PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2006
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Gesellschaft für Projektmanagement3 REPORT projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell D as Jahr des Feuerhundes ist angebrochen. Die Chinesen haben das mit Mythen überladene Neujahr mit Feiern begrüßt. Hongbao, ein Kuvert mit einem Geldgeschenk, machte die Runde; das Hongbao symbolisiert das Weiterleiten guter Wünsche. Zum Jahreswechsel haben auch Wahrsager, die in Asien ein deutliches Wort bei Prognosen mitzureden haben, Hochkonjunktur. Sie deuteten ausgiebig die Zeichen für 2006. Für die Schifffahrt und den Möbelbau sei zwar nichts Gutes zu erwarten (Holz und Wasser vertragen sich nicht mit Feuer). Doch werden der Bausektor und die Immobilienwirtschaft prosperieren. „Denn das Feuer ist ein Erdzeichen“, erklärte Feng-Shui-Meister Ang Chong Peng im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es mag Zufall sein, dass derzeit tatsächlich die Baubranche in China der kräftigste Wachstumsmotor ist. Experten von Morgan Stanley haben errechnet: Der Wert der in Bau befindlichen Immobilien entspricht einem Drittel der gegenwärtigen Gesamtwirtschaftsleistung Chinas. Die in den Metropolen allerorts anzutreffenden Kräne sind Teil des gewaltigen Wirtschaftsbooms. „Der chinesische Drache fliegt weiter“, prognostiziert das Institut der deutschen Wirtschaft (Köln). Für das laufende Jahr rechnet das Institut mit einem Wachstum von 8,5 Prozent. „Früher als erwartet hat China in der Rangliste der Wirtschaftsriesen Länder wie Großbritannien oder Frankreich hinter sich gelassen“, meint Peter Tichauer, Chefredakteur des Fachblatts ChinaContact. Das Land werde aller Voraussicht nach in diesem Jahr hinter den USA, Japan und Deutschland auf Platz vier vorrücken. „Als Zwischenstation auf dem Weg zur Spitzenposition“, wie Tichauer schätzt. Vor fünfzehn Jahren wäre Tichauer für solch eine Prognose belächelt worden. Doch binnen weniger Jahre hat sich im Reich des Drachens ein scheinbar grenzenloser Markt aufgetan. Es ist, als sei mit einem Mal ein neuer Erdteil zur globalisierten Welt hinzugekommen - und China: Mit Großprojekten an die Weltspitze Wirtschaftsboom hält im „Jahr des Feuerhundes“ an Oliver Steeger Anfang Februar feierten die Chinesen ausgelassen das Neujahrsfest. Das Jahr des Feuerhundes, so will es der traditionelle chinesische Kalender, brach an. Nach fünf Jahren stetigem Aufschwung hält man das Symboltier im Reich der Mitte für ein gutes Omen. Auch nüchtern beobachtende Volkswirte prognostizieren der Volksrepublik anhaltendes Wirtschaftswachstum. Mit einem gewaltigen Kraftakt und ehrgeizigen Projekten baut das Land von der Größe Europas seine Infrastruktur aus - Kraftwerke, Flughäfen, Straßen und Eisenbahnen braucht das Land. Rund 600.000 Projektmanager will China mittelfristig qualifizieren - ein Indiz, dass das Land auch in puncto Projektmanagement auf dem Weg zur Weltspitze ist. Shanghai gilt als eine der großen Boomregionen Chinas. Foto: Siemens AG 4 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 eine ehrgeizige Nation dazu. China will mit aller Kraft zur Wirtschaftssupermacht aufsteigen. Je schneller, desto besser. Man kauft im globalen Supermarkt ein: Straßen und Flughäfen, Fabriken und Maschinen, Kraftwerke und Forschungseinrichtungen. Dass China die Weltspitze erreicht, scheint für viele Beobachter außer Frage zu stehen. Sie orakeln nur, wann es so weit sein wird - und welche Folgen dies für die alten Wirtschaftsmächte hat. Großaufträge für die deutsche Wirtschaft Der China-Boom stützt derzeit die deutsche Exportwirtschaft. Aufträge aus China verheißen schlagzeilenträchtige Großprojekte. Siemens vermeldete im Spätherbst letzten Jahres den Auftrag für 60 Hochgeschwindigkeitszüge, ein Volumen von fast 670 Millionen Euro. „Damit können wir die langfristige Partnerschaft der deutschen und chinesischen Eisenbahnindustrie weiter ausbauen“, freute sich der Siemens-Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld. Im Januar kündigte Degussa an, sie werde in den nächsten fünf Jahren jährlich 100 Millionen Euro in China investieren. Der Softwarehersteller SAP gab bekannt, er werde ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum in Shanghai bauen; ab dem Jahre 2009 sollen hier rund 1.500 Forscher arbeiten. Die Hochtief AG meldete, sie wolle sich an einem Flughafen in der ostchinesischen Provinz Shandong beteiligen und für 100 Millionen Euro Aktienanteile erwerben. Bis 2020 will China einen bescheidenen Wohlstand für seine Bürger erreichen. Angesichts des wirtschaftlichen Kraftakts ein schlicht anmutendes Ziel. Doch hat China den Wohlstand gleich von 1,3 Milliarden Menschen im Sinn. Dies zwingt zum Wirtschaftsboom, und der Boom wiederum zwingt zu großen Projekten: Die Infrastruktur Chinas - Straßen, Flughäfen, Kraftwerke - kann trotz aller Anstrengungen mit dem Fortschritt kaum mithalten. Statistik: Jeden Monat eröffnen fast zwei Flughäfen So steigerte China binnen fünf Jahren die Zahl der Flughäfen auf 170. Bis 2010 sollen es 240 sein; rein rechnerisch eröffnen monatlich fast zwei Airports. Ähnliches gilt für das Straßennetz. Allein 2004 hat China 4.600 neue Autobahnkilometer gebaut. Bis 2010 will die Volksrepublik ihr Straßennetz (einschließlich Landstraßen) auf 2,3 Millionen Kilometer ausbauen. Trotzdem, künftig werden immer noch Kapazitäten fehlen. Die Zahl der zugelassenen Autos soll jährlich um zehn Prozent steigen, die Transportfähigkeit der Straßen aber nur um drei Prozent. Dies erklärt das Interesse an intelligentem Verkehrsmanagement. Mit dem EU-Projekt DYNASTY (Dynamic Traffic Information Service) und Der Transrapid-Auftrag sorgte für Schlagzeilen. Er gilt als deutsches Vorzeige-Projekt im Reich der Mitte. Foto: Siemens AG 5 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell dem deutsch-chinesischen TRANSIT-Projekt will man der Verkehrslawine Herr werden und auch im Verkehrsmanagement zur Weltspitze aufschließen. Ähnliches gilt für den Energiesektor. Hier sind die Zuwachsraten vierbis fünfmal größer als im Rest der Welt. Bis 2020 will die Regierung jährlich zwei Kernkraftwerke bauen und die Kapazität auf 40 Gigawatt mehr als vervierfachen. Ein gigantisches Vorhaben, das Fachleuten allerdings angesichts der Energieprobleme als „Tropfen auf dem heißen Stein“ erscheint. So soll auch der Kohleverbrauch bis zum Jahr 2025 um 76 Prozent steigen und regenerative Energiequellen gelten ebenfalls als eine Technik mit großem Zukunftspotenzial. 600.000 Projektmanager mittelfristig benötigt Für diese Vorhaben benötigt China gut ausgebildete Projektmanager. 