PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2006
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Gesellschaft für Projektmanagement3 REPORT Punktlandung: Ab4.OktoberkonntenKaffee- Kunden„tchibofonieren“ Projektmanagement-AwardgingnachMünchenzu„O 2 Germany“ OliverSteeger VondemVerkaufvonKaffeebohnenalleinfinanziertsichderHamburgerRösterTchibo schonlangenichtmehr.WöchentlichräumtTchiboeinneuesWarensortimentindieRegaleseinerbundesweit900Filialenein: jenachSaisonSkijacken,Bügeleisen,Spielzeug, Uhren,Heimwerker-WerkzeugoderStereoanlagen.Am4.Oktober2004,pünktlichzum Weihnachtsgeschäft,wagtesichdienorddeutscheKetteallerdingsaufneuesTerrain. GemeinsammitdemMobilfunkanbieterO 2 GermanymachtesieihrerKundschaftdas „Tchibofonieren“schmackhaft.SiestellteeineigenesMobilfunkproduktmitgünstigem Ganztags-Einheitstarifvor.DochvordemAufsehenerregendenMarktstarthatteO 2 GermanyineinerBlitzaktionseinetechnischenHausaufgabenzumachen.BinnenzehnMonaten gelangesdemProjektteamvonO 2 Germany,dietechnischeInfrastrukturfürdieseshanseatisch-bayerischeJoint-Venturebereitzustellen.LohnfürdieMüh’: DasProjekttrugzum größtenQuartalswachstuminderGeschichtedesUnternehmensbei,unddasfürdieTechnikzuständigeTeamumProjektleiterJosefGiglholteden„DeutschenProjektmanagement Award2005“derGPMnachMünchen. „H ermes“ war streng vertraulich. Sogar am Münchner Georg-Brauchle-Ring, wo der Mobilfunkanbieter O 2 Germany seine Deutschlandzentrale hat , wussten nur wenige etwas über das Projekt „Hermes“. Verschwiegenheitserklärungen wurden unterzeichnet, Projektakten gegen Zugriff von außen abgeschirmt und Türen bei Besprechungen gelegentlich fest verschlossen. Gegenüber den Mitbewerbern wollten die Mobilfunker den Zeitvorsprung halten. Ihr Coup: Gemeinsam mit dem hamburgischen Kaffeeröster Tchibo hatten die Münchner ein Joint-Venture geschlossen. Zwei auf den ersten Blick grundverschiedene, doch bei näherem Hinsehen sich gut ergänzende Partner hatten zueinander gefunden. O 2 Germany brachte Mobilfunktechnik mit in die Ehe ein. Tchibo steuerte eine hochbegehrte Kundenklientel bei: Frauen über 30 Jahre, zumeist mit Familie, beim Einkauf spontan entscheidend und doch auf Preise und die Produktmarken blickend. „Budgeters“ heißt die Zielgruppe bei den Marketingstrategen, und für Tchibo gilt, dass Budgeters in den Kaffee-Shops mehr als nur Kaffee kaufen. Nämlich auch, so mutmaßten die Marketingleute, Handys und Prepaidkarten. „Tchibofonieren“ab4.Oktober2004 So wollten die beiden Partner über die rund neunhundert Tchibo-Filialen und unter dem Logo der Tchibo- Marke „TCM“ diese Zielgruppe erreichen. Das Kunstwort „Tchibofonieren“ sollte für Telefonieren zu einem fairen, leicht verständlichen und einheitlichen Rund- GlücklicheAwardgewinnerbeiO 2 Germany: AxelStoßno(TechnicalDesign Lead),technischerGesamtprojektleiterJosefGigl,FlorianRang(technischer TeilprojektleiterPortalsysteme),SandraGoll(LeiterinProjectOffice),Bernd Reuschenberg(TeilprojektleiterInformationSystems). Foto: OliverSteeger projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd3 20.12.200517: 09: 24Uhr 4 REPORT um-die-Uhr-Tarif stehen. Ohne näheren Blick hinter die Marketing-Kulisse lässt sich die bemerkenswerte hanseatisch-bayerische Kooperation nicht begreifen. O 2 Germany ist kein Leichtgewicht im Mobilfunkmarkt. Das Unternehmen zählt fast 8,4 Millionen Kunden und über 4.000 Mitarbeiter. Mit seinem Slogan „O 2 can do“ und seinen auffälligen blauen Blasen („Bubbles“) hat sich das Unternehmen einen Namen gemacht. Rund 94 Prozent der Verbraucher ist die Marke aus München ein Begriff. Tchibo wiederum kennen 99 Prozent der Verbraucher. Weshalb aber eine Allianz zwischen zwei Markenunternehmen, die nahezu jeder kennt? Die Antwort: Beide Unternehmen haben unterschiedliche Zielgruppen. O 2 Germany sah bei den Budgeters noch viel Potenzial für seine Marke. Auf diesem von Tchibo gut erschlossenen Terrain wollten die Mobilfunker einen kräftigen Wachstumsschub bewirken und damit ihre Marktposition stärken. In Zahlen: In den fünf Jahren nach Verkaufsstart sollten über den Kaffeeröster zwischen 600.000 und 1,3 Millionen Kunden zusätzlich gewonnen werden. Versteht sich, dass beim O 2 -Topmanagement die Liaison mit Tchibo Chefsache war und dass der Verkaufsstart des neuen Produkts am 4. Oktober 2004 ein wichtiger Meilenstein in der Firmengeschichte beider Unternehmen werden sollte. Die Strategen bewiesen den richtigen Riecher: Direkt am ersten Tag gingen 20.000 Mobiltelefone über die Ladentheke, allein im ersten Quartal nach Verkaufsstart gewann O 2 Germany 146.000 zusätzliche Tchibo-Kunden hinzu. „Stiftung Warentest“ und Fachzeitschriften wie „Computer Bild“ und „Connect“ räumten dem neuen, übersichtlichen Angebot den Spitzenplatz unter den deutschen Mobilfunkofferten ein. Nur knapp ein Jahr später zog Rudolf Gröger, CEO von O 2 Germany, auf einer Pressekonferenz Bilanz. „Tchibo und O 2 haben mit dem Start ihres Joint-Ventures vor einem Jahr den Mobilfunkmarkt verändert“, meinte er mit Verweis auf die rund 435.000 neuen Kunden, die sein Unternehmen durch die Kooperation gewonnen hat. Stephan Swinka, Vorstandsmitglied von Tchibo, ergänzte: „Als First Mover haben wir einen Einheitstarif für den Prepaid-Markt entwickelt und damit den Markt revolutioniert.“ Der Glanz des Verkaufserfolgs fiel auch auf das Team zurück, das ihn technisch binnen kürzester Zeit - nur zehn Monaten - ermöglicht hat. Das Mobilfunkunternehmen O 2 Germany (ein Tochterunternehmen von O 2 plc) verfügt in Deutschland über ein eigenes Mobilfunknetz (über 9.000 GSM- und mehr als 3.100 UMTS-Basisstationen) und bietet ein nahezu flächendeckendes Mobilfunknetz. Der Mutterkonzern O 2 plc in London hat 24,6 Millionen Kunden in Großbritannien, Irland und Deutschland. In Deutschland hat O 2 Germany 8,3 Millionen Kunden, davon 4,5 Millionen so genannte Postpaid-Kunden mit langfristigem Vertrag. Deutschlandweit beschäftigt O 2 Germany rund 4.000 Mitarbeiter. In seinem Vertriebsnetz unterhält O 2 Germany unter anderem 540 O 2 -Shops und O 2 -Partnershops (alle Zahlen Stand 30. Juni 2005). ÜberO 2 Germany Aktivitäten Jan 04 Feb 04 Mrz 04 Apr 04 Mai 04 Jun 04 Jul 04 Aug 04 Sep 04 Okt 04 Nov 04 Gate 0 Feasibility/ Analyse Gate 2 High Level Design Design & Development Testing Lab E2E Test Lab NW, IS, O2SG IS Rollout Live Implementation Testing/ FOA E2E Test Live CRT/ FUT Commercial Launch Postlaunchphase MitzweiMonatenwenigeralsbeisolchenProjektenüblichmusstedasHermes-Teamauskommen. FürPuffertageundReserve-WochenbliebbuchstäblichkeineZeit. MitseinemProjekt„Hermes“nahmO 2 GermanyinMünchenerstmaligeinProjektdieserGrößenordnunginAngriff.DerErfolgdesmutigenVorhabensblieb nichtaus. Foto: O 2 Germany Grafik: O 2 Germany aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd4 20.12.200517: 09: 26Uhr 5 EiserneinzuhaltendeDeadline-undkeine Terminpuffer Man braucht kein erfahrener Projektleiter zu sein, um den Erfolgsdruck zu erahnen, der angesichts des zu erwartenden Marktdurchbruchs auf dem Projektteam lastete. Am 19. Januar 2004 startete das Team. Eine der harten Nüsse, die es zu knacken hatte: der eisern einzuhaltende Termin, die unumstößliche Deadline. „Nach dem 4. Oktober hätten wir das Produkt nicht mehr so erfolgreich zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt bringen können“, sagt Projektleiter Josef Gigl, „bis zum Endtermin musste also die Technik für das neue Produkt unter dem Tchibo-Logo angepasst sein.“ Nach herkömmlicher Planung hätte sein Team die Technik fürs „Tchibofonieren“ eigentlich nicht vor Dezember bereitstellen können. Seine Mannschaft musste sprinten und zweieinhalb Monate aufholen. Kompromisse bei der Qualität kamen nicht in Frage. Das neue Prepaid-Produkt musste ein vollständiges Tchibo-Produkt werden. Nichts sollte an die O 2 -eigene Prepaid-Marke „Loop“ erinnern. Nötig waren eigene SIM-Karten, jene Chipkarten, die der Kunde ins Handy einsteckt, um es im Netz anzumelden. Zudem mussten Gutscheine, Meldungen und Ansagen der neuen Marke angepasst werden. Sogar im Call- Center wurde zwischen den Kunden von O 2 und Tchibo unterschieden. „Die Bereitstellung unserer Dienste mit dem Tchibo-Branding war eine bisher einzigartige und spannende Aufgabe“, meint Florian Rang, als technischer Teil-Projektleiter im Hermes-Team zuständig für Portalsysteme. Sein Kollege Bernd Reuschenberg (Teilprojektleiter Information Systems) fügt an: „Die Kooperation mit einem solchen Partner war für mich eine ganz besondere Motivation.“ 31technischeSystemeundPlattformen Das Team musste 31 technische Systeme und Plattformen anpassen und sieben Lieferfirmen sowie 80 Mitarbeiter beteiligen. Bei aller Euphorie und Begeisterung der Mannschaft - das Team nahm mit der um zwei Monate verkürzten Entwicklungszeit einige Risiken in Kauf. Auf Termin-Puffer bei seiner Zeitplanung musste es völlig verzichten. Die rechtzeitige Entwicklung der Software zeichnete sich als Wagestück, als Risiko für den Projekterfolg ab. Für einen umfassenden Produkttest blieb wenig Zeit. Hier musste sich das Team mit sehr gezielten Tests die nötige Sicherheit verschaffen - und womöglich kleinere technische Probleme und Fehler („Bugs“) nach Verkaufsstart noch beseitigen. Auch macht der Projektleiter heute keinen Hehl daraus, dass es bei den Ressourcen Engpässe gab - und dass O 2 Germany mit „Hermes“ erstmalig ein bereichsübergreifendes Projekt dieser Größenordnung in Angriff nahm. So musste sich das Team um Projektleiter Josef Gigl der Herausforderung stellen und die zehn Monate, die ihm zur Verfügung standen, bestmöglich nutzen. Er sagt: „Uns war klar, dass wir unser Managementkonzept für das Hermes-Projekt so einfach und wirkungsvoll wie möglich halten mussten.“ Der Projektleiter machte Anleihen bei den O 2 -internen Projektprozessen seines Unternehmens sowie bei den Vorgehensmodellen der GPM, insbesondere bei „Project Excellence“, dem Modell, das RudolfGröger,ChiefExecutiveOfficervonO 2 Germany, lobtedasHermes-Projekt: „TchiboundO 2 habendenMobilfunkmarktverändert.“ dem „Deutschen Projektmanagement Award“ zugrunde liegt. Die Nähe zur „Best-Practice“-Philosophie der GPM hat sich, so sagt er, für sein Projekt gelohnt. EinfachheitundKonsequenz-dieErfolgsfaktoren! „O 2 can do“, diesen Slogan haben die Münchner Mobilfunker vor einigen Jahren gewählt. Klar, offen, ehrgeizig und vertrauenswürdig will das Unternehmen an seine Herausforderungen herangehen. Projektleiter Josef Gigl hat in seinem Projekt erfahren, dass er mit vergleichsweise pragmatischem und konsequentem Vorgehen am ehesten zum Ziel kommen kann. Heute spricht er souverän von einem „Wasserfall des Erfolgs“. Er steckt, wenn er über sein Projekt spricht, mit wenigen Stichwörtern die sieben Stufen dieses Wasserfalls ab. Der „Wasserfall“ führt von klaren Zielvorgaben des Managements zu einem reibungslosen, effektiven und frühen Projektstart; er gibt einem Projekt eine gute „Pole Position“ und lässt das Team Spielräume gewinnen. Weiter führt der Weg über klare Anforderungen und ein rigoroses Änderungsmanagement, über striktes Terminmanagement und die mögliche Parallelisierung der Aufgaben sowie über ein intelligent konzipiertes Qualitätsmanagement, das Doppelarbeit vermeiden hilft und für das das Team sogar externe Berater verpflichtete. Außerdem sind zusätzliche Testaktivitäten nötig - und freilich der Einsatz und das Engagement der Mitarbeiter im Team. Das sind im Kern die Erfolgsfaktoren. Foto: O 2 Germany projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd5 20.12.200517: 09: 27Uhr 6 REPORT Doch wie kann ein Projektteam, das über so wenige Arbeitswochen für sein Vorhaben verfügt, sicher ans Ziel kommen? Ein Weg ist es, sich gewissermaßen einzuschließen und dann nach der Devise „Augen zu und durch“ die Arbeiten ungestört zu erledigen. Projektleiter Josef Gigl wählte einen anderen Weg. Er setzte nach allen Regeln des Projektmanagements sein Projekt auf und band dann sorgfältig die Stakeholder ins Projekt ein. Aber: Viele Köche verderben den Brei. Und droht das Team nicht Zeit zu verlieren, wenn jeder sich zu Wort melden darf und seine Interessen, Bedürfnisse und Animositäten berücksichtigt sehen will …? Nein, eben nicht. FrüheundgründlicheStakeholderanalyse Wer die Interessen der Stakeholder ignoriert, schiebt die Probleme nur vor sich her. Am Ende des Projekts drohen sich die Probleme und Konflikte mit Kunden, Kollegen, Mitarbeitern, Lieferanten und anderen Gruppen zu einer gewaltigen Hypothek zu summieren, die sich angesichts des Termindrucks nicht mehr abtragen lässt. Die Alternative: die Probleme möglichst vorwegnehmen und systematisch etwaige Unstimmigkeiten im Vorfeld klären. Sandra Goll, Leiterin des Project Office, fasst diese Strategie in andere Worte: „Ein grundlegender Erfolgsfaktor unseres Projekts war die Fähigkeit des Teams, schnell und flexibel auf Änderungen im Umfeld zu reagieren.“ Sie kommt schnell auf die Stakeholderanalyse zu sprechen. „Wir brauchten die richtigen Informationen aus der Umgebung des Projekts“, erläutert sie. Welche Faktoren beeinflussten das Projekt mit welchen Potenzialen und Problemfeldern? Welche Konsequenzen konnten diese Faktoren für die einzelnen Phasen im Projekt haben? Wie konnte das Team seine Kommunikation im Projekt und seine Beziehungen zum Umfeld verbessern? 31 interne und externe Stakeholder entdeckte das Team. Fünf von ihnen - darunter der Endkunde - galten als kritisch. „Die Analyse offenbarte mögliche Projektrisiken, die sich aus Widersprüchen zwischen den jeweiligen Erwartungen ergaben“, berichtet Josef Gigl. Auf diese „kritischen“ Gruppen ging das Team zu, protokollierte Erwartungen, baute feste Verbindungen auf, installierte ein System für regelmäßiges Feedback und ließ sie das Projekt gewissermaßen mitsteuern. Entscheidend dabei: Die Bedürfnisse und die Zufriedenheit der Stakeholder dürfen nicht „aus dem Bauch heraus“ beurteilt werden. Das Hermes-Team entwickelte beispielsweise standardisierte Fragebögen zu Projektverlauf und Projektleitung; so konnte es die Zufriedenheit messen und aufgrund der Zahlen Schwachstellen beseitigen. „Feedbackmanagement“ nennt das Team diese Methode. KommunikationswegeinMatrixfestgelegt Für zeitkritische Projekte gilt, dass die Kommunikation reibungslos funktionieren muss. Das Hermes-Projektteam plante den Informationsfluss sorgfältig. Wie auf einem Blockschaltbild hat es die einzelnen Informationspartner angeordnet, darunter Stakeholder wie beispielsweise Tchibo, das O 2 -Topmanagement, das gemeinsame Joint-Venture-Unternehmen, das Programm- und Produktmanagement, das Linienmanagement und das Steeringkomitee, die Lieferanten sowie das eigene Team mit seinen drei Teilprojekten. Pfeile verdeutlichen auf diesem Bild überschaubar, wer (über wen) mit wem spricht; in einer Legende sind die Prozesse festgehalten, beispielsweise „wöchentliches Meeting“, „wöchentlicher Report“, „Monatsbericht“, „Teilnahme an Meetings bei Bedarf“ oder „informeller Kontakt“. Sandra Goll betont: „Die Informations- und Kommunikationsbedürfnisse der Stakeholder rangieren bei dieser Konzeption an erster Stelle.“ Das Team habe mit dieser Priorität gute Erfahrungen gesammelt. Das Team sozusagen als Info-Dienstleister? Ja, ganz genau. Kommunikation ist eindeutig „Bringschuld“ in einem Spitzen-Projekt. Im Team selbst fanden unter anderem alle drei Wochen Projektkonferenzen statt; das gesamte technische Team war eingeladen. Doch merkt der Leiter des preisgekrönten Projekts augenzwinkernd auch die Grenzen der Planbarkeit an: „In einem Projekt haben informelle, kleine Gespräche im Büroflur, in der Mittagspause und nach Meetings eine große Wirkung.“ Solche Gespräche seien, obgleich ungeplant, in ihrer Bedeutung gewiss nicht zu unterschätzen. DiplomatischeFührungtrotzdesZeitdrucks Hinweise auf die Bedeutung solcher nicht planbaren „informellen Kommunikation“ in der Projektarbeit gibt Josef Gigl immer wieder. Er spricht davon, wie hilfreich der Smalltalk mit Projektgebern vor und nach den offiziellen Sitzungen ist, wie entscheidend der Plausch mit Mitarbeitern und das „offene Ohr“ für sein Team ist. Projektmanager in Zeitnot neigen manchmal dazu, die Sacharbeit der Beziehungsarbeit vorzuziehen - besonders bei der Teamführung. Ihnen entgeht, wenn einzelne Mitarbeiter überlastet sind, wenn die Stimmung sinkt und Konflikte verborgen schwelen. Zu besonders belasteten und mit Arbeit eingedeckten Mitarbeitern hielten die (Teil-)Projektleiter nachdrücklich Kontakt und boten ihnen Coaching an. Überlastungen durfte es nicht geben, sie sind ein Warnsignal. So rechnet man in München auch die Tatsache zu den Projekterfolgen, dass niemand seinen Urlaub verschieben musste - auch nicht während Tchibo Joint Venture O 2 Managing Directors Steering Committee Technische Teilprojektleit -ung O 2 SG Technische Teilprojektleit -ung NW O 2 Linienmanage -ment Technische Projektleitung „Technical Delivery“ Programme Management Projektteam „Technical Delivery“ Lieferanten Technische Teilprojektleit -ung IS Product Management (AG) 1 2 4 5 6 7 8 1 1 2 2 3 4 Tchibo Joint Venture O 2 Managing Directors Steering Committee Technische Teilprojektleitung O 2 SG Technische Teilprojektleitung NW O - 2 Linienmanagement Technische Projektleitung „Technical Delivery“ Programme Management Projektteam „Technical Delivery“ Lieferanten Technische Teilprojektleitung IS Product Management (AG) 1 2 4 5 6 7 8 1 1 2 2 3 Sorgfältiggeplant: WieineinemBlockschaltbildhatdasProjektteam Kommunikationswegefestgelegt. Grafik: O 2 Germany aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd6 20.12.200517: 09: 28Uhr 7 der kritischen Implementierungsphase im Hochsommer. Weiteres Indiz: Die Krankheitsrate im Team, die häufig als Zeichen der Überlastung interpretiert wird, lag deutlich unter dem Unternehmensschnitt. „Diplomatische Führung“ nennt Josef Gigl seine Art und Weise, wie er seine Mitarbeiter motiviert. Bereits beim Kick-off-Meeting hat er ihnen diese Führungskultur vermittelt. Bei nachfolgenden Meetings praktizierte er sie konsequent, auch dann, wenn er selbst unter Termindruck stand. „Mir war es ein wichtiges Anliegen, für gute Rahmenbedingungen im Projekt zu sorgen, jedem Mitarbeiter die Ziele, den Sinn und Zweck des Projekts klar zu machen und ihm Handlungsspielräume für eigenverantwortliches Arbeiten zu geben“, sagt er. Das bedeute offene Kommunikation, Präsenz und Zielstrebigkeit. Aber auch das „Einfordern von Verbindlichkeit zu jeder Zeit“. TransparenzundEigenverantwortung Solche Transparenz und offene Kommunikation sind immer eine Gratwanderung, wenn das Projekt selbst vertraulich ist. „Unseren Anspruch an Transparenz mit Leben zu füllen war eine Herausforderung für mich“, meint Josef Gigl rückblickend. Ein Ziel der Kommunikation: Die Abwicklungsstrategie des Projekts musste in der Praxis immer wieder überarbeitet, in Frage gestellt und kontrolliert werden. Letztlich hilft diese Reflexion über die eigene Vorgehensweise auch, die Mitarbeiter ins Projekt noch besser einzubinden. Konsequent folgte Josef Gigl seinem ehrgeizigen Führungsziel, soweit es ging, bei Meetings und Konferenzen mit offenen Karten zu spielen, die Mitarbeiter bei der Suche nach Lösungen und Entscheidungen einzubinden und damit letztlich auch die Eigenverantwortung seines Teams zu stärken. Beispielsweise übernahmen einzelne Designer im Laufe des Projekts das Lieferantenmanagement - Aufgaben, die mehr Verantwortung erforderten. „Uns war es wichtig, die Mitarbeiter während der Projektlaufzeit wachsen zu lassen und ihnen Zukunftschancen zu eröffnen“, berichtet Josef Gigl. Regelmäßige „Performance-Dialoge“ mit den Mitarbeitern flankierten diese Strategie. In diesen Gesprächen sollen regelmäßig individuelle Ziele abgesteckt, die erbrachten Leistungen verfolgt und Ergebnisse gewürdigt werden. Zudem hat das Team fünfmal während des Die Kooperation mit Tchibo O 2 Telekommunikation: Dienste & Infrastruktur Tchibo Mobil Joint Venture: Kundengewinnung & Kundenmanagement Tchibo Marke & Marketing & Vertrieb & Logistik „Tchibo-Mobil“-Tarif Prepaid - „Der erste Schritt“ DasKooperationsmodelldesHermes-Projekts: „Tchibofonieren“mitO 2 Germany projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd7 20.12.200517: 09: 29Uhr 8 REPORT zehnmonatigen Projekts die Mitarbeiter mit Fragebögen befragt und die Stimmung in dem bis zu achtzigköpfigen Team gemessen. Es erstellte eine Trendanalyse. Der Zufriedenheits-Wert pendelte sich im Zielbereich von rund 85 Prozent ein. Nicht ohne Stolz meint Josef Gigl: „Bei einem Projekt mit enormem Erwartungsdruck auf alle Beteiligten ist dies außergewöhnlich und besonders erfreulich zu werten.“ Ja, und es sei auch ein Kompliment an die Führung. ProzessfürProduktentwicklung„madeby O 2 Germany“ Mit einem eigenen Prozess-Modell entwickelt O 2 Germany seine neuen Produkte. Der Prozess startet damit, dass ein Marktpotenzial erkannt wird, und er endet mit der (erfolgreichen) Einführung. Sechs Stufen - durch so genannte Gates voneinander getrennt - umfasst der Prozess. Am Anfang steht die Ideenentwicklung. Diese Ideen werden ins Unternehmen „eingespeist“ und auf strategische Eignung und möglichen Nutzen geprüft; aus den losen Gedanken werden schlüssige und überzeugende Konzepte formuliert. Auf den nächsten Stufen wird das Konzept verfeinert, werden Anforderungen und Definitionen festgelegt, wird die nötige Technik erstellt und das Produkt in den Markt eingeführt. Immer eingeplant: In der Vorprojektphase wird ein gewisser Anteil der Prozessergebnisse gewissermaßen an den Gates als noch nicht ausgereift abgewiesen; diese Punkte müssen überarbeitet werden. Bei der Ideengestaltung muss noch rund die Hälfte des „Rohmaterials“ in die Revision. Mit jedem höheren Gate bis zum Projektstart sinkt dieser Anteil. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Das Projekt folgt früh der vorgezeichneten Spur. Indes, trotz ausgeklügelter Planung mit Stufen und Gates droht einem Projekt von zwei Seiten her Gefahr. Zum einen können die „normalen“ Projektrisiken die Arbeiten behindern und erschweren. Zum anderen können Änderungen seitens des Kunden das Projekt unsicher machen; gerade unter IT-Projektleitern sind neue und zusätzliche Anforderungen als „Störungsquelle“ berüchtigt. Die klassische Risikoanalyse hilft bekanntlich, mögliche Risiken aufzuspüren sowie die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts und ihre Wirkung auf das Projekt zu ermitteln. In einem bereichsübergreifenden Risiko-Register erfasste das Hermes-Team die Gefahren sowie mögliche Gegenmaßnahmen; mindestens wöchentlich prüfte und aktualisierte das Team dieses Register. Ähnlich formalisiert begegnete es einem möglichen Wildwuchs an zusätzlichen und geänderten Anforderungen. Die ursprünglichen Projektanforderungen waren fest vereinbart. Mit einem eigenen Formular wurden neue Anforderungen direkt auf ihre Auswirkungen hinsichtlich des Projektumfangs und vor allem des Zeitplans geprüft. Binnen fünf Tagen, so verpflichteten sich die Teilprojektleiter, mussten die neuen Anforderungen geprüft und Änderungen in die Wege geleitet werden. Termintreue„aufKosten“derKosten? Viel wird über das allen Projektmanagern bekannte „Magische Dreieck“ (Budget - Zeit - Qualität) gesprochen. Ist ein Projekt zu sehr auf einer Ecke des Dreiecks positioniert, kippt das Gleichgewicht. Konkret: Unterfinanzierte Projekte drohen sich in die Länge zu ziehen; zeitkritische Projekte können teuer werden und sie verfehlen womöglich auch Qualitätsziele. Ein ehernes Gesetz? Das Münchner Hermes-Projekt scheint den Gegenbeweis zu liefern - obwohl das Top-Management die Direktive „Termin vor Kosten“ ausgegeben hatte. Es unterschritt das vorgegebene Budget im „deutlich zweistelligen Prozentbereich“, eine Ersparnis von in summa weit mehr als einer Million Euro. Und trotzdem übertraf das Team die Qualitätserwartungen. O 2 Germany akzeptierte, dass mit Blick auf den eng gesteckten Zeitplan technische Fehler eventuell noch nach Marktstart ausgebügelt werden mussten. Mit sehr gezielten Testläufen hielten sich die Nachbesserungen in Grenzen. Bedeutungsvoll nennt Josef Gigl den „Mini- Friendly-User-Test“ mit Endkunden, der sich den internen Tests anschloss. Ein unkonventionelles Vorgehen: Sechs ausgewählte Kunden aus der Zielgruppe durften mit den ersten Geräten telefonieren und die Technik testen. Alle zwei Tage sendeten sie E-Mails an das Team. „Zum Glück“, wie Josef Gigl meint. Schon am zweiten Tag des Tests stellten diese „Friendly User“ einen Konfigurationsfehler fest, der den Verkaufsstart gefährdete. „Da musste schnell eine Entscheidung getroffen und Abhilfe geschaffen werden“, berichtet der Projektleiter. Erleichterung und eine Spur Genugtuung schwingen heute in seiner Stimme mit, wenn er von der in letzter Minute umschifften Klippe berichtet. Ausschließen kann man solche Risiken - ob technischer oder anderer Natur - in keinem Projekt. Entscheidend ist nur, dass man sich auf sein Management und seine Prozesse, die Kommunikation und die Planung verlassen kann. Und besonders auf sein Projektteam. „Bei solchen gemeisterten Problemen stelle ich fest, dass sich jede Minute, die man in sorgfältiges Projektmanagement steckt, am Ende rentiert“, sagt der Münchner Projektleiter. ■ DasAwardgewinner-TeamhatbinnenkürzesterZeit31technischeSystemeund Plattformenangepasstunddamitdas„Tchibofonieren“technischermöglicht. Foto: O 2 Germany aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd8 20.12.200517: 09: 31Uhr 9 „DieAward-Bewerbungzeigt TeamsStärkenund Verbesserungsfelderauf“ InterviewmitGPM-VorstandThorMöller OliverSteeger DerjährlichausgelobteProjektmanagement-AwardistmittlerweileeinfesterBestandteil derGPM-Verbandsarbeit.AufderAward-Gala,dietraditionellHöhepunktdesjährlichen Projektmanagement-ForumsderGPMist,stehenTeamsweltbekannterUnternehmenim Rampenlicht.DerVerleihungabergehenvieleVorbereitungenvoraus.Dr.ThorMöller,für denAwardzuständigerGPM-Vorstand,gibtEinblickehinterdieKulissendesbekannten Projektmanagement-Wettbewerbs. Die GPM verleiht jährlich den „Deutschen Projektmanagement Award“. O 2 Germany hat in diesem Jahr den Award gewonnen, zudem gab es zwei weitere Preisträger und einen Finalisten. Viele Außenstehende finden dieses Ranking unübersichtlich. Das System ist im Grunde recht einfach. Wir filtern aus den Bewerbungen Teams heraus, die exzellentes Projektmanagement nachweisen können. Danach geht’s an die Feinabstufung unter den Besten: Diejenigen, die noch in diesem engen Kreis hervorragend abschneiden, das sind die Preisträger … Quasi die Träger der Silbermedaillen …? Ja, der Vergleich mit Sportmeisterschaften veranschaulicht dies ganz gut. Finalisten bekommen gewissermaßen die Bronzemedaille und Preisträger die Silbermedaille - und der Beste unter den Besten die Goldmedaille. Wer darf sich denn bewerben? Jedes Unternehmen, jede Organisation. Größe, Sektor oder Branche spielen keine Rolle. Bestimmte Projektkriterien müssen allerdings erfüllt werden. Und es sollten sich natürlich nur Projektteams bewerben, die ihr Vorgehen beim Projektmanagement selbst als besonders gut einstufen. Sie haben eben den PM-Award mit Sportmeisterschaften verglichen: Im Sport kann man beispielsweise den besten Sprinter recht leicht ermitteln. Wer legt beim „Projektmanagement Award“ Platz und Sieg fest? Zunächst einmal: Jedes Bewerberprojekt wird von fünf speziell dafür ausgebildeten Award-Assessoren analysiert. Diese machen sich ein Bild von dem Projekt und berichten der Jury. Wie setzt sich die Jury zusammen? Aus namhaften Projektmanagement-Experten. In diesem Gremium sitzen etwa zehn Fachleute, darunter auch ehemalige Preisträger und Gewinner. Sie entscheiden, GPM-VorstandDr.ThorMöller: „VieleUnternehmennutzendieAward-Bewerbung,umihrekünftigeProjektarbeitweiterzuoptimieren.