnt bereits bei der Evaluierung möglicher Projektalternativen zur Lösung betrieblicher Probleme und Notwendigkeiten und folgt systematisch dem gesamten Lebenszyklus des einzelnen Projekts. Dabei geht es nicht nur um die Steuerung und Beeinflussung eines einzelnen Projekts oder des Projektportfolios, sondern auch um die Erarbeitung eines betrieblichen Kennziffernsystems auf der Basis empirischer Tatbestände, das als unverzichtbare Datenbasis für die Planung weiterer Projekte dient. Ohne empirische Datenbasis wird es kaum gelingen, von den oft zu beobachtenden utopischen Zielvorstellungen über Projekte abzurücken. Planung und Kontrolle erweisen sich somit als die tragenden Elemente einer zielorientierten rationalen Projektsteuerung. 5฀ Zusammenfassung฀und฀Thesen Die Unternehmensberatung Arthur D. Little [11, S. 363] postuliert eine Reihe von Maßnahmen, die für ein effektives Project Controlling erforderlich sind. Dazu gehören: 24฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 25฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3  Einrichtung der Funktion eines Qualitätsmanagers, der die objektive Ergebnisqualität überprüft (z. B. inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit von Dokumenten);  regelmäßige Überprüfung der Qualitätsindikatoren;  Initiierung eines regelmäßigen strukturierten Risk Management (Welche Risiken bestehen? Wie kann man sie vermeiden? Wie kann man Chancen nutzen? );  Erstellung eines „Stimmungsbarometers“, das die Motivation und die Einstellung jedes Projektbeteiligten zum Projekt und zu den Projektergebnissen erfasst;  Nutzung eines qualitativen Berichtswesens. Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen erforderlich:  ein abgestimmtes Organisationskonzept über die Rechte und Pflichten der einzelnen Kontrollorgane;  Einbindung der Fachabteilungen bzw. Auftraggeber in den Kontrollprozess;  Aktivierung der Beratergremien bezüglich ihrer Unterstützungsleistungen im Sinne von Bringschulden;  Speicherung, Verwaltung, Auswertung und Analyse der Kontrollergebnisse und Indikatoren im Repository und Erarbeitung von repräsentativen Kontrollstandards;  Aufbau eines Frühwarnsystems durch prognostische Projektion der Indikatoren;  Förderung und Sensibilisierung der Projektbeteiligten bezüglich der Bedeutung des Controllings im Hinblick auf den betrieblichen Ressourcenverbrauch;  Schulung der Projektbeteiligten in den modernen Methoden des Controllings, z. B. Nutzwertanalysen, Benchmarking, dynamische Investitionsrechnung, Balanced Score Card, Earned Value Analysis, Target Costing, Prozesskostenrechnung, Portfolio-Management, Szenario-Analysen. Das theoretische Instrumentarium ist weit gefächert. Es geht letzten Endes darum, das jeweils für das einzelne Unternehmen passende und systematisch anzuwendende Instrument auszuwählen und als Bestandteil eines Organisationskonzepts für die Projektsteuerung zu etablieren. Nur dadurch kann es gelingen, die Vielzahl „gescheiterter“ Projekte zu reduzieren und den ungeplanten und ungesteuerten Ressourcenverbrauch wieder in ökonomisch zu rechtfertigende Bahnen zu lenken.  Literatur [1]฀Etzel,฀H.-J./ Heilmann฀H./ Richter,฀R.฀(Hrsg.): ฀IT-Projektmanagement.฀Fallstricke฀und฀Erfolgsfaktoren.฀Heidelberg,฀ 2000 [2]฀Hillebrand,฀N.: ฀Projektumfeldanalyse฀effizient฀gemacht.฀ In: ฀Projektmanagement,฀11.฀Jg.,฀Nr.฀2,฀2000,฀S.฀26-31 [3]฀Kirsch,฀W./ Esser,฀W.฀M./ Gabele,฀E.: ฀Das฀Management฀ des฀geplanten฀Wandels฀von฀Organisationen.฀Stuttgart฀ 1979 [4]฀Computerwoche,฀Nr.฀24฀v.฀15.฀ 6.฀2001 [5]฀Seminar-Unterlage฀der฀Unilog฀Integrata฀AG: ฀Projekt฀ Controlling [6]฀Brecht,฀U.฀(Hrsg.): ฀Praxis-Lexikon฀Controlling.฀ Landsberg/ Lech฀2001 [7]฀Steinle,฀C./ Lawa,฀D./ Kraege,฀R.: ฀Projectcontrolling: ฀ Konzepte,฀Instrumente฀und฀Formen.฀In: ฀Steinle,฀C.฀et฀al.: ฀ Projektmanagement,฀3.฀Auflage,฀Frankfurt/ M.฀2001 [8]฀Koreimann,฀D.: ฀Management.฀7.฀Auflage,฀München,฀ Wien,฀1999 [9]฀Schlieper,฀P.,฀SAP฀(Hrsg.): ฀SAP฀Model฀Project฀Plan [10]฀Krüger,฀A./ Schmolke,฀G./ Vaupel,฀R.: ฀Projektmanagement฀als฀kundenorientierte฀Führungskonzeption.฀Stuttgart฀ 1999 [11]฀Voigt,฀V.: ฀Multi-฀und฀Single-Projektcontrolling฀am฀ Beispiel฀der฀Unternehmensberatung฀Arthur฀D.฀Little.฀In: ฀ Steinle฀et฀al.: ฀[7],฀S.฀352-369 [12]฀Koreimann,฀D.฀S.: ฀Projektmanagement.฀Technik,฀ Methodik,฀Soziale฀Kompetenz.฀Heidelberg฀2002 [13]฀Koreimann,฀D.฀S.฀: ฀Grundlagen฀der฀Software-Entwicklung.฀3.฀Auflage,฀München,฀Wien฀2000 Schlagwörter Frühwarnindikatoren,฀Portfoliomanagement,฀Programmmanagement,฀Projektcontrolling,฀Projektkennzahlen,฀ Projektsteuerung Autor Dr.฀Dieter฀S.฀Koreimann,฀Organisations-฀und฀Managementberatung.฀ Selbständiger฀Unternehmensberater฀ mit฀den฀Schwerpunktthemen฀Projektmanagement,฀Qualifizierung฀und฀ Coaching฀von฀Projektteams.฀Lehrbeauftragter฀und฀Fachbuchautor. Anschrift Zeisigweg฀5 D-71032฀Böblingen E-Mail: ฀koreimann@t-online.de 24฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 25฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Neuorientierung฀oder฀ Glasperlenspiel? Kritik฀der฀systemtheoretischen฀Ansätze฀im฀Projektmanagement,฀Teil฀2 Günter฀Drews Der฀Autor฀setzte฀sich฀in฀Heft฀2/ 2003฀kritisch฀mit฀dem฀im฀„Arbeitskreis฀Neuorientierung฀im฀ Projektmanagement”฀der฀GPM฀eingeschlagenen฀Weg฀auseinander,฀eine฀Projektmanagementtheorie฀und฀-praxis฀auf฀systemtheoretischer฀Grundlage฀zu฀entwerfen.฀Er฀kritisierte฀ eine฀systemische฀Verengung฀des฀theoretischen฀Bezugsrahmens,฀der฀andere฀fruchtbare,฀ in฀der฀Praxis฀bewährte฀Ansätze฀wie฀interpretative฀und฀handlungsorientierte฀Theorien฀aus฀ dem฀Blick฀verliert.฀Begrenzter฀neuer฀Erkenntnisgewinn฀und฀Fehlentwicklungen฀der฀„Neuen฀ Wege฀im฀Projektmanagement”฀wurden฀an฀den฀Beispielen฀Zielbildungsprozess฀und฀Projektabschluss฀analysiert.฀ Anhand฀der฀Theorie฀der฀Strukturierung฀von฀Giddens฀werden฀in฀diesem฀Heft฀die฀Grundzüge฀ eines฀handlungsorientierten฀Projektmanagements฀beschrieben฀und฀mit฀Beispielen฀(der฀ Theory฀of฀Constraints฀von฀Goldratt฀und฀der฀Accelerated฀Solution฀Environment™฀von฀Cap฀ Gemini฀Ernst฀&฀Young)฀in฀der฀Praxis฀bewährter฀Vorgehensweisen฀dargestellt,฀die฀belegen,฀ wie฀fruchtbar฀interpretative฀Ansätze฀für฀eine฀Projektmanagementpraxis฀nutzbar฀gemacht฀ werden฀können. 3฀ Alternative฀Ansätze Im Folgenden werden Ansätze diskutiert, die die „neuen Wege“ aus dem Blick verloren haben, und an zwei Beispielen die Fruchtbarkeit dieser Ansätze für eine Projektmanagementpraxis aufgezeigt. 3.1฀ Handlungsorientiertes฀Projektmanagement Systemtheoretische Ansätze sind weitgehend objektivistisch. Sie betrachten das Handeln der Akteure in einem System als von Systemzwängen determiniert und nur in engen Grenzen beeinflussbar. Demgegenüber stellen subjektivistische Ansätze die Handelnden in den Vordergrund. Sie sind akteurorientiert 2 [23, S. 1]. Ein handlungsorientiertes Projektmanagement verhilft den Akteuren wieder zu mehr Einflussmöglichkeiten gegenüber der Überbetonung von vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten sozialer Systeme. Dabei decken sich handlungsorientierte Ansätze wie Rational-Choice- Theorien und verständnisorientierte Theorien von hermeneutischen Ansätzen bis zum modernen Wissensmanagement weitgehend mit Giddens’ Theorie der Strukturierung [24], sowohl was die Einschätzung des Verhältnisses von Akteuren zum sie umgebenden und von ihnen geschaffenen System betrifft als auch in Bezug auf die Einschätzung des Bewusstseins der Akteure von den Bedingungen, unter denen sie handeln. Giddens versucht, die Gegensätze zwischen objektivistischen Theorien und subjektivistischen Ansätzen aufzuheben. Das Verhältnis von System und Akteur wird als ein dialektisches Verhältnis interpretiert, in dem die von den Akteuren selbst gestalteten Strukturen auf diese zurückwirken und aus der Sicht der Handelnden zu unbeabsichtigten Folgen der eigenen Handlungen führen (ein Phänomen, das jedem Projektmanager geläufig sein dürfte). Die Akteure betrachtet Giddens als mit Bewusstheit ausgestattete Personen, das heißt, die Personen wissen über die Umstände ihres Handelns entweder implizit Bescheid, oder in Form eines diskursiven Wissens, das in der Lage ist, die Bedingungen des eigenen Handelns zu verbalisieren und Gründe dafür anzugeben 3 [24, S. 429]. Diese Bewusstheit und das diskursive Bewusstsein sind „immer begrenzt, zum einen durch das Unbewusste, zum anderen durch uneingestandene Bedingungen und unbeabsichtigte Folgen des Handelns. Die Untersu- 2 Der Ausdruck „akteurorientiert“ ist von Paul B. Hill übernommen. Er bezeichnet seine Rational-Choice-Theorie als akteurorientiert. 3 „Bewusstheit (‚knowledgeability‘): Alles, was die Akteure über die Umstände ihres eigenen Handelns und das anderer Akteure wissen (glauben) und worauf sie sich in der Produktion und Reproduktion dieses Handelns beziehen; hierbei handelt es sich sowohl um stillschweigendes als auch um diskursiv verfügbares Wissen.“ „Diskursives Bewusstsein: Was die Akteure über soziale Zusammenhänge, einschließlich der Bedingungen ihres eigenen Handelns, sagen oder verbal ausdrücken können; Bewusstsein, das eine diskursive Form hat.“ [24, S. 429] 26฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 27฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 chung dieser Grenzen, der Bedeutung unbeabsichtigter Folgen für die Systemreproduktion und der ideologischen Implikationen solcher Grenzen, zählt mit zu den wichtigsten Aufgaben der Sozialwissenschaften“ [24, S. 335]. Mit diesen drei Kategorien, Bewusstheit, diskursives Bewusstsein und unbeabsichtigte Folgen, sind die zentralen Aktionsfelder eines handlungsorientierten Projektmanagements beschrieben, ebenso wie der Stellenwert systemtheoretischer Modelle. Ein Beispiel aus der Engpassanalyse in der Produktion soll dies illustrieren. Die wirksamste Methode, Engpässe in der Produktion zu lokalisieren, ist:  eine Besichtigung vor Ort; die Maschinen, vor denen sich die Bestände stapeln, sind ein guter Kandidat für Engpässe;  eine Befragung der Mitarbeiter, insbesondere der so genannten Terminjäger. In Workshops mit den Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen kommt durchaus Wissen über Bedingungen und Zusammenhänge zum Vorschein, wie Stückkostenbetrachtungen, die zu große Losgrößen verursachen, Performancekriterien für die Produktion, wie gleichmäßige Auslastung, Rüstzeitoptimierungen etc. Um nicht intendierte Folgen von Maßnahmen abschätzen zu können, kommen Simulationswerkzeuge (wie Advanced-Planning-Systeme) zum Einsatz, wenn die Infrastruktur vorhanden ist, die Datenqualität ausreicht und es wirtschaftlich vertretbar ist. Aber auch dann müssen diese Ergebnisse einem rationalen Diskurs unterworfen werden und nicht als quasi „Systemgesetzmäßigkeit“ menschliche Entscheidungen determinieren. 