6.000 Projektmanager sind derzeit nach dem Standard der „IPMA International Project Management Association“ zertifiziert. Den Bedarf schätzen die Behörden allerdings auf 600.000 Projektmanager - allein schon, um die Infrastrukturprojekte voranzutreiben. Die Regierung hat das Defizit erkannt und fördert die Ausbildung wie auch das Projektmanagement selbst. Auch die IPMA trägt dem Rechnung: Der 20. IPMA-Weltkongress wird vom 15. bis 17. Oktober 2006 in Shanghai stattfinden. An Chinas Wirtschaftswunder wollen viele westliche Unternehmen teilhaben. Die Furcht geht um, dass Unternehmen, die jetzt nicht auf den Zug aufspringen, in einigen Jahren bedeutungslos werden. Wer in China die Pole- Position hat, macht auch global das Rennen. Doch vermehrt melden sich kritische Stimmen, die die Euphorie dämpfen. Hierzu erheben insbesondere aus China stammende Berater sowie langjährige China-Kenner aus westlichen Staaten die Stimme. Ein Beispiel: Mehrere tausend Flugzeuge dürfte China in den nächsten Jahrzehnten für seine Fluglinien bestellen. Als Airbus Ende Dezember letzten Jahres den Auftrag für 150 Flieger erhielt, war dies nur der bescheiden wirkende Anfang. Doch der Deal hatte einen Haken. Die Endmontage der Flugzeuge sollte, so die Bedingung, in China stattfinden. Die Endmontage macht mit fünf Prozent der gesamten Wertschöpfung wirtschaftlich durchaus Sinn. Wichtiger aber ist der Transfer von Technologie. „Das Muster ist immer gleich“, kommentiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „China besorgt sich ausgefeilte Technologie westlicher Länder, kopiert sie und wirft Nachahmerprodukte, die wegen der niedrigen chinesischen Löhne konkurrenzlos billig sind, auf den Weltmarkt.“ Mit westlichem Know-how den Weltmarkt erobern? Neu ist die Taktik nicht. Vor rund 170 Jahren hat das seinerzeit wirtschaftlich rückständige Deutschland Lokomotiven aus dem Industrieland Großbritannien importiert, sich die Technik zu Eigen gemacht, weiterentwickelt - und selbst eine florierende Bahnindustrie aufgebaut, von deren Ruf Siemens heute noch zehrt. Die Gefahr droht, dass China mit billigen Löhnen und westlichem Know-how nicht nur seinen eigenen Markt deckt, sondern den ganzen Weltmarkt dazu. Siemens-Aufsichtsrat Heinrich von Pierer musste das Thema „Technologie-Diebstahl“ zur Chefsache erklären, als China im Februar die Entwicklung und den Bau einer eigenen Magnetschwebebahn verkündete. Ab Juli soll ein Prototyp auf der 1,7 km langen Versuchsstrecke bei Shanghai fahren; möglicherweise schon in fünf Jahren könnte der Zug unter dem Namen „Zhui“ auf den Markt kommen. Dieses Projekt der Chinesen sei bei Siemens bekannt, versuchte Ex-Manager von Pierer die Wogen zu glätten. Und es gebe „keine Hinweise, dass sie deutsche Technologien abgekupfert haben“. Dem Urteil schlossen sich auch Experten der Deutschen Bahn AG an. Hoffentlich behalten die Fachleute Recht. Immerhin sind die wesentlichen Unternehmen deutlich vorsichtiger geworden. Ihre Projektmanager geben sich Mühe, sich gegen die Wissbegierde ihrer chinesischen Partner zu schützen - und erleben doch immer wieder böse Überraschungen. Ein mittelständischer Hersteller gibt Pläne für die Produktion von Bauteilen aus der Hand; wenige Zeit später finden sich die Pläne bei Mitbewerbern. Ein Kraftwerkhersteller baut gemeinsam mit chinesischen Subunternehmern ein Kraftwerk - und muss sich bei Folgeprojekten mit der Rolle eines Beraters zufrieden geben. Die Wirtschaftswoche zitiert die Studie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dass in Branchen wie Werkzeugmaschinen, Textilmaschinen, Pumpen oder Kompressoren jedes zweite Unternehmen negativ betroffen ist und Umsatzrückgänge von bis zu 50 Prozent beklagt. Grelles Licht und finsterer Schatten liegen in China offenbar dicht beieinander. Ohne das notwendige persönliche Netzwerk („Guanxi“ genannt) kann ein Manager in China kaum Fuß fassen. Und eben über dieses Netzwerk fließen dann und wann auch Strategiepapiere und Blaupausen an Mitbewerber ab. Verstehen sich die Pro- Die rasante Entwicklung in Asien und im globalen Markt bildet einen Diskussionsschwerpunkt auf dem „20. IPMA World Congress on Project Management“. Er findet - bezeichnenderweise - in der Wirtschaftsmetropole Shanghai statt. Am 16. und 17. Oktober 2006 werden in der Metropole rund 1.500 Projektmanagement-Fachleute erwartet. Unter dem Leitsatz „Development by Project - a key to an innovative age“ planen die Organisatoren 13 Themenstreams. Außerdem sollen zur geplanten Olympiade 2008 (Beijing) und zur EXPO 2010 (Shanghai) Hintergrundveranstaltungen stattfinden. Höhepunkt des Kongresses wird die Verleihung des „IPMA International Project Management Awards“ auf einer festlichen Abendgala am 16. Oktober. Dank seines Wirtschaftswachstums genieße China eine hohe Aufmerksamkeit der Projektmanagement-Fachleute aus aller Welt, erklärt IPMA-Präsident Adish Jain in seiner Einladung. Mit der Wahl von Shanghai als Veranstaltungsort findet der IPMA-Traditionskongress das zweite Mal außerhalb Europas statt. Der Kongress wird von dem chinesischen „PMRC Project Management Research Committee of China“ mit Unterstützung eines „International Advisory Board“ der IPMA vorbereitet. Hochkarätige PM-Experten aus aller Welt haben bereits ihre Teilnahme zugesagt. Neben dem Fachprogramm bietet der Kongress eine Reihe von Gelegenheiten, China mit seiner jahrtausendealten Kultur kennen zu lernen. Weitere Informationen: www.ipma2006.com. Spezielle Fragen der GPM-Mitglieder beantwortet IPMA-Vice-President Otto Zieglmeier unter O.Zieglmeier@IPMA.ch. IPMA-Weltkongress 2006 in Shanghai 6 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Der Unternehmensberater Dr. Kang Gang Hu gehört zu den wenigen Spezialisten, die sowohl die chinesische als auch die deutsche Wirtschaft gründlich kennen. Er hat in Darmstadt promoviert und anschließend für Volkswagen, Wella und Putzmeister federführend Standorte in seinem Heimatland aufgebaut. Vor sechs Jahren wurde er zum Manager des Jahres der Provinz Shanghai gewählt. Herr Dr. Hu, mit der Wirtschaft in China boomt auch das Projektmanagement. Welche Projekte bilden derzeit das Schwergewicht? Dr. Kang Gang Hu: Nur einmal die staatlichen Projekte betrachtet: Hier stehen Infrastrukturprojekte im Augenblick an vorderster Stelle, beispielsweise in den Bereichen Verkehr, Energie und Kommunikation. Die Regierung sieht sich aber zunehmend in der Pflicht, auch Projekte zur Arbeitssicherheit, zur Medizin und zum Umweltschutz zu starten. Hinzu kommen viele Projekte der Wirtschaft, beispielsweise Forschung und Entwicklung, Fabrikbauten und Ähnliches. An vielen dieser Projekte sind westliche Unternehmen beteiligt, für die das eine Gratwanderung ist: Zum einen können sie China mit Spitzentechnologie unterstützen, zum anderen droht ihr Know-how an chinesische Mitbewerber