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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2005
163 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
3฀฀ Dank฀Projektmanagement฀kamen฀ Tutanchamuns฀Schätze฀pünktlich฀ an฀den฀Rhein฀ Mit฀perfekten฀Ausstellungen฀pflegt฀die฀„Bundeskunsthalle“฀in฀Bonn฀weltweit฀ihr฀Image Oliver฀Steeger Das฀Gold฀verehrten฀die฀alten฀Ägypter฀als฀Zeichen฀der฀ewigen฀Sonne,฀als฀Symbol฀der฀Wiedergeburt฀nach฀dem฀Tod.฀Rund฀dreitausend฀Jahre฀später฀zieht฀das฀Edelmetall฀weiterhin฀die฀Menschen฀ in฀seinen฀Bann฀-฀besonders,฀wenn฀es฀aus฀dem฀alten฀Ägypten฀stammt.฀Die฀Stadt฀Bonn฀fiel฀ins฀Pharaonen-Goldfieber,฀als฀hier฀130฀Schätze฀aus฀der฀Grabkammer฀Tutanchamuns฀ein฀halbes฀Jahr฀zu฀ sehen฀waren.฀Rund฀700.000฀Besucher฀bestaunten฀die฀Pretiosen฀in฀der฀„Kunst-฀und฀Ausstellungshalle฀der฀Bundesrepublik฀Deutschland“฀am฀Rande฀des฀ehemaligen฀Regierungsviertels.฀Präzise฀ war฀die฀über฀mehrere฀Jahre฀vorbereitete฀Ausstellung฀durchgeplant.฀„Nur฀mit฀Projektmanagement฀ können฀wir฀heute฀solche฀Ausstellungen฀ermöglichen“,฀sagt฀Maja฀Majer-Wallat,฀Sprecherin฀der฀ bundeseigenen฀Institution.฀Doch฀Projektmanagement฀funktioniert฀in฀der฀Kulturszene฀„anders“.฀Auf฀ welche฀Weise฀-฀das฀zeigen฀die฀Bonner฀Ausstellungsmacher. E in Fernsehteam des amerikanischen Senders ABC hat sich angemeldet. Die TV-Journalisten aus Übersee wollen über die Schätze des Pharaos Tutanchamun (regierte etwa 1347 bis 1339 v. Chr.) in Bonn berichten. Mit achtzehn Jahren verstorben, wäre der altägyptische Regent heute nicht einmal für Fachleute spannend. Posthum wurde der Kindkönig allerdings Teil eines neuzeitlichen Archäologie-Abenteuers. 3.600 Jahre nach dessen Beisetzung stieß der Brite Howard Carter auf sein unberührtes Grab. Er hob 1922 einen archäologischen Schatz. Der Name Tutanchamun ging um die Welt; der Gottkönig wurde, wie die Bonner Ausstellung wieder zeigte, zu einer Art Popstar der Archäologie. Bewahrt werden seine Schätze heute in Kairo. Nur selten gehen sie auf Reisen; es gilt als Ausnahme, dass 130 kostbare Fundstücke nach Bonn ausgeliehen werden. Dort nun wollen die amerikanischen Fernsehleute drehen. Auch ein Interview mit Dr. Wenzel Jacob, dem Intendanten der „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“, ist vorgemerkt. Für Projektleiterin Susanne Kleine, die die sechsmonatige Schau vorbereitet hat, bedeutet dies einen zusätzlichen Termin im übervollen Kalender. Gleich mehrere Projekte laufen bei ihr parallel: stattfindende, geplante und „angedachte“ Ausstellungen. Mit sieben Kolleginnen und einem Kollegen arbeitet sie an 20 Vorhaben insgesamt - im Schnitt mehr als zwei Projekte pro Person. Doch das TV-Interview muss sie dazwischenschieben. Die ABC-Sendung erreicht zwölf Millionen Amerikaner. „Da müssen wir präsent sein.“ Nicht so sehr wegen möglicher Touristen aus Übersee. Es geht vielmehr um die „Gesichtspflege“, um das Image bei den großen amerikanischen Museen und Sammlungen. Dort wollen „Wir฀haben฀flache฀Hierarchien฀in฀unserer฀Organisation฀und฀können฀viele฀Projektfragen฀auf฀kurzem฀Wege฀abstimmen“,฀sagt฀Dr.฀Susanne฀Wichert-Meissner,฀ Leiterin฀Ausstellungsmanagement฀der฀„Kunst-฀und฀Ausstellungshalle฀der฀Bundesrepublik฀Deutschland“฀(Bonn). Foto: ฀Oliver฀Steeger projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 4฀฀ REPORT te ursprünglich Bonn auch kulturell zur Hauptstadt machen. Doch vieles kam anders. Louvre,฀Vatikanische฀Museen฀und฀„MoMa“฀in฀Bonn Noch vor Einweihung der Bundeskunsthalle musste die Stadt Regierung und viele Ministerien an Berlin abgeben. Die Häme war groß. In Bonn nun noch so aufzutrumpfen - das habe „etwas Anachronistisches, ja Absurdes“, ätzte die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Kulturszene fürchtete Verödung rund um den 1992 eröffneten Kulturbetrieb, wenn in Bonn die Lichter ganz ausgingen. So stand die Bundeskunsthalle von Anfang an unter Erfolgsdruck, ihre Existenz zu rechtfertigen. Nach zehn Jahren zog Dr. Wenzel Jacob Bilanz. Höflich im Ton kam der Intendant auf die damalige Kritik zurück: Zwischenzeitlich hatte das weltberühmte „Museum of Modern Art“ (New York) seine Schätze geschickt. Die Eremitage und das Russische Museum (Sankt Petersburg), das Petit Palais (Paris), das Moderne Museet (Stockholm), die Vatikanischen Museen (Rom) und der Prado (Madrid) folgten. Unter europäischen Kunstfreunden erwarb sich, daran ließ der Intendant keinen Zweifel, die zunächst totgesagte Bundeskunsthalle einen ausgezeichneten Ruf. Heute reisen vier von fünf Touristen der Ausstellungen wegen nach Bonn. Von Verödung keine Spur! Die Ausstellungsmacher der Bundeskunsthalle manövrierten, auch das muss gesagt werden, in günstigem Wind. Das Interesse an Kunst, Kultur und Geschichte wuchs. Museumsbesuche - ehemals Passion allein der so genannten Kulturelite - bekamen einen beliebten Platz im Familienprogramm. Die Museen nutzten die Chance: Museumspädagogen führen behutsam die mitunter nur vage vorinformierten Besucher an Kunst, Geschichdie Bonner auf sich aufmerksam machen, und ABC öffnet ein Fenster in die USA. Projektmanagement฀als฀„Trumpfkarte“ „Wir haben keine eigene Sammlung, die wir mit anderen Museen gegen deren Leihgaben tauschen können“, erklärt Maja Majer-Wallat, Pressesprecherin der Ausstellungshalle in Bonn. Im Klartext: Wollen die Rheinländer für eine ihrer Ausstellungen Gemälde oder Skulpturen leihen, können sie sich nicht mit Objekten aus dem eigenen Haus erkenntlich zeigen. Der verbreitete „Mein-Rembrandt-gegen-deinen-Picasso“-Handel funktioniert nicht. Folglich müssen sich die Bonner auf andere Weise als Partner begehrlich machen. Das Team um den Intendanten Dr. Wenzel Jacob will mit seinen Ausstellungen in der Weltliga spielen und auch mit respektablen Besucherzahlen glänzen. Es pflegt weltweit Kontakte zur Kulturszene, zu Politik, Wissenschaft und auch Wirtschaft. Und es hat den Vorsatz, seine Ausstellungen schlichtweg perfekt abzuwickeln. „Professionalität ist unsere wichtigste Trumpfkarte“, sagt Majer- Wallat. Und dazu gehört - auch - leistungsfähiges Projektmanagement. Nahezu 120 Schauen hat die „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“ in den vergangenen zwölf Jahren gezeigt. In der „Bundeskunsthalle“, wie der Rheinländer sagt, hat man Prominenz wie den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, Königin Silvia von Schweden, den österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil und den Dalai Lama empfangen. 30.000 Gruppen wurden durch die Hallen mit den drei markanten Lichtschächten geführt. Rund 12 Millionen Besucher zählte man bislang. Der mächtig-moderne und architektonisch elegant wirkende Museumskomplex, in den 80er Jahren geplant, soll- Ausstellungseröffnungen฀sind฀nicht฀nur฀ein฀Kulturereignis,฀sondern฀auch฀ein฀wichtiger฀Meilenstein฀im฀Projektfahrplan฀der฀ Ausstellungs-Macher. Foto: ฀Oliver฀Steeger aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 5฀฀ te, Natur und Technik heran. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Besucher selbst ihren Reim auf die Dinge in den Vitrinen machen mussten und allein die Restauratoren über die Präsentation entschieden. Beispiel Tutanchamun: Lesefreundliche Wandtafeln, Videofilme und Computeranimationen begleiten die Besucher in die Welt der Pharaonen. Eine aufwändige Nachbildung der Grabkammer vermittelt einen Eindruck von dem Bild, das sich dem Archäologen Howard Carter beim Eindringen in die letzte Ruhestätte des Pharaos bot. Historische Schwarz-Weiß-Fotos von unrestaurierten Fundstücken und ihrer Bergung lassen Besucher jene Euphorie und Ehrfurcht nachfühlen, die die Archäologen damals erfasst haben müssen. Für Kinder hat die Bundeskunsthalle spezielle Führungen und Broschüren entwickelt. Ein Tutanchamun-Café und ein Museumsshop, der auch Wünsche von Souvenirjägern bedient, runden die Ausstellung ab. „Über-Nacht-Aktionen“฀für฀Projektmanager „Unsere Aufgabe ist es heute doch, die Exponate mit den Augen unserer Besucher zu sehen und neu zu entdecken“, meint Maja Majer-Wallat. Der unter Projektmanagern wohl bekannte Begriff „Kundenorientierung“ fällt nicht ausdrücklich. Dennoch weiß man in der Bundeskunsthalle sehr wohl, wie die Bedürfnisse und Erwartungen der Besucher (man spricht in Museumskreisen auch von „Rezipienten“) zu ermitteln sind. Wiederholt befragte das Team der Bundeskunsthalle seine Besucher und bat sie um ihre Meinung: zum künstlerischen Ausdruck von Ausstellungen, zu Schauen und Retrospektiven, zu den Werken und ihrer Darbietung, zur Atmosphäre, Kataloggestaltung, zu Führungen, zur Freundlichkeit des Personals und zum Service an Kasse und Information. Das Feedback solcher Qualitätsschleifen fließt sowohl in geplante als auch in noch laufende Ausstellungen ein. Auch über beanstandete Petitessen geht man nicht hinweg und bessert nach - buchstäblich über Nacht, wenn es geht. Projektleiterin Kleine berichtet: Für die Tutanchamun-Ausstellung konnten Besucher Audioguides leihen, handyähnliche Geräte mit gesprochenen Erklärungen zu einzelnen Exponaten. Ausgewählte Vitrinen sind mit Nummern versehen; Besucher tippen sie in die Audioguides ein, um die Erklärung abzuspielen. „Uns haben Klagen erreicht, dass diese Nummern zu tief angebracht sind“, berichtet Susanne Kleine, „wir haben die kleinen Schilder in der nächsten Nacht höher gehängt.“ Nicht nur bei solchen „Über-Nacht-Aktionen“ fassen die Projektleiter selbst mit an. „Projektleitung bedeutet bei uns die Umsetzung von Ausstellungsideen“, erklärt Pressesprecherin Majer-Wallat. Das heißt für sie: Projektleitung „bildet eine Anlaufstelle, eine Art Trichter“ für alle anfallenden Aufgaben, Fragen, Probleme und Änderungen. „Für die inhaltliche Gestaltung der Ausstellung zeichnet in der Regel die jeweilige Kuratorin oder der Kurator verantwortlich“, ergänzt sie. Das sind Wissenschaftler, die sich teilweise seit Jahrzehnten mit dem Thema einer Ausstellung beschäftigen. Die Projektleiter der Bundeskunsthalle kümmern sich um die Details. Sie verstehen sich als Dienstleister, als Problemlöser und Troubleshooter. Tutanchamun฀kam฀als฀„fertige฀Ausstellung“฀-฀zum฀ Glück! Im Gespräch mit den Projektleitern wird schnell deutlich, dass ihre Arbeit alles andere ist als in Geschichte und Schöngeistigem zu schwelgen. Ihre Aufgaben sind sachlicher Natur: planen, Arbeitspakete schnüren, delegieren, steuern und überwachen. Das Pensum sollte man nicht unterschätzen. Es überrascht Außenstehende, wie viel Arbeit es ist, aus einem Konzept eine Ausstellung zu entwickeln - inklusive Katalogen, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Rahmenprogramm. „Am Anfang steht eine Idee oder der Hinweis auf ein interessantes Thema“, so Majer-Wallat. Diese Idee wird ausgearbeitet, mit Recherchen unterfüttert und gewissermaßen in einer Machbarkeitsstudie geprüft. Hat der einmal jährlich tagende Programm-Beirat den Plan befürwortet, beginnen die Vorbereitungen - mindestens neun Monate, zumeist eineinhalb bis drei Jahre, gelegentlich fünf Jahre lang. Zunächst stehen Reisen an, Recherchen im Ausland, Besichtigung historischer Stätten und Museen, die langwierige Suche nach Informationen, möglichen Exponaten, Förderern und weiteren Der฀Eingeweidesarg฀Tutanchamuns,฀ein฀Kunstwerk฀aus฀Gold,฀Karneol,฀Bergkristall,฀Obsidian฀und฀Glas.฀Der฀filigran฀gearbeitete฀Kopf฀mit฀Nemes-Kopftuch฀war฀ auch฀Logo฀und฀„Eyecatcher“฀der฀Bonner฀Archäologie-Ausstellung. Foto: ฀Oliver฀Steeger projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 6฀฀ REPORT Wissenschaftlern. Über die Botschaften und Kultusministerien werden Verbindungen zu anderen Museen geknüpft. „Da läuft“, sagt Majer-Wallat, „vieles über die obersten Ebenen.“ Sorgfältige฀Projektübergabe฀ist฀Pflicht! Sind Verträge über Leihgaben unterschriftsreif, schaltet Dr. Susanne Wichert-Meissner eine Projektleiterin ein. Die promovierte Kunsthistorikern und Psychologin ist Multiprojektmanagerin und Leiterin des „Project Office“, auch wenn nicht diese Bezeichnung, sondern „Leiterin Ausstellungsmanagement“ auf dem Schild an ihrer Bürotür vermerkt ist. Die Ausstellungsmanagerin steht an zweiter Stelle in der Bundeskunsthalle, sie vertritt den Intendanten und hat als oberste Projektleiterin eine bemerkenswert günstige Position. „Wir legen Wert darauf, unsere Projektleiterinnen und Projektleiter langsam ins Projekt einzuführen“, sagt sie. Rahmen und museumspädagogische Botschaft der Ausstellung stehen bei der Projektübergabe fest. Die künftige Projektleiterin begleitet die letzten Missionen in Sachen Recherche, Besichtigung und Diplomatie. Sie wird in die Kreise der Leihgeber, Förderer und Wissenschaftler „ihrer“ Ausstellung eingeführt. Bei der Tutanchamun-Ausstellung hatte die Bundeskunsthalle hinsichtlich des Projektmanagements Glück: Sie holte die fertige Ausstellung nach Deutschland. Das hat dem Team Monate, wenn nicht sogar ein Jahr mühevoller Arbeit erspart. Dennoch standen für Projektleiterin Kleine die typischen Aufgaben an, die mit jeder Ausstellung einhergehen. Arbeit im Museum und am Schreibtisch. Die „Kärrnerarbeit“, die sie leistet, unterscheidet sich wenig von der ihrer Kollegen in Wirtschaft und Industrie. Ihr oblag die Aufgabe, umfangreiche Detaillisten über Exponate zu erstellen, über ihre Provenienz, ihren Zustand, über Versicherungen und über die Art und Weise, wie die Leihgeber in Vitrinen und Katalogen genannt werden wollen. Sie besorgte Fotos zu den Exponaten, auch jenes von dem zierlichen Eingeweidesarg, einer Art Mini-Goldmaske, die später die Plakate schmückte und Eyecatcher auf fast allen Unterlagen war. Für den fast vierhundertseitigen Kunstdruck-Katalog beauftragte Projektleiterin Kleine Autoren mit Fachtexten für Katalog und Ausstellung. Sie diskutierte mit den hauseigenen Restauratoren über die Präsentation der Exponate. Sie organisierte Rahmenprogramme wie Vortragsreihen, Kulturnächte („Tutanchamun-Nächte“) und Kindernachmittage zur Veranstaltung, führte VIP-Gäste durch die Ausstellung, gab Interviews und plante sechs Wochen vor Ausstellungsende (Anfang Mai) den Abbau und Rücktransport der gezeigten Kulturgüter. „Festigkeit“฀durch฀Budgetüberwachung In Sachen „Änderungsmanagement“ unterscheidet sich ein solches Projekt kaum von den IT-Vorhaben aus Softwarehäusern oder von Organisationsprojekten. Immer wieder muss umgeplant und neu organisiert werden. Vorgesehene Exponate können nicht entliehen werden, oder ihr Transport ist zu teuer. Restauratoren fordern mit Verweis auf den Zustand des Exponats Planungsänderungen. Sicherheitstechniker melden Bedenken an und fordern Änderungen im Ausstellungsdesign. Für überraschend angekündigte Vorab-Dreharbeiten von Fernsehteams müssen schon einmal eiligst erste Vitrinen hergerichtet werden, derweil anderes noch in Bau ist. „Da sind wir froh, dass wir flache Hierarchien in unserer Organisation haben und vieles auf kurzem Wege abgestimmt werden kann“, sagt Ausstellungsmanagerin Wichert- Meissner. Intendant und Kuratoren entscheiden bei Bedarf schnell; man will es sich nicht leisten, Projektmanager mit ihrem Vorhaben im Regen stehen zu lassen. Gewissermaßen „Festigkeit“ in die Projektarchitektur bringt die Budgetüberwachung. Die Bundeskunsthalle ist verpflichtet, sogar kleinere externe Arbeiten europaweit auszuschreiben. Solch ein Prozess dauert Monate, manchmal ein halbes Jahr - und erfordert sorgfältige Planung der Aufträge und Ausgaben. Sehr früh müssen die Projektleiter einzelne Budgetposten planen; versäumte Arbeiten lassen sich nur schwer kurzfristig nachbeauftragen. Die Projektleiter sehen sehr früh, an welchem Punkt ihr Projekt finanziell aus dem Ruder läuft und wie sie gegensteuern können. Die zusätzlichen Kosten auf der Schlussetappe eines Projekts halten sich im Rahmen. Virtuoses฀Stakeholdermanagement฀gefordert Eine nahezu schlafwandlerische Sicherheit hat sich die Bundeskunsthalle im Umgang mit ihren Stakeholdern erarbeitet. Da sind die Leihgeber, die besorgt um ihre Schätze jeden Handgriff der Restauratoren im Museum überwachen und für ihren Beitrag gewürdigt und geehrt werden wollen. Da sind die Restauratoren im eigenen Haus: Ihnen allein ist es vorbehalten, die Kulturschät- Sicherheit฀und฀Organisation฀groß฀geschrieben: ฀Rund฀700.000฀Besucher฀binnen฀ eines฀halben฀Jahres฀musste฀die฀„Kunst-฀und฀Ausstellungshalle฀der฀Bundesrepublik฀Deutschland“฀in฀Bonn฀bewältigen.฀Selbst฀die฀Projektleiterinnen฀hatten฀einen฀ solchen฀Erfolg฀nicht฀erwartet. Foto: ฀Oliver฀Steeger aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 7฀฀ ze in den Vitrinen zu berühren. Sie wachen mit Argusaugen über die Unversehrtheit der Exponate. Da sind hohe Regierungsbeamte, Kulturattachés der Botschaften, Direktoren bedeutender Sammlungen, angesehene Wissenschaftler und Künstler: Sie alle können Türen zu bedeutenden Exponaten öffnen oder auch verschließen. Die Fähigkeit, mit diesen Gruppen gewandt umzugehen, Meinungsverschiedenheiten auszugleichen und bei Konflikten zu moderieren - das gehört zum Rüstzeug der Projektleiter. Zu ihren Aufgaben gehört es, Dankesbriefe vorzubereiten, besorgte Leihgeber mit den hauseigenen Restauratoren bekannt zu machen und VIP-Besucher durch die Ausstellung zu begleiten. „Das hat bei uns hohe Priorität und ist eine fest definierte Projektaufgabe“, sagt Frau Wichert-Meissner, „die Anforderungen an das diplomatische Geschick erklärt auch, weshalb unsere Projektleiter Fremdsprachenkenntnisse benötigen.“ Englisch? Nein, Mongolisch beispielsweise (für die seit Juni 2005 laufende Ausstellung „Dschingis Khan und seine Erben“) oder Arabisch (für die bis 21. August stattfindende Ausstellung „10.000 Jahre Kunst und Kultur aus Jordanien“). Zu groß ist die Gefahr, dass sich bei englischsprachigen Verhandlungen und Korrespondenzen Missverständnisse oder Verstimmungen ergeben. Regelkommunikation฀am฀„runden฀Tisch“ Alle zwei Wochen treffen sich die Projektleiter am „runden Tisch“ bei der Ausstellungsmanagerin. Der aktuelle projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 8฀฀ REPORT Projektstand, Schwierigkeiten und Probleme stehen auf der Agenda. Mit dabei sind auch die Abteilungsleiter aus der Verwaltung, den Abteilungen „Katalog & Marketing“ sowie „Infrastruktur & Technik“. Bemerkenswert an diesem Kommunikationskonzept: Alle Beteiligten werden einbezogen - auch dann, wenn sie aktuell (noch) nicht mit dem Projekt beschäftigt sind. „So ist jeder über den Stand der laufenden Arbeiten unterrichtet und weiß, was auf ihn zukommt“, sagt Susanne Wichert-Meisser. Die Projekt-Chefin hat es sich zur Pflicht gemacht, in der Projektleiterrunde angesprochene Probleme noch am gleichen Tag zu lösen - meistens in Einzelgesprächen direkt nach der Projektbesprechung. Schnelle Entscheidungen entlasten ihre Projektmanager. Und sie sind ein Signal, dass die Spitze der Bundeskunsthalle hinter ihren Projekten steht und die Zusage der Unterstützung kein Lippenbekenntnis ist. Ihren Jour fixe nutzen die Bonner zudem, um den Projektmanagement-Nachwuchs in seine künftigen Aufgaben einzuweisen. Sie setzen auf „Learning by Doing“. Am runden Tisch lernen die Einsteiger mögliche Schwierigkeiten des Projektalltags kennen und studieren gängige Lösungswege. „Wir arbeiten Hand in Hand, auch zwischen den Projekten“, hebt Maja Majer-Wallat die Kollegialität als Geist des Kulturbetriebs hervor. Projektmanagement,฀wo฀es฀nötig฀ist Wer in der Bundeskunsthalle nach einem ausführlich niedergeschriebenen Leitfaden sucht, der sucht vergebens. Auf die in der Wirtschaft gebräuchlichen Prozessbeschreibungen mit Pflichtaufgaben wie Risikomanagement wird verzichtet. Zu unterschiedlich sind die Projekte und die damit verbundenen Arbeitsschritte wie Kontaktaufnahmen in alle Welt, Gespräche und die damit verbundenen Reisen, Vertragsverhandlungen, Recherchen und kreativen Planungen. „Selbstverständlich haben wir kleinere Prozesse, die sich bei jeder Ausstellung wiederholen“, erklärt Wichert-Meissner. Kleinere Prozesse? „Die Erstellung des Katalogs, der Transport, die Entwicklung von Logos und Plakaten - wichtige Aufgaben, die vom Ablauf her dem gleichen Muster folgen.“ Auch wiederholen sich die Meilensteine: Vertragsunterzeichnung für Leihgaben, Planung der Ausstellung, Transport, Restaurierung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Katalogproduktion, Eröffnung und der Abbau. Eine engere Formalisierung würde die Projekte wohl eher lähmen als voranbringen, versichert man in der Bundeskunsthalle. Der „reinen Lehre“ folgt dies nicht. Dennoch, der Erfolg scheint den Bonnern Recht zu geben. In den zwölf Jahren ihres Bestehens haben sie noch keinen Eröffnungstermin verschieben müssen. Das, so Majer- Wallat, wäre schlichtweg undenkbar: Die Besucher um eine Woche Geduld bitten? Unmöglich. Sie räumt ein, dass sehr gelegentlich zur Pressekonferenz „die Kataloge noch warm von der Trocknung“ sind. Solch ein „Missgeschick“ ist denn auch verzeihlich und geht höchstens als Anekdote in die ungeschriebene Museumsgeschichte ein. Info: www.bundeskunsthalle.de ■ aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 9฀฀ V-Modell฀XT฀löst฀V-Modell฀97฀ab Otto฀Schily฀stellt฀neuen฀Entwicklungsstandard฀für฀IT-Systeme฀vor Manfred฀Saynisch Ursprünglich฀im฀Auftrag฀des฀Verteidigungsministeriums฀als฀Plattform฀zur฀Planung฀und฀ Durchführung฀von฀Systemprojekten฀entwickelt,฀gilt฀das฀V-Modell฀seit฀Ende฀der฀90er฀Jahre฀ als฀Entwicklungsstandard฀für฀IT-Systeme฀des฀Bundes฀und฀vieler฀Großunternehmen.฀Anfang฀ des฀Jahres฀2005฀wurde฀das฀V-Modell฀XT฀fertig฀gestellt฀und฀löste฀das฀vorherige฀V-Modell฀97฀ ab.