3.2฀ Accelerated฀Solution฀Environment™ Die effektivste Methode, um schnell zu Projektergebnissen zu kommen, ist es, das in den Köpfen der Entscheidungsträger und Mitarbeiter vorhandene Wissen nutzbar zu machen, indem man die Bedingungen eines rationalen Diskurses optimal gestaltet. Als Beispiel dafür soll die Accelerated-Solution-Environment™-Methode von Cap Gemini Ernst & Young dienen. Diese Methode nimmt innerhalb Cap Gemini Ernst & Young und der ansonsten vom Center for Business Innovation geprägten theoretischen Ausrichtung auf systemtheoretisch fundierte Modelle [25] (analog den „Neuen Wegen“) insofern eine Sonderstellung ein, als sie den Prozess, die räumlichen Bedingungen, das technische Equipment und die Experten im Hintergrund so organisiert, dass das Wissen einer relativ großen Anzahl von Teilnehmern (von 15 bis über 100) in kürzester Zeit verfügbar gemacht, fokussiert und in Aktionen umgesetzt wird. Die Workshops finden in eigens dafür eingerichteten ASE-Zentren statt, welche eine effektive und kreative Umgebung, ausgebildete Moderatoren, Experten und ein Knowledge-Team zur Verfügung stellen. Mit speziellen Einrichtungen, wie großen, magnetischen beweglichen Whiteboards, Hightec-Equipment und technischem Support und Elementen zur Förderung der Kreativität, dient die ganze Einrichtung dazu, das Denken, die Kreativität und die Kommunikation unter den Teilnehmern anzuregen und somit das implizite Wissen in ein diskursives Wissen zu transformieren, als Voraussetzung für rationales Handeln. ����������������������������������������������������������� ������������������������� ������ ���������� ���� ������������ ����� ���������� ����� ����������� ������ ������� ���������� � ������������� ������������� ����������� � ���������������� ���������� �������� � ����������� ������� �������� ���� �� ���������� ���������� ������������� ����� ��������� � ������������ ����� � �������� ������� ����� ��������� �������������� ���������� � ���������� ��� ���������� ������������������������� ������������ �������������������������� ������������������������������������ ���� �������������������������������������� ����������������� � �������������� � ������������������������������ � ������������������ � ������������ � ������������� � �������������� ������������� � ������������������� � ����������������� � ������������������������� � ���������������������������������� � ������ ��������������� � ��������� ������������ � ��� ��������������������������������������������������������������������������������������������� ������������������������������������������ ��������������������������������������������������������������������������������������������� ������������������������������������������ Abb.฀2: ฀Beispiel฀ASE-Umgebung; ฀Quelle: ฀Cap฀Gemini฀Ernst฀&฀Young,฀ASE-Central฀Europe,฀München 26฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 27฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Der Prozess läuft entlang einer Methodik, die sich SFA- Methodik (Kürzel für die drei Phasen Scan, Focus, Act) nennt. In der Scan-Phase wird eruiert, was als Wissensbasis dienen kann, in der Focus-Phase wird dieses Wissen handlungsorientiert strukturiert und fokussiert und in der Act-Phase in konkrete Aktivitäten gegossen. Je nach Projektphase und Themenstellung gibt es unterschiedliche Typen von ASE-Workshops, z. B. Design-Workshops zur Beschleunigung des Entscheidungsprozesses in komplexen Projektsituationen oder Rapid-Solution-Workshops zur Beschleunigung von Lösungsfindungen im Projekt. Explizit werden die ASE-Workshops als Bestandteil komplexer Projekte gesehen, die den Entscheidungs- und Lösungsprozess auf breiter Ebene beschleunigen. Insofern hat ASE denselben Anspruch wie das systemische Projektmanagement, nämlich komplexe Systeme in den Griff zu bekommen, die mit den herkömmlichen Mitteln des Projektmanagements nicht mehr beherrschbar scheinen. Hier wird jedoch auf die Potenz der handelnden Teilnehmer gesetzt und nicht auf die Omnipotenz vorgeblich systemischer Gesetzmäßigkeiten. Seit 1995 wurden über 100 solcher Workshops durchgeführt (u. a. bei renommierten Großfirmen). Der Erfolg dieser Workshops hinsichtlich Effektivität, Zeitersparnis und Konsenserzielung lässt diesen handlungsorientierten Ansatz, neben den traditionellen Projektmanagementmethoden (Ablaufdiagramme, Netzpläne, Kostenbudgets, Projektreports etc.) und den systemtheoretischen Ansätzen, zu einem wichtigen Eckpfeiler der Projektmethodik werden. 3.3฀ Theory฀of฀Constraints Seit Goldratt 1984 mit der Erstveröffentlichung „The Goal” die Grundzüge seiner Theory of Constraints (TOC) in romanhafter Form darlegte [26], hat er seinen Ansatz in verschiedene Bereiche weiterentwickelt und fruchtbare Denkanstöße gegeben, die zu den wichtigsten Produktivitäts- und Qualitätsinitiativen der letzten zwanzig Jahre gehören. Die Theory of Constraints besteht aus folgenden Komponenten: 1. Betriebswirtschaftliche Lösungen im Bereich Logistik [27] 2. Definition von Kennzahlen [28] 3. Projektmanagement [29] 4. Erkenntnistheorie und -praxis [30] 5. Life-Cycle-Modell Sie beschäftigt sich sowohl mit betriebswirtschaftlichen Anforderungen in den Bereichen Logistik, Projektmanagement, Finance und Controlling als auch mit Erkenntnistheorie, indem sie den Weg aufzeigt, auf dem man in den einzelwirtschaftlichen Disziplinen zu relevanten Erkenntnissen gelangt. Dies nennt Goldratt den „Problem Solving oder Thinking Process“. Den Rahmen bildet das Life-Cycle-Modell zur Implementierung, das aus einem rekursiven „Five Step Focusing Process“ besteht. In der Produktion haben seine Engpassanalyse und die Vorgehensweise im Wesentlichen die Produktionssteuerung und das Bestandsmanagement beeinflusst. Unter der Bezeichnung „Drum-Buffer-Rope Scheduling“ ist seine Art der Behandlung von Engpässen in der Produktion auch in das Design von ERP-Systemen eingeflossen. In den Bereichen Finance und Controlling entwickelte er mit dem „Throughput Accounting“ in der Abgrenzung zur traditionellen Kostenrechnung ein Steuerungsinstrument, das den Schwerpunkt auf die Betrachtung der Effizienz des Gesamtsystems und nicht auf die Suboptimierung einzelner Teilbereiche legt. Critical Chain ist die angewandte Theory of Constraints im Bereich Projektmanagement. Der Engpass in einem Projekt ist die längste Kette von voneinander abhängigen Schritten, wobei die Abhängigkeit sowohl von Aktivitäten als auch von gemeinsam benutzten Ressourcen herrühren kann. Der einzige Termin, der wirklich interessiert, ist der Endtermin, der durch die „Critical Chain“ bestimmt ist. In der traditionellen Projektmethodik werden in den Zeitschätzungen Sicherheiten eingeplant, um Projektrisiken abzusichern. Das Dilemma, das dabei entsteht, beschreibt Goldratt als das Dilemma zwischen „Murphy’s Law“ (Dinge, die schief gehen können, gehen irgendwann schief), das dazu zwingt, Zeitschätzungen für Aktivitäten mit Sicherheiten zu versehen, und „Parkinson’s Law“ (Jede Aktivität konsumiert die Zeit, die man ihr zur Verfügung stellt), was dazu führt, dass eingeplante Sicherheiten auch tatsächlich aufgebraucht werden und an nicht kritischen Stellen verpuffen. Dafür wird aber der wirklich kritische Termin, der Endtermin, in vielen Fällen überschritten. Goldratt zieht aus dieser Erkenntnis praktische Konsequenzen für das Projektmanagement:  Er nimmt den Einzelaktivitäten explizite oder implizite Sicherheitspuffer und platziert diese an Stellen im Projekt, die den Endtermin absichern. Diese Puffer werden zentral verwaltet.  Der einzige Termin, der im Endeffekt interessiert, ist der Endtermin. Deshalb werden den Projektmitarbeitern für die einzelne Aktivität und den einzelnen Meilenstein keine Terminvorgaben gemacht. Aktivitäten werden abgearbeitet, wie sie zugeteilt werden. Parallelarbeiten an verschiedenen Aktivitäten sind zu vermeiden.  Die Prioritätensteuerung der Abarbeitung wird durch die „Critical Chain“ festgelegt, und durch Vorwarnungen wird sichergestellt, dass, sobald eine kritische Aktivität vom Vorgänger beendet ist, die nächste unmittelbar vom Nachfolger aufgenommen wird.  Der Projektstatus wird anhand der Entwicklung der Sicherheitspuffer verfolgt und entsprechend dieser Entwicklung sind Änderungsmaßnahmen einzuleiten oder nicht. Goldratts praktische Empfehlungen dienen dazu, nicht die einzelne Aufgabe zu optimieren, sondern den gesamten Handlungszusammenhang „Projekt“. Optimierung heißt kürzere Projektzeiten bei höherer Zuverlässigkeit. Konsequenterweise verlagert er deshalb Sicherheiten und Termine von der Aktivitätenebene auf die Projektebene, auf der er sich dadurch die notwendige Handlungsfreiheit verschafft, sich um die Engpässe zu kümmern, die für die Performance des gesamten Systems kritisch sind. Der „Problem Thinking and Solving Process“ ist eine formalisierte Vorgehensweise, die, ausgehend von einem systemtheoretischen Modell der Unternehmen, dialektische und interpretative Methoden benutzt, um zu 28฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 29฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Erkenntnissen über das System und daraus abzuleitende Handlungen zu kommen. Jedes System verfolgt nach Goldratt ein Ziel, es besteht aus einem Netzwerk aus voneinander abhängigen Komponenten und ist durch Engpässe (constraints) im Wachstum limitiert. In diesem Sinne wird auch eine Unternehmung als System betrachtet, das als Ziel die nachhaltige Gewinnerzielung verfolgt. Jede Unternehmung hat einige wenige Engpässe (wobei der Engpassbegriff sehr weit gefasst ist und physische, marktmäßige und politische Engpässe umfasst), die es daran hindern, dieses Ziel zu realisieren. Es kommt darauf an, die wirklich maßgebenden Engpässe zu identifizieren und alle zu ergreifenden Maßnahmen den Engpassanforderungen unterzuordnen Wie Giddens setzt Goldratt dabei auf die intuitive Bewusstheit der Akteure. „We grossly underestimate our intuition. Intuitively we do know the real problems, we even know the solutions. What is unfortunately not emphasized enough, is the vast importance of verbalizing our own intuition. As long as we will not verbalize our intuition, as long as we do not learn to cast it clearly into words, not only will be unable to convince ourselves of what we already know to be right. If we don’t bother to verbalize our intuition, we ourselves will do the opposite of what we believe in.“ [30, S. 3] Die Methode, das intuitive Bewusstsein in ein diskursives zu überführen, basiert auf der sokratischen Dialektik [30, S. 17 ff.]. Goldratt hat das sokratische Gespräch formalisiert in einem Werkzeug, das er „Evaporating Clouds“ nennt, um sich widersprechende Lösungsansätze in eine Synthese zu überführen, die für die Beteiligten eine Win-Win-Situation herstellt. Logisch-analytische Methoden nutzt Goldratt in den Effect-Cause-Effect-Diagrammen für Ist-Analysen, Soll- Konzepte und Transition-Konzepte 4 , um die Fragen zu beantworten: Was soll geändert werden? Was soll wohin verändert werden? Wie können die Veränderungen initiiert werden? Ausgehend von unerwünschten Effekten (bzw. beim Soll-Konzept gewünschten Effekten), wird eine Kette von Ursachen und Wirkungen aufgebaut, um zu den wesentlichen Problemen (bzw. Lösungen) zu kommen, unerwünschte Nebeneffekte auszuschalten, Voraussetzungen für Lösungen zu prüfen und Aktionen zu initiieren und zu synchronisieren. Das Life-Cycle-Modell für den Implementierungsprozess besteht aus fünf rekursiven Schritten: „1. Identify the system’s constraints 2. Decide how to exploit the system’s constraints 3. Subordinate everything else to the above decision 4. Elevate the system’s constraints 5. If in the previous steps a constraint has been broken, go back to the system’s constraints, but not allow inertia to cause a system constraint“ [30, S. 7]. Es fokussiert auf Engpässe und setzt damit Prioritäten, denn Verbesserungsmaßnahmen, die nicht an einem Engpass vorgenommen werden, tragen nichts zur Verbesserung des Gesamtsystems bei. Anhand der Beispiele der Accelerated Solution Environment und der Theory of Constraints sollten zwei Beispiele dafür aufgezeigt werden, dass Methoden, die auf interpretativen Ansätzen beruhen, einen wichtigen Beitrag zur Projektmanagementpraxis liefern können und zu Unrecht aus dem Blickfeld der „Neuen Wege“ geraten sind.  