abzufließen. Dieses Risiko ist, wenn man die derzeitige Lage in China betrachtet, leider unvermeidbar. Die chinesische Regierung arbeitet allerdings daran, den Rechtsrahmen zu verbessern. Nach meiner Kenntnis wurden bereits deutliche Erfolge erzielt. Vielen Unternehmen reichen diese staatlichen Erfolge noch nicht aus. Wie können Unternehmen ihr Know-how schützen? Wichtig ist, die chinesischen Partner sorgfältig auszuwählen. Ihre technische Basis, Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit und noch viel mehr - all dies gehört auf den Prüfstand. Dann sollten westliche Unternehmen ihr Know-how selbst schützen. Beispielsweise sollten sie Patente rechtzeitig in China registrieren. Und sie sollten den Schutz des Know-hows vertraglich mit den Partnern regeln, was natürlich nur funktioniert, wenn der Partner vertrauenswürdig ist. Auch sollten sie Kerntechnologie möglichst in eigener Hand belassen. Das ist aber nicht immer leicht. Ihre Hinweise klingen nach einer langen Liste von möglichen Maßnahmen, die Projektmanager in ihrer Risikoanalyse vermerken können … Richtig! Maßnahmen zu finden ist kein großes Kunststück. Die Schwierigkeit besteht darin, sie auch umzusetzen. Denn bei aller Vorsicht darf das Vertrauen zu den chinesischen Partnern und Lieferanten als Fundament der Kooperation durch diese Maßnahmen nicht verletzt werden. Ein Punkt, der auch für Verträge gilt … Ja, das gleiche Prinzip: So viel Vertrauen wie möglich, so wenig Kontrolle wie nötig. Anders als im Westen reicht allein ein Vertrag für eine gute Zusammenarbeit mit chinesischen Auftraggebern nicht aus, gleich, wie ausführlich der Vertrag ist. Als Grundlage ist das gegenseitige Vertrauen mindestens genauso wichtig. In diesem Zusammenhang wird das in China erforderliche persönliche Netzwerk erwähnt … Das „Guanxi“ meinen Sie? Richtig, der Begriff ist hierzulande schon verbreitet und wird verstanden. Hoffentlich richtig verstanden! Manche halten das Guanxi für ein Zaubermittel, das alle Probleme löst. Sie haben den Kern nicht ganz verstanden: Hauptprinzip des Guanxi ist immer eine Win- Win-Situation, wie man im Westen sagt. Es bedeutet sowohl Chance und Gewinn als auch Pflicht und Schuld. Das Guanxi ist ein zweischneidiges Schwert, und man muss bedachtsam damit umgehen. Projektmanager sagen, sie müssten in China wesentlich mehr vor Ort bei ihren Partnern sein und den persönlichen Kontakt pflegen. Ja, der persönliche Kontakt ist besonders wichtig. Den Projektstatus sollten sie am besten vor Ort mit den Partnern besprechen. Für die Endabnahme des Projekts ist dies auf jeden Fall ein Pflichtpunkt; sie muss besonders professionell durchgeführt werden. Und: Auf Fallen achten. Welche persönlichen Eigenschaften sollte ein Projektmanager mit nach China bringen? Darüber ist viel geredet und geschrieben worden. Letztlich kann ich dies aber nur subjektiv, aus meinen Erfahrungen beurteilen. Bitte! Ich halte Verständnis für die chinesische Kultur und Mentalität für sehr wichtig. Dann eine Kombination aus Beharrlichkeit, Sorgfalt und Flexibilität. Hilfreich sind auch ein gutes Beurteilungs- und Bewertungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein, Kreativität und professionelle Verhandlungstechnik. Wie sollten sich Projektmanager auf ihren ersten Einsatz in China vorbereiten? Die gute Vorbereitung ist ganz entscheidend für die Arbeit in China. Man kann sich nie genügend vorbereiten. Entscheidend ist eine präzise Vorstudie des Projekts mit allgemeinen Informationen zu den Rahmen- und Randbedingungen, aktuellen Gegebenheiten auf dem betroffenen Markt. Dann selbstverständlich projektbezogene Informationen über den Partner, über den finanziellen, rechtlichen, technischen und organisatorischen Hintergrund und über die Human Resources. Einige Projektmanager klagen, in ihrem Unternehmen hätten sie nicht genügend Spielraum für diese Vorbereitungen. Ich sehe die Unternehmen in diesem Punkt in die Pflicht genommen. Sie müssen die Vorbereitungen rechtzeitig anstoßen, steuern und unterstützen. Sie müssen den Zugang zu Informationen ermöglichen und dem Projektleiter Zeit, die nötigen finanziellen Mittel und Ressourcen an die Hand geben. Das ist aus meiner Sicht eine wichtige Aufgabe des Top-Managements. Weitere Informationen: www.ge-as.cn „Die chinesische Regierung arbeitet an der Verbesserung des Rechtsrahmens“ Dr. Kang Gang Hu begleitet als Geschäftsführer der Unternehmensberatung GE-AS Co. Ltd. deutsche Unternehmen auf dem Weg nach China. Foto: privat 7 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell An Elektrizität mangelt es häufig in China. Nur mit Mühe können die Versorger den ständig wachsenden Bedarf decken. Projektmanager Michael Emsberger hat sich am Bau des zurzeit größten chinesischen Kohle-Kraftwerks beteiligt. Das in Stuttgart ansässige Unternehmen lieferte die Dampfkessel und die zugehörigen Aggregate für die Anlage. Die Turbinen kamen von Siemens, die Leittechnik von Hitachi. Herr Emsberger, die Energieversorgung gilt als Achillesferse des Wirtschaftsbooms in China. Michael Emsberger: Ja, deswegen arbeitet man in China auch intensiv an der Sicherung der Energieversorgung. Um die Kraftwerke auszulasten, werden Anreize geschaffen, nachts zu arbeiten; für die Nachtstunden wird der Strom verbilligt. Trotzdem: Bei Überlast werden sogar ausgesuchte Großabnehmer vom Netz abgeschaltet. Ihr Unternehmen hat Kesselanlagen für zwei Kraftwerkblöcke geliefert. Diese Kohle-Kraftwerke sind die derzeit größten in China. Ja. Eine Zahl, damit man sich die Größenordnung vorstellen kann: Wir haben 30.000 Tonnen Stahl und 15.000 Tonnen Stahlrohre verbaut. Davon wurde aber ein großer Teil von chinesischen Partnern geliefert. Die deutsche Wirtschaft fürchtet bei China-Projekten den Abfluss ihres Knowhows. Haben Sie bei Ihrem Projekt in China ähnliche Erfahrungen gemacht? Wir waren vertraglich verpflichtet, viele Dokumente herzugeben - vor allem an so genannte Design-Institute, die unseren Ingenieurbüros vergleichbar sind. Die Partner für Lieferungen benötigten auch genügend Konstruktionszeichnungen für die Produktion. Die Chinesen sind sehr wissbegierig … Inwiefern? Obwohl alles besprochen war, zogen sich manche Meetings in die Länge. Man wollte immer mehr wissen, stellte technische Detailfragen und forderte Einsicht in weitere Dokumente. Mussten Sie auch für Ihr Unternehmen sensible Informationen offen legen? Das war ein ständiges Ringen mit den Partnern, welche Dokumente wir zugänglich machen mussten - und welche nicht. Letztlich haben wir für uns wichtige Informationen aber unter Verschluss halten können. Sie haben seitens Alstom mit bis zu 30 Mitarbeitern aus Deutschland in Shanghai die Gespräche geführt. Die Verhandlungen gestalteten sich nicht leicht … Solche Gespräche sind nie leicht. Man muss auf Überraschungen gefasst sein. Mal saßen die Schlüsselpersonen nicht am Verhandlungstisch, mal zogen sich die Gespräche lange ohne Fortschritt hin. Oft haben wir bis weit nach Mitternacht diskutiert - eine klare „Weichmachtaktik“. Ein anderes Mal wurden vom chinesischen Gesprächspartner einseitige Forderungen gestellt. Wie sind Sie mit solchen Forderungen umgegangen? Zunächst einmal haben wir Zeit einkalkuliert. Entscheidungen sollte man nicht zu hartnäckig fordern. Andererseits: Reagiert der chinesische Verhandlungsführer zu energisch, wird der betreffende Punkt vertagt. Generelle Prinzipien - beispielsweise sehr weitreichende Vertragsbedingungen - sollte man nicht unbedingt akzeptieren; stattdessen eigene Punkte darstellen. Ganz unpassend ist es aber auch gegenüber Lieferanten, arrogant aufzutreten. Das erzeugt nur Gegendruck. Gab es Sprachprobleme? Ja! Englisch war die Vertragssprache, und doch sprachen die Mitarbeiter des Kunden meist nur chinesisch. Wir hatten zum Glück eigene Dolmetscher dabei. Sie waren vorher eingewiesen worden, nicht nur die Worte, sondern auch die Reaktionen beim Kunden zu übersetzen. Nochmals zum Technologie-Abfluss. Haben Sie festgestellt, dass Ihre Unterlagen über das in China so ausgeprägte persönliche Netzwerk verbreitet wurden? Wir haben beobachtet, dass Informationen, die wir an lokale Lieferanten gegeben haben, früher oder später auch beim Kunden auf dem Schreibtisch lagen. Manchmal hatten wir den Eindruck, dass unsere örtlichen Unterlieferanten einen besseren Draht zu unserem Kunden hatten als wir selbst. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit regionalen Subunternehmern gestaltet? Sehr unterschiedlich. Die Qualität einiger Lieferanten kann man sich auch im Westen als Vorbild nehmen. Bei anderen war zwar die Technik hervorragend, doch ihr Management ließ zu wünschen übrig. Dort wechselten beispielsweise ständig unsere Ansprechpartner. Von wieder anderen Lieferanten haben wir überhaupt keine Antworten auf unsere Anfragen bekommen. Wie schwierig war es, in Shanghai Spezialisten für Ihr Team anzuwerben? Wir hatten in zweifacher Hinsicht Glück. Als wir unser Projekt gestartet haben, liefen gerade eine Reihe anderer Kraftwerksprojekte aus. Es gab also freie Spezialisten. Und wir verfügten aus vorangegangenen Projekten über ein „ALS- TOM“-Netzwerk, über das wir auf diese Spezialisten zugreifen konnten. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den chinesischen Mitarbeitern in Ihrem Team? Die Spezialisten sind sehr selbstbewusst. Sie wollen selbständig arbeiten, und auch beim Gehalt kennen sie sehr gut ihren Marktwert. Unternehmen, die auch für chinesische Spezialisten Billiglöhne erwarten, werden also enttäuscht? Auf jeden Fall, vor allem in den Wirtschaftsmetropolen mit hohem und vergleichsweise kostspieligem Lebensstandard. Beim Gehalt verstehen nicht nur die Spitzenkräfte das Pokerspiel. Und bei attraktiven Angeboten wechseln sie schnell mal den Arbeitgeber. „Man wollte mehr über unser Know-how wissen“ Als Projektmanager erfolgreich in China: Michael Emsberger Foto: privat 8 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 jektverantwortlichen aus dem Westen auf die Spielregeln des Guanxi noch nicht, so kennen die chinesischen Partner kein Pardon. „Die Rechtsunsicherheit muss man akzeptieren“ „Sogar Geheimhaltungserklärungen und vertragliche Absicherungen muss man mit Vorsicht betrachten“, berichtet Unternehmensberater Matthias Feil, Vorstand und China-Experte bei der Staufen Akademie (Bad Boll). Auch Joint Ventures mit Forschungszentren seien gefährlich. „Die Rechtsunsicherheit muss man einfach akzeptieren“, meint auch Feils Kollege Jörg Bovensmann. Er hat eine Reihe mittelständischer Unternehmen nach China begleitet. Feil ergänzt: „Wir empfehlen Unternehmen, Komponenten mit Kerntechnologie im Zweifelsfall besser in Deutschland zu produzieren.“ Der Berater Kang Gang Hu versteht sich mittlerweile auch als Mahner und Warner in Deutschland (siehe Interview). „China ist anders“, sagt er, „ganz anders.“ Irrig sei die Annahme, man müsse nur ein Händchen für die chinesische Mentalität haben. Ganz im Gegenteil: Die Differenzen zwischen Ost und West sind enorm, und sie berühren fast alle Wirtschaftsbereiche. Beispiel Human Resources: China gilt als Billiglohnland - sofern Unternehmen keine akademisch qualifizierten chinesischen Mitarbeiter wie Ingenieure, IT-Fachleute oder Betriebswirte suchen. Rund 37.500 MBA-Absolventen werden nach Schätzung der Erziehungskommission der Stadt Shanghai in diesem Jahr benötigt. Doch nur 12.000 Absolventen haben im vergangenen Jahr ein solches Studium abgeschlossen. In China rasch wachsende Unternehmen wie Degussa oder der französische Kosmetikhersteller L’Oréal haben nach Informationen der Wirtschaftswoche inzwischen große Schwierigkeiten, geeignete Nachwuchskräfte zu rekrutieren. Zudem steigt im Wettbewerb um die besten Köpfe die Fluktuationsrate. Nur Gehaltssteigerungen um jährlich 13 bis 14 Prozent halten die Mitarbeiter bei Laune. Noch wichtiger als Geld sind chinesischen Mitarbeitern die Karrieremöglichkeiten und das direkte Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten. Wer auf diese Bedürfnisse nicht eingeht, dem gehen die Mitarbeiter von der Fahne. Beispiel Lieferanten und Sourcing: Westlichen Unternehmen wird in vielen Fällen vorgeschrieben, chinesische Subunternehmer in ihre Projekte einzubeziehen. Anders als in Europa gestaltet sich die Suche nach diesen Partnern aber sehr schwierig. Josef Luerkens, über Jahre Beschaffungsmanager Asien bei INA Schaeffler, hat bei chinesischen Lieferanten beispielsweise starke Qualitätsschwankungen festgestellt. In China müsse man mehr Geld für die Entwicklung der Lieferanten und mehr Zeit für Verhandlungen einkalkulieren. Der heute als Berater tätige Fachmann: „Regelmäßige Besuche, Kontrollen und Schulungen kosten Zeit, Geld, Nerven und Geduld.