฀Mit฀der฀neuen฀Version฀will฀der฀Bund฀vermeiden,฀dass฀sich฀Desaster฀wie฀beim฀Maut- System฀Toll฀Collect฀oder฀der฀Software฀für฀Hartz฀IV฀wiederholen. I n einer feierlichen Auftaktveranstaltung zerschnitt Prof. Andreas Rausch Anfang Februar das rote Band für den „symbolischen Erlass des V-Modells XT“. Dazu waren Compactdiscs, die den neuen Entwicklungsstandard für IT-Systeme des Bundes enthielten, zu einem riesigen, mannshohen „V“ aufgeschichtet und mit dem roten Band umwickelt worden. Anschließend verteilte der Koordinator des Projekts die CDs unter den etwa 400 geladenen Gästen im voll besetzten Hörsaal 1 des Instituts für Informatik der TU München. Das war der originelle Vollzug eines ministeriellen Erlasses, denn das V-Modell XT soll neben Unternehmen vor allem Behörden eine Richtschnur für die Organisation und Durchführung von IT-Vorhaben sein. Wenn man daran denkt, wie sonst Erlasse von Ministerien bekannt gemacht und vollzogen werden - beispielsweise formal per Bundesanzeiger, den nur Eingeweihte lesen, oder so heimlich und missverständlich wie bei der Visa- Handhabung in der Ukraine -, war diese kommunikative Bekanntmachung ein Schritt nach vorne. Eigentlich sollte Innenminister Otto Schily das rote Band durchschneiden. Er eröffnete zwar noch die Veranstaltung mit dem Vortrag „Bedeutung von IT-Projekten im öffentlichen Bereich“, dann musste Schily jedoch nach Berlin weiterjetten, um Bundeskanzler Schröder über ein Gespräch mit Präsident George W. Bush zu berichten, das er am Vortag geführt hatte. Das฀„V-Modell฀XT“ Das „V“ steht für „Vorgehen“ und „XT“ für „eXtreme Tailoring“. Das Modell beschreibt detailliert, auf welche Art und Weise ein Projekt durchzuführen ist. Also etwa, welche Tätigkeit zu welchem Zeitpunkt erforderlich ist und wer wofür verantwortlich ist. Ein besonderes Merkmal ist die XT-Agilität, das „eXtreme Tailoring“, das je nach Projektart und Organisation ein maßgeschneidertes Vorgehen erlaubt. Weiterhin hervorzuheben sind der Bausteincharakter, das Sichtenkonzept und die durchgängige Werkzeugunterstützung (Open-Source-Werkzeuge) des Modells. Wissenschaftler der TU München und der TU Kaiserslautern entwickelten den Entwicklungsstandard gemeinsam mit den Industriepartnern EADS Deutschland GmbH, IABG mbH, Siemens AG und 4Soft GmbH. Manfred Broy, Professor an der TU München, und sein Kollege Andreas Rausch von der TU Kaiserslautern leiteten die Entwicklung. Das Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr (IT-AmtBw) und die Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt) im Bundesministerium des Innern vergaben den Auftrag mit einem Gesamtvolumen von vier Millionen Euro. Diese Kosten haben sich die Behörden und die Industrie im Rahmen einer Public Private Partnership geteilt. Wie groß die Bedeutung des Vorgehensmodells für den Bund mittlerweile ist, zeigt sich darin, dass es sowohl im militärischen Bereich als auch für den Verwaltungsbereich der Bundesbehörden als verbindlicher Standard gilt. „Wir hoffen, dass das V-Modell XT auch zum Industriestandard wird und von der Industrie selbst weiter gepflegt wird“, führte Broy aus. Im Moment ist das Vorgehensmodell noch ein rein deutsches Projekt. „Leider gibt es in der Europäischen Union kein einheitliches Modell“, beklagte der Professor, „In Europa gibt es auch kein starkes Institut für Softwareentwicklung.“ Da seien die USA mit ihrem „Software Engineering Institute“ (SEI), welches das CMMI entwickelt hat, im Vorteil. Die beteiligten Unternehmen haben jedoch ein erhebliches Interesse daran, dass das neue Vorgehensmodell nicht auf der Ebene eines nationalen Standards stehen bleibt. „Wir müssen vielfach in internationalen Kooperationen arbeiten“, erläutert Heinrich Dämbkes von der EADS. Man denkt daher daran, das V-Modell XT auf die internationale Ebene auszuweiten. Aber dann muss auf die national und international etablierten Regelungen stärker eingegangen werden, beispielsweise auf die ISO-Normen oder das Prince2-Modell aus England. Das V-Modell XT berücksichtigt beispielsweise die ISO EN DIN 10007 zum Konfigurationsmanagement nur unzureichend und bildet eine eigene Begriffswelt. Missverständnisse und Arbeitsschwierigkeiten sind dann die üblichen Folgen. In den Vorläufermodellen, etwa dem V-Modell 97, entsprachen die Begriffe noch den entsprechenden Normen. Extrem฀maßgeschneidert Das erste V-Modell ist 1990 von der IABG im Auftrag projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 10฀฀ REPORT des Verteidigungsministeriums entwickelt worden. 1992 wurde es vom Innenministerium übernommen. Eine umfassende Aktualisierung wurde 1997 durchgeführt (V-Modell 97). Dieses Modell wird nun durch das V-Modell XT abgelöst. Eine breite Resonanz und Anwendung waren den bisherigen Modellen nicht beschieden, obwohl sie auch schon Tailoring-Konzepte beinhalteten. „Das V-Modell 97 galt stellenweise als etwas schwerfällig“, urteilte Broy. Den Eindruck, das neue XT-Modell könnte auch „zu starr und schwergewichtig“ sein - wie es dem Vorgänger oft vorgehalten wurde - will Rausch erst gar nicht aufkommen lassen. „Die Bedienungsanleitung umfasst nur 80 Seiten, davon 40 Seiten Beispielmodell, alle anderen 700 Seiten sind wie ein Telefonbuch eher ein Nachschlagewerk.“ Auch ein präzise denkender Innenminister muss sich über manches erst aufklären lassen. „Ich war sehr überrascht, als ich von meinen Mitarbeitern auf eine Untersuchung der Standish Group aufmerksam gemacht wurde“, erzählte Schily den Zuhörern. Die wichtigste Aussage dieser Studie: Nur ein Viertel aller IT-Projekte werden erfolgreich abgeschlossen. Drei Viertel halten Termin-, Kosten- und Qualitätsvorgaben nicht ein oder werden ganz abgebrochen. „Die Untersuchung hieß bezeichnenderweise ,Chaos-Report‘“, scherzte der Minister. „Auch wir haben ja einige schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Einige Bundesprojekte waren kurz vor dem Entgleisen, dann haben wir sie aber wieder hingekriegt.“ Kurzes Gelächter im Saal. Schily ließ offen, ob er das Desaster mit Toll Collect, die Arbeitslosengeld-II- Software, die elektronische Gesundheitskarte oder das Projekt Herkules meinte. In Bezug auf das „eXtreme Tailoring“ im neuen V-Modell erklärte Italien-Fan Schily: „Wer einem italienischen Herrenschneider zuschaut und sieht, welche Sorgfalt da aufgewandt wird, der weiß wie anspruchsvoll eine Maßschneiderei ist.“ So verkündete er stolz: „Die Bundes-IT hat einen neuen Maßanzug.“ Die XT-Version nimmt neben den „Produkten“ und „Aktivitäten“ erstmals auch die „Rollen“ zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in den Blick. Das V-Modell 97 war extrem auftragnehmerorientiert. „Viele der Schwierigkeiten resultieren aus Reibungsverlusten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer“, konstatierte Broy. Hierbei auch die Auftraggeber bei dem neuen Modell stärker in die Pflicht zu nehmen lag besonders den Industrievertretern am Herzen - vor allem bei Projekten, die Neuland betreten und bei denen das Risiko entsprechend hoch ist. Die฀V-Welt฀mit฀den฀Vorgehensbausteinen฀des฀„V-Modells฀XT“ V-Modell®฀XT,฀©฀Bundesrepublik฀Deutschland฀2004 aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 11฀฀ V-Modell฀XT฀-฀Eine฀Übersicht Das V-Modell XT umfasst eigentlich drei Vorgehensmodelle, die eng miteinander vernetzt sind: ❏฀ Systementwicklung Auftraggeber, ❏฀ Systementwicklung Auftragnehmer und ❏฀ Einführung und Pflege eines spezifischen Vorgehensmodells. Das V-Modell XT ist nach dem Baukastenprinzip verwirklicht. Dadurch kann der Anwender sein Vorgehen aus den angebotenen Bausteinen individuell zusammenstellen. So nutzt ein Auftragnehmer das V-Modell anders als ein Auftraggeber. Beispielsweise braucht eine Firma, die sich um einen Entwicklungsauftrag bewirbt, den Vorgehensbaustein zur „Angebotserstellung und Vertragserfüllung“. Darin enthalten sind Produkt- und Aktivitätenbeschreibungen wie „Bewertung der Ausschreibung“ oder „Vertrag“. In der Abbildung „Die V-Welt“ sind die Bausteine des Modells den Erdteilen zugeordnet. Es gibt einen V-Modell-Kern, der durch Nord- und Südamerika repräsentiert wird. Hier sind die Bausteine: ❏฀ Projektmanagement (z. B. elf Produkte beim Auftraggeber), ❏฀ Qualitätssicherung, ❏฀ Konfigurationsmanagement und ❏฀ Problem- und Änderungsmanagement. Durch die unterschiedliche Schattierung ist leicht zu erkennen, dass diese Kernbausteine Auftraggeber wie Auftragnehmer betreffen. Der Kontinent Afrika ist weitgehend dem Auftraggeber vorbehalten. Hier ist der wichtigste Baustein die Anforderungsfestlegung mit drei Produkten. Der europäische und asiatische Kontinent beherbergen die Bausteine für den Auftragnehmer, wie ❏฀ Systemerstellung, ❏฀ SW-Entwicklung, ❏฀ HW-Entwicklung und ❏฀ Angebotserstellung. Weitere฀Informationen Die öffentliche Hand stellt das V-Modell XT den Anwendern auf der Internetseite der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung (KBSt) - www.kbst. bund.de - kostenfrei zur Verfügung. Ein Download ist auch unter www.v-modell-xt.de möglich. Das Fraunhofer-lnstitut für Experimentelles Software Engineering hat eine Lerntour erarbeitet, die auf der gleichen Website unter „V-Modell->Support->Lerntour“ zu finden ist. Diese virtuelle Lerntour ist bedeutsam für kleine Unternehmen, die ausdrücklich auch im Fokus des V-Modells XT stehen. Darüber hinaus bieten eine Reihe von Unternehmen, die mit der Entwicklung des V-Modells vernetzt waren, bereits ihre Dienstleistungen an (Software, Beratung, Seminare, Coaching, Support), wie 4SOFT, Borland, IBM (Rational), IABG oder Siemens. Die Firma microTOOL hat das V-Modell XT in ihr „in-Step“-Management-System integriert. Borland und IBM haben für ihre Softwareprodukte Schnittstellen zum V-Modell XT geschaffen. Kontakt zum Autor: M.Saynisch@GPM-IPMA.de ■ projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 13฀฀ WISSEN Projektmanagement฀in฀der฀ Automobilindustrie฀ Herausforderungen฀in฀einer฀dynamischen฀Branche฀ Gerhard฀Hab,฀Reinhard฀Wagner Die฀Automobilindustrie฀befindet฀sich฀in฀einem฀atemberaubenden฀Wandel.฀Einerseits฀hat฀die฀ Branche฀wie฀keine฀andere฀von฀der฀Globalisierung฀profitiert฀-฀weltweit฀erwirtschaften฀mehr฀ als฀neun฀Millionen฀Beschäftigte฀in฀der฀Automobilindustrie฀ca.฀15฀Prozent฀des฀Welt-Bruttosozialproduktes฀-฀andererseits฀müssen฀sich฀die฀Unternehmen฀der฀Branche฀aber฀auch฀den฀ wachsenden฀Anforderungen฀dieser฀Globalisierung฀stellen.฀Neue฀Märkte฀müssen฀erschlossen฀und฀entsprechende฀Produktionskapazitäten฀aufgebaut฀werden.฀Die฀Entwicklung฀und฀ Produktion฀von฀Fahrzeugen฀finden฀in฀zunehmendem฀Maße฀im฀weltweiten฀Kontext฀statt.฀Die฀ arbeitsteiligen฀Prozesse฀erfordern฀dabei฀ein฀Höchstmaß฀an฀Koordination฀und฀Kooperation฀ über฀räumliche,฀zeitliche,฀sprachliche฀und฀vor฀allem฀kulturelle฀Barrieren฀hinweg.฀Dabei฀ rückt฀insbesondere฀das฀Projektmanagement฀in฀das฀Visier฀der฀Bemühungen,฀die฀Wettbewerbsfähigkeit฀der฀Unternehmen฀zu฀verbessern.฀Im฀Folgenden฀sollen฀deshalb฀Ausgangsbedingungen,฀Verbesserungspotenziale฀sowie฀mögliche฀Handlungsoptionen฀aufgezeigt฀ werden.฀ Der฀Verdrängungswettbewerb฀prägt฀die฀Branche Die anhaltende Sättigung in den wichtigsten Absatzmärkten der Automobilindustrie (USA, Europa und Japan) führt zu einem verschärften Verdrängungswettbewerb zwischen den Herstellern. Diese versuchen, durch eine Ausweitung der Modellpalette sowie innovative Produkteigenschaften neue Käufer für ihre Fahrzeuge zu finden. Damit steigen allerdings auch die Anforderungen im Produktentstehungsprozess. Neue Fahrzeuge werden in immer kürzeren Abständen und zu verringerten Entwicklungsbudgets auf den Markt gebracht. Gleichzeitig wird fieberhaft daran gearbeitet, auch die Qualität der Fahrzeuge zu verbessern, um die gestiegenen Kundenanforderungen zu befriedigen und kostspielige Rückrufaktionen zu vermeiden. Die Automobilhersteller haben sich in den letzten Jahren zunehmend auf ihre eigenen Kernkompetenzen konzentriert und große Teile der Wertschöpfung auf kompetente Zulieferer verlagert. Diese übernehmen heute in hohem Maße Verantwortung für die Entwicklung und Fertigung von Modulen, Systemen sowie teilweise sogar kompletten Fahrzeugen. Dabei nehmen die Zulieferbeziehungen nicht selten globale Dimensionen an, entweder weil die Hersteller ihre Aktivitäten global ausgerichtet haben und regionale Zuliefernetzwerke knüpfen oder weil bessere Möglichkeiten in der Logistik eine Ausnutzung der weltweit unterschiedlichen Kostensituation (z. B. Lohnkosten) ermöglichen. Gleichzeitig erhöht sich damit aber auch die Komplexität der Fahrzeugprojekte, da in der Regel mehrere Hundert Zulieferer an den Prozessen beteiligt sind und entsprechend angesteuert werden müssen. Die Anforderungen an das Projektmanagement steigen. Projektmanagement฀mit฀Verbesserungspotenzial In einer gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) im Jahre 2003 durchgeführten Studie [1] mit dem Titel „Automobilentwicklung in Deutschland - wie sicher ist die Zukunft? “ fanden wir heraus, dass ein Optimierungspotenzial von annähernd 30 Prozent in der Automobilentwicklung realisierbar wäre, wenn die Hersteller wie auch die Zulieferer nur konsequent genug handeln würden. Dabei nimmt insbesondere das Projektmanagement eine herausragende Rolle bei der Optimierung ein. So ist bislang vielen Unternehmen der Branche die strategische Bedeutung von Projektmanagement noch nicht bewusst. Einzelne Hersteller, aber auch große Automobilzulieferer werden hauptsächlich von Marketing, Design und Technik bestimmt. Das Projektmanagement hat oft keinen strategischen Einfluss und wird als reine „Koordinationsfunktion“ wahrgenommen. Entsprechend unverbindlich sind Vorgaben und Steuerungsmaßnahmen hinsichtlich Qualität, Kosten und Terminen. Die unweigerliche Folge: Es฀besteht฀dringender฀Handlungsbedarf,฀den฀ Stellenwert฀des฀Projektmanagements฀bei฀ Herstellern฀und฀Zulieferern฀zu฀erhöhen operative Hektik und Mängel in der Projektabwicklung, die dann in Form von hohem Zeit- und Kostendruck an die nachgelagerten Zulieferer weitergegeben werden. Die Probleme potenzieren sich und gefährden damit den Erfolg einer ganzen Branche. Es besteht dringender Handlungsbedarf, den Stellenwert des Projektmanageprojekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 14฀฀ WISSEN ments bei Herstellern und Zulieferern zu erhöhen, das Projektmanagement als zentrale Funktion in der jeweiligen Organisation zu verankern und durch eine Professionalisierung der PM-Prozesse und -Methoden zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beizutragen. Dabei gilt es, vielfältige Wechselwirkungen und Einflüsse auf das Projektmanagement zu berücksichtigen (Abb. 1). So muss sich das Projektmanagement einerseits nach den Bedürfnissen des Marktes sowie den Anforderungen der gewählten Strategie richten. Andererseits sollte aus der Strategie auch klar hervorgehen, welche Rolle das Projektmanagement im Unternehmen spielt, damit sich alle Beteiligten daran orientieren können. Das Projektmanagement plant und steuert die operative Umsetzung der Projekte in Richtung vereinbarter Ziele unter Berücksichtigung der vorgegebenen Kosten und Termine. Damit diese Koordinationsaufgabe möglichst optimal erfüllt werden kann, müssen vielfältige Prozesse (u. a. Führungs-, PM-, Unterstützungs- und Wertschöpfungsprozesse) sowie die organisatorischen Strukturen aufeinander abgestimmt werden. Auch hier sollte der Bedeutung von Projektmanagement Rechnung getragen und entsprechende PM-Prozesse sowie Strukturen geschaffen werden. Schließlich gilt es auch noch, die kulturellen Voraussetzungen für eine bereichswie unternehmensübergreifende Kooperation zu schaffen. In einer Gemeinschaftsstudie der GPM-Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ und der Universität Augsburg (Prof. Fritz Böhle) zum Thema „Cross-Company-Collaboration-PM (C3PM)“ konnten wir nachweisen, dass es bei den unternehmensübergreifenden Verflechtungen in der Automobilindustrie für den Projekterfolg vor allem auf die Fähigkeit zur Kooperation ankommt [3]. Das bedeutet insbesondere, neben den „Hard Facts“ (technischorganisationale Faktoren) im Projektmanagement auch den „Soft Facts“ (soziokulturelle Faktoren) einen entsprechenden Platz einzuräumen. Automotive-Projektmanagement฀zur฀Reife฀bringen Die kontinuierliche Verbesserung des Projektmanagements in den Unternehmen der Automobilindustrie und die Erreichung eines professionellen Niveaus sind selbst ein Veränderungsprojekt, das sorgfältig geplant und umgesetzt werden muss. Mit dem Project Management Maturity Modell (PMMM) steht hierfür ein bewährtes Vorgehensmodell zur Verfügung [4]. Das PMMM basiert auf dem Capability Maturity Model (CMM) des Software Engineering Institute (SEI) und zeigt den Reifegrad des Projektmanagements im Unternehmen sowie den entsprechenden Handlungsbedarf von der untersten Leistungsstufe („Initial Process“) bis zur obersten Leistungsstufe („Optimized Process“) auf (Abb. 2). Allerdings lassen viele Unternehmen „diese gezielte, strukturierte und abgestimmte Weiterentwicklung des Projektmanagements“ vermissen [5]. Bosch hat als einer der ersten Automobilzulieferer in Deutschland das Reifegradmodell auf das Projektmanagement übertragen [6]. Kontinuierliche (Selbst-)Bewertungen des aktuellen Reifegrades im Unternehmen sowie regelmäßige Vereinbarungen mit dem Management über die Reifegradziele erleichterten dabei den Veränderungsprozess. Damit können die Voraussetzungen für eine einheitliche und effiziente Projektabwicklung innerhalb der Unternehmen geschaffen werden. Doch wie sieht die Verbesserung des Projektmanagements bei der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern im Verlauf der Produktentstehung aus? MARKT Prozesse Strategie Struktur Kultur Projektmanagement Q T K Abb.฀1: ฀Wechselwirkungen฀und฀Einflüsse฀auf฀das฀Projektmanagement฀[2] Initial Process Structured Process and Standards Organizational Standards and Institutionalized Process Optimizing Process Managed Process Prozess ist ausgereift und wird regelmäßig angepasst/ optimiert Prozess wird ordnungsgemäß umgesetzt und betreut Prozess ist institutionalisiert und organisatorische Standards wurden implementiert Prozess und seine mitgeltenden Standards liegen vor Für den Prozess ist nur eine rudimentäre Definition vorhanden 1 2 3 4 5 Abb.฀2: ฀Die฀fünf฀Leistungsstufen฀des฀PMMM฀[5] aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 15฀฀ Standards฀im฀Automotive-Projektmanagement! ? Momentan ist zu beobachten, dass die Unternehmen der Automobilindustrie versuchen, auf die Bedürfnisse des eigenen Unternehmens zugeschnittene, standardisierte Projektmanagement-Systeme zu etablieren. Aber selbst im eigenen Unternehmen stößt dies oft schon an Grenzen, weil z. B. der IT- Bereich sein eigenes Projektmanagement-System betreiben möchte oder Bereichsegoismen eine einheitliche Umsetzung erschweren. Um wie viel schwerer erscheint da erst die Einführung eines branchenweiten Projektmanagement-Standards! Auf der GPM-Expertentagung am 10. und 11. November 2004 in Darmstadt zum Thema „Trends im Automotive-Projektmanagement“ wurde im Rahmen einer Zukunftswerkstatt nach den wichtigsten Entwicklungen für das Projektmanagement der Branche gefragt [7]. Das Ergebnis: Die Teilnehmer sehen die kontinuierliche Verbesserung und Standardisierung des Projektmanagements in der Branche als eine der wichtigsten Herausforderungen für die Zukunft. Das฀„babylonische฀Sprachgewirr“฀im฀ Projektmanagement฀führt฀zu฀unnötigen฀ Reibungsverlusten฀und฀Nachteilen฀im฀ Wettbewerb Dies hat die GPM-Fachgruppe „Automotive-PM“ Anfang des Jahres zum Anlass genommen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. In zwei intensiven Workshops bei Siemens VDO Automotive und DaimlerChrysler wurden die ersten grundlegenden Fragen geklärt. So kommt z. B. immer wieder klar zum Ausdruck, dass momentan schon eine hohe Regelungsdichte in der Automobilindustrie vorherrscht und eine Standardisierung im Projektmanagement nicht zu Lasten der Flexibilität gehen darf. Auf der anderen Seite wird aber auch beklagt, dass das „babylonische Sprachgewirr“ im Projektmanagement der Branche zu unnötigen Reibungsverlusten und damit zu Nachteilen im internationalen Verdrängungswettbewerb führt. Erklärtes Ziel der Fachgruppenarbeit ist es deshalb, einen PM-Standard für die Automobilindustrie zu erarbeiten, der „so grob wie möglich und so detailliert wie nötig“ ist. Der Standard soll zu einem gleichen Verständnis des Projektmanagements zwischen Automobilherstellern und Zulieferern beitragen, die nötige Orientierung im Verlauf der Projektabwicklung bieten sowie die Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen erleichtern. Dazu müssen relevante Prozesse, Begriffe, Methoden, Tools und Rollen im Projektmanagement in einem einheitlichen Referenz-Modell abgebildet werden. In Anlehnung an die TS 16949 * bildet das Prozesshaus das Herzstück des PM-Standards (Abb. 3). Darin werden die PM-Prozesse in Beziehung zu den Führungs-, Unterstützungs- und Wertschöpfungsprozessen gesetzt. Wertschöpfungsprozesse sind hier im engeren Sinne die Prozesse der Produktentstehung (u. a. Konzeption, Produktentwicklung und -verifizierung), wie sie im Band 4 Teil 3 des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) beschrieben sind [8]. Kunde Kunde PM-Prozesse Wertschöpfungs-Prozesse Unterstützungs-Prozesse Führungs-Prozesse Prozesshaus Methoden Tools Rollen Begriffe Abb.฀3: ฀Referenzmodell฀für฀den฀PM-Standard฀in฀der฀Automobilindustrie * Die Technical Specification (TS) 16949 wird zukünftig die zentrale QM-Norm für die Automobilindustrie sein, da sie die Anforderungen der QS 9000 (USA), der VDA 6.1 und der ISO 9000 ff. beinhaltet und somit übergreifende Standards definiert. projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 16฀฀ WISSEN Unterstützungsprozesse sind beispielsweise die Logistik, das Human Ressource Management und die EDV- Unterstützung. Von besonderer Bedeutung innerhalb der Führungsprozesse ist neben weichen Faktoren wie Kultur, Kommunikation und Teamarbeit insbesondere die Multi-Projektkoordination, d. h. die übergeordnete Koordination der Programme und Portfolios [2, S. 193 ff.] mit ihren vielfältigen Abhängigkeiten. Die Projektmanagement-Prozesse können thematisch in Prozessgruppen untergliedert werden, so z. B. Prozessuntergruppen für die Kosten, die Termine, das Risiko und die Qualität. Innerhalb jeder Prozessuntergruppe laufen nun vielfältige Prozesse ab, die mit ihren Eingangs- und Ausgangsgrößen sowie ihren Beziehungen zu den Führungs-, Unterstützungs- und Wertschöpfungsprozessen dargestellt werden können. Schließlich müssen noch die für die Ausführung der Prozesse nötigen Begriffe, Rollen, Methoden und Tools eindeutig zugeordnet werden, damit die oben erwähnte Zielsetzung erreicht wird. Das Referenzmodell wird in den kommenden Monaten weiter ausgearbeitet und auf der nächsten GPM-Expertentagung mit dem Titel „Collaborative Automotive Project Management“ (am 2./ 3. November im FIZ der BMW AG in München) vorgestellt. Wer Interesse an einer Mitarbeit in der GPM-Fachgruppe hat, sollte sich unter www.automotive-pm.de bei den Autoren melden. ■ Literatur [1]฀Bullinger,฀H.-J.; ฀Kiss-Preußinger,฀E.; ฀Spath,฀D.฀(Hrsg.): ฀ Automobilentwicklung฀in฀Deutschland฀-฀wie฀sicher฀ist฀die฀ Zukunft? ฀Chancen,฀Potenziale฀und฀Handlungsempfehlungen฀ für฀30฀Prozent฀mehr฀Effizienz.฀Fraunhofer฀IRB,฀Stuttgart฀2003 [2]฀Hab,฀G.; ฀Wagner,฀R.: ฀Projektmanagement฀in฀der฀Automobilindustrie.฀Wiesbaden฀2004฀(siehe฀hierzu฀die฀Besprechung฀ auf฀S.฀39฀in฀diesem฀Heft) [3]฀Pander,฀S.; ฀Wagner,฀R.: ฀Unternehmensübergreifende฀ Zusammenarbeit฀in฀der฀Automobilentwicklung฀-฀durch฀ erfahrungsgeleitete฀Kooperation฀die฀Grenzen฀der฀Planbarkeit฀überwinden.