Die ASE nutzt konsequent modernes, technisches Equipment und Kommunikationsmöglichkeiten, gestaltet Räume nach psychologischen und gruppendynamischen Erkenntnissen, setzt modernes Knowledge-Management ein, um das Wissen von Mitarbeitern und Managern für Lösungen verfügbar zu machen.  Die Theory of Constraints perfektioniert und formalisiert das sokratische Gespräch und macht dialektische und logisch-analytische Methoden praktisch handhabbar mit dem Ziel, die wenigen Engpässe eines Systems zu identifizieren und damit die Priorisierung und den Verantwortlichen zielgerichtetes Handeln in einem komplexen Umfeld zu ermöglichen.  Literatur [23]฀Hill,฀P.฀B.: ฀Rational-Choice-Theorie.฀Bielefeld฀2002 [24]฀Giddens,฀A.: ฀Die฀Konstitution฀der฀Gesellschaft.฀3.฀ Aufl.,฀Frankfurt,฀New฀York฀1997 [25]฀Davis,฀S.฀/ Meyer,฀C.: ฀Blur.฀Oxford฀1998 [26]฀Goldratt,฀E.: ฀The฀Goal.฀Second฀Revised฀Edition.฀Great฀ Barrington,฀Massachusetts฀1992 [27]฀Goldratt,฀E./ Fox,฀R.฀E.: ฀The฀Race.฀Great฀Barrington,฀ Massachusetts฀1986 [28]฀Goldratt,฀E.: ฀Shifting฀Information฀Out฀of฀the฀Data฀ Ocean.฀The฀Haystack฀Syndrom.฀Great฀Barrington,฀Massachusetts฀1990 [29]฀Goldratt,฀E.: ฀Critical฀Chain.฀Great฀Barrington,฀Massachusetts฀1997 [30]฀Goldratt,฀E.: ฀What฀is฀this฀thing฀called฀Theory฀of฀Constraints฀and฀how฀should฀it฀be฀implemented? ฀Great฀Barrington,฀Massachusetts฀1990 Schlagwörter Accelerated฀Solution฀Environment,฀Critical฀Chain,฀handlungsorientiertes฀Projektmanagement,฀Theory฀of฀Constraints,฀Wissensmanagement Autor Günter฀Drews,฀Dipl.-Wirtschaftsingenieur฀(FH),฀ist฀seit฀1997฀bei฀der฀ Unternehmensberatung฀Cap฀Gemini฀ Ernst฀&฀Young฀als฀Senior฀Manager฀ für฀die฀Einführung฀und฀Optimierung฀ von฀ERP-Systemen฀auf฀Basis฀SAP฀ und฀Baan฀tätig. Zuvor฀war฀er฀zwölf฀Jahre฀bei฀Digital฀ Equipment฀in฀verschiedenen฀Positionen฀in฀der฀Softwareentwicklung฀und฀im฀Projektmanagement฀beschäftigt฀ und฀u.฀a.฀als฀Leiter฀des฀Systems฀Integration฀Business฀ verantwortlich฀für฀die฀Implementierung฀der฀Infrastruktur,฀ Policies฀and฀Procedures฀und฀Qualitätskontrolle฀für฀Großprojekte฀im฀Lösungsgeschäft. Anschrift Amselweg฀29 D-72663฀Großbettlingen 4 TOC kennt fünf Arten dieser Diagramme: Current Reality Tree, Negative Branche, Future Reality Tree, Prerequisite Tree, Transition Tree. 28฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 29฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Das฀aktuelle฀Stichwort: Was฀ist฀eigentlich฀Projekterfolg? ฀ Helmut฀Strohmeier In฀dieser,฀in฀der฀letzten฀Nummer฀begonnenen฀Reihe฀befasst฀sich฀dieses฀Mal฀Helmut฀Strohmeier฀mit฀einem฀Thema,฀das฀vor฀allem฀im฀angelsächsischen฀Sprachraum฀gegenwärtig฀ zumeist฀unter฀dem฀Stichwort฀„Benefit-Management“฀diskutiert฀wird.฀Im฀Grunde฀geht฀es฀-฀ etwas฀vereinfacht฀-฀um฀die฀Frage,฀was฀eigentlich฀Projekterfolg฀bedeutet,฀ein฀Problem,฀das฀ in฀der฀Projektmanagementliteratur฀viele฀Jahre฀nicht฀als฀solches฀erkannt฀wurde.฀In฀unserer฀ im฀vergangenen฀Jahr฀durchgeführten฀internationalen฀Expertenbefragung฀haben฀wir฀dazu฀ eine฀ganze฀Reihe฀von฀Thesen฀sammeln฀können.฀Eine฀davon฀sei฀hier฀einleitend฀zitiert: ฀„Traditional฀approaches฀to฀measuring฀project฀success฀based฀on฀time,฀cost฀and฀quality฀will฀evolve฀ into฀a฀more฀customer฀based฀approach฀where฀the฀customer’s฀developing฀expectations฀will฀ be฀the฀measure฀of฀success.“ Der฀Autor฀hat฀für฀seine฀sehr฀originelle฀Auseinandersetzung฀mit฀diesem฀Thema฀die฀prägnanten฀Begriffe฀„Abwicklungserfolg“฀und฀„Anwendungserfolg“฀geprägt,฀wobei฀der฀ Abwicklungserfolg฀der฀oben฀angesprochenen฀traditionellen฀Auffassung฀vom฀Projekterfolg฀ entspricht. Heinz฀Schelle Erfolgsdenken฀in฀geebneten฀Bahnen Bündle viele Ideen zu einem Projekt, und der Misserfolg ist dir so gut wie sicher. Mach aus einem großen Vorhaben viele kleine, dann werden sie alle erfolgreich. So könnte man statistische Zahlen interpretieren, die das anerkannte amerikanische Marktforschungsunternehmen, die Standish Group, in schöner Regelmäßigkeit publiziert. Sie untersucht Softwareprojekte und stellt alljährlich fest, dass viele davon - wenn überhaupt - erst nach gewaltiger Überschreitung von Termin und Budget ein den Anforderungen gerechtes Produkt liefern. Dabei scheinen kleiner angelegte Projekte eine ungleich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zu besitzen - sagt jedenfalls die Statistik. Nach wie vor haben Organisationsprojekte, jene Art von Projekt also, mit der Unternehmen nach Fortschritt streben oder ihre Existenz sichern wollen, eine ziemlich eigenwillige Beziehung zum Erfolg. So kann es schon mal vorkommen, dass der eine seine Begeisterung kaum noch zügeln kann, während ein anderer vom „Flop des Jahrhunderts“ spricht - und beide dasselbe Projekt meinen. Die Statistik aber tut sich leicht. Sie wird es als erfolgreich einstufen, wenn termingerecht alle Anforderungen erfüllt sind, ohne dass ein vereinbartes Budget überschritten werden musste. Ist฀unser฀Erfolgsmaßstab฀richtig? Ich bin mir allerdings gar nicht mehr so sicher, ob die Messlatte, nach der die meisten von uns recht gewohnheitsmäßig den Erfolg messen, tatsächlich ausreicht und vollständig ist. Ein Beispiel, woraus sich meine Zweifel nähren: Weil es hochrangigen Managern eines Unternehmens zu bunt wurde, sich immer wieder Berichte über schlecht laufende oder gelaufene Projekte anhören zu müssen, beauftragten sie die Einrichtung eines Projekt-Informationssystems. Im hausinternen Intranet wollten sie sich einen stets aktuellen Überblick über derzeit aktive Projekte verschaffen. Die Lösung wurde termingerecht fertig, das Team kam mit seinem Budget gut zurecht und erfüllte alle Anforderungen unserer Manager. Sie konnten „auf Knopfdruck“ viele grüne, einige gelbe und vereinzelt auch rote Ampeln sehen und nun nach Belieben steuernd eingreifen. Nach obiger Erfolgsdefinition also ein durchschlagender Erfolg - leider aber nur für kurze Zeit. Bald stellte sich nämlich heraus, dass die gewonnene Transparenz unwissende Schnattergänse und wichtigtuerische Schlaumeier dazu verführte, Hiobsbotschaften durchs Haus zu senden, sobald sie an irgendeiner Stelle eine gelbe oder gar rote Ampel entdeckten. Die Folge: Projektleiter unterließen es fortan, ehrliche Werte ins System zu stellen, was den Projekten zu einer eher verschlechterten denn verbesserten Erfolgsaussicht verhalf. Der angestrebte Nutzen schmolz dahin, weil eine unvorhergesehene und unbedacht gebliebene Wirkung eingetreten war. Kann man das Projekt jetzt immer noch als erfolgreich einstufen? Keinesfalls will ich damit den Eindruck erwecken, dass die Qualität unserer Projektergebnisse noch viel schlechter ist, als die Statistiken es bereits ausdrücken. Es gibt ja andererseits genügend Fälle, in denen der absolvierte Lernprozess eine zwar aufwändigere, dafür aber qualitativ wesentlich bessere Lösung bewirkte. Man ist eben schlauer geworden, und während eines gemeinsamen Lernens feststellen zu müssen, dass ur- 30฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 31฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 sprünglich getroffene Annahmen nicht haltbar sind, mag man zwar als Irrtum werten können, ein Fehler ist das aber sicher nicht. Ein Fehler wäre es vielmehr, wider besseren Wissens an nicht mehr gültigen Annahmen festzuhalten. Kann man also von einem Misserfolg sprechen, wenn wir nachweislich hinzugelernt haben? Gibt uns nicht die Natur unendlich viele Beispiele, wie sie aus Irrtümern lernt und sich gerade deshalb fortentwickelt? Dürfen wir also den Statistiken noch trauen, wenn in ihnen - obiger Erfolgsdefinition folgend - das „lernende Projekt“ als Misserfolg, unser Projekt-Informationssystem hingegen als Erfolg verbucht ist? Was฀folgt,฀wenn฀ein฀Projektprodukt฀eingerichtet฀ist? Wir werden nicht umhinkommen, die lang gehegte Erfolgsdefinition einer kritischen Beurteilung und einer etwas differenzierteren Betrachtung unterziehen zu müssen. Obig genannte traditionelle Maßeinheit (ich bezeichne sie als Abwicklungserfolg) hat natürlich nach wie vor ihre Berechtigung, denn Projekte dürfen keinen Freibrief zum schamlosen Überziehen von Terminen und Budgets bekommen. Müssten wir aber nicht ergänzend dazu den Projekterfolg am lang anhaltenden Nutzen und am Ausbleiben schädlicher Wirkungen messen? Eine zweite Messlatte sollte sich also hinzugesellen (ich bezeichne sie als Anwendungserfolg), die uns verdeutlicht, ob und in welchem Umfang das Projektergebnis Vorteile für ein gesamtes Unternehmen erzeugt. Dazu bedarf es gründlich durchdachter und gemeinsam verabschiedeter Annahmen, die anschließend einer wiederkehrenden Überprüfung zu unterziehen sind. Annahmen können sich auf erreichbare materielle Vorteile, auf anhaltende Nutzerzufriedenheit, aber auch auf Vor- und Nachteile im Vergleich zu irgendetwas anderem beziehen; sie können die angestrebte Aufwand-Nutzen-Relation und den vermutlichen Ballast (z. B. Betreuungsaufwand) zum Inhalt haben, den sich ein Unternehmen mit einem neuen Projektprodukt auferlegt. Ob diese Annahmen richtig sind oder nicht, wird sich endgültig erst zeigen, wenn unser Projektprodukt im praktischen Einsatz wirkt - also mit einigem Zeitverzug. Doch gerade weil der Zeitraum ziemlich lang sein kann, sollten wir unser „automatisches Schlauerwerden“ während des Projektverlaufs sinnvoll nutzen und unseren jeweils neuesten Erkenntnisstand an ursprünglich getroffenen Annahmen reflektieren. Sind sie noch haltbar? Können wir sie als untermauert bestätigen oder müssen wir sie revidieren? Zeigen unsere Prüfungen, dass Annahmen nach wie vor gültig sind, dann ist das natürlich erfreulich. Doch auch das Entdecken von Diskrepanzen ist ein Gewinn, weil wir dann aus Irrtümern lernen und vermutlich noch korrigierend eingreifen können. Mitunter werden wir auch feststellen, dass sich beide Erfolgsmaßstäbe widersprechen. Mal wird das „Schlauerwerden“ raten, einen Termin zu verschieben, mal wird erzielbarer Nutzen die Einführung zum frühestmöglichen Zeitpunkt unmissverständlich fordern, auch wenn Verbesserungen noch denkbar sind. Weil es einerseits unsinnig ist, ein Produkt anzustreben, das den Wünschen einer Organisation nicht (mehr) genügt, diese es andererseits aber auch nicht mag, wenn das Projektergebnis ewig nicht fertig wird, ist eine Organisation stets auf weise Entscheidungen intelligenter Menschen