“ Dies gelte auch für das Aushandeln von Verträgen. Beispiel Binnenmarkt China: „Der Markt in China ist gewaltig, kompliziert, ungleichmäßig und von strengem Wettbewerb geprägt“, erklärt Mi Zhang, General Manager der Mobiltelefongesellschaft „Longyue Telecom Equipment Company“ (Guangzhou). Ein vergleichsweise schmaler Streifen an der Ostküste sei derzeit wirtschaftlich hoch entwickelt, wobei dieser „Speckgürtel“ und die wichtigeren Städte mehr als die Hälfte des chinesischen Markts ausmachen. Binnennachfrage in China muss wachsen Mit eigener Erfahrung und Beratern vor Ort haben Projektmanager gute Chancen, diese Klippen zu umfahren. Auf die Gefahr des Know-how-Abflusses haben westliche Unternehmen bereits taktisch geschickt reagiert. Apple beispielsweise produziert seine Unterhaltungselektronik in China; das Unternehmen treibt seine Entwicklung so schnell voran, dass Nachahmern kaum Zeit bleibt, die Produkte zu kopieren. Einige Beobachter setzen allerdings generelle Fragezeichen hinter das Wirtschaftswunder in China. „Die Firmen bauen dort große Kapazitäten auf - dafür muss aber auch die dortige Binnennachfrage in Schwung kommen“, sagt Dr. Volker Treier, Referatsleiter Konjunktur- und Wachstumspolitik beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Research-Abteilung der Deutschen Bank weist deutsche Investoren ebenfalls auf die geringe Kaufkraft der Bevölkerung hin - und hält auch die Eskalation sozialer Unruhen für möglich, wenn marode Staatsbetriebe entlassen müssen oder die Zahl arbeitsloser Landarbeiter weiter steigt. Auch eine Überhitzung der Wirtschaft und ein sich ändernder politischer Rahmen werden als Risiko genannt. Einig sind sich die Auguren allerdings in einem Punkt: Gefährlicher als dies alles ist es nur, sich nicht mit China zu beschäftigen und die Chancen in diesem Land zu verpassen. n China bildet immer mehr Ingenieure aus. Auch die Zahl der Projektleiter soll steil ansteigen - von derzeit 6.000 auf künftig 600.000. Foto: Siemens AG 9 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Einmal im Jahr hält der Bundesrechnungshof den Bundesbehörden in Sachen Wirtschaftlichkeit den Spiegel vor, wenn der jährliche Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Ulrich Ditzen: Der öffentliche Bericht ist nur die Spitze des Eisbergs, ein für die Öffentlichkeit bestimmtes Substrat unserer Arbeit. Viele der hinter den Bemerkungen stehenden Arbeiten müssen aber vertraulich bleiben. Das, was Sie lesen, ist eine Auslese aus rund eintausend Prüfungen pro Jahr. 1999 haben Sie in Ihrem Bericht festgestellt, dass Projektmanagement in den Behörden nicht ausreichend angewendet wird. Hat diese Bemerkung Früchte getragen? Horst-Dieter Ritter: Angesichts der Vielfalt von Behörden und Aufgaben kann man heute nur schwer ein einheitliches Bild zeichnen. Aber es gibt viele Zeichen, dass sich die Situation verbessert hat - gerade in der letzten Zeit! Es wurde nach unserer Bemerkung im Bundesministerium des Inneren sehr bald ein Praxisleitfaden für Projektmanagement entwickelt, erprobt und als verbindlicher Standard festgelegt. Das war ein bedeutender Schritt. Ditzen: Wir beobachten, dass die Zahl der Projekte immer mehr ansteigt. Und wir stellen fest, dass diese Projekte auch besser abgewickelt werden. Darin sehen wir einen Fortschritt. Wir wissen aber auch, dass die Rahmenbedingungen für das Projektmanagement bei Behörden noch schwierig sind. Seit wann ist Projektmanagement ein Thema beim Bundesrechnungshof? Ditzen: Im Bereich der IT-Prüfungen kam das Thema schon sehr früh auf, etwa zu dem Zeitpunkt, als auch die Privatwirtschaft die Chancen des Projektmanagements erkannte. Ritter: Im Bereich Organisation wird es seit etwa Anfang der neunziger Jahre diskutiert. Seitens der Politik forderte man unter dem Begriff „Schlanker Staat“ verschiedene Modernisierungen, zu denen auch das Projektmanagement gehört. Welche Möglichkeit hat der Bundesrechnungshof, das Projektmanagement im öffentlichen Bereich zu verbessern? Ditzen: Wir schreiben über die Ergebnisse unserer Prüfungen. Wir sind aber nicht berechtigt, in die Tätigkeit der Behörden einzugreifen. Wir empfehlen und fordern auf. Dies klingt nach einem stumpfen Schwert. Ditzen: Der Bundesrechnungshof wendet sich mit seinen Empfehlungen an die Verwaltung, insbesondere auch an das Parlament, das ja das Budgetrecht hat und damit auch das Recht zur Haushaltskontrolle. Über den Bundestag können Sie Einfluss nehmen? Ritter: Das Parlament greift unsere Bemerkungen auf und berücksichtigt sie in entsprechenden Aufträgen an die Behörden. In Ihren Jahresberichten wird das Thema Projektmanagement immer wieder genannt. Welche Vorteile bietet Projektmanagement insbesondere den Behörden? „Einigen Behörden fällt es schwer, Ziele zu formulieren“ Bundesrechnungshof: Schwierige Rahmenbedingungen für Projekte in Behörden Oliver Steeger In puncto Projektmanagement sprach man beim Bundesrechnungshof deutliche Worte. Die in Bonn beheimatete Behörde stellte bereits 1999 bei der Prüfung mehrerer Ministerien fest: „Projektmanagement kam bei einer Reihe von Vorhaben nicht zum Zuge, obwohl es der herkömmlichen Organisationsform überlegen gewesen wäre.“ Und: Soweit die Behörden damals doch mit Projektmanagement arbeiteten, setzten sie nicht die nötigen Management-Werkzeuge ein. Häufig fehlten angemessene Planungen für Projektziele, Projektstruktur, Kosten, Termine und Qualitätsanforderungen. Auch die laufende Projektüberwachung war nicht ausreichend. Seither sind sieben Jahre vergangen. Die Berichte aus Bonn fielen in Berlin auf fruchtbaren Boden. Die Zahl der Projekte - auch die der gut gemanagten - hat zugenommen. So entwickelten das Bundesministerium des Inneren und das Bundesministerium für Finanzen verbindliche Projektmanagement-Leitfäden. Dennoch fällt es vielen Behörden schwer, diese wirtschaftliche Arbeitsform noch konsequenter einzusetzen. Im Gespräch erläutern Ministerialrat Dr. Horst-Dieter Ritter, Leiter des Prüfungsgebiets „Organisation I“, und Ministerialrat Dr. Ulrich Ditzen, Leiter des Prüfungsgebiets „Informations- und Kommunikationstechnik“, die Hintergründe. 10 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Ritter: Man denkt zunächst an Bauprojekte und Ähnliches als an die klassischen Projekte. Das ist richtig. Es gibt aber auch eine große Anzahl von Reorganisations- und Restrukturierungsprojekten, bei denen sich Projektmanagement rentiert hat - und noch weiter rentieren könnte. Gerade in diesem Punkt hat es in den letzten Jahren Bedarf gegeben. Bundesbehörden sollen den Bürger als Kunden verstehen. Dies setzt voraus, dass man Behörden reorganisiert. Auch dafür kann und soll Projektmanagement eingesetzt werden. Ditzen: Projektmanagement trägt dazu bei, Projektergebnisse zu verbessern. Die Vorhaben können schneller durchgeführt werden, und sie werden - was uns besonders interessiert - durch Projektmanagement wirtschaftlicher abgewickelt. Es können deutlich Finanzmittel gespart werden. Die Vorteile, die Sie nennen, sind ja von wissenschaftlichen Studien untermauert und in der Praxis der Wirtschaft bestätigt worden. Gibt es weitere Vorteile speziell für Behörden? Ritter: Ja. Projektmanagement unterstützt die Bündelung von Fachwissen. Es hilft, die Koordination zu vereinfachen und den Abstimmungsaufwand zu vermindern. Die Aufgaben werden flexibler erledigt. Auch ermöglicht Projektmanagement eine direktere Führung. Ditzen: Wir beobachten immer wieder, dass mit Projektmanagement einzelne Fachinteressen zusammengeführt und auch konzeptionelle