฀Mering฀2005 [4]฀Kerzner,฀H.: ฀Projektmanagement฀-฀ein฀systemorientierter฀ Ansatz฀zur฀Planung฀und฀Steuerung.฀Bonn฀2003,฀S.฀657฀ff. [5]฀Campana฀&฀Schott: ฀Das฀Project฀Management฀Maturity฀ Model.฀In: ฀Projektmagazin,฀Ausgabe฀11/ 2002 [6]฀Seibert,฀S.: ฀GPM-Expertentagung฀„Trends฀im฀Automotive-Projektmanagement“.฀In: ฀projektMANAGEMENTaktuell฀ 1/ 2005,฀S.฀49 [7]฀Wagner,฀R.: ฀Blick฀in฀die฀Darmstädter฀Zukunftswerkstatt: ฀ Standardisierung฀im฀Automotive-PM.฀In: ฀projektMANAGE- MENTaktuell฀1/ 2005,฀S.฀49 [8]฀VDA฀(Hrsg.): ฀Sicherung฀der฀Qualität฀vor฀Serieneinsatz฀-฀ Projektplanung.฀Band฀4,฀Teil฀3.฀Frankfurt฀a.฀M.฀1998,฀S.฀20 Schlagwörter Kooperation฀im฀Automotive-Bereich,฀Produktentstehungsprozess,฀Referenzmodell,฀Reifegradmodell฀in฀der฀Automobilwirtschaft,฀Standards฀im฀Automotive-Projektmanagement Autor Dipl.-Wirtschaftsingenieur฀Gerhard฀ Hab,฀zert.฀Projektmanager฀(GPM),฀ geb.฀1964,฀verheiratet,฀zwei฀Kinder,฀ war฀zehn฀Jahre฀in฀verschiedenen฀ Controlling-฀und฀Projektmanagement- Positionen฀in฀der฀Automobilzulieferindustrie฀tätig.฀Seit฀1998฀begleitet฀ er฀vorwiegend฀Unternehmen฀der฀ Automobilbranche฀als฀Berater฀und฀Coach฀für฀Projektmanagement.฀Sein฀Lieblingsthema฀ist฀das฀„projektorientierte฀ Unternehmen“.฀Er฀trainiert฀und฀coacht฀Projektleiter฀und฀ -teams฀und฀ist฀Autor฀verschiedener฀Studien฀und฀Veröffentlichungen฀zum฀Projektmanagement.฀Als฀Lehrbeauftragter฀ und฀Gastdozent฀für฀Projektmanagement฀ist฀er฀an฀der฀FH฀ München,฀der฀FH฀Augsburg฀und฀der฀Universität฀Augsburg฀ tätig.฀Im฀Rahmen฀der฀GPM฀Deutsche฀Gesellschaft฀für฀Projektmanagement฀e.฀V.฀leitet฀er฀die฀Regionalgruppe฀Augsburg฀ sowie฀(gemeinsam฀mit฀Reinhard฀Wagner)฀die฀Fachgruppe฀ „Automotive-Projektmanagement“.฀Im฀Jahr฀2001฀hat฀er฀das฀ PM-Forum-Augsburg฀gegründet. Anschrift hab.projekt.coaching Werner-Heisenberg-Str.฀3 D-86156฀Augsburg Tel.: ฀08฀21/ 44฀48฀84-0 Fax: ฀08฀21/ 44฀48฀84-9 E-Mail: ฀office@hab-projekt-coaching.de Autor Dipl.-Ing.฀Dipl.-Kfm.฀Reinhard฀Wagner,฀ geb.฀1966,฀verheiratet,฀zwei฀Kinder,฀ wohnt฀in฀Friedberg฀bei฀Augsburg.฀Er฀ studierte฀Elektrotechnik฀und฀Betriebswirtschaftslehre฀in฀Deutschland฀und฀ den฀USA.฀Erste฀Führungserfahrung฀ übernahm฀er฀als฀Offizier฀in฀der฀Bundeswehr.฀Seit฀fast฀zehn฀Jahren฀ist฀er฀ in฀verschiedenen฀Führungspositionen฀in฀der฀Entwicklungsdienstleistung,฀insbesondere฀in฀der฀Automobilindustrie,฀ tätig.฀Seine฀fachlichen฀Schwerpunkte฀liegen฀dabei฀vor฀ allem฀auf฀den฀Gebieten฀des฀Entwicklungs-฀und฀Projektmanagements.฀Reinhard฀Wagner฀leitet฀den฀Fachbereich฀ Consulting฀der฀euro฀engineering฀AG,฀eines฀führenden฀deutschen฀Entwicklungsdienstleisters.฀Darüber฀hinaus฀engagiert฀er฀sich฀als฀Lehrbeauftragter฀für฀Projektmanagement฀ an฀den฀Fachhochschulen฀Augsburg,฀München฀und฀Neu- Ulm,฀gemeinsam฀mit฀Gerhard฀Hab฀als฀Leiter฀der฀GPM-Fachgruppe฀„Automotive-Projektmanagement“฀sowie฀in฀der฀ GPM-Fachgruppe฀„Normung“฀bei฀der฀prozessorientierten฀ Ausrichtung฀der฀DIN-Norm฀zum฀Projektmanagement. Anschrift euro฀engineering฀AG Fachbereich฀Consulting Ehrenbreitsteiner฀Str.฀36 D-80993฀München Tel.: ฀0฀89/ 35฀77฀51-1฀17 Fax: ฀0฀89/ 35฀77฀51-1฀70 Mobil: ฀0172/ 8฀53฀00฀99 E-Mail: ฀reinhard.wagner@euro-engineering.de aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 17฀฀ Vom฀Unternehmens-฀zum฀Partnernetzwerk Andreas฀Meyer-Eggers Die฀Bertrandt฀AG฀ist฀einer฀der฀führenden฀Entwicklungsdienstleister฀der฀internationalen฀ Automobil-฀und฀Luftfahrtindustrie฀in฀Europa.฀Von฀20฀Standorten฀aus฀bietet฀das฀Unternehmen฀ die฀gesamte฀Entwicklungsprozesskette฀von฀der฀ersten฀Idee฀bis฀hin฀zur฀Entwicklung฀kompletter฀Module฀und฀Fahrzeuge฀an.฀Zur฀Darstellung฀der฀durchgängigen฀Entwicklungsprozesskette฀wurde฀das฀Leistungsspektrum฀in฀den฀vergangenen฀Jahren฀kontinuierlich฀ausgebaut.฀ Hierzu฀hat฀das฀Unternehmen฀das฀„Bertrandt฀Engineering฀Network“฀implementiert.฀Parallel฀ wurde฀das฀interne฀Projekt฀„b.Xcellent“฀(sprich: ฀„be฀excellent“)฀gestartet,฀um฀die฀interdisziplinäre฀Zusammenarbeit฀zwischen฀Herstellern,฀Entwicklungsdienstleistern฀und฀Systemlieferanten฀in฀komplexen฀Projekten฀und฀über฀Landesgrenzen฀hinaus฀durch฀standardisierte฀ Prozesse฀und฀Technologien฀abzusichern. Automobilindustrie฀im฀Wandel Bis Anfang der neunziger Jahre lag die Entwicklung nahezu jedes einzelnen Bauteils in den Händen der Automobilhersteller. Die Zulieferer waren vorwiegend ihre verlängerte Werkbank, die Ingenieurdienstleister die vergrößerte Konstruktionsabteilung. Eine Vernetzung von Teams über Abteilungs- oder gar Niederlassungsgrenzen hinaus gab es nicht. Der Anfang der 90er Jahre einsetzende Strukturwandel veranlasste die Hersteller zum Umdenken. Kosten mussten gesenkt und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den japanischen Mitbewerbern verbessert werden. Die Folge waren Rationalisierung und die Verlagerung von Leistungen nach außen. Die Zulieferer wurden in eine größere Eigenverantwortlichkeit entlassen, die Ingenieurdienstleister als flexible Partner stärker eingebunden. Diese neue Verantwortung machte es erforderlich, dass die Fachkräfte des Entwicklungsdienstleisters sich zunehmend mit den Schnittstellen und Funktionen von Bauteilen auseinander setzen mussten. Zu den „Schnittstellen“ gehörten nun zum Beispiel auch Entwickler angrenzender Bauteile. Grundsätzlich blieben der Mitarbeiter und der Auftrag aber in der Verantwortung einer Abteilung, das heißt Blechteile im Rohbau-, Kunststoffumfänge im Kunststoff-Bereich. Durch die zunehmende Modellvielfalt und verkürzte Modellzyklen wurden die Entwicklungsingenieure von einst zu „echten“ Partnern, unter anderem bei Entwicklungsprojekten auf Modulbasis oder der Entwicklung von Nischenfahrzeugen und Fahrzeugvarianten (Coupé, Cabriolet). Komplexitätsmanagement ist seitdem ein wichtiger Punkt in der Projektarbeit. Entwicklungsverantwortung heißt heute, die Zielvorgaben des Kunden bezüglich Kosten, Qualität und Terminen einzuhalten und darüber hinaus für komplexe Aufgaben wie ❏฀ Absicherung der Herstellbarkeit (Teileherstellung, Schweiß- und Lackierbarkeit etc.), ❏฀ Gewährleistung der Funktionalität, wie zum Beispiel Steifigkeit von Türen, ❏฀ Crash/ Sicherheit (bei einem Auffahrunfall muss sich die Fahrzeugstruktur zur Energieaufnahme verformen, die Fahrgastzelle jedoch für den Insassenschutz stabil bleiben) und ❏฀ Integration (viele unterschiedliche Module ergeben ein in sich geschlossenes Endprodukt) verantwortlich zu sein. Um diese zu gewährleisten, werden Fachbereiche, Experten und Entwickler hinzugezogen. Die Netzwerkfähigkeit ist in diesem Zusammenhang zu einer Grundvoraussetzung geworden, um komplexe Projektaufgaben erfolgreich zu bearbeiten. Das฀Bertrandt-Netzwerk Bertrandt hat diese Entwicklung erkannt und frühzeitig darauf reagiert. Auf die steigenden Anforderungen im Projektgeschäft hat das Unternehmen 2003 mit der Implementierung des „Bertrandt Engineering Network“ reagiert und die Angebotspalette in die Leistungsbereiche Vernetzung Wachstum Jahre 1980-1990 1990-2000 Konstruktions- Know-how Entwicklung Module Entwicklung Derivate 2000- Komplexität hoch niedrig niedrig hoch Bertrandt AG Entwicklung Bauteile Abb.฀1: ฀Struktureller฀Wandel฀in฀der฀Automobilindustrie; ฀Quelle: ฀Bertrandt projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 18฀฀ WISSEN Entwicklungsbegleitende Dienstleistungen, Bearbeitung von Fachthemen sowie Entwicklung von Modulen und Fahrzeugderivaten differenziert. Darüber hinaus wurde eine länder- und niederlassungenübergreifende Fachbereichsorganisation eingezogen. Hierdurch soll vorhandenes Wissen in den Bereichen Elektronikentwicklung, Powertrain (Antriebsstrang bestehend aus Motor, Getriebe und Fahrwerk), Versuch und Entwicklung begleitende Dienstleistungen besser genutzt und Vorteile für den Kunden sollen durch eine effiziente Vernetzung des Know-hows realisiert werden. Um die Mitarbeiter als Stütze dieses Prozesses mit einzubinden, wurde u. a. ein neues Unternehmensleitbild implementiert. Die Kompetenzen im Bertrandt Engineering Network sind mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf die verschiedenen Niederlassungen verteilt. Aus diesem Bertrandt-weiten Netzwerk heraus werden entsprechend dem Kundenauftrag die Teams nach Bedarf zusammengestellt, indem bestehende und definierte Knoten zu einem Projekt zusammengeschaltet werden. Koordination฀des฀Netzwerkes฀durch฀die฀Bertrandt฀ Projektgesellschaft฀mbH Um dieses Netzwerk zu steuern, wurde im Oktober 2002 die Bertrandt Projektgesellschaft mbH (BPG) gegründet. Gemeinsam mit allen Niederlassungen wird das im Konzern vereinte Know-how gebündelt und weiterentwickelt. Wie kann man sich das Zusammenspiel in diesem Netzwerk praktisch vorstellen? Die Niederlassungen vor Ort halten den direkten Kontakt zum Kunden. Sie kennen ihre Ansprechpartner und deren Bedürfnisse genau. Bei umfassenden Projekten, wie der Entwicklung von komplexeren Modulen oder Fahrzeugderivaten, übernimmt die BPG die Projektsteuerung. Je nach Anforderung des Projektauftrages werden weitere Fachbereiche und Niederlassungen aus dem Bertrandt- Netzwerk eingebunden und externe Partner integriert. Hierzu zählen beispielsweise Systemlieferanten, die vom Hersteller bestimmt sind. Dieses Konglomerat aus Fachbereichen, Niederlassungen, Partnern und Systemlieferanten zu steuern und zu koordinieren ist Aufgabe der BPG. Sie versteht sich damit auch als Treiber und Moderator des Netzwerkes. Umsetzung฀des฀Netzwerkgedankens฀bei฀Bertrandt Die interdisziplinäre Entwicklungsarbeit setzt voraus, Schnittstellen zwischen den Prozessen, Technologien sowie unterschiedlichen Ansprechpartnern zu harmonisieren. Hierzu wurden bei Bertrandt eine Reihe flankierender Maßnahmen ergriffen, wie das unternehmensinterne Projekt „b.Xcellent“. b.Xcellent definiert in der übergreifenden Entwicklungsarbeit Standards in Produktdatenmanagement und -kommunikation. Hierbei gibt es drei wesentliche Treiber (siehe Abb. 4): 1. Menschen/ Kultur 2. Prozesse 3. Technologie Die Menschen, die im Bertrandt-Konzern arbeiten, bilden die tragende Säule der Entwicklungsleistung für die Kunden. Ihre hohe fachliche Kompetenz, das soziale Miteinander sowie ihre Leistungsbereitschaft sind der wesentliche Erfolgsfaktor für eine weitere solide Entwicklung des Unternehmens. Als wesentlichster Faktor der Arbeit im Netzwerk müssen sie den Netzwerkgedanken leben und mehr Verantwortung übernehmen - zum einen auf Grund der steigenden Komplexität der Entwicklungsaufträge und zum anderen als „Verantwortliche“ eines Knotenpunktes im Kompetenznetzwerk. Zusätzlich werden organisatorische Strukturen offener und flexibler. Mitarbeiter befinden sich nicht mehr in der Hülle einer Abteilung, sondern in einer Matrix- Abb.฀2: ฀Bertrandt฀Engineering฀Network; ฀Quelle: ฀Bertrandt฀ Zusammenarbeit im Projekt Die NL vor Ort hält den Kontakt zum Kunden Die BPG ist Auftragnehmer beim Kunden. Sie definiert und steuert alle Schnittstellen Systemlieferanten Partner - Erprobung - Fertigung - Prototypen u.a. Bertrandt Fachbereiche und Niederlassungen Bertrandt Niederlassung vor Ort Kunde BPG Die BPG als gelebtes Netzwerk im Unternehmen Abb.฀3: ฀Bertrandt฀Projektgesellschaft฀mbH฀(BPG); ฀Quelle: ฀Bertrandt฀ Handhabung des Netzwerkgedankens bei Bertrandt - 3 wesentliche Treiber sind für das Funktionieren eines Netzwerkes verantwortlich Netzwerk Technologie Prozesse Menschen/ Kultur Abb.฀4: ฀Der฀Netzwerkgedanke฀bei฀Bertrandt; ฀Quelle: ฀Bertrandt฀ aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 19฀฀ organisation mit ihrem Abteilungs-/ Teamleiter und dem Projektmanager als Führungskräfte. Außerdem müssen sie verschiedene Rollen wahrnehmen, wie etwa als Verantwortlicher für spezifische Entwicklungsumfänge, als Leiter ihres Entwicklungsteams und als Mitglied anderer Entwicklungsgruppen. Für den Mitarbeiter bedeutet dies ❏฀ die mentale Bereitschaft, sich laufend für Neues zu öffnen. Er ist häufig in Projekte eingebunden und hat mit den unterschiedlichsten Ansprechpartnern zu tun; ❏฀ persönlich steigende Anforderungen im Bereich der Hard- und Softskills hinsichtlich interdisziplinären Fach-Know-hows, Sprachen und Umgang mit anderen Kulturen; ❏฀ höhere Eigenverantwortung durch steigende Freiheitsgrade, wechselnde Rollen und räumliche Flexibilität. Diese veränderten Anforderungen an die Mitarbeiter werden durch eine entsprechende Unternehmenskultur unterstützt und flankiert, um das erforderliche Umfeld zu schaffen und eventuell vorhandene Barrieren abzubauen. Ein wichtiger Aspekt dieser Maßnahmen ist die gemeinsame Entwicklung von gemeinsamen Werten, Normen und Regeln. Hierzu gehört auch die bereits angesprochene Überarbeitung der Unternehmensleitlinien. Der zweite Treiber für den Wandel zu einem netzwerkorientierten Unternehmen sind standardisierte Geschäftsprozesse, die die Strukturen unterstützen. Im Rahmen von b.Xcellent wurden interne Prozesse überarbeitet und an die aktuellen Bedürfnisse angepasst. Diese Prozesse wurden anschließend gruppenweit implementiert. Die Standardisierung der Prozesse sichert einen reibungslosen internen Ablauf in den unterschiedlichen Kundenprojekten. Die Anpassung an spezifische Kundenanforderungen erfolgt an klar definierten Schnittstellen im Prozess. Auf dieser Basis können alle Mitarbeiter gesamtheitlich auf die internen Standardprozesse geschult werden. Dieses Vorgehen erlaubt ein verbessertes Zusammenarbeiten, schafft Vertrauen bei den Mitarbeitern und ermöglicht eine lernende Organisation mit dem Ziel, die Prozesse weiter zu optimieren. Zu den Kernprozessen gehört unter anderem der Bertrandt-Produktentstehungsprozess (PEP), der den Entwicklungsprozess und das Projektmanagement abbildet. In 2004 konnte sich Bertrandt mit den neuen Projekt-Management-Prozessen deutschlandweit als Preisträger des GPM Award (www.gpm-ipma.de) qualifizieren. Dieses Ergebnis hat dem Unternehmen gezeigt, dass die Überarbeitung und Implementierung der Prozesse erfolgreich waren. Alle Aktivitäten wurden auf einer dritten Ebene durch adäquate Technologien und Tools unterstützt. Als durchgängiges Enterprise-Backbone-System hat Bertrandt beispielsweise das bereits seit 1996 im Unternehmen eingesetzte System SAP ausgebaut. Ein weiteres Tool für ein übergreifendes Produktdatenmanagement ist das Product-Lifecycle-Management-System Enovia LifeCycleApplications. Dieses System verwaltet sämtliche Projekt- und Produktinformationen in einem ganzheitlichen operativen Entwicklungsverbund. Das฀Partnernetzwerk฀bei฀Bertrandt Im Rahmen der strategischen Ausrichtung der Bertrandt- Gruppe war man sich früh einig, nicht alle für die Entwicklung kompletter Fahrzeuge notwendigen fachlichen Kompetenzen selbst abzubilden. Mit dem Ziel, verlässliche Partner in die Projektarbeit einzubinden, wurde der Aufbau eines externen Netzwerkes in Angriff genommen. Das interne Netzwerk sollte durch die enge Verzahnung mit eigens sowie seitens der Kunden ausgewählten Partnern um ein externes Netzwerk erweitert werden. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff „Atmendes Netzwerk“ geprägt. Für das externe Netzwerk sieht Bertrandt die gleichen drei Treiber - Mensch/ Kultur, Prozesse, Technologie - wie für das interne Netzwerk. Noch mehr als in internen erfordert das Arbeiten in externen Netzwerken eine gezielte Abstimmung von Kompetenzen, Strukturen, Prozessen und Systemen aller beteiligten Unternehmen. Dies umzusetzen ist eine stetige Aufgabe, die zum Teil ein Balance-Akt bleiben wird. Es gibt nicht die Lösung, sondern auf einer definierten Basis muss ein gemeinsamer Weg mit den Partnern entwickelt werden. Grundsätzlich gilt, dass ein funktionierendes internes Netzwerk die Voraussetzung für ein funktionierendes externes Netzwerk ist. Das heißt, ❏฀ Menschen sind gewohnt, mit Verantwortung in flexiblen Strukturen umzugehen, ❏฀ Normen sowie die Werte und die Kultur der Unternehmen bilden den Rückhalt für die Mitarbeiter und unterstützen den globalen Netzwerkgedanken, Abb.฀5: ฀Bertrandt-Produktentstehungsprozess฀(PEP): ฀von฀der฀Idee฀bis฀zur฀Serienreife; ฀Quelle: ฀Bertrandt฀ Systemlieferant Systemlieferant Partner Partner Partner OEM OEM Bertrandt Netzwerk Partner Netzwerk ruhendes aktives Netzwerk Abb.฀6: ฀Atmende฀Netzwerke; ฀Quelle: ฀Bertrandt฀ projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 20฀฀ WISSEN ❏฀ die jeweils eingesetzte Technologie der Netzwerkpartner stellt definierte Anknüpfungsmöglichkeiten zur Verfügung (PLM = Product-Lifecycle-Management), ❏฀ die übergreifenden Standardprozesse sind abgestimmt und implementiert (zum Beispiel Prozess- und Projekt- Management). In einem von Wandel, Partnerschaften und projektbezogenen Kooperationen geprägten Umfeld hat Bertrandt die Weichen frühzeitig gestellt. Das Arbeiten in Netzwerken ist ein weiterer Schritt, um die Anforderungen der Zukunft zu erfüllen und die Organisation im dynamischen Umfeld „Automobilindustrie“ weiterzuentwickeln. ■ Schlagwörter Kooperation฀in฀Projekten,฀Koordination฀in฀Projekten,฀Netzwerke฀in฀Projekten,฀Product-Life-Cycle-Management,฀Produktentstehungsprozess Autor Andreas฀Meyer-Eggers฀leitet฀seit฀rund฀20฀Jahren฀Entwicklungsprojekte฀bei฀verschiedenen฀Entwicklungsdienstleistern฀in฀der฀Automobilindustrie.฀Als฀Projektmanager฀in฀der฀ Bertrandt฀Projektgesellschaft฀mbH฀ist฀er฀verantwortlich฀ für฀die฀Abwicklung฀von฀zwei฀Fahrzeugprojekten.฀Im฀Rahmen฀dieser฀Aufgaben฀hat฀er฀die฀Projektmanagement-Prozesse฀und฀-Methoden฀bei฀Bertrandt฀weiterentwickelt฀und฀ implementiert.฀ 2004฀wurde฀ein฀Projekt,฀das฀der฀Autor฀verantwortlich฀führte,฀Preisträger฀des฀ GPM-Award฀„Excellence฀im฀Projektmanagement“. Anschrift Bertrandt฀Projektgesellschaft฀mbH Birkensee฀1,฀D-71139฀Ehningen Tel.: ฀0฀70฀34/ 6฀56฀55฀14,฀Fax: ฀0฀70฀34/ 6฀56฀87฀00 E-Mail: ฀andreas.meyer-eggers@de.bertrandt.com www.bertrandt.com aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 21฀฀ C4P: ฀Die฀4฀C฀des฀Projektmanagements฀bei฀der฀Dräxlmaier฀Group Erfolgreiches฀Projektmanagement฀im฀komplexen฀Umfeld฀der฀Automobilindustrie฀ Hubertus฀C.฀Tuczek Die฀Anforderungen฀an฀das฀Projektmanagement฀sind฀in฀den฀letzten฀Jahren฀in฀der฀Automobilindustrie฀durch฀die฀Globalisierung฀und฀die฀damit฀verbundene฀höhere฀Komplexität฀erheblich฀ gestiegen.฀Um฀diesen฀Anforderungen฀gerecht฀zu฀werden,฀braucht฀man฀ein฀übergreifendes฀ Konzept,฀das฀den฀Projektteams฀ein฀erfolgreiches฀Arbeiten฀ermöglicht.฀Bei฀der฀Dräxlmaier฀ Group฀wurde฀hierzu฀der฀Ansatz฀des฀C4P-Projektmanagements฀entwickelt.฀Es฀stellt฀eine฀ Weiterentwicklung฀und฀Verknüpfung฀der฀bisher฀bestehenden฀Projektmanagement-Elemente฀ bei฀Dräxlmaier฀dar.฀Die฀4C฀bilden฀ein฀eingängiges฀Leitmotiv,฀das฀über฀die฀üblichen฀verfahrenstechnischen฀Kernelemente฀des฀Projektmanagements฀hinausgeht฀und฀das฀Unternehmen฀ als฀Ganzes฀einbindet. Automobilindustrie฀heute Die Automobilindustrie ist gekennzeichnet durch einen globalen Wettbewerb, der durch den Kampf um Marktanteile in den verschiedenen Regionen geprägt wird. Hierzu werden von den Automobilherstellern (OEM) mittlerweile in zunehmendem Maße erhebliche Rabatte auf die Volumenmodelle gewährt (Push-Prinzip, Fahrzeuge werden in den Markt gedrückt), während über vielfältige Nischenmodelle zusätzliche Käuferschichten erschlossen werden sollen. Um profitabel zu sein, müssen derartige Nischenmodelle mit spitzem Bleistift geplant werden, da sie meist nur in vergleichsweise geringen Stückzahlen verkauft werden. Darüber hinaus werden neue Modelle in immer kürzeren Zyklen auf den Markt gebracht. Technische Innovationen sind hierbei ein Muss und die stetig steigenden gesetzlichen Anforderungen, speziell im Bereich der Sicherheit, erhöhen die technische Komplexität. Dieser Kosten- und Leistungsdruck überträgt sich in starkem Maße auf die Zulieferer, da ihr Wertschöpfungsanteil mittlerweile deutlich über 50 % liegt. Auswirkungen฀auf฀das฀Projektmanagement Dieses komplexe Umfeld wirkt sich unmittelbar auf die Anforderungen an das Projektmanagement in der Branche aus. Heute müssen Neuentwicklungen mit höchsten Qualitätsanforderungen in zum Teil nur noch der halben Entwicklungszeit abgearbeitet werden, wie wir es noch vor wenigen Jahren gewohnt waren. Gleichzeitig wurden Ressourcen, sprich Budgets und infolgedessen Entwicklungskapazitäten, für ein Projekt deutlich reduziert, was ganz neue Anforderungen an die Effizienz in der Projektarbeit bedingt. Dazu kommt, dass durch die globale Verteilung der Wertschöpfungsketten die Projekte in zunehmendem Maße in internationalen Netzwerken abgearbeitet werden müssen, z. B. Entwicklung in Europa und Produktion in Nord-Amerika. Dies wird zum einen durch den Einsatz von fortschrittlichen Simulations-Tools ermöglicht. Diese „virtuellen“ Entwicklungsprozesse ersetzen in zunehmendem Maße den Bau von Prototypenwerkzeugen und sparen somit Zeit und Geld. In der digitalen Welt werden die einzelnen Komponenten auch hinsichtlich ihrer ZB(Zusammenbau)- Konfiguration optimiert, so dass der erforderliche Reifegrad für eine unmittelbare Erstellung von Serienwerkzeugen gegeben ist. Die Verifikation der Entwicklungsergebnisse mittels Qualifikationstests mit realer Hardware kann dadurch freilich nicht ersetzt werden. Zum anderen werden die Methoden des Projektmanagements verfeinert, um die effektive Zusammenarbeit im Projekt über die gesamte Lieferkette, d. h. vom OEM über den Tier 1 (System- oder Modullieferanten) bis zu den jeweiligen Unterlieferanten (Tier 2 - n), zu gewährleisten (Abb. 1). In der Dräxlmaier Group als System- Abb.