angewiesen, Menschen, denen das Wohl des gesamten Unternehmens nicht abhanden gekommen sein darf. Und nur der konkrete Einzelfall darf entscheidend sein, welchem der beiden Maßstäbe höhere Priorität eingeräumt wird. Systemverständnis฀und฀vernetztes฀Denken Unseren Projekten den zweiten, einen an Wirkungen orientierten Erfolgsmaßstab beiseite zu stellen, macht sie natürlich nicht einfacher - im Gegenteil. Wir bekommen es mit zusätzlicher Komplexität und neuer Verantwortung zu tun. Nun müssen wir nämlich nicht nur unser Projektprodukt beherrschen, sondern vor allem den Teilausschnitt einer Organisation, in dem das Produkt später wirken wird. Der wahre Bedarf will erkannt und das Gesamtsystem einer Organisation beherrscht sein - aus Sicht des Fortschritts ein äußerst lohnendes Unterfangen, auch wenn es anstrengend ist. Wir dürfen eben nicht übersehen, dass Projektergebnisse ein real existierendes System, den Organismus einer Organisation, mehr oder weniger stark beeinflussen. Und sobald wir die Regeln eines Gesamtsystems, sein Verhalten und seine Eigenheiten nicht kennen, hemmen wir höchstwahrscheinlich, wenn auch ungewollt, den ������� ������ ����������� ������� ������ ����������� ������� ������� ����������� ������� ������� ����������� ������������ ������������ ����������� ������������ ������������ ����������� ������������ ������������ ������������� ������������ ������������������ ������� �������� ������������������������ ������������������������ � � � � � � � � ����������������������� ������������������������������ � ����������������������������������������������������������������������������������������������������� � ������������������������������������������������������������������������������ � ������������������������������������������������������������������������������������ � ����������������������������������������������������������������������������������������� Abb.฀1: ฀Am฀Erfolg฀orientiertes,฀iteratives฀Lernen฀auf฀vier฀Ebenen 30฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 31฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Fortschritt. Es kommt zu überraschenden und eigenmächtigen Reaktionen mit unangenehmen Nebenwirkungen, weshalb sich prophezeiter Nutzen häufig nicht so ergeben will wie erhofft. Ein Projekterfolg ist heute weit weniger von einer wohl durchdachten Konstruktion eines Produkts, sondern weit mehr von seinem Wirken in einer bestehenden Umgebung abhängig. Ich befürchte deshalb, dass wir uns als Manager von Organisationsprojekten auf Gebiete begeben müssen, die wir bisher weitgehend links liegen gelassen haben. Ich denke an Disziplinen wie vernetztes Denken und systemische Betrachtung. Systemdenker wie Peter M. Senge, Frederic Vester und Dietrich Dörner haben abseits unserer Projekte verdeutlicht, was passieren kann, wenn wir Systeme nicht beherrschen und sie genau deshalb falsch zu beeinflussen versuchen. Wir übersehen Gefahren und produzieren schädliche Wirkungen, wie unser Projekt-Informationssystem beweist. Zudem sind wir uns selten bewusst, dass Systeme träge sind und erst mit Zeitverzug reagieren. Wir werden deshalb rasch ungeduldig und tendieren zur Übersteuerung: „Falls sich die Organisation gegen die Neuerung sträubt, dann muss das System eben noch ausgefeilter und umfassender sein.“ Oder aber wir wollen dem Gesamtsystem kraft Autorität zu seinem Glück verhelfen: „Das neue System wird eingeführt, basta! “ Wir vergessen allerdings, dass der Organismus einer Organisation viel mächtiger ist als jedes Projekt. Er wird unser Projektprodukt entweder freudestrahlend aufnehmen oder aber sich dagegen wehren, schlimmstenfalls sogar mit seinem Tod antworten. „Konkursreifes Unternehmen verklagt Standardsoftwarehersteller“, lautete einmal eine Schlagzeile in der Computerwoche. Unsere฀Fehler฀beim฀Beeinflussen฀von฀komplexen฀ Systemen Wir machen im Verlauf eines Projekts vieles falsch, und doch sind unsere Fehler meist nur eine Folge einer mittlerweile leider tief verwurzelten, aber äußerst schädlichen Praxis: des Reparaturdienstverhaltens. Wir kurieren häufig nur am Symptom, wie obig genannte Autoren übereinstimmend festgestellt haben. Seit Menschengedenken sind wir gewohnt, in linearen Ursache- Wirkungs-Ketten, nicht aber in vernetzten Strukturen zu denken. Wir versuchen Missstände zu beseitigen, weil es irgendwo bereits fürchterlich brennt, ohne darüber nachzudenken, wo tiefer liegende Ursachen angesiedelt sind. Und über mögliche Kobra-Effekte unseres Tuns denken wir schon gar nicht nach, sie überraschen uns lediglich. Der Kobra-Effekt hat seinen Namen aus der Zeit der englischen Kolonialverwaltung in Indien. Weil das Land unter einer Kobra-Plage zu leiden hatte, setzte die Regierung eine Prämie für jede gefangene Kobra aus. Die Bevölkerung aber sah darin eine zusätzliche Einnahmequelle und so züchtete sie Kobras. Dass nicht nur wir Projektverantwortlichen stark im engen linearen Denken verhaftet sind, sondern wir Gleiches fast täglich an unseren Politikern beobachten dürfen, sollte nicht wirklich trösten. Betrachten wir vor diesem Hintergrund nun die Empfehlung, Projekte möglichst klein zu halten. Provozieren wir damit nicht förmlich das Kurieren am Symptom? Ist es nicht verständlich, dass wir Zusammenhänge übersehen, wenn wir uns stets nur kleine Teilausschnitte vornehmen? Wissen wir nicht seit langem, dass das Optimieren vieler kleiner Teilbereiche nie zu einem Gesamtoptimum führen kann? Wer hat sich nicht schon über wenig durchdachte Systeme seiner Vorgänger geärgert? Ich behaupte also, dass ein bedingungsloses Zerschlagen von Projektinhalten vielleicht noch aus Sicht des Abwicklungserfolgs berechtigt sein mag, aus Sicht des Anwendungserfolgs aber höchst selten. Wir werden kein Verständnis für umfassende Zusammenhänge aufbringen, wenn wir uns stets nur auf kleinste Teilbereiche stürzen. Wir werden die Wirkungen außerhalb unserer engen Projektgrenzen nicht beurteilen können, wenn wir das Gesamtsystem nicht kennen. Und wir werden eben auch nicht ausreichend genug hinzulernen. So schädigen wir den Organismus einer Organisation, erkennen es nur leider nicht, weil das Gesamtsystem eben erst mit erheblicher Zeitverzögerung reagiert. Warum฀müssen฀Projekte฀eigentlich฀klein฀sein? Was hat wohl zur Empfehlung geführt, Projekte klein zu halten? Einerseits dürfte das Bestreben, auf diese Weise schnell zu nutzbringenden Lösungen zu kommen, Pate gestanden haben, und andererseits vermute ich, dass es die Angst vor Komplexität ist. In kleinen Projekten scheinen wir sie noch zu beherrschen (Ausnahme: schädliche Wirkungen), in großen offenbar nur selten. Doch schon wieder drängt sich die Frage auf, ob wir nicht auch hier das Symptom anstelle der Ursachen bekämpfen. Wäre es nicht besser darüber nachzudenken, wie die Komplexität großer Vorhaben in den Griff zu bekommen ist, anstatt sie künstlich zu zerhacken? Und was das erste Argument, die frühere Einführung, betrifft, so ist auch dieses kaum haltbar. Wir finden sehr schnell einzeln realisierbare Teilbereiche, wenn wir zuerst in Zusammenhängen denken - vielleicht sogar dann erst recht. Allerdings müssen wir dazu die Komplexität beherrschen, was erst einmal ziemlich anstrengend ist. Es mag nun der Eindruck entstanden sein, dass ich ein entschiedener Verfechter von Großprojekten bin. Stimmt gar nicht. Ich bin ein Verfechter des „Right- Sizing“, weil genau darin manches Erfolgs- oder Misserfolgsgeheimnis liegt. Ein Projekt ist richtig dimensioniert, wenn es umfassend Nutzen erzeugen kann und wenig bis keine schädlichen Wirkungen hinterlässt. Es ist richtig dimensioniert, wenn das zu entwickelnde Teilsystem sich nahtlos in den Organismus eines Unternehmens integrieren lässt und von diesem anstandslos aufgenommen wird. Haben wir den Projektumfang auf diese Weise definiert, dann hat anschließend ein Optimierungsprozess stattzufinden, der nun sicherzustellen hat, dass besonders nutzbringende Teile rasch eingeführt werden und der Projektaufwand die Organisation nicht überfordert. Es sind Risiken zu beurteilen und geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung einzuleiten, um auf diese Weise die Misserfolgswahrscheinlichkeit weiter zu reduzieren. Damit werden wir dem Projekt echte Stärke aneignen, die allein schon den Misserfolg eher unwahrscheinlich macht. Die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs schaukelt sich auf - auch ein Phänomen, das wir beobachten können, sobald wir uns 32฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 33฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 die Fähigkeit angeeignet haben, das Verhalten von Systemen zu durchschauen. Auf฀dem฀Wege฀der฀Besserung Wenn wir beiden Erfolgsmaßstäben zu ihrem Recht verhelfen und damit die Erfolgswahrscheinlichkeit all unserer Projekte drastisch erhöhen wollen, müssen wir einiges tun. Die folgende Zusammenfassung soll es zeigen:  Wir sollten uns angewöhnen, den Projektumfang aus Chancen und viel weniger aus Symptomen zu bilden. Es ist die Frage zu stellen, an welchen Stellen einer Organisation die Hebel anzusetzen sind, um größtmöglichen und anhaltend wirkenden Fortschritt erzielen zu können.  Wir müssen das Projekt so dimensionieren, dass Gesamtzusammenhänge einer Organisation komplett beachtet und vollständig innerhalb eines Projekts einer neuen Lösung zugeführt werden. Wir müssen die Außenbeziehungen unseres Projektprodukts genau ermitteln und an allen Schnittstellen zum Gesamtsystem einer Organisation die Aufnahmebereitschaft herstellen.  Wir müssen dafür sorgen, dass sich eine Organisation (Zuständigkeiten, Prozesse usw.) transparent zeigt, dass sie ihr Regelwerk, nach dem sie funktioniert, offen legt.  Wir brauchen Methoden und Werkzeuge, mit denen auch höchste Komplexität beherrschbar wird und überschaubar darzustellen ist.  Wir müssen Annahmen offen legen und Erfolge ebenso wie Irrtümer messen, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können. Aus diesen Rückschlüssen werden wir zu verbesserten Annahmen kommen, die nicht nur für das gegenwärtige Projekt, sondern ebenso für alle Folgeprojekte bedeutend sind.  Wir müssen dafür sorgen, dass Manager und Mitarbeiter nicht nur ihr eigenes, sondern stets auch das Wohl des gesamten Unternehmens im Auge haben und behalten.  Wir alle müssen uns verantwortlich fühlen, dass Nutzen tatsächlich eintreten wird und schädliche Wirkungen ausbleiben (nicht irgendeiner ist dafür verantwortlich, sondern das gesamte Projektteam).  Wir müssen das systemische Denken, das Denken in Gesamtzusammenhängen und das Erkennen kybernetischer Regeln innerhalb dieser Systeme fördern.  Wir müssen sicherstellen, dass sowohl im Vorfeld eines Projekts als auch während seines Verlaufs ein gemeinsames Lernen stattfindet.  