Aufgaben der Ressorts wesentlich unterstützt werden können - besonders dann, wenn sie mit bedeutendem finanziellen Volumen, großer politischer Bedeutung und hohem Zeitdruck verbunden sind. Ritter: Wichtig zu erwähnen ist noch, dass Projektmanagement dazu beiträgt, die Bildung zusätzlicher Kleinstreferate zu vermeiden. Kleinstreferate? Ritter: Ja, für viele Sonderaufgaben richtete man diese Mini-Referate ein, bei denen ein oder zwei Mitarbeiter einem Referatsleiter unterstellt werden. Wir bemängeln die Bildung derartiger Kleinstreferate schon länger. Haben Sie Beispiele für gutes und erfolgreiches Projektmanagement bei den Bundesbehörden beobachtet? Ritter: Selbstverständlich! Der Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin wurde mit mustergültigem Projektmanagement vorbereitet und durchgeführt. Ditzen: Dies gilt auch für die Entwicklung einer Zahlungsverkehrsplattform des Bundes sowie für das Projekt „Atlas“, das die Zollverfahren stark vereinfacht Dr. Horst-Dieter Ritter vom Bundesrechnungshof (Bonn) beobachtet, dass sich das Projektmanagement in Bundesbehörden verbessert hat. Dr. Ulrich Ditzen vom Bundesrechnungshof: Die Rahmenbedingungen bei Behörden erschweren das Projektmanagement. Fotos: Bundesrechnungshof 11 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell und beschleunigt; es erleichtert die Erledigung von Zollformalitäten für den Import und Export von Gütern. Hier wurde hervorragende Arbeit geleistet. Nachweislich kommt dieses Projekt auch der Wirtschaft zugute. Wenn es doch solche Erfolgsbeispiele gibt - weshalb müssen Sie immer wieder mangelndes Projektmanagement monieren? Ritter: Das hat eine Reihe von Ursachen. Wir stellen immer wieder strukturelle Probleme fest. Zum Beispiel? Ritter: Einigen Behörden fällt es schwer, Ziele zu formulieren - messbare Ziele, denn nur sie erlauben auch die Prüfung, ob ein Ziel erreicht wurde. Dies ist eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches Projektmanagement … Ditzen: Richtig! In Behörden ist es weit verbreitet, Aufgaben statt Ziele zu beschreiben. Die verwaltungsrechtliche Sicht hatte einen ganz starken Einfluss auf den Aufbau und die Arbeitsweise von Behörden. Numerische Ziele sind dieser Sichtweise aber eher fremd. Aus dieser Tradition heraus haben Behörden oft Schwierigkeiten, Ziele präzise zu formulieren. Fehlen messbare Ziele, kann man sich ein wirksames Projektcontrolling aber nur schwer vorstellen. Dann wird die Luft dünn. Gibt es weitere Ursachen dafür, dass mangelndes Projektmanagement moniert werden muss? Ritter: Mit Sicherheit spielt auch die strenge Linienorganisation der Behörden eine Rolle. Wenn ich einen Mitarbeiter für ein Projekt abziehe, dann fehlt er für die normalen Linienaufgaben seiner Behörde. Eine Funktion namens „Projektmanager“ gibt es in Behörden nicht. Diese Funktion „Projektmanager“ hat es lange Zeit in der Wirtschaft auch nicht gegeben. Ditzen: Es kommt noch ein Punkt hinzu. Nehmen wir an, in einer Behörde gelingt es einem Mitarbeiter, Projekte erfolgreich durchzuführen. Dann wird er befördert - und zwar weg von den Projekten, hinein in die Linie. Er nimmt sein Projektmanagementwissen mit. In der Wirtschaft wird heute noch bemängelt, dass Projektmanager ohne Befugnisse sind. Ähnliches wurde für Projektmanager in Behörden auch beobachtet … Ditzen: Das ist in der Tat ein Problem. Ein Projektmanager, der keine Entscheidungen treffen darf, dem auch Personal und die finanziellen Mittel fehlen - der kann nicht erfolgreich arbeiten. Das bemängeln auch wir. Ist Ihnen ein Anreizprogramm für Projektmanager in Behörden bekannt? Ritter: Diese Idee bewegt uns auch. Es wäre interessant festzustellen, inwieweit sich die Qualität des Projektmanagements beispielsweise durch finanzielle Anreize oder Belohnungen verbessern würde. Wie gehen Sie bei der Prüfung von Projekten und deren Projektmanagement vor? Anzeige 12 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Ritter: Wir nehmen Einsicht in die Projektakten, vor allem in Zwischenberichte und Entscheidungen. Mit jedem Projektmitarbeiter wird gesprochen. Wie wird das Projektmanagement bewertet? Ditzen: Wir achten darauf, ob wir elementares Projektmanagement vorfinden. Beispielsweise die Zieldefinition, die Planung der Ressourcen, eine Zeitplanung und eine Dokumentation. Was für das Projektmanagement elementar ist - darüber scheiden sich die Geister. Ritter: Aus den Schulungen, die beispielsweise von der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung angeboten werden, sind eine Reihe von Standards und Checklisten bekannt, die auch den in den Behörden verbreiteten Projektmanagement-Leitfäden zugrunde liegen. Wir achten bei unseren Prüfungen darauf, ob diese Mindeststandards des Projektmanagements eingehalten wurden. In der Wirtschaft sind häufig Benchmarking-Modelle zur Bewertung des Projektmanagements in Gebrauch. Die GPM hat solche Modelle entwickelt. Würde es Sinn machen, damit auch das Projektmanagement von Behörden zu prüfen? Ditzen: Ich bin mir nicht sicher. … weil man nach verbreiteter Annahme die Wirtschaft nicht mit Behörden vergleichen kann? Ditzen: Das scheint mir nicht der entscheidende Punkt. Mir fällt auf, dass in vielen Benchmarking-Modellen, die der Bewertung von praktiziertem Projektmanagement zugrunde gelegt werden, das Management sehr stark im Vordergrund steht. Bei unseren Prüfungen gehen wir aber von den Ergebnissen aus, insbesondere der Frage, inwieweit wirtschaftlich gearbeitet wurde. Diese Ergebnisse können mit vielen Benchmarking-Modellen nicht verglichen werden. Welche Maßstäbe verwenden Sie stattdessen? Ritter: Jede Behörde benutzt heute in der Regel Leitlinien für ihre Projekte. Wir prüfen, ob die Verwaltung bei ihrem Projektmanagement ihren eigenen Ansprüchen, die sie darin niedergelegt hat, gerecht wird. Uns geht es also nicht darum, den Behörden einen fremden Standard aufzuzwingen. Wir vergleichen gewissermaßen das „Soll“ mit dem „Ist“ - und zwar dem jeweiligen Standard der Behörde entsprechend. Nun kann man die Wirtschaftlichkeit eines Projekts erst nach Abschluss genau ermitteln. Dann aber kann man nichts mehr korrigieren … Ditzen: Ich denke, mit dieser Annahme wird ein falsches Bild gezeichnet. Wir prüfen regelmäßig auch laufende Projekte, können dabei allerdings nur Zwischenentscheidungen betrachten und unsere Empfehlungen formulieren. In das laufende, operative Projektmanagement können und wollen wir nicht eingreifen - das ist Sache der Behörden. Trotzdem nehmen unsere Bemerkungen Einfluss auf laufende Projekte, besonders dann, wenn es sich um längerfristige Projekte handelt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen dem Projekterfolg und der Ausbildung des Projektleiters festgestellt. Für wie wichtig