฀1: ฀Gestiegene฀Anforderungen฀für฀das฀Projektmanagement projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 22฀฀ WISSEN und Modullieferant für Elektrik/ Elektronik und Fahrzeuginterieur wurde folglich diesem Bereich verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Projektmanagement฀bei฀Dräxlmaier: ฀Der฀C4P-Ansatz Die erfolgten Strukturierungen im Projektmanagement bei Dräxlmaier lassen sich mit 4 C bzw. dem Kürzel C4P anschaulich beschreiben. Die 4 C stehen hierbei für die Leitbegriffe Commitment, Competence, Cooperation und Communication (Abb. 2). Die englischsprachige Definition hierbei wurde gewählt, um den internationalen Anforderungen des Projektmanagements in der Dräxlmaier Group gerecht zu werden. Commitment ist die Ausgangssituation allen Handelns. Es bezieht sich auf die Verpflichtung der Leitung wie auch der Mitarbeiter für die jeweilige Aufgabe. Dies beinhaltet die Vereinbarung von Zielen (bzw. auch einer Vision) sowie die sich aus der Verpflichtung ergebenden Konsequenzen bei der Durchführung. Competence fächert sich in zwei Dimensionen auf. Zum einen bezieht sich der Begriff auf die geeignete Qualifikation der Mitarbeiter im Projekt, ohne die das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Den zweiten wichtigen Aspekt stellt die Entscheidungsbefugnis (Führungskompetenz) des Projektleiters und der Projektmitarbeiter gegenüber den Linienfunktionen dar. Cooperation beschreibt die Art und Weise der Zusammenarbeit. Hierzu gehört die konsequente Definition der zugehörigen Prozesse ebenso wie die Festlegung der Verantwortlichkeiten. Aus dieser Logik ergibt sich dann auch die Aufstellung in Form der Projektorganisation. Communication stellt eine der schwierigsten Disziplinen im Projektmanagement dar. Es geht hierbei in erster Linie nicht darum, die Informationen für alle zugänglich zu machen, sondern aus der Fülle der Informationen die notwendigen Inhalte an die jeweiligen Projektmitarbeiter zu bringen und diese auch mit dem Projektfortschritt aktuell zu halten. Darüber hinaus müssen auch Eskalationsmechanismen für Konfliktsituationen vorgesehen werden. Im Folgenden werden die vier Leitmotive im Einzelnen erläutert. Commitment Viele Projekte scheitern schon beim Startschuss. Werden die Ziele eines Projektes und die Bedeutung für das Unternehmen nicht zu Beginn von der Leitung deutlich gemacht, dann fehlt es schon an der richtigen Ausrichtung. Die verantwortliche Leitung muss ihre persönliche Verpflichtung auf die Projektziele zum Ausdruck bringen und auch während der Projektlaufzeit diese Verpflichtung (Commitment) erlebbar machen. Zum Beispiel durch persönliche Reviews oder Ansprechbarkeit bei Konfliktsituationen. Ebenso müssen sich auch die Mitarbeiter für das Projekt verpflichten. Dies bedeutet, sich konstruktiv mit dem Projektteam auseinander zu setzen und sich auch auf Phasen intensiver Arbeitsbelastungen einzustellen, die sich unweigerlich einstellen. Die Ziele bzw. ggf. auch eine Vision sind klar zu formulieren und müssen auch an den einzelnen Mitarbeiter kommuniziert werden. Darüber ist es sinnvoll, Spielregeln für die Zusammenarbeit festzulegen, was speziell bei internationalen und interkulturellen Projekten hilfreich ist. Aus der Verpflichtung für die Projektziele ergibt sich auch die Konsequenz bei der Umsetzung. Nur nachhaltiges Vorgehen, das auch vor Schwierigkeiten nicht zurückschreckt, bringt den Projekterfolg. Damit bildet das Commitment den Rahmen für die gesamte Projektarbeit und ist folglich für die Projektlaufzeit durchzuhalten. Das Commitment der Leitung wie auch der Mitarbeiter auf das gemeinsame Ziel ist die Grundvoraussetzung für eine motivierte und erfolgreiche Projektarbeit. Competence 1. Qualifikation der Mitarbeiter (persönliche Kompetenz) Der Qualifikation der Mitarbeiter im Projekt kommt entscheidende Bedeutung zu. ❏฀ Fachliche Kompetenz: Sowohl technische als auch kaufmännische Fähigkeiten sind heute gefragt, um die vielfältigen Hürden zu einem erfolgreichen Projektverlauf überwinden zu können. Der hohe Komplexitätsgrad bei der Erfüllung der Spezifikationen eines Automobilproduktes verbunden mit Risiken, die sich aus geforderten Innovationen oder Veränderungen zwecks Kosteneinsparungen ergeben, erfordert fundiertes fachliches Beurteilungsvermögen. Ebenso lassen sich die strengen Qualitätsanforderungen, die heutzutage wieder aktueller sind denn je, nur durch konstruktive Lösungen erreichen. Das verlangt eine konsequente technische Vorausplanung, die auch die Möglichkeiten der Produktion mit in Betracht zieht. Die notwendige Kostendisziplin bedingt ein umfangreiches und nachhaltiges Kostenmanagement im Projekt, das auch gegenüber dem Kunden in professioneller Weise vertreten werden muss. ❏฀ Soziale Kompetenz: Die knappen Ressourcen im Projekt verbunden mit einem extrem zeitlich verdichteten Entwicklungsablauf führen zu einem hohen Grad der Anspannung im Projekt. Den daraus resultierenden zwischenmenschlichen Spannungen müssen der Pro- Abb.฀2: ฀Projektmanagement฀bei฀Dräxlmaier: ฀Der฀C4P-Ansatz aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 23฀฀ jektleiter und die Schlüsselpersonen im Projekt mit einem abgeklärten Führungsverhalten und einer unerschrockenen Konfliktlösungskompetenz begegnen. Besonders an der Kundenschnittstelle treten jedoch durch den permanenten Kostendruck teilweise derart schwierige Projektphasen auf, dass das Projektteam an die Grenzen seiner Belastbarkeit kommt. Hier muss der Projektleiter seiner Rolle als dickhäutiger Motivator gerecht werden und das Team nach vorne ziehen. Da heutzutage in den Projekten in der Wertschöpfungskette firmenübergreifend (Cross Company) mit Lieferanten oder Systempartnern gearbeitet wird, müssen sich der Projektleiter und seine Mitarbeiter auch in diesem Umfeld souverän bewegen. ❏฀ Interkulturelle Kompetenz: Projekte erfolgen in zunehmendem Maße in einem internationalen Kontext. Sei es, dass in Deutschland entwickelt und in den USA oder einem anderen Land dieser Erde produziert wird oder gar Entwicklungs- und Produktionsressourcen aus verschiedenen Regionen parallel zu koordinieren sind. Damit wird der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen zu einem immer wichtigeren Faktor, zumal die Nichtbeachtung dieses Faktors auch der meistunterschätzte Grund für den Misserfolg von Projekten ist. Beispiele gibt es hierfür genug. Hierbei gilt es deutsche Geradlinigkeit mit englischer Gelassenheit oder amerikanischem Teammanagement auszubalancieren. Speziell bei USA-Projekten unterliegen die Projektmitarbeiter so zum Beispiel oft dem so genannten „Similarity Trap“. Das heißt, der Amerikaner sieht genauso aus wie wir und ist aber doch in vielen Dingen anders geprägt. Dieses Anderssein muss verstanden und auch für die Verhaltensweisen in der Projektarbeit berücksichtigt werden. Die฀Nichtbeachtung฀interkultureller฀Faktoren฀ist฀der฀ meistunterschätzte฀Grund฀für฀Projektmisserfolge Insgesamt ist festzustellen, dass diese Kompetenzen natürlich durch Seminare und Fortbildungen vertieft werden können. Wirklich wirksam ist aber nur die langfristige Qualifikation des Projektleitungsnachwuchses, die schon durch geeignete Assessments auch die grundsätzliche Eignung der Mitarbeiter feststellt. Eine Projektfunktion sollte folglich als Karrierebaustein bei der Mitarbeiterentwicklung vorbereitet werden, die dann sowohl dem Projekt wie auch dem Mitarbeiter gerecht wird. Die Praxis ist natürlich unabdingbar, um auf der Projektkarriereleiter weiter nach oben zu kommen und so eines Tages die Disziplin zu beherrschen, um die es im Projektgeschäft heutzutage geht: Den Mangel zu managen! 2. Entscheidungsbefugnisse des Projektleiters und des Projektteams (Entscheidungskompetenz) Bei den Entscheidungsbefugnissen für Projektleiter drückt man sich gerne vor einer genauen Festlegung. Die Problematik liegt im Verhältnis von Projekt zu Linie in der Matrixorganisation. Klassischerweise hatten in diesem Spannungsfeld in der Vergangenheit die Linienfunktionen die Oberhand. Die technische Kompetenz stand im Vordergrund. Mit der zunehmenden Bedeutung der effizienten Projektabwicklung gewinnt die Projektdisziplin an Einfluss. Man wäre versucht zu sagen, projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 24฀฀ WISSEN das Projekt hat Vorfahrt! Dies kann aber so nicht gelten, da auch technische Neuerungen und Innovationen heute wichtige Marktanforderungen sind. Generell lässt sich das Spannungsfeld am besten dadurch lösen, dass der Projektleiter über die finanziellen Mittel verfügt und die Linie die fachlichen Ressourcen abstellt. Konflikte müssen durch das Management gelöst werden, was einen hohen Anspruch an eine konsensfähige Unternehmenskultur setzt. Cooperation Um die Zusammenarbeit im Projekt zu organisieren, bedarf es zunächst einer Definition der zugehörigen Abläufe/ Prozesse. Aus diesen ergeben sich die Rollen und Verantwortlichkeiten der jeweiligen Projektmitglieder, die letztendlich in eine aus den Prozessen abgeleitete Projektorganisation münden. Dies stellt einen wichtigen Aspekt dar, um nicht schon mit einer nicht geeigneten Projektorganisation das Vorhaben zu gefährden. Bei internationalen Projekten der Dräxlmaier Group wird zum Beispiel darauf geachtet, dass in den Teilprojekten sowohl die fachliche Kernkompetenz als auch die regionale Kompetenz nachhaltig vertreten ist. Wichtig ist hierbei auch die Einbindung der Führungskräfte aus den verschiedenen Bereichen. Diese können als „Executive Champions“ mit Querschnittsverantwortung für einzelne Teilbereiche, z. B. Produktgruppen, aktiv integriert werden. Ein Projektleiter muss bis Abschluss des Projektes (SOP) auch verantwortlich sein. Dies ist an sich eine Selbstverständlichkeit, aber in der Praxis doch nicht immer gegeben. Eine umfassende Kapazitäts- und Kostenplanung zu Beginn des Projektes ist ebenso Standard. Sie ist jedoch herunterzubrechen auf eine detaillierte Produktgruppenebene mit separater Target-Bildung für jeden Teilprojektleiter. Für Fahrzeugprojekte wurde ein Dräxlmaier-spezifischer Standardentwicklungsprozess definiert: der Simultaneous Engineering Prozess (SEP) (Abb. 3). Er bildet die Prozesse und Verantwortlichkeiten in einem Gesamtmodell ab und ist ein wesentlicher Baustein im Projektmanagement der Dräxlmaier Group. Die vielfältigen Abhängigkeiten der Unternehmensprozesse werden speziell auf die Belange der Projektarbeit hin beschrieben. Damit ist das Projektmanagement systematisch in das Dräxlmaier Management-System (DMS) integriert. Durch Verankerung von präventiven Elementen im Entwicklungsprozess werden bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Entwicklungsprojekt eine hohe Produkt- und Prozessreife erreicht. Gleichzeitig werden die Aktivitäten der verschiedenen im Projekt mitwirkenden Fachbereiche aufeinander abgestimmt. Es gilt im „Gleichschritt“ das Projekt zu durchlaufen und tatsächlich ein Simultaneous Engineering zu realisieren (Abb. 4). Dies umfasst auch die Lieferanten. Neben den Prozessen und Verantwortlichkeiten werden hierbei auch die weiteren Elemente der eingesetzten Methoden, der Informationsobjekte und Daten sowie der zugehörigen IT-Tools erfasst. Zur durchgängigen Steuerung der Prozesse gehören auch Kennzahlen, mittels deren der jeweils aktuelle Status ermittelt werden kann. So sind zum Beispiel Kennzahlen bezüglich der Durchlaufzeiten im Änderungsmanagement oder der Problembehebung aufschlussreich. Mit der Anzahl der i.o.-Teile bei „First of Tool“* kann die Qualität der Entwicklung per Simulation (Virtual Series) bewertet werden. Reifegradbewertungen von Produkt und Prozess zeigen die Differenz zur Serienqualität auf. Sowohl für eine effektive Projektsteuerung als auch für ein wirksames Projektcontrolling wird das Projekt in einzelne Phasen gegliedert. Die Projektphase wird jeweils durch einen Meilenstein beendet (Stage-Gate-Modell). Sind zu diesem Zeitpunkt die Aufgaben in der geforderten Qualität abgearbeitet, kann die Phase abgeschlossen oder auch das „Gate durchschritten“ werden. Des Weiteren sind Instrumente verankert, mit denen einerseits eine kontinuierliche Projektüberwachung und andererseits an den Phasengrenzen eine tief greifende und umfassende Statuserfassung durchgeführt wird. Über eine Ampelschaltung werden Eskalationsmechanismen aktiviert. So ist bei ROT - Gefährdung der Projektziele - die Geschäftsleitung einzubinden. Bei einem Projektreview sollte immer auch dem Team eine Chance zur Reflexion gegeben werden, um eventuell aufgetretene Spannungen oder Missverständnisse aufzuklären. Die฀Synchronisation฀der฀simultanen฀ Prozesskette฀ist฀ein฀wesentlicher฀Baustein฀für฀ erfolgreiche฀Fahrzeugentwicklungsprojekte Neben der Anwendung von Methoden zur effektiven Produkt- und Prozessentwicklung, den Werkzeugen zur vorausschauenden Qualitätsplanung und einer konsequenten Projektüberwachung und -steuerung ist schließlich die Synchronisation der simultanen Prozesskette ein wesentlicher Baustein zur erfolgreichen Abwicklung von * Mit „First of Tool“ sind die ersten Teile aus dem Werkzeug gemeint. Wenn die zu einem hohen Anteil i. O., das heißt in Ordnung sind, spricht das für die Güte der „virtuellen“ Entwicklung. Mit anderen Worten: Die Rate der i.O.-Teile „First of Tool“ ist ein Messkriterium für die Qualität der virtuellen Entwicklung. Abb.฀3: ฀Der฀Simultaneous-Engineering-Prozess฀(SEP)฀bei฀Dräxlmaier aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 25฀฀ Fahrzeugentwicklungsprojekten. Die Aufgabe ist firmenübergreifend zu lösen, d. h. Cross Company und reicht vom OEM über den Tier 1 bis zum Tier n. Nur wenn alle Parteien zu einem definierten Zeitpunkt („Gates“) ihren Entwicklungsfortschritt mit einem einheitlichen Stand zusammenfahren, kann das Gesamtergebnis beurteilt werden. Dies hört sich einfacher an, als es ist! Lastenhefte und Spezifikationen gilt es über die gesamte Prozesskette abzustimmen und wenn man dann - sozusagen beim letzten Tier (Tier n) - angekommen ist, wieder rückwärts anzupassen. Verschiedene Konstruktionsstände müssen harmonisiert und wiederum mit Prozessplanungsständen abgeglichen werden. Und das Ganze wird von einem dynamischen Änderungsmanagement überlagert, dessen konsequente Verfolgung das gesamte Projektteam vor Herausforderungen stellt. Zumal die erforderlichen kaufmännischen Abgleiche oftmals zähe Entscheidungsprozesse mit sich ziehen, die den Anforderungen zur technischen Umsetzung hinterherhinken. Die Werkzeugfreigabe ist hierbei ein ganz wesentlicher Meilenstein, da spätere Änderungen aufwendig und teuer werden. Nicht synchronisierte Umfänge bei der Teilebemusterung am Ende der Vorserie schlagen dann voll in den Serienanlauf durch. Bei komplexen Produkten wie einem Gesamtinterieur gibt es letztendlich nur eine Antwort für diese Herausforderung: eine vorausschauende Kooperation sowie eine effiziente Kommunikation von allen Beteiligten in der Prozesskette. Communication Die Kommunikation ist sicher nach wie vor der am meisten unterschätzte Faktor im Projekt. Gerade bei internationalen Projekten wird durch räumliche und sprachliche Trennung die Komplexität der Informationsweitergabe zu einer echten Hürde für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Missverständnisse oder Defizite bezüglich aktueller Informationen werden zum Teil erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung wahrgenommen, so dass ihre Auswirkungen umso schwerwiegender sind. Der Start eines Projektes mit einem umfassenden Kickoff-Workshop ist unumgänglich, um alle Teammitglieder Abb.฀4: ฀Sychronisation฀der฀simultanen฀Prozesskette฀(Cross฀Company) projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 26฀฀ WISSEN auf den gleichen Stand zu bringen und auch die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern durch persönliche Kontakte (Face Time) zu unterstützen. In diesem Rahmen sollte auch die Freigabe des Projektes durch das zuständige Topmanagement erfolgen. Sinnvoll ist die Wiederholung dieser Workshops, sozusagen als Synchronisationspunkte, in einem Zeitraum von cirka sechs Monaten. Das Feedback der Teammitglieder stellt eine wichtige Information für das Management zur Bewertung des Projektes dar. Regelmäßige Abstimmung in einem Steuerkreis (Steering Committee, STC) sichern die Regelkommunikation mit dem Management. Diese Steuerkreise dürfen nicht nur in der Zentrale tagen, sondern müssen auch am Orte des Geschehens, also dort, wo entwickelt und später das Produkt produziert wird, organisiert werden. Dies gewährleistet die regionale Einbindung. Neben den persönlichen Kontakten gilt es, die Informationen im Projekt effizient zu organisieren. Eine Projektdatenbank auf einem allgemein verfügbaren Laufwerk stellt hierbei einen üblichen Standard dar. Darüber hinaus bieten heute aber so genannte „E-Rooms“ Plattformen an, in denen sich Informationen in übersichtlicher Weise aktuell halten lassen. Weiterhin können in solche Plattformen auch interaktive Komponenten integriert werden, mittels deren die Projektmitglieder sich in einem informellen Rahmen zu den Themen austauschen können. So kann in einem Kreis von Experten ein Erfahrungsaustausch zu konkreten aktuellen Fragestellungen organisiert werden. Eine strukturierte Verteilermatrix zu den diversen Besprechungsprotokollen (gezielte Information! ) macht die Informationsverbreitung übersichtlich. Eindeutige Kommunikationswege zum Kunden sind unabdingbar, um zum aktuellen Zeitpunkt auch die jeweils aktuelle und richtige Information weitergeben zu können. Missverständnisse können hier schnell zu einem erheblichen Mehraufwand an Kommunikation führen! Ein ständiges Auf-dem-Laufenden-Halten aller Beteiligten zu allen Themen ist auch kontraproduktiv, da dies nur zu einem Hetzen von Besprechung zu Besprechung führt, ohne dass die Arbeit erledigt wird. Hierfür gibt es Meilensteine, zu denen eine definierte Synchronisation durchgeführt wird. Ein gewisses Vertrauen in die Arbeit des anderen - auch firmenübergreifend - ist dabei Grundvoraussetzung. Bei Beachtung des zweiten C (Competence) sollten die Grundlagen dafür gegeben sein. Die Durchführung von Lieferantentagen unterstützt die Kommunikation entlang der Prozesskette. Nicht zuletzt ist auch ein „Lessons Learned“-Prozess zu organisieren, der die gewonnenen Erfahrungen anderen Projektteams zugänglich macht, zum Beispiel durch Schulungen zu Projektbeginn. Hierzu eignen sich auch Wissensspeicher und KVP-Prozesse, über die u. a. Erkenntnisse aus der Serienproduktion zu den Entwicklern zurückgespielt werden. Fazit Um den heutigen Rahmenbedingungen für das Projektmanagement gerecht zu werden, müssen die Prozesse und Strukturen für die Projektarbeit (Cooperation) weiterentwickelt werden. Darüber hinaus sind weiter gehende Anforderungen an die Verpflichtung des Managements bzw. der Mitarbeiter (Commitment), die Qualifikation derselben (Competence) als auch an den Informationsfluss (Communication) zu erfüllen. Dies alles ist in einem ganzheitlich vernetzten Ansatz umzusetzen. Daher sind im C4P-Konzept alle vier Schlüsselfaktoren gleichermaßen bedeutsam und konsequent zu beachten, um den Projekterfolg zu gewährleisten. Darüber hinaus muss aber auch das Zusammenspiel derselben effektiv und effizient gestaltet werden, um den maximalen Wirkungsgrad zu erreichen. Dies gilt für die gesamte Projektlaufzeit. Abschließend ist zu bemerken, dass Spielregeln auch gelebt werden müssen. Dafür steht das erste C mit dem Commitment des Managements und der Mitarbeiter. ■ Literatur [1]฀Hab,฀G.; ฀Wagner,฀R.: ฀Projektmanagement฀in฀der฀Automobilindustrie.฀Wiesbaden฀2004฀(siehe฀hierzu฀die฀Besprechung฀ auf฀Seite฀39฀in฀diesem฀Heft) [2]฀Hoffmann,฀H.; ฀Schoper,฀Y.; ฀Fitzsimons,฀C.฀(Hrsg.): ฀Internationales฀Projektmanagement.฀München฀2004 [3]฀Tuczek,฀H.: ฀Projektmanagement฀in฀dem฀sich฀wandelnden฀ Umfeld฀der฀Automobilindustrien.฀Tagungsband฀GPM-Expertentagung,฀Darmstadt฀2003 [4]฀Tuczek,฀H.: ฀Projektmanagement฀im฀Spannungsfeld฀ von฀Qualitätsanforderungen฀und฀knappen฀Ressourcen.฀ Tagungsband฀GPM-Expertentagung,฀Darmstadt฀2004 Schlagwörter Kommunikation฀in฀Projekten,฀Projektmanagement฀in฀der฀ Automobilindustrie,฀Qualifikation฀der฀Projektbeteiligten,฀ Simultaneous฀Engineering,฀Stage-Gate-Modelle Autor Dr.-Ing.฀Hubertus฀C.฀Tuczek; ฀nach฀ dem฀Studium/ Promotion฀der฀Elektrotechnik฀an฀der฀TU฀München฀mit฀ Auslandsstudium฀in฀Australien฀und฀ Frankreich฀übernahm฀er฀eine฀leitende฀ Funktion฀im฀Qualitätsmanagement฀des฀ DaimlerChrysler-Konzerns.฀Seit฀1997฀ ist฀er฀bei฀der฀Dräxlmaier฀Group.฀In฀ der฀Geschäftsleitung฀verantwortet฀er฀den฀Bereich฀„International฀Business“฀sowie฀die฀Zentralfunktionen฀Corporate฀ Quality฀und฀Einkauf. Anschrift Dräxlmaier฀Group Geschäftsleitung Landshuter฀Straße฀100 D-84137฀Vilsbiburg Tel.: ฀0฀87฀41/ 47฀10฀05 E-Mail: ฀Tuczek.Hubertus@draexlmaier.de www.draexlmaier.de aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 27฀฀ Management฀der฀Projektqualität Begriffliche฀und฀konzeptionelle฀Grundlagen Hans฀Knöpfel Ziele฀und฀Rahmenbedingungen฀von฀Projekten฀sind฀in฀der฀Realität฀sehr฀viel฀komplexer฀ und฀vielfältiger,฀als฀oft฀angenommen฀wird.฀Dies฀erfordert฀immer฀auch฀Überlegungen฀zum฀ Management฀der฀Projektqualität,฀mit฀dem฀die฀Erreichung฀der฀Projektziele฀gesichert฀werden฀ soll.฀Dabei฀geht฀es฀darum,฀gewünschte฀neue฀Systeme฀oder฀gewünschte฀neue฀Zustände฀von฀ bestehenden฀Systemen฀bis฀zu฀bestimmten฀Terminen฀mit฀Hilfe฀geeigneter฀Aktionen฀und฀Ressourcen฀im฀Rahmen฀vorgegebener฀Budgets฀in฀einem฀bestimmten฀Umfeld฀zu฀erreichen฀und฀ damit฀Mehrwerte฀zu฀schaffen.฀Im฀vorliegenden฀Artikel฀werden฀die฀begrifflichen฀und฀konzeptionellen฀Grundlagen฀für฀ein฀solches฀Management฀der฀Projektqualität฀erarbeitet.฀Dabei฀wird฀ von฀den฀Erkenntnissen฀des฀systemorientierten฀Managements฀ausgegangen.฀Das฀Denken฀ in฀Systemen฀und฀die฀Verwendung฀der฀Qualitätsmanagement-Prozesse฀helfen฀den฀Projektbeteiligten฀beim฀durchgängigen฀Aufarbeiten,฀Vereinbaren,฀Steuern฀und฀Beherrschen฀einer฀ vielfältigen฀und฀nachhaltigen,฀teilweise฀aber฀auch฀unsicheren฀und฀variablen฀Projektqualität. 1฀ Begriff฀der฀Projektqualität Allgemein wird in den Qualitätsnormen (speziell ISO 8402) Qualität als die Gesamtheit der Eigenschaften einer Einheit definiert, um festgelegte und vorausgesetzte Anforderungen zu erfüllen. Analog dazu verstehen wir unter Projektqualität die Erreichung der Gesamtheit der Eigenschaften eines Projektes, um gestellte und vorausgesetzte Projektanforderungen zu erfüllen (Abb. 1). Projektqualität in diesem Sinne ist nicht zu verwechseln mit der damit verwandten Projektmanagement-Qualität, auf die im vorliegenden Artikel nicht näher eingegangen wird. Qualität besteht in der Übereinstimmung der tatsächlich erreichten Ergebnisse mit den vereinbarten Zielen für ein bestimmtes spezifisches Projekt (Abb. 2). Die Projektbeteiligten versuchen nicht, eine maximale Qualität zu erreichen, sondern die vereinbarte Qualität; manchmal etwas mehr oder etwas weniger, je nach der Beziehung zu den Stakeholdern. Wenn das Projektmanagement mehr als die vereinbarte Qualität realisiert, übererfüllt es die gestellte Aufgabe, und die Projektbeteiligten sind unter Umständen unzufrieden, weil sie zu viel geleistet haben. Wenn das Projektmanagement weniger als die vereinbarte Qualität realisiert, untererfüllt es die Aufgabe, und die Kunden sind wahrscheinlich nicht zufrieden und verlangen Anpassungen und zusätzliche Leistungen (Abb. 3). Die Projektziele sind die konkret geforderten, wichtigen Eigenschaften des Projekts. In der Regel geht es darum, gewünschte neue Systeme oder gewünschte neue Zustände von bestehenden Systemen bis zu bestimmten Terminen mit Hilfe geeigneter Aktionen und Ressourcen im Rahmen vorgegebener Budgets in einem bestimmten Umfeld zu erreichen und damit Mehrwerte zu schafverlangt (vom Kunden) geliefert (von der Projektorganisation) Q Abb.