“ Foto: privat projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd9 20.12.200517: 09: 32Uhr 10 REPORT welcher Bewerber vor Ort besucht wird, und sie entscheiden auch, wer nach dem Besuch Finalist, Preisträger oder Gewinner wird. Das klingt einfach … … und doch ist der Prozess komplex und zeitintensiv. Die Bewerber erarbeiten eine etwa 35-seitige Beschreibung ihres Projekts. Dabei folgen sie einer festen, vorgegebenen Struktur. Fünf Assessoren studieren die Broschüre und bewerten sie - zunächst jeder für sich, dann gemeinsam im Team, beim so genannten Konsenstreffen. Anschließend verabschieden sie ein gemeinsam getragenes Ergebnis … … das die Jury als Grundlage für ihre Entscheidung verwendet? Zunächst entscheidet die Jury über einen Vor-Ort-Besuch. Nur wenn es genügend Potenziale für Project Excellence hat, analysiert das Assessorenteam das Projekt direkt im Unternehmen des Bewerbers. Teams, die nach dem Besuch exzellent bewertet werden, erhalten den Finalistenstatus. Über Preisträger und den Gewinner entscheidet dann die Jury. Bewerbungsbroschüre erstellen, Vor-Ort-Besuche begleiten - auf die Bewerber kommen einige Arbeiten zu. Lohnt es sich, diese Mühe allein für eine Auszeichnung und den Marketingeffekt auf sich zu nehmen? Es sind nicht nur die Ehrung und die positive Presse, die Projektteams bewegen, an dem Wettbewerb teilzunehmen. Wichtiger noch ist: Die Teams erkennen durch den Bewerbungs- und Bewertungsprozess ihre Stärken und ihre Verbesserungspotenziale sehr viel klarer. Sie können sich mit anderen Teams vergleichen, denken Sie an das Stichwort „Benchmarking“. Und nicht zu vergessen: Die Bewerber erhalten ein ausführliches, schriftliches Feedback von qualifizierten und erfahrenen Projektmanagern. Viele Unternehmen nutzen diesen Bericht, um ihre künftige Projektarbeit weiter zu optimieren. Das, was Sie genannt haben, ist der Lohn für die Bewerbung. Was ist ihr Preis? Der Preis besteht in einem gewissen Zeitaufwand. Wir empfehlen jedem Bewerber eine eigene Assessoren-Ausbildung bei uns. Sie ist kostenlos und erleichtert es, die Bewerbung anzukündigen und die Bewerbungsbroschüre zu verfassen. Exzellente Teams bereiten zudem den Vor- Ort-Besuch unserer Assessoren vor, nehmen an der Preisverleihung teil, bereiten den Award nach und nutzen den Erfolg für Marketingarbeit, die ebenfalls Zeit kostet. Und finanzielle Kosten …? Hauptsächlich interne Personalkosten, die Bewerbungsgebühr liegt bei etwa 1.300 Euro für Mitglieder der GPM bzw. 1.950 Euro für Nicht-Mitglieder. Hinzu kommen die Reisekosten für die ehrenamtlich tätigen Assessoren bei ihrem Vor-Ort-Besuch sowie Reisekosten für die eigenen Mitarbeiter bei der Teilnahme an der Preisverleihung - und gegebenenfalls Kosten für die Produktion eines eigenen Präsentationsvideos. Erklärtes Ziel des Projektmanagement-Awards ist es, das Projektmanagement zu fördern. Wie können Unternehmen von dem Wettbewerb profitieren, wenn sie selbst nicht teilnehmen? Sie können von den Erfahrungen der Spitzenteams lernen und profitieren. Auf dem Projektmanagement-Forum der GPM stellen Gewinner, Preisträger und Finalisten ihre Erfolgsrezepte ausführlich vor. Auch wird in der Fachpresse und auf der GPM-Homepage informiert. Aber am besten lernt man freilich, indem man sich mit seinem Projekt bewirbt oder sich persönlich in den Wettbewerb einbringt. Sich persönlich einbringen - welche Wege stehen offen? Wir bieten kostenlos die Assessoren-Ausbildung an. Wer sie durchlaufen hat, kann auf der „bewertenden Seite“ an dem Wettbewerb mitwirken. Das kostet schon etwas Arbeitszeit, bei den meisten Assessoren auch persönliche Freizeit. Aber: Der Nutzen ist hoch. Assessoren arbeiten sich in Best-Practice-Projekte ein. Sie studieren das Bewertungsmodell und Benchmarking-Möglichkeiten für eigene Projekte. Sie tauschen sich mit Experten und anderen Assessoren aus. Für Assessoren reduzieren wir übrigens auch die Teilnahmegebühr für unser PM-Forum. Die Jury wird ernannt; hier kann man sich nicht bewerben. ■ aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd10 20.12.200517: 09: 33Uhr 11 Geschichte: Die GPM hat den Deutschen Projektmanagement Award 1996 entwickelt und 1997 erstmals verliehen; seither lobt sie den Award jährlich aus. Mit diesem Wettbewerb will der Fachverband zum einen Projektmanagement in Deutschland weiter verbreiten und zum anderen ermöglichen, von Spitzen-Projekten zu lernen. Zunächst war die Initiative auf Deutschland beschränkt. 2001 allerdings vergab die GPM den „Internationalen Deutschen PM- Award“, 2002 und 2003 den „Internationalen PM- Award“. Seit 2004 schreibt die „IPMA International Project Management Association“ den Internationalen PM-Award parallel zum Deutschen PM-Award der GPM aus. Gewinner, Preisträger und Finalisten 2005: In seinem neunten Jahr hat das Projekt „Hermes Technical Delivery“ von 0 2 Germany den begehrten Preis gewonnen. Zu den Preisträgern und Finalisten gehörten ein Projekt der Siemens AG und zwei Projekte von T-Systems International. Doch der Rückblick auf frühere Jahre zeigt: Nicht nur namhafte Unternehmen wie Konzerne zählen zu den Finalisten, Preisträgern und Gewinnern. Auch kleine und mittlere Unternehmen haben sich bereits mit ihrer Projektarbeit auf den Spitzenplätzen positioniert. Internationales: Der PM-Award wird mittlerweile weltweit vermarktet. Otto Zieglmeier, GPM-Vorstand und Vice-President der IPMA, hat die Verbreitung in den vergangenen Jahren vorangetrieben. Nachdem der Internationale PM-Award mittlerweile erfolgreich positioniert wurde, vermelden nun viele Länder Interesse an einem eigenen nationalen Award nach dem Muster der GPM. So werden mit Unterstützung der IPMA unter anderem in Tschechien, Polen, Frankreich, den Niederlanden, England, der Ukraine, Ungarn, dem Sudan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Iran nationale PM-Awards eingeführt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der weltweiten Standardisierung. „Project Excellence-Modell“: Für den Wettbewerb hat die GPM das „Project Excellence-Modell“ entwickelt. Heute verwenden immer mehr Unternehmen das Modell, um ihr Projektmanagement zu verbessern. Auch machen sich Projektmanagement-Berater die Strukturen und Vorgehensweisen, die in dem Modell beschrieben werden, für ihre Analysen und Empfehlungen zunutze. Und: Um das Project Excellence-Modell herum sind mehrere kleinere Produkte entstanden. So wird in Kürze in der GPM-Schriftenreihe ein grundlegendes Buch mit umfangreichen Erläuterungen und Beispielen erscheinen. Weiterführende Informationen: Unter www.pmaward.de stellt die GPM Informationen, Terminpläne und Anmeldeformulare bereit. Weiter gehende Fragen werden im PM Award-Büro beantwortet unter pm-award@GPM-IPMA.de oder Tel. 09 11/ 43 33 69-0. ThorMöller DerProjektmanagement-Award- EineErfolgsgeschichtederGPM projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd11 20.12.200517: 09: 33Uhr 12 SCHWERPUNKT Projektmanagementgehtzu seltenüberdieStandardshinaus Durchschnittlich40ProzentReifegradbeiFinanzdienstleistern DavidBarcklow Erstindenletztenzehnbis15JahrenhatProjektmanagementinDeutschlandsostarkan Bedeutunggewonnen,dasszurRegelungderneuenArbeitsformformaleVerfahrenetabliertwurden.NacheinerStudiederJustus-Liebig-UniversitätGießenhabendreiViertelder befragtenOrganisationen,hauptsächlichausdemFinanzdienstleistungssektor,inzwischen umfangreicheStandardsentwickelt.GroßeDefizitegibtesdagegennochbeiderquantitativenBewertungvonProjektleistungenundbeimProgrammmanagement. P rojektmanagement ist für die Finanzdienstleistungsbranche eine Selbstverständlichkeit geworden. In den letzten zehn bis 15 Jahren haben radikale Marktveränderungen die Unternehmen zum Wandel gezwungen. Die Fähigkeit, innovative Produkte und kundennahe Dienstleistungen in möglichst kurzen Zeitabschnitten auf den Markt zu bringen, wird immer wichtiger. Wenn moderne Arbeit zunehmend aus komplexen Einzelvorhaben besteht, bietet die junge Disziplin Projektmanagement immer wirksamere Wege, um Ressourcen in projektbezogenen Arbeiten optimal zu nutzen. Allerdings hatte es die Idee der projektbezogenen Arbeit im Team in westlichen Unternehmen schwerer als etwa im Fernen Osten. Wirtschaftswissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen wollten wissen, wo die deutschen Unternehmen, speziell die Finanzdienstleister, heute in ihrem Bestreben stehen, die moderne Arbeitsform Projektmanagement zu etablieren. Mit welchen Herausforderungen haben sie zu kämpfen? Grundlage der Studie war das Reifegradmodell des Project Management Institute (Abb. 1). Ein Überblick zu diesem Benchmarkingmodell findet sich in diesem Heft im Beitrag von H. Schelle (Das aktuelle Stichwort) auf S. 29. Mit dieser Entwicklung wurde die bei früheren Modellen auf das Projektmanagement konzentrierte Sichtweise um die wesentlichen Facetten des Programm- und Portfoliomanagements erweitert. Projekt-,Programm-undPortfoliomanagement- BasisderBefragung Projektmanagement bezieht sich auf die zielorientierte Initiierung, die Planung, Ausführung, Steuerung und den Abschluss von einzelnen Projekten. Beim Programmmanagement wird die Fähigkeit bewertet, mehrere Projekte an einer gemeinsamen strategischen Zielsetzung auszurichten und die parallelen Vorhaben mit ihren wechselseitigen Abhängigkeiten effizient zu steuern. Die Aspekte einer unternehmensweiten Ressourcensteuerung und die Einbettung des Projektmanqagements in die Organisation werden mit der Erweiterung des Modells um das Portfoliomanagement berücksichtigt. Anhand von 151 Fragen, die das OPM3-Modell enthält, konnte sich jede Organisation durch Selbsteinschätzung einordnen. Befragt wurden 130 Finanzdienstleistungsunternehmen in Deutschland, von denen 39 bereit waren, an der Selbsteinschätzung teilzunehmen. Außerdem wurden die 350 umsatzstärksten Unternehmen zur Teilnahme per Fragebogen aufgefordert. 17 dieser Unternehmen haben reagiert und den Fragebogen zurückgesandt. Unter anderem gehörten zu den Teilnehmern die Berliner Volksbank, die Deutsche Bank AG, die Deutsche Postbank AG, Miele Cie. GmbH & Co und die Deutz AG. Die hier vorgestellten Ergebnisse der Studie beziehen sich im Wesentlichen auf die Finanzdienstleister unter den befragten Unternehmen. Projektmanagement Eine wesentliche Erkenntnis der Befragung ist zunächst ernüchternd: Trotz aller Bemühungen stehen viele der Abschluss Steuerung Ausführung Planung Initiierung Portfolio Programm Projekt Verbesserungen Kontrollen Prozesse Ebenen Reifestufen Abb.1: KontinuumdesOPM3 ® aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd12 20.12.200517: 09: 35Uhr 13 befragten Organisationen beim Aufbau eines Projektmanagementsystems noch am Anfang. Die Systeme erreichten vielfach nur einen Reifegrad zwischen 20 und 40 Prozent. Zwar wurde das Projektmanagement in diesen Branchen systematisch konzipiert und implementiert, doch die eigentliche Herausforderung liegt woanders - nämlich in der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Systems und dessen Verankerung im Unternehmen. Die Befragungen ergaben, dass es vor allem in den ersten fünf bis zehn Jahren zu Rückschlägen kommen kann (z. B. gut gemeinte Standardisierungen, die in der praktischen Handhabung zu umständlich sind). Auch die Gefahr der Stagnation besteht. Erst danach hat sich Projektmanagement als Arbeitsform etabliert und kann ausgebaut werden (Abb. 2). Zuvor gilt es einige Kämpfe auszutragen: um die Akzeptanz beim Management und auch um Macht und Kompetenzen gegenüber den Funktionsträgern der Linienorganisation. Als besonders hinderlich beim Aufbau eines Projektmanagementsystems gilt die mangelnde Bereitschaft der Linie, die Entscheidungskompetenz mit der Projektorganisation zu teilen (20 Prozent der Antworten auf die Frage „Bitte nennen Sie uns die fünf wichtigsten Faktoren, die für die Entwicklung des Projektmanagements in Ihrer Organisation hinderlich waren“ nannten diesen Punkt; Mehrfachnennungen waren möglich). Probleme bereitet auch die Tatsache, dass die Vorteile des Projektmanagements kurzfristig kaum spürbar sind, sowie die vielfach unzureichende Ausstattung der Projektorganisation mit Ressourcen und Management Support. Zudem verhindern häufig stark formalisierte Regelungen die flexible Anpassung an die jeweilige Situation. Schließlich sind auch komplexe Unternehmensstrukturen sowie Qualifikationsdefizite beim Projektpersonal schuld daran, wenn Projektmanagement in den ersten Jahren nach seiner Einführung nicht schnell genug zum Ziel führt. Um dennoch am Ball zu bleiben, bedurfte es in allen befragten Organisationen mehrerer Anläufe. Alle haben im Zeitraum der Einführung ihr System zwei bis drei Mal grundlegend überarbeitet. 0-5 6-10 11-15 16-20 > 20 Finanzdienstleister Sonstige 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Abb.2: AlterdesPM-Systems projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd13 20.12.200517: 09: 37Uhr 14 SCHWERPUNKT DenrichtigenRahmenschaffen Um Projektmanagement dauerhaft zu etablieren, war zunächst die Schaffung wesentlicher Rahmenbedingungen notwendig. Im Einzelnen gehören dazu ein dauerhaftes Team mit einem eigenen Budget und klarer Aufgabenstellung sowie eine durch das Management verabschiedete Veränderungsstrategie, die die Bedeutung der Projektarbeit für das Unternehmen klarstellt. Als wichtig erwiesen sich auch die Förderung der Kommunikation untereinander sowie die Schaffung einfacher und pragmatischer Arbeitshilfen mit einem möglichst hohen Automatisierungsgrad. Trainings für das Personal sowie ein gewisser Handlungsdruck - sei es von innen oder von außen - runden die Voraussetzungen für ein gelungenes Projektmanagement ab. Trotzdem sind die erzielten Erfolge bislang noch bescheiden. Trotz jahrelanger intensiver Bemühungen liegt der durchschnittliche Reifegrad des Projektmanagements der Finanzdienstleister erst bei 41 Prozent. Immerhin wurde deutlich, dass die teilnehmenden Organisationen branchenübergreifend für Projektmanagement sensibilisiert sind und in den vergangenen Jahren eigene Systeme aufgebaut haben. Sie befinden sich aber in andauernder Auseinandersetzung darüber, wie viel Projektmanagement sinnvoll und notwendig ist. Trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge bei der Einführung hat keine einzige der befragten Organisationen in Erwägung gezogen, der Projektarbeit den Rücken zu kehren. PM-Standardsfastüberalletabliert Während das Gebiet Programmmanagement bislang nur schwach durchdrungen ist, haben sich sowohl das Projektals auch das Portfoliomanagement bei den meisten Unternehmen etabliert - zumindest was die Standards betrifft. Bei immerhin 95 Prozent der Organisationen herrschen klare Vorstellungen darüber, welche Veränderungsvorhaben als Projekt zu bezeichnen sind, wie sie mit einem Projektauftrag sowie Beschreibungen zu Inhalt und Umfang abgegrenzt werden und wie Projekte, aber auch einzelne Projektphasen systematisch initiiert und gestartet werden. Dass große Veränderungsvorhaben ohne einen Verantwortlichen betrieben werden können, ist heutzutage undenkbar; deshalb wird jedem Projekt mit großer Selbstverständlichkeit ein Projektleiter zugewiesen (ebenfalls 95 Prozent). Darüber hinaus haben fast alle Projekte eine standardisierte Projektaufbauorganisation mit den Mindestelementen „Lenkungsausschuss“, „Projektteam“, „Beratungsgremium“ und „Sponsor“. Bei der Definition und der Ausrichtung des jeweiligen Projekts sind die Sponsoren und andere Interessenträger beteiligt. Weil Projektteams heute mehr und mehr als Leistungsträger im Veränderungsprozess gesehen werden, ist es vielfach selbstverständlich geworden, ihnen die Strategie der Organisation und den Zusammenhang mit dem Projektziel zu erläutern. Auch der Austausch unter den Projektleitern ist essentiell, da Veränderungsprozesse in der Organisation nur in Arbeitsteilung gelingen können. Deshalb gibt es bei 76 Prozent der Organisationen leistungsfähige Regelungen zur Zusammenarbeit und Kommunikation, wodurch Projektleiter die Ziele und Pläne aller Projekte kennen, die in Beziehung zu ihren eigenen stehen. Die Suche nach Wegen, das gemeinsame Ziel zu erreichen, wird damit erleichtert. In der Planungsphase greifen die meisten Teams auf bestimmte Vorgehensmodelle zurück, die Phasenkontrollpunkte oder Meilensteine spezifizieren (87 Prozent). An ihnen werden die Projektergebnisse bewertet. So kann über den weiteren Verlauf, also die Fortsetzung oder den Abbruch des Projekts, entschieden werden (84 Prozent). Dabei wird als Grundlage der Leistungsbeurteilung üblicherweise auf die zu Beginn des Projekts definierten Ziele und Erfolgskriterien zurückgegriffen. Die Erfüllungsgrade sind während des ganzen Projekts transparent. Außerdem werden die zentralen Planungsprozesse etabliert und dokumentiert. Diese Verfahren umfassen unter anderem Techniken zur Planung und Definition von Inhalt und Umfang, Schätzung der Vorgangsdauer, Entwicklung des Terminplans und Kostenplanung. Im weiteren Verlauf findet man erst wieder bei den zentralen Steuerungsprozessen fundierte Standards, die die Wege, Inhalte und Intervalle des Berichtswesens festlegen und die Handhabung von Eskalationen eindeutig regeln (84 Prozent). Insgesamt wird immer mehr Wert auf eine verbindliche Anwendung dieser Regelungen gelegt. Dabei haben sich die Organisationen auf eine Auswahl an pragmatischen Methoden konzentriert und verpflichtet. Mit dieser Auswahl können individuelle Projekte wirksam gesteuert werden. Eine Anpassung an spezifische Bedürfnisse wird zwar erlaubt, trotzdem bleibt die Einhaltung der standardisierten Rahmen aber bindend. Die Sammlung aller Regelungen ist meist in einem für alle Beteiligten zugänglichen Projektmanagement-Handbuch dokumentiert (79 Prozent). StrategischeBedeutungistfastallenbewusst In den frühen Jahren des Projektmanagements haben sich die Unternehmen vor allem auf die Organisation des Einzelprojekts konzentriert, während die strategische Bedeutung des Portfoliomanagements eine untergeordnete Rolle spielte. Dass sich das bis heute längst geändert hat, zeigt sich in der relativen Reife dieses Themengebiets. Fast immer wird heute auf der Grundlage der strategischen Attraktivität des jeweiligen Veränderungsvorhabens über die Sinnhaftigkeit von Projekten nachgedacht. Längst etablierte Priorisierungs- und Selektionsprozesse sollen sicherstellen, dass Projekte konsequent an der Geschäftsstrategie ausgerichtet und Projektprioritäten an den Beitrag zur Strategieumsetzung gekoppelt werden (85 Prozent). Regelmäßig wird das bewilligte Portfolio an Projekten überprüft, um dessen optimale Ausrichtung auf die Ziele der Organisation zu gewährleisten (90 Prozent). Das Projektportfolio hat sich zu einem übergreifenden Steuerungs- und Führungselement entwickelt, das längst von allen Sponsoren, Führungskräften und Projektleitern akzeptiert wird. Dagegen wurden Projekte früher nach individuellen Vorstellungen initiiert. Ein Übermaß an heterogenen Zielsetzungen verhinderte von Beginn an den Projekterfolg. Heutzutage werden nur noch jene Projekte in das Portfolio aufgenommen oder fortgeführt, die einen strategischen Wert für die Organisation haben. Allerdings dominieren bei der Bewertung vorerst noch qualitative Ansätze, die sich auf Nutzenargumente stützen. Quantitative Ansätze wie beispielsweise spezielle Wirtschaftlichkeitsrechnungen, die das Werturteil abrunden könnten, finden erst langsam Verbreitung. Zunehmend werden bei der Projektauswahl auch fiaktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd14 20.12.200517: 09: 37Uhr 15 nanzielle und personelle Ressourcen stärker berücksichtigt (87 Prozent). Statt alle Projekte auf einmal umsetzen zu wollen, werden die Projekte in eine Sequenz gebracht, um Parallelarbeit auf ein leistbares und effizientes Maß zu reduzieren. Auch hierbei liegt aber ein eher qualitatives Urteil zugrunde. Nur vereinzelt existieren Budgets für das Projektportfolio, und noch seltener gibt es Plandaten zur Verfügbarkeit von Ressourcen im Zeitverlauf. Die Organisationen haben sich dazu bekannt, Veränderungen über Projekte durchzusetzen und sich dazu innerhalb eines gemeinsamen Rahmens zu bewegen. Dieser Rahmen, der den spezifischen Bedürfnissen der Organisation angepasst ist und ohne Einschränkung für alle Projekte gilt, enthält eine allgemein anerkannte Methode, klare Rollen und Funktionen sowie standardisierte Prozesse. Schulungen zur Handhabung des Projektmanagementrahmens sind vielfach selbstverständlich geworden (87 Prozent). Viele Organisationen bieten dabei modulare Trainings, die auf die unterschiedlichen Rollen abgestimmt sind. Zunehmende Verbreitung finden Entwicklungsprogramme, die die Fähigkeiten des Projektpersonals systematisch und kontinuierlich verbessern. Ob Portfoliomanagement erfolgreich ist, hängt auch und vor allem von der Qualität in der Zusammenarbeit aller beteiligten Entscheidungsträger ab. Nur durch den intensiven Austausch können die notwendigen Gemeinsamkeiten identifiziert und ausgebaut werden. Die allermeisten Organisationen unterstützen eine offene Kommunikation über alle Ebenen und Funktionen hinweg (82 Prozent). Die Prozesse zur Initiierung eines Projektportfolios wurden bei den meisten konsequent standardisiert. Alle Projekte und Programme müssen einen Antragsprozess durchlaufen, der zunächst beim Bewilligungsgremium endet. Erfolgt eine positive Bewertung, kann die Beauftragung erst nach entsprechender Anpassung des Portfolios und der damit verbundenen Ressourcenallokation erfolgen. Die Initiierungsprozesse sind dabei eng verzahnt mit den Planungsprozessen der kurz- und mittelfristigen Unternehmensentwicklung. Vor allem die formale Einbettung des Portfoliomanagements in die jährlichen Budgetplanungsrunden trägt zur strategischen Anbindung von Projekten bei. Durchgehend standardisiert sind ähnlich wie beim Projektmanagement nur zwei weitere Prozesse des Portfoliomanagements. Zum einen betrifft das die Planung des Projektportfolios (85 Prozent), für die in fast allen Organisationen formale Regelungen bestehen. Andererseits verfügen die Organisationen über formale Regelungen zu den Berichtswegen, Eskalation und Änderungsverfahren (79 Prozent). Damit wurden die zentralen Steuerungsprozesse standardisiert, etabliert und dokumentiert. Anhand ähnlicher Reifegrade und Entwicklungsstadien ließen sich die 39 Unternehmen in vier Gruppen aufteilen. Die charakteristischen Merkmale werden im Folgenden beschrieben, so dass auch dem Leser eine Einordnung des eigenen Unternehmens sowie die Ableitung von Entwicklungspotentialen möglich sein sollte. projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd15 20.12.200517: 09: 38Uhr 16 SCHWERPUNKT Gruppe1: FormaleStandardsschaffen Mit einem Reifegrad von bis zu 25 Prozent (Abb. 3) wird die erste Gruppe, die mit 25 Organisationen gleichzeitig auch die größte bildet, vor allem durch die Schaffung formaler Grundlagen dominiert. Mehrere Themenstellungen stehen beim Aufbau von Projektmanagementkompetenz im Vordergrund. Neben der Definition von Grundbegriffen, Methoden, Verfahren, Rollen und Funktionen sind das im Einzelnen der Aufbau dezidierter Projektressourcen, die Sicherstellung einer adäquaten Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten und die Verknüpfung der Projektmanagemententwicklung mit der Organisationsstrategie. Im Fokus stehen die Standardisierung und Kontrolle der Initiierungsprozesse, der zentralen Planungs- und Steuerungsprozesse sowie der Abschlussprozesse. Auffällig ist, dass sich die genannten Regelungen fast ausschließlich auf das Einzelprojekt sowie auf das Projektportfolio konzentrieren, von Programmmanagement ist noch nicht die Rede. Zwei Aspekte stehen bei der Kontrolle im Vordergrund. Einerseits geht es darum, dass die formale Einhaltung der Regelungen sichergestellt wird. Andererseits werden Kontrollen geschaffen, die die Leistungsfähigkeit überwachen sollen. Beim Einzelprojekt geschieht das über Statusmeetings, Meilensteine, Phasenabschlüsse und den Projektabschluss, während beim Portfoliomanagement in der Regel eine enge Verzahnung mit den sehr formalisierten Verfahren der Budgetplanung und -kontrolle zu beobachten ist. In beiden Fällen dominieren qualitative Kriterien als Grundlage der Leistungsbeurteilung. Nur vereinzelt setzen sich bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie erwartete Kostensenkung, RoI und Break-Even-Point durch. Gruppe2: Leistungsfähigkeitschaffen Bei der Gruppe mit einem Reifegrad zwischen 26 und 50 Prozent (Abb. 4) - der mit 19 Teilnehmern zweitgrößten Gruppe - widmen sich die Unternehmen vor allem der Schaffung eines leistungsfähigen Arbeitsumfeldes sowie der Verbesserung der Regelungen. Dazu gehören etwa die Motivation und Weiterbildung der Beteiligten über Anreize und Qualifikationsprogramme oder die Sicherstellung einer kontinuierlichen Verbesserung bei Initiierung, Planung, Ausführung, Steuerung und Abschluss durch Reviews oder Audits. Auch die Schaffung klarer Orientierungspunkte und objektiver Bewertungskriterien mit Hilfe von definierten Zielen und Erfolgskriterien gehört dazu. Neben dem Aufbau einer technischen Infrastruktur zur Automatisierung von Prozessen gehören schließlich auch die Unterstützung durch die Führungskräfte, die Förderung des Bewusstseins für Projektmanagement sowie die aktive Berücksichtigung von Projektmanagementbelangen im Managementprozess dazu. Im Kern geht es um die fortgesetzte Standardisierung und Kontrolle, insbesondere bei den unterstützenden Planungs-, Ausführungs- und Steuerungsprozessen. Auch in dieser Gruppe konzentriert man sich auf die Gebiete Projekt- und Portfoliomanagement, während das Programmmanagement weitgehend unberücksichtigt bleibt. Durch die Verbreitung der Projektmanagementregelungen werden bei dieser Gruppe aber zunehmend Defizite in der übergreifenden Koordination und Ausrichtung von thematisch zusammenhängenden Projekten deutlich. Reaktionen darauf sind einerseits erste Standards für Programme in der Initiierung, der Planung und dem Reporting; allerdings wurden die Regelungen meist aus dem Projektmanagement übernommen beziehungsweise abgewandelt. Andererseits legen die Organisationen immer mehr Wert auf eine klare und eindeutige Handhabung jener Aspekte, die im Schnittpunkt mehrerer Projekte liegen: Dazu zählen gemeinsam genutzte Ressourcen, in Wechselwirkung stehende Ziele, überschneidende Gestaltungsbereiche und Interdependenzen der Projektergebnisse. Gruppe3: EtablierungdesProgrammmanagements Erst in der dritten Gruppe mit einem Reifegrad zwischen 51 und 75 Prozent (acht Teilnehmer, Abb. 5) entwickeln die Organisationen gezielte Regelungen zur Handhabung Standards Maßstäbe Kontrollen Verbesserungen Projektmanagement Programmmanagement Portfoliomanagement 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 0% 25% 50% 75% 100% Gesamtreifegrad des organisationalen Projektmanagements Abb.3: SchaffungvonformalenStandards Standards Maßstäbe Kontrollen Verbesserungen Projektmanagement Programmmanagement Portfoliomanagement 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 0% 25% 50% 75% 100% Gesamtreifegrad des organisationalen Projektmanagements Abb.4: Leistungsfähigkeitschaffen aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd16 20.12.200517: 09: 39Uhr 17 von Programmen. Ziel des Programmmanagements ist eine effektivere Brücke zwischen der Organisationsstrategie und den Projekten. Die Beweggründe für die Definition von Standards und Verfahren für thematisch zusammenhängende Projektbündel sind unterschiedlich. Genannt wurde zum Beispiel die bessere Handhabung der Komplexität größerer Veränderungsvorhaben. So genannte strategische Initiativen überfordern oft genug die Leistungsfähigkeit des Managements von Einzelprojekten. Deshalb sind separate Planungs- und Steuerungsinstrumente notwendig, um das Vorhaben in Projekte zu zerlegen und dieses Projekt koordiniert auf eine strategische Zielsetzung auszurichten. Komplexe Veränderungsvorhaben unterliegen der Gefahr, zu lange in zwar notwendigen, aber umfangreichen Analyse- und Konzeptionsphasen zu verweilen. Nutzeffekte oder Ergebnisse werden für die Organisation erst sehr spät spürbar. Bei einer Zerlegung des Vorhabens in ein Bündel handhabbarer Einzelprojekte, die als Programm behandelt werden, lassen sich sehr viel früher Projektergebnisse umsetzen. Die Sinnhaftigkeit der Vorhaben lässt sich damit gegenüber der Organisation besser belegen. Gleichzeitig wird auf diese Weise das Risiko reduziert. Die kürzeren Zyklen der Rückkopplung über den Erfolg oder Misserfolg eines Projekts erlauben es viel früher, Risiken einer strategischen Initiative zu identifizieren. Gegebenenfalls kann schneller korrigierend in die Entwicklung des Programms eingegriffen werden. Da strategische Initiativen oft auf einer Vision basieren, sind die damit verbundenen Zielsetzungen oft vage gehalten beziehungsweise können sich im Zeitverlauf verändern. Mit Hilfe von Programmen können die notwendigen Klärungsprozesse schrittweise absolviert werden und die strategischen Anforderungen in konkrete Neuentwicklungen und Aktionspakete mit operativen Zielen übersetzt werden. Während Einzelprojekte und Portfolios meist eine Lebensdauer von etwa einem bis zwei Jahren haben, umfassen strategische Initiativen deutlich längere Entwicklungsprozesse. Programme ermöglichen die Etablierung einer befristeten, aber länger währenden Infrastruktur und Zielorientierung, die diesen Anforderungen besser gerecht werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass in vielen Organisationen der Erfolg großer Veränderungsvorhaben wiederholt gefährdet war, obwohl bereits leistungsfähige Regelungen für Projekt- und Portfoliomanagement vorlagen. Diese Erkenntnis hat die Unternehmen der vierten Gruppe dazu gebracht, eigene Standards für die Planungs-, Ausführungs- und Steuerungsprozesse von Programmen zu entwickeln. Dazu werden die bereits für das Projektmanagement erarbeiteten Rollen und Prozesse an die spezifischen Bedürfnisse eines Programms angepasst. Ein Programmmanager und -sponsor wird eingeführt, ein Programmplanungsprozess wird etabliert, ein separates Programmcontrolling wird aufgeführt und so weiter. Wesentlicher Unterschied zwischen Projekt- und Programmmanagement ist zum Beispiel, dass das Vorgehensmodell eines Programms vielfach den gesamten Produktlebenszyklus umfasst. Weiter werden zur Abstimmung zwischen den Projektleitern Koordinationsgremien etabliert. Komplexe Business Cases für langfristige Investitionen ergänzen die einem Einzelprojekt zugrunde liegenden Kosten-Nutzen-Abwägungen. Außerdem kommen zur Sicherung der Passgenauigkeit von Projektergebnissen verstärkt Integrationstechniken von der Szenariotechnik bis hin zum Prototyping oder zur Pilotierung in der Ausführung zum Tragen. Gruppe4: QuantitativeLeistungsmessung Erst in der letzen Gruppe mit einem Gesamtreifegrad von 76 bis 100 Prozent steht die quantitative Leistungsmessung des Gesamtsystems im Vordergrund. Von den Teilnehmern der Studie schafften es nur vier Unternehmen in diese Gruppe. Alle anderen konzentrierten sich bei den Kontrollen auf die formale Einhaltung von Regelungen und Standards. Die individuelle Leistungsfähigkeit von Projekten, Programmen und Portfolios wurde überwiegend qualitativ analysiert. Nur punktuell wurden für die erkannten Defizite Verbesserungen in den Regelungen und Strukturen angestoßen. Erst bei einem so hohen Reifegrad rücken quantitative Messgrößen in den Vordergrund. Mit ihrer Hilfe können Effektivität und Effizienz des gesamten Projektmanagementsystems beurteilt und eine langfristige Leistungssteigerung systematisch vorangetrieben werden. Das Kernziel eines leistungsfähigen Projektmanagementsystems ist die effiziente Umsetzung von Strategien mit Hilfe von Projekten. Mit Nachdruck wird deshalb damit begonnen, zentrale Kennzahlen zur Projektleistung zu sammeln, zu analysieren und zu vergleichen. Noch existieren nicht viele projektübergreifende Kennzahlensysteme. Zu den am meisten genannten Kennzahlen gehören der Cost Performance Indicator (CDI), der Schedule Performance Indicator (SPI), der ROI Performance Indicator (ROIPI), die Project Cycle Time, die Resource Usage (RU), die Total Project Management Costs und das Total Project Risk. Alle genannten Kennzahlen werden bei den betroffenen Unternehmen auch auf Programme oder Portfolios angewandt, so dass auch für diese Ebenen Aussagen möglich und Entwicklungstrends erkennbar sind. Erst mit stichhaltigem quantitativem Datenmaterial können die Organisationen die Leistungen im Programmmanagement-System intern und extern vergleichen und gegebenenfalls Veränderungen anstoßen. Deshalb binden sie das Projektmanagementsystem in das besteprojekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd17 20.12.200517: 09: 40Uhr 18 SCHWERPUNKT hende Qualitätssicherungssystem ein und lassen es wiederkehrend auch durch Externe auditieren. Nicht nur die Leistungsfähigkeit von Strukturen und Regelungen rückt in dieser Gruppe in den Vordergrund, sondern auch die der handelnden Personen. Erstmals werden Verfahren etabliert, die das Wissen und die Erfahrung der Projektbeteiligten beurteilen helfen und sicherstellen sollen, dass Aufgaben und Funktionen entsprechend der Leistungsfähigkeit zugeordnet werden sollen. Das Wissen um Projektmanagement wird als Wert wahrgenommen, den es für die Organisation zu sichern gilt. Über Anreize wird dessen Entwicklung gefördert. Für die unterschiedlichen Rollen werden neue Karrierepfade etabliert, die Leistungen im Projektmanagement würdigen und fördern. Organisationen mit einem so hohen Reifegrad zeigen darüber hinaus eine größere Offenheit gegenüber dem externen Projektmanagementwissen. Erfolgreiche Modelle, Verfahren und Daten aus dem Umfeld (Wettbewerber, Branche, Verbände) werden aktiv gesucht und im eigenen internen System eingesetzt. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Projektmanagementsystems wird von einem Programm zur Erhöhung und Sicherung des Reifegrads vorangetrieben. Zusammenfassung Aus der Verteilung der teilnehmenden Organisationen auf die einzelnen Gruppen wird deutlich, dass die größten Entwicklungspotenziale für Projektmanagementsysteme in den Themen der beiden letzten Gruppen liegen. Für einzelne Organisationen dürfte es deshalb ratsam sein, sich auf Grund der Selbsteinschätzung nach dem OPM3 ® -Fragenkatalog selbst im Etappenmodell zu identifizieren. Aus dieser Positionierung heraus wird erkennbar, welche Inhalte und Fähigkeiten noch Defizite in der Entwicklung aufweisen. Dort könnte gezielt angesetzt werden, um den Reifegrad systematisch anzuheben. Voraussetzung wäre aber auch der Anstoß einer Initiative zur Steigerung der Projektmanagementreife. Die Studie hat gezeigt, dass es vor allem bei der quantitativen Kontrolle und Messung von Projekten noch Defizite gibt. Auch in der aktuellen Projektmanagementforschung wird intensiv an der Frage gearbeitet, welchen Nutzen oder Wert das organisationale Projektmanagement für die Unternehmen hat. Bei einer Studie in den USA wurde kürzlich der Zusammenhang von Projektmanagementreife und Projektleistungsparametern untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Kennzahlen mit zunehmender Reife positiver ausfielen, auch die Standardabweichung sank. Trotzdem blieb auch bei dieser Studie eine monetäre Bewertung sinkender Projektmanagementkosten sowie höherer Termin- und Budgettreue aus. Der wissenschaftliche Beleg des wirtschaftlichen Vorteils einer Organisation mit einer hohen Projektmanagementreife steht noch aus. In diesem Punkt steht die Projektmanagementtheorie nach wie vor vor einer großen Herausforderung. ■ Schlagwörter Finanzdienstleister,OPM3,Portfoliomanagement,Programmmanagement,Projektbenchmarking,Reifegradmodelle Autor DavidBarcklowistGeschäftsführer deriboBeratungundTrainingGmbH mitSitzinWettenbergbeiGießen. Seit1993istderstudierteVolkswirt vorallemfürdieFinanzdienstleistungsbrancheinBeratungsprojekten mitdenThemenProjekt-,Organisations-undProzessmanagementtätig. Anschrift iboBeratungundTrainingGmbH ImWestpark8 D-35435Wettenberg Tel.: 0641/ 98210-00 Fax: 0641/ 98210-500 E-Mail: David.Barcklow@ibo.de www.ibo.de Standards Maßstäbe Kontrollen Verbesserungen Projektmanagement Programmmanagement Portfoliomanagement 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 0% 25% 50% 75% 100% Gesamtreifegrad des organisationalen Projektmanagements Abb.5: AufbauvonProgrammmanagement Standards Maßstäbe Kontrollen Verbesserungen Projektmanagement Programmmanagement Portfoliomanagement 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 0% 25% 50% 75% 100% Gesamtreifegrad des organisationalen Projektmanagements Abb.6: Leistungsfähigkeitcontrollenundverbessern aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd18 20.12.200517: 09: 42Uhr 19 Projektmanagement-Beruf undOrganisationsforminder PostbankSystemsAG EinWegzurprojektorientiertenOrganisation MichaelGessler,DavidThyssen DerIT-DienstleisterPostbankSystemsAGhatsichindenvergangenenJahrenzueiner projektorientiertenOrganisationentwickelt.Wenige,aberentscheidendeStrukturenhaben dieteilweiseorganischeEntwicklungunterstützt: BereitsmitGründungdesUnternehmenswurdeeineigenständigerPM-Karrierepfadangelegt.DiestrategischeEntscheidungwurdeschrittweisekonkretisiertundinInstrumenten undStrukturendesUnternehmensverankert.Diesetrugenwesentlichdazubei,einunternehmens-unddomänenspezifischesBerufsbild„Projektmanager“zuetablieren. DerArtikelzeigtbeispielhaft,welcheHerausforderungenentstehen,wennProjektmanagementdauerhaftinderOrganisationverankertwerdensoll.DiePostbankSystemsvollzog einegrundlegendeorganisatorischeVeränderung,umeinengroßenTeildesUnternehmens zueinerreinenProjektorganisation-mitdendarausresultierendenVor-undNachteilen- zumachen. 1 Ausgangssituation Im internationalen Vergleich besitzt Deutschland eine hohe Banken- und Filialdichte. Die Produktpalette im Endkundengeschäft ist bei allen Voll-Banken nahezu identisch. Potenziale liegen vor allem in der permanenten Optimierung von internen Prozessen und Verfahren [7]. Banken, die ihre Prozesse transparent dokumentieren und standardisieren, sind in der Lage, einzelne Schritte aus ihrer integrierten Wertschöpfungskette herauszulösen und sich auf die Kernkompetenzen in ihren Geschäftsmodellen zu konzentrieren. Outsourcing wird bedeutsam und Spezialbanken für Back-Office-Funktionen - wie zum Beispiel Zahlungsverkehr oder Kontenführung - werden möglich. „Die Deutsche Postbank AG ist sowohl aus ihrer Historie als auch in ihrer strategischen Ausrichtung eine Bank für das kundenbezogene Massengeschäft“ [2] und damit auf die kosteneffiziente Abwicklung ihrer Back-Office-Prozesse angewiesen. Ende der 90er Jahre stand die Postbank vor der Herausforderung, ihre Applikationslandschaft auf diesen bevorstehenden Strukturwandel vorzubereiten. Es wurde eine strategische Kooperation mit der SAP AG zur Entwicklung und Implementierung einer weltweit einsetzbaren Standardsoftware für Banken eingegangen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde die IT-Kompetenz des Konzerns in einer eigenständigen und flexibel steuerbaren Aktiengesellschaft gebündelt. Die Mitarbeiter der neuen Postbank Systems AG kommen heute zu ca. einem Drittel von der Postbank (inkl. ehemaliger DSL-Bank), zu ca. einem Drittel von der früheren IT-Tochter Postbank Data und zu ca. einem Drittel vom freien IT-Markt. Im Jahr 2000 entstand eine neue Organisation mit unterschiedlichen individuellen Erfahrungs- und Kulturhintergründen. 2 Entwicklungsphasen Die Entwicklung der Organisation verlief evolutionär und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf mehreren Ebenen zeitgleich. Aus heutiger Sicht sind drei Entwicklungsphasen erkennbar: eine Aufbruchphase (2000- 2003), eine Ausbauphase (2003-2004) und eine Umbauphase (2004-2005). 2.1 Aufbruchphase(2000-2003) Die erste Phase dauerte etwa von der Gründung der Postbank Systems AG im Frühjahr 2000 bis Anfang des Jahres 2003. In der Postbank IT wurden vor der Gründung der Postbank Systems AG bereits zahlreiche Projekte in unterschiedlichen Größenordnungen durchgeführt (z. B. Jahrtausendwechsel, Einführung Internet-Banking). Mit der Entscheidung zur Kooperation zwischen der SAP AG und der Postbank wurde ein Programm ausgelöst, das schon allein aufgrund seiner Größenordnung im deutschen Bankensektor Aufmerksamkeit erregte. Die Benennung des Programms „IT-2003“ verdeutlichte die Zielfokussierung. Diese ausgesprochene Herausforderung bildete die Initialzündung zur Entwicklung und Professionalisierung eines umfassenden Projektmanagement-Systems. In dieser frühen Phase wurde Projektmanagement zunächst nicht als eigenständige Management-Disziplin anerkannt. Projekte wurden in der Regel neben oder zuprojekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd19 20.12.200517: 09: 42Uhr 20 SCHWERPUNKT sätzlich zum Tagesgeschäft durchgeführt. Eine interne Analyse Ende 2002 ergab, dass über 120 Mitarbeiter Projekte leiteten, aber nur 20 „offizielle“ Projektmanager benannt waren. Die Erfahrung in der Durchführung einzelner Projekte und die Zusammenarbeit der verschiedenen Projektgruppen innerhalb des Programms IT-2003 machten es notwendig und möglich, verbindliche Vorgehensweisen im Programm zu erarbeiten. Schrittweise wurden diese Vereinbarungen erweitert, auf neue Projekte angewandt, an internationale Standards angeglichen und durch einige wenige vom Management definierte Ergebnistypen ergänzt. In dieser Phase wurden erste strukturelle Elemente wie (1) die Bündelung der IT-Kompetenz in einer eigenständigen Organisation, (2) der Aufbau eines „PM-Office“ und (3) die Struktur des Karrieremodells (inkl. des eigenständigen PM-Karrierepfades) geschaffen. Wichtig war die Erkenntnis der am Programm beteiligten Projektleiter, dass durch eine abgestimmte Projektmanagement-Methodik operative Erfolge in einem fachlich und technologisch hochkomplexen Umfeld erreichbar sind. 2.2 Ausbauphase(2003-2004) Noch vor dem Abschluss des SAP-Programms im Oktober 2003 startete die nächste Phase. Kern dieser Phase war ein Organisationsentwicklungsprojekt unter dem Titel „Professional Services“. Die unterschiedlichen Professionalisierungsbemühungen zu den Themenfeldern PM- Handwerkszeug (Methoden und Tools), PM-Mitarbeiter (Projektleiter, Projektassistenten, Qualifizierung, Zertifizierung etc.) und PM-Services (Networking, Audits etc.) wurden in diesem Projekt koordiniert und gebündelt. Die notwendige Managementunterstützung wurde erreicht, da ein Vorstand des Unternehmens die Patenschaft übernahm und die Leitung des Projekts einem der Programmmanager übertragen wurde. Zahlreiche Veranstaltungen, Networking-Events und erste Inhouse-Trainings wurden von den Projektleitern und den Projektteams gemeinsam entwickelt und realisiert. Zum Ende dieser 2. Phase war das Profil der Projektmanager im Unternehmen deutlich geschärft: Nahezu das gesamte PM-Personal wurde nach dem IPMA-Standard qualifiziert und zertifiziert. Projekte durften nur noch von ausgebildeten Projektmanagern geleitet werden, und der Projektmanagement-Karrierepfad war etabliert und besetzt. Im Rückblick sind zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: (1) Die Etablierung von Standards kann nur gelingen, wenn die Projektleiter das „PM-Handwerkszeug“ beherrschen, von dessen Nutzen überzeugt sind und eine breite Kenntnis und Zustimmung für die PM- Systematik auch im Umfeld bestehen. Dies wurde insbesondere durch eine umfassende Informationspolitik sowie vielfältige Qualifizierungs- und Zertifizierungsangebote erreicht. (2) Ein akzeptierter Standard stellt keinen Selbstzweck dar. Jedes Projekt hat spezifische Einschränkungen, weshalb eine Anpassung des Standards oftmals erforderlich wird. Hierfür ist eine Professionalität erforderlich, die sich von der mechanischen Ausführung dogmatischer Vorgaben löst, den Sinn der Projektmanagement-Methodik versteht und diese zu variieren vermag. 2.3 Umbauphase(2004-2005) Die dritte Entwicklungsphase hat im Mai 2004 mit einer strukturellen Neuorganisation des Unternehmens begonnen. Die Postbank Systems ist heute in vier Ressorts aufgestellt. Das Ressort „Betrieb“ stellt die IT-Produktion im Rechenzentrum sowie das Auftrags-, Account- und Produktmanagement sicher („Run the Bank“), das Res- Abb.1: ProjekteindenWertschöpfungsprozessen aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd20 20.12.200517: 09: 43Uhr 21 sort „Projekte“ führt Aufträge zur Veränderung der bestehenden IT-Landschaft aus („Change the Bank“), das Ressort „Technologiemanagement“ hat die Aufgabe, die technologische und qualitative Weiterentwicklung der IT zu forcieren („Guide the Bank“). Daneben sind Supportaufgaben wie Controlling, Finanzen und Personalmanagement in einem eigenen Ressort gebündelt. Die Abb. 1 zeigt die Wertschöpfungsprozesse als Ausschnitt der gesamten Prozesslandkarte. Entscheidend für den Kunden Deutsche Postbank sind nicht die einzelnen IT-Projekte, sondern die durch Projekte letztendlich ermöglichte Weiterentwicklung und Optimierung der Bankprodukte und -prozesse. Projekte sind zwar ein eigenständiges Produkt der IT, aber nie Selbstzweck (mit Ausnahme von reinen Ideenstudien, die nicht unmittelbar zu einer Veränderung der IT-Landschaft führen). Projekte sind für fast die Hälfte der Mitarbeiter an die Stelle der Arbeit in einer relativ stabilen Linienorganisation getreten. Ziel der klaren organisatorischen Trennung von IT- Produktion und IT-Projekten ist unter anderem die dadurch mögliche Transparenz. Die Struktur des Ressorts Projekte bildet heute eine reine Pool-Organisation, die in Abb. 2 dargestellt ist. Neben IT-fachlichen Mitarbeiter- Pools (z. B. Systemintegration) sind alle Projektleiter und alle Projektservicefunktionen in einer eigenen Organisationseinheit zusammengeführt worden. Die Mitarbeiter des neuen Ressorts stehen der Projektarbeit zu 100 Prozent zur Verfügung. Ziel- und Aufgabenkonflikte konnten dadurch deutlich reduziert werden. Ein Erfolgsfaktor des Projektgeschäftes ist die Auflösung eines häufig auftretenden Zielkonfliktes zwischen den Projekten und der Gesamtorganisation. Die „People- Manager“ genannten disziplinarischen Führungskräfte des Mitarbeiter-Pools steuern keine Projekte. Sie haben die Aufgabe, den Projekten und damit den Projektmanagern Mitarbeiter „zur Verfügung zu stellen“. Dafür verfügen sie sowohl über interne Mitarbeiter wie auch über ein Budget für externe Mitarbeiter. Um eine optimale Auslastung der internen Mitarbeiter zu erreichen, ist der People-Manager gefordert, die Mitarbeiter frühzeitig für kommende Anforderungen zu qualifizieren. Er verfolgt damit gesamtorganisatorische Ziele. Der Projektmanager hingegen hat die Aufgabe, sein Projekt erfolgreich ins Ziel (also in die IT-Produktion) zu bringen. Er kann vom People-Manager angebotene Mitarbeiter zurückweisen, wenn sie nicht die erforderlichen Qualifikationen besitzen und damit den Projekterfolg gefährden würden. Dieses Spannungsfeld zwischen Projektmanager und People- Manager ist durchaus gewollt. Da sie sich in keinem hierarchischen Unterbzw. Überordnungsverhältnis befinden, müssen die Zielkonflikte im gleichberechtigten Diskurs gelöst werden. Stabilisiert werden die relativ variablen Strukturen durch eine eindeutige Prozess- und Ergebnisorientierung. In diesem Zusammenhang spielt die Professionalität des Projektmanagementpersonals eine entscheidende Rolle. Nur professionelle Projektleiter sind in der Lage, die relevanten Projektprozesse zum Leben zu erwecken und die zielgerichtete Anpassung und Umsetzung sicherzustellen. Auftrags- und Produktmanagement durchführen Anwendungen entwerfen und erstellen Systemintegration Frontend SAP Middleware Umsysteme Projektmanagement Projektservices Vorstudie Grobkonzept Feinkonzept Release Vorstudie Grobkonzept Feinkonzept Release Abb.2: StabileProzesse-DynamischeStrukturen projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd21 20.12.200517: 09: 44Uhr 22 SCHWERPUNKT 3 IntegrationindiePersonalmanagementstrategie Ein projekt- und prozessorientiertes Unternehmen wird nicht allein von einer einheitlichen Projektmanagement- Systematik getragen. Die Entwicklung der Projektprozesse bildete den (notwendigen) Anfang. Ohne Berufsprofile und ein attraktives Karrieremodell, das den Projektmitarbeitern eine institutionalisierte „Heimat“ bietet und Perspektiven eröffnet, ist die Nachhaltigkeit der Maßnahmen nur schwer zu sichern. Allerdings muss in Zukunft beobachtet werden, inwieweit die klassischen Karrieremotivatoren für die spezifische projektaffine Zielgruppe passend sind. Der Projektmanagement-Karrierepfad der Postbank Systems ist in die unternehmensweite Personalmanagementstrategie integriert. Ausgehend von einem Kompetenzmodell und dem Prozessmodell des Unternehmens sind Funktions- und Anforderungsprofile für alle Aufgabengruppen beschrieben. Abb. 3 verdeutlicht die Zusammenhänge der einzelnen Instrumente. Kompetenzmodell: Dem Personalmanagement kam gemeinsam mit den Vorständen in der Gründungsphase (2000) die Aufgabe zu, einen stabilen und gemeinsam getragenen Werterahmen für die junge Postbank Systems AG zu entwickeln und durch Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen im Unternehmensalltag zu verankern. Die Grundlage hierfür bildet ein unternehmensspezifisches Kompetenzmodell. Es entstanden 15 „Competencies“ 1 , die eine Kombination aus gezeigtem Verhalten, eingesetzten Fähigkeiten und angewandtem Wissen darstellen. „Competencies“ sind laut Postbank-Systems-Definition „beobachtbar, entwicklungsfähig und messbar“. Beispiele hierfür sind Marktund/ oder Unternehmenskenntnisse, Fachkenntnisse, Organisationsvermögen, Gestaltung der Zusammenarbeit sowie Motivation und Integration. Funktionsprofil: Parallel zum Aufbau des Kompetenzmodells wurde die Orientierung an Geschäftsprozessen als Managementinstrument eingeführt. Alle Aufgaben des Unternehmens wurden und werden kontinuierlich dokumentiert, analysiert und optimiert. Einzelne Prozessschritte werden zu Funktionsprofilen zusammengefasst. Diese ergeben die Aufgabenbeschreibungen für die Mitarbeiter. Funktionsprofile sind nicht im herkömmlichen Sinne Stellenbeschreibungen für einzelne Mitarbeiter oder Positionen [3]. Sie definieren vielmehr die Hauptaufgaben und notwendigen Erfahrungen einer Gruppe von Mitarbeitern mit gleichen Tätigkeiten (z. B. Softwareentwickler, Qualitätssicherer). Kompetenzbasiertes Anforderungsprofil: Für jedes Funktionsprofil legen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung in einer gemeinsamen Kommission einstimmig ein Kompetenzprofil fest. Die 15 Competencies werden hierfür auf einer sechsstufigen Skala bewertet. Während das Funktionsprofil fachliche Aufgaben beschreibt, sind im Kompetenzprofil die bewerteten fachlichen und überfachlichen Anforderungen entlang des Kompetenzmodells abgebildet. Die Anforderungen an einen Mitarbeiter ergeben sich aus der Kombination von Funktions- und Kompetenzprofil. Auf diesem Kombinationsprofil basieren Personalentwicklungsinstrumente wie Entwicklungsgespräche, Zielvereinbarungen, Qualifizierungsangebote und -programme genauso wie das Karrieremodell. 1. Rahmenbedingung: Initialzündung durch das Programm „IT-2003“ 2. Prozesse: Bündelung der Entwicklungsaktivitäten im Projekt „Professional Services“ 3. Kultur: Frühzeitige Einrichtung eines Project Office 4. Management: Fortlaufende Unterstützung durch den Vorstand 5. Weiterbildung: Umfassende Qualifizierung aller Projektmitarbeiter 6. Zertifizierung: Verpflichtung zur PM-Personenzertifizierung 7. Karrieremodell: Entwicklung eines Karrierepfades für Projektpersonal 8. Berufsbilder: Entwicklung domänenspezifischer Berufsprofile 9. Pool-Organisation: Unterstützen der Projektprozesse durch den Aufbau der Organisation ErfolgsfaktorenderPostbankSystemsaufdem WegzurprojektorientiertenOrganisation Funktionsprofil Grundvergütung Variable Vergütung Mitarbeiter SOLL Kompentenzmodell IST Entwicklungsgespräch Qualifizierung Karrieremodell Abb.3: IntegriertesPersonalmanagement 1 Im deutschsprachigen Verständnis wird der Begriff „Kompetenz“ subjektbezogen verstanden und meint die individuellen Dispositionen einer Person. Im englischsprachigen Gebrauch meint „competencies“ abgeschlossene Lerneinheiten zum Zwecke der Zertifizierung [4]. aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd22 20.12.200517: 09: 47Uhr 23 Durch Funktionsprofile und die neu entwickelte Karrieresystematik wurde Projektmanagement in dauerhafte Organisationsstrukturen umgesetzt. 4 Anforderungenundexemplarisches Funktionsprofil Die Postbank Systems hat insgesamt sechs projektbezogene Funktionsprofile geschaffen: drei im Bereich Mitarbeiter (Professionals) und drei weitere als spezifische Laufbahn, die als Grundlage für Personalrekrutierung und -entwicklung dienen. Als Eingangsbedingungen in die Laufbahnstufen sind folgende Anforderungen beschrieben: ❏ Projektmanager: relevantes Studium oder vergleichbare Berufserfahrung sowie mindestens drei Jahre Erfahrung im Projektmanagement, davon ein Jahr in einer verantwortlichen Projektleitungsfunktion; ❏ Senior-Projektmanager: relevantes Studium oder vergleichbare Berufserfahrung sowie mindestens fünf Jahre Erfahrung im Projektmanagement, davon drei Jahre in verantwortlichen Projektleitungsfunktionen (z. B. als Projektmanager); ❏ Programmmanager: relevantes Studium oder vergleichbare Berufserfahrung, mindestens zehn Jahre Erfahrung im Projektmanagement, davon fünf Jahre in verantwortlichen Projektleitungsfunktionen (insbesondere bei der Koordination von Projekten und im Portfoliomanagement). Für jedes Profil liegen Funktionsbeschreibungen vor. Exemplarisch stellen wir die Hauptaufgaben eines Senior-Projektmanagers vor: ❏ projektspezifisches Anpassen und Optimieren des vorgegebenen Verfahrens (z. B. Vorgehensmodell „Strukturierte Anwendungsentwicklung“), ❏ Aufbau von Projektorganisationen auf Zeit einschließlich notwendiger Querschnittsfunktionen (z. B. Projektbüro), ❏ Leiten von Projekten, insbesondere das Planen, Durchführen und Steuern der einzelnen Projektphasen über Projektmanagement-Teilaufgaben wie Integrations-, Kommunikations-, Umfangs-, Qualitäts-, Risiko-, Zeit- und Ressourcenmanagement sowie Kostencontrolling und Beschaffung, ❏ Integrieren der Projektaufgaben und -auswirkungen in das Unternehmens- und Konzernumfeld, ❏ Einsatz geeigneter PM-Methoden und -werkzeuge für die formale Planung und Kontrolle eines Projektes (z. B. Stakeholder- und Risikoanalyse) auf Basis des unternehmensweiten PM-Verfahrens, ❏ Mitwirken bei der Festlegung eines relevanten Projektvorgehens durch Analyse und Auswahl geeigneter PM- Methoden und -werkzeuge und eines geeigneten Verfahrens (z. B. Vorgehensmodell „Strukturierte Anwendungsentwicklung“), ❏ Verantworten der fachlichen Entwicklung von Projektmanagern und Projektmitarbeitern, ❏ Mitwirken bei der Weiterentwicklung des unternehmensweiten PM-Verfahrens. 5 QualifizierungundZertifizierung In Reifegradmodellen zum Projektmanagement (wie z. B. PMMM) stellt das Thema Qualifizierung und Weiterbildung immer eine notwendige Voraussetzung zum Erreichen eines bestimmten Levels dar. Die Erfahrungen in der Postbank Systems gehen darüber hinaus: Qualifizierung und Zertifizierung waren ausschlaggebend dafür, dass die Entwicklung in Richtung einer Projektorientierten Organisation überhaupt möglich war und von einer breiten Basis nachhaltig getragen wurde. Eher zufällig und von einzelnen Führungskräften initiiert, wurden zu Beginn insbesondere Projektassistenten und ähnliche Unterstützungsfunktionen zum Projektmanagement-Fachmann (GPM) ausgebildet. Da bereits nach kurzer Zeit eine deutliche Verbesserung der PM- FACHLAUFBAHN FÜHRUNGSLAUFBAHN PROJEKTLAUFBAHN Projektassistent Projektkoordinator Projektspezialist Leiter Projektkoordination und -services Projektmanager Senior Projektmanager Programmmanager Methodenberater Leiter Competence Center Projektmanagement Abb.4: Projektmanagement-FunktionenimKarrieremodell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd23 20.12.200517: 09: 50Uhr 24 SCHWERPUNKT Dienstleistungen erkennbar war, wäre anzunehmen, dass ein breites Interesse an Qualifizierung einsetzte. Dies geschah jedoch zunächst nicht. Mit der Ankündigung des neuen Projektmanagement- Karrierepfades wuchs die Nachfrage nach PM-Qualifizierung. Erwartungsgemäß bekundeten zunächst diejenigen Mitarbeiter Interesse, die sich durch die Qualifizierung und anschließende Zertifizierung eine positive Karriereentwicklung oder den Einstieg in den neu geschaffenen PM- Karriereweg erhofften. Die in der Organisation gefestigten Projektleiter lehnten hingegen zu Beginn eine mehrtägige Qualifizierung ab: „zu umfangreich“, „Ich mache bereits seit X Jahren Projekte und brauche keine Grundlagenschulung“, „Warum soll ich mich einer Prüfung unterziehen? “ und ähnliche Äußerungen verdeutlichen die anfängliche Zurückhaltung. Die Bedenken der Mitarbeiter wurden ernst genommen. Um ein passgenaues Qualifizierungsangebot erarbeiten zu können, wurden verbindliche Self- Assessment-Veranstaltungen auf Basis des PM-Kanons der GPM zur Identifikation von Qualifizierungsthemen angeboten. Das Ergebnis des Assessments wurde anonymisiert der gesamten Organisation zur Verfügung gestellt. Nach dem Assessment entschieden sich weitere Projektmanager für die Teilnahme an einer PM-Qualifizierung. Die „kritische Masse“ schien erreicht. Durch die steigende Professionalität ihrer Kollegen unterlagen die Projektmanager einem „Pull-Effekt“ der Masse. Dieser Effekt wurde vom Vorstand durch einen „Push-Effekt“ gestützt: Alle professionellen Projektmanager mussten in den kommenden Jahren eine Projektmanagement-Zertifizierung erwerben. Ende des Jahres 2004 war die Personenzertifizierung nahezu abgeschlossen, weitere Zertifizierungsstufen werden nun angestrebt. 