Wir müssen dem Projekt genau zu der Stärke verhelfen, die es verdient (was auch heißt, dass wir unbedeutende oder wenig bedeutende Projekte dem bedeutenden unterzuordnen haben). Fazit: Ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Maßstäben, nach denen wir sowohl den Abwicklungsals auch den Anwendungserfolg messen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für echten Projekterfolg. Wir bekommen diese Voraussetzungen jedoch nicht geschenkt, sondern müssen die ein oder andere Denk- und Verhaltensweise, die sich heimlich, still und leise eingeschlichen hat, aus unseren Unternehmen verbannen. Die Summe der Projekterfolge lässt sich in vielen Unternehmen gewaltig steigern, nur nicht von heute auf morgen. Wie erwähnt, bestehende Systeme sind träge, und organisatorische, auf Verhalten von Menschen basierende leider besonders.  Literatur [1]฀Dörner,฀Dietrich: ฀Die฀Logik฀des฀Mißlingens.฀Hamburg฀ 2001 [2]฀Senge,฀Peter฀M.: ฀Die฀fünfte฀Disziplin.฀Stuttgart฀2001 [3]฀Strohmeier,฀Helmut: ฀Rechtzeitig฀die฀richtigen฀Projekte฀ finden.฀Köln฀2000 [4]฀Strohmeier,฀Helmut: ฀Die฀Architektur฀erfolgreicher฀Projekte.฀München฀2003 [5]฀Vester,฀Frederic: ฀Die฀Kunst฀vernetzt฀zu฀denken.฀Stuttgart฀2000 Schlagwörter Abwicklungserfolg,฀Anwendungserfolg,฀Benefit฀Management,฀Projekterfolg Autor Helmut฀Strohmeier,฀Jahrgang฀1949; ฀ Studium฀der฀Betriebswirtschaft฀ mit฀Schwerpunkt฀Organisation฀ und฀Datenverarbeitung฀an฀der฀ Fachhochschule฀München.฀Nach฀ seiner฀Zeit฀als฀Systementwickler,฀ Organisator฀und฀IS-Leiter฀ist฀er฀in฀ die฀Beratung฀gewechselt฀und฀hat฀ in฀dieser฀Funktion฀viele฀Organisationsprojekte฀geleitet฀ und฀begleitet.฀Heute฀ist฀er฀Geschäftsführer฀eines฀Beratungsunternehmens฀für฀methodische฀Systementwicklung฀ und฀Projektmanagement.฀Als฀Autor฀mehrerer฀Bücher฀und฀ Fachartikel฀betätigt฀er฀sich฀derzeit฀vorwiegend฀als฀Coach฀ von฀Großprojekten฀und฀als฀Trainer. Anschrift Strohmeier฀&฀Partner฀GmbH Am฀Fischergries฀20a D-85570฀Markt฀Schwaben Tel.: ฀0฀81฀21/ 43฀70฀00 E-Mail: ฀Strohmeierpartner@t-online.de 32฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 33฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Leserbriefe In฀eigener฀Sache Ex฀occidente฀lux? ฀Projektmanagement฀aktuell,฀Heft฀1/ 2003,฀S.฀39 M it meiner Rezension des Project Management Body of Knowledge (PMBOK) des Project Management Institute of America (PMI) in der Nr. 1/ 2003 dieser Zeitschrift habe ich Reaktionen ausgelöst, die ich in dieser Stärke nicht erwartet hatte. Neben einigen zustimmenden Briefen habe ich auch Kritik geerntet. Sie kam aus den Reihen der deutschen PMI- Mitglieder. Etwas vereinfacht könnte man sie auf den Nenner bringen: So etwas tut man nicht unter Kollegen. Allerdings ist auch die Meinung geäußert worden, dass man vielleicht aus der Buchschelte auch Nutzen ziehen könnte. Auch aus GPM-Kreisen habe ich keineswegs nur Lob erhalten. Die Ursache dafür liegt, soweit ich das sehe, wohl eher im Bereich der Diplomatie. Etwas enttäuscht hat mich, dass die Kritiker sich bisher zur Sache selbst nicht geäußert und versucht haben, meine Argumente zu widerlegen. Die deutschen Vertreter des PMI haben zwar speziell für meinen Beitrag ein Diskussionsforum im Internet eröffnet, die Ergebnisse sind mir aber bislang nicht zugänglich gemacht worden. Auf mein im Januar dieses Jahres spontan gemachtes Angebot, mich einer Diskussionsrunde zu stellen, habe ich nach anfänglicher Zustimmung nichts mehr gehört. Ich gebe gerne zu, dass ich zum Teil sehr deftige Formulierungen - z. B. den Hinweis auf den Speichelfluss der Pawlow’schen Hunde - gewählt habe. Das hat vielleicht damit zu tun, dass der Stamm der Altbaiern, dem ich angehöre, noch niemals große und geschmeidige Diplomaten hervorgebracht hat. In der Sache habe ich freilich keinerlei Abstriche zu machen. Sollte sich allerdings jemand durch allzu grobe Formulierungen verletzt fühlen, entschuldige ich mich in aller Form. Hocherfreulich ist, dass jetzt zwei in der Projektmanagementszene sehr bekannte und sachkundige Kollegen, Manfred Saynisch und Dr. Erhard Motzel, umfangreiche Leserbriefe geschrieben haben, in denen sie sich mit meiner Rezension auseinander setzen. Manfred Saynisch hat darüber hinaus in einem zweiten Beitrag, den wir später veröffentlichen werden, auch Vorschläge zur Weiterentwicklung unserer Disziplin gemacht. Es war von vornherein meine Absicht, eine lebendige Diskussion anzuregen, die für unser aller Anliegen, die Förderung systematischen Projektmanagements, von Vorteil ist. Jetzt haben wir sie. Heinz฀Schelle,฀Oberau  34฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 35฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Leserbriefe Ex฀coniunctione฀lux! Eine฀Antwort฀auf฀Schelles฀Kritik฀am฀PMBOK฀Guide฀von฀Manfred฀Saynisch; ฀Ex฀occidente฀lux? ฀Projektmanagement฀aktuell,฀Heft฀1/ 2003,฀S.฀39 S chelle beschreibt zunächst in einem mustergültigen Überblick die neun Wissensgebiete des PMBOK Guide, bevor er mit seinen kritischen Bemerkungen beginnt. Sein Absicherungshinweis, dass er mit der Perspektive eines GPM-Mitgliedes möglicherweise parteiisch argumentiert, war unnötig. Seine Kritikpunkte sind sorgfältig begründet und entbehren jeglicher vereins- und machtpolitischen Argumentationen. Mit einer Reihe von Schelles Aussagen stimme ich überein. Aber einiges sehe ich anders oder sehe ich noch zusätzlich, indem ich noch andere bzw. weitere Perspektiven einbeziehe. Dabei diskutiere ich nicht nur aus der Sicht eines GPM-Gründungs- und Ehrenmitglieds, das auch an der Entwicklung der deutschen Standards (u. a. im DIN-Normenausschuss) beteiligt war, sondern auch aus der Sicht eines der ersten PMI-Mitglieder aus Deutschland, das die Entwicklung des PMBOK Guide von Beginn an (1985) mitverfolgen konnte und an der deutschen Übersetzung des PMBOK Guide (Ausgabe 1996) mitgewirkt hat. 1฀ Kritik,฀die฀ich฀unterstreiche Die Beschreibung der neun Wissensgebiete (Kap. 4 bis Kap. 12) weist Mängel auf. Der dargelegte Wissensstand ist teilweise recht traditionell und in einigen Fällen stark mechanistisch orientiert. Schelle kritisiert hier u. a. die starke Orientierung an Modellen des Operations Research, die sich in der Praxis als wenig hilfreich erwiesen haben. Besonders dürftig ist die Darlegung im Hauptprozess „Teamentwicklung“ des Wissensgebietes „Personalmanagement in Projekten“ (Kap. 9). Organisationspsychologie und Sozialwissenschaften bieten heute eine Vielfalt von Konzepten und Methoden, aus denen nur marginal adaptiert wurde. Da ist die Reichhaltigkeit in den entsprechenden europäischen und deutschen Ausarbeitungen (z. B. ICB, PM-Kanon) größer. Nun, mechanistische Denkweisen sind ein Privileg der angelsächsischen Kultur. Da ist es kein Wunder, dass der PMBOK Guide Schwierigkeiten hat, den mechanistischen Teil auf das Sinnvolle zu beschränken. In Europa (und speziell in Deutschland) haben wir die Romantik gehabt und tun uns daher z. B. mit holistischen Denkweisen einfacher. Diese spielen ja oft in der Organisationspsychologie eine Rolle, und wir neigen aus dieser Sicht manchmal zur Einseitigkeit (alles ist Soft-Faktor! ). Der PMBOK Guide entstand vor 20 Jahren insbesondere aus der Gedankenwelt und den Anforderungen des Anlagenbaus (das Wissenselement „Procurement“ ist ein Überbleibsel daraus). Das umfangreiche Wissen und die Strukturen, die in dem Urkonzept des PM in der Aerospace&Defense-Branche bereits seit 40 Jahren existierten, wurden nicht einbezogen. So ist es auch nachvollziehbar, dass unter dem Schirm einer mechanistischen Denkweise Gebiete wie „Neuorientierung im PM“ und „Neue Wege im PM“ nicht im PMBOK und seinem Umfeld überhaupt ansatzweise angegangen wurden, sondern im deutschen Sprachraum entstanden. Diese Themenkreise beschäftigen sich mit den neueren Sichtweisen und Erkenntnissen in den Natur- und Sozialwissenschaften und zeigen neue Wege für das Management von Projekten auf. Hier spielen evolutionäre, systemische und organismische Aspekte eine Rolle, und das ist der absolute Gegenpol von mechanistischen Betrachtungen. Ein weiteres Beispiel, das in der Mängelliste von Schelle nicht erwähnt wird: Das Konfigurations- und Änderungsmanagement wird zwar in den beiden Wissensgebieten „Integrationsmanagement“ (Kap. 4) und „Inhalts- und Umfangsmanagement“ (Kap. 5) jeweils als Hauptprozess definiert, aber inhaltlich gemäß „DIN EN ISO 10 007“ nicht richtig bzw. widersprüchlich wiedergegeben. Schelle führt allerdings einige fehlende Themen an wie „Projektorientierte Organisation“, „Projektauswahl“ oder „Multiprojektmanagement“. Diese Themen sind meiner Ansicht nach entsprechend dem Aufbau und „Scope“ des jetzigen PMBOK Guide zu Recht als Wissenselement nicht behandelt worden, obwohl es natürlich wichtige Themen sind. Doch dazu später mehr. Zugute halten muss man dem PMBOK Guide allerdings, dass er nur die Verfahren wiedergeben will, die allgemein anerkannt sind, die sich auf die meisten Projekte anwenden lassen und bei denen ein breiter Konsens über ihren Wert und Nutzen besteht. Trotzdem, der Anspruch, die Gesamtheit des Projektmanagementwissens darzustellen, wird nur teilweise erfüllt. Nicht nur Schelle hadert mit der deutschen Übersetzung der für das PMBOK wichtigen Begriffe wie „Scope Management“ oder „Human Resource Management“. Mir erging es ebenso, als ich vor 15 Jahren erstmals mit diesen Begriffen konfrontiert wurde. Das Wörterbuch gab da keine Hilfe. Nun, seit wenigen Jahren gibt es eine deutsche Übersetzung des PMBOK Guide, Stand 1996. Das erwähnt Schelle nicht. Hier hat man sich 34฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 35฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 viel Mühe gegeben mit einer richtigen Übersetzung und u. a. auch den ICB oder die DIN-Normen zu Hilfe genommen und im Anhang wichtige Anmerkungen zu den Übersetzungen wiedergegeben. Bei den oben genannten zwei englischsprachigen Begriffen lautet die Übersetzung „Inhalts- und Umfangsmanagement“ und „Personalmanagement“. Besser gefällt mir da allerdings für den Scope-Begriff die Übersetzung, wie sie augenblicklich im DIN-Ausschuss diskutiert wird: „Inhalts- und abgrenzungsbezogene Prozesse“. Ich benutze in dieser Replik konsequent die Begriffe der deutschen Übersetzung des PMBOK. 2฀ Was฀ich฀anders฀sehe Die starke Prozessorientierung im PMBOK Guide finde ich im Gegensatz zu Schelle sinnvoll, brauchbar und zeitgemäß. Sie erlaubt eine konsequente und widerspruchsfreie Darstellung in Strukturen, die auch leicht zukünftige Veränderungen berücksichtigen kann. Wechselwirkungen zwischen den Wissensgebieten können eindeutig und anschaulich behandelt werden. Schelle bemängelt die steigende Prozessorientierung in unserer Disziplin. Dazu drei Kommentare: 1. Steigende Komplexität in Technik und Wirtschaft und die Durchdringung jeglichen Geschehens durch die I&K-Technik stellen neue Anforderungen und lassen die Prozessorientierung möglicherweise auch nicht als der Weisheit letzten Schluss bestehen. Objektorientierte Betrachtungsweisen und UML- Tools verlassen inzwischen ihren ursprünglichen Anwendungsbereich in der Informationstechnologie. Man diskutiert ihre Anwendung mittlerweile auch im Hardware-Bereich, also im Engineering von Maschinen. Die Mechatronik, die Integration von Mechanik, Elektrik und Informatik in modernen Produkten, gibt hier den Anstoß. Möglicherweise wird die Management-Welt sich hier bald anschließen, und die nächsten Ausgaben der Standards (Guides, Baselines oder Kanon) im Projektmanagement enthalten dann eventuell neben den Prozessen auch schon objektorientierte Betrachtungsweisen. Man wird sich weiter an neue Betrachtungsperspektiven gewöhnen müssen. 