halten Sie die Ausbildung von Projektleitern? Ritter: Wir halten eine Einführung der Projektmanager in die Grundlagen des Projektmanagements für unbedingt notwendig. Das Thema wird in der Ausbildung für die Verwaltung bisher zu wenig berücksichtigt. Entscheidend aber ist, dass die Ausbildung auf die Praxis bezogen wird. Nur: Ich warne auch davor, die Ausbildung allein auf Projektmanagement zu fokussieren. Projektmanagement ist nach unserer Betrachtung nur ein Baustein, die Verwaltung wirtschaftlich zu gestalten. Prozessmanagement, Wissensmanagement und Qualitätsmanagement sind weitere Bausteine, die ebenfalls Potenzial bieten. Bei aller Diskussion um das Thema Projektmanagement dürfen wir den Fokus nicht zu sehr darauf verengen. Seitens der Anbieter von Projektmanagement-Seminaren wurde beobachtet, dass sich immer weniger Teilnehmer aus Behörden ausbilden lassen. Ritter: Den Eindruck können wir so nicht teilen. Die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung bietet seit geraumer Zeit Seminare an, und sie werden gut besucht. Hinzu kommt, dass vor allem größere Behörden Kompetenzzentren für komplette Projektbereiche bilden, beispielsweise bei E-Government-Projekten und in der Finanzverwaltung. So werden viele Aufgaben intern bearbeitet, ohne dass sie nach außen dringen. Nach dem Regierungsumzug hat der Bundesrechnungshof in Bonn das ehemalige „Auswärtige Amt“ bezogen. Bis zum Jahr 2000 war der Bundesrechnungshof in Frankfurt/ Main beheimatet. 13 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Rechnungshöfe, so will es das Gesetz, prüfen die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und der Länder. Für den Bund ist der Bundesrechnungshof zuständig. Seine Neutralität und Unabhängigkeit sind im Grundgesetz garantiert. Mit derzeit rund 1.500 Mitarbeitern am Hauptsitz Bonn sowie an neun Außenstellen prüft er in 49 Prüfungsgebieten. Eine Besonderheit: Im Bundesrechnungshof werden Entscheidungen in Kollegien getroffen. Bis zu drei Prüfungsbeamte arbeiten zusammen; kommt dieses Kollegium nicht zu einem einvernehmlichen Abschluss, kann der jeweilige Abteilungssenat oder der Große Senat hinzutreten. Die Geschichte der Rechnungshöfe reicht fast dreihundert Jahre zurück. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. rief 1714 eine „General-Rechen-Kammer“ zusammen, ein eigenständiges, von der Verwaltung unabhängiges Prüfungsorgan. Zunächst in Berlin ansässig siedelte es 1818 nach Potsdam um. Damals bereits gehörte es zu den Aufgaben der Kammer, neben der Prüfung auch zu beraten. Heute nimmt der Bundestag die Beratung des Bundesrechnungshofs bei Entscheidungen über finanziell bedeutsame Fragen und Projekte in Anspruch. So hat der Bundesrechnungshof beispielsweise bei der Einführung der LKW-Maut, bei der Beschaffung des Großraumtransportflugzeugs Airbus A 400 M, bei der Machbarkeitsstudie für Magnetschnellbahnstrecken in Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie beim Ausbau der Schienenwege durch den Bund beraten. Im Herbst stellt der Präsident des Bundesrechnungshofs (derzeit Professor Dieter Engels) seinen Bericht für das vorangegangene Haushaltsjahr der Öffentlichkeit vor. Was viele nicht wissen: Rund zwei Jahre später gibt der Bundesrechnungshof in seinem so genannten Ergebnisbericht bekannt, ob und wie seine Bemerkungen in der parlamentarischen Beratung aufgegriffen und in die Praxis umgesetzt wurden. Bundesrechnungshof berät auch zu Großprojekten 14 SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Teammanagement - Eine diplomatische Herausforderung Psychosoziale und „politische“ Projektrisiken richtig handhaben Astrid Pfeiffer Qualifikation und Fachkompetenz sind nur Teilaspekte eines erfolgreichen Projektteams. Viel schwerer wiegen oft psychosoziale Faktoren. Projektarbeit hat viel gemein mit Politik: Unterschiedliche Interessen müssen identifiziert und ausgeglichen werden, und das schon in Kleinprojekten mit einer Handvoll Mitarbeitern. Denn Querelen von lustlosem Arbeiten über Dauerstreit bis hin zur Totalverweigerung kosten Produktivität. Schon durch die richtige Teambesetzung lassen sich „politische“ Probleme abmildern. Fehlt es dem Projektleiter dabei an Gestaltungsfreiheit, sollte er Interessengegensätze und Antipathien zumindest begrenzen. Sein diplomatisches Geschick ist der Schlüssel zum Erfolg. 2 50.000 Euro will sich eine Behörde eine Studie zum Verbraucherschutz kosten lassen. Um bei der Ausschreibung eine Chance zu haben, tun sich eine Spezialagentur (Hauptauftragnehmer) und ein Forschungsinstitut zusammen. Doch kurz nach Auftragseingang bricht Streit über Aufgabenverteilung und Mitspracherechte aus. Der Institutsleiter findet, seine Rolle als Unterauftragnehmer werde seinem exzellenten Ruf als Experte nicht gerecht. Die Lage verkompliziert sich weiter, als auf Bitten des Auftraggebers ein Designbüro zum Team stößt, das sich immer wieder den Anweisungen des Projektleiters widersetzt. Den Grund erfährt dieser erst viel später: Das Designbüro hatte sich selbst - erfolglos - um den Gesamtauftrag für die Studie beworben. Als plötzlich der Leiter des Forschungsinstituts mit unbekanntem Ziel verreist, eskaliert die Situation. Dieses Projekt hat es mit allen beschriebenen Problemen wirklich gegeben. Der Projektleitung unterliefen schwere handwerkliche Fehler, vor allem der Verzicht auf eine Stakeholderanalyse, „weil man keine Zeit verplempern, sondern gleich mit der Studie beginnen wollte.“ Deshalb fehlte ein „Plan B“, der aussagt, wie Projektbeteiligte im Notfall ersetzt werden können. Mit wenigen Stunden Aufwand für eine Analyse, einigen persönlichen Vorgesprächen und etwas Hintergrundrecherche hätte der Projektleiter die Fallstricke des Projekts auf der psychosozialen Ebene rechtzeitig erkannt. Fachkompetenz wird zur Nebensache degradiert Dieses Beispiel zeigt: Fachkompetenz kann im Projektalltag schnell zur Nebensache werden. Das soll nicht heißen, dass sie unwichtig ist, im Gegenteil. Doch wer ein Projektteam zusammenstellt, muss neben der fachlichen Eignung der Teammitglieder auch zwischenmenschliche Risiken und persönliche Interessenlagen einkalkulieren und sich ein Handlungsrepertoire aneignen, um sie zu begrenzen und zu steuern. Denn kaum ein Projektleiter kann auf ein allzeit harmonisches „Dreamteam“ zurückgreifen. Häufig muss er mit „politischen“ Besetzungen leben, für die er sich aus Gründen der Diplomatie selbst entscheidet oder die ihm der Kunde oder das eigene Management aufzwingen. Wegen ihrer zentralen Bedeutung stehen die „politischen“ Aspekte der Teambesetzung und -bildung im Mittelpunkt dieses Beitrags. Abb. 1 zeigt einige Beispiele für „politische“ Probleme, die auf Projektleiter zukommen können. Mit einem „politischen“ Projekt im Sinne des