6 FazitundLessonsLearned Die Gesamtheit der Prozesse und Technologien eines IT- Dienstleisters birgt eine nicht zu unterschätzende Komplexität. Durch die Beschreibung von Funktionsprofilen wird die Prozesskomplexität für den Einzelnen reduziert und in der Gesamtheit Handlungsfähigkeit erreicht. Trugen insbesondere die Führungskräfte zuvor fachliche, finanzielle und personelle Leitungsverantwortung, so steht nun die Spezialisierung im Vordergrund. Entgegen der allgemeinen Meinung, unterschiedliche Laufbahnen müssten eingerichtet werden, um aufgrund von abflachenden Hierarchien und den daraus entstehenden geringeren Beförderungschancen alternative Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen, steht in der Postbank Systems explizit die Professionalisierung im Vordergrund. Um ein exzellenter Experte zu sein, bedarf es anderer Kompetenzen als komplexe Programme zu managen oder mit einer mittel- und langfristigen Perspektive einen Mitarbeiterpool weiter zu entwickeln. Allen gemeinsam ist jedoch die übergreifende Fähigkeit, Begeisterung bei den Mitarbeitern zu wecken und dadurch fachlich, projektbezogen oder disziplinarisch zu führen. Für die Glaubwürdigkeit eines eigenständigen PM-Karriereweges waren einheitliche Rahmenbedingungen von zentraler Bedeutung. Aufstiegsmöglichkeiten und Gehaltsbestandteile in den drei Karrierepfaden „Führung“, „Fach“ und „Projekt“ wurden schrittweise aneinander angeglichen. In allen drei Laufbahnen ist die gleiche Karrierestufe erreichbar und heute auch besetzt. Da die Postbank Systems über kein formales Gehaltsbzw. Tarifgefüge verfügt, hat sich an der individuellen Gehaltsausgestaltung durch die Einführung einer Karrieresystematik nichts geändert. Heute ist der Projektmanagement-Karrierepfad im Hinblick auf Vergütung, Nebenleistungen und Entwicklungschancen ein eigenständiger und gleichwertiger Karrierepfad. Nicht selten gab und gibt es Ressentiments gegenüber der geforderten Spezialisierung auf eines der drei Verantwortungsgebiete. Von jedem Einzelnen wird eine Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen und ggf. ein Loslassen von zum Teil jahrelang gewachsenen Einfluss- und Entscheidungsstrukturen gefordert. Eben jene „Machtstrukturen“ zu stören ist eine bewusste Konsequenz der Einführung von gleichwertigen Karrierepfaden. Der Gewinn ist eine erhöhte Binnenkomplexität der Organisation, die der gestiegenen Komplexität von Entscheidungs- und Kommunikationsprozessen Rechnung trägt. Neben den Koordinationsmechanismus der formalen Kompetenz (Hierarchie) treten fachliche Kompetenz (Expertise) und methodische Kompetenz (Projektmanagement). Alle drei Laufbahnen erfordern mit steigendem Kompetenzniveau eine spezifische Form von Führungskompetenz. Nur wenn eindeutig festgelegt ist, wer für welche Ergebnisse die echte Verantwortung übernimmt bzw. übertragen bekommt, können sich gleichwertige Karrierestufen entwickeln. Ein Projektmanager, der Zeit, Kosten und Qualität gegenüber seiner Führungskraft und nicht gegenüber dem Kunden verantwortet, wird sich nicht als in einer gleichwertigen Karriere empfinden. Wenn unterschiedliche Interessen und Zielkonflikte nicht mehr innerhalb einer Hierarchie, sondern zwischen unterschiedlichen Laufbahnen aufzulösen sind, bedarf es neuer Koordinationsmechanismen. In der Postbank Systems ist dazu zusätzlich zu den einzelnen, projektbezogenen Lenkungsausschüssen ein Gremium eingerichtet worden, das sich „PTS-Professional Services Team Systems“ nennt. In diesem Gremium sind neben dem Vorstandsvorsitzenden und dem Projektvorstand alle Programmmanager, Senior-Projektmanager und die „People-Pool“-Manager des Ressorts Projekte vertreten. Dieses Gremium entscheidet über Fragen der Projektprozesse und des Projektportfolios und steuert damit die gesamten Projektaktivitäten des Unternehmens. Die ebenfalls neu eingeführte Projektportfolio-Koordination liefert die notwendigen Informationen, um die Gesamtheit der Programme und Projekte zu steuern und zu priorisieren. Welcher Anteil des IT-Budgets wird für die Erreichung des vereinbarten Qualitätsniveaus der Betriebsprodukte (bspw. Online-Banking oder Betrieb des LAN-Netzwerks) verwandt und wie viel muss in die Durchführung der Projekte investiert werden? Diese Fragen können heute sehr viel eindeutiger beantwortet und damit gesteuert werden. ■ Literatur [1]Becker,M.: GeändertesKarriereverständnis: PersonalentwicklungimZeichenvonFührungs-,Fach-und Projektkarrieren.Martin-Luther-Univ.Halle-Wittenberg, Wirtschaftswiss.Fakultät,BetriebswirtschaftlicheDiskussionsbeiträge,6,Halle(Saale)1996 [2]Berensmann,D.: GesamtarchitekturderDeutschen PostbankAG.In: Moormann,J./ Fischer,T.(Hrsg.): HandbuchInformationstechnologieinBanken.2.,vollständig erneuerteunderweiterteAuflage.Gabler,Wiesbaden2004, S.61-77 aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd24 20.12.200517: 09: 51Uhr 25 [3]Berthel,J./ Koch,H.-E.: KarriereplanungundMitarbeiterförderung.ExpertVerlag,Stuttgart1985,S.58 [4]Frommberger,D.: ZurFormierungnationalerberuflicher AusbildungsstandardsimeuropäischenVergleich.In: Grollmann,P./ Kruse,W./ Rauner,F.(Hrsg.): EuropäisierungBeruflicherBildung.LIT-Verlag,Münster2005,S.89 [5]Kessler,H./ Hönle,C.: KarriereimProjektmanagement. Springer,Hamburg2002 [6]Lang,K.: LebeninProjekten: ProjektorientierteKarriere- undLaufbahnmodelle.Linde(Lindeinternational.Fachbuch Wirtschaft),Wien2005 [7]Moormann,J.: TransformationdesBankensektors. In: Moormann,J./ Fischer,T.(Hrsg.): HandbuchInformationstechnologieinBanken.2.,vollständigerneuerteund erweiterteAuflage,Gabler,Wiesbaden2004,S.3 Schlagwörter BerufsbildProjektmanager,Karrieremodell,ProjektorientierteOrganisation Autor Prof.Dr.MichaelGessleristProfessor fürBeruflicheBildungundBerufliche WeiterbildungimFachbereich12 undimInstitutTechnikundBildung (ITB)derUniversitätBremen.Erist GPM-RepresentativeimCouncilof DelegatesderIPMAInternational ProjectManagementAssociation, ChairmandesIPMAYoungCrewManagementBoardund ProjektleiternationalerundinternationalerForschungs- undEntwicklungsprojekte(u.a.MinisteriumfürBildungund Forschung,EuropäischeKommission). Anschrift UniversitätBremen Fachbereich12 Bibliothekstraße D-28359Bremen Tel.: 0421/ 2187773,Fax: 0421/ 2187219 E-Mail: mgessler@uni-bremen.de www.ifeb.uni-bremen.de,www.itb.uni-bremen.de Autor DavidThyssenstudiertePädagogik mitdenSchwerpunktenErwachsenenbildungundWirtschaftslehrein Köln,MünsterundLeiden.Seit2001 begleiteterimPersonal-undProzessmanagementderPostbankSystems AGinBonnunteranderemdieEntwicklungundImplementierungeines Karrieremodells,bestehendausFach-,Führungs-und Projektlaufbahn.ErpromoviertanderUniversitätBremen zumThema„Organisations-undKarrieremodelleinprojektorientiertenOrganisationen“. Anschrift PostbankSystemsAG Personal-undProzessmanagement/ Personalentwicklung Postfach260146,D-53153Bonn Tel.: 0228/ 920-69414 Fax: 0228/ 920-69402 E-Mail: david.thyssen@postbank.de projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd25 20.12.200517: 09: 53Uhr 26 SCHWERPUNKT Projektmanagement ist in den letzten Jahren in der Finanzdienstleistungsbranche immer wichtiger geworden. Als Vorstand betonen Sie, dass Projektmanagement für die Entwicklung Ihrer Branche unerlässlich ist. Richtig. Projekte bringen eine Bank voran. Sie sind Katalysatoren für die Entwicklung. Deshalb hat Projektmanagement eine hohe strategische Bedeutung auch für die Postbank. Das Bankgeschäft scheint für Außenstehende doch eher Routinearbeit zu sein. Im Endkundengeschäft haben alle Voll-Banken ähnliche, wenn nicht sogar identische Produkte. Wo setzen Sie Projektmanagement ein? Bei einer Bank gibt es vereinfacht gesagt zwei Säulen des Handelns. Die eine Säule nennen wir „Run the Bank“. Hier geht es, wie Sie eben skizziert haben, um das Tagesgeschäft, um die Dienstleistungen für unsere Kunden und die sichere Abwicklung beispielsweise von Transaktionen. Wir haben rund zwölf Millionen Kunden. Die technische Bewältigung der täglichen Transaktionen ist eine wichtige Aufgabe der Postbank Systems. Dort dürfte Projektmanagement eher eine untergeordnete Rolle spielen … Ja, das stimmt. Spannender ist die zweite Säule des Handelns; wir nennen sie „Change the Bank“. Hier geht es um die Weiterentwicklung des Unternehmens beispielsweise mit neuen Produkten und vor allem um die ständige Verbesserung von Prozessen. In diesem Bereich ist hervorragendes Projektmanagement unerlässlich. Projektmanagement als wesentlicher Erfolgsfaktor - was haben Sie daraus konkret für die Postbank Systems abgeleitet? Wir haben die Organisation der Postbank Systems entsprechend aufgebaut. Wir haben dafür zwei Vorstandsbereiche; der eine Bereich unterstützt das Tagesgeschäft der Bank, der andere Bereich … … Ihr Bereich … … ist mit der Weiterentwicklung befasst. Das Projektmanagement untersteht meinem Vorstandsressort. Dieser Bereich ist stark projektorientiert aufgebaut. Im Jahr 2005 wickeln wir rund hundert IT-Projekte ab, um die Postbank voranzubringen. Beide Bereiche sind klar getrennt? Ja, wir haben im Laufe der letzten Jahre die Bereiche RichardMoormann,VorstandProjektebeiderPostbank SystemsAG: „UnsereProjektleitermüssendiePostbank unddiePostbankSystemsvoninnenherkennen.“ Foto: PostbankSystems „Projektmanagementhatfür Bankenheutestrategische Bedeutung! “ RichardMoormann,VorstandderPostbankSystems,imGespräch OliverSteeger VonprojektorientiertenOrganisationenredenviele.DerIT-Dienstleister„PostbankSystems“hatmitseinenrundeintausendMitarbeiterndenSchrittnachvornegetanund ProjektmanagementzurVorstandssacheerklärt.Mitwenigen,dochentscheidendenÄnderungeninseinerOrganisationhatsichdasBonnerUnternehmenfitfürdas„Management byProjectManagement“gemacht.ImGesprächerläutertVorstandsmitgliedRichardMoormanndieStrategie. aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd26 20.12.200517: 09: 53Uhr 27 immer deutlicher getrennt - letztlich auch, um Projektarbeit und Linienarbeit voneinander abzugrenzen. Welchen konkreten Anlass hatten Sie für diese Trennung? Ende der 90er Jahre stand die Postbank vor der Herausforderung, ihre Informationstechnologie auf einen bevorstehenden Strukturwandel im Bankengeschäft vorzubereiten. Wir haben allerdings unsere Projektorganisation stufenweise entwickelt. Dieser Prozess hat im Ganzen fünf Jahre gedauert. Es hat verschiedene Entwicklungen und Aufgaben gegeben, die uns von der Notwendigkeit organisatorischer Schritte überzeugt haben. Einer davon war ein Projekt, das wir im Jahr 2002 gemeinsam mit der SAP gestartet haben und das mit seiner Größe im deutschen Bankensektor Aufmerksamkeit erregt hat. Es bildete die Initialzündung, ein umfassendes Projektmanagement-System zu entwickeln und zu professionalisieren. Damals haben wir Projektmanagement zunächst noch nicht als eigenständiges Management erkannt. Wir haben mit der angesprochenen Neuorganisation unseres Geschäfts im Mai 2004 begonnen. Damals wurden dann die beiden Bereiche „Betrieb“ und „Projekte“ getrennt. Welche Vorteile hat dieser Schritt für das Projektmanagement? Eine ganze Reihe von Vorteilen. Erstens, unsere Projektleiter arbeiten jetzt hauptamtlich. Sie sind allein in Projekten beschäftigt und müssen nicht noch zusätzlich Linienaufgaben wahrnehmen … … eine Regelung, die Experten seit Jahren der Wirtschaft empfehlen … … und eine sehr sinnvolle Empfehlung, denke ich. Wir haben mit diesem Modell gute Erfahrungen gesammelt. Zweiter Vorteil für das Projektmanagement: Wir legen großen Wert auf eine hervorragende Qualifizierung unserer Projektleiter. Hier greift eins ins andere. Wir brauchen Spitzen-Projektleiter; weil Projektleiter bei uns hauptamtlich arbeiten, lohnt sich die intensive Qualifizierung. Projektleiter dürfen bei uns nur nach intensiver Ausbildung Projekte leiten - selbst dann, wenn sie zuvor bereits Erfahrungen als Projektleiter gesammelt haben. Zudem lassen wir alle Projektleiter nach IPMA- Standard zertifizieren. Projektorientierte Unternehmen müssen anders aufgebaut sein als herkömmliche Unternehmen. Der Projektleiter wird ja nicht aus einer Linienfunktion heraus zu einem Projekt gerufen, in die er wieder zurückkehrt … Wir haben unsere rund 50 Projektleiter in einem Skill- Pool zusammengefasst und können unserem Mutterkonzern rund 10.000 Projektleitertage im Jahr anbieten. Der Pool wird von einem People-Manager geleitet, dem der Projektmanager disziplinarisch untersteht. Fachlich ist er vergleichsweise frei. Wie rekrutieren Projektmanager die Fachkräfte für ihr Team? Neben dem Projektleiter-Pool gibt es bei uns sechs weitere Skill-Pools, in denen unsere Fachleute zusammengefasst sind. Wir haben Pools beispielsweise für SAP-Spezialisten. Auch sie werden von People-Managern geleitet. Diese People-Manager haben die Aufgabe, ihre Spezialisten an die Projekte zu vermitteln. Das heißt, Projektleiter müssen nicht um ihre Spezialisten bitten. Ihnen werden die Mitarbeiter angeboten …? Genau. Außerdem werden Projektleiter von einem Project-Office unterstützt. Hier arbeiten Projektkoordinatoren als Dienstleister für die Projekte. Um nochmals auf einen Punkt zurückzukommen: Sowohl für die Projektleiter als auch für die Spezialisten gilt, dass sie nur in Projekten eingesetzt werden. Sie werden nicht in der Linie eingesetzt? Nein, sie arbeiten ausschließlich in Projekten. Damit wird die vielfach beklagte Konkurrenz um Fachleute zwischen Projekt und Linie ausgeschlossen. Disziplinarisch unterstehen unsere Projektmanager und Fachmitarbeiter den People-Managern ihrer Pools. Es gibt durchaus Parallelen zum Sport. Wer im Zehnkampf einen Wettbewerb gewinnen will, muss in allen zehn Disziplinen Leistungen bringen - und das sind im Einzelnen nicht immer Spitzenleistungen. Die großen Weltrekorde werden allerdings in Einzeldisziplinen erzielt. Was bedeutet dies übertragen auf das Projektmanagement? Wer von seinen Projektmanagern Spitzenleistung einfordert, darf sie nicht mit anderen Aufgaben belasten, in projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd27 20.12.200517: 09: 54Uhr 28 SCHWERPUNKT denen sie auch noch gute Leistungen bringen sollen. Er muss seinen Projektmanagern den Freiraum geben, allein in ihrer Disziplin Bestleistung zu entfalten. Deshalb haben wir für Projektleiter und auch Fachmitarbeiter eigene Karrierepfade eingerichtet. Das heißt? Häufig sind die Positionen des Spezialisten und des Projektmanagers nur Durchgangsstationen für eine Führungskarriere. Mit unserem Karrierepfad haben wir eine Alternative entwickelt: Sowohl Projektleitern als auch Spezialisten bieten wir Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung, die denen unserer Führungskräfte gleichen - auch von den Benefits her. Ich darf noch einmal auf das Projektmanagement selbst zurückkommen. Welche Qualifikationen müssen Projektmanager mitbringen? Qualifiziert werden sie durch die Lehrgänge. Dort lernen sie die Techniken und Methoden anzuwenden. Wichtige Voraussetzung sind in unserem Bereich allerdings eine gründliche Kenntnis des Bankgeschäfts sowie Kommunikationsfähigkeiten, ja, generell soziale Kompetenz. Sie ist eine wichtige Begleiterin beim Projektmanagement. Sie haben die Neuorganisation Ihres Unternehmens in die Bereiche „Run the Bank“ and „Change the Bank“ im Mai 2004 gestartet. Wie lange hat es gedauert, bis die Trennung sich organisatorisch ganz vollzogen hat? Sechs Monate brauchten wir, bis die neue Organisation komplett funktionierte. Es kamen auf unsere Mitarbeiter eine ganze Reihe von Veränderungen zu. Gab es Widerstände? Ich habe beobachtet, dass die „Zehnkämpfer“, von denen ich eben sprach, zunächst Probleme mit der neuen Organisation hatten. Das waren die Mitarbeiter, die Ambitionen sowohl für die Fachals auch für die Projektleiterlaufbahn hatten. Sie mussten sich ja nun für eine Laufbahn entscheiden. Welche Erfahrungen haben Sie mit der verpflichtenden Ausbildung und der Zertifizierung für alle Projektleiter gemacht? Sehr gute Erfahrungen. Selbst die Projektleiter, die bereits seit 15 oder mehr Jahren im Projektmanagement tätig waren, profitierten davon. Sie konnten einzelne Wissenslücken schließen und haben sich zudem positiv über die nun einheitliche Projekt-Fachsprache geäußert, die die Verständigung erleichtert. Die einheitliche Qualifizierung kommt auch bei unserer Kundin gut an. Verpflichten Sie auch externe Projektleiter oder werben Sie von außen Projektleiter an? Nein. Unsere Projektleiter müssen die Postbank und die Postbank Systems von innen her kennen. Ebenso wichtig ist ein Netzwerk im Konzern - was natürlich die Akzeptanz unserer Projektleiter im Mutterkonzern erhöht. ■ Der IT-Dienstleister Postbank Systems AG ist eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Postbank AG. Das im Frühjahr 2000 gegründete und in Bonn ansässige Unternehmen bietet alle Produkte des IT- Betriebs sowie alle IT-Projekte; es beschäftigt mehr als 1.000 Mitarbeiter. Der Vorstand: Klaar de Graaf (Vorsitzender), Manfred Löw, Dr. Thomas Mangel und Richard Moormann. Die Postbank hat über zwölf Millionen Kunden und bewältigt allein im Zahlungsverkehr 6 Mrd. Transaktionen jährlich. Eine zentrale Herausforderung liegt in der effizienten und kostengünstigen Abwicklung der enormen Datenvolumina. So hat die Postbank Systems gemeinsam mit SAP eine Standardsoftware für große Retailbanken entwickelt. Im neuen Geschäftsfeld Transaction Banking stellt die Postbank anderen Banken Zahlungsverkehrsabwicklung als Dienstleistung zur Verfügung. Hier hat die Postbank im Jahr 2004 die Abwicklung des Zahlungsverkehrs sowohl für die Deutsche Bank als auch für die Dresdner Bank übernommen. DiePostbankSystemsAG aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd28 20.12.200517: 10: 22Uhr 29 B esonders auffallend und erfreulich ist am Projektbenchmarkingmodell des PMI, dass im Gegensatz zum PMBOK der Zusammenhang zwischen Projektmanagement und Unternehmensstrategie stark betont und die Betrachtung nur eines einzigen Projekts aufgegeben wird. Dies zeigt schon der neu geprägte Terminus „Organizational Project Management“, definiert als „systematic management of projects, programs and portfolios in alignment with the achievement of strategic goals“ [1, S. XIII]. Die Grundannahme ist, dass die Fähigkeiten einer Organisation beim Management von Projekten, Programmen und Portfolios und die Fähigkeit, eine einmal gewählte Strategie auch zu realisieren, stark korrelieren. Im Folgenden wird das Modell in seinen Grundzügen beschrieben. Auf die Schilderung der umfassenden Bewertung (Comprehensive Assessment im Gegensatz zum High-Level-View [1, S. 37]) wird verzichtet. Die Entwickler wählten für die Strukturierung mehrere Dimensionen. Zunächst werden drei so genannte Domänen oder Ebenen des Assessments unterschieden, nämlich ❏ Projekt, ❏ Programm und ❏ Projektportfolio. Projekte und Programme bilden das Projektportfolio einer Organisation. Für den Terminus „Projekt“ wird die bewährte Definition aus dem PMBOK verwendet. Ein Programm wird definiert als „a group of related projects managed in a coordinated way to obtain benefits and control not available from managing them individually”. Unter einem Portfolio versteht das PMI „a collection of projects and/ or programs and other work that are grouped together to facilitate effective management of that work to meet strategic objectives. The projects or programs may not necessarily be interdependent or direct related.“ [1, S. 4] Eine weitere Kategorisierung liefert die Unterscheidung in vier aufeinander folgende Stufen der Entwicklung eines Projektmanagementsystems, nämlich ❏ Standardisierung, ❏ Messung, ❏ Control (im Kontext am besten wohl mit Kontrolle übersetzt) und ❏ kontinuierliche Verbesserung. Die beiden Dimensionen der Betrachtung sind in der Abbildung kombiniert. DasaktuelleStichwort: OrganizationalProject ManagementMaturityModel (OPM3)desPMI HeinzSchelle DasProjektbenchmarkingmodelldesProjectManagementInstituteofAmerica(PMI) [1]istimGegensatzzueinerReihevonanderenModellenwieetwaCMMbzw.CMMI, BOOTSTRAP,SPICEoderdemAnsatzvonKerznerrelativspät,nämlich2003,aufdemMarkt erschienen.EsgehörtzudenbranchenneutralenModellen,mitdenengemessenwerden soll,wiehochdieFähigkeiteneinerOrganisationzurPlanungundRealisierungvonProjektensind.SchonwegenderstarkenStellungdesPMIistzuerwarten,dassesvieleAnwenderfindenwird.IneinemzweitenBeitragindiesemHeftwirdeineinderBundesrepublik erstellteStudiepräsentiert.AufderGrundlagevonOPM3wurdederReifegradderProjektmanagementsystemevonrund60Finanzdienstleisterngemessen(S.12). Standardize Measure Control Continuously Improve Portfolio Program Project Increasing Maturity EntwicklungdesReifegradsnachOPM3 WISSEN projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd29 20.12.200517: 10: 23Uhr 30 WISSEN Bei dieser Systematik gibt es Parallelen zu CMM, wenngleich das PMI OPM3 nicht als Stufenmodell betrachtet, sondern von einem Kontinuum der Reife spricht. Eine dritte Dimension fügen die Entwickler mit der bereits aus dem Project Management Body of Knowledge (PMBOK) bekannten Unterscheidung der Prozesse in ❏ Start- (Initiating), ❏ Planungs-, ❏ Ausführungs-, ❏ Controlling- und ❏ Abschlussprozesse hinzu. BewertungdesProjektmanagementsystemseiner OrganisationdurchOPM3 OPM3 bietet dem Benutzer für die Selbstbewertung einen Katalog von 151 Fragen an. Für die Beantwortung und anschließende Auswertung gibt es ein EDV-Programm. In den Fragen finden sich die oben angeführten Dimensionen in unterschiedlichem Ausmaß wieder. Der Fettdruck mancher Begriffe im Text wurde vom Verfasser vorgenommen, um dies zu zeigen. VierausgewählteBeispiele Frage 23: „Gibt es in Ihrer Organisation standardisierte und dokumentierte Prozesse auf der Projektebene für den Abschluss des Vorhabens? Werden sie auch praktiziert? “ Frage 26: „Hat Ihre Organisation eine einheitliche Methode für die Definition, Sammlung und Analyse von Projektmetriken (Aspekt der Messung auf Projektebene; der Verfasser), um sicherzustellen, dass die Projektdaten konsistent und genau sind? “ Frage 60: „Existieren in Ihrer Organisation standardisierte und dokumentierte Prozesse auf der Programmebene für den Startprozess? Werden sie angewandt? “ Frage 145: „Identifiziert und bewertet Ihre Organisation Möglichkeiten der Verbesserung bei den wichtigsten Planungsprozessen (z. B. Projektdefinition, Schätzung der Vorgangsdauern und der Kosten, Risikoanalyse, Beschaffungsplanung usw.) auf der Projektportfolioebene? Werden die Verbesserungsmöglichkeiten auch realisiert? “ AuswertungderbeantwortetenFragen Haben ausgewählte Mitglieder der Organisation die Fragen beantwortet, gibt es eine Auswertung, das heißt eine Auflistung der Stärken und Schwächen? Außerdem liefert das Programm vier Übersichten (Gesamtbewertung, Projekt-, Programm- und Projektportfolioebene), die den relativen Reifegrad der Organisation in Form eines Prozentsatzes zeigen. In Tabelle 1 ist ein Beispiel aus dem OPM3-Manual [1, S. 44] dargestellt. Nach der Ermittlung der Stärken und Schwächen wird ein Plan für die Verbesserung des Projektmanagementsystems erstellt. Dabei hilft dem Anwender ein Best Practices Directory, das in sehr systematischer Form etwa 600 so genannte beste Praktiken enthält. Da das Manual auch hier wieder auf die Projekt-, Programm- und Projektportfolioebene und auf die vier Stufen Standardisierung, Messung, Kontrolle und Kontinuierliche Verbesserung Bezug nimmt, ist die Identifizierung von relevanten Best Practices nach der Stärken- und Schwächenanalyse einfach. Daneben gibt es ein Capabilities Directory. Als „Capability“ wird eine spezifische Fähigkeit bezeichnet, die es in einer Organisation geben muss, um bestimmte Projektmanagementprozesse ausführen und gute Projektergebnisse erzielen zu können. Solche Capabilities werden auch als „incremental steps leading up to to one or more Best Practices“ bezeichnet, das heißt also als Schritte der Implementierung. Zu jeder Best Practice gehören zwei oder mehr solche Fähigkeiten. Ein Beispiel: Eine Best Practice ist die Einrichtung von organisationsinternen Erfahrungsaustauschgruppen (Project Management Communities). Zu den in diesem Fall vier dazugehörigen Fähigkeiten zählt „Unterstütze Aktivitäten auf dem Gebiet Projektmanagment in der Organisation“. Das Ergebnis (Outcome) sind Initiativen bzw. Arbeitsgruppen, die sich mit ganz speziellen, für die Organisation relevanten Aspekten des Projektmanagements befassen. Außerdem gibt es noch so genannte Key Performance Indicators (KPI), mit deren Hilfe man ermitteln kann, ob das erwünschte Ergebnis mit der Fähigkeit erzielt wurde und in welchem Ausmaß. Auf unser Beispiel bezogen: Die Existenz von Initiativen zur Weiterentwicklung des Projektmanagements lässt sich feststellen, indem man prüft, ob es wirklich Gruppen in der Organisation gibt, die aktuelle Probleme anpacken. In anderen Fällen kann der KPI auch eine Kennzahl sein, wie etwa ein Maß für die Kundenzufriedenheit oder der Return on Investment. Die Tabelle 2 enthält einige Best Practices und zeigt, welche Dimensionen jeweils betroffen sind. Projektebene ReifegradinProzent Standardisierung 48% Messung 53% Kontrolle 50% KontinuierlicheVerbesserung 89% Programmebene Standardisierung 67% Messung 11% Kontrolle 0% KontinuierlicheVerbesserung 0% Projektportfolioebene Standardisierung 20% Messung 0% Kontrolle 0% KontinuierlicheVerbesserung 0% Gesamtbewertung 33% Tabelle1: OptimierungmitOPM3 aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd30 20.12.200517: 10: 23Uhr 31 Bewertung Wie man aus der Kurzbeschreibung unschwer erkennen kann, ist OPM3 sehr stark prozessorientiert. Es folgt damit den eingangs erwähnten Vorläufermodellen. Durch die Konzentration auf Prozesse treten die so genannten „weichen Faktoren“ in den Hintergrund. So schreibt Hall [2] über CMM: „It does not address human resources, for example, which are known sources of software risk.“ Dies gilt genauso für OPM3, aber auch für das Modell PM Delta der GPM. Durch die Entwicklung des People Capability Maturity Model (CMM-P) [3] ist allerdings gerade für das älteste Reifegradmodell dieser Vorwurf inzwischen weitgehend ausgeräumt. Dass es nicht nur auf Prozesse, sondern auch auf die Menschen, die in Projekten arbeiten, ankommt, hat Ruskin [4] mit großer Klarheit gesagt: „Once we measure both (1) the maturity of individual personnel and (2) the maturity of the organization’s infrastructure and operating procedures, we need to link them together. Perhaps a multiplicative product will suffice. After all, both organizational features and personal maturity are needed to have truly capable organization. A zero on either scale is terrible, even if the other value is at its maximum.” Mit diesem Einwand wird natürlich der große Nutzen von prozessorientierten Modellen für Organisationen nicht bestritten. Es ist aber zu wünschen, dass PMI dem Beispiel der CMM- Entwickler folgt und auch ein Reifegradmodell für die Menschen in Projekten erarbeitet. ■ Literatur [1]ProjectManagementInstitute(Ed.): OrganizationalProjectManagement Model(OPM3).KnowledgeFoundation,NewtonSquare,Pennsylvania2003 [2]Hall,E.M.: ManagementRisks: MethodsforSoftwareSystemsDevelopment. Boston1998,S.52 [3]www.sei.cmu.edu/ cmm-p/ version2/ v2-main.html,lastmodified: 3October 2005 . SieheauchMotzel,E.: 1.9StandardsundKompetenzmodelleimProjektmanagement.In: Schelle,H.; Reschke,H.; Schnopp,R.; Schub,A.