2. Im DIN-Normenausschuss für Projektmanagement wird zz. eine prozessorientierte Norm für PM bearbeitet, die sich in ihrer Struktur an die ISO 10 006 anlehnt. Für die ICB und den PM-Kanon sind Absichten geäußert worden, auch diese um Prozessbeschreibungen zu ergänzen. 3. Aber Prozessbeschreibungen sind auch nicht das allein selig Machende. Klassische, inhaltsbezogene Strukturbeschreibungen bzw. Systeme behalten weiterhin ihren Platz. Es gibt nun mal Themen im PM, die nur unvollständig in ein Prozessgerüst gezwängt werden können (Schelle drückt das viel drastischer aus, mit Beispielen aus dem Hauptprozess „Teamentwicklung“). Die müssen auch ihren Platz finden. Vielleicht ist der Konflikt mustergültig in der Norm DIN EN ISO 10 007 zum Konfigurationsmanagement gelöst. Hier differenziert man einerseits in Systembeschreibungen und andererseits in Prozesse. Aber auch im PMBOK ist nicht jeder Text eine Prozessbeschreibung. Am Beginn der Beschreibung eines Hauptprozesses steht z. B. ein kurzer, oft sehr prägnanter Abschnitt, der die wesentlichen Eigenschaften, Aufgaben und Zusammenhänge beschreibt. Zugegeben, viel ist das allerdings nicht. Ich sehe auch keine Überstrukturierungen im PMBOK Guide. Im Gegenteil, die Zusammenfassung der definierten 37 Hauptprozesse einerseits zu neun Wissensgebieten und andererseits zu den fünf Prozessgruppen (Initiierungsprozesse, Planungsprozesse, Ausführungsprozesse, Steuerungsprozesse und abschließende Prozesse) und die Differenzierung der Hauptprozesse einer Prozessgruppe in Kern- und Unterstützungsprozesse (Kap. 3) schaffen eine eindeutige Transparenz im letztlich komplexen Geschehen des Projektmanagements. Es ist ein Ansatz, der dem integrativen Charakter des Projektmanagements entspricht und ihn operativ unterstützt. Ich sehe in diesem Gliederungsansatz ein großes Potenzial des PMBOK Guide für zukünftige PM-Darstellungen. Dagegen erkenne ich in den entsprechenden europäischen und deutschen Ausarbeitungen (z. B. ICB, PM-Kanon) eine Unterstrukturierung und logisch nicht eindeutige Gliederungen, obgleich, wie oben bereits ausgeführt, im Inhaltsbereich umfassendere Darstellungen vorhanden sind. 3฀ Zusammenhänge,฀die฀Schelle฀nicht฀angesprochen฀ hat Der PMBOK Guide betrachtet in seinen neun Wissensgebieten und 37 Hauptprozessen konsequent das Management eines einzelnen Projektes. Für weitere Betrachtungen und Themen, die sich nicht konsequent auf das eigentliche Projekt beziehen, aber doch für einen Projekterfolg von Bedeutung sind, ist das Kap. 2 „Der Projektmanagementkontext“ geschaffen worden. Hier wird (in groben Zügen und nicht in einer Prozess- Systematik) das Umfeld beschrieben, in dem Projekte durchgeführt werden. Es postuliert, dass das Projektmanagementteam diesen breiten Kontext verstehen muss. Der PMBOK Guide beschreibt dazu Themen wie „Projektphasen“, „Organisatorische Einflüsse (u. a. Organisationsstrukturen wie Matrixorganisation oder projektbasierte Organisationen)“ und „Sozioökonomische Einflüsse“. Schelle kritisiert, wie schon kurz erwähnt, in seiner großen Mängelliste das Fehlen von Themen wie „Projektorientierte Organisation“, „Projektauswahl“ oder „Multiprojektmanagement“. Das sind aber nun Themen, die gemäß der vorstehend beschriebenen PMBOK- Philosophie nicht zu den neun Wissensgebieten eines einzelnen Projektes gehören und für die es keine Prozessbeschreibungen geben muss. Das hat Schelle in der Beschreibung seiner Mängelliste nicht berücksichtigt. Diese Themen zählen gemäß der Logik des PMBOK Guide prinzipiell zum „Projektmanagementkontext“. Und damit wird nun eine große Lücke im PMBOK Guide deutlich. Die Weiterentwicklung von Projektmanagement-Elementen und -Konzepten befasste sich in den letzten Jahren eben vornehmlich mit Themen, die nicht zum Management eines einzelnen Projektes zählen und die, wie ebenfalls schon erwähnt, gemäß der Logik des PMBOK Guide zum „Projektmanagementkontext“ gehören. Aber auch dort werden sie nur 36฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 37฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 teilweise angesprochen. Da bieten die entsprechenden europäischen und deutschen Ausarbeitungen (z. B. ICB, PM-Kanon) bereits mehr, aber auch bei weitem keine Vollständigkeit. Der Anspruch, den sich der PMBOK Guide gestellt hat, die Gesamtheit des Projektmanagementwissens wiederzugeben, wird somit nicht erfüllt. 4฀ Ausblick฀-฀„Ex฀coniunctione฀lux“ Wünschenswert ist eine stärkere Abstimmung zwischen dem PMI mit seinem PMBOK Guide und der IPMA mit ihrer ICB mit dem Fokus auf einem gemeinsamen, internationalen Verständnis über die Gesamtheit des Projektmanagementwissens. Versuche hat es in der Vergangenheit gegeben, doch ein Ergebnis ist bisher nicht zu sehen. Das PMI besaß einen zeitlichen Vorsprung (1985 erschien das erste PMBOK, die ICB der IPMA erst 1998), den sie machtvoll ausnutzte. Schelle betitelt seine Kritik mit der Frage „Ex occidente lux? “ (Aus dem Westen kommt die Erleuchtung? ). Die kann man wie folgt beantworten: Nicht die Erleuchtung, aber die Macht kommt aus dem Westen (USA): „Ex occidente potestas“. Muss man sich damit abfinden? Kann es nicht dagegen heißen: „Ex oriente lux“? (Aus dem Osten [Europa] kommt das Licht? ) Schön wär’s, aber da gibt es die oben skizzierten Hindernisse. Doch die Hoffnung kann nur lauten: „Ex coniunctione lux“ (Aus der Zusammenarbeit, der Freundschaft, kommt die Erleuchtung): aus beiden Standards im Sinne eines Benchmarkings das Beste heraussuchen und integrieren sowie Fehlendes gemeinsam ergänzen.  Literatur [1]฀Project฀Management฀Body฀of฀Knowledge฀(PMI): ฀A฀Guide฀ to฀the฀Project฀Management฀Body฀of฀Knowledge.฀Newton฀ Square,฀Pennsylvania฀2000,฀216฀p. 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Er฀ist฀Verfasser฀von฀über฀80฀Veröffentlichungen฀zum฀PM฀ und฀KM,฀veröffentlichte฀die฀erste฀umfassende฀Darstellung฀ von฀Konfigurationsmanagement฀in฀deutscher฀Sprache฀ und฀arbeitete฀an฀der฀neuen฀DIN-EN-ISO-Norm฀über฀KM฀ mit.฀Er฀ist฀Gründungs-฀und฀Ehrenmitglied฀der฀GPM฀und฀ Mitglied฀des฀Project฀Management฀Institute฀PMI฀(USA)฀ sowie฀verschiedener฀Fachausschüsse฀und฀Gremien. Anschrift c/ o฀SPM-CONSULT Düppeler-Str.฀19 D-81929฀München Tel.: ฀0฀89/ 93฀93฀09฀51 Fax: ฀0฀89/ 93฀93฀09฀52 E-Mail: ฀ms.spmc@t-online.de 36฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 37฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Leserbriefe Projektmanagement-Lichter Replik฀zur฀Antwort฀von฀M.฀Saynisch,฀S.฀34฀in฀diesem฀Heft,฀auf฀H.฀Schelles฀Kritik฀am฀PMBOK฀Guide,฀Projektmanagement฀aktuell,฀Heft฀1/ 2003,฀S.฀39,฀von฀Erhard฀Motzel Lasst฀alle฀Projektmanagement-Lichter฀leuchten฀-฀ woher฀sie฀auch฀kommen฀mögen฀-฀solange฀es฀keine฀ Irrlichter฀sind. Was mich an Schelles Artikel und der Antwort von Saynisch am meisten freut, ist die Tatsache, dass es sie beide überhaupt gibt. Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem erstmals Mitte der achtziger Jahre erschienenen US-amerikanischen PMBOK Guide im deutschen Sprachraum ist seit langem überfällig, nicht zuletzt auch wegen der jüngsten Neuauflage einer deutschen Übersetzung des PMBOK Guide durch den Verbund der deutschsprachigen PMI-Chapter, worauf Saynisch in seiner Antwort leider noch nicht Bezug nimmt. Zum anderen ist erfreulich, dass bei diesem Disput (endlich) auch die zwischenzeitlich erfolgten mühevollen europäischen und deutschen Entwicklungen von IPMA und GPM bzw. PM-ZERT mit der ICB und dem PM-KA- NON von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen und zur Diskussion gestellt werden. Schelle nötigt mit seiner Kritik am PMBOK Guide jedem PM-Experten - ungeachtet der teilweise heftigen Kritik aus dem PMI-Lager - größten Respekt ab. Jeder, der ihn kennt, weiß, dass er das überarbeitete und neu aufgelegte Werk gründlich gelesen und sich intensiv damit auseinander gesetzt hat. Aufgrund seines allseits geschätzten und anerkannten Fachwissens und seiner reichlichen eigenen praktischen Erfahrung im Projektmanagement sei es ihm erlaubt, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen auch einmal etwas drastischer zu formulieren, als man es sonst von ihm gewohnt ist, und deutlicher als es ein „PM-Greenhorn“ dürfte. Schelles inhaltlicher Kritik am PMBOK Guide kann ich mich in weiten Teilen anschließen; ob man das Werk allerdings als „inhaltlich antiquiert und deshalb schlechtes Buch“ bezeichnen und die Empfehlung „Lassen Sie die Finger von diesem Buch …“ aussprechen muss, sei dahingestellt. Vielleicht war angesichts seiner extrem hohen Erwartungen die Enttäuschung über den Innovationsgehalt der Neuauflage der „Bibel des Projektmanagements“ für diesen „alten Hasen“ zu groß. Sollte Schelle allerdings lediglich gemeint haben, für ein exzellentes Projektmanagement in Deutschland und in deutschen Unternehmen braucht man den PMBOK Guide nicht zu lesen, „wenn Sie nicht, z. B. bei einer Kooperation mit einer amerikanischen Firma, mehr oder weniger dazu gezwungen werden“ (wie er ja einschränkend bemerkt), könnte ich ihm völlig zustimmen: Denn wir haben ja die ICB und den PM-KANON und darüber hinaus auch noch den „PM-Fachmann (PMF)“; doch dazu später mehr. Sieht man von dem Disput über das Festhalten des PM- BOK Guide an wirkungslosen Modellen des Operations Research und von Übersetzungsproblemen amerikanischer PM-Fachbegriffe ins Deutsche, worauf ich hier nicht weiter eingehen will, einmal ab, so konzentriert sich die Antwort von Saynisch auf Schelles Kritik am PMBOK Guide im Wesentlichen auf drei Punkte: „zu starke Prozessorientierung“, „Überstrukturierung“ und „inhaltliche Unvollständigkeit“. Prozessorientierung Es ist sicher allseits unbestritten, dass in den letzten Jahren in nahezu allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung eine starke Prozessorientierung um sich gegriffen hat. Gründliche Ablaufanalysen, umfassende Prozessbeschreibungen, Neugestaltung der Geschäftsprozesse und konsequente Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse haben vielerorts zu den notwendigen Effizienzsteigerungen geführt. Logischerweise fordert deshalb auch die PM-Fachwelt eine stärkere Prozessorientierung für das Projektmanagement; dagegen bestehen meines Erachtens keine grundsätzlichen Einwände, auch nicht bei Schelle. Allerdings erwächst dabei - wie bei allem - die Gefahr der Zwängung durch Übertreibung oder durch zu starre Anwendung („Prokrustesbett“). Saynisch interpretiert Schelle wohl falsch, wenn er ihm unterstellt, dass er die steigende Prozessorientierung in unserer Disziplin bemängele. Das tut Schelle sicher nicht, sondern warnt nur vor allzu striktem und ungeeignetem Einsatz, vor allem bei den „Soft Factors“ im Projektmanagement. Dennoch ist die Diskussion über Vorteile und Grenzen der Prozessorientierung sinnvoll und nützlich, damit - vornehmlich im gesamten Bereich der sozialen Kompetenz - die Pawlow’schen Hunde eben nicht bellen. Überstrukturierung In der Gliederung des PMBOK Guides kann