฀1: ฀Projektqualität verlangt geliefert verlangt geliefert oder Q Q Abb.฀2: ฀Unterschiedliche฀Projektqualitäten „untererfüllt“ verlangt geliefert verlangt geliefert „übererfüllt“ noch weder Q Q Abb.฀3: ฀Abweichungen฀von฀der฀Projektqualität projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 28฀฀ WISSEN fen. Genau das erwarten die Stakeholder (Anspruchsträger) des Projektes. Wenn das Projekt während des Projektablaufes und am Ende des Projektes die Ziele der Anspruchsträger sowie die Rahmenbedingungen aus dem Umfeld erfüllt, ist die vereinbarte Projektqualität erreicht. Eine potenzielle Abweichung von der Erfüllung der Projektziele und Rahmenbedingungen ist eine Chance (im günstigen Fall) oder ein Risiko (im ungünstigen Fall). Eine effektive Abweichung von vereinbarten Projektzielen und Rahmenbedingungen ist eine Differenz zur vereinbarten Qualität. 2฀ Projektziele฀und฀Rahmenbedingungen 2.1฀ Erfassung฀der฀Projektziele Ein elementares Konzept für die Projektqualität Q ist in Abb. 4 dargestellt. Projektqualität ist danach die richtige Kombination von Leistungen, Terminen und Kosten. Diese drei Parameter werden so lange variiert, bis die optimale Gesamtqualität erreicht ist (z. B. etwas kürzere Termine, dafür etwas höhere Kosten; etwas niedrigere Kosten, dafür etwas geringere Leistungen). Das so genannte „magische Dreieck“ (Abb. 5) sollte nicht mehr verwendet werden. Erstens ist Magie kaum ein geeignetes Mittel, um Projektqualität zu erreichen. Zweitens ist dieses Dreieck nicht vereinbar mit der Qualitätsdefinition in der Norm ISO 9000 [3]. Die Projektqualität bezieht sich auf alle bewerteten Eigenschaften eines Projektes. Einen vereinbarten Meilensteintermin zu erreichen ist Projektqualität. Das Risiko einer Kostenüberschreitung bei einer wichtigen Leistung auf dem vereinbarten Niveau zu halten ist ebenfalls Projektqualität. Entscheidend ist nun natürlich, welche Eigenschaften des Projektes zur Qualität gezählt werden. Im Vordergrund stehen Eigenschaften, die bei einem Projekt als direkte, voneinander unabhängige Ziele der Stakeholder zu betrachten sind. Beispielsweise kann eine gute Stimmung in der Projektorganisation einerseits als Mittel zum Zweck (die eigentlichen Projektziele zu erreichen) angesehen werden. Andererseits kann die gute Stimmung als ein eigenständiges Projektziel vereinbart sein. Eine gegenüber Abb. 4 erweiterte Sicht ist in Abb. 6 dargestellt. Drei zusätzliche Eigenschaften werden hier mit einbezogen: ❏฀ Der Nutzen, den die Projektergebnisse stiften, wird als eigene Größe eingeführt. ❏฀ Die Projektbeteiligten und ihre Ziele und Zufriedenheit werden berücksichtigt. ❏฀ Die Projekte werden in der Regel in einem bestimmten Kontext durchgeführt, was den Freiheitsraum einschränkt, weil das Umfeld Ansprüche stellt. Im Projektmanagement sollte man damit rechnen, dass sich die Projektbeteiligten und die Umfeldbedingungen und -einflüsse im Projektablauf ändern können (Dynamik von Projektorganisation und Projektumfeld). Ziele werden durch Personen und Organisationen gesetzt und sind abhängig von ihrer Kultur und ihren projektbezogenen Erwartungen [1, 6]. Die in der Regel zahlreichen Personen und Organisationen, die an einem Projekt beteiligt sind, haben individuelle, unterschiedliche Ziele, Interessen, Pflichten und Verantwortungen. In Abb. 7 ist einerseits die (temporäre) Projektorganisation und andererseits eine (ständige) Stammorganisation, zum Beispiel ein Benutzer oder Lieferant, dargestellt. Die Stellen innerhalb dieser Organisationen haben eigene Ziele, Aufgaben und Verantwortungen. Dargestellt sind der Vertreter des Auftraggebers bzw. des Steuerungsausschusses (VAG), der Gesamtprojektleiter (GPL), der Leiter der Planung (LP), der Leiter einer Fachplanung (LFP) sowie der externe Leiter der Ausführung (LA), der sich auf die Mitarbeiter der Fachabteilungen (MFA), die Q Leistungen Termine Kosten + Optimierung Projekt- Management Termine Kosten Qualität Abb.฀4: ฀Elementares฀Konzept฀der฀Projektqualität Abb.฀5: ฀Nicht฀konform฀zu฀ISO฀9000 Nutzen? (Was? Wieso? ) Leistungen Termine Kosten Physisches, ökonomisches und soziales Umfeld (Wie? ) Projektbeteiligte (Wer? ) GPL LA Projektorganisation Stammorganisation VAG LP LFP AR MFA MFA LFA GL Abb.฀6: ฀Erweiterte฀Sicht฀der฀Projektqualität Abb.฀7: ฀Projektbeteiligte aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 29฀฀ Leiter der Fachabteilungen (LFA), die Geschäftsleitung (GL) und den Aufsichtsrat (AR) stützt. Die Projekte sind manchmal in Subprojekte unterteilt, womit auch die Ziele und Rahmenbedingungen für diese Subprojekte zu vereinbaren und einzuhalten sind. Für die Kunden sind zunächst die Leistungen (Deliverables), die Termine (Time Schedule) und die Kosten (Investment Cost) wichtig. Eine neue Dimension der Projektziele und Rahmenbedingungen wird jedoch durch die Tatsache eröffnet, dass die Kunden in der Regel noch mehr daran interessiert sind, was das Projekt nach Projektende bewirkt. Dieser spätere Nutzen ist in der Regel (wenn die Projektergebnisse nicht mit dem Projektende verkauft werden) der eigentliche Grund, weshalb ein Projekt durchgeführt wird. In Abb. 8 sind die Qualitätskomponenten des Kunden für ein neues öffentliches Transportmittel dargestellt. Der wirkliche Projekterfolg wird erst (weit) in der Zukunft, im Lebenszyklus dieses neuen Systems, realisiert werden. Im Projektablauf wird man mit entsprechenden Plangrößen und -werten arbeiten. Um die prognostizierte Projektqualität etwas besser abzustützen, wird man zudem Risiko- und Empfindlichkeitsanalysen durchführen. Es stimmt zwar, dass die Projektziele und Rahmenbedingungen tendenziell zu Beginn eines Projektes zu erfassen und zu vereinbaren sind. In der Realität ist das Vorgehen aber differenzierter. Der Zielsetzungsprozess und das entsprechende Engagement der Stakeholder begleiten ein Projekt über seine gesamte Laufzeit. Beispielsweise werden die Ziele und Rahmenbedingungen für die Inbetriebnahme eines Systems oder einer Anlage zu Projektbeginn wohl kaum im Einzelnen festgelegt. Das Projektmanagement muss jedoch darauf achten, dass sich aus diesen später festgelegten Zielen nicht ein unkontrollierter Freiraum für sich ändernde Projektziele und entsprechende Änderungen auftut. 2.2฀ Gewichtung฀der฀Projektziele Zusätzlich zur Erfassung der Zielgrößen (Zielparameter) sind für die Bewertung von Lösungsvorschlägen die Gewichte der Zielgrößen und die Bewertung von Abweichungen von den vereinbarten Zielwerten nötig. Für das elementare Konzept in Abb. 4 kann zum Beispiel folgende Gewichtung festgelegt werden: ❏฀ Leistungen (Deliverables): 45 % (dabei sind viele einzelne Leistungen und ihre Gebrauchstauglichkeit wichtig); ❏฀ Termine (Time Schedule): 20 % (dabei steht in der Regel das Projektende im Vordergrund, es können aber auch Zwischentermine wie Phasenenden sehr wichtig sein); ❏฀ Kosten (Investment Cost): 35 % (dabei sind die Gesamtkosten, aber auch die Teilbeträge und die Verlässlichkeit der Kostenprognosen wichtig). Die Gewichtung kann bei einem anderen Projekt ganz anders sein. In Abb. 9 ist die Qualitätsvorgabe für die Auswahl eines Unternehmers für die Bauausführung dargestellt. Gebrauchstauglichkeit Sozialverträglichkeit Sicherheit Umweltverträglichkeit Nachhaltigkeit Wirtschaftlichkeit Anzeige Abb.฀8: ฀Beispiel฀Qualitätskomponenten a)฀ Eignung ฀ Leistungsfähigkeit฀(Kapazität) ฀ Projektorganisation฀und฀Verfügbarkeit฀Schlüsselpersonen฀und฀-ausrüstungen ฀ Referenzen฀über฀vergleichbare฀Projekte ฀ Qualitätsmanagementsystem ฀ Zahlungsfähigkeit฀letzte฀Jahre b)฀ Bedingungen ฀ Alle฀Leistungen฀sind฀gut฀definiert฀und฀gleich฀für฀alle฀Anbieter c)฀ Zuschlagskriterien ฀ Qualität฀der฀Referenzen฀10฀% ฀ Auftragsanalyse,฀Ressourcen฀und฀Termineinhaltung฀20฀% ฀ Angebotspreis฀70฀% Abb.฀9: ฀Beispiel฀Qualität฀Bauunternehmer projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 30฀฀ WISSEN Mit einer Vorauswahl auf Grund von Eignungskriterien und durch detailliert definierte Leistungen ist der Spielraum für die Endauswahl schon stark eingeschränkt. Für die verbleibenden Anbieter bekam der Angebotspreis mit 70 % ein sehr hohes Gewicht. Andererseits standen bei der Auswahl eines Projektierungsteams für ein Vorprojekt (Abb. 10) die Planungs- und Realisierungskompetenz im Vordergrund, während der Abgabetermin und die Vergütung nicht in die Bewertung eingingen, weil sie für alle Bewerber gleich vorgegeben wurden. Für die Bewertung der eingereichten Vorprojekte wurde eine ausgewogene Qualitätsvorgabe gewählt. Als auf die Kosten bezogener Qualitätsparameter zählen nicht die Investitionskosten, sondern die Wirtschaftlichkeit während der Nutzung. Man könnte argumentieren, dass die Gewichtung nicht interessant sei, weil schlicht die Projektziele (die vereinbarten Werte für die Qualitätsparameter) sowie die Rahmenbedingungen einzuhalten seien. Die Gewichtung ist jedoch für das Management der Projektqualität aus zwei Gründen erforderlich: ❏฀ Das Projektmanagement hat begrenzte Mittel; es kommt darauf an, wo die Aufmerksamkeit und Ressourcen eingesetzt werden, um die Risiken zu reduzieren, die Chancen wahrzunehmen und Abweichungen zu korrigieren. ❏฀ Es gibt immer Optimierungsmöglichkeiten; das Projektmanagement sollte dem Kunden und dem Projektteam sagen können, wie es solche Varianten aus Gesamtprojektsicht beurteilen würde. An Stelle von bzw. zusätzlich zu Gewichtungen können Zielkategorien eingeführt werden (zum Beispiel nach Priorität: fixe, verhandelbare und gewünschte Ziele sowie Ziele, bei denen es schön wäre, wenn sie erfüllt würden [nice to have]). Eine andere Klassifikation könnte nach der Bedeutung erfolgen: sehr wichtige, wichtige und weniger wichtige Ziele. Eine allgemeine, summarische Definition und Verwendung der Projektziele und Rahmenbedingungen ist für das Management der Projektqualität nicht genügend. Das Versagen einer kleinen, aber wichtigen Komponente (z. B. des Mikrofons in einem Vortragssaal) kann die Gesamtqualität und den guten Ruf des Projekts und des Projektmanagements „übermäßig“ in Frage stellen oder schädigen. Wenn das Risiko genügend groß ist, kommt wieder das klassische Vorgehen zum Zug. Die Anforderungen des Kunden und die Projektziele und Rahmenbedingungen für die kleine, aber wichtige Komponente werden erfasst, vereinbart und zu erreichen versucht. 2.3฀ Formalisierung In der Regel dienen Zielhierarchien mit gewichteten Zielen als Grundlage für die Projektbewertung. Zusammen mit den zu kontrollierenden Rahmenbedingungen ergibt sich eine Auswertungstabelle gemäß Abb. 11. Die Nutzwertanalyse [7] ist die bekannteste und allgemeinste Grundlage für das Management der Projektqualität. Sie hat den Vorteil, dass alle Kriterien (Zielkomponenten) grundsätzlich gleich behandelt werden und die Gesamtqualität in normalisierter Form (z. B. Summe aller Gewichte = 100 %) dargestellt wird. Wichtig ist, dass die Ziele vorerst relativ spontan mit Kreativitätsmethoden erfasst, nachher aber auf Logik, Lücken, Widersprüche und Mehrfachzählungen geprüft werden. Eine mögliche Weiterentwicklung dieser Vorgehensweise wäre eine „Balanced Scorecard für Projekte“. Dabei werden auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Zielen sowie die Beziehungen zwischen den Zielen und den Rahmenbedingungen berücksichtigt. a)฀ Kriterien฀für฀Projektierungsteams ฀ Ausgewiesene฀Kompetenzen฀in฀städtebaulichen฀Planungen฀40฀% ฀ Leistungsausweis฀in฀der฀Realisierung฀von฀ähnlichen฀Projekten฀45฀% ฀ Organisation฀und฀Leistungsfähigkeit฀des฀Planungsteams฀15฀% b)฀ Bedingungen ฀ Max.฀6฀Teams ฀ Fixe฀pauschale฀Vergütung฀pro฀Team ฀ Fixer฀Abgabetermin c)฀ Qualitätskriterien฀für฀Vorprojekte ฀ Städtebau฀und฀Architektur฀25฀% ฀ Nutzung฀25฀% ฀ Verkehr฀und฀Erschließung฀10฀% ฀ Nachhaltigkeit฀10฀% ฀ Wirtschaftlichkeit฀30฀% Abb.฀11: ฀Auswertungstabelle Nr.฀ Projektziele฀und฀Bewertungsmethoden Gewichtung Wert (Struktur) TOTAL 100฀% (Summe) Nr. Rahmenbedingungen฀und฀Bewertungsmethoden Bedeutung Kommentare (Struktur) Abb.฀10: ฀Beispiel฀Qualität฀Vorprojekt aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 31฀฀ Eine dritte Möglichkeit der Formalisierung ist die Erstellung eines speziellen Berichts über die Projektziele und Rahmenbedingungen, der in der Regel in einer frühen Projektphase bzw. im Zuge der Formulierung des Projektauftrages gemeinsam erstellt wird. Die Projektanforderungen, Projektziele und Rahmenbedingungen können auch durch ein Paket von Hauptdokumenten für das Projektmanagement definiert werden. Zu diesem Paket gehören z. B. Vorgaben aus der Sicht von Systemnutzung und -unterhalt, Beschreibungen der zu erbringenden Leistungen, ein Basisterminplan und ein strukturiertes Kostenbudget sowie eine Risikoanalyse. Diese Unterlagen bilden dann den Maßstab für das Erreichen der Projektziele. Auch eine Feasibility Study, in der die Machbarkeit und Wünschbarkeit des Projektes durch eine unabhängige Stelle geprüft und nachgewiesen wurden, kann als Basis für das Management der Projektqualität benützt werden. Allerdings muss ein solcher Bericht zu diesem Zweck zielorientiert und systematisch aufgebaut sein. Schließlich können Projektziele und Rahmenbedingungen ein entsprechend systematisch aufgebautes Kapitel (bzw. eine Anlage) im Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Projektmanagement bzw. zwischen einem Gesamtleistungserbringer und einem Subunternehmer sein. Projekte werden nicht immer einzeln und unabhängig voneinander bewertet. Beim Management eines Projektportfolios wird eine größere Menge miteinander konkurrierender Projekte priorisiert und gesteuert. Der systematische Aufbau und das durchgehende Erfassen und Nachführen der Projektziele und Rahmenbedingungen sind für das Management by Projects ❏฀ nötig für eine angemessene Vergleichbarkeit, ❏฀ vorteilhaft für die Erfahrungsbildung und Effizienz. Folgende weitere Qualitätskriterien werden zu diesen Zwecken bei den Projektzielen und Rahmenbedingungen einbezogen: ❏฀ strategische Bedeutung der Projekte für das Unternehmen, ❏฀ Abstimmung auf andere Projekte, ❏฀ Einbezug von unternehmensweit verwendeten Standards und Benchmarks, ❏฀ Interessen der ständigen Organisationseinheiten (Fach-/ Linienbereiche). Allgemein sind die Definition und die Nachführung der Projektziele und Rahmenbedingungen eine zentrale, wenn nicht die wichtigste Aktivität beim Management von Projekten. Dabei kommt man nicht an einer konsequenten, differenzierten Gesamtqualität mit sämtlichen Zielgrößen vorbei. Speziell auf Seiten des Kunden und der Gesamtprojektleitung wurden die Planung und Steuerung der Leistungen (Deliverables) im Vergleich zur Planung und Steuerung der Termine und Kosten lange vernachlässigt. Bei den Anforderungen des Auftraggebers an die Leistungen auf jeder Ebene bzw. bei jedem Glied der Leistungskette (Produktkette) und bei der Umsetzung dieser Anforderungen sowie bei der Auswahl der Projektbeteiligten liegt in der Regel das größte Optimierungspotenzial für die Projektarbeit. Deshalb hat das Management der Anforderungen von der Umsetzung unklarer Kundenerwartungen über die Begründung von inhaltlichen Lösungsvorschlägen bis zur konsequenten Steuerung und Abnahme bestellter Leistungen in letzter Zeit im Projektmanagement eine zentrale Bedeutung erhalten. Die mangelnde bzw. ungenügende Erarbeitung, Handhabung und Nachführung der Projektziele und Rahmenbedingungen ist immer noch der Hauptgrund für eine ungenügende Projektqualität und für Projekt-Misserfolge. Deshalb hat das entsprechende Kapitel im Projektmanagement-Fachmann [5] eine sehr hohe Bedeutung. 3฀ Denken฀in฀Systemen Im vorhergehenden Abschnitt stand das Definieren und Vereinbaren der Projektqualität im Vordergrund. Die Projektqualität wird jedoch erst verwirklicht, wenn die betreffenden Eigenschaften in den Systemen [6], die mit dem Projekt erstellt (Neubau), erneuert (Unterhalt) oder verändert (Umbau) werden, wirklich vorhanden sind. Für die Erzeugung der Projektqualität sind dabei folgende Voraussetzungen notwendig: ❏฀ das Definieren der Projektqualität mit den Stakeholdern, ❏฀ die Qualitätssicherung durch das Projektmanagement, ❏฀ und vor allem die Kompetenz und Motivation der Projektbeteiligten, die vereinbarte Projektqualität zu realisieren. Wie kann das Projektmanagement die knappen Ressourcen zu Gunsten der Erfüllung der Projektziele optimal einsetzen? Die Fähigkeit, in Systemen zu denken, ist eine projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 32฀฀ WISSEN der wichtigsten Kompetenzen von Projektmanagern. Mit dieser Kompetenz können sie ❏฀ die Eigenschaften und die Qualität für jeden Bereich, jedes Teilsystem und jede Komponente zusammen mit den Stakeholdern und den betreffenden Fachleuten festlegen, ❏฀ den Stand der Bearbeitung und die Entscheidung für jeden Bereich, jedes Teilsystem und jede Komponente erfassen, ❏฀ die Aufgaben, Ressourcen und Verantwortungen (einschließlich derjenigen des Kunden und des Projektmanagements) vor allem in jene Bereiche, jene Teilsysteme und jene Komponenten leiten, bei denen die höchste Priorität für die Weiterbearbeitung aus Sicht der Projektqualität besteht. Dabei muss das Projektmanagement beachten, dass Systeme (Organisationen, Bauten, IT-Anwendungen, Produkte, Gesetze etc.) in der Regel eine deutlich längere Lebensdauer haben als die Projekte zu ihrer Erstellung. Die in Systeme investierten Mittel sollen in der Regel während der mehrjährigen Nutzung auch mehr als einmal zurückfließen. Der Zusammenhang zwischen Unternehmensstrategie, System-, Projekt- und Nutzungsmanagement ist in Abb. 12 dargestellt. Die über Projekte erstellten bzw. veränderten Systeme sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Nutzung. Um die betreffenden Erwartungen erfüllen zu können, muss das Projektmanagement den Business Plan, der dem Projekt zu Grunde liegt, verstehen. Das Verständnis für die Geschäftsziele ermöglicht es dem Projektmanagement, die Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen. Systeme, mit denen das Projektmanagement zu tun hat, sind in der Regel offene, dynamische Systeme. Die klassische Gliederung eines offenen Systems ist in Abb. 13 dargestellt. Verschiedene natürliche und konstruierte, physische und abstrakte Systeme (z. B. ein Wald, eine Gruppe von Personen, ein Gebäude, ein ökologischer Bereich, ein Mobiltelefon, ein Flugzeug, eine Dokumentation, eine Datenbank, ein Management-Cockpit) werden in Projekten unter Leitung des Projektmanagements analysiert, entworfen, erstellt, verändert und eventuell entsorgt. Systeme sind in zweierlei Hinsicht dynamisch: ❏฀ Während der Nutzung produzieren sie Output aus Inputs (über Prozesse, Durchlaufzeiten etc.). ❏฀ Ihre Ziele, Grenzen, Strukturen und Eigenschaften können durch Projekte geändert werden. Die gesteuerte Änderung von Systemen ist in Abb. 14 dargestellt. Alle Aktivitäten, die durch das Projektmanagement geleitet werden, laufen nach diesem Prinzip der Veränderung von Systemen ab. Das Projektmanagement hat es mit folgenden hauptsächlichen Systemarten zu tun: ❏฀ dem bereits erwähnten System, das mit dem Projekt neu erzeugt oder verändert werden soll (z. B. eine Organisation, die entwickelt werden soll; die Produkte und Märkte eines Unternehmens, die verändert werden sollen; ein IT-System, das auf einen neuen Stand gebracht werden soll; eine bauliche Anlage, die neu errichtet werden soll; ein Gesetz, das an Stelle von mehreren veralteten Gesetzen neu geschaffen werden soll); ❏฀ den Projektdokumenten, die (mit im Projektablauf steigender Detaillierung und Präzision) zeigen, wie das Lebenszyklusmanagement für dieses System Projekt für neues System Nutzung (kein Projekt) Projekt für Unterhalt Projekt für Umbau Projekt für Rückbau Betrieb und Überwachung des Systems Systemmanagement der Stammorganisation Strategisches Management der Stammorganisation Abb.฀12: ฀Lebenszyklus฀von฀Systemen Umfeld Beziehungen Umfeldelement Schnittstelle System System im Umfeld Systemgrenze Element Abb.฀13: ฀Systemgliederung Management (nächste Ebene) Ausführung (Leistungen, Termine, Kosten) Definition des Auftrages Kontrolle der Ergebnisse Aktivität Zustand S1 Wert V1 Zeit T1 Zustand S2 Wert V2 Zeit T2 Abb.฀14: ฀Veränderung฀von฀Systemen aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 33฀฀ angestrebte System aussehen soll, und somit eine vorauserstellte Abbildung des erzeugten bzw. veränderten Systems sind; ❏฀ der Projektorganisation (dem produzierenden System), die das neue bzw. veränderte System plant, erzeugt bzw. übernimmt und verändert und (wieder) an die Stammorganisation zur Nutzung übergibt. Das Projektmanagement sorgt dafür, dass die Qualität dieser Systeme auf differenzierte und koordinierte (integrierte) Weise definiert, gesteuert und realisiert wird. 4฀ Qualitätsmanagement-Prozesse In der IPMA Competence Baseline (ICB, [4]) haben mehrere Elemente, Prozesse und Aspekte mit dem Qualitätsmanagement zu tun. Wir konzentrieren uns hier auf den eigentlichen Qualitätsmanagement-Prozess. Eine entsprechende Übersicht [2] ist in Abb. 15 dargestellt. Aus dieser Abbildung sind zwei Hauptprozesse ersichtlich: Management der Projektqualität auf der Kundenseite: ❏฀ Erfassen (und Nachführen) der Projektziele, Rahmenbedingungen und Anforderungen des Kunden, ❏฀ Analysieren und Evaluieren (und Anpassen) der Projektrisiken und -chancen, ❏฀ Erstellen (und Ändern) des Qualitätsmanagementplans des Kunden, ❏฀ Vereinbaren (und Anpassen) der Qualitätsmanagement-Vereinbarung mit den Auftragnehmern, ❏฀ Durchführen der Qualitätskontrollen auf der Kundenseite, ❏฀ Verarbeiten der Feedbacks aus der Qualitätskontrolle und -steuerung. Management der Projektqualität auf der Auftragnehmerseite: ❏฀ Analysieren und Evaluieren (und Anpassen) des Angebotes und der Projektziele und Rahmenbedingungen des Auftragnehmers, ❏฀ Vereinbaren (und Anpassen) der Qualitätsmanagement-Vereinbarung mit dem Kunden, ❏฀ Erstellen (und Ändern) des Qualitätsmanagementplans des Auftragnehmers, ❏฀ Durchführen der Qualitätskontrollen des Auftragnehmers, ❏฀ Verarbeiten der Feedbacks aus der Qualitätskontrolle und -steuerung. Der Teilprozess „Analysieren und Evaluieren (und Anpassen) der Projektrisiken und -chancen“ dient dazu, dass das Management der Projektqualität auf die Bereiche, Teilsysteme und Komponenten mit den größten Risiken und Chancen konzentriert werden kann (QM- Schwerpunkte). Der Teilprozess „Erstellen (und Ändern) eines Qualitätsmanagementplans“ kann in folgende Schritte aufgeteilt werden: ❏฀ relevante Risiken und Chancen inklusive deren Auswirkungen auf die Projektziele und Rahmenbedingungen analysieren, ❏฀ Eigenschaften und Werte sowie Messbzw. Beurteilungsmethoden für das Qualitätsmanagement erfassen, ❏฀ vorbeugende Maßnahmen festlegen (z. B. Reviews), ❏฀ Maßnahmen für den Fall von kritischen Abweichungen planen, ❏฀ Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zuweisen. Der Teilprozess „Verarbeiten der Feedbacks aus der Qualitätskontrolle und -steuerung“ ist in Abb. 16 als Prinzip dargestellt. Eine typische Qualitätssteuerungssituation wird in Abb. 17 gezeigt. Kundenziele, Rahmenbedingungen, Anforderungen Analyse und Evaluation von Risiken und Chancen Qualitätsmanagementplan des Kunden Qualitätsvereinbarung Qualitätskontrolle des Kunden Angebotsanalyse Qualitätsmanagementplan des Auftragnehmers Qualitätskontrolle des Auftragnehmers Kundenziele, Rahmenbedingungen, Anforderungen Analyse und Evaluation von Risiken und Chancen Qualitätsmanagementplan des Kunden Qualitätsvereinbarung Qualitätskontrolle des Kunden Angebotsanalyse Qualitätsmanagementplan des Auftragnehmers Qualitätskontrolle des Auftragnehmers Feedbacks Abb.