(Hrsg.): Loseblattsammlung„Projekteerfolgreichmanagen“.18.Aktualisierung,Köln1994ff.,S.33ff. [4]Ruskin,A.M.: ProjectManagementMaturityModels.In: Duncan,W.R. (Hrsg.): PMNetwork,October1998,zitiertnach[3],S.36 Schlagwörter BestPractices,Projektbenchmarking,ProjektmanagementundUnternehmensstrategie,Reifegradmodelle,Selbstbewertung,WeiterentwicklungvonProjektmanagement-Systemen Autor HeinzSchelle,geb.1938,hattebiszumJahre2003eineProfessurfürBetriebswirtschaftslehremitbesondererBerücksichtigungdesProjektmanagementsanderFakultätfürInformatikderUniversitätderBundeswehrMüncheninne.Erist einerderGründerderGPMDeutscheGesellschaftfürProjektmanagemente.V.undwarvon1979bis1998Mitglieddes Vorstands.HeuteisterEhrenvorsitzenderderGesellschaft. Anschrift MünchnerStr.1 D-82496Oberau/ Loisach Tel.: 08824/ 1712 E-Mail: h.schelle@gaponline.de Identifikationsnummer Titel Beschreibung Projekt Programm Projektportfolio Standardisieren Messen Kontrolle Kontinuierliche Verbesserung 1390 Standardisierung desadministrativen Projektabschlussprozesses StandardsfürdenadministrativenProjektabschluss existieren x x 3120 Standardisierung derProzessefür denStarteinesProgramms StandardsfürdenProgrammstartexistieren x x 4280 KontrolledesVertragsmanagementprozessesfürein Programm KontrollenfürdasVertragsmanagementeinesProgrammssindinstalliertund werdendurchgeführt,um dieStabilitätdesProzesseszuüberwachen x x 6720 Verbesserungdes Planungsprozesses fürdieZusammenstellungdesProjektportfolios BeimProzessder Zusammenstellungdes Projektportfolioswurden dieSchwächenbewertet. EmpfehlungenzurVeränderungwurdengesammelt.Verbesserungenwurdenimplementiert x x Tabelle2: EinigeBestPracticesunddiebetroffenenDimensionen projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd31 20.12.200517: 10: 24Uhr 32 WISSEN D as Topmanagement oder die Verantwortlichen in der Anwendungsentwicklung stehen oft vor der Situation, dass Projektleiter Probleme melden. Ohne interne Kenntnisse der Projektsituation ist es schwierig, die wirkliche Lage zu beurteilen und die richtigen Handlungsempfehlungen auszusprechen. Auch die im Projekt involvierten Manager sind aufgrund der intensiven operativen Steuerung meist schon betriebsblind und können die notwendigen Maßnahmen nicht mehr erkennen. Eine unvoreingenommene Meinung zur Projektsituation können Experten liefern, die nicht in das Projekt eingebunden sind. Ein Projektaudit durch eine unabhängige Partei liefert kurzfristig eine Standortbestimmung und kann die notwendigen Handlungsempfehlungen vorschlagen, ohne unternehmenspolitisch beeinflusst zu sein. Neben der fundierten Erfahrung der Experten ist ein methodisch strukturiertes Vorgehen genau wie bei der Softwareentwicklung der wesentliche Erfolgsfaktor für ein Projektaudit. Im Folgenden stellen wir eine Methodik vor, die sich in erfolgreich durchgeführten Projektaudits bewährt hat. SchlüsselzumErfolg: ZieldesAuditsklar formulieren Anfragen, ein Projekt zu auditieren, entstehen meist, wenn das Topmanagement aufgrund von Problemmeldungen kurzfristig Auskunft über die wirkliche Situation des Projekts fordert. Diese Anfragen sind nach unserer Erfahrung oft offen formuliert: Mit dem Projektaudit soll eine unabhängige Meinung zur Projektsituation eingeholt werden. Ursache für die in der Regel vage Formulierung des Auftrags an die Auditoren ist, dass derjenige, der den Auftrag erteilt, meist eine gewisse inhaltliche Distanz zum Projektgeschehen hat. Es ist für ihn schwierig, die im Audit zu untersuchenden Aspekte präzise zu benennen. Es liegt daher in der Verantwortung der Auditoren, die Ziele des Audits im Dialog mit dem Auftraggeber zu präzisieren und festzulegen, welche Fragestellungen zu untersuchen sind. Mögliche Fragestellungen sind beispielsweise: ❏ Sind das Projektmanagement und die Projektorganisation adäquat, um weitere Anforderungen der Kunden umsetzen und parallel die Bearbeitung von Weiterentwicklung, Wartung und Support gewährleisten zu können? ❏ Trägt die technische Architektur der Anwendung, um eine Erweiterung der Datenmengen und der Anzahl Anwender im Rahmen eines Mergers zu verkraften? ❏ Sind die bereits intern identifizierten Schwachstellen des Projekts richtig erkannt und bewertet? Gibt es noch weitere Schwachstellen? ❏ Ist der Betrieb der neuen Anwendung wirtschaftlicher als der Betrieb der heute vorhandenen Systeme? Ziele und Fragestellungen für das Audit müssen Bestandteil des Audit-Auftrags sein. Nur dies stellt sicher, dass konkret die Fragen des Auftraggebers beantwortet werden. Darüber hinaus kann die Arbeit des Projektteams an der Beantwortung der Fragestellung und der Definition von adäquaten Maßnahmen in Bezug auf die Ziele gemessen werden. Die klare Formulierung hilft darüber hinaus dem Auditorenteam, seine Arbeit explizit auf diese Ziele zu fokussieren und somit in kurzer Zeit zu einer Gesamteinschätzung und Handlungsempfehlungen zu kommen. OperationalisierenderAudit-Ziele: Untersuchungsgegenstandfestlegen Nachdem die Ziele und Fragestellungen für das Audit mit dem Auftraggeber vereinbart sind, müssen sie durch die Auditoren operationalisiert werden. Dazu wird aus den Zielen und Fragestellungen abgeleitet, welche Aspekte des Projekts untersucht werden müs- Projektaudit: Projekte methodischsanieren WiedasTopmanagementschwierigeProjektemitHilfeneutralerExperten stabilisierenkann RandolphKappes,MartinWöhrle NeueTrendsinderSoftware-IndustrieprägendieWünschevielerUnternehmen: eBusiness-Lösungen,Kollaboration,Real-timeEnterprisesollenkurzfristigdurchdiefirmeninterneITunterstütztwerden.MitdiesenWünschenwachsenauchdieAnforderungenandie Anwendungsentwicklung.LeichtgerateninnovativeProjekteinschwierigeSituationenund überschreitendieveranschlagtenZeit-undKostenrahmenoderliefernnichtdiegewünschteFunktionalität.NurwerbeiSchwierigkeitenimProjektfrühzeitigagiert,kanndenProjekterfolgsicherstellen. aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd32 20.12.200517: 10: 24Uhr 33 sen. Als Untersuchungsgegenstand kommen dabei DVtechnische Aspekte wie Architektur und Qualität des Quellcodes ebenso wie Aspekte der Softwareentwicklungs- oder Projektmanagementprozesse oder aber auch Wirtschaftlichkeitsaspekte in Frage. Welcher Untersuchungsgegenstand sich für die jeweilige Fragestellung im Einzelnen ergibt, können die im Audit eingesetzten Experten auf Basis ihrer Erfahrung zügig festlegen (Abb. 1). Der Einsatz eines ausgewiesenen Expertenteams, das fundiertes Wissen in den zu bearbeitenden Untersuchungsgegenständen mitbringt, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Audit. Für den Einsatz von Juniorberatern ist in einem Projektaudit kein Platz, da weder die zur Verfügung stehende Zeit noch die Kritikalität der Auditergebnisse eine Einarbeitung oder umfangreiche Recherche zulässt. ObjektivierungdurchVergleichmitetablierten Normen Die Untersuchungsgegenstände müssen durch das Projektteam analysiert und anschließend bewertet werden. Im Vorfeld der Untersuchung müssen dafür die Bewertungskriterien festgelegt werden. Für eine möglichst objektive, nachvollziehbare Bewertung hat sich die Nutzung von etablierten Standards bewährt. Soll beispielsweise das Projektmanagement untersucht werden, dann empfiehlt es sich, als Vergleichsbasis die Projektmanagementprozesse des PMBOK ® Guide [1] oder gemäß PRINCE2 ® [2] zu nutzen. Für die Bewertung des Softwareentwicklungsprozesses können CMMI ® -SE/ SW [3] oder unternehmenseigene, nach ISO 9001: 2000 zertifizierte Qualitätsmanagementsysteme [4] herangezogen werden. Für die Bewertung von Softwarearchitekturen bietet sich die Nutzung von ISO-Normen wie ISO/ IEC 9126 (Framework für die Bewertung von Softwarequalität) [5] an oder Standardarchitekturen wie Quasar (Quality Software Architecture, Standardarchitektur der sd&m AG für betriebliche Informationssysteme) [6]. Der Untersuchungsgegenstand wird mit den einzelnen Teilaspekten des jeweiligen Standards verglichen. Es wird festgelegt, welche dieser Teilaspekte zur Beantwortung der Fragestellung beitragen. Dies konkretisiert erneut den Fokus der Untersuchung. Darüber hinaus liefern die Standards meist auch Kriterien, gegen die die Umsetzung im Projekt gespiegelt und bewertet werden kann. Die Bewertungskriterien, nach denen die Projektsituation bewertet wird und die Abweichungen von der Zielerreichung gemessen werden, ergeben sich damit aus den aus der ursprünglichen Fragestellung konkret herunter gebrochenen Teilaspekten dieser Standards. Dies bedeutet ❏ dass die Projektbewertung klar gegen eine Zielgröße (die definierten Bewertungskriterien) bewertet wird und ❏ sich der Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichsten Bereichen zusammensetzt, wie der Bewertung des Quellcodes, der Bewertung des Anforderungsmanagements bis hin zu Wirtschaftlichkeitsbewertungen. Abb. 2 stellt die Bewertungskriterien der Einführungs- und Wartungsfähigkeit einer Anwendung dar. Diese wurde aus der konkreten Fragestellung, über die Spiegelung gegen die relevanten Standards und durch Festlegung konkreter Kriterien nach den ersten Eindrücken in Gesprächen mit dem Auftraggeber und dem Projektteam festgelegt. (Die Darstellung ist ein Auszug aus einem abgeschlossenen Audit und wurde vereinfacht dargestellt.) …) n Untersuchungsgegenstand (Auswahl) Kategorie Technologie IT-Management IT-Prozesse Fachlichkeit Architektur der Anwendung Entwicklungs-, Wartungs-, und Betriebsprozesse Wirtschaftlichkeit Quellcode und Dokumente Einbettung in die Anwendungslandschaft IT-Projektmanagement • Marktkonformität, Anforderungen • Marktentwicklung • Ergebnisqualität • Funktionaler Schnitt der AWL • Verteilung der Daten (insb. Stammdaten) • Grad der Unterstützung der Geschäftsprozesse • Medienbrüche, Mehrfachverarbeitung • Schichtenarchitektur • Verwendete Basiskomponenten • Modularisierung, Modulschnitt • Qualität des Coding (Variablennamen, Kommentierung, • Modulinterne Komplexität • Entwicklungskosten • Betriebskosten • Service Levels und Pönalen • Vorgehensmodell • Entwicklungsmethodik • Verfahren (QM-, CR-, KM-Verfahren) • Schätzverfahren • Projektplanung und -controlling • Anforderungsmanagement • Vollständigkeit und Qualität der Dokumentatio • Komponenten, Schnittstellen • Nicht-Funktionale Anforderungen (Stabilität, Performance, …) • Ressourcenplanung • Ausgestaltung der Schnittstellen (Point-to-Point oder Bus, …) • Testmethodik • Betriebl. Prozesse, Infrastruktur • Know-how der Mannschaft • Nutzen • Risiko über den Lebenszyklus Abb.1: AuswahlmöglicherUntersuchungsgegenständeeinesProjektaudits projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd33 20.12.200517: 10: 26Uhr 34 WISSEN EinhypothesengetriebenerAnsatzliefertfrüh IndikatorenüberdasAudit-Ergebnis Als Vorgehensmodell für die Einschätzung der Projektsituation hat sich der hypothesengetriebene Ansatz bewährt. Bei dieser Vorgehensweise stellen die Auditoren bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Projektverlauf Hypothesen über die erwartete Projekteinschätzung auf. Experten mit einem fundiert fachlichen Hintergrund können solche Hypothesen erfahrungsgemäß nach wenigen Tagen aus der Sichtung der vorhandenen Dokumente und den ersten Interviews ableiten. Als nächsten Schritt verifizieren oder widerlegen die Auditoren die aufgestellten Hypothesen. Dazu werden zu jeder Hypothese Schlüsselfragen aufgestellt und im weiteren Projektverlauf geklärt. Diese Schlüsselfragen konkretisieren die Einschätzung und machen die Bewertung greifbar. Bei der Erstellung der Schlüsselfragen helfen wiederum die als Absprungbasis genutzten Standards, da diese teilweise Checklisten enthalten oder einen abprüfbaren Prozess beschreiben. Der Vorteil eines hypothesengetriebenen Ansatzes liegt vor allem darin, dass bereits nach wenigen Tagen eine Einschätzung über das voraussichtliche Audit-Ergebnis vorliegt. Hiermit können dem Auftraggeber frühzeitig vorsichtige Signale zur Projektsituation gegeben wer- Modifizierbarkeit durch Schichtenbildung Stabilität und Effizienz durch Wiederverwendung Struktur durch Trennung von fachlichen und technischen Komponenten Nachvollziehbarkeit durch Dokumentation der technischen Architektur und Zuordnung der Anforderungen Technische Qualität der Software Qualitätsmanagement während der Entwicklung, nicht als „nachträgliche Prüfung“ Strukturiertes Testvorgehen m it aus reichender Testabdeckung Definiertes Risikomanagement zur aktiven Steuerung Softwareentwicklungsprozess Effizienz in der Wartung durch ein wirks am es Anforderungsmanagement Nachvollziehbarkeit, Planbarkeit und Optim ierung des Mitteleinsatzes durch Projektplanung und -controlling Transparenz und wirks am e Problem lösung durch Projektkommunikation Projektorganisation/ Projektmanagement Bewertungskriterien Einführungs- und Wartungsfähigkeit Quasar-Standardarchitektur sd&m Qualitätsmanagementsystem (ISO-9001-zertifiziert) PMBoK ® Guide Kriterien Fragestellung Methodische Basis Unters uchungs gegens tand festlegen und Hypothes en / Schlüsselfragen 1 Kick-off mit allen Beteiligten Schlüsselfrage A prüfen Schlüsselfrage B prüfen Schlüsselfrage C prüfen Gesam t- Hypothese verifizieren Ggf. Iteration erforderlich, falls keine Belege für die Hypothes e gefunden wurden Stützt die Hypothese? n 2 Abschlusspräsentation Hypothesen abstimmen Maßnahm en definieren 3 4 … Regelmäßiger Bericht vor Lenkungsausschuss, ggf. Neujustierung der Projektziele Ziele klären Abb.2: BewertungskriterienergebensichausTeilaspektenallerKategorien Abb.3: DieLaufzeiteinesAuditsistinderRegeleinbisdreiMonate,davonentfallenca.2/ 3derZeitaufAufstellenund VerifizierenderHypothesenundca.1/ 3aufdieMaßnahmen-Definition. aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd34 20.12.200517: 10: 28Uhr 35 den. Die Gesamteinschätzung und der Umgang mit den Projektergebnissen werden so bereits parallel zur weiteren Untersuchung zwischen Auftraggeber und Auditoren besprochen. Gegebenenfalls wird in diesem Rahmen auch der Auftrag nachjustiert. Diese Diskussion hilft, die Handlungsempfehlungen zielgerichtet auf die strategischen Überlegungen des Auftragnehmers zu entwickeln. EinMuss: EngeInteraktionmitdemAuftraggeber Die Handlungsempfehlungen werden wie alle Ergebnisse mit dem Auftraggeber abgestimmt; ein ständiger Austausch ist unerlässlich. Dies beginnt bereits mit dem Projektauftrag, in dem die Aufgabenstellung abgesteckt wird, und setzt sich im Verlauf des Audits fort. Der Auftraggeber wird zeitnah über Hypothesen, die Bewertung der Hypothesen, die Projekteinschätzung und den Maßnahmenkatalog informiert. Es hat sich bewährt, die Interaktion mit dem Auftraggeber bereits im Projektauftrag festzulegen, wobei diese in kurzen Zeitabständen erfolgen muss. Je nach Auftragsart kann selbst ein wöchentlicher Lenkungsausschuss sinnvoll sein. Die enge Interaktion stellt sicher, dass das Auditorenteam kurzfristig Feedback zu den Zwischenergebnissen bekommt und aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen die weiteren Schritte abgestimmt werden. So kann das Projektaudit gemeinsam zwischen Auditoren und Auftraggeber gesteuert werden. Die Kommunikation mit dem Auftraggeber sollte dabei schriftlich meist in Form von kurzen Präsentationen erfolgen. Aufgrund der Interaktion in kurzen Zeitabständen führt dies zu hohem Druck im Auditorenteam. Es zwingt aber auch dazu, alle Ergebnisse zeitnah zu dokumentieren und kurz und knapp aufzubereiten. Darüber hinaus müssen die Auditoren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Projektmitarbeitern auf Auftraggeberseite pflegen. Nur über diese Mitarbeiter können die Auditoren in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit die für die Bewertung erforderlichen Informationen erhalten. Gleichzeitig sind die Projektmitarbeiter von den Ergebnissen des Audits direkt betroffen. Eine zeitnahe und offene Kommunikation nicht nur mit dem direkten Auftraggeber, sondern auch mit den Projektmitarbeitern ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Audit und die anschließende Umsetzung der Maßnahmen. HandlungsempfehlungenmüssenaufKostenund Nutzenanalysiertwerden Ein Auditergebnis enthält immer Handlungsempfehlungen für den Auftraggeber. Diese bestehen neben der generellen Einschätzung des Projekts und einer Lösungsstrategie zur Erreichung eines stabilen Projektzustands aus einer Liste der vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen. Die Einzelmaßnahmen werden so definiert, dass ihre Umsetzung hilft, den definierten Zielzustand - gemäß den Bewertungskriterien für den jeweiligen Untersuchungsgegenstand - zu erreichen. Die Definition der Einzelmaßnahmen darf dabei nicht losgelöst vom laufenden Projekt erfolgen, da insbesondere die benötigten Mitarbeiterressourcen meist aus dem laufenden Projekt gestellt werden müssen. Die Maßnahmen werden daher analog jeder anderen Aktivität im Projekt geplant. Dies beinhaltet Aufwandsschätzung, Ressourcenzuordnung, Festlegung von Verantwortlich- 1. Fragestellungen 2. Symptome 5. Datenquellen 6. Instrumentarium Interview Fragebögen Umfragen Metriken 3. Hypothesen 4. Schlüsselfragen ... X X X X Hohe Abbruchraten Wie viele Sitevisits werden ohne Kauf abgebrochen? Was s ind die Gründe für den Abbruch? ... A ccesslogs Surfer Webmaster Datenquellen Hypothesen 7. Ergebnisse Verifikation oder Falsifikation der Hypothesen Bericht Datenanalysen Abb.4: DerhypothesengetriebeneAnsatzkonzentriertsichaufdieKlärungderHypothesenmitHilfevonSchlüsselfragen. Kosten-Nutzen-Analyse Handlungsempfehlungen Maßnahmen Nutzen (Euro) - Kosten (Euro) -------------------------- Wertbeitrag (Euro) Was bringt es? Was kostet es? Abb.5: DerWertbeitragderHandlungsempfehlungenund MaßnahmensollteübereineKosten-Nutzen-Betrachtung errechnetwerden. projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd35 20.12.200517: 10: 29Uhr 36 WISSEN keiten und Endtermine. Darüber hinaus muss die Integration in das laufende Projekt geplant und sichergestellt werden. Da keine Maßnahme aus reinem Selbstzweck erfolgen darf, empfiehlt sich eine Nutzenbewertung der Maßnahmen, um sie den durch die Umsetzung entstehenden Kosten gegenüberzustellen. Über eine Kosten-Nutzen- Betrachtung kann so der Wertbeitrag für das Projekt gerechnet werden. Mit dem Abschluss der Projektaudits ist das Projekt jedoch noch nicht saniert. Erst die Umsetzung der Maßnahmen stellt dies sicher. Dies ist vor allem dann erfolgreich, wenn das Topmanagement über das Projektaudit hinaus das Projekt begleitet und der Wille zur Veränderung im Projekt und im Projektumfeld vorhanden ist. Des Weiteren empfiehlt es sich, im Nachgang eines Projektaudits auch die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Gesamtprojekts auf Basis der neuen Erkenntnisse zu überarbeiten. Dabei muss auch die Frage gestellt werden, ob sich das Projekt für das Unternehmen in der geplanten Form noch rechnet. ■ Literatur [1]ProjectManagementInstitute(Ed.): AGuidetothe ProjectManagementBodyofKnowledge,A(PMBOK ® Guide),ThirdEdition.ProjectManagementInstituteNewtonSquarePennsylvania2004 [2]PRINCE2,www.ogc.gov.uk/ prince2,Stand: 22.8.2005 [3]CMMI-SE/ SW,www.sei.cmu.edu/ cmmi,Stand: 22.8.2005 [4]ISO9001: 2000,www.iso.org,Stand: 22.August2005 [5]ISO9126,www.iso.org,Stand: 22.August2005 [6]Siedersleben,J.: ModerneSoftwarearchitektur: Umsichtigplanen,robustbauenmitQuasar.dpunkt-Verlag,Heidelberg2004 Schlagwörter Audit,Projektbewertung,Projektmanagement,Review, Softwareentwicklung,Wirtschaftlichkeit Autoren RandolphKappesstudierteInformatik anderUniversitätinSaarbrücken. SeineBerufslaufbahnbeganner 1991alsSoftwareentwickler,AnwendungsarchitektundProjektleiter.Seit neunJahrenisterbeisd&mtätigals ProjektmanagerinSoftwareentwicklungsprojekten.IndenletztenJahren lagseinSchwerpunktinderIT-BeratungimUmfeldProjektmanagement,AnwendungsarchitekturenundWirtschaftlichkeitvonIT-Vorhaben. MartinWöhrlehatWirtschaftsinformatikandenUniversitätenDarmstadt undChampaign/ Illinoisstudiert.Seit 1997beschäftigtersichalsBerater beisd&mmitdenThemenAnforderungsanalyse,Softwarearchitekturen undProjektmanagementimBereich derFinanzdienstleistungen. Anschrift sd&mAG,softwaredesign&management MühlheimerStraße9a D-53840Troisdorf Tel.: 02241/ 9739-278 E-Mail: randolph.kappes@sdm.de, martin.woehrle@sdm.de www.sdm.de aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd36 20.12.200517: 10: 31Uhr 37 1 Ausgangslage Vor über vierzig Jahren - also Anfang der Sechziger - kam das Projektmanagement in Form der Netzplantechnik (NPT) über den großen Teich auch zu uns herüber. Die damals gängigen Verfahren waren die Critical Path Method (CPM) und die Program Evaluation and Review Technique (PERT). Die zugrunde liegende Methode des Ersteren waren Vorgangspfeil-Netzpläne (VPN), bei dem Letzteren Ereignisknoten-Netzpläne (EKN). Besondere Merkmale dieser beiden Verfahren war bei CPM eine Kostenoptimierung durch eine systematische Art der Verkürzung von Vorgangs- und Projektdauer, bei PERT eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung von Zeitabständen und Projektdauer. Unter den deutschen NPT-Fachleuten herrschte anfangs eine große Begriffsverwirrung. Fast jeder deutsche Verfasser oder Übersetzer amerikanischer Originalliteratur hatte offenbar den Ehrgeiz, andere Benennungen für Vorgänge, Zeitpunkte, Pufferzeiten usw. zu erfinden, oder verwendete einfachheitshalber gleich die amerikanischen Bezeichnungen. Vorgangspfeil-Netzpläne wurden oft fälschlich als „PERT-Plan“ oder „PERT-Netzplan“ bezeichnet (und umgekehrt). Auch sprachen Anwender, die ihre Vorgangspfeil-Netzpläne ohne die bei CPM dazugehörige Kostenoptimierung benutzten, manchmal von „CPM-Netzplänen“, obwohl Vorgangspfeil-Netzplan richtig gewesen wäre. Als mit der in Frankreich entstandenen Metra-Potential-Methode (MPM) und dem amerikanischen Project Control System (PCS) auch noch die ersten Vorgangsknoten-Netzpläne (VKN) auftauchten, verschlimmerte sich diese Verwirrung noch. Auch die EDV-Hersteller, deren NPT-Programme in der amerikanischen Originalversion oder in deutscher Übersetzung (mit den oben genannten Problemen! ) angeboten wurden, trugen zum Chaos bei. Noch heute wird für „Vorgang“ oft die Benennung „Activity“ oder „Aktivität“ verwendet. 2 StrebennachVereinheitlichung 1964 gründeten NPT-Fachleute zum Erfahrungsaustausch im Arbeitskreis Operational Research (AKOR) die „Arbeitsgruppe Netzplantechnik“. 1965 fanden sich dort einige Interessenten zusammen, die sich zunächst als Arbeitsausschuss und später als eigenständige „Arbeitsgruppe Vereinheitlichung der Bezeichnungen in der Netzplantechnik“ mit dem Begriffsproblem befassten, weil sie das Chaos nicht länger hinnehmen wollten. Nachdem zwei Jahre später die ersten Listen mit Definitionen auf dem Tisch lagen, beschloss man, gleich Nägel mit Köpfen zu machen. Man wandte sich an das DIN, das damals noch DNA, also Deutscher Normenausschuss hieß, und schlug eine Begriffsnorm für Netzplantechnik vor. Nach der Zustimmung wurde 1967 die oben genannte AKOR-Arbeitsgruppe in Personalunion auch zum „Ausschuss für Netzplantechnik im DNA“. Da unsere deutschsprachigen Nachbarn Österreich und Schweiz sich ebenfalls für dieses Thema interessierten, arbeiteten Vertreter dieser beiden Länder direkt im deutschen Normenausschuss mit. Sogar zur damaligen DDR bestanden Kontakte. FastjederAutoroderÜbersetzerhatteden Ehrgeiz,andereBenennungenzuerfinden 1970 erschien das Normblatt DIN 69900 „Netzplantechnik, Begriffe“. Weil damals die meisten Netzpläne noch von Hand gezeichnet wurden (meist am Reißbrett), brachte der Normenausschuss 1974 als weitere Hilfestellung für den Anwender das Normblatt DIN 69900 Teil 2 „Netzplantechnik, Darstellungstechnik“ heraus. Gleichzeitig wurde nun die vorher entwickelte Begriffsnorm in DIN 69900 Teil 1 umbenannt. Inzwischen war als Sammelbegriff für Projektplanung und -steuerung sowie dazugehörige Gebiete die Benennung „Projektmanagement“ aufgekommen, wobei die Netzplantechnik nur eine von mehreren Möglichkeiten der Terminplanung war. Also nahm der Normenausschuss aus der DIN 69900 Teil 1 diejenigen Begriffe heraus, die nicht unmittelbar zur Netzplantechnik gehörten, ergänzte sie um weitere Begriffe und veröffentlichte sie 1980 als DIN 69901 „Projektmanagement, Begriffe“. Als Obertitel für die drei nun vorhandenen Normblätter wurde „Projektwirtschaft“ gewählt. Jetzt gab es noch zwei Bereiche, die mit einigen wenigen Begriffen in diese neue Norm gewandert waren, Projektmanagement-Normung inDeutschland Wieallesbegann-undwowirheutesind GernotWaschek DiedeutscheProjektmanagement-Normungbegann1965undistauchheutenochnicht abgeschlossen.DerBeitragschildertihreEntwicklungvondenAnfängenbiszurGegenwartunddieRollederGPM. projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd37 20.12.200517: 10: 31Uhr 38 WISSEN aber eine ausführlichere Darstellung verdienten: die Kosten- und die Einsatzmittelplanung. Dafür entwickelte man mit entsprechenden Ergänzungen die Normen DIN 69902 „Einsatzmittel“ und DIN 69903 „Kosten und Leistung, Finanzmittel“. Weil nun die dazu verwendeten Begriffe aus DIN 69901 entfernt werden mussten, wurden auch DIN 69900 Teil 1 und Teil 2 überarbeitet und alle fünf aufeinander abgestimmten Normblätter 1987 gleichzeitig herausgebracht. Damit konnte die Hauptarbeit der deutschen Projektmanagement-Normung als abgeschlossen betrachtet werden. Es gab dann aber später doch noch zwei Ergänzungen (mit unveränderter Beibehaltung von DIN 69900 bis 69903): 1990 die Norm DIN 69905 „Projektabwicklung, Begriffe“, die 1997 noch einmal wesentlich erweitert wurde, und 2000 die Norm DIN 69904 „Projektmanagementsysteme, Elemente und Strukturen“ (Abb. 1). 3 OrganisatorischeEntwicklung Daneben ereigneten sich auch wichtige organisatorische Veränderungen: Beim DIN war aus dem „Ausschuss für Netzplantechnik“ (AfN) in den Siebzigerjahren der „Ausschuss für Netzplantechnik und Projektmanagement“ (ANPM) geworden, wobei aus historischen Gründen die Netzplantechnik im Titel beibehalten wurde. 1994 wurde bei einer Rationalisierungswelle in der DIN-Organisation der ANPM dem „Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen“ (NQSZ) zugeschlagen. Der Wunsch, in dessen Titel auch das Wörtchen „Projektmanagement“ mit aufzunehmen, wurde wegen Überlänge abgelehnt. Aber in der neuen Bezeichnung des ehemaligen ANPM blieb es natürlich erhalten. Er wird seit der Neuzuordnung als „Arbeitsausschuss Netzplantechnik und Projektmanagement“ (NQSZ-4) geführt. Mit der GPM wurde seit ihrer Gründung 1979 immer enger Kontakt gehalten. Die Mehrzahl der Ausschussmitarbeiter und der Obmann waren ohnehin GPM-Mitglieder. Die Verbindung wurde noch enger, nachdem sich der Normenausschuss vom AKOR (inzwischen DGOR Deutsche Gesellschaft für Operations Research) gelöst hatte. Die GPM sorgte auch ständig für die Verbreitung der Normanwendung, indem sie unter anderem den Verfassern des Handbuchs „Projektmanagement Fachmann“, Trainern und Referenten die genormten Benennungen und Definitionen empfahl. Zur stärkeren Unterstützung der Normung schon während der Entwicklung wurde Jahre 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 _______________________________________________________________________________________________ DIN 69900-1 E------------Ü-------------------Ü----------------------Ü-------------------------------------------------- Netzplantechnik DIN 69900-2 E------------------Ü----------------------Ü--------------------------------------------------- Netzplantechnik DIN 69901 E----------------------Ü--------------------------------------------------- Projektmanagement DIN 69902 E--------------------------------------------------- Einsatzmittel DIN 69903 E--------------------------------------------------- Kosten und Leistung, Finanzmittel DIN 69904 E--- Projektmanagementsysteme DIN 69905 E-----------------------Ü--------------- Projektabwicklung Legende: E = erste Ausgabe Ü = überarbeitete Ausgabe Abb.1: ErscheinungsjahrederNormblätter DIN Präsidium GPM Gesamtvorstand Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statitstik und Zertifizierungsgrundlagen NQSZ Arbeitsausschuss Zertifizierungsgrundlagen NQSZ-3 Arbeitsausschuss Netzplantechnik und Projektmanagement NQSZ-4 Arbeitsausschuss Qualitätsmanagement NQSZ-1 Arbeitsausschuss Statistik NQSZ-2 Vorstand Projektmanagement- F & E und Facharbeit Weitere Fachgruppen Fachgruppe Projektmanagement- Normung Abb.2: EinbettungderPM-NormungindieDIN-undGPM- Organisation aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd38 20.12.200517: 10: 32Uhr 39 eine eigene Fachgruppe „Projektmanagement- Normung“ eingerichtet (Abb. 2). Diese GPM-Fachgruppe arbeitet seit kurzem an einer Neustrukturierung der bisher sieben Normblätter. Das Ergebnis wird dann an das DIN zur Veröffentlichung als DIN 69901 „Projektmanagementsysteme“ eingereicht werden und aus voraussichtlich fünf Teilen bestehen. Der Ersatz des Titels „Projektmanagement“ durch „Projektmanagementsysteme“ geschieht analog zur Namensänderung bei den Normen der Familie ISO 9000, wo aus dem früheren Titel „Qualitätsmanagement“ inzwischen ebenfalls „Qualitätsmanagementsysteme“ wurden. Auch bei dieser Überarbeitung ist der übliche Ablauf für Normungsprojekte einzuhalten (Abb. 3). 4 HeutigerStand Bis zum Erscheinen der neuen Norm gelten aber weiterhin die sieben Normblätter DIN 69900-69905. Sie sind erst kürzlich unter dem Titel „DIN Normen im Projektmanagement“ in einer Sammelausgabe erschienen. Dort wurden folgende redaktionelle Beiträge vorangestellt: ❏ Gernot Waschek: Deutsche Normen im Projektmanagement ❏ Klaus J. Bechler: Kommunikation im Projekt ❏ Joachim C. Ohlig: Projektsprache und Projekterfolg ❏ Dr. Dietmar Lange: Projektcontrolling im Wandel ❏ Dr. Dieter Coy: Die Vereinfachung von Projektabwicklungen durch Modellierung der Projektabläufe auf der Basis der DIN 69904 ❏ Manfred Saynisch: Die Praxis des Konfigurationsmanagement Wer alle Projektmanagement-Normen besitzen möchte, die in Deutschland gültig sind, braucht als Ergänzung zu diesem Buch nur noch die ISO 10006 entweder als englischsprachige Original-Ausgabe „ISO 10006, Quality management systems - Guidelines for quality management in projects (2003)“ oder als deutsche Übersetzung „DIN-Fachbericht ISO 10006, Qualitätsmanagementsysteme - Leitfaden für Qualitätsmanagement in Projekten (2004)“. Beide Veröffentlichungen sind vom Beuth- Verlag, Berlin, zu beziehen. Der Preis für den DIN-Fachbericht beträgt 39,50 EUR, der Preis für die englischsprachige Ausgabe ist zu erfragen, liegt aber sicherlich höher. ISO 10006 ist zwar genau genommen keine Projektmanagement-, sondern als Bestandteil der Familie ISO 9000 eine Qualitätsmanagement-Norm. Aber wer ein Qualitätszertifikat nach ISO 9001 anstrebt, das auch Projektmanagement-Prozesse mit einschließt, sollte sich danach richten. Und auch für andere Projektmanagement-Anwender gilt: Der Leitfaden gibt handfeste Empfehlungen für qualitativ „gutes“ Projektmanagement - und wer möchte das nicht haben? ■ Schlagwörter DIN,ISO,Netzplantechnik,Normung,Projektmanagementsysteme Autor Dipl.