ich - wie Saynisch auch - prinzipiell keine Überstrukturierung erkennen. Wer wie ich als PM-ZERT-Assessor ständig die Prüfungsergebnisse von Projektmanagement-Ausbildungskursen (hier: PMF-Lehrgängen) auszuwerten hat, der muss schon aus dem folgenden Grund ein 38฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 39฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 glühender Verfechter von (lieber etwas mehr anstatt zu wenig) Strukturierung sein: Die meines Erachtens größten PM-Wissens- und -Kompetenz-Defizite bei unseren meist jüngeren PMF-Absolventen - quer durch alle Branchen und Organisationen - liegen nämlich bei der (Projekt-)Strukturierung. Aber nicht nur in der Projektarbeit, sondern auch bei allgemeinen Aufgabenstellungen oder Problemlösungen trifft man immer wieder auf den Mangel an Fähigkeit, gut zu strukturieren; ähnliche Erfahrungen lassen sich sogar bei den Zertifizierungsverfahren zur Kompetenzbestätigung durch PM-ZERT vermelden. Der überragende Vorteil der Strukturierung (selbst einer schlechten) ist, dass ihr a priori ein Rückkopplungseffekt innewohnt (wie die inhärente Sicherheit bei einer bestimmten Art von Kernreaktoren), der zu ihrer ständigen Verbesserung führt oder zumindest ihre Unzulänglichkeiten quasi automatisch erkennbar macht. Allerdings besteht natürlich auch bei übertriebener Strukturierung - wie bei der Prozessorientierung - die Gefahr der Zwängung durch Überstrapazierung oder zu starre Anwendung. Nur davor warnt Schelle meines Erachtens zu Recht. Obgleich Saynisch ICB und PM-KANON für PMinhaltlich umfassender als den PMBOK Guide hält, bemängelt er in der ICB und im PM-KANON eine Unterstrukturierung und logisch nicht eindeutige Gliederungen. Trotz Autoren- und Mitherausgeberschaft an beiden Werken stimme ich Saynisch in diesen Punkten zu; allerdings dürfen hier als „mildernde Umstände“ angeführt werden, dass sowohl die Unterbzw. Nichtstrukturierung der ICB als auch die logisch nicht eindeutige Gliederung des PM-KANONs (bezüglich der Gruppierung der PM-Elemente) ausschließlich aus historischen und einigungspolitischen Gründen heraus und zwecks pragmatischer Vorgehensweise und Harmonisierung entstanden sind. Bei der ICB hat man - weil man sich unter den verschiedenen beteiligten Ländervertretern nicht einigen konnte - bewusst auf eine Gruppierung verzichtet und als gemeinsame Lösung die „Sun Flower“ (Kreisform, ohne weitere Aufteilung oder Zuordnung der Elemente) geboren. Beim PM- KANON lehnten sich die Herausgeber aus Gründen der „Aufwärtskompatibilität“ und „Durchgängigkeit“ bewusst an die bereits lange Jahre existierende Gruppierung der PM-Elemente im GPM-Ausbildungsmaterial des PM-Fachmanns (PMF) an, um so nahtlos von der Grundausbildung im PM zur Selbsteinschätzung/ Fremdbewertung und schließlich zur Kompetenzbestätigung im Rahmen der Zertifizierung zu gelangen (Symbol Pyramide = PM-ZERT-Logo). Dieses „Opfer“ der unzulänglichen Gliederung des PM-KANONs hat sich für die GPM in Anbetracht des bisherigen Erfolgs ihrer Zertifizierungsstelle PM-ZERT allerdings bis heute in jeder Hinsicht gelohnt. Die hier nur kurz umrissene Durchgängigkeit ist einmalig innerhalb der IPMA und auf der ganzen Welt und das Geheimnis des bisherigen GPM/ PM-ZERT-Erfolgs. Weitere Informationen hierzu finden sich in der Neuauflage des PM-KANON 2002 [1] und in „Standards und Kompetenzmodelle im Projektmanagement“ [2]. Unvollständigkeit Schelles Kritik am PMBOK Guide mit der Auflistung der dort fehlenden Themen unterstütze ich ohne jegliche Abstriche. Die GPM kann sich glücklich schätzen, in Schelle einen so „profunden Wächter der Disziplin Projektmanagement“ in ihren Reihen zu haben. Seine Vorschläge sind bereits weitgehend in die oben bereits erwähnte Neuauflage des PM-KANON 2002 eingeflossen. Weiter gehende Hinweise sind in [1] und [2] enthalten. Nun sollten die damit eng verbundenen Werke des PMF und der ICB in entsprechender Weise nachziehen. Die Meinung von Saynisch, dass PM-Themen, die nicht zum Management eines einzelnen Projektes zählen, wie z. B. Multiprojektmanagement, Programm- und Portfoliomanagement, Project Office etc., nicht in den PMBOK Guide gehören, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn dies mit der Logik des PMBOK Guide begründet werden soll, dann ist aus Sicht der PM-Praxis eben die Logik nicht mehr zeitgemäß und bedarf schleunigst einer Anpassung. Oder gibt das PMI demnächst einen PMBOK Guide, Teil 2, heraus? Fazit Die Wortspiele bei den Titelüberschriften der beiden Artikel laden mich (als alten Lateiner) zum Schmunzeln ein. Während der Titel von Schelle noch auf einem konkreten geographischen Hintergrund basiert, gerät der Titel von Saynisch zum reinen Aufruf „Projektmanager aller Länder, vereinigt Euch! “. Wie beschwerlich aber internationale Zusammenarbeit - vor allem im inhaltlichen Bereich - ist, wissen beide Autoren sehr genau, sowohl aus ihrer beruflichen Praxis als auch aus ihrer ehrenamtlichen Verbandsbzw. Normungsarbeit. Ich frage mich: Warum wollen oder sollen wir den zweiten Schritt vor dem ersten tun? Benchmarking zwischen PMI und IPMA (und/ oder einer oder mehreren ihrer Landesgesellschaften), zwischen völlig unterschiedlichen Organisationen und Denkwelten? Ich habe in der jüngsten Vergangenheit verschiedene Ansätze zur inhaltlichen Zusammenarbeit persönlich miterleben dürfen; diese waren nicht immer sehr ermutigend. Warum nicht Standardisierung und Harmonisierung im Projektmanagement zunächst im eigenen Land, in Deutschland? Dazu habe ich mehrere persönliche Versuche unternommen, zuletzt mit der oben bereits erwähnten Veröffentlichung „Standards und Kompetenzmodelle im Projektmanagement“ [2, Seiten 6 und 56]. Der meines Erachtens am dringendsten notwendige erste Schritt ist die Harmonisierung der in Deutschland existierenden unterschiedlichen PM-Standards für die verschiedenen „sozialen Systeme“: im PM tätige Personen (Individuen), Projektteams, Projektorientierte Organisationen/ Unternehmen und schließlich die Projektorientierte Gesellschaft. Hierzu gehören die GPM- Produkte PMF, PM-KANON, PM DELTA, Project Excellence sowie die unter wesentlicher Mitwirkung von GPM-Mitgliedern entstandenen DIN-Normen der Reihe 69 900. Die gegenwärtig allseits angestrebte Prozessorientierung böte die Chance, die unterschiedlichen PM-fachlichen Standards zusammenzuführen und weitgehend zu vereinheitlichen, zumindest aber abzugleichen und abzugrenzen und für die PM-Fachwelt in Deutschland transparenter und verständlicher zu machen. 38฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 39฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 Selbstverständlich dürfen bei all diesen Bemühungen die internationalen Entwicklungen im Projektmanagement nicht aus den Augen verloren, sondern müssen mitberücksichtigt werden.  Literatur [1]฀Motzel,฀E.; ฀Pannenbäcker,฀O.฀(Hrsg.): ฀Projektmanagement-Kanon.฀Der฀deutsche฀Zugang฀zum฀Project฀Management฀Body฀of฀Knowledge.฀Zweite฀Auflage,฀Roderer฀Verlag,฀ Regensburg฀2002,฀ISBN฀3-89783-311-5,฀kostenlose฀Download-Version฀im฀Internet฀unter: ฀www.gpm-ipma.de [2]฀Motzel,฀E.: ฀Standards฀und฀Kompetenzmodelle฀im฀Projektmanagement.฀In฀Schelle,฀H.; ฀Reschke,฀H.; ฀Schnopp,฀R.; ฀ Schub,฀A.฀(Hrsg.): ฀Projekte฀erfolgreich฀managen.฀Loseblattwerk,฀TÜV-Verlag,฀Köln฀1994฀ff.,฀Kapitel฀1.9,฀18.฀Aktualisierung,฀2001 Autor Dr.-Ing.฀Erhard฀Motzel,฀geboren฀1943฀ in฀Miltenberg/ Main; ฀1963-1969฀Studium฀des฀Bauingenieurwesens,฀Konstruktiver฀Ingenieurbau฀an฀der฀Technischen฀Hochschule฀in฀Darmstadt,฀ Dipl.-Ing.,฀1969-1976฀Wissenschaftlicher฀Mitarbeiter,฀Promotion฀zum฀ Dr.-Ing.฀bei฀Prof.฀Dr.-Ing.฀Dr.-Ing.฀E.฀h.฀ K.฀Klöppel฀am฀Institut฀für฀Statik฀und฀Stahlbau.฀1976-1999฀ Angestellter฀bei฀der฀Mannesmann฀Demag฀AG,฀Energie-฀und฀ Umwelttechnik฀(vormals฀Mannesmann฀Anlagenbau฀AG)฀in฀ Düsseldorf฀und฀Frankfurt฀am฀Main,฀zunächst฀als฀Berechnungsingenieur,฀ab฀1980฀Leiter฀der฀Abteilung฀Technische฀ Dienste,฀Organisation฀und฀Datenverarbeitung,฀Leiter฀Projekt-฀und฀Prozessmanagement,฀Prokurist฀der฀Niederlassung฀ Frankfurt. Zahlreiche฀Veröffentlichungen฀zur฀Praxis฀des฀DV-gestützten฀ Projektmanagements฀und฀zur฀Fortschrittskontrolle฀im฀Rohrleitungs-฀und฀Anlagenbau.฀Herausgeber฀des฀Fachbuchs฀ „Projektmanagement฀in฀der฀Baupraxis฀bei฀industriellen฀ und฀öffentlichen฀Bauprojekten“฀1993.฀Mitautor฀des฀zweibändigen฀Fach-฀und฀Lehrbuchs฀„Projektmanagement-Fachmann“฀1997.฀Bis฀2000฀Redaktionsmitglied฀der฀Zeitschrift฀ PROJEKTMANAGEMENT.฀Mitherausgeber฀des฀Projektmanagement-Kanons฀1998฀und฀2002.฀Autor฀verschiedener฀Artikel฀zur฀Qualifizierung฀und฀Zertifizierung฀sowie฀zu฀Standards฀ und฀Kompetenzmodellen฀im฀Projektmanagement. 1988-1999฀GPM-Vorstand฀in฀verschiedenen฀Ressorts,฀ GPM-Vertreter฀im฀Council฀der฀IPMA฀International฀Project฀ Management฀Association.฀Projektleiter฀der฀GPM-Baufachtagung฀1992.฀Zertifizierter฀PMF-Trainer฀und฀zugelassener฀ Prüfer฀für฀die฀Qualifizierungslehrgänge฀„PM-Fachmann/ -frau฀(RKW/ GPM)“฀und฀„Projektkaufmann฀(GPM/ ITW)“,฀ IPMA-Ur-Assessor฀für฀die฀Zertifizierung฀von฀Projektmanagern.฀1994/ 95฀Aufbau฀der฀Zertifizierung฀von฀Projektmanagern฀in฀Deutschland฀und฀Gründung฀der฀Zertifizierungsstelle฀ PM-ZERT.฀1994-2001฀Mitglied฀im฀DIN-Normenausschuss฀ NQSZ4฀für฀„Projektwirtschaft“฀und฀bis฀1998฀im฀Beirat฀der฀ VDI-Gesellschaft฀Systementwicklung฀und฀Projektgestaltung.฀1997-2000฀deutsches฀Mitglied฀des฀IPMA฀Certification฀ Validation฀Management฀Board.฀Bis฀2002฀Vorsitzender฀ des฀PM-ZERT-Lenkungsausschusses.฀Heute: ฀PM-ZERT- Assessor฀und฀IPMA-Validator. Anschrift Isselstraße฀43 D-64297฀Darmstadt Tel.: ฀0฀61฀51/ 94฀33฀40 Fax: ฀0฀61฀51/ 94฀33฀42 E-Mail: ฀dr.motzel@t-online.de 42฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 WISSEN 43฀฀ NACHRICHTEN ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 „Projektmanagement-Oscar“฀an฀Züricher฀Finanzdienstleister฀UBS฀  Ein Projektteam des schweizerischen Finanzdienstleisters UBS (Zürich) hat den „IPMA International Project Management Award“ gewonnen. Das Projektteam hatte im vergangenen Jahr eine Software für Finanzanalyse und Kundenberatung erarbeitet. Das Vorhaben, dem das traditionsreiche Schweizer Institut unternehmensstrategische Bedeutung einräumt, gilt als Musterbeispiel für hervorragendes Projektmanagement. „Das Projekt stand unter hohem Termindruck und setzte großes Vertrauen zwischen den beteiligten Partnern voraus“, berichtet Projektleiterin Maria Koutintcheva. Beispielsweise musste die hochautomatisierte Software auf den Tag genau bereitstehen. Auch wuchs das Team binnen kurzer Zeit von 12 auf 35 Personen. „Das setzte wichtige Teambildungsprozesse voraus.