฀15: ฀Prozesse฀für฀das฀Management฀der฀Projektqualität projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 34฀฀ WISSEN Das Konzept für die Qualitätsmanagement-Prozesse kann über mehrere Glieder einer Produktkette ausgedehnt werden, zum Beispiel ❏฀ Qualitätsmanagement für das Mandat des Projektmanagements, ❏฀ Qualitätsmanagement für das Mandat eines Dienstleisters, ❏฀ Qualitätsmanagement für den Vertrag eines Sachleisters, ❏฀ Qualitätsmanagement für einen Subunternehmervertrag. 5฀ Schlussbemerkung Das Management der Projektqualität ist keine Generalistentätigkeit (die von allem wenig weiß), sondern eine Spezialistenaufgabe, die Projektmanagementfunktionen mit bestimmten Inhalten, Methoden, Ressourcen und Qualitätskriterien wahrnimmt. Grundlagen für das Management der gesamthaften Projektqualität sind vor allem ❏฀ ein differenziertes, fein abgestimmtes, konkretes System von Projektzielen und Rahmenbedingungen, ❏฀ das Denken in Systemen und ❏฀ die Qualitätsmanagement-Prozesse. ■ Literatur [1]฀Schoper,฀Y.: ฀Interkulturelle฀Unterschiede฀in฀der฀Qualitätsauffassung.฀Tagungsband฀zum฀GPM-Forum฀2004,฀Nürnberg฀2004,฀Seite฀115-124 [2]฀Schweizerischer฀Ingenieur-฀und฀Architektenverein: ฀SIA฀ Merkblatt฀2007.฀Zürich,฀Ausgabe฀2001 [3]฀Quality฀Management฀Systems,฀Standard฀ISO฀9000: 2000 [4]฀IPMA฀Competence฀Baseline฀(ICB).฀Version฀2.0b,฀Bremen฀ 1999 [5]฀GPM/ RKW฀(Hrsg.): ฀Projektmanagement-Fachmann.฀ Kapitel฀1.6฀Projektziele,฀4.฀Auflage,฀Eschborn฀1998 [6]฀Knöpfel,฀H.: ฀Culture฀through฀project฀management฀-฀project฀management฀culture,฀handbook฀of฀the฀management฀by฀ projects.฀P.฀141,฀Vienna฀1990 [7]฀Zangemeister,฀Ch.: ฀Nutzwertanalyse฀in฀der฀Systemtechnik.฀München฀1971 Schlagwörter Denken฀in฀Systemen,฀Projektqualität,฀Projektziele,฀Qualitätsmanagement,฀Qualitätssteuerung Autor Hans฀Knöpfel,฀Dr.฀sc.฀techn.,฀Dipl.-Ing.฀ ETH.฀Mitglied฀der฀Geschäftsleitung฀ der฀Firma฀Rosenthaler฀+฀Partner฀AG,฀ Management฀und฀Informatik.฀Entwicklung฀eines฀systematischen฀Projektmanagements.฀Visiting฀Associate฀ Professor.฀Interimistische฀Leitung฀ der฀Lehre฀und฀Forschung฀im฀Bereich฀ Bauplanung฀am฀Institut฀für฀Bauplanung฀und฀Baubetrieb฀der฀ ETH฀Zürich.฀Projektleitung,฀Beratung฀und฀Controlling฀von฀ Projekten฀in฀der฀Praxis.฀Diplomausbildung฀und฀Weiterbildung.฀Autor฀von฀über฀fünfzig฀Publikationen฀auf฀Deutsch฀und฀ Englisch.฀Leitende฀Arbeit฀in฀nationalen฀und฀internationalen฀ Fachorganisationen.฀Urassessor฀und฀Validator฀für฀das฀ universelle฀Vier-Ebenen-Zertifizierungssystem฀(4-L-C)฀der฀ IPMA. Anschrift Rosenthaler฀+฀Partner฀AG Management฀und฀Informatik Baumackerstrasse฀24 CH-8050฀Zürich E-Mail: ฀Kn@rpag.ch Anforderungen (Ziele, Rahmenbedingungen) Überwachung (Zustand) Ergebnisse (Zufriedenheit der Stakeholder) Vergleich I NPUT S OU P UTS T Korrekturmaßnahmen (Feedback) Realität (Ist) Abb.฀16: ฀Prozess฀zur฀Steuerung฀der฀Projektqualität Steuerung Zielgröße Zielwert Prognose Zeit Planwert Ist-Wert geplant (neu) geplant (bisher) Bezugsdatum Ziel-Zwischenwert Abb.฀17: ฀Typische฀Situation฀der฀Qualitätssteuerung aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 35฀฀ Fallstudie: ฀Qualität฀in฀der฀ Produktentwicklung฀durch฀ Kundenperspektive฀sichern Frank฀Lubatsch Die฀Beschreibung฀von฀Qualitätsmerkmalen,฀die฀Durchführung฀von฀Tests฀aus฀Kundensicht฀unter฀ realen฀Bedingungen฀sowie฀die฀Qualifikation฀der฀Projektmanager฀sind฀Teile฀des฀Qualitätssicherungsprozesses฀PQP฀(Product-Quality-Planning).฀Ziel฀des฀PQP฀ist฀es,฀die฀Berücksichtigung฀der฀ Kundensicht฀von฀der฀Produktidee฀bis฀zum฀Verkauf฀sicherzustellen.฀Mit฀dieser฀Vorgehensweise฀ sollen฀die฀Qualität฀gewährleistet฀und฀die฀Kosten฀in฀der฀Entwicklung฀reduziert฀werden.฀Je฀früher฀ die฀Fehler฀in฀der฀Entwicklung฀gefunden฀werden,฀desto฀günstiger฀ist฀die฀Fehlerbehebung.฀Je฀ später฀im฀Entwicklungsprozess฀ein฀Fehler฀entdeckt฀wird,฀desto฀teurer฀wird฀seine฀Behebung.฀ Die฀Kosten฀für฀eine฀solche฀Fehlerbehebung฀potenzieren฀sich฀sogar฀nach฀der฀schematisch฀ gesehenen฀10er-Regel,฀je฀weiter฀die฀Entwicklung฀gediehen฀ist฀(siehe฀Abb.฀1).฀Die฀Fehlerbehebung฀in฀der฀Produktionsphase฀ist฀sehr฀viel฀teurer฀als฀in฀der฀Entwicklungsphase.฀Für฀die฀Behebung฀des฀Abrechnungsfehlers฀musste฀das฀Unternehmen฀ca.฀20฀%฀der฀Entwicklungskosten฀ aufbringen.฀Und฀hat฀einen฀hohen฀Imageschaden฀erlitten! ฀Wenn฀der฀PQP-Prozess฀bei฀der฀Entwicklung฀von฀„Musik-Download“฀durchgeführt฀worden฀wäre,฀hätten฀die฀Kunden฀ein฀positives฀ Produkterlebnis฀gehabt,฀und฀die฀Mehrkosten฀hätten฀vermieden฀werden฀können. N ach ausführlicher Ankündigung und Bewerbung in den Medien bringt das Telekommunikationsunternehmen BLU das Produkt „Musik-Download auf dem Handy“ auf den Markt. Vier Wochen später werden die ersten Rechnungen versandt. Es ist Montag, Montagmorgen. Die Telefone im Kundenservicecenter stehen nicht mehr still. Verärgerte Kunden rufen an und beschweren sich über ihre Rechnungen. Die Abrechnung von „Musik-Download“ ist fehlerhaft: Die geladenen Musiktitel werden manchmal doppelt berechnet. Dieses Problem ist den Mitarbeitern im Kundenservice unbekannt. Sie kennen weder den Grund für die falsche Abrechnung noch können sie kurzfristig eine Lösung anbieten. Die Kunden sind über die falsche Abrechnung und den inkompetenten Kundenservice sehr verärgert. Schlecht entwickelte Produkte belasten nicht nur das Ansehen, sie kosten das Unternehmen auch sehr viel Geld. Neue Produkte auf den Markt zu bringen und bestehende Produkte zu verbessern sind die wichtigsten Ziele eines Unternehmens. Sie fordern alle an der Entwicklung und Produktion Beteiligten heraus, die Produkte in immer rascherer Abfolge zu entwerfen, zu produzieren und zu testen - und dies gilt für alle Branchen. Daher wird es für die Mitarbeiter im Projektteam auch schwieriger, für die Qualität der Produkte zu sorgen. Sie müssen sich noch stärker als bisher auf den für ihre Arbeit wichtigsten Maßstab konzentrieren: die Kundenperspektive. Die Kundenperspektive ist die grundlegende Orientierung in dem Qualitätssicherungsprozess, der hier vorgestellt werden soll: dem PQP (Product-Quality-Planning). Er umfasst die Qualitätsplanung wie auch die Qualitätssicherung und -kontrolle und vermindert Qualitätsrisiken bereits in der Produktentwicklung. Zunächst werden die Fehler vorgestellt, die in der Produktentwicklung häufig gemacht werden, und dann die Maßnahmen erklärt, die sie zu vermeiden helfen. Auf diese Fehler wird am Beispiel des Produkts „Musik-Download“ der Reihe der Produktionsschritte nach eingegangen und anschließend werden drei Möglichkeiten aus dem PQP vorgestellt, die im Produktentwicklungsprozess helfen sollen, dessen Qualität zu sichern. Kosten zur Fehlerbehebung Entwicklungsprozess Konzept 1x 10x 100x Design Entwicklung Testing Produktion Abb.฀1: ฀Kosten฀der฀Fehlerbehebung฀mit฀fortschreitender฀Entwicklung projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 36฀฀ WISSEN 1฀ Probleme฀in฀der฀Produktentwicklung 1.1฀ Businessplan Marko Wehlandt arbeitet im Bereich Sales und Marketing als Produktmanager. Er ist für die Entwicklung neuer Produkte verantwortlich. Neue Produkte werden für Kunden und daher am besten aus der Sicht des Kunden entwickelt. Die Entwicklungsgrundlage dieser Produkte sind Ergebnisse aus Marktforschungen, Produkte anderer Wettbewerber sowie Ideen von Mitarbeitern. Gerade arbeitet er daran, den Download von Musik auch via Handy anzubieten. Mit einer speziellen Software auf dem Handy soll sich der Kunde seine Wunschmusik aus dem Internet herunterladen können. Die Voraussetzung zur Entwicklung dieses Produkts ist ein Businessplan. Marko Wehlandt ist als Produktmanager dafür verantwortlich, dass darin alle für den Entwicklungsstart notwendigen Informationen zusammengetragen werden. Viele Produktideen werden vom Management-Board abgelehnt. Für den Produktmanager ist deshalb die Entwicklungsfreigabe für ein neues Produkt immer ein besonderes Ereignis. Nach Wehlandts Erfahrung legt das Management bei der Entscheidung über eine Freigabe besonderen Wert auf das Management-Summary. Je detaillierter dieses ausgearbeitet ist, desto höher sind die Chancen einer Entwicklungsfreigabe für sein neues Produkt „Musik-Download“. Im Management-Summary wird das Produkt genau beschrieben, seine Marktchancen werden dargestellt und seine Finanzierung wird berechnet. Auch die zeitliche Abwicklung des Projekts, die wichtigsten Meilensteine sowie die benötigten Ressourcen werden dargestellt. Eine Liste offener Punkte, ausstehender Entscheidungen sowie der Randbedingungen bei der Realisierung komplettieren den Businessplan. Für die Produktentwicklung ist es erforderlich, dass die Qualitätsmerkmale aus der Sicht des Kunden definiert sind. Im Businessplan für „Musik-Download“ hat Marko Wehlandt aber nicht die kennzeichnenden Eigenschaften (Qualitätsmerkmale) definiert. Er hat zunächst nur die technischen Funktionen beschrieben, die dem Kunden zur Verfügung stehen sollen. Vier Wochen nach Fertigstellung des Businessplans hat das Management-Board der Entwicklung grünes Licht gegeben. 1.2฀ Technisches฀Design Steve Raine ist Manager im Entwicklungsbereich und für die Erstellung der Designdokumente verantwortlich. Ihm fällt auf, dass der Businessplan unvollständig ist. Er vermisst die Qualitätsmerkmale und einige wichtige Kennzahlen. Außerdem sind die Annahmen zum Entwicklungsaufwand aus seiner Sicht nur unzureichend auf ihre Stichhaltigkeit geprüft. Auch ist die detaillierte Produktdefinition in einigen Punkten lückenhaft. So ist zum Beispiel nicht genau beschrieben, an welcher Stelle im System-Workflow sich das Musiksuchfeld zur Eingabe der Musiktitel öffnen soll. Steve Raine entscheidet aus der Perspektive eines Designers, wann sich das Musiksuchfenster öffnen soll, und definiert die ausstehenden Kennzahlen. Die fehlenden Qualitätsmerkmale werden von ihm nicht angegeben. 1.3฀ Entwicklung Zur Realisierung des Produkts „Musik-Download“ sind unter anderem Entwicklungen an der Abrechnungssoftware und am Funknetz notwendig. Diese beiden Systeme werden von unterschiedlichen Bereichen betreut und entwickelt. Jeder dieser Bereiche stellt einen eigenen Projektleiter. Paul Stickland ist für die Entwicklung der Software zur Abrechnung verantwortlich, Frank Punzel für diejenige im Funknetz. Die Entwicklungen an der Abrechnungssoftware und im Funknetz werden unabhängig voneinander aufgesetzt. Die verschiedenen technischen Strukturen der beiden Systeme rechtfertigen aus Sicht der Bereichsleiter zwei separate, parallel laufende Projekte. Paul Stickland und Frank Punzel formulieren die Ziele und erstellen die Projektplanung daher unabhängig voneinander. Im Funknetzprojekt von Frank Punzel wird die von Nokia und Nortel gelieferte Software getestet und implementiert. Im Softwareprojekt von Paul Stickland wird die Software dagegen eigenständig entwickelt. Marko Wehlandt kontrolliert den Entwicklungsstand aus Marketingsicht in beiden Projekten nur selten. Als Ansprechpartner steht er kaum zur Verfügung. Den Teams um Paul Stickland und Frank Punzel ist die Kundenperspektive im Gegensatz zu ihm unbekannt; deshalb bleibt ihnen als einzige Orientierung das technische Design. Hinzu kommt, dass die Software englischsprachige IT- Spezialisten entwickeln. Oft gehen dabei wichtige Informationen verloren, wenn die Designdokumente in deutscher Sprache verfasst oder schlecht übersetzt sind. 1.4฀ Testing Die Qualität der Produktsoftware wird in der Testabteilung überprüft. Simon Chinn ist Testmanager und für die Durchführung dieser Tests verantwortlich. Er hat zwei wichtige Aufgaben: Zum einen definiert er die Testszenarios. Diese simulieren den Kaufvorgang des Kunden und die Abrechnung der geladenen Lieder. Zum anderen setzt er die Testumgebung auf. Diese muss mit der Produktionsumgebung absolut übereinstimmen. So muss es möglich sein, in der Testumgebung Lieder herunterzuladen und dafür automatisch eine Rechnung erstellen zu lassen. Die Testszenarios werden von Simon Chinn auf der Grundlage des technischen Designs erstellt. Er ist von den Verzerrungen der Kundenperspektive betroffen, die Steve Raine eingebracht hat. Chinn selbst bringt weitere Verzerrung in die Produktentwicklung, indem er die Prioritäten vergibt, nach denen die Szenarios getestet werden. So hat er ausgiebig den Verkauf getestet, die Abrechnung jedoch vernachlässigt. Als Testmanager erstellt Simon Chinn am Ende der Testphase eine Installationsempfehlung. Diese gibt über die Qualität der getesteten Software Auskunft. Allerdings basiert diese Empfehlung, wie oben bereits ausgeführt, nur auf den Ergebnissen von Tests, die aus technischer Sicht entworfen und durchgeführt wurden. Die verantwortlichen Manager bekommen eine Zusammenfassung dieser Testergebnisse erst kurz vor dem Software-Roll-out. Das Management geht meist irrtümlich davon aus, dass die getestete Software auch in der aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 37฀฀ Produktionsumgebung fehlerfrei läuft und die Anforderungen der Kunden erfüllt. Diesen Nachweis kann der Test auf einer Testumgebung nur eingeschränkt erbringen. 1.5฀ Live-Betrieb Nachdem die Software in der Produktionsumgebung installiert und die ersten Handys mit der Funktion für den „Musik-Download“ verkauft worden sind, meldet sich die Kundin Ilka Sommer mit einer ernsten Beschwerde. Das ausgewählte Musikstück kann sie zwar kostenlos Probe hören und bei Gefallen herunterladen. Wenn sie allerdings beim Herunterladen während einer Bahnfahrt unterbrochen wird, zum Beispiel, wenn der Zug in einen Tunnel fährt und die Verbindung abbricht und sie danach versucht, den Song noch einmal zu laden, wird ihr dieser Song ein zweites Mal berechnet. Dieses typische Kundenszenario wurde bei der Entwicklung und im Test nicht berücksichtigt. Das Design wird meist von IT-Spezialisten erstellt. Diese kennen die Kundenperspektive nicht oder nur unzureichend und können sie deshalb im Designdokument nicht abbilden. Die Kundensicht verliert während der Entwicklung daher völlig an Bedeutung, wie Abb. 2 zeigt. 1.6฀ Zusammenfassung 1. Der Businessplan wird oft nur unzureichend definiert. Das Designteam bleibt bei offenen Fragen im Ungewissen und hat beim Erstellen der Designdokumente viel Interpretationsspielraum. 2. Sprachhürden bei der Erstellung des Designs und der Testszenarios bringen einen erheblichen Informationsverlust, wenn deutsch- und englischsprachige Mitarbeiter im selben Projekt arbeiten. 3. Die Designdokumente werden vom Produktmanager und von den Spezialisten nur unzureichend geprüft. Geforderte Funktionen werden unvollständig oder falsch entwickelt. 4. Das Projektteam für die Softwareentwicklung und dasjenige für die Funknetzentwicklung arbeiten unabhängig voneinander an der Realisierung des Produkts. Dadurch kommt es zu Abstimmungsproblemen und Reibungsverlusten. 5. Die Testszenarios basieren ausschließlich auf dem technischen Design, und die End-to-end-Tests werden aus einer rein technischen Perspektive durchgeführt. Die Kundenanforderungen spielen bei diesen Tests keine Rolle. 6. Die Empfehlung, die Software in der Produktionsumgebung zu installieren, basiert auf den Ergebnissen in einer Testumgebung. Sie ist daher nicht verlässlich; der Roll-out bringt viele Risiken mit sich. 2฀ Qualität฀durch฀Kundenperspektive฀sichern Es werden nun drei Instrumente vorgestellt, welche die oben dargestellten Fehler vermeiden helfen: ❏ Qualitätsmerkmale aus Kundensicht definieren; ❏ Kundentest durchführen; ❏ Projektmanager qualifizieren. Berücksichtigung der Kundensicht im Entwicklungsprozess Entwicklungsprozess Konzept Design Entwicklung Testing Produktion Abb.฀2: ฀Verlust฀der฀Kundensicht฀während฀der฀Produktentwicklung projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 38฀฀ WISSEN 2.1฀ Qualitätsmerkmale฀aus฀Kundensicht฀definieren Es ist entscheidend, dass die Qualitätsmerkmale bereits zum Entwicklungsstart vollständig definiert sind. Marko Wehlandt hätte im Businessplan die Qualitätsmerkmale und die sich daraus ergebenden Anforderungen beschreiben müssen. Dabei ist es wichtig, dass sich die Qualitätsmerkmale am Customer-Life-Cycle orientieren. Über den Customer-Life-Cycle wird sichergestellt, dass alle Customer-Touch-Points berücksichtigt sind. Die Customer- Touch-Points sind die Situationen, in denen der Kunde und das Unternehmen in Kontakt treten. Für jeden Customer-Touch-Point ist mindestens ein Qualitätsmerkmal zu definieren. Ein wichtiger Customer-Touch-Point ist die Mobilfunkrechnung. Dort kann der Kunde Abrechnungsfehler entdecken. Die Fehler im Beispiel von „Musik-Download“ wären nicht aufgetaucht, wenn die funktionalen Eigenschaften (Qualitätsmerkmale) korrekt und umfassend definiert worden wären. Die richtige Abrechnung wäre hier das zu definierende Qualitätsmerkmal gewesen. Es fordert, dass die Abrechnung auch dann korrekt sein muss, wenn der Musik-Download mangels Netzversorgung unterbrochen wird. 2.2฀ Kundentest฀durchführen Deckt das Produkt die Erwartungen der Kunden, und kennen die Mitarbeiter im Kundenservice alle Produktfunktionalitäten? Diese Fragen kann ein Test beantworten, der aus Kundensicht in einer realen Umgebung (Produktionsumgebung) durchgeführt wird. Dieser Kundentest verringert das Risiko, dem Kunden ein Produkt anzubieten, das nicht hundertprozentig funktioniert. Mit diesem Test kann aber nicht nur die Funktionsfähigkeit des Produkts geprüft werden, er gibt auch Auskunft darüber, ob zum Beispiel die Mitarbeiter im Kundenservice alle Anfragen sachgerecht bearbeiten können. Der Abrechnungsfehler wäre vor der Produkteinführung entdeckt worden, wenn der Testmanager Simon Chinn einen Kundentest unter realen Bedingungen durchgeführt hätte. Hier ein Beispiel dafür, wie unter realen Bedingungen getestet wird: „Starte den Musik-Download, steige in eine U-Bahn, bis die Netzversorgung unterbrochen wird! Dann starte den Vorgang noch einmal und überprüfe die Rechnung! “ Wenn die Software und das Funknetz in der Produktionsumgebung eingesetzt, die Prozesse publiziert sind und die Mitarbeiter eine Produktschulung erhalten haben, sind die Mindestanforderungen an einen Kundentest unter realen Bedingungen erfüllt. Die so durchgeführten Kundentests können eine gültige Aussage zur Produktqualität vor deren Vermarktung geben. 2.3฀ Projektmanager฀qualifizieren Fehler im Projektmanagement schlagen sich unmittelbar auf den Projekterfolg und damit auf die Produktqualität nieder. Im Beispiel „Musik-Download“ waren dem Projektmanager seine Stakeholder unbekannt, und es gab keine Kommunikationsstrategie. Die Kommunikationsstrategie beschreibt, welche Stakeholder wann über welches Medium informiert werden, zum Beispiel über Meetings und Telefonkonferenzen. Zur Minimierung der Risiken im Projektmanagement müssen sich die Projektleiter geeignet qualifizieren. Zur Verbesserung der Qualifikation bieten sich passende Schulungen an. Eine mögliche Schulung ist der Qualifikationslehrgang zum/ zur „Projektmanagement-Fachmann/ -frau“, der die allgemeinen Grundlagen des systematischen Projektmanagements vermittelt. Lehrgangsziel ist die umfassende Ausbildung im Projektmanagement zur selbstständigen Planung und Steuerung der Projekte. Die Durchführung von Selfassessments ist eine weitere Qualifikationsmaßnahme. Das Selfassessment dient zur Bewertung der Projektmanagementfähigkeiten und wird mit der Software PM-Delta durchgeführt. Diese Software orientiert sich am Projektmanagementkanon der Gesellschaft für Projektmanagement (GPM). Sie gibt dem Projektmanager die Möglichkeit, seine Projektmanagementmethoden an einem neutralen, normenkonformen Standard zu messen. Die Fragen der GPM und die Antworten des Projektmanagers helfen diesem, seine Stärken zu erkennen und sein Potenzial im Projektmanagement zu zeigen. Das Selfassessment wird für alle Projektmanager durchgeführt, die an Produktentwicklungsprojekten arbeiten. Die Projektmanagementqualität im Unternehmen kann man auch durch Projektsimulationen verbessern. Diese Projektsimulationen werden im Rahmen von Projektcoachings vor und während der Projektphasen durchgeführt. Dabei simuliert der Computer in einem interaktiven und multimedialen Planspiel den Ablauf und die integrierte Steuerung eines Projekts mit real auftretenden Ereignissen. Zum Beispiel muss das Projekt unter Zeitdruck geplant und es müssen schnelle Entscheidungen getroffen werden, die den Projektablauf beeinflussen. ■ Schlagwörter Kundensicht฀in฀der฀Produktentwicklung,฀Produktentstehungsprozess,฀Projektcoaching,฀Projektsimulation,฀Qualitätsmanagement Autor Frank฀Lubatsch,฀Diplom-Kaufmann,฀ geb.฀1968,฀ist฀bei฀O 2 ฀Germany฀im฀ Bereich฀Corporate฀Quality฀tätig.฀Dort฀ arbeitet฀er฀als฀PQP-Manager฀(PQP: ฀ Product-Quality-Planning)฀und฀Projektmanager฀(B-Level-zertifiziert฀nach฀ IPMA).฀Seine฀Aufgabenschwerpunkte฀ sind฀neben฀der฀Entwicklung฀von฀ PQP-Strategien฀die฀Qualitätssicherung฀in฀der฀Produktentwicklung฀sowie฀die฀Durchführung฀von฀Customer-Readiness-Tests.฀Mit฀seinen฀Ergebnissen฀aus฀einem฀Pilotprojekt฀ zur฀Optimierung฀von฀Produktentwicklungen฀hat฀er฀den฀ Grundstein฀zur฀Standardisierung฀des฀PQP-Prozesses฀bei฀O 2฀ Germany฀gelegt. Anschrift O 2 ฀Germany฀GmbH฀&฀Co.฀OHG Georg-Brauchle-Ring฀23-25 D-80992฀München Tel.: ฀0฀89/ 24฀42-41฀32 Mobil: ฀01฀79/ 2฀95฀81฀42 Fax: ฀0฀89/ 24฀42-41฀45 E-Mail: ฀frank.lubatsch@o2.com www.de.o2.com aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 41฀฀ PM-Software: ฀Asta฀Easyplan Projektmanagement-Software฀für฀ Einsteiger Mey฀Mark฀Meyer Moderne฀Projektmanagement-Software฀verknüpft฀zunehmend฀mehr฀Funktionalität฀in฀einem฀ einzelnen฀Produkt.฀Was฀für฀Organisationen฀mit฀gereiftem฀Projektmanagement฀eine฀wertvolle฀Unterstützung฀darstellt,฀muss฀für฀Einsteiger฀in฀die฀Materie฀nicht฀genauso฀sinnvoll฀sein.