-Ing.GernotWaschek, geb.1935; Einführungder Netzplantechnikbeider RobertBoschGmbH; dann beiderLufthansaAGin FrankfurtimEDV-Bereich: AufbaueinerStabsstelle fürTermineundKosten, ProjektleiterMIS,AbteilungsleiterSoftware- Entwicklung; danebenGründungsmitgliedund LeiterNormenausschuss„NPTundPM“imDIN, MitverfasserISO10006,GPM-Fachgruppenleiter „PM-Normung“,GPM-Fachgruppenleiter„PM- AssessmentsmitPMDELTA“,GPM-RegionalgruppenleiterFrankfurt. Anschrift ProjektmanagementberatungWaschek Westendstr.7a D-63322Rödermark Tel.: 06074/ 922323 Fax: 06074/ 922324 E-Mail: gernotwaschek@t-online.de So genannte „interessierte Kreise“ wenden sich an das DIN und schlagen eine neue Norm vor Ausschuss erarbeitet Manuskript für einen Normentwurf Druck und Veröffentlichung Normentwurf durch Beuth-Verlag Stellungnahmen zum Normentwurf durch Leser (gemäß Einspruchsfrist) Normenprüfstelle prüft erneut und stimmt bei Bedarf ab, DIN erstellt Druckvorlage Druck und Veröffentlichung der Endfassung durch Beuth-Verlag Manuskript wird von Normenprüfstelle inhaltlich (Abstimmungsbedarf mit anderen Ausschüssen? Überlappungen mit anderen Normen? ) und redaktionell (Einhaltung der DIN-Regeln) überprüft, Ergebnis mit Ausschuss abgestimmt, DIN erstellt Druckvorlage DIN prüft (nach Zustimmung), Thema zu einem vorhandenen Ausschuss passt oder eine Neugründung erforderlich ist Ausschuss überarbeitet Normentwurf unter Berücksichtigung der Stellungnahmen, erstellt Manuskript für Endfassung Abb.3: ProjektablaufbeiderNormung € 2��� projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd39 20.12.200517: 10: 35Uhr 40 WISSEN 1 Überblick Claim(s)-Management gilt als eine Organisationsform zur Risikobegrenzung und Ergebnisoptimierung [4, S. 5], die aus dem Industrieanlagengeschäft kaum mehr wegzudenken ist [5, S. 1]. Als eigenständige, in der Abwicklung von komplexen Langzeitverträgen beheimatete Management-Disziplin hat Claim-Management allein in den USA eine ca. 20-jährige Tradition [6, S. 4]. Im deutschsprachigen juristischen Schrifttum wurde das Thema bislang kaum behandelt [6, S. 7]. In der Praxis hingegen, vor allem im international geprägten deutschen Anlagenbau, findet es eine höhere Beachtung (vgl. die instruktive Schrift von Kühnel und Pinnels [7]). Gegenstand des Anlagengeschäfts oder juristisch gewendet des Industrieanlagenvertrags sind neben Kraftwerksanlagen selbstverständlich auch Metrolinien und U-Bahnen des Personennahverkehrs [8]. Claim-Management berührt wie kaum eine andere Managementdisziplin die Wurzeln des traditionellen westeuropäischen Rechtsverständnisses. Juristen müssen deshalb nicht um ihre berufliche Existenz bangen, wohl aber um die Möglichkeit gestalterischer Einflussnahme im operativen Projektalltag, sollten sie das machtvoll in die Unternehmen drängende „Claim- Management“ ignorieren. Das Phänomen Claim-Management verdient zu Recht, insbesondere von juristischer Seite, Aufmerksamkeit; es ist in Deutschland längst nicht in allen Wirtschaftszweigen bekannt, und allein diese Tatsache mag eine Betrachtung rechtfertigen. Es wird zumeist als Bestandteil des Projektmanagements mit Bezügen zum Riskmanagement und Controlling verstanden, dann aber auch dem Vertragsmanagement [9] zugeordnet und in der wissenschaftlichen Diskussion - soweit ersichtlich - überwiegend von der Betriebswirtschaft vereinnahmt. Claim- Management ist aber nicht nur ein Instrument im internen Unternehmensprozess, mit dem ökonomische Ziele auf der Basis einer klar definierten und angewandten Dokumentationspolitik erreicht werden können. Es zwingt zudem zu neuen Ansätzen bei Streitvermeidungs- und Streitschlichtungsstrategien, und zugleich wird durch Claim-Management ein steigender Bedarf an Instrumenten der außergerichtlichen Streitbeilegung erkannt (sehr instruktiv [10, S. 685, 693]). Betriebswirtschaftliche Analysen treffen im Claim-Management auf tiefer liegende systemtheoretische Überlegungen zum Vertragsrecht. Die in der US-amerikanischen Rechtssoziologie beschriebenen so genannten relationellen Verträge erschließen sich der konfuzianisch geprägten asiatischen Mentalität wesentlich eher als der am römischrechtlichen Aktionensystem geschulten kontinentaleuropäischen Juristenschaft. Prozess-undErgebnisoptimierungdurchClaim-Management EineConditiosinequanonimAnlagengeschäft? WinfriedHuck „InderRanglistedergroßenKundenländernimmtChinaunangefochtendieSpitzenpositionein.ImJahr2003bestelltenKundenausderVolksrepublikwieschoninderVorperiode AnlagenimWertvon1,4Mrd.Euro[1,S.9,14].ChinableibtderwichtigsteMarktfürden deutschenGroßanlagenbau.MitüberdenZeitraumderletztenzehnJahrekumulierten BuchungenvonüberachtMrd.EuroistdieVolksrepubliknochvordenUSA(6,9Mrd.Euro) undderGUS(4,6Mrd.Euro)derbedeutendsteKundedervergangenenDekade“[2,S.13]. „WichtigsterEinzelmarktwarimJahr2004China.DieBestellungenderVolksrepubliklagen bei2,4Mrd.Euro,waseinemZuwachsum75Prozentgegenüber2003entspricht“[3,S.20]. BeidiesemArtikelhandeltessichumdieüberarbeiteteFassungeinesVortrags,gehalten am16.Oktober2003amChinesisch-DeutschenHochschulkolleganderTongji-Universität, Shanghai,währenddes2.deutsch-chinesischenWirtschaftsrechtssymposiums. BearbeitungvonClaims aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd40 20.12.200517: 10: 37Uhr 41 2 TheoretischeGrundlagen 2.1 VertragsrelevantesAnwendungsfelddes Claim-Managements Ein spezielles Anwendungsfeld für das Claim-Management ist der Industrieanlagenvertrag (vgl. nur [11], [12, S. 7] und [13, S. 455 ff.]), mit dem sich die Juristen in Deutschland zumeist in der Form der Erstellung einer schlüsselfertigen (vgl. hierzu [14, S. 544 ff.]) Anlage (Turn-Key) beschäftigen ([15, S. 29], [16, S. 13 ff.], grundlegend: [17, S. 1126-1135]). In der Rechtsprechung des BGH findet sich lediglich ein Beleg zur Rechtsnatur des Anlagenvertrags [18, S. 441]. Komplexität und Vielschichtigkeit des Vertragstyps lassen eine eindeutige Zuordnung zu den im deutschen BGB geregelten Vertragstypen nicht zu. Aufgrund der Komplexität und der sich damit ergebenden Störanfälligkeit sind in besonderem Maße Mitwirkungs-, Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten erforderlich. 2.2 DerBegriffdesClaims Eine einheitliche Definition dessen, was ein Claim ist oder sein Wesen deskriptiv erläutert, liegt nicht vor. Auch die für die Abfassung von Anlagenverträgen oft herangezogenen Mustervertragstypen der FIDIC [19] definieren den Begriff Claim im Gegensatz zu anderen Vertragstermini nicht. Jüngst wurden in einer betriebswissenschaftlichen Dissertation 38 Definitionen des Begriffs Claim gezählt [6, S. 109 ff.]. Aller Unterschiedlichkeit zum Trotz besteht im Ergebnis gleichwohl Einigkeit: Claims sind in einem vertragsrelevanten Sachverhalt wurzelnde Forderungen, Gestaltungsrechte oder Einwendungen, die in zeitlicher, finanzieller oder sachlicher Hinsicht vertragsrelevant sind oder es werden können. Charakteristischerweise treten sie nach Abschluss eines Vertrags auf [20]. Das besondere Charakteristikum liegt hier in einer signifikanten Abweichung der vom Vertrag vorausgesetzten Pflichten oder Handlungen begründet. Claims werden in der Praxis aber nicht nur als neutrale Bezeichnung verstanden; allzu oft entsteht mit dem „Stellen eines Claims“ der Eindruck einer Kampfansage. Dennoch: „Claims need not to be a fighting word“ ([6, S. 125 f.] unter Hinweis auf die amerikanische Literatur). Gleichwohl sind es in der Praxis oft genug „Disputes Claims“, die in einem zumeist konfliktbeladenen Projektumfeld verhandelt werden ([6, S. 125 f.] mit weiteren Nachweisen; der Autor meint, dass der Terminus „Disputes Claims“ präziser als der traditionelle Begriff „Claims“ sei). Im deutschen Recht wird Claim-Management vor allem im Zusammenhang mit Nachforderungen im VOB/ B-Vertrag diskutiert [21]. 2.3 DerBegriffdesClaim-Managements Claim-Management stellt die Summe aller Maßnahmen dar, um vertragliche Ansprüche gegenüber einem Vertragspartner (Kunde, Lieferant, Konsortialpartner) durchzusetzen (aktives Claim-Management) oder unberechtigte Forderungen abzuwehren (defensives Claim Management) [10, S. 685, 687 f.], [22, S. 26]. Claim-Managementsysteme sind in international operierenden Unternehmen weit verbreitet [10, S. 687], [6, S. 156, 157], aber auch nicht überall: Mitunter gelten Claims als etwas „Unfeines“, dessen Anwendung aus Gründen der Kundenbindungspolitik unterbleibt [5]. Die hohe technische Kompetenz des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus, so heißt es, bestehe gerade darin, die sich ändernden Kundenwünsche während des Vertragslaufes technisch optimal zu lösen. Dass es sich hierbei um entgeltpflichtige (Zusatz-)Leistungen handele, werde - wenn überhaupt - nur in zweiter Linie bemerkt [5]. Der Begriff Claim-Management hat sich noch nicht vollständig durchgesetzt; synonym werden die Begriffe Änderungsmanagement, Nachtragsmanagement, Entitlemanagement und Change Order Management verwandt. Sachliche Unterschiede sind nicht vorhanden [10, S. 685, 692, Fn. 11]. Mit Blick auf den kooperativen Charakter des komplexen Langzeitvertrags wird vernünftigerweise ziel- und ergebnisorientiert versucht, den strittigen Claim im Wege einer Vertragsänderung durch eine so genannte Change Order [23], das heißt durch ein vertraglich vorgesehenes Änderungsverfahren zu neutralisieren [4, S. 5]. Gelingt dieser praxisnahe und ökonomisch jedem Streit überlegene Ansatz ausgleichender Verhandlung, wird die vertragsstörende Distanz auf ein vertragskonformes Einvernehmen zurückgeführt. projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd41 20.12.200517: 10: 38Uhr 42 WISSEN 2.4 WissenschaftlicheAufarbeitungdesClaim- Managements-Standortbestimmung Zu Recht wird ein besonderes Gewicht auf die systemtheoretischen Ansätze zur Analyse des Vertragsrechts gelegt, das für ein vertieftes Verständnis des Claim-Managements und dessen Zusammenhänge förderlich ist (vgl. hierzu [16, S. 14 ff.], [15, S. 63 ff.], [24, S. 45] jeweils mit zahlreichen Nachweisen). In der Betriebswirtschaft stehen in der auf Williamson zurückgehenden Lehre der neuen Institutionenökonomik [26, S. 30] unter anderem drei vertragstheoretische Modelle [15, S. 63 ff.], [6, S. 185] im Mittelpunkt [27]. Für das Verständnis des Claim-Managements und die daran anschließenden Modellüberlegungen zur Streitschlichtung sind die vertragstheoretischen Ansätze zum a) klassischen Vertragsrecht, b) neo-klassischen Vertragsrecht und c) zum relationellen Vertragsrecht von Bedeutung. Der klassische Vertrag ist umfassend und vollständig formuliert. Beginn und Ende sind exakt fixiert, Leistungen und Gegenleistungen klar festgelegt. Die Beziehungsintensität ist gering. Ein punktueller Leistungsaustausch steht im Vordergrund. Das neoklassische Vertragsrecht ist als eine Weiterentwicklung des klassischen Vertragsrechtes zu verstehen. Dem kurzfristigen und einmaligen Leistungsaustausch wird die längerfristig angelegte Beziehung hinzugefügt. Das dauerhafte Moment der längerfristigen Beziehung kann Unsicherheiten erzeugen. Veränderungen von Rahmenbedingungen sorgen in „Long-term Economic Relations“ für Überraschungen. Das Musterbeispiel sind Dauerschuldverhältnisse. Vertragsbeziehungen innerhalb komplexer Langzeitverträge, wie bei dem Industrieanlagenvertrag, fanden vor allem in den USA eine starke wissenschaftliche Beachtung. Nach der von Ian R. Macneil und Macaulay entwickelten Idee des „Relational Contract“ ergeben sich die Verpflichtungen nicht zuerst und ausschließlich aus einem Vertrag, sondern aus einer Vielzahl sonstiger in den Sozialbeziehungen wurzelnder Verpflichtungselemente [16, S. 14]. Leistungspflichten sind weitgehend diffus und werden nach Bedarf und in gegenseitigem Einvernehmen konkretisiert [16]. Verträge besitzen einen Rahmencharakter. Konflikte werden deshalb gelöst, weil eine enge soziale Bindung die Motivation zur Fortsetzung der bestehenden Beziehung liefert. Einvernehmliche Konfliktlösungen genießen gegenüber streitigen Entscheidungen eindeutig Vorrang. In Abkehr von möglichst detaillierten und vertraglichen Sicherungen, die durchaus, weil zu eng gefasst, kontraproduktiv wirken können, werden offene, unscharfe Regelungen bevorzugt. Das bewusste Offenhalten durch Lücken im Vertragssystem ermöglicht den Partnern, den aktuellen Handlungsrahmen durch spezielle Arrangements auszufüllen [6, S. 242]. Hiermit wird ein Regelungsmodell eröffnet, über dessen Ausformung die Parteien aus gegebenem Anlass entscheiden können. Persönliche Beziehungen, intensive Kommunikation, Sicherheit oder Wohlempfinden sind prägende Merkmale der relationellen Vertragsbeziehung. Das Commitment zu der Vertragsbeziehung spielt eine entscheidende Rolle. Probleme in einer derartigen Vertragsbeziehung werden durch direkte Gespräche und Verhandlungen zwischen den Beteiligten gelöst, Gerichte ungern eingeschaltet. Bedeutender als die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens ist die erhebliche Belastung der Atmosphäre zwischen den Vertragspartnern durch ein notgedrungen streitiges Verfahren und das „Aus-der-Hand-Geben“, die Übertragung der Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über den Vertragsgegenstand an Dritte [15, S. 63 ff.]. Abweichungen und Änderungen des Vertrags selbst sind mit zunehmender Komplexität eines Vertrags und zunehmender Dauer unausweichlich [6, S. 8-9]. Im Kern enthält die Theorie des relationellen Vertrags für den Industrieanlagenvertrag eine richtige und - von der ständigen Praxis bestätigte - Schlussfolgerung: Das auf Anspruch und Durchsetzbarkeit gerichtete nationale Zivilrechtssystem wird bei internationalen langfristigen Verträgen durch ein „weicheres“ System ersetzt, das flexible Anpassungs- und Konfliktlösungsmöglichkeiten bereithält [28]. Im Mittelpunkt relationeller Vertragsbeziehungen steht das Vertrauen, dessen hohe Bedeutung für Transaktionen in der Betriebswirtschaft zunehmend erkannt wird ([6, S. 207] mit weiteren Nachweisen). 2.5 VertragstheoretischeModelleinder Wirklichkeit? Der als relationell beschriebene theoretische Vertragstyp findet eine kulturelle Entsprechung in chinesischen Konfliktlösungsmodellen so, wie sie in Deutschland beschrieben werden. Die Bindung an Personen, das „Ziehen von Beziehungsfäden“ [30, S. 171] und der Wert zwischenmenschlicher Beziehungen prägen Konfliktlösungsstrategien. Die Andersartigkeit gegenüber einer zivilen, auf Anspruch, Einwendung und formaler staatlicher Durchsetzung gegründeten Rechtsordnung wird in Sprüchen wie „Der Edle kennt keinen Streit“ erkennbar. Wessen Lebensmaxime die gegenseitige Rücksichtnahme [31] ist, vermeidet die kontradiktorische gerichtliche Auseinandersetzung. Geöffnet wird das Tor zu einem außerprozessualen autonomen Verhandlungsraum, in dem über „freundschaftliche Verhandlungen“ [30, S. 128] ein Konsens erzielbar und in der Regel ein Streit vermeidbar sein kann. Selbstregulierung geht insoweit vor staatlicher verordneter Regulierung, Selbstverantwortung vor Verantwortungsdelegation. Die hohe Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit in China wird insoweit verständlich. 2.6 KulturelleEinflüsseaufAkzeptanzund UmsetzungdesClaim-Managements Das Verständnis um kulturelle Einflüsse vermag dazu beitragen, Konfliktpotential innerhalb des Claims in einer komplexen Vertragsbeziehung zu reduzieren. Hofstede, ein holländischer Organisationsanthropologe, unterscheidet fünf kulturelle Dimensionen [32]. Von besonderem Interesse ist die Dimension der Unsicherheitsvermeidung. In romanischen Ländern (Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, aber auch Deutschland) ist das Streben nach Vermeidung von Unsicherheit besonders stark ausgeprägt, während dieses Streben in vielen asiatischen Ländern (außerhalb Japans) deutlich geringer ausgeprägt sei. Je stärker die Tendenz zur Vermeidung von Unsicherheit verbreitet ist, desto eher wird die Neiaktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd42 20.12.200517: 10: 38Uhr 43 gung bestehen, „Dispute Claims“ zu stellen und umgekehrt. Für China gilt zurzeit, dass die „Uncertainty Avoidance“ eher schwach ausgeprägt ist [33, S. 163, 165]. Diese Untersuchung kann für die Verhandlungsphasen innerhalb des Claim-Managements durchaus weiterführende Ansätze liefern. 2.7 Mediation,Schiedsgerichtsbarkeit Die nicht nur theoretische Konfliktträchtigkeit von Claims verweist auf traditionelle Konzepte zur Lösung von Streitigkeiten und Claims: 1. Gerichtlicher Klageweg (Litigation), 2. Schiedsgerichte (Arbitration), 3. Vermittlung durch neutrale Dritte bzw. Mediation oder 4. direkte Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern (Negotiation) [6, S. 169]. Schiedsgerichtsverfahren gelten im Claim-Management nicht unbedingt als die bevorzugte Lösung ([16, S. 15], verweist auf langwierige und kostenintensive Schiedsgerichtsverfahren in den USA). Im Gegenteil: Es bestehe Einigkeit in der Industrie, dass Konfliktlösungen über Schiedsgerichte oder ordentliche Gerichte der „falsche Weg“ seien ([10, S. 685]; „zweitschlechteste Methode“, so [6, S. 170-171]). Die Wirtschaft benötigt neue ADR-Instrumente (Alternative Dispute Resolutions/ Außergerichtliche Streitbeilegung) (zum Ganzen vgl. [15, S. 171 ff.]; [16]) in Anbetracht der in der Praxis mit einem Wettrüsten vergleichbaren Claimsituation, die andere Antworten verlange, als sie die klassischen Instrumente (Schiedsgerichtsverfahren) zurzeit anzubieten haben [10, S. 688]. Welche Form der Wirtschaftsmediation sich durchsetzt, werde die Zukunft zeigen [10, S. 692]. Direkte Verhandlungen und Vermittlungen durch neutrale Dritte (Negotiation und Mediation) sind in jedem Fall die Basiskonzepte für ein erfolgreiches Claim-Management. Es ist daher richtig, dass das Claim-Management vor allem als ein „Negotiatingtool“ und weniger als „Kampfansage“ verstanden wird. Das Ziel im Claim-Management ist eine „Win-win-Situation“, die der Interessenlage beider Parteien optimal entspricht. Die Chance allerdings, eine „Winwin-Situation“ zu erreichen, wird in der Praxis eher pessimistisch beurteilt ([10, S. 688], im Claim-Management nur ausnahmsweise Raum für Win-win-Lösungen). Von Juristen werden kreative, innovative und vertragsstabilisierende Lösungsstrategien verlangt, die eine Abkehr von folgender Einschätzung ermöglichen: „You can settle any dispute if you keep the lawyers and accountants out of it. They do not understand the give-and-take needed in business“ [6, S. 244]. und „The first thing we do, let’s kill all the lawyers.” Henry VI, Part 2, William Shakespeare. 3 Praxis 3.1 GründefürdieAnwendbarkeitdesClaim- Managements Die Projektverantwortlichen, belastet mit einem enormen Kostendruck aufgrund des intensiven Wettbewerbs, sehen in der Praxis kaum eine Chance, Ansprüche aus Vertragsstörungen frühzeitig durch einen vernünftigen Kompromiss zu regeln [34, S. 25]. Jahrzehntelang wurde der „Industriekompromiss 50/ 50“ zur Lösung streitiger Verfahren angewandt; selten hingegen waren Gerichts- oder Schiedsverfahren. Von solchen Kompromissen ist heute keine Rede mehr [10, S. 687]. Heute gelten Verhandlungen, die auf eine Einigung gerichtet sind, als schwer erreichbar, was unter anderem auf Kostendruck, Umstrukturierungen und damit einhergehendes fehlendes Vertrauen zwischen den handelnden Personen in den Unternehmen zurückzuführen sei [10]. Aufschluss darüber, welche Gründe zu einem Claim führen, gibt eine 1995 veröffentlichte Studie, in der 100 große Unternehmen nach den Ursachen des Konfliktpotentials im Anlagengeschäft befragt wurden ([6, S. 129-131] mit weiteren Nachweisen). Die wichtigsten Konflikttreiber sind in der Häufigkeit ihrer Nennung: 1. Hinauszögern von Veränderungen (79 %), 2. Änderungswünsche des Auftraggebers, die den Arbeitsfluss des Auftragnehmers stören (69 %), 3. unpräzise Verträge (54 %), 4. unzureichende Kommunikation zwischen den Vertragsbeteiligten (52 %), 5. zu billige bzw. zu unqualifizierte Anbieter (51 %), 6. Vertragsvereinbarungen, die Vertragsrisiken unangemessen verteilen (50 %), 7. Auftraggeber beschneiden die Kosten der Planung, ohne die Risiken zu akzeptieren (45 %), 8. Management, Koordination und Überwachung des Auftraggebers sind unangemessen (37 %), 9. Auftraggeber erwarten realitätsferne perfekte Pläne (34 %), 10. fehlender Teamgeist und mangelnde Kollegialität (31 %), 11. Geschäftsstrategien bauen auf Claims und einer Drohung mit Gerichtsverfahren (23 %), 12. Auftraggeber haben keine gesicherte Finanzierung (22 %), 13. prozessierende Grundhaltung einzelner oder sämtlicher Projektbeteiligten (12 %), 14. keine Vereinbarung von Verfahren zur Lösung von Konflikten außerhalb von Gerichten (12 %), 15. Abwehrhaltung und mangelnder Wille zur Konfliktlösung (9 %), 16. Rechtsanwälte (9 %) ([6, S. 130] unter Hinweis auf die Studie von Diekmann/ Girad [35, S. 3-11]). 3.2 UrsachenundVermeidungvonClaims Claims entstehen durch vielfältige Ursachen. So provoziert zum Beispiel eine harsche Vertragssprache regelmäßig Claims [6, S. 157]. Ziel einer Prozessoptimierung, die sich später in einer Ergebnisoptimierung zeigt, ist die Minimierung von Streitigkeiten und im Ergebnis auch die Streitbeilegung [36, S. 25]. Hierzu werden aus der Praxis zum Beispiel folgende Maßnahmen empfohlen: Erzeugung von Teambewusstsein und partnerschaftlichem Denken, Verfügbarkeit aller projektrelevanten Informationen, vertragliche Festlegung von Kommunikationspflicht und Reaktionszeiten, vertragliche Bestimmung von Streitbeilegungsmechanismen für alle Projektbeteiligten, vertragliche Festlegung der Qualitätssicherung, Streitvermeidung durch spezielle Kalkulationsmethoden [36, S. 28]. Es kommt darauf an, Netzwerke [37], Beziehungsfäden zwischen den Vertragsparteien zu knüpfen. projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd43 20.12.200517: 10: 39Uhr 44 WISSEN Im Mittelpunkt steht das Vertrauen der Vertragspartner, das nur dann eine Chance hat, wenn das Streben nach Unsicherheitsvermeidung nicht zu stark betont wird. 3.3 AktivesunddefensivesClaim-Management Die Aufgabe des aktiven bzw. defensiven Claim-Managements besteht darin, Abweichungen zwischen den vertraglichen Regelungen und dem tatsächlichen Verlauf des Vertrags festzustellen, um derartige Ansprüche geltend zu machen bzw. abzuwehren. Ursachen, die zu einem aktiven Claim-Management führen, sind zum Beispiel: ❏ Auftraggeber reduziert den Leistungsumfang aufgrund von Budgetkürzungen der vorgesetzten Regierungsstelle (zu weiteren Beispielen [4, S. 12]), ❏ verspätete behördliche Genehmigungen, ❏ verspätete Bereitstellung von Baugelände, Zufahrt, Lageplatz, Wasser, Strom, ❏ Änderung der Rechtslage im Hinblick auf Sicherheit, Arbeitszeit, Umweltschutz und Lärm, ❏ Art und Güte des Baugrundes oder unzureichende Baugrunduntersuchungen, ❏ Behinderungen wie schlechtes Wetter, Hochwasser [36, S. 38], aber auch nicht zu beeinflussende Änderungen der Rahmenbedingungen, wie ❏ willkürlicher Baustellenzugang im Ausland, ❏ Zweifelsfälle der höheren Gewalt wie SARS, ❏ drohende Zahlungsunfähigkeit eines Kunden, ❏ Ausfall von Schlüssellieferanten, ❏ sprachliche und kulturelle Probleme [38, S. 30]. 3.4 SchleichendeClaimereignisse Darüber hinaus gibt es schleichende Claimereignisse, die durch einen erhöhten Einsatz von Produktionsfaktoren festgestellt werden können. Hierzu gehören zum Beispiel Leistungsminderungen durch Engstellen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen bei Baustelleneinfahrten oder eine hohe Zahl kleiner Planungsänderungen und Änderungsaufträge. [36, S. 38-39] 4 VoraussetzungenfürOptimierungen 4.1 Dokumentation Ohne eine sachgerechte, umfassende, das Projekt begleitende Dokumentation können weder aktive Claims geltend gemacht noch kann ein Claim abgewehrt werden [21, S. 121 ff.], [39, S. 26 f.]. Etwaige Mehrkosten oder Nachforderungen sind nachvollziehbar, glaubhaft, plausibel und entsprechend den Grundlagen für die Preisermittlung darzustellen [36, S. 39 ff.]. Die Dokumentation ist das Fundament für ein erfolgreiches, in den Prozessablauf integriertes Claim-Management. Eine „alte“ Claim- Manager-Regel besagt: „Ist der Claim nicht gut genug für den Richter, ist er auch nicht gut genug für den Kunden.“ Wenn es ein Geheimnis gebe, wie man Claims erfolgreich geltend mache, dann sei es dieses [40, S. 35]. 4.2 ProzessoptimierungdurchClaimManagement Das Ziel der Vertragsabwicklung besteht darin, das prognostizierte Geschäftsergebnis zu erreichen und es - soweit möglich - zu optimieren. Claim-Management kann dazu beitragen. Das Vorhaben unterliegt im zeitlichen Verlauf der Kontrolle; Ursachen und Wirkungsbeziehungen werden erfasst und beschrieben und Risikoabschätzungen vorgenommen [38, S. 30]. Der Vertragspartner erhält im Übrigen die Chance einer Co-Professionalisierung: Sein Qualitätsniveau wird sich aufgrund optimierter Prozesse seines Partners anpassen und verbessern. Prozessoptimierung setzt voraus, dass die Dokumentationspolitik in einem Unternehmen eine höhere Bedeutung erlangt. Die Dokumentation ist folglich eine Conditio sine qua non für ein erfolgreiches Prozessmanagement. Wird sie mit klarer Verantwortlichkeit umgesetzt und angewandt, ist die Optimierung dieses Prozesses (wie auch nachfolgender Vorhaben) erreicht. Nicht nur, dass die Prozessoptimierung herkömmlichen Verfahren eindeutig überlegen sein dürfte, die auf der Dokumentation beruhende Prozessoptimierung ist vor allem die entscheidende Voraussetzung für eine Ergebnisoptimierung. 4.3 Ergebnisoptimierung Claims sind im Projektalltag allgegenwärtig. Durch ein professionelles und effizientes Claim-Management können erhebliche Optimierungen des Ergebnisses erzielt werden. In der Praxis werden Summen in der Höhe von 8 Mio. Euro, 50 Mio. Euro und schließlich 500 Mio. Euro genannt ([6, S. 133] mit zahlreichen Nachweisen). Untersuchungen im Anlagengeschäft belegen, dass eine konsequente und systematische Nachsteuerung der Abweichungen vom Vertragsverlauf zur Vorbereitung und Umsetzung von Nachforderungen (Nachträgen) eine Ergebnisoptimierung von 10 bis 20 Prozent bei kleinen Anlagen und von ca. 20 bis 30 Prozent bei großen Anlagen betragen könne, jeweils bezogen auf den Wert des Vertragspreises [24, S. 2]. Natürlich kann das Ergebnis nicht nur aktiv durch gestellte Claims optimiert, sondern der Etat auch durch erfolgreich abgewehrte Claims entlastet werden, was zu einer indirekten Optimierung beiträgt. 5 Fazit Claim-Management ist Teil einer ganzheitlichen Strategie. Für diese Strategie sind institutionalisierte Zuständigkeiten in einem Unternehmen erforderlich. Im Tagesgeschäft, gewissermaßen „nebenbei“, ist professionelles Claim-Management wohl kaum zu bewältigen (zum institutionalisierten Claim-Management vgl. [39, S. 29 f.]). Die Dokumentationspolitik wird von sämtlichen Beschäftigen einschließlich der Leitung des Unternehmens als notwendig erkannt und umgesetzt. Wird in einem Unternehmen Claim-Management noch nicht oder nicht vollständig angewandt, sind zunächst folgende Fragen hilfreich: 1. In welcher Höhe konnten Sie zum Beispiel in 2003 gegnerische Claims erfolgreich abwehren, und in welcher Höhe waren Sie gezwungen, gegnerische Nachforderungen zu bezahlen? 2. In welcher Höhe konnten Sie erfolgreich Claims gegenüber Ihren Partnern geltend machen, und in welcher Höhe blieben Ihre Claims erfolglos? 3. In welchen Fällen konnten Sie die selbst gestellten Claims (Eigenclaims) durch Verhandlungen in einen Zusatzauftrag verwandeln. In wie vielen Fällen missaktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd44 20.12.200517: 10: 39Uhr 45 lang die Verhandlung? Können Sie den Anteil der in Zusatzaufträge verwandelten Claims finanziell ausweisen? Mit anderen Worten: Wie gut oder schlecht haben Sie verhandelt? 4. Übersteigen in Antwort 1 die von Ihnen geleisteten Zahlungen den Betrag erfolgreich abgewehrter Claims? 5. Überwogen in Frage 2 erfolglose Claims diejenigen, die erfolgreich durchgesetzt werden konnten? 6. Wenn Sie die Fragen 4 und 5 im Wesentlichen mit „Ja“ beantwortet haben, wären dann die Personalaufwendungen für einen Contract-Manager insgesamt geringer oder höher? 