“ Als Preisträger des Wettbewerbs platzierte sich zudem ein Projektteam von Dade Behring, Spezialist für medizinische Labor-Diagnostik. Das Team hatte ein vollautomatisches Diagnosegerät für Plasmaprotein-Analysen entwickelt. Auch dieses Projekt galt in dem Unternehmen als strategisch erstrangig: Mit dem neuen Produkt will der Hersteller (Ertrag 2001: 1,2 Milliarden Dollar) seine weltweite Marktposition sichern. „In dieses Entwicklungsprojekt haben wir unsere Kunden intensiv einbezogen“, erläutert Gerhard Gram vom Projektteam. In einem speziellen Costumer Advisory Board hatten acht Spezialisten aus Europa und den USA das Team beraten. - Verliehen wurde der Award auf einer Gala-Veranstaltung, die im Rahmen des „20. Internationalen Deutschen Projektmanagement Forums 2003“ (14. bis 17. Mai 2003, Würzburg) stattfand. Die GPM zeichnet jährlich in Kooperation mit der IPMA International Project Management Association vorbildliches Projektmanagement internationaler Unternehmen aus. Seit 1997 zählten zu den Gewinnern und Preisträgern unter anderem BMW, DaimlerChrysler, Deutsche Post, Lufthansa, Siemens und Joh. Vaillant. „Von den Leistungen der preisgekrönten Teams können andere Teams und Unternehmen lernen“, Mit฀Trophäe฀und฀Urkunden฀geehrt: ฀Ein฀Team฀des฀schweizerischen฀Finanzdienstleisters฀UBS฀(Zürich)฀hat฀den฀„IPMA฀International฀Project฀Management฀Award“฀ gewonnen. Ein฀Projektteam฀von฀Dade฀Behring,฀Spezialist฀für฀medizinische฀Labor-Diagnostik,฀ ging฀als฀„Pricewinner“฀aus฀dem฀Wettbewerb฀hervor.฀Das฀Team฀hatte฀ein฀vollautomatisches฀Diagnosegerät฀für฀Plasmaprotein-Analysen฀entwickelt. erklärt GPM-Vorsitzender Roland Ottmann (MBA). Award-Director und GPM-Vorstand Otto Zieglmeier betont: „Mit unserem Award wollen wir jährlich die besten Projekte identifizieren, um die Vorgehensmodelle und Verfahrensweisen zu studieren und zu dokumentieren.“ In der Jury waren diesmal zusammengekommen: Alan Harpham - Chairman, Gilles Caupin, Jorge Encina, Roland Ottmann (MBA), Prof. Dr. Heinz Schelle, Dr. Hans Stromeyer, Stanislaw Sroka und Hans van Wieren. Zu den Unternehmen: UBS (www.ubs.ch), Zürich, ist aus der ehemaligen Bankgesellschaft und dem Schweizerischen Bankenverein hervorgegangen. Das Institut ist mit über 69.000 Mitarbeitern in fünfzig Ländern präsent. Die verwalteten Vermögen betragen auf Konzernstufe 1,5 Billionen Euro. Dade Behring (www.dadebehring.de) ist mit Erträgen von 1,2 Milliarden US-Dollar (2001) nach eigenen Angaben das größte Unternehmen, das sich ausschließlich auf klinische Diagnostik spezialisiert hat und Laborbedarf deckt. Das Unternehmen ist aus einer Fusion von Dade International und der Behring Diagnostik der Hoechst AG hervorgegangen und beruft sich auf über 100 Jahre Erfahrung in der Diagnostik. Foto: ฀O.฀Steeger Foto: ฀O.฀Steeger 46฀฀ NACHRICHTEN P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 47฀฀ GPM฀INTERN ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 „Lump฀sum฀turnkey“฀fordert฀hoch฀effizientes฀Projektmanagement  Sechs Produktionsetagen auf fünfzig Meter Höhe - der neue Wirkstoffbetrieb bei Boehringer Ingelheim ragt markant ins Rheintal am Taunus. Hier produziert Boehringer Ingelheim künftig mehr als zwanzig Wirkstoffe mit über hundert Produktionsstufen. Jährlich bis zu 1.000 Tonnen Pharma- Wirkstoffe und Zwischenprodukte soll die neue Anlage erstellen; rund 180 Millionen Euro hat sie gekostet. Ende 2004 soll der derzeit laufende Testbetrieb abgeschlossen sein. Doch nicht nur für die mittelrheinischen Pharmazeuten war der Bau ein Meilenstein. Mit ihm ertastete auch der Anlagenbauer Lurgi Life Science Technologies Neuland. „Lump sum turnkey“ nennt sich der Trend: In der Pharmazie- Branche nehmen Anlagenbauer zunehmend Großbauprojekte als Generalunternehmer in Angriff. „Der Auftragnehmer rückt damit in die Rolle eines General Planers und General Contractors“, meldet Lurgi, „er wickelt in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber sowohl den Bau biotechnologischer Anlagen als auch den Bau von Anlagen für die chemische Wirkstoffherstellung ab.“ Dabei komme dem Projektmanagement neben der eigentlichen Engineering-Leistung des Anlagenbauers eine entscheidende Aufgabe zu, betont das Unternehmen. Effizientes Projektcontrolling und Kostenberichtswesen stehen im Vordergrund. So setzte Lurgi Life Science Technologies bei diesem Projekt unter anderem auf ein „Task-Force“-Management: In der Task Force fasst das Unternehmen räumlich alle am Projekt beteiligten Gruppen wie Projektleitung, Kosten- und Terminkontrolle, Fachingenieure aller Disziplinen und Beschaffungspersonal zusammen. Mit dieser Zusammenfassung vor Ort habe der Anlagenbauer gute Erfahrungen gemacht. Informationen flossen schnell und direkt, das Projekt war unkompliziert zu steuern, Missverständnisse wurden vermieden und Anweisungen sicher umgesetzt. „In einer solchen Task Force sind auch entsprechende Arbeitsplätze für das Projektteam des Kunden vorgesehen“, teilte das Unternehmen mit, „bei Bedarf werden für spezielle Disziplinen weitere Experten hinzugezogen.“ 4.500฀Rohrleitungen฀und฀900฀Ausrüstungspositionen฀umfasst฀die฀Pharma-Großanlage฀in฀Ingelheim. Jährlich฀bis฀zu฀ 1.000฀Tonnen฀ Pharma-Wirkstoffe฀und฀Zwischenprodukte฀ wird฀Boehringer฀ Ingelheim฀künftig฀ in฀seinem฀neuen฀ Betrieb฀produzieren. Eine฀Herausforderung฀an฀das฀Projektmanagement: ฀Anlagenbauer฀wickeln฀neue฀Pharma-Produktionsanlagen฀zunehmend฀zum฀Festpreis฀schlüsselfertig฀ab.฀Im฀Bild฀der฀50฀Meter฀hohe฀Wirkstoff-Betrieb฀ von฀Boehringer฀Ingelheim. Foto: ฀Boehringer฀Ingelheim Foto: ฀Boehringer฀Ingelheim Foto: ฀Boehringer฀Ingelheim 46฀฀ NACHRICHTEN P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 47฀฀ GPM฀INTERN ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 GPM-Mitglieder: ฀ 3.222 Davon฀Firmenmitglieder: ฀ 171 Teilnehmer฀am฀Lehrgang฀„Projektmanagement-Fachmann“: ฀ 4.541 Durch฀PM-Zert฀vergebene฀Projektmanagement-Zertifikate฀insgesamt: ฀ 2.021 ฀+ +++ +++ +++ +++ +++ + ฀+ +++ +++ +++ +++ +++ Prolog Projektmanagement Georgstraße 76 · 26349 Jaderberg Telefon 0 44 54/ 82 21 · Telefax 0 44 54/ 5 32 www.prolog.de E-Mail info@prolog.de  Projektarbeit in „geheimer Mission“: Gegen den Willen von Vorgesetzten und trotz des offiziellen Abbruchs setzen Projektteams ihr Projekt fort. „Bootlegging“-Projekte nennen sich diese Undercover-Arbeiten engagierter Spezialisten. Besonders in der industriellen Forschung und Entwicklung treiben Mitarbeiter heimlich Innovationsprojekte voran und zeigen dabei erstaunliches Engagement. Diesen Arbeitseifer können Unternehmen für die „legalen“ Projekte nutzen. „Wenn bekannt ist, welche Personen über ein überdurchschnittliches Engagement verfügen und unter welchen Umständen sie dies optimal einsetzen, können Unternehmen Anreize zur gezielten Förderung und Steuerung schaffen“, schreibt Dr. Claudia Michalik in ihrer Dissertation. Die Arbeit der Münsteranerin nennt sich „Innovatives Engagement im Rahmen von Bootlegging - Motivation und Anreize in der industriellen Forschung und Entwicklung“, und die GPM hat sie jetzt mit einem der drei „Deutschen Studienpreise für Projektmanagement 2003“ ausgezeichnet. Neben Dr. Claudia Michalik erhielten Christina Lehmann (Hamburg) und Frank Thomé (Vallendar) den Studienpreis. Mit den seit 1997 verliehenen Preisen will die GPM den Hochschulnachwuchs fördern und wissenschaftliche Arbeiten prämieren, die zukunftsweisende Ideen oder originelle Lösungen zum Projektmanagement beschreiben. Roswitha Müller-Ettrich, Vorsitzende des Kuratoriums der GPM, gratulierte den diesjährigen Preisträgern auf dem „20. Internationalen Deutschen Projektmanagement Forum 2003“ in Würzburg und attestierte den Forschungsarbeiten ein außergewöhnlich hohes wissenschaftliches Niveau. DaimlerChrysler hatte die Initiative unterstützt. Zum Partnering-Managementansatz und seiner Umsetzung in Bauprojekten hat Christina Lehmann eine Arbeit verfasst. Sie stellt fest: Die Vertragspartner in der Bauwirtschaft verwenden ein hohes Maß an Anstrengungen auf den Aufbau von Nachforderungen oder deren Abwehr. In Japan, den USA und Großbritannien begegnet man mit Partnering den Konfrontationen zwischen den Projektpartnern schon im Ansatz. Besonderes Augenmerk wird auf Teamentwicklung und Konfliktmanagement gelegt. Die Arbeit wertet die Erfahrungen aus dem anglo-amerikanischen Raum aus. Zudem entwirft die Autorin mit einem Modul- und Bausteinsystem ein reales Umsetzungskonzept, das auf den deutschen Markt und seine Wettbewerbsbedingungen zugeschnitten ist. „Eine deutsche Variante könnte sich ergeben, wenn Partnering-Implementierungsprozesse mit Guaranteed-Ma- GPM฀verlieh฀drei฀Studienpreise Glückliche฀Sieger: ฀Dreimal฀hat฀die฀GPM฀ihren฀„Deutschen฀Studienpreis฀für฀Projektmanagement฀2003“฀vergeben.฀Auf฀dem฀Foto฀(v.฀l.฀n.฀r.): ฀Christina฀Lehmann,฀ Frank฀Thomé,฀Dr.฀Claudia฀Michalik฀und฀Kuratoriums-Vorsitzende฀Roswitha฀Müller-Ettrich. Foto: ฀O.฀Steeger 48฀฀ GPM฀INTERN P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 49฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 3 / 2 0 0 3 ximum-Price-Verträgen kombiniert werden“, meint die Autorin, „dies befindet sich in Deutschland noch im Anfangsstadium.“ „Electronic Government“ heißt eine Strategie, die öffentliche Verwaltung effizienter zu gestalten. Frank Thomé stellt in seiner preisgekrönten Arbeit fest: „Der Staat sieht sich mit hohen Ansprüchen der Informationsgesellschaft konfrontiert. Sie können nicht mit der bloßen Digitalisierung Deutscher฀Studienpreis฀Projektmanagement฀2004  Die GPM zeichnet jährlich wissenschaftliche Arbeiten aus, die zukunftsweisende Ideen oder originelle Lösungen zu Teilbereichen des Projektmanagements aufweisen und so einen aktuellen Beitrag zur Weiterentwicklung der Disziplin leisten. Pro Jahr werden maximal drei Arbeiten mit einem Betrag von jeweils EUR 1.000 prämiert. Die eingereichten Arbeiten werden vom Kuratorium der GPM beurteilt. Die Beratung erfolgt nichtöffentlich und die Auswahlentscheidung ist endgültig. Die Preisverleihung findet im Rahmen des 21. Internationalen Deutschen PM Forums im Oktober 2004 in Nürnberg statt. Die GPM beabsichtigt, die prämierten Arbeiten (ggf. auszugsweise) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Kandidaten können sich selbst bewerben oder durch GPM-Mitglieder und Universitäten oder Hochschulen vorgeschlagen werden. In diesem Fall ist eine Einverständniserklärung des/ der Nominierten beizulegen. Einzureichende Unterlagen sind 1. Dissertation, Diplomarbeit, Magisterarbeit oder Staatsexamensarbeit, 2. Zusammenfassung der Arbeit auf zwei DIN-A4-Seiten. Zugelassen sind alle Arbeiten, die nach dem 15. Februar 2003 abgeschlossen wurden. Die vollständigen Unterlagen sind bis zum 28. Juni 2004 (Poststempel) einzusenden an: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Roritzerstraße 27, D-90419 Nürnberg von Dienstleistungen oder einer rein informativen Internet-Präsenz erfüllt werden.“ In seiner Arbeit analysiert er das Electronic Government und konzipiert eine Strategie für die Implementierung. Sein Ergebnis: Losgelöst von den Besonderheiten verschiedener Verwaltungsbereiche lassen sich in Projekten analoge Herausforderungen und Fehlerquellen ausmachen. Auch werden gängige Projektmanagement- Konzepte den speziellen Anforderungen der Verwaltung meist nicht gerecht. So entwickelt er das „Cylindric-Step-Ladder-Framework“ als Rahmenkonzept. Kuratoriums-Vorsitzende Roswitha Müller-Ettrich lobte den Ansatz: „Dieses Konzept zeigt innovative Wege auf, wie sich das Spannungsfeld zwischen starren und flexiblen Organisationsstrukturen innerhalb eines Projekts auflösen lässt.“