฀ Easyplan฀nimmt฀gezielt฀die฀kleineren฀Projekte฀ins฀Visier,฀in฀denen฀oftmals฀noch฀keine฀spezifische฀Software฀für฀Projektmanagement฀eingesetzt฀wird.฀Für฀kleine฀und฀mittlere฀Projekte฀ bietet฀es฀Ablauf-,฀Termin-฀und฀Kostenmanagement. W er kleine Projekte ohne nennenswerte Vernetzung mit anderen Projekten zu bewältigen hat, der benötigt hierfür keine Software, welche die Ressourcen organisationsweit verwaltet, Portfolioauswertungen generiert oder das Risikomanagement integriert. So sinnvoll diese Funktionen in großen Projekten von Organisationen mit hohem PM-Reifegrad sind, so sehr können sie im Bereich kleiner Projekte die Nutzung der Software verkomplizieren. Auch wer mit der Nutzung von Projektmanagement-Software beginnt, weiß eine schnelle Erlernbarkeit und geringe Einstiegskosten zu schätzen. Eine schlanke, einfache Projektmanagement-Software bil- Easyplan฀erlaubt฀die฀einfache฀Verknüpfung฀von฀Termin-฀und฀Kosteninformationen projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 42฀฀ WISSEN det damit einen Mittelweg zwischen dem Einsatz umfangreicher Produkte aus dem Segment „Enterprise Project Management“ und der in einem Großteil von Projekten noch immer erfolgenden Verwendung einfacher Listen, Tabellen und Dokumentvorlagen gängiger Office-Produkte. Im Sinne eines Reifeprozesses beim Einsatz von Projektmanagement-Software kann eine „kleine“ Software einen sinnvollen Zwischenschritt darstellen. Abgespeckt Der Funktionsumfang von Easyplan verdeutlicht die anvisierte Zielsetzung: Ablauf- und Terminmanagement mit der Möglichkeit des Kosten- und Finanzmanagements in Einzelprojekten und sehr kleinen Multiprojektumgebungen. Das Management von Arbeitsressourcen wie Mitarbeitern oder Maschinen unterstützt Easyplan dagegen nicht. Gegenüber dem ebenfalls von Asta Development angebotenen Powerproject ist das fehlende Ressourcenmanagement der Hauptunterschied. Auch die Strukturierungsfähigkeiten von Easyplan sind im Gegensatz zum „großen Bruder“ eingeschränkt. Ein systematisches Ressourcenmanagement wird in den wenigsten der von Easyplan als Zielgruppe identifizierten Projekte zum Einsatz kommen. Zudem erfordert es - sofern es gewinnbringend eingesetzt werden soll - die projektübergreifende Ressourcenverwaltung. Der völlige Verzicht auf diese Funktion erscheint unter diesen Gesichtspunkten auf den ersten Blick plausibel. Eine rudimentäre Ressourcen-Funktionalität würde man sich dennoch wünschen: Zur Kostenplanung ist die Zuordnung von Ressourcen mit den entsprechenden Verrechnungssätzen beispielsweise intuitiver als die in Easyplan mögliche direkte Zuweisung von Kosten. Die mit Easyplan gelieferte Hilfedatei stellt eine einheitliche Dokumentation für beide Produkte, Easyplan und Powerproject, dar. Sie beschreibt dem Easyplan-Anwender somit stellenweise auch nicht vorhandene Funktionen. Zwar wird hierauf einleitend hingewiesen, eine reine Easyplan-Dokumentation wäre dennoch leichter verständlich und würde das Ziel, eine leicht erlernbare Einsteiger-Lösung zu bieten, unterstreichen. Die Arbeit mit Projektplänen im Balkendiagramm unterstützt Easyplan mit durchdachten Funktionen wie der Darstellung von mehreren Vorgängen in einer Zeile. Dies eröffnet eine Reihe von Möglichkeiten, um Projektpläne in knapper Form übersichtlich zu präsentieren. Neben den Summenvorgängen, die hierarchisch untergeordnete Einzelvorgänge zusammenfassend darstellen, bieten Sammelvorgänge die Möglichkeit, mehrere Vorgänge über Projektstrukturgrenzen nach beliebigen Kriterien zusammenzufassen. Diese Sammelvorgänge ermöglichen es, einzelne Vorgänge auch mehrfach in der Projektansicht darzustellen - beispielsweise um Vorgänge mit besonderer Bedeutung nochmals am Ende eines Projektplans zusammenzufassen. Einen großen Teil der Stammdaten des Projekts verwaltet Easyplan in den so genannten Bibliotheken. Mit der Zuordnung von Codes der Codebibliothek (z. B. „Subunternehmer Mustermann“) können Vorgängen verschiedenste Zusatzinformationen für spätere Auswertungen unter Einsatz der Filterfunktion mitgegeben werden. Kosten฀und฀Finanzen Die Kosten- und Finanzfunktionen von Easyplan stellen sicherlich eine besondere Stärke für eine Software in diesem Preissegment dar. Nachdem in der Kosten-Bibliothek Kostenarten definiert wurden, können diese einzelnen Vorgängen zugeordnet und entsprechende Beträge erfasst werden. Für jede Kostenzuordnung kann im Balkenplan ein eigener Balken dargestellt werden. Dieser markiert den Zeitraum, in dem die Kosten bzw. die Ausgaben eines Vorgangs anfallen. Da Ausgaben auch mit einem Verzug gegenüber den End- und Anfangsterminen des zugehö- Das Institut für Projektmanagement und Innovation der Universität Bremen hat in Kooperation mit der GPM-Fachgruppe „Software für PM- Aufgaben“ eine umfangreiche Expertenbefragung zum Stand und Trend von Projektmanagementsoftware vorgenommen. Eine Kurzübersicht über die Ergebnisse der Befragung steht auf den Seiten der Fachgruppe (www.pm-software.info) als Download zur Verfügung. Mitglieder der GPM können die ausführlichere Auswertung kostenfrei als pdf-Datei über die Geschäftsstelle beziehen. Studie฀zum฀Anwendungsstand฀von฀Projektmanagement-Software ■฀ Das฀neue฀Release฀der฀in-Step฀V-Modell฀XT฀Edition฀unterstützt฀Projektleiter฀und฀ihre฀Teams฀bei฀der฀Planung฀und฀Durchführung฀von฀Projekten฀nach฀dem฀V-Modell฀XT.฀Mit฀dem฀integrierten฀Tailoring-Assistenten฀wird฀der฀Entwicklungsstandard฀projektspezifisch฀angepasst.฀ (www.microtool.de) ■฀ Das฀neue฀WebDAV-Modul฀in฀Projektron฀BCS฀4.6฀erlaubt฀es฀dem฀Anwender,฀Dateien฀den฀Projekten฀und฀Aufgaben฀zuzuordnen฀und฀Versionen฀zu฀pflegen.฀Die฀WebDAV-Technologie฀ist฀eine฀Erweiterung฀bestehender฀Browser-Technologien.฀WebDAV-Ordner฀lassen฀sich฀direkt฀in฀ den฀Windows-Explorer฀integrieren฀und฀können฀so฀wie฀gewöhnliche฀ Laufwerke฀verwendet฀werden.฀(www.projektron.de) ■฀ Bei฀der฀neuen฀Version฀der฀Open-Source-Groupware฀PHProjekt฀5.0฀ steht฀vor฀allem฀die฀Barrierefreiheit฀im฀Vordergrund.฀Sie฀soll฀damit฀ auch฀für฀Menschen฀mit฀einer฀Behinderung฀frei฀zugänglich฀sein.฀Darüber฀hinaus฀präsentiert฀sich฀die฀Software฀mit฀einer฀optischen฀Harmonisierung฀aller฀Ansichten฀und฀soll฀deutlich฀schneller฀sein฀als฀die฀ Vorgängerversion.฀(www.phprojekt.com) ■฀ Ab฀sofort฀können฀Anwender฀der฀Standard-Software฀Collinor฀IRP฀ von฀Collogia฀Eskalationsregeln฀für฀die฀Kostenkontrolle฀in฀Projekten฀ frei฀definieren.฀So฀wird฀sichergestellt,฀dass฀Projektverantwortliche฀ über฀den฀Kosten-฀und฀Ressourcen-Bedarf฀ihrer฀Aufgaben฀permanent฀ informiert฀sind.฀Bei฀Bedarf฀zeigt฀das฀System฀jede฀einzelne฀Buchung฀ an.฀Daten฀aus฀kaufmännischen฀Systemen฀wie฀beispielsweise฀SAP฀ werden฀einbezogen.฀(www.collogia.de) ■฀ In฀der฀neuen฀Version฀PAVONE฀Project฀Management฀7฀soll฀jeder฀ Benutzer,฀egal฀ob฀Projektmanager฀oder฀Abteilungsleiter,฀eine฀auf฀ ihn฀abgestimmte฀Arbeitsumgebung฀vorfinden.฀Realisiert฀wird฀dies฀ durch฀ein฀individuell฀konfigurierbares฀Projektportal฀-฀die฀aus฀PAVONE฀ Enterprise฀Office฀übernommene฀Welcome฀Page.฀In฀ihr฀sind฀Rechtemanagement,฀der฀Zugriff฀auf฀die฀Maildatenbank฀und฀der฀Wechsel฀ zwischen฀verschiedenen฀Aufgabenbereichen฀ohne฀den฀Wechsel฀von฀ Datenbanken฀oder฀Dokumenten฀möglich.฀(www.pavone.de) +++฀ PM-Software-News฀ +++฀ PM-Software-News฀ +++ aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 43฀฀ rigen Vorgangs anfallen können, visualisiert dieser Kostenplan die Kosten und Erlöse des Projekts in übersichtlicher Form - er lässt sich wahlweise auch mit dem Terminplan kombiniert darstellen (Abb.). Wenn Kosten über den Projektverlauf dargestellt werden sollen, bieten sich Histogramme an. Easyplan ermöglicht hier die Auswahl beliebiger Kostenstrukturelemente zur Darstellung sowohl in Histogrammen (z. B. je Woche oder Monat) als auch in Form kumulierter Werte über die gesamte Projektlaufzeit. Mit Differenzbetrachtungen lassen sich z. B. auch Einnahmen und Ausgaben zur Liquiditätsplanung gegenüberstellen. Der Lieferumfang von Easyplan schließt die Software „Powerdraw“ mit ein. Hiermit lassen sich Vorlagen für den Ausdruck von Projektplänen und -listen an das jeweilige Design des eigenen Unternehmens anpassen. Preislich ordnet sich Easyplan noch im Niedrigpreissegment an. Dies sicher auch deshalb, weil ein erfolgreicher Einsatz von Easyplan in dem einen oder anderen Fall Appetit auf mehr macht und Asta Development mit Powerproject und dem Enterprise-Server auch bei den „Großen“ eine Lösung im Rennen hat. Fazit Easyplan bietet einen preisgünstigen Einstieg in die Anwendung von Projektmanagement-Software. Die Abstammung von Powerproject bedingt eine Abgrenzung, die sich im völligen Verzicht auf Ressourcen-Funktionalität niederschlägt. Sie führt aber auch zu sehr leistungsfähigen Detailfunktionen in den unterstützten Bereichen Termin- und Kostenmanagement. Wer in die Materie einsteigt, eine sorgfältige Termin- und Kostenplanung für seine Projekte erstellt und diese dann noch im Projektverlauf aktuell verfolgt, der hat bereits einen großen Schritt im Hinblick auf die Softwareunterstützung getan. Die geringen Einstiegskosten ermöglichen bei wachsendem Bedarf den Wechsel zu einem leistungsfähigeren Produkt, ohne dass die Erstinvestition zu betrauern wäre. Kontakt: Asta Development GmbH, D-76185 Karlsruhe, www.astadev.de, E-Mail: info@astadev.de ■ + Leistungsfähige Ablauf- und Terminplanung für kleine und mittlere Projekte + Umfangreiche Funktionalität zum Kostenmanagement - Ressourcenmanagement fehlt komplett - Dokumentation beschreibt auch nicht vorhandene Funktionen Stärken/ Schwächen projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 44฀฀ WISSEN Viele Projekte starten heutzutage ad hoc. Entsprechend kommen Mitarbeiter zu einem Projektleitungsmandat häufig zufällig oder auf Zuruf. Die Erwartungshaltung für den frisch gekürten Projektleiter ist jedoch hoch: Von ihm wird ein professionelles Projektmanagement verlangt, das die geforderten Ergebnisse „In Time“ und „In Quality“ liefert. Aber die Frage „Wie genau soll ich das machen? “ wird ganz ihm überlassen. Viele Projektleiter greifen hier auf Microsoft Excel zurück. Aber erst im Projektverlauf zeigen sich die Nachteile von Excel als Projektmanagement-Unterstützung. Vom Frankfurter Beratungsunternehmen Campana & Schott wurde jetzt als Alternative der Microsoft- Project-Zusatz ProjectEasy auf den Markt gebracht. Der Start eines typischen, mit Excel geplanten Projektes sieht fast überall gleich aus: Zunächst werden in einer Tabelle ein paar Aufgabenpakete, Meilensteine und Termine festgehalten. Die fehlende Möglichkeit, Zusammenhänge zwischen Meilensteinen oder Vorgängen abzubilden, erscheint am Anfang noch nicht so problematisch. Gleiches gilt für die Terminberechnung - Zusammenhänge und Termine kennt der Projektleiter schließlich von allen Beteiligten am besten … Im Verlauf des Projektes werden diese Nachteile jedoch schwerwiegender: Hat eine Verzögerung direkte Auswirkungen auf den Projektendtermin? Wird die Bearbeitung anderer Vorgänge hierdurch beeinflusst? Microsoft Excel fehlt für diese Fragen die notwendige Funktionalität. Das Ergebnis: Der Projektleiter muss sich die benötigte Information selbst erarbeiten, die Transparenz und die Unterstützung für das Projekt durch Excel nehmen im Projektverlauf stetig ab. Genau hier setzt ProjectEasy an: ProjectEasy ist ein Zusatz zu MS Project und fokussiert dessen Funktionalität auf das Wesentliche. ProjectEasy stellt nur diejenige Funktionalität zur Verfügung, die zur Bewältigung eines einzelnen Projekts wirklich benötigt wird. Vordefinierte Ansichten zum Planen und Steuern eines Projektes sowie eine projektleiterorientierte Menüstruktur (siehe Abbildung) sollen dem Projektleiter ermöglichen, sofort zu starten und sich ganz auf das eigentliche Projekt (und nicht auf das Tool) zu konzentrieren. So soll das aufwendige Setzen der umfangreichen Grundeinstellungen (Projektkalender, Standardvorgangsart und so weiter) völlig entfallen. Zusätzlich enthält ProjectEasy einen „Best-Practice“- Prozess für das Einzelprojektmanagement. Dabei leitet der Easy-Projektleitfaden den Projektleiter interaktiv durch alle notwendigen Schritte. Die erforderlichen MS-Project-Schritte werden dabei automatisch aufgerufen und sind konsistent am Projektmanagement-Prozess ausgerichtet. Ein auf Knopfdruck erzeugbarer Statusbericht im PowerPoint-Format bietet eine weitere Kernfunktionalität von ProjectEasy. Modular aufgebaut mit einfach hinzufüg- und löschbaren Informationen, historisierten Projektdaten und der Möglichkeit, den Projektstatus subjektiv einzuschätzen, soll der Statusbericht Transparenz im Projektverlauf schaffen und dem Projektleiter die Arbeit erleichtern. Alles in allem wird damit eine einfache Möglichkeit geboten, die gegenüber Excel doch wesentlich besseren Projektplanungs- und Projektcontrollingfunktionen von Microsoft Project zu nutzen, ohne die hohe Komplexität dieses Tools verstehen zu müssen. Weitere Informationen unter www.projecteasy.de beziehungsweise per Mail unter projecteasy@campanaschott.de ProjectEasy฀-฀Sofortunterstützung฀für฀Ad-hoc-Projekte Projektleiterorientierte฀Menüstruktur฀und฀Projektleitfaden฀mit฀Best-Practice- Prozess Reduktion฀der฀Funktionalität: ฀Ausgedünnte฀Menüstruktur฀von฀Project฀Easy Best-Practice-Prozess฀für฀das฀Einzelprojektmanagement aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 45฀฀ Transsystem-Vorsitzender฀Stanisław฀Sroka: „Wir฀schicken฀Projektmanager฀ auf฀den฀Karrierepfad“ Mit฀dem฀PM-Award฀zu฀Spitzenleistungen Oliver฀Steeger Von฀solch฀einem฀rasanten฀Startup฀können฀deutsche฀Unternehmensgründer฀nur฀träumen: ฀ Binnen฀vierzehn฀Jahren฀stieg฀das฀polnische฀Unternehmen฀Transsystem฀von฀einer฀Werkstatt฀zu฀einem฀weltweit฀begehrten฀Partner฀der฀Automobilkonzerne฀auf.฀Die฀Spezialisten฀ liefern฀automatische฀Förderanlagen฀für฀Automobilfabriken.฀Nach฀ersten฀Erfahrungen฀in฀den฀ benachbarten฀Skoda-Werken฀blickte฀die฀Unternehmensspitze฀schnell฀Richtung฀Europa,฀ USA฀und฀auch฀China.฀In฀den฀vergangenen฀Jahren฀hat฀Transsystem฀tausende฀Tonnen฀von฀ Stahlkonstruktionen฀in฀Automobilfabriken฀von฀DaimlerChrysler,฀Audi,฀BMW,฀Daewoo,฀Fiat,฀ Ford,฀Opel,฀Seat฀und฀Volkswagen฀errichtet.฀Mittlerweile฀liegt฀die฀Aktiengesellschaft฀auf฀ Rang฀47฀der฀größten฀Exporteure฀Polens.฀Sie฀ist฀eine฀wichtige฀Arbeitgeberin฀im฀Südosten฀ Polens.฀Im฀Herzen฀blieb฀Transsystem฀ein฀Projekt฀von฀Enthusiasten.฀Die฀Spezialisten฀aus฀ Ła ´ ncut฀verbinden฀solide฀Stahlkonstruktion฀mit฀perfektem฀Projektmanagement.฀Besonders฀ am฀Projektmanagement฀ist฀Vorstandsvorsitzendem฀Stanisław฀Sroka฀gelegen. Von Ihnen stammt der Satz, der Erfolg von Transsystem sei vor allem dem Projektmanagement zu verdanken. Ich präzisiere: Wir verdanken unseren Erfolg den Mitarbeitern, die Projektmanagement hervorragend einsetzen. Aber in der Tat steht Projektmanagement ganz oben auf der Liste aller Erfolgsfaktoren. Ohne Projektmanagement ständen wir heute gewiss nicht dort, wo wir stehen. Das klingt sehr allgemein. Schauen Sie, wir wickeln derzeit achtzig Projekte in fast zwanzig Ländern ab. Würde unser Projektmanagement nicht effizient funktionieren, wäre die Existenz von Transsystem gefährdet. Das ist ein Faktum und sehr konkret für meine Mitarbeiter und mich. Sie haben das Kunststück vollbracht, mit dem Projekt der Einführung von Projektmanagement direkt einen Preis zu gewinnen … Richtig, für dieses Reorganisations-Projekt waren wir 2002 Preisträger des „IPMA International Project Management Award“. Uns hat die Preisverleihung in Berlin viel bedeutet. Das war ein wunderbarer Moment. Zwei Jahre später gab’s auf dem IPMA-Weltkongress in Budapest wieder einen Preis … Den haben wir mit Goodyear zusammen für ein gemeinsames Projekt gewonnen. Sie nutzen noch heute die Erfolge für Ihr Unternehmen? Foto: ฀Transsystem Der฀studierte฀Elektroingenieur฀und฀Betriebswirt฀Stanisław฀Sroka฀(Jahrgang฀1954)฀ gründete฀1991฀das฀polnische฀Erfolgsunternehmen฀Transsystem.฀Er฀machte฀sich฀ in฀Polen฀auch฀um฀das฀Projektmanagement฀verdient.฀Als฀Gründungsmitglied฀gehört฀er฀seit฀der฀ersten฀Stunde฀zur฀„Association฀of฀Project฀Management฀Poland฀ (SPMP)”,฀dem฀polnischen฀Projektmanagement-Fachverband. projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 46฀฀ KARRIERE Wir nutzen sie extern. Wir betrachten die gewonnenen Preise als Zeugnis für exzellentes Projektmanagement sowie für das gute Zusammenspiel von Management und Team. Wir haben Filme über diese Erfolge gedreht, die wir unseren Kunden, Behörden und unseren Lieferanten zeigen. Die Nachweise hervorragenden Projektmanagements öffnen uns Türen bei internationalen Kunden. Wird das Thema Projektmanagement-Kompetenz bei Ausschreibungen oder Verhandlungen offen angesprochen? Ja, natürlich. In unserer Branche wissen doch alle: Ohne Projektmanagement wäre die erfolgreiche Abwicklung eines Auftrags schlichtweg unmöglich. Da wollen Kunden zur eigenen Sicherheit wissen, wie es um das Projektmanagement und die Projektorganisation bei ihren Lieferanten bestellt ist. Es ist bekannt, dass Ihr seit 1991 bestehendes Unternehmen in der Automotivebranche tätig ist. Für die gefragt, die in dieser Branche nicht zu Hause sind: Was machen Sie genau? Wir planen, fertigen, liefern und montieren Fördertechnik für die Automobilproduktion. Unsere Kunden sind in Europa, China und den USA. Für das VW-Werk im chinesischen Changchun haben wir das komplette Förderungssystem geliefert. Ist auch Deutschland für Sie ein Markt? Ein sehr wichtiger sogar. Bis Mitte vergangenen Jahres waren wir in einem Volkswagenwerk bei Emden tätig. Drei Großprojekte mit einem Volumen von rund 3,5 Millionen Euro haben wir abgewickelt. Wir unterhalten in Deutschland heute eine eigene Niederlassung. Wir haben uns erlaubt, vor unserem Gespräch Einsicht in Ihre Referenzliste zu nehmen. Wir haben beispielsweise BMW, General Motors, Audi, Jaguar, Toyota, Ford, Suzuki und Renault gefunden. Das liest sich wie das Who-is-who der Automobilbranche. Ja, wenn Sie dies so werten … Verzeihen Sie die direkte Anschlussfrage: Wie wird man so erfolgreich? Wir sind im Stande, gleichzeitig viele Projekte weltweit durchzuführen. Das erfordert, dass wir zum einen sehr flexibel unsere Aufträge abwickeln, zum anderen aber auch sehr wettbewerbsfähig arbeiten. Letztlich ist dies nur möglich mit engagierten, sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern. Das heißt? Unsere Mitarbeiter müssen unternehmerisch denken. Besonders Projektleiter müssen für ihr Projekt in die Rolle des Unternehmers schlüpfen. Dafür müssen wir ihnen natürlich auch den Rahmen bieten, wirklich selbständig zu handeln. Unternehmerisches Handeln und Freiheit im Unternehmen bedingen einander. Wird Ihr Bedarf an Projektleitern in Polen gedeckt? Wir brauchen immer gute Projektmanager. Bei der Ausbildung von Projektmanagern ist man in Polen sehr gut vorangekommen. An mehr als zehn Hochschulen werden Studiengänge angeboten. Auch helfen viele private Institute, den Ausbildungsbedarf zu decken. Welche Vorbildung bringen Ihre Projektleiter mit? Sie verfügen meistens über eine technische Fachausbildung, die sie mit einem Ingenieurdiplom abgeschlossen haben. Hilfreich sind zusätzlich Fremdsprachenkenntnisse, Projekterfahrungen im Ausland und psychologisches Geschick bei Teamführung und Kommunikation. Das erwarten wir von jedem Projektleiter, entsprechende Kompetenz sollte er haben oder sich aneignen. Wie werden bei Ihnen Ingenieure zu Projektmanagern? Den Weg zum Projektmanagement haben wir mit einem eigenen Karrierepfad geebnet. Wir ermöglichen Projektmanagement-Kurse und sogar ein Studium. Projektmanager beginnen ihre Praxis dann mit kleineren Projekten. Bewähren sie sich, übernehmen sie größere Projekte. Welche Aufgaben erwarten die Projektmanager? Wie gesagt, die Projektleiter agieren bei uns wie selbständige Unternehmer. Sie sind gewissermaßen Geschäftsführer auf Zeit. Damit haben sie im Prinzip alle Aufgaben, die auch ein Unternehmer hat. Zum Beispiel …? Sie bearbeiten das Angebot, verhandeln die Auftragsbedingungen und leiten die Abwicklung bis zur Endabnahme und Schlussrechnung. Sie sind, wie man in der deutschen Sprache sagt, ihres eigenen Glückes Schmied. Augenblick! Ohne Spielregeln wird dies nicht funktionieren. Das ist natürlich richtig. Es gibt einen Rahmen, in dem die Projektleiter agieren. Wir haben in einem Projektmanagement-Handbuch die Verantwortung, die Management-Funktionen und die Vollmachten beschrieben. In diesem Rahmen können sich die Projektleiter bewegen. Förderanlagen฀für฀Automobilfabriken฀sind฀die฀Domäne฀von฀Transsystem.฀Ihre฀ Projektmanager฀sind฀in฀rund฀80฀Projekten฀in฀über฀20฀Ländern฀beschäftigt. Foto: ฀Transsystem aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 47฀฀ Ist dieses Projekthandbuch bei Ihnen Verschlusssache …? Nein, wir können offen darüber sprechen. Gerne! Wofür trägt der Projektmanager genau Verantwortung? Er muss Sorge tragen, dass Budget und Termine eingehalten werden. Auch muss er den Qualitätsplan realisieren und natürlich das Projektziel erreichen. In seine Verantwortung fällt, die Risiken eines Projektes zu definieren, das Top-Management darüber zu informieren und gegen diese Risiken Vorsorge zu treffen. Nicht zuletzt ist er auch verantwortlich für den Informationsfluss in Richtung Team und Topmanagement. Nun kann ja ein solcher Unternehmer im Unternehmen sehr einsam sein. Wie unterstützen Sie ihn? Wir haben ein Project Office eingerichtet. Es versorgt Projektleiter mit Formularen, Regeln, Schulungen, Abrechnungen und anderem mehr. Das Project Office ist übrigens direkt dem Vorstand unterstellt, der Leiter erhält umfangreiche Vollmachten. Was motiviert Ihre Projektleiter, sich täglich als Geschäftsführer auf Zeit seinen Herausforderungen zu stellen? Ich meine, die Tatsache, dass der Zugewinn an Freiheit und Vollmachten bereits Motivation ist. Dazu kommt der Prestigegewinn, den man nicht unterschätzen sollte. Ein Projektleiter schaut nach erfolgreichem Abschluss seines Vorhabens auf ein eigenes Werk zurück, das er mit seinem Team erreicht hat. Reichen allein Prestige und Vollmacht auf Dauer? Man spricht in Deutschland viel über erfolgsabhängige Vergütungsregelungen. Die haben wir auch. Für die Projektmanager haben wir ein eigenes Motivationssystem entwickelt. Die Belohnungen für Projektmanager sind ein wichtiger Teil davon. Sie sind abhängig von ihrer erfolgreichen Arbeit, also von dem Charakter und den Ergebnissen ihres Projekts. Komplexe฀Lösungen฀für฀die฀Automobilindustrie฀entwickeln: ฀Das฀nötige฀Projektmanagement฀kennt฀Transsystem-Vorsitzender฀Stanisław฀Sroka฀„von฀innen“: ฀Er฀ selbst฀hat฀sein฀Unternehmen฀zum฀„projektorientierten฀Unternehmen“฀reorganisiert.