7. Nutzen Sie im Rahmen von Contract-Management spezielle Softwarelösungen inkl. Datenbank zur Dokumentation, Bewertung und spezifischen Analyse direkter und indirekter finanzieller und zeitlicher Folgewirkungen von Vertragsabweichungen während des Vertragslaufs? 8. Werden die Abweichungen einer Risikoanalyse oder Risikoabschätzung unterzogen? 9. Sind Sie über die Kapazitäten Ihrer Vertragspartner zur Abwehr von Claims und die Art und Weise des jeweiligen Vorgehens informiert? Die Neutralisierung des im aktiven oder passiven Claim mitschwingenden Konfliktes kann durch vertragsimmanente Streitschlichtungsmodelle erreicht werden, deren Ziel in einer einvernehmlichen Lösung zu suchen ist (zur praktischen Handhabung von Vertragsklauseln in Vertragscontrolling und Claim-Management vgl. [41, S. 1 ff.]). Ausgangspunkt und Basis für ein wirkungsvolles Claim- Management ist eine angemessene und faire Verteilung der Risiken und Lasten in einem solide erarbeiteten Vertragstext. EDV-gestützte (vgl. hierzu [39, S. 28 f.]), webbasierte Claim-Managementsysteme werden in der Praxis vermehrt zum Einsatz gelangen. Eine in der Praxis vielfach bestätigte Ergebnisoptimierung von 10 bis 30 Prozent gemessen am Auftragswert rechtfertigt den Aufbau qualifizierter organisatorischer Einheiten. Das Personal muss neben Verhandlungsgeschick eine technische und juristische, vor allem eine fundierte Qualifikation im internationalen Vertragsrecht aufweisen; eine Kombination, die bislang auf dem deutschen (Bildungs-)Markt nicht vorhanden ist. Insgesamt ist Claim-Management schon heute bei zahlreichen Unternehmen eine Bedingung, die aus kaufmännischer Sicht nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der ökonomische Erfolg entfiele, und das nicht nur im Maschinen- und Anlagenbau. Epilog „Der Weisheit erster Schritt ist: alles anzuklagen; der letzte: sich mit allem zu vertragen.“ [42] ■ Literatur/ Anmerkungen [1]ArbeitsgemeinschaftGroßanlagenbauimVerbandDeutscherMaschinen-undAnlagenbau(VDMA): GroßanlagenbaudurchweltweitePräsenzerfolgreich.Lagebericht2003, März2004 [2]ArbeitsgemeinschaftGroßanlagenbauimVDMA: GroßanlagenbaustarkimWeltmarkt.Lagebericht2002,März2003 [3]ArbeitsgemeinschaftGroßanlagenbauimVDMA: Rekord imAusland-InvestitionsschwächeimInland.Lagebericht 2004,März2005 [4]Kühnel,Wolfgang: ChangeOrderundClaim,VertragsmanagementimAnlagenbau.1.Aufl.,Frankfurta.M.1998; derselbe: Zeit,VerzögerungundClaim,Frankfurta.M.2004 [5]Essig,Wolfgang: Claimsmanagement-Erfolgreicher UmgangmitNachforderungen.VDMA-NachrichtenClaimsmanagement,Juli2003 [6]Halbleib,Matthias: Claim-Management,EineKonzeption fürdieBeschaffunggroßindustriellerAnlagenalsReferenzobjekteinvestiverKontaktleistungsbündel.Frankfurta.M. 2000; zugl.Stuttgart,Univ.,Diss.,2000 [7]Kühnel,Wolfgang/ Pinnels,James: Projekt,Vertragund Claim.Frankfurta.M.2002 [8]ÜberdasTurn-Key-ProjektschlüsselfertigerBauzweierU-Bahn-LinieninAthenzueinemPauschalpreisvon 2,4Mrd.DMmiteinemKonsortiumvon26(! )UnternehmenberichtetKalenda,Reinhard: BildungundFührung vonKonsortieniminternationalenProjektgeschäft.In: Nicklisch,Fritz(Hrsg.): KonsortienundJoint-Venturesbei Infrastruktur-Projekten: Heidelberg1998,S.5,11f.; ausgleicherQuelle: FlughafenJeddahinSaudiArabienmiteinem Projektvolumenvon14Mrd.DM; ICE-Neubaustreckenmit bisher35Mrd.DM,Tsing-Ma-HängebrückeinHongkong (Projektvolumen1,6Mrd.DM) [9]Vertragsmanagement,oderauchContract-Management,entstammtalsMethodeundInstrumentderenglischenBaupraxis.InteressanterweisewerdeninUK professionelle„QuantitySurveyors“ausgebildet.Von1868 anwareninEnglandfreiberuflicheBeraterinBaukostensacheninderRoyalInstitutionofChartredSurveyorszusammengeschlossen.HeutehatsichhierauseineigenständigerBerufgebildet,derauf-zumeist-freiberuflicherBasis zueinererheblichenEffizienzsteigerungführt,vgl.[4,S.31] [10]Stubbe,Christian: WirtschaftsmediationundClaim- Management.BB2001 [11]Schuhmann,Ralph: HandbuchdesAnlagenvertrags. Düsseldorf2001 [12]Joussen,Peter: DerIndustrieanlagenvertrag.2.Auflage,Heidelberg1996 [13]MichaelisdeVasconcellas,Harald: Dasbesondere VertragsrechtdesAnlagenbaus: AufdemWegzueiner internationalenRechtsvereinheitlichung? RIW1997 [14]Lotz,Burkard: DerBegriff„schlüsselfertig“imAnlagenbau.BB1996 [15]vonOppen,Andreas: DerinternationaleIndustrieanlagenvertrag-Konfliktvermeidungund-erledigungdurch alternativeStreitbeilegungsverfahren.Heidelberg2001; zugl.: Freiburg(Breisgau),Univ.,Diss.,2000 [16]Leonhard,Marc: InternationalerIndustrieanlagenvertrag: KonfliktvermeidungundKonflikterledigung.BB-BeilageNr.9,13(zuBB1999) [17]Graf.v.Westphalen: RechtsproblemedesAnlagenvertrags.BB1971 [18]BGHRIW1982(IranischerSchlachthof): Werklieferungsvertrag,aufdendieVorschriftenüberdenWerkvertragAnwendungfinden.SiehezurDiskussion: [15,S.47f.] [19]FédérationInternationaledesIngénieurs-Conseils (FIDIC) [20]ExemplarischhierzufolgenderProtokollauszug: Auftraggeber: „VorfünfMonatenwolltenwirdieAnlagein Betriebnehmen.JetztsagenSieuns,dassSiemindestens nochzweiweitereMonatefürdieFertigstellungundeinen weiterenMonatfürdieschlüsselfertigeÜbergabebenötigen.DabeiliegenSiebereitsschonjetztsicherlichum 30%überihremKostenlimit.Naja,wenigstensistdasnicht projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd45 20.12.200517: 10: 39Uhr 46 WISSEN auchunserProblem…“Auftragnehmer: „DahabenSienur bedingtRecht.NachVertragsschlusshabenwirdieAnlage gemäßihrenWünschenmindestensfünfmalumgeplant, habentechnischeKomponentengegenfortschrittlichere undsomitteurereKomponentenausgetauscht,und,und, und.DieseKonfigurationsänderungenhabenwirIhnen bislangnichtinRechnunggestellt,umunserelangjährige guteGeschäftsverbindungnichtzustrapazieren.Dawollen SieunstatsächlichdievertraglichvereinbarteKonventionalstrafeundeineSchadensersatzklagewegenverspäteter FertigstellungundGewinnentganganhängen? Soweitich micherinnernkann,konntenwirdochmitderRealisierung des2.Teilprojektserstüber3,5Monateundspäterbeginnen,weildievonIhnenbereitzustellendenUnterlagenund Genehmigungspapierenichtvorgelegtwerdenkonnten. Außerdemgabesdochbeidem3.TeilprojektAbnahmeverzögerungen,weilesbeiIhrenzuständigenMitarbeitern imProjekt-TeamProblemegab.Unddassindnureinpaar Einflüsse,diemirjetztspontaneinfallen.InunserenProjektunterlagenlassensichdasicherlichnochweiterefinden“, ausDoetsch,W.: Claim-ManagementeineMethodezurVerbesserungderErtragssituationbeiAnlagen-undBauprojekten.In: Lange,D.(Hrsg.): ManagementvonGroßprojekten: Know-howausderBeraterpraxis.Stuttgart1995,S.101f. [21]Dornbusch,Johannes/ Plum,Heinz: Claim-Management beimVOB-Vertrag,Heinsberg2003 [22]Kühnel,Wolfgang: VertragalsAusgangspunkt.VDMA- NachrichtenClaimsmanagement [23]WährendinderamerikanischenTerminologiebei Zusatz-oderÄnderungsaufträgenvoneinerChange-Order gesprochenwird,verwendetmaninderenglischenTerminologiedenBegriff„VariationOrder“,vgl.[24,21,Fn.52]; ausLieferantensicht: [25,S.72] [24]Köhl,Thomas: Claim-Managementiminternationalen Anlagengeschäft.Wiesbaden2000; zugleich: Univ.,Diss., Münster1999 [25]Sick,Ulrich: VerträgeimProjekt-undSystemgeschäft. Heidelberg1999 [26]Williamson,OliverE.: DieökonomischenInstitutionen desKapitalismus: Unternehmen,Märkte,Kooperationen. Tübingen1990 [27]PropertyRightsTheorie,PrincipalAgentTheorieund Transaktionstheorie.Vgl.hierzu[6,S.182]mitweiteren Nachweisen,[15,S.68f.]und[24,S.115f.] [28]Vgl.[16,S.17].ImAnschlussandieseTheorieistin DeutschlanddieTheoriedeskomplexenLangzeitvertrages entstanden,vgl.[29] [29]Nicklisch,Fritz(Hrsg.): DerkomplexeLangzeitvertrag, StrukturenundInternationaleSchiedsgerichtsbarkeit.Heidelberg1987 [30]Weggel,Oskar: China.5.Auflage,München2002 [31]Moritz,Ralf(ÜbersetzerundHrsg.): Konfuzius,Gespräche.Reclam-Verlag,Leipzig1998,S.102; XV,24: „Zi-gong fragtedenKonfuzius: GibteseinWort,daseinganzes LebenlangalsRichtschnurdesHandelnsdienenkann? “ Konfuziusantwortete: „DasistgegenseitigeRücksichtnahme.Wasmanmirnichtantunsoll,willichauchnichtanderenMenschenzufügen.“,S.113XVII,6 [32]Power-Distance,Individualism,MasculinityundUncertaintyAvoidance(Unsicherheitsvermeidungstendenz)und Long-TermOrientation [33]Hofstede,Geert: LokalesDenken,globalesHandeln, interkulturelleZusammenarbeitundglobalesManagement. 2.Auflage,München2001 [34]Stubbe,Christian: MediationundClaim-Management.BeilagezuBB1998 [35]Diekmann/ Girad: ConstructionIndustryAttitudesTowardsDisputesand Prevention/ ResolutionTechniques.In: ProjectManagementJournal26,1995,1, March [36]Oberndorfer,Wolfgang: ClaimManagement,Teil1.Wien2003 [37]EinweiteresInstrumentzurStreitvermeidungistdasKonzeptdesPartnering,vondemGeneralCouncildesUS-ArmyCorpsofEngineersinden80er Jahrenentwickelt.DasPartneringzeichnetsichdurcheinemittelfristige,nicht vertraglicheBindungzwischenzweiodermehrOrganisationseinheitenaus. MitdieserVerbindungsolleineMaximierungderEffizienzindenjeweiligen Ressourcenerreichtwerden.Ziele,etwaigeRisikenoderChancenwerdeneinvernehmlichbesprochen,ggf.gelöst.Voraussetzunghierfüristeineintensive KommunikationzurProblemerkennungundProblemlösung,vgl.[36,S.29]mit weiterenNachweisenausderamerikanischenLiteratur [38]Stroh,Volker/ Schlotka,Jörg: Claims-undRisikomanagementverzahnen. VDMA-NachrichtenClaimsmanagement,Juli2003 [39]Backhaus,Klaus/ Köhl,Thomas: Claim-Managementiminternationalen Anlagengeschäft.In: Hübner,U./ EbkeW.F.(Hrsg.): FestschriftfürBernard Großfeldzum65.Geburtstag.Heidelberg1999 [40]Pinnells,James: Claimserfolgreichgeltendmachen.VDMA-Nachrichten Claimsmanagement,Juli2003 [41]Berger,KlausPeter: Neuverhandlungs-,Revisions-undSprechklauselnim internationalenWirtschaftsrecht.RIW2000 [42]Lichtenberg,GeorgChristoph: 19.Oktober1796,Sudelbücher,HeftL2,19 Schlagwörter AktivesClaim-Management,Claim-Management,defensivesClaim-Management,Ergebnisoptimierung,kulturelleEinflüsse,Prozessoptimierung,Ursachen vonClaims,VermeidungvonClaims,Vertragsrecht,vertragstheoretische Modelle Autor Prof.Dr.iur.WinfriedHuck(geb.1960)istInhabereiner ProfessurfürWirtschaftsrechtmitdenVertiefungsgebietenInternationalesWirtschaftsrecht,Wirtschaftsrechtin derEU,Transportrecht,RechtdesIndustrieanlagengeschäftsundTechnologierechtamFachbereichRechtan derFachhochschuleBraunschweig/ Wolfenbüttel.Nach rechtswissenschaftlichemStudium(Bonn),denobligatorischenzweijuristischenStaatsexaminainBonn(1987) undDüsseldorf(1990)sowiePromotioninBonn(Diss.: Transportradioaktiver Stoffe,1991)arbeiteteProf.HuckzunächstalsRechtsanwalt(Bremen,Bonn), späteralsReferatsleiter(1991-1997)imBundesamtfürStrahlenschutzinder Abteilung„Brennstoffkreislauf,TransportundAufbewahrungradioaktiver Stoffe“.Seit1997istProf.HuckinLehre,ForschungundSelbstverwaltung (u.a.Dekan,Vizepräsident)aktiv.InZusammenarbeitmitderTongji-Universität, Shanghai,undSiemensorganisiertProf.Huckseit2002jährlichdeutsch-chinesischeWirtschaftsrechtssymposien.Seit2002isteralsLegalConsultantfürdie InternationaleAtomenergiebehörde(IAEA),Wien,inBrasilien(2002),Panama (2003),Frankreich(2004),Japan(2005)unddesWeiterenalsVorstandsmitglied fürdasChinesischeZentrumHannovere.V.,Hannover,tätig.ImOktober2004 wurdedas„IBL-InstituteforInternationalBusiness&Law“(www.law-andbusiness.com)und2005(gemeinsammitProf.Dr.RezaAsghari)dieE-Government-Academy(www.egovernment-academy.de)alsEinrichtungamInstitutfür E-BusinessGmbHgegründet. Anschrift InstituteforInternationalBusiness&Law Bismarckstraße11 D-38102Braunschweig Tel.: 0531/ 2338859(p) Fax: 0531/ 2338135(p) E-Mail: w-huck@t-online.de www.law-and-business.com aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd46 20.12.200517: 10: 40Uhr 50 WISSEN PM-Software: PHProjekt Open-Sourcefürdas Projektmanagement MeyMarkMeyer KanneinekostenloseSoftwarezurUnterstützungderalltäglichenProjektarbeitbeitragen? Open-Source-SoftwarewirdmitunternochimmermitdemVorwurfmangelnderProfessionalitätkonfrontiert.DochobInternet-ServeroderTextverarbeitung-invielenBereichen steheninzwischenleistungsfähigeLösungenzurVerfügung,diedenVergleichmitihren kommerziellenPendantsnichtzuscheuenbrauchen.DieneueVersion5vonPHProjekt, einerwebbasiertenGroupwaremitProjektmanagement-Funktionalität,istdaherAnlass genug,einengenauerenBlickaufdiegeboteneFunktionalitätzuwerfen. F olgt man einem landläufigen Sprichwort, dann schaut man sich Geschenke nicht näher an. Doch wer eine Software für die Zusammenarbeit seines Projektteams einführt, für den stellen die Lizenzkosten in der Regel nur einen geringen Teil der zu kalkulierenden Kosten dar und die gebotene Funktionalität entscheidet. Vor diesem Hintergrund ist auch lizenzkostenfreie Software den gleichen Anforderungen unterworfen wie die kommerziellen Produkte. Zunächst unterstützt PHProjekt klassische Groupware- Funktionen wie Kalender, Kontaktdatenbank und Dateiablage. Darüber hinaus ermöglicht die Software aber auch die projektbezogene Zeiterfassung sowie die Delegation und Überwachung von Aufgaben im Projekt. PHProjekt ist modular aufgebaut. Sämtliche Module lassen sich nach Bedarf aktivieren, so dass der in der Benutzeroberfläche angebotene Funktionsumfang individuell angepasst werden kann. Jeder Anwender kann die bevorzugte Spracheinstellung der Oberfläche aus weit über dreißig Sprachen wählen. PHProjekt deckt vor allem die „klassischen“ Groupware-Funktionen wie Kalender, Kontakte und Dateimanagement ab. Auch ein Diskussionsforum ist integriert. Daneben bietet die Software eine Datenbank für Internet-Adressen, eine Chat-Funktionalität sowie ein Helpdesk-Modul zur Bearbeitung von Anfragen beispielsweise an einen technischen Support oder ein Project-Office. Groupware… Der Kalender bietet Terminübersichten für Tage, Wochen, Monate und Jahre und bietet einfache Wiederholungen für regelmäßige Termine. Wird ein Teilnehmer einer Besprechung zugeordnet, so findet er die Zuordnung beim nächsten Zugriff auf das System auf der Übersichtsseite als zu bestätigenden Termin. Leider ist keine Zustimmung mit einem einfachen Klick möglich. Stattdessen ist der Termin zu bearbeiten und die Zustimmung einzutragen - um dann, statt wieder in der Übersicht, in der Kalenderansicht zu landen. Auf den ersten Blick erscheint die Kollisionsprüfung interessant, mit der sich etwa bei der Vereinbarung neuer Termine die Verfügbarkeit der übrigen Teilnehmer prüfen lässt. Leider fehlt eine Möglichkeit, Termine aus MS Outlook in den Web-Kalender zu importieren - somit werden in den meisten Fällen wohl nur wenige projektbezogene Termine online verwaltet werden. Die Kollisionsprüfung verliert vor diesem Hintergrund deutlich an Nutzen, da PHProjekt in diesem Fall nur einen Bruchteil der terminlichen Verpflichtungen seiner Anwender kennt. Deutlich kommunikationsfreudiger zeigt sich die Kontaktdatenbank. Sie erlaubt den Import und Export in zahlreichen Dateiformaten und ermöglicht es so, eine Liste der projektrelevanten Adressen bereitzuhalten, deren Pflege nicht doppelt erfolgen muss. In der Rubrik PM-Software stellt projektMANAGEMENT aktuell seinen Lesern neue und interessante Projektmanagementtools in Form herstellerunabhängiger Erfahrungsberichte und Nachrichten vor. Die Berichte stammen von Mey Mark Meyer, dem Leiter der GPM- Fachgruppe „Projektmanagement-Software“. Falls Sie zu diesen Berichten Ergänzungen oder eigene Erfahrungen einbringen oder sich an der Arbeit der GPM-Fachgruppe beteiligen möchten, können Sie sich per Mail unter „PM-Software@GPM-IPMA.de“ melden. In Kooperation zwischen der GPM-Fachgruppe und dem IPMI Institut für Projektmanagement und Innovation der Universität Bremen wurde zusätzlich eine umfangreiche Internet-Seite aufgebaut, in der Informationen zu über 120 Softwareprodukten rund um das Projektmanagement zu finden sind und eine Windows-Software zur Nutzwertanalyse von PM-Tools downloadbar ist. Dieses Informationsangebot wird laufend aktualisiert und erweitert. Sie erreichen es unter der Adresse „www.PM-Software.info“. GPM-Fachgruppe„Projektmanagement-Software“ aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd50 20.12.200517: 10: 45Uhr 51 Für die Diskussion unterschiedlichster Themen bietet PHProjekt ein Forum, das auch die Benachrichtigung beim Eingang von Antworten erlaubt. So werden Diskussionen insbesondere bei mehreren Beteiligten strukturierter als per E-Mail geführt, gleichzeitig ist es für die Mitarbeiter nicht erforderlich, regelmäßig das Forum nach Antworten auf ihre eigenen Beiträge abzusuchen. Die Dateiablage ermöglicht es, ergänzende Projektdateien auf den Server zu laden und sie dort anderen Teammitgliedern zur Verfügung zu stellen. Bearbeitete Dateien kann der Anwender dann nach dem Zwischenspeichern auf seinem PC wieder auf den Server hinaufladen - auf Wunsch legt PHProjekt dabei eine Kopie der alten Version an. Zwar wird das Sperren einer Datei zu Bearbeitungszwecken unterstützt - in den Tests hatte dies aber eher einen Hinweischarakter: Andere Projektbeteiligte waren problemlos in der Lage, die Datei durch eine neue Version zu ersetzen. Insgesamt erscheint die Dateiablage ausreichend für kleine, unternehmensübergreifende Teams. Kommerzielle Wettbewerber glänzen hier jedoch mit weiter gehender Integration in das Betriebssystem (z. B. Drag & Drop von Dateien aus lokalen Ordnern in die Webablage). …undProjektmanagement Projekte und Teilprojekte lassen sich in beliebiger Strukturierungstiefe anlegen und verknüpfen. Sie können mit ergänzenden Informationen, beispielsweise zu Kosten, Budget, Fertigstellungsgrad oder Anfangs- und Endterminen, versehen werden. In PHProjekt ist nahezu alles ein Projekt, Arbeitspakete oder Vorgänge existieren nicht. Dies erfordert eine eher ungewöhnliche Strukturierung, um einen groben Balkenplan zu erhalten. Zwar vermag die Software auch Einzelaufgaben eines Projekts zu erfassen, dies erfolgt jedoch unstrukturiert und dient vornehmlich der Erstellung personenbezogener To-Do- Listen. Die Aufgaben können den Ressourcen zugeordnet und unter anderem mit Fertigstellungs- und Termininformationen versehen werden. Im Sinne dieser Inflation des Projektbegriffs sind auch Anordnungsbeziehungen nur zwischen kompletten Projekten möglich. PHProjekt vermag keine Terminrechnung durchzuführen, prüft jedoch die eingegebenen Termine auf Kompatibilität zu den Anordnungsbeziehungen. Mit der Möglichkeit, Projekte im vernetzten Balken- Diagramm darzustellen, erlaubt PHProjekt die Veröffentlichung der Terminpläne auch in grafischer Form. Sollen die Termininformationen der einzelnen Arbeitspakete aus einer Terminplanungssoftware übernommen werden, so muss hierfür eine eigene Importschnittstelle entwickelt werden. Diese ordnet dann die Daten der Ar- ÜbersichtsdarstellunginPHProjekt ❏ Open-Source-Groupware mit gutem Funktionsumfang ❏ Einfache Installation und Konfiguration ❏ Benutzerführung oft etwas umständlich ❏ Schnittstellen und Integration in das Betriebssystem schwach InKürze projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd51 20.12.200517: 10: 46Uhr 52 WISSEN beitspakete und Vorgänge den „Unterprojekten“ in PH- Projekt zu. Die Zeiterfassung erlaubt es, die Gesamt-Arbeitszeit zu erfassen und auf die Projekte zu verteilen, an denen der Anwender beteiligt ist. Diese Buchungen können dann in weiterführende Systeme übernommen werden. Nicht immer erschließt sich die Bedienung auf den ersten Blick - erfreulicherweise liegt aber ein rund 150-seitiges und in mehreren Sprachen verfügbares Handbuch vor. Dass dies zum Testzeitpunkt nur für die Version 4.1 existierte, wenngleich Version 5 bereits einige Monate verfügbar war, offenbart ein häufig zu beobachtendes Open-Source-Dilemma: Es finden sich ganz offenbar eher freiwillige Entwickler als Freiwillige für die technische Dokumentation. Fazit PHProjekt bietet einen soliden Funktionsumfang, auch wenn man gelegentlich weiter gehende, sinnvolle Detailfunktionen vermisst. Die Benutzeroberfläche ist schlicht und leicht erlernbar, wenn auch mitunter etwas umständlich zu bedienen. Einige Funktionen in PHProjekt ignorieren den in den meisten Fällen erforderlichen Datenaustausch. Hier bleibt nur die redundante Datenpflege oder die eigene Erweiterung der Software. Auf Herstellersupport braucht dabei jedoch nicht verzichtet zu werden - das PHProjekt-Team bietet sowohl Schulungen als auch Installation und Anpassungen als kostenpflichtige Dienstleistung an. Dennoch verbleibt ein zwiespältiger Eindruck: So ausführlich der Leistungsumfang bereits ist - spätestens in größeren Projekten dürften sich die Lizenzkosten der kommerziellen Wettbewerber durch erweiterte Funktionalität, intuitivere Bedienung, Integration in das Betriebssystem und die zumeist umfangreicheren Schnittstellen amortisieren. Kontakt: PHProjekt.com, 80331 München, www. phprojekt.com, E-Mail: services@phprojekt.com ■ ■ DieSoftwareCollinorIRPwirdzukünftigvonderCollinorSoftwareGmbHvertriebenundweiterentwickelt.DiemitumfangreichenFunktionenzurAbbildungvonProjektprozessenausgestatteteSoftwarezieltaufeinunternehmensweitesProjekt-und Portfoliomanagement.(www.collinor.de) ■ AdarvoThemeWare,eineSoftwarefürdiemobileZusammenarbeit vonProjekt-Teams,liegtnuninderVersion2.0vor.NeusindunteranderemdieIntegrationvonSkype-Telefondiensten,Überarbeitungen derBenutzeroberflächeunderweiterteFunktionenfürWeb-VeröffentlichungenvonProjektinformationen.(www.adarvo.net) ■ NachderÜbernahmederNikuCorporationdurchComputerAssociates(CA)istNikuClaritynunmehrBestandteilderCABusiness ServiceOptimizationSuite.CAverlagertdenSchwerpunktderPortfolio-Management-AnwendungdamitinRichtungvonIT-Projekten. (www.niku.com/ de) ■ DasProjekt-undQualitätsmanagementsystemPQMintegriertnunmehrauchdietäglichenTermine.DieOutlook-SchnittstellezuPQM synchronisiertvollautomatischTerminedesOutlook-Kalendersmit denendesProjektmanagementsystems.(www.p-q-m.de) +++ PM-Software-News +++ PM-Software-News +++ aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd52 20.12.200517: 10: 47Uhr 53 KARRIERE Mitmodernisiertem GPM-Lehrgangzumzertifizierten Projektleiter ErsteBilanz: PM-TrainerbegrüßenneuesAusbildungskonzept OliverSteeger FürzehnMonate,sohattemanerwartet,solltedieersteBuchauflageausreichen.Dochdie NachfragenachdemneuenGPM-Lehrbuch„ProjektManager“überraschtesogardasoptimistischgestimmteAutorenteamumGPM-VorstandRolandOttmann.BereitsdreiMonate nachVerkaufsstartmusstedieGPMihrneuesStandardwerknachdrucken.DerAbsatzdes Lehrbuchs,dasdasbisherigezweibändigeStandardwerk„ProjektmanagementFachmann“ abgelösthat,übertrafalleErwartungen. I n rund eineinhalb Jahren hat das Autorenteam (Roland Ottmann, Professor Heinz Schelle, Astrid Pfeiffer) ein komplett neues Lehrbuch für angehende Projektmanager erarbeitet. „In unseren Projektmanagement-Lehrgängen arbeiten wir bereits mit diesem neuen Lehrbuch und haben durchwegs gute Erfahrungen gesammelt“, berichtet Trainer Siegfried Haarbeck (apropro, Weimar). Ihm gefallen die Praxisnähe, die flüssige, einheitliche Darstellung und die lebendigen Beispiele aus mehreren Branchen. Sein Trainerkollege Stefan Derwort (Projektforum, Freiburg) stimmt zu: „Das Lehrbuch ist wesentlich pragmatischer verfasst.“ Die Leser können, so seine Erfahrung, die wesentlichen Aspekte des Projektmanagements besser erfassen. „Wir haben das bisherige Konzept des Buchs auf den Prüfstand gestellt und dort verändert, wo es uns nötig schien“, erläutert Roland Ottmann, der als Projektleiter die Federführung bei diesem Buchprojekt übernommen hat. Dieser Kehraus war gründlich. Ottmanns Team tilgte viele Doppelungen des alten Werks. Es strich für die Praxis unerheblichen Wissens-Ballast. Das Ergebnis: Hatte das alte, zweibändige Kompendium „Projektmanagement Fachmann“ rund 1.200 Seiten, müssen sich angehende Projektmanager heute nur noch durch 600 Seiten arbeiten. Trotz der deutlichen Seitenreduzierung berücksichtigt das neue Werk erstmals vollständig die 42 Elemente der Competence Baseline (ICB) der International Project Management Association (IPMA). Zudem umfasst der neue Wissensspeicher ein komplettes Glossar, ein durchgehendes Fallbeispiel und eine Fallstudie mit Übungsaufgaben am Ende des Buchs. FachweltnimmtLehrbuchbegeistertauf Vorwiegend anerkennend nimmt die Fachwelt das neue Buch auf. Von einem deutschlandweit einzigartigen Werk spricht Professor Robert Pelzel in einer für den Versandanbieter „Amazon“ verfassten Rezension: „Die Autoren des Werks ‚ProjektManager‘ haben es in hervorragender Art und Weise verstanden, die komplexe und moderne Welt des Projektmanagements darzustellen.“ Das gelte sowohl für die Verwendung des Buchs in der Hochschullehre als auch für das Coaching von Prak- RolandOttmann,VorstandsvorsitzenderderGPM,leitete dasAutorenteamfürdasneueLehrbuch. Foto: SiegfriedSeibert projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd53 20.12.200517: 10: 49Uhr 54 KARRIERE dung durchlaufen - gleich, wie viel Praxiskenntnis sie bereits anderswo erworben haben. In den letzten Jahren allerdings meldete die Wirtschaft zunehmend Wünsche nach mehr Praxisnähe der Projektmanagement-Ausbildung an. Vor allem Inhouse-Lehrgänge, so forderte sie, sollten noch besser zu den Erfordernissen des Unternehmens und dem Kenntnisstand der Mitarbeiter passen. Folglich hat die GPM jetzt nicht nur das Lehrbuch bearbeitet, sondern gleich auch das Konzept ihres Lehrgangs angepasst. NeuesLehrgangskonzept „Das neue Lehrbuch und Lehrgangskonzept gibt uns Trainern jetzt in der Tat mehr Freiräume für die Seminargestaltung“, meint Siegfried Haarbeck. Er könne jetzt noch besser auf die Teilnehmergruppe eingehen. Beispielsweise lässt sich das Lehrprogramm dem Vorwissen und der Leistungsfähigkeit der Teilnehmer anpassen. „Haben die Teilnehmer bereits Führungskräftetrainings besucht, können diese Elemente im Lehrplan zurückgenommen werden“, erläutert Roland Ottmann den neuen Ansatz. Das Konzept zwinge Trainer nicht mehr dazu, ein feststehendes Curriculum mechanisch abzuarbeiten. „Damit kommen wir den Erfordernissen moderner Erwachsenenbildung einen weiteren Schritt näher“, sagt der GPM-Vorstand, der selbst die Trainer-Lizenz für den GPM-Lehrgang hat. Trainer Peter Felske begrüßt die zusätzliche Freiheit, die es ihm insbesondere erlaubt, nun auch die Werkzeuge, die im Training vertikern und Managern. Der Projektmanagement-Berater und Autor Dr. Georg Angermeier empfahl unlängst seinen Lesern: „Wenn Sie nur ein einziges Buch kaufen wollen, dann dieses.“ Etwas relativiert wird diese euphorische Aussage von PM-Trainer Peter Felske. Das Buch sei zwar verständlich geschrieben und sehr gut strukturiert; es vermittele einen ausgezeichneten Überblick über das Thema Projektmanagement. Doch nicht auf alle Fragen, die die Teilnehmer in seinen Lehrgängen stellen, könne es eine Antwort geben. „Das gilt besonders für Teilnehmer, die bereits Vorkenntnisse mitbringen und ihr Wissen vertiefen wollen.“ Der ProjektManager ist denn auch keine Fernlehrunterlage zum reinen Selbststudium im stillen Studierstübchen: Bereits ausgebildete Projektmanager können das Lehrbuch zwar gut als Nachschlagewerk nutzen. Für „Novizen“ allerdings bedarf es zusätzlich der Anleitung erfahrener Trainer, des Austauschs in der Gruppe und vor allem der praktischen Übung mit Beispielprojekten. So bietet die GPM seit Jahren bereits einen groß angelegten, gründlichen Projektmanagement-Lehrgang an, den eigens ausgebildete und autorisierte Trainer in vielen deutschen Städten durchführen. Für diese Ausbildung bildet das neu gestaltete Lehrbuch weiterhin das Rückgrat. Zwischen neun und 14 Tagen - aufgeteilt in zweibis dreitägige Trainingsintervalle - dauert die Ausbildung unter dem GPM-Gütesiegel. Bei Unternehmen wie dem IT-Dienstleister „Postbank Systems AG“ (siehe Seite 19 ff.) sowie dem Award-Gewinner O 2 Germany (siehe Seite 3 ff.) müssen alle Projektleiter diese Grundausbil- TrainerPeterFelske(CSCAkademie,Wiesbaden)istmit derneuentwickeltenAusbildungsreihesehrzufrieden. Foto: privat Projektmanagement-TrainerSiegfriedHaarbeck(apropro, Weimar)hatmitdemneuenLehrbuchbereitsinseinen LehrgängengearbeitetundguteErfahrungengesammelt. IhmgefallendiePraxisnähe,dieflüssige,einheitliche DarstellungunddielebendigenBeispieleausmehreren Branchen. Foto: privat Das aktuelle Standardwerk zum Projektmanagement Grundlage für die Qualifizierung und Zertifizierung nach GPM/ IPMA, Level D bis A • Lehrbuch • Nachschlagewerk für die Berufspraxis • Auch für Autodidakten Autoren: Heinz Schelle - Roland Ottmann - Astrid Pfeiffer Im Auftrag der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. Nürnberg, 2. Auflage 2005 566 Seiten, 230 Abbildungen Informativ - Kompakt - Verständlich Bezugsquellen: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. FrankenCampus - Frankenstraße 152 90461 Nürnberg Telefon +49 (0)911 43 33 69 - 0 Telefax +49 (0)911 43 33 69 - 99 E-Mail info@ GPM-IPMA.de Internet www.GPM-IPMA.de oder www.amazon.de (Suchwort: ProjektManager) ProjektManager: 159,- € Nur 139,- € für GPM-Mitglieder Jeweils inkl. 7 % Mehrwertsteuer zzgl. Versandkosten Das Lehr- und Nachschlagewerk ProjektManager ermöglicht Profis der oberen Zertifizierungsstufen eine Fortbildung auf hohem Niveau nach GPM sowie IPMA International Project Management Association. Alle, die sich zum ersten Mal mit Projektmanagement befassen, finden einen schnellen Einstieg in diese Disziplin. Das Buch gibt einen Überblick über die wichtigsten Themenbereiche, bietet gleichzeitig aber auch die notwendige Detailtiefe für die Umsetzung in die Praxis. Mit dem ProjektManager setzt die GPM Maßstäbe für die internationale Entwicklung im Projektmanagement: • Bewährte Methoden • Top-Schwerpunkt „Menschen im Projekt“ • Hohe Gewichtung des Bereichs Kommunikation • Deckt die Anforderungen der international anerkannten IPMA Competence Baseline (ICB) ab • Unter Beteiligung von Testlesern aus namhaften deutschen Unternehmen entstanden P ROJEKT M ANAGER Erfolgreich mit Projektmanagement! aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd54 20.12.200517: 10: 51Uhr 56 KARRIERE wendet werden, für seine Teilnehmer und Kunden anzupassen. „Zudem habe ich festgestellt, dass das Lehrbuch uns Trainern gut zuarbeitet“, sagt er, „in der Praxis bin ich damit sehr zufrieden.“ „ProjektManager“füralleZertifizierungen Mit einer entscheidenden Neuerung kommt die GPM qualifizierungswilligen Projektmanagern entgegen. Das neue Buch und der neu konzipierte Lehrgang bereiten auf alle vier Stufen der IPMA-Zertifizierung vor; der/ die altbekannte „Projektmanagement Fachmann/ Fachfrau“ führte nur zur (untersten) Level-D-Zertifizierung. Der Vorteil: Damit bietet die GPM erstmals auch Vorbereitungen und Trainings für die Zertifizierung nach den drei höheren Levels. Insbesondere die Zertifizierung nach Level B und Level C findet seither noch mehr Interesse. „Das kommt gut an“, sagt Siegfried Haarbeck. So, wie der Lehrgang den Teilnehmern mehr bietet, so fordert er auch mehr von ihnen. Die stark veränderte Level-D-Zertifizierung von PM-ZERT setzt neue Maßstäbe in der Abschlussprüfung. Früher endete der Lehrgang mit einer fünfstündigen Klausur; bei dieser Prüfung durften die angehenden Projektmanager ihre Unterlagen verwenden. Heute: Die Klausur wurde auf zwei Stunden reduziert; das Buch darf nicht verwendet werden. Zusätzlich muss jeder einzelne Teilnehmer eine halbstündige mündliche Prüfung mit zwei PM-ZERT-Assessoren bestehen. „Wir wollen wissen, ob die Teilnehmer die Inhalte des Projektmanagements verinnerlicht haben und im Gespräch überzeugend erläutern können“, sagt Werner Schmehr, Geschäftsführer von PM-ZERT. Für ihn zählt es, dass Projektmanager typische Situationen im Projekt analysieren, die korrekten Schlüsse ziehen und dann die richtigen Werkzeuge auswählen können. „Die Prüfung ist also heute mehr als nur noch eine reine schriftliche Wissensabfrage“, sagt er. Transfer-ProjektfürZertifizierung Neben den Ergebnissen der mündlichen und schriftlichen Prüfung fließt zusätzlich der so genannte „Transfer- Nachweis“ in die Level-D-Zertifizierung ein. Der Hintergrund: Im Lehrgang wählen die angehenden Projektleiter ein Transfer-Projekt, in der Regel ein reales Projekt aus ihrem Unternehmen. In diesem „Gesellenstück“ setzen die Teilnehmer ihr frisch erlerntes Projektmanagementwissen ein. Sie probieren die Methoden, Techniken und Werkzeuge des Projektmanagements aus. Dieses Projekt trägt jetzt ein Fünftel zum Zertifizierungsergebnis bei - was Trainern wie Peter Felske eigentlich ein noch zu geringer Anteil ist. „Die Teilnehmer investieren 40 bis 100 Stunden und mehr in dieses Projekt“, sagt er, „im Vergleich zur schriftlichen und mündlichen Prüfung könnte das Projekt meiner Ansicht nach mehr Wertschätzung erfahren.“ „Der Trainer hat die Wahl, jeden einzelnen Teilnehmer ein Transferprojekt bearbeiten zu lassen oder eine Gruppe mit einem Projekt zu beauftragen“, sagt Roland Ottmann. Vorteil der Gruppenarbeit: Soziale Kompetenzen wie Teambildung, Konfliktmanagement, Kommunikation und Präsentation werden „learning by doing“ trainiert. „Diese Pädagogik ist moderner, dynamischer und den Teilnehmern aus ihrer Berufswelt vertraut“, sagt Siegfried Haarbeck. Auch Stefan Derwort berichtet, dass sich das neue Konzept hervorragend in der Praxis bewährt. Besonders die Trainings zur Kommunikation und zur Konfliktbearbeitung gestalten sich heute deutlich „handfester“, wie der erfahrene Trainer meint. „Außerdem beobachte ich, dass ein hoher Anteil der Teilnehmer das Lehrbuch wirklich studiert und das Gelesene im Training präsent hat“, sagt Stefan Derwort. Besserfördernundmehrfordern Unter dem Strich werden die angehenden Projektmanager mehr gefördert - aber auch mehr gefordert. Gefordert werden auch die Trainer. Ihre Aufgabe ist es heute nicht mehr, nur Wissen zu vermitteln; sie müssen zudem Gruppenprozesse moderieren, Soft Skills trainieren und ihre PM-Lehrlinge coachen. „Die Messlatte für unsere Trainerqualifikation liegt nun eindeutig höher“, räumt Roland Ottmann ein. Wer für die GPM diesen Lehrgang durchführen will, muss neben profunder Sachkenntnis jetzt auch Berufspraxis nachweisen und ein eigenes Level-B-Zertifikat mitbringen. Bislang hatten siebzig Trainer die Lizenz, für die GPM Projektmanager auszubilden. Für den neuen Lehrgang ist die Zahl der zertifizierten Trainer annähernd konstant geblieben. Wegen der erhöhten Anforderungen hat die GPM allerdings nur rund 35 Trainern die Lizenz gegeben, den Lehrgang durchzuführen. Weitere Informationen zum Fachbuch „ProjektManager“ und Bestellmöglichkeit unter www.pmaktuell.org/ Buchtipps/ GPM-Schriften. ■ TrainerStefanDerwort(Projektforum,Freiburg)findetdas Lehrbuchpragmatischverfasst.DieLeserkönnen,soseine Erfahrung,diewesentlichenAspektedesProjektmanagementsjetztnochbessererfassen. Foto: privat aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd56 20.12.200517: 10: 52Uhr 57 NACHRICHTEN ■ Indiens Finanzminister Shri P. Chidambaram überraschte die 1.200 aus aller Welt versammelten Projektmanager mit deutlichen Worten. Der Politiker kritisierte ausufernde Kosten und Terminverzögerungen bei vielen Projekten auf dem indischen Subkontinent. Besonders für seine Verkehrsprojekte benötige das Land mit einer Milliarde Menschen mehr kompetente Projektmanager. Im Vergleich zu China sei Indien, so der Minister, deutlich im Rückstand. Was indes die aus 62 Nationen zum „19 th IPMA World Congress 2005“ nach New Delhi angereisten Projektmanager noch mehr überraschte: Der Minister gab sich persönlich die Ehre, um seine Botschaft zu überbringen. Und er brachte gleich noch ein weiteres Mitglied des indischen Kabinetts zur Kongresseröffnung mit. Projektmanagement, so berichteten die aus Indien heimgekehrten GPM-Fachleute, hat in Asien derzeit einen deutlich höheren Stellenwert als im Westen. In vielen Schwellenländern sieht man sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik große Chancen durch Projektmanagement. Der Ehrgeiz ist gewaltig, mit dem Westen gleichzuziehen. So wunderte es kaum, dass erstmals ein indisches Projektteam den „International Project Management Award 2005“ errang und sich neben einem weiteren indischen auch ein chinesisches Team als Preisträger platzierte. „In Sachen Projektmanagement wird Asien zunehmend weltweit zu einer festen Größe“, sagt Otto Zieglmeier, Vizepräsident der IPMA sowie Chairman des achtköpfigen IPMA Awardmanagement Board. Zu ihrem 40-jährigen Jubiläum hat die IPMA ihren Weltkongress erstmals außerhalb Europas ausgerichtet. Für die indischen Gastgeber war dies eine willkommene Gelegenheit, vom 13. bis 16. November 2005 ein Fachprogramm der Superlative mit einem reichhaltigen Kulturprogramm zu verbinden. Das Motto: „Vision to Reality - the Project Management Way“. Neun Keynote-Speaker verzeichnete das Programm. In zwölf Streams war das Informationsangebot mit seinen 160 Vorträgen geordnet. Von sehr guter Organisation und hervorragenden Möglichkeiten für internationales Networking berichtet GPM-Kuratoriumsmitglied Manfred Saynisch, der sich selbst mit Vorträgen zum Thema „Neue Wege im Projektmanagement“ sowie „Projektmanagement 2. Ordnung“ am Kongressprogramm beteiligte. „Die Offenheit der Asiaten für zukunftsweisende und grundlegende Aspekte, die neue Horizonte eröffnen, ist enorm“, hat er beobachtet. So wurde auch ein Stream „Philosophical Dimensions“ eingerichtet. „Standing Ovations“ fand beispielsweise der Schlussvortrag von Professor Ervin Laszlo, der den renommierten „Club of Rome“ Ende der 60er Jahre mit begründete und heute als bedeutender zeitkritischer Systemtheoretiker gilt. Laszlo erinnerte die Projektmanager an ihre Verpflichtung zum Erhalt der globalen Lebensgrundlage und mahnte eindringlich zum ethischen und ökologischen Handeln. Die Auswirkungen von Projekten seien in einer weltweiten Vernetzung zu denken. Aus Deutschland beteiligte sich Dr. Jürgen Schloss (Bereichsvorstand der Siemens AG) an dem Keynote- Programm. Er gab - mitunter sehr tiefe - Einblicke in das konzernweite Programm zur Verbesserung des Projektmanagements. Wichtige Themenschwerpunkte des Weltkongresses waren die Qualifizierung und Zertifizierung von Projektmanagern. „Für Schwellenländer wie Indien und China scheint dies von Bedeutung zu sein, um in Sachen Projektmanagement schnell gegenüber dem Westen aufzuholen“, berichtet Reinhard Wagner, Leiter GPM-Automotive-Fachgruppe, über seine Eindrücke vom Weltkongress. Einig waren sich die Beobachter allerdings auch darin, dass der Kongress - mit Ausnahme einiger Vorträge - unter dem Strich nur wenig vollkommen neue Fachkonzepte geboten hat. „Ich habe viel Bekanntes in neuer Ausprägung oder an einem Praxisbeispiel illustriert gehört“, meint Manfred Saynisch Höhepunkt des Kongressgeschehens war die Verleihung des „International PM Award 2005“ mit einer ebenso eindrucksvoll wie spannend inszenierten Bekanntgabe des Gewinners und der Preisträger. Otto Zieglmeier betonte: „Erstmals haben Projektteams aus Indien, China, Südostasien und Fernost an dem im Jahre 2001 von der GPM initiierten Wettbewerb teilgenommen.“ Auch registrierte er in diesem Jahr einen bisher nicht da gewesenen Anstieg der Bewerberzahlen. Die Ergebnisse: Das indische Un- IPMA-Weltkongress2005: IndiensFinanzministerfordert größereAnstrengungenimProjektmanagement GlücklichePreisträgeraufderAward-GalainNewDelhi: Rund1.200GästeausübersechzigNationen wohntenderfeierlichenVerleihungdes„InternationalProjectManagementAward2005“bei. Foto: IPMA projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd57 20.12.200517: 10: 53Uhr 58 NACHRICHTEN ternehmen NTPC (National Thermal Power Corporation) holte die Award-Trophäe in ihr Heimatland; in feierlicher Zeremonie gratulierte IPMA-Präsident und Kongressleiter Adish Jain dem Projektteam. Preise für exzellentes Projektmanagement gingen an Teams aus Indien, China und Deutschland. So wurden Projektteams von Aircraft Research & Design Centre (Indien), CVIC Software Engineering Co., Ltd. (China) sowie von der Siemens AG, Transportation Systems (Deutschland) mit einem Preis ausgezeichnet. Als Finalist schnitten folgende Teams im Wettbewerb ab: Leica Geosystems (Schweiz), Oil and Natural Gas Corporation (Indien), Telekom Austria (Österreich), T-Systems International (Deutschland), Volkswagen Coaching (Deutschland). Weiterer Höhepunkt des Weltkongresses in Indien: Die IPMA feierte mit den 1.200 Kongressteilnehmern ihr vierzigjähriges Bestehen. 40 nationale Verbände mit fast 40.000 Mitgliedern weltweit sind heute unter dem IPMA-Dach verbunden. Klaus Pannenbäcker, ehemaliger IPMA- Präsident, leitete die Feierlichkeiten und hatte als kleine Reminiszenz den Nachdruck eines Newsletters aus dem Jahr 1979 in seinem Gepäck. Die IPMA nutzte in Indien die Gelegenheit, ihre internationale „Young Crew“ voranzutreiben. 45 junge Projektmanager zwischen 25 und 35 Jahren haben sich unter dem Dach dieser Initiative zusammengetan. Für sie bereitete Professor Michael Gessler ein eigenes dreitägiges Programm mit Workshops vor. So stellten Award-Teilnehmer dem PM-Nachwuchs ihre Projekte vor, lud IPMA-Vizepräsident Otto Zieglmeier zu einem Kreativitäts-Workshop ein und diskutierte Miles Shephard (Chairman des IPMA Council of Delegates) mit den jungen Projektmanagern über interkulturelle Zusammenarbeit. Als freundliche Geste der indischen Gastgeber wertete die IPMA Young Crew, dass sie im „Indian Institute of Technology“ tagen durfte. Das Institute genießt als führende technisch-wissenschaftliche Edelschmiede Indiens weltweit einen hervorragenden Ruf. Weitere Informationen: www. ipma.ch. Für die April-Ausgabe von projektMANAGEMENTaktuell ist darüber hinaus eine genauere Analyse des umfangreichen Vortragsprogramms in Vorbereitung. Für den Weltkongress hat Manfred Saynisch mit Professor Ervin Laszlo ein umfangreiches Interview geführt, das von ihm angefordert werden kann (E-Mail: saynisch@spm-consult.de). OliverSteeger Zum40-jährigenIPMA-JubiläumfandderProjektmanagement-WeltkongresserstmalsaußerhalbEuropasstatt. IPMA-PäsidentAdeshJainheißtdieGästezur„Geburtstagsfeier“desVerbandswillkommen. Foto: IPMA ■ IT-Projekte sind schon seit langem nicht mehr die alleinige Angelegenheit von Informatikern, sondern erfordern die interdisziplinäre Zusammenarbeit vieler zusätzlicher Disziplinen, wie Betriebswirtschaftslehre, Ingenieurwissenschaften, Soziologie, Psychologie und weiterer mehr. Seit mehreren Jahren bringt die interPM Fachleute aus diesen Disziplinen zu einem Dialog über aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement zusammen. Ziel ist es, einen innovativen Erfahrungs- und Gedankenaustausch zwischen Theorie und Praxis zu fördern und daraus neue innovative Ideen zur Weiterentwicklung des Projektmanagements entstehen zu lassen. Im Jahr 2006 findet die interPM am 28. und 29. April in Glashütten im Taunus statt. Sie wird von der Fachgruppe IT-Projektmanagement der GPM gemeinsam mit der Gesellschaft für Informatik (GI) veranstaltet, dieses Mal in Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Soziologen (BDS). Das Leitthema lautet „Agilität im Projektmanagement“. Mit diesem Leitthema sollen die immer höhere Komplexität und Dynamik vieler Projekte unter die Lupe genommen werden. Dem Projektmanagement stehen heute zwar viele bewährte Standards (Prozesse, Techniken, Werkzeuge) zur Verfügung. Trotzdem scheitern oder kriseln Projekte immer wieder aufgrund der immer schwierigeren Rahmenbedingungen. Projekte werden zunehmend schneller, größer, inhaltlich und technisch komplexer, sind räumlich stärker verteilt und sind mit dynamischeren Zielen und mit instabileren Anforderungen und Rahmenbedingungen behaftet. Bei der interPM sollen Antworten gegeben und gefunden werden, mit denen man diesen steigenden Ansprüchen begegnen kann: Welche Werte, Techniken, Vorgehensweisen und Kompetenzen befähigen uns zu einem agileren Vorgehen? Wie treten wir der drohenden Schwerfälligkeit größerer Projekte entgegen? Wann kommen wir mit traditionellen Vorgehensweisen nicht weiter? Wie können andere Vorgehensweisen aussehen? In Form und Inhalt ist die inter- PM keine reine Vortragsveranstaltung, sondern ein lebendiger Ort der Diskussion, des Gedanken- und Erfahrungsaustausches. Auch diesmal wird daher durch spezielle Formen von Workshop- und Großgruppenarbeit ein breiter Dialog zwischen den Teilnehmern angestrebt. Dies unterstützt die Bildung von interdisziplinären Arbeitsformen und erlaubt die Bildung von Kooperationen und fachübergreifenden Netzwerken unter den Teilnehmern. Weitere Informationen unter: www.interPM.de. interPM2006: AgilitätimProjektmanagement aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd58 20.12.200517: 10: 55Uhr 59 ■ „Gemeinsamkeit macht stark“ - diese Weisheit findet in der Wirtschaft immer mehr Freunde. Sie holen Partner an Bord und öffnen ihre Projektakten. Mehr noch: Gemeinsam akquirieren sie mit ihren Partnern neue Kunden. Dr. Jürgen Kratz, Leiter Strategisches Partnermanagement bei T-Systems, nennt beeindruckende Zahlen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little erbringen strategische Partnerschaften den Unternehmen einen um 50 Prozent höheren Return on Investment und einen um knapp 75 Prozent gesteigerten Marktwert. Auch für Projektmanager können solche Partnerschaften Vorteile bedeuten: welche Vorteile - dies erklärt Dr. Jürgen Kratz im Gespräch. T-Systems zählt heute zu den „Global Playern“. Trotzdem bieten Sie Unternehmen Partnerschaft an … Nicht trotzdem, sondern gerade deshalb. Unsere weltweiten Kunden fordern große und komplexe Systemlösungen. Wir liefern dies aus einer Hand, „produzieren“ aber nicht jede Komponente. Dafür pflegen wir unsere Partnerschaften. Außerdem fokussieren sich viele Unternehmen wieder auf ihre Kernkompetenzen und suchen Partner für die „White Spots“, die sie allein nicht abdecken. Was sind dies für „White Spots“, für weiße Flecken? Ein einfaches Beispiel. Wenn wir in einem Kundenprojekt auch einen entlegenen Standort bedienen müssen, lohnt es sich für uns nicht, dort eine Niederlassung mit eigenem Personal aufzubauen. Wir suchen uns einen Partner, um unseren regionalen White Spot abzudecken. Diese Partnerschaften werden künftig immer wichtiger. Der Wettbewerb der Zukunft wird nicht von Einzelunternehmen, sondern durch Netzwerke von Partnerschaften entschieden. Weshalb in Partnerschaften? Sie könnten als Konzern nach herkömmlichem Muster Lieferanten an Bord holen … Partnerschaft ist eine andere Form der Zusammenarbeit. Hier spielen Gleichberechtigung, der gemeinsame Auftritt vor Kunden und die gemeinsame Verantwortung für das Projekt eine starke Rolle. Partnerschaften müssen entwickelt werden. Und sie brauchen ein Vertrauensverhältnis. Ich bin der Meinung, dass im Wettbewerb die Fähigkeit entscheiden wird, solche Partnerschaften und Netzwerke aufzubauen und zum Nutzen der Beteiligten zu entwickeln. Fällt die Projektmanagement- Kompetenz bei der Auswahl der Beteiligten ins Gewicht? Selbstverständlich! Wir positionieren bei der Auswahl mögliche Partner in einem Anforderungsprofil. Wir stellen aus unserer Sicht ihre Stärken und Verbesserungsfelder fest. Ein Aspekt ist dabei auch das Projektmanagement. Welche Vorteile dürfen Ihre Projektleiter von diesem Partnering-Konzept erwarten? Erstens, die Partner sind durch die Qualifizierung und Klassifizierung auf das Projekt vorbereitet. Wesentliche Eckdaten der Zusammenarbeit sind bereits in einem allgemeinen Partneringvertrag festgelegt. Zum Beispiel? Finanzielle Punkte, Fragen von Stundensätzen. Oder die Grundzüge des Umgangs miteinander, des Informationsaustausches. Solche Details brauchen unsere Projektmanager nicht mehr zu klären, was insbesondere in der Startphase ein wichtiger Vorteil ist. Noch bedeutsamer scheint es mir, dass das bereits entwickelte Vertrauensverhältnis eine belastbare Basis für die Zusammenarbeit bietet. Man kennt einander. T-Systems hat in den letzten Jahren eine erfolgreiche Projektmanagement- Methodik entwickelt. Mit ihr hat Ihr Unternehmen eine Reihe von Preisen gewonnen. Werden Partner mit dieser Methodik vertraut gemacht? Aber sicher - unsere Partner müssen wissen, wie unser Projektmanagement funktioniert, wie wir gewissermaßen beim Projektmanagement „ticken“. Dieses Stichwort führt zu einem weiteren Vorteil für unsere Projektmanager. T-Systems tritt von Anfang an gemeinsam mit dem Partner beim Kunden auf. Der Kunde bekommt seine IT- und TK-Lösung aus einer Hand. Anders als ein Lieferant ist der Partner oft schon bei der Projektbeauftragung dabei. Wir haben also die Chance, Projekte gemeinsam vorzubereiten und die Meilensteine und Ziele zusammen zu benennen. So können wir uns aufeinander einstellen. Nochmals zu der Vermittlung Ihrer Projektmanagement-Methodik. Darf ich mir dies als Blockseminar vorstellen …? Nein, das sind keine Seminare oder Theorieblöcke. Im Detail werden unsere Prozesse ohnehin beim gemeinsamen Aufsetzen konkreter Projekte vermittelt, also fallweise. Da wir schon direkt beim Projektstart mit unseren Partnern zusammenarbeiten, bleibt dafür auch genügend Zeit - sofern man in Projekten überhaupt von „genügend Zeit“ sprechen kann. Wessen Handschrift trägt das Projektmanagement - die von T-Systems oder des Partners? Die des Kunden! Entscheidend ist, welche Anforderungen und Erwartungen der Kunde an das Projektmanagement hat. Wenn T-Systems dann die Rolle des Projektführers gegenüber dem Kunden übernimmt, werden wir verbleibende Lücken mit den Projektmanagement-Prozessen von T-Systems ausfüllen. DasInterviewführteOliverSteeger. Dr.JürgenKratzvonT-SystemsimGespräch: „StrategischePartnerschaftensindeineguteBasisfür Projektmanagement“ Dr.JürgenKratz,LeiterStrategisches PartnermanagementbeiT-Systems: „AuchProjektmanagerprofitierenvon Unternehmenspartnerschaften.“ Foto: T-Systems projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd59 20.12.200517: 10: 57Uhr 60 NACHRICHTEN +++ PM-Termine +++ PM-Termine +++ ■ Die Automobil- und Zulieferindustrie zählt zu den wichtigsten Branchen in Deutschland. Nach guten Ergebnissen der letzten Jahre stehen die Hersteller heute vor großen Herausforderungen: Marktsättigung in den etablierten Märkten Europas und Amerikas, hoher Kosten- und Innovationsdruck, zunehmende Internationalisierung, Beherrschung von Variantenvielfalt und Produktqualität bei steigender Komplexität der Fahrzeuge, weitreichender Einsatz von Elektronik im Fahrzeug. Diese Anforderungen schlagen sich in erheblichem Umfang auch im Management von Produktentstehungsprojekten nieder. Anlass genug, die aktuelle Entwicklung auf der 3. Automotive-PM-Expertentagung der GPM unter die Lupe zu nehmen. Die Tagung fand am 2. und 3. November 2005 im Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) der BMW AG in München statt. Organisiert und geleitet wurde sie von Prof. Hasso Reschke (Institut für Projektmanagement, München), Reinhard Wagner (EuroEngineering AG, München) und Robert Stadler (Softlab GmbH, München). Angesichts der zunehmenden Verlagerung von Entwicklungsaufgaben von den Automobilherstellern (OEM) zu ihren Zulieferern (Verringerung der Entwicklungstiefe nach Verringerung der Fertigungstiefe) und der damit verbundenen Notwendigkeit zu intensiverer Zusammenarbeit war „Collaborative Automotive Project Management“ als Tagungsthema gewählt worden. Mehr als 160 Teilnehmer kamen zu der Veranstaltung. Insgesamt 26 Referate lieferten ihnen umfangreiche und vielfältige Denkanstöße. Aus der Fülle der Themen seien hier nur einige besonders wichtige herausgegriffen und kurz charakterisiert. VernetzteZusammenarbeit In seinem Eröffnungsreferat griff Wilhelm Becker (früherer Einkaufschef und heute Leiter der Produktlinie „Kleine Modelle“ bei der BMW Group, München) die aktuellen Herausforderungen auf: Zunehmende Konzentration auf Kernkompetenzen beim OEM führt zu einer Verlagerung von Entwicklungsverantwortung zu Partnern und Lieferanten. Dies erfordert eine flexible Anpassung des Projektmanagements für jedes individuelle Projekt. Dabei zeigt die Richtung weg von hierarchischen Projektstrukturen hin zu Netzwerkmodellen, in denen Zulieferer nicht mehr im Auftrag des OEM einzelne Komponenten oder Subsysteme konstruieren, sondern in eine gemeinsame Entwicklungslandschaft integriert sind. Erfolgsfaktoren sind nicht mehr die klassischen Formen der Beauftragung, sondern die Bildung kooperativer Strukturen mit klaren Verantwortlichkeiten, eine saubere Zieldefinition und -verfolgung sowie die Entwicklung von Vertrauen in der täglichen Zusammenarbeit. EineneueberuflicheEntwicklung: Netzwerkmanager? Andreas Meyer-Eggers von der Bertrandt Projektgesellschaft in Ehningen zeigte auf, dass Änderungsmanagement neben Prozess- und Konfigurationsmanagement vor allem auch Schnittstellen- und Netzwerkmanagement ist. Dabei übernimmt der Mensch steigende Verantwortung. Die Unternehmenskultur muss Barrieren in der Zusammenarbeit beseitigen. Definierte Prozesse und Schnittstellen sollen Vertrauen schaffen. Methoden und Tools bedeuten Hilfe und Entlastung. Ein zentraler Änderungskreis mit Unterstützung durch das Project Office beim Dienstleister schließt alle Beteiligten (auch externe und den OEM) ein. StandardsimAutomotive Projektmanagement Kostenreduktion und beschleunigte Produktentstehungsprozesse werfen die Frage nach geeigneten Standards im Projektmanagement auf. Gemeinsame Standards sollen Abläufe vereinfachen, flexibel bei unterschiedlichen Partnern anwendbar sein, einen modularen Aufbau aufweisen und einheitliche Begriffe verwenden. Sie müssen praxisnah handhabbar sein und auch die weichen GPM-Expertentagung: CollaborativeAutomotive ProjectManagement aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd60 20.12.200517: 10: 57Uhr 61 +++ PM-Termine +++ PM-Termine +++ Faktoren berücksichtigen. Armin Raiber (ALCAN Singen) berichtete über die Entwicklung solcher Standards, die eine signifikante Steigerung der Effizienz bewirken. Er verdeutlichte die für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit wesentliche Rolle eines „Translators“, der die Kompatibilität zwischen dem internen Netzwerk des Zulieferers und den multiplen externen Netzwerken der OEMs und der anderen Zulieferer gewährleistet. Dabei steht die Kompatibilität der Prozesse im Vordergrund, erst danach kommen geeignete Tools. Reinhard Wagner warf die Frage auf, ob Standards im Automotive-PM eine Fiktion sind. Dazu hat die GPM-Fachgruppe „Automotive PM“ Ansätze zur Entwicklung und Umsetzung erarbeitet. Welche der heute vorhandenen Standards sind zukunftstauglich und können eine geeignete Basis bilden? Wie viel Standardisierung ist notwendig und sinnvoll (weniger ist mehr)? Wie kann Projektmanagement als Klammerfunktion zur Wirkung gebracht werden? Erste Antworten auf diese Fragen finden sich unter anderem in firmenspezifischen Prozess- und Schnittstellenbeschreibungen, Reifegradmodellen oder speziellen Portalen für „Automotive PM“-Lösungen. Die GPM-Fachgruppe hat sich darüber hinaus zum Ziel gesetzt, bis 2006 eine Empfehlung zu erarbeiten, in der Standards für eine vernetzte Zusammenarbeit definiert werden. Gedacht ist insbesondere an skalierbare Prozessbeschreibungen, den Bezug zu branchenüblichen Begriffen, Methoden und Tools sowie die Darstellung in Form von Input- und Output-Prozessen. Systemintegration Je stärker die Produktentwicklung differenziert wird und je mehr Entwicklungspartner ins Spiel kommen, desto wichtiger wird die Integration von Komponenten, Baugruppen, Modulen und Teilsystemen zu einem fehlerfreien Gesamtsystem (Produkt). Strukturiertes Testmanagement als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Systemintegration sowie optimierte Schnittstellen zwischen OEM und Zulieferern wurden in Form des V-Modells verdeutlicht, in dem den verschiedenen Anforderungsstufen (von der Systembis zur Modulspezifikation) die entsprechenden Applikationen von der Modulbis zur Systemerprobung gegenübergestellt sind. Geeignete Testmanagement-Systeme dienen als Integrationsplattform und ermöglichen einen durchgängigen Informationsfluss von den Requirements bis zu den Defects. Wolfgang Sczypiol (ESG, München) zog in seinem Beitrag Parallelen zwischen der Systemintegration in der Luftfahrtindustrie und im Automobilbereich. 40 Prozent der Herstellkosten eines Systems sind heute bedingt durch Elektronikentwicklung, 90 Prozent aller Innovationen beruhen auf Elektronik oder Software. Er zeigte insbesondere, wie Erfahrungen aus der Luftfahrt auch auf das Automobil übertragen werden können. Wichtige Faktoren sind insbesondere der Einsatz von stufenweiser Integration und Verifikation, die Erweiterung von Subsystem- und Systemtests, die Beherrschung der Konfigurationen (Entwurf, Ausgestaltung, Test, Änderung), das Aufzeigen und die Rückverfolgung von Fehlern und Defekten bis auf Komponentenebene sowie der vermehrte Einsatz von Simulationen und das „Frontloading“. „Frontloading“ bezeichnet dabei den Ansatz, Simulation und Analyse bereits in der frühen Konzept- oder Konstruktionsphase eines neuen Produktes so zu integrieren, dass möglichst viele wichtige Produktentscheidungen durch virtuelle Versuche abgesichert werden können. Fazit Als Fazit der Tagung wurde erkennbar, dass weiterentwickeltes Projektmanagement eine wesentliche Gestaltungs- und Realisierungsfunktion bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen der Automobilindustrie wahrnimmt. Insbesondere die Neudefinition der Rollen von OEMs, Zulieferern und Dienstleistern in der vernetzten Produktentwicklungslandschaft stellt einen wichtigen Meilenstein für die Zusammenarbeit dar. Die Diskussion dazu wird auch bei der Automotive- PM-Tagung in 2006 weitergeführt werden. HassoReschke, InstitutfürProjektmanagement, reschke@pm-institut.de projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd61 20.12.200517: 10: 57Uhr