฀Mit฀diesem฀Vorhaben฀platzierte฀sich฀das฀Unternehmen฀im฀Jahr฀2002฀als฀ Preisträger฀beim฀„IPMA฀International฀Project฀Management฀Award“. Foto: ฀Transsystem Gleich zweimal hat Transsystem einen Preis beim „International Project Management Award“ errungen, den die GPM gemeinsam mit dem Dachverband „IPMA International Project Management Association“ auslobt. In Berlin wurde das polnische Unternehmen im Jahr 2002 für eine Pioniertat in Sachen Projektmanagement belohnt: Binnen eines Jahres stellte der polnische Spezialist für Automobil-Fertigungsanlagen sein Unternehmen auf projektorientiertes Arbeiten um. In einem eigenen Projekt ließ das Unternehmen Mitarbeiter ausbilden, führte Methoden und Werkzeuge aus dem Projektmanagement ein und passte seine Arbeitsprozesse den Projektmanagement-Leitlinien an. Was die Assessoren vor drei Jahren besonders beeindruckte: Obgleich Transsystem bereits ein umfangreiches Qualitätsmanagement betrieben hatte, musste es beim Projektmanagement quasi „von unten“ beginnen. So hoben Assessoren seinerzeit die sorgfältige Zieldefinition des Projekts hervor. Das Unternehmen habe das neue Projektmanagement-System umsichtig geplant sowie seiner Vision und der Strategie angepasst. Auch bei der Analyse der gesteckten und erreichten Ziele schnitt das Unternehmen gut ab. Notiz am Rande: Projektleiter war damals Stanisław Sroka, der heutige Vorstandsvorsitzende des Unternehmens. Im vergangenen Jahr errang Transsystem einen weiteren Erfolg. Auf dem IPMA-Weltkongress in Budapest gewann es wiederum einen Preis für Bestleistungen im Projektmanagement. Gemeinsam mit Goodyear Debica hatte das Unternehmen ein Logistik-System entwickelt, das die Reifenproduktion (rund 45.000 Reifen täglich) beispielsweise bei Logistik, Endkontrolle und Lagerung steuert. Die Jury lobte die Art und Weise, wie Transsystem die Projektziele definierte und dabei die Interessen unterschiedlicher Kundengruppen zusammenfasste. Sie hob zudem die Mitarbeiterorientierung des Projekts hervor sowie den Erfolg, dass das Projekt pünktlich und im Rahmen des Budgets abschloss. Otto Zieglmeier, Director des „International Project Management Awards“, betont die Bedeutung solcher Auszeichnungen auch für die Projektmanager weltweit: „Wir können von den Einstellungen und Vorgehensweisen der ausgezeichneten Projektmanager, ihres Projektumfelds und ihrer Stakeholder viel über exzellentes Projektmanagement lernen.“ Er empfiehlt, Einblick in die Welt der Gewinner zu nehmen. Hintergrund: ฀Die฀beiden฀preisgekrönten฀Transsystem-Projekte projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 48฀฀ KARRIERE Sie, Herr Sroka, sind selbst Projektmanager und haben das Projekt einer Reorganisation Ihres Unternehmens geleitet … … es ging darum, aus Transsystem ein projektorientiertes Unternehmen zu machen. Das war eine wichtige Wende für unser Unternehmen. In vielen Bereichen wird uns heute beim Projektmanagement die Exzellenz bescheinigt, in anderen Bereichen sind wir gut und wollen dennoch besser werden. Sehen Sie einen Vorteil darin, dass Sie als Vorstandsvorsitzender selbst Projektmanager sind und die Praxis kennen? Ich bin froh, dass ich mit dem Projektmanagement intensiv in Berührung gekommen bin. Ein projektorientiertes Unternehmen kann nur funktionieren, wenn der Vorstand sich des Themas Projektmanagement sehr intensiv annimmt. Ich fordere und fördere Projektmanagement. Ich kenne aus eigener Erfahrung die Rahmenbedingungen, die unsere Projektmanager benötigen. Eine persönliche Frage: Wann sind Sie das erste Mal mit Projektmanagement in Berührung gekommen? Meine Kenntnisse über Arbeitsorganisation und Projektmanagement habe ich bei einem deutschen Automobilkonzern erworben, für den ich über mehrere Jahre gearbeitet habe. Viel gelernt über Projektmanagement haben wir aber auch durch den Assessment-Prozess, der unsere Teilnahme am „International Project Management Award“ begleitet hat. Bereits das Selfassessment bei der Bewerbung hat neue Erkenntnisse erbracht, dann aber vor allem der Besuch der Assessoren in unserer Firma. Von ihnen haben wir wertvolles Feedback bekommen. Empfehlen Sie die Teilnahme an den nationalen und internationalen Projektmanagement-Wettbewerben? Ja. Uneingeschränkt. Oliver฀Steeger aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 49฀฀ ■ Ein wichtiger, wenn nicht gar der wichtigste Erfolgsfaktor in Projekten sind die Menschen, die in dem Projekt mitarbeiten oder das Projekt leiten. Trotz dieser Binsenwahrheit war es in Unternehmen lange Zeit verbreitet, sich nicht über das übliche Maß hinaus um die Mitarbeiter in den Projekten zu kümmern. Die speziellen Anforderungen an das Projektpersonal wurden meist ignoriert. Seit einigen Jahren kann man hier einen Wandel beobachten. Die Menschen im Projekt rücken stärker in das Blickfeld der Personalabteilungen und der Vorgesetzten bis hin zur Ebene des Topmanagements. Die GPM-Expertentagung „People in Projects“ am 27. und 28. April in Darmstadt hat das Thema aufgegriffen und die Teilnehmer zu einem fruchtbaren Meinungsaustausch zusammengeführt. Die Tagung stand unter der Leitung von Prof. Hasso Reschke (Fachhochschule München) und Uwe Kliche (PM Academy München). Über wichtige Schwerpunkte soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden. Projektmanagement-Qualifizierung Bei der Qualifizierung wurde der Bedarf an (konzern-)bereichsübergreifenden Vorgehensweisen deutlich. Durch die Qualifizierung soll unter anderem auch ein Standard für das Vorgehen in den Projekten im Gesamtkonzern angestrebt werden. Welche Größenordnungen hier erreicht werden, wurde von Dr. Christine Schamel und Gerd Schumacher am Beispiel der DB Bildung gezeigt. Im Jahre 2004 wurden hier rund 200.000 Teilnehmer von 600 fest angestellten und 100 freiberuflichen Trainern an über 100 Bildungsstandorten trainiert. In der Diskussion wurde die Frage der Messung der Transfererfolge solcher Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen kontrovers erörtert. Projektmanagement-Karriere Die Projektmanagement-Karriereleiter als dritte Karriere-Säule im Unternehmen neben der Linien- und der Fachverantwortung ist nicht ganz unumstritten. Es wurden jedoch Ansätze vorgestellt, die sogar die Durchlässigkeit zwischen diesen Laufbahnen ermöglichen. Auch die Korrelation zwischen Karrierepfad und Gehaltsmodell, wie zum Beispiel bei Dornier Consulting, fand reges Interesse. Gerhard Fuchs betonte, dass bei Siemens neben dem Fach- und Projektmanagement-Wissen auch die praktische Erfahrung von mindestens fünf Jahren für die eigentliche Projektleiter-Laufbahn entscheidend sei. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Karriereplanung seien auch die präzisen Zielvereinbarungen mit entsprechenden, konkreten Messgrößen. „Gute“฀Zertifikate฀erfordern฀ Garantiegeber,฀die฀sich฀durch฀ Bekanntheitsgrad,฀langjährige฀ Bewährung,฀Neutralität฀und฀ Unabhängigkeit฀auszeichnen „Der Career Path in Project Management“ bei O 2 Germany sei voll in die Personalentwicklung eingebettet, betonte Peter Göttel, wobei die vier Ebenen mit den GPM-IPMA- Zertifikaten korrelieren. Der Karrierepfad ist aber auch in Kommunikations- und Informationsveranstaltungen rund um das Projektmanagement eingebunden. Projektmanagement-Kompetenz฀ global In einem Vortrag über das Qualifikationsprogramm für Projektmanagement-Mitarbeiter bei Roche Diagnostics wurde die folgende These betont: „Es gibt keine nennenswerten Unterschiede in der Kompetenzentwicklung für Leadership in Matrix-, Linien- und Projektorganisationen“. Dies wurde sehr kontrovers diskutiert. Einig war man sich dagegen bei der Aussage, dass Organisationen klare Entwicklungsperspektiven für Projektleiter brauchen. Besondere Beachtung fand der Ansatz, dass die Eigeninitiative als der wesentliche Erfolgsfaktor bei der Entwicklung von Projektleadership-Kompetenzen für den weltweiten Einsatz gilt. Bei Lufthansa Systems werde mehr Wert auf die Kompetenzentwicklung als auf PM-Regelwerke und PM- Tools gelegt. Dabei ginge man davon aus, dass Kompetenz in erster Linie durch Praxis entstünde, erklärte Peter Ueberfeldt. Projektmanagement-Zertifizierung/ Professionalisierung In einem Plenumsvortrag führte Dr. Werner Dostal vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg in das Thema „Zertifizierung in projektorientierten Arbeitsmärkten“ ein. Nachdem er „Zertifikat“ als „jede Urkunde“ definiert hatte (z. B. auch Arbeitszeugnisse oder Hochschuldiplome), ging er auf die Vorzüge und die Gefahren bei der Nutzung von Zertifikaten in Matchingprozessen ein. Daraus entwickelte er am Ende übergeordnete Forderungen an „gute Zertifikate“. Dazu gehören insbesondere Garantiegeber, die sich durch Bekanntheitsgrad, langjährige Bewährung (Stetigkeit), Neutralität und Unabhängigkeit auszeichnen. In verschiedenen Vorträgen wurde die unterschiedliche Qualität der angebotenen Zertifizierungen diskutiert. Eindrucksvoll wurden auch die Kosten einer falschen Entscheidung in einem mittelständischen Unternehmen dargelegt sowie der anschließende Weg zur GPM-IPMA-Zertifizierung mit seinen Vorzügen. Auch das Thema der akademischen Ausbildung im Projektmanagement wurde am Beispiel des berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengangs an der Fachhochschule in Friedberg diskutiert. Von allen Seiten wurde die Wichtigkeit zuverlässiger Zertifikate betont. Blended฀Learning Am Beispiel des Projektmanagementsimulators SimulTrain wurden die Vorzüge des Blended Learning dargestellt. Peter Mietz-Mangold erläuterte vier wesentliche Faktoren, die für das Blended Learning maßgebend sind. Den Kern bildet die Integration des E-Learning in die Präsenzveranstaltungen. Die zweite Säule ist die Übungszentrierung der Online-Kurse. Die Lernprozessbegleitung funktioniert dann optimal, wenn sie mit angemessenen Lernfortschrittskontrollen Hand in Hand geht. Während der Tagung wurde mehrfach der Wunsch nach einer Plattform zum Gedankenaustausch und zur Weiterentwicklung der Themen geäußert. Die GPM wird sich dieser Frage annehmen und in Kürze eine Möglichkeit für alle Interessierten anbieten. Nino฀Grau GPM-Expertentagung: ฀People฀in฀Projects projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 52฀฀ NACHRICHTEN ■ Entrepreneurship im Projektmanagement oder die Frage „Was kann das Projektmanagement von Unternehmern lernen? “ stand im Mittelpunkt der diesjährigen „interPM - Konferenz zur Zukunft im Projektmanagement durch interdisziplinäre Ansätze“, die Anfang April bereits zum dritten Mal stattfand. Trotz Ferienzeit, Wochenende und herrlichem Wetter waren knapp 100 Teilnehmer nach Glashütten gekommen, um gemeinsam und interdisziplinär zu lernen. Der typische Unternehmer steht für Mut, Wille, Neugier, entschlossenes Entscheiden und Handeln, Risikofreude, Problemlösefähigkeit, Initiative und Selbstständigkeit. In diesem positiven Bild sind Unternehmer beispielgebend für Projektmanager. Als Intrapreneure können Projektmanager mit derselben Einstellung wie ein Unternehmer zum Wohle des Unternehmens und zum Wohle des von ihnen verantworteten Projektes agieren. Auf der Konferenz wurde deutlich, dass dies natürlich nur in den Organisationen möglich wird, die den Projektmanagern auch die erforderlichen „unternehmerischen Freiräume“ einräumen und Verantwortung übertragen. Konferenzen฀einmal฀etwas฀anders: ฀Rückblick฀auf฀die฀interPM฀2005 N Vorausschau (Predictive Intelligence) Entscheidungsfähigkeit (Decisive Intelligence) Wahrnehmungsfähigkeit (Perceptual Intelligence) Nachhaltigkeit (Sustaining Intelligence) Energetisierende Kraft (Energia Intelligence) Identitätskraft (Pathfinding Intelligence) Emotionskompetenz (Emotional Intelligence) Schöpfungskraft (Creation Intelligence) Wie rufen wir im Projektmanangement alle Intelligenzien hervor? Emotionen lebendig dosieren Netzwerke schaffen und nutzen Erfolge ausleben und Angst aushalten Akzeptiertes Wertesystem als Voraussetzung f. Nachhaltigkeit Keine Nachhaltigkeit ohne kontrollierte Veränderung ... durch Normen, Werte und Kultur ... durch klare und gemeinsame Ziele ... braucht Transparenz, Zuwendung und Wertschätzung Auf beweglicher Plattform bewegliche Ziel ansteuern Vernetzung verstehen und betreiben Denken über das Projektende hinaus Komplettes Team in Wahrnehmung einbeziehen Offen Kommunikation vorleben Mit allen Augen sehen ... Entsteht im Widerspruch zu Routine Wie können PL und Unternehmer gemeinsam Schöpfungskraft wirken lassen? Freiraum - Not - Vision - Motivation Ich mache die Augen zu und prüfe mit dem Wahrgenommenen, ob die Zeit reif ist Ich starte, wenn alle ungefähr dieselbe Richtung nehmen; nur beim Fahren kann man lenken Vision - Kickoff - Punkte des Innehaltens während des Projektes - Nachbereitung Ich verabschiede mich von dem Zwang 100%iger Entscheidungen Ich bringe Kopf, Herz und Bauch in mir in Einklang Aus Entscheidungen lernen Die Besonderheit der Konferenz interPM besteht in der ausgewogenen Mischung aus Fachbeiträgen (Informationen) einerseits und der aktiven Einbindung der Teilnehmer andererseits. So wurde auch in diesem Jahr neben Vorträgen und Workshops durch eine weiterentwickelte Form der OpenSpace-Technologie wieder ein breiter Dialog unter den Teilnehmern ermöglicht. Eröffnet wurde die Konferenz mit einem Schlüsselvortrag von Prof. Gunter Dueck, Chief Technologist von IBM Global Services Germany. „Unternehmer, Pioniere, Künstler, Entrepreneure. Wenn sie zusammenarbeiten, verstehen sie sich oft nicht, weil sie buchstäblich auf verschiedenen Hirnfrequenzen denken. Und wenn sie dies merken, verlangen sie oft voneinander, alles gleichzeitig sein zu können: Techie, Manager und Entrepreneur - das All-in-One-Wesen. Dies finden wir sicher nur in Einzelfällen vor, doch schön wäre es, wenn Sie zumindest dies als Problem erkennen.“ Zweiter Key-Note-Sprecher war Prof. Jörg Knoblauch, geschäftsführender Gesellschafter mehrerer Unternehmen und Gewinner des „Best Factory Award“. Er betonte, dass der Erfolg von Projekten genauso wie von Unternehmen allein durch die Mitarbeiter erreicht wird. Sie sollten daher mitwissen, mitdenken, mitlernen, mitverantworten, mitgenießen und schließlich mitbesitzen können, damit ihr Wollen und ihr Können zum Erfolg beitragen. Jede Investition in Mitarbeiter ist, so sein Plädoyer, „eine Saat, die nach einer Zeit aufgeht, Früchte trägt und Ernte einbringt“. In dem folgenden Großgruppenworkshop wurde der Unternehmer in seinen verschiedenen Fassetten dargestellt. Mit Hilfe des Modells der Ratsversammlung wurden acht wesentliche Perspektiven des ganzheitlichen unternehmerischen Denkens und deren Übertragbarkeit auf das Projektmanagement herausgearbeitet. Dies waren die Perspektiven „Schöpfungskraft“, „Wahrnehmungsfähigkeit“, „Emotionskompetenz“, „Identitätskraft“, „Nachhaltigkeit“, „Vorausschau“, „Entscheidungsfähigkeit“ und „energetisierende Kraft“ (siehe Abbildung). Das Vortragsprogramm sowie die Workshops boten mit 24 Beiträgen einen interessanten Ausblick auf die Zukunft des Projektmanagements. Grundsatzbeiträge zum Intrapreneurship und Ansätze zu einem interdisziplinären, integrativen Projektmanagement waren ebenso vertreten wie Erfahrungsberichte, Praxisbeispiele und Forschungsergebnisse zu aktuellen Themenstellungen. Dazu zählten beispielsweise die projektorientierte Unternehmensführung, die Kompetenzfelder des IT-Projektmanagements und die Erfolgsfaktoren im internationalen Projektmanagement. Pointierte Beiträge zum „Abenteuer Wertvernichtung“, zu den „Bugs verschiedener Projektmanagement-Versionen“ und zum „Unternehmenstheater“ als neuartiger Methode des Change Management rundeten das Bild ab. Der Konferenzband ist im dpunkt. verlag erschienen (A. Frick, G. Kerber, R. Marré: Entrepreneurship im Projektmanagement, Beiträge zur Konferenz „interPM“, Heidelberg 2005, ISBN 3-89864-349-2) und auch über die Geschäftsstelle der GPM zum Preis von 42,- Euro zu beziehen. Weitere Informationen unter www.interPM.de. Andreas฀Frick฀(Konferenzleitung),฀ Dr.฀Reiner฀Helfrich฀(T-Systems) Acht฀wesentliche฀Unternehmerperspektiven Siegfried฀Wien,฀Stuttgart aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 53฀฀ + ■ Mit 33 Teilnehmern war die diesjährige Konferenz der Regionalgruppenleiter am 15. und 16. April 2005 sehr gut besucht. Die regionale Präsenz der GPM ist in den letzten Jahren stark angewachsen. Mittlerweile sind 30 Regionalgruppen aktiv, mit jeweils bis zu drei Regionalgruppenleitern. Von daher bestand ein hoher Bedarf an Informations- und Erfahrungsaustausch und auch daran, die Regionalgruppenarbeit weiterzuentwickeln. Das Programm der Konferenz war auf diese Ziele ausgerichtet. Katja Frede berichtete über die Möglichkeiten der GPM-Geschäftsstelle in Nürnberg zur Unterstützung der regionalen Arbeit. Thorsten Wilkens von der Regionalgruppe in Düsseldorf hielt einen Vortrag zum Thema „Regionalgruppenveranstaltungen organisieren und durchführen“, der zu einem interessanten und nützlichen Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern führte. Oliver Steeger, freier Journalist und Mitarbeiter der Redaktion von projekt- MANAGEMENTaktuell, führte in das Thema Pressearbeit ein und vermittelte Tipps im Umgang mit Redaktionen. Klaus Henke, Projektleiter des Projekts eGPM, berichtete über den aktuellen Stand der neuen GPM-Plattform und über die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten für die Regionalgruppen. Konferenz฀der฀GPM-Regionalgruppenleiter฀in฀ Düsseldorf Für den Regionalgruppenbeirat waren neue Beiräte zu wählen. Gernot Waschek und Heinz Kraus schieden aus dem Gremium turnusgemäß aus. Neu in den Beirat gewählt wurden Dr. Dagmar Börsch (Regionalgruppe Mannheim/ Ludwigshafen), Stefan Schwartzkopff (Regionalgruppe Berlin) und Andreas Stein (Regionalgruppe Hamburg). Zusammen mit Bernd Schwander (Regionalgruppe München) und Andreas Frick steht im Beirat nun wieder ein fünfköpfiges Team zur Verfügung. Ein Großteil des Samstages wurde in der Arbeitsform „OpenSpace“ dazu genutzt, wichtige Zukunftsthemen der Regionalgruppenarbeit zu bearbeiten, zum Beispiel deren strategische Ausrichtung, Information und Kommunikation im Netzwerk der Regionalgruppenleiter, Regionalgruppen-Marketing, Regionalgruppen auf lokalen Messen oder Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Auf der Konferenz waren auch Kandidaten für neue Regionalgruppen in Gründung mit dabei. Die Entwicklung schreitet also auch in Zukunft weiter voran. Andreas฀Frick,฀ Vorstand฀Verbandsentwicklung Fotos: ฀Eberhard฀Will Thorsten฀Wilkens฀löste฀mit฀seinem฀Vortrag฀auf฀der฀GPM-Regionalleiterkonferenz฀einen฀interessanten฀ Erfahrungsaustausch฀aus. Andreas฀Frick฀bei฀der฀Eröffnung฀der฀ Regionalleiterkonferenz projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 54฀฀ GPM฀INTERN Die฀GPM฀im฀internationalen฀PM-Dachverband: ฀ Council฀Meeting฀der฀IPMA฀in฀Mailand ■ Am 19. und 20. März 2005 fand das halbjährliche Council Meeting der International Project Management Association (IPMA) in Mailand statt. 31 Mitgliedsorganisationen der IPMA waren anwesend. Der Council of Delegates agiert als Generalversammlung und Aufsichtskomitee der IPMA. Er ist für die Satzung der IPMA zuständig, genehmigt die Wirtschaftspläne und wählt den Geschäftsführenden Vorstand (Executive Board, kurz ExBo). Die GPM wird im Council durch Prof. Michael Gessler als Vorstandsbeauftragter und durch Kuratoriumsmitglied Florian Dörrenberg vertreten. Florian Dörrenberg ist gleichzeitig auch Financial Auditor der IPMA. Im siebenköpfigen Executive Board stellt die GPM mit Vorstandsmitglied Otto Zieglmeier einen Vizepräsidenten. Otto Zieglmeier ist dabei für das Ressort „IPMA International PM Award“ zuständig sowie als Stellvertreter für die Ressorts Zertifizierung, Normen und Forschung. Mit Werner Schmehr und Klaus Pannenbäcker arbeiten zwei weitere GPM-Vertreter in wichtigen Funktionen bei der IPMA mit. Werner Schmehr, Leiter der Zertifizierungsstelle PM-Zert, ist Mitglied des CVMB (Certification and Validation Management Board), das eine Neufassung der IPMA-Zertifizierungsrichtlinie ICB (IPMA Competence Baseline) vorbereitet. Die Neufassung soll im November 2005 auf dem IPMA-Weltkongress in New Delhi vorgestellt werden. GPM-Ehrenvorsitzender Klaus Pannenbäcker bereitet die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der IPMA vor und unterstützt die Aktivitäten des CVMB. Bei der Eröffnung des Council Meeting in Mailand konnte dessen Chairman Miles Shepherd (Großbritannien) die kasachische KPMA Kasachstan Project Management Association als neues Mitglied der IPMA begrüßen. Die IPMA ist damit auf 35 Mitgliedsnationen angewachsen. Erfreulich war auch die Nachricht, dass die PM-Zertifizierungsstelle in Brasilien ihre Arbeit aufgenommen hat und in Bulgarien, Norwegen, Taiwan und den USA die Vorarbeiten zur Einrichtung einer Zertifizierungsstelle nach den Regularien der IPMA begonnen haben. Der neue Präsident der IPMA, Adesh Jain (Indien), stellte den Delegierten seine Vision und seinen Aktionsplan für die nächsten Jahre vor. Der IPMA International Project Management Award soll in Zukunft weiter ausgebaut werden. Der für den IPMA Award zuständige Vizepräsident Otto Zieglmeier stellte dazu die Mitglieder des neu geschaffenen IPMA Award Management Board (IAMB) vor. Ausgebaut werden soll auch die Forschung auf dem Gebiet des Projektmanagements. Hierzu wurde ein IPMA Research Management Board (IRMB) eingerichtet. Chairman wird Brane Semolic (Slowenien). Mit Prof. Nino Grau als Mitglied in diesem Ausschuss ist ein weiteres Vorstandsmitglied der GPM in der IPMA aktiv. Die IPMA will sich in den nächsten Jahren neben den Bereichen Zertifizierung, Award und Forschung auch vermehrt um die Förderung junger Projektmanager kümmern. Die IPMA Young Crew Initiative soll dazu international stark weiterentwickelt werden. Auf Vorschlag des Executive Board wurde Michael Gessler als Leiter dieser Initiative vom Council bestätigt. Die Young Crew Initiative richtet sich an Studierende und „Young Professionals“ im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Im Vorfeld des Weltkongresses in Indien wird es vom 10. bis 12. November 2005 einen gesonderten Workshop für die Young Crew geben. Informationen hierzu können demnächst auf der Homepage der GPM abgerufen werden. Weitere Informationen zur IPMA unter www.ipma.ch. Michael฀Gessler,฀Florian฀Dörrenberg Vertreter฀aus฀31฀Mitgliedsnationen฀auf฀dem฀IPMA฀Council฀Meeting฀im฀März฀2005฀in฀Mailand Foto: ฀IPMA/ Adesh฀Jain aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5