Projektmanagements sind demnach nicht Projekte gemeint, an denen Politiker beteiligt sind, sondern - viel weiter gefasst - Vorhaben, bei denen die Vertretung von Stakeholderinteressen die eigentliche Projektarbeit (potenziell) stark beeinflusst. Manche Projekte sind als rein „politisch“ zu betrachten: fachlich unbegründete, überflüssige Vorhaben, die jemand aus einer „politischen“ Motivation heraus ins Leben ruft (z. B. ein Vorstandsmitglied, das sich profilieren möchte). In welchem Fall ein Projekt als mehr oder weniger „politisch“ eingestuft wird, hängt auch vom jeweiligen Unternehmen und den Rahmenbedingungen ab. Bei einem Konzern mit Tausenden Beschäftigten fallen 100 aus betrieblichen Gründen gestrichene Stellen kaum auf, während sie bei einem Mittelständler mit 500 Mitarbeitern als Katastrophe betrachtet werden. Vielleicht sind aber auch die Zeiten gesamtwirtschaftlich so gut, dass der Abbau reibungslos über die Bühne geht, weil alle Betroffenen Ersatzarbeitsplätze finden. In schlechten Zeiten dagegen müssen das Management des Unternehmens und der Leiter dieses Reorganisationsprojekts mit massiven Protesten und Einflussnahmen (z. B. Betriebsrat, regionale Politiker, Medien) rechnen. Ein gutes Beispiel für die „politische“ Dimension eines Projekts ist die Einführung von Projektmanagement in einer Organisation. Verschiedenste Interessen, Hoffnungen und Ängste prallen dabei aufeinander. Ohne eine „politisch“ ausgerichtete Teambesetzung, die alle Betroffenen zu Beteiligten macht, wird dieses Projekt in vielen Un- 15 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell ternehmen kaum auf Akzeptanz stoßen. Auch bei anderen Projektarten drängen „politische“ Faktoren die fachlichen in den Hintergrund. Das Mautprojekt „Toll Collect“ gilt hier als Paradebeispiel. Bei diesem Vorhaben hat die stark „politisch“ ausgerichtete Teamstruktur die Arbeit eher behindert, die Medien berichteten darüber ausführlich. In einem für die Projektlaufzeit gebildeten Konsortium trafen mehrere Konzerne aufeinander, die jeweils ihre eigenen Führungskräfte, Organisationsgrundsätze, Managementphilosophien und Vorstellungen vom Projektergebnis in das Projektteam einbrachten. Klassische „politische“ Projekte sind auch Unternehmensfusionen, wofür es in den vergangenen Jahren prominente Beispiele in der Automobil- und der Bankenbranche gab. Der Projektleiter muss dabei Personalentscheidungen managen, die oft stark von außerhalb des Projekts beeinflusst werden. „Wenn Abteilung A im Team vertreten ist, muss Abteilung B auch eingebunden werden“, so eine typische Überlegung. Dadurch werden Projektgruppen schnell zu groß und häufig auch zum Schauplatz für Stellvertreterkriege, wenn Mitarbeiter beispielsweise ungelöste „politische“ Streitigkeiten aus der Linienorganisation einschleppen. Schon bei Kleinprojekten versuchen Teammitglieder, eigene Vorstellungen sowie Interessen der Organisation(seinheit) durchzusetzen, aus der sie stammen: Unternehmensbereiche und Abteilungen, der Vorstand, Ge- Typische „politische“ Problemfelder Typische Hinweise Mangelnde Akzeptanz für Personalentscheidungen „Wieso machen die ausgerechnet diesen Versager zum Projektleiter? “ Konkurrenz innerhalb der Organisation „Weshalb hat Abteilung A zwei Leute in diesem Projekt und wir nur einen? “ Konkurrenz zwischen Rollen/ Funktionen „Zwei Experten in diesem Team sind einer zu viel.“ Persönliche Konkurrenz „Ich eigne mich viel besser für diese Aufgabe als dieser Typ.“ Ungeklärte Konflikte aus früheren Projekten „Spätestens in diesem Projekt muss er doch kapieren, dass er mit seinen Vorschlägen danebenliegt! “ Hierarchieprobleme Projekt/ Linie „Ich bin Abteilungsleiter, der Kollege nur Sachbearbeiter. Wieso soll ich hier im Projekt tun, was er sagt? “ Mangelnde Einsicht in den Sinn des Projekts „Warum wollen ‚die da oben‘ diesen Unsinn jetzt noch mal aufgreifen? “ Persönliche Ziele „Der Meier will mit diesem Projekt den Sprung ins Management schaffen.“ Persönliche Antipathien „Der quatscht mir zu viel, den konnte ich noch nie leiden.“ Abb. 1: Beispiele für „politische“ Probleme 16 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 werkschaften, Partnerfirmen und viele mehr - und dazu informelle Gruppen und Netzwerke, die ihre Ziele mehr oder weniger offen benennen (z. B. Gegner des neuen Vorstandsvorsitzenden). Oft haben diese informellen Netzwerke beachtlichen Einfluss. Sie erhalten wichtige Informationen früher als offizielle Stellen. Auch ganz offiziell in Unternehmen agierende Gruppen etablieren informelle Kommunikationswege (z. B. Arbeitnehmervertretung). Ein geschickter Projektleiter bindet die maßgeblichen Akteure dieser Netzwerke in seine Strategie ein, um sie sich nicht zum Gegner zu machen und sie als Informationsquelle und Unterstützer für sein Projekt zu nutzen. Mitarbeitern, die loyal zum Projekt stehen, sollte er es daher ermöglichen, informelle Kommunikationswege und Informationsquellen zu nutzen (z. B. Teilnahme an Verbandstreffen). „Gleichgewicht der Mächte“ Um ein fachlich einwandfreies Projektergebnis zu ermöglichen, muss der Projektleiter die unterschiedlichen Interessenlagen der Projektbeteiligten ausbalancieren wie einst Bismarck mit seinem „Gleichgewicht der Mächte“. Es gilt zu verhindern, dass das Projektergebnis einseitig nach den Vorstellungen besonders einflussreicher Teammitglieder ausfällt, wenn dabei fachliche Anforderungen unter die Räder kommen. Um zu vermeiden, dass politische Taktiererei dem Projektergebnis schadet, kann es hilfreich sein, ein (externes) Fachgremium als Korrektiv einzusetzen, das „politischer“ Interessen relativ unverdächtig ist und von allen akzeptiert wird (z. B. Expertenrat). Es beurteilt fachliche Zwischenergebnisse und stärkt dem Projektleiter den Rücken. Ein Gremium stößt tendenziell auf größere Akzeptanz und widersteht Manipulationsversuchen aus dem Team eher als eine Einzelperson. Das Management kann dem Projektleiter im Einvernehmen mit diesem einen externen Unterstützer zur Seite stellen, der dem Projekt neutral gegenübersteht. Er berät den Projektleiter als externer Projektcoach und steht dem Team als Ansprechpartner in psychosozialen Fragen zur Verfügung. Eine Alternative besteht darin, ihn unmittelbar in die Projektarbeit einzubinden. Dabei fungiert er als integrative „Klammer“ über die Beteiligten. Er macht das Team arbeitsfähig (Teambildung) und hält damit dem Projektleiter den Rücken für das operative Geschäft frei. Als „Externer“ kennt er die Mitarbeiter zwar nicht. Gerade darin kann aber auch ein Vorteil liegen, weil er unvoreingenommen an das Team herantritt. Strukturen und Entscheidungsbefugnisse Eine sinnvolle Struktur für das Projekt zu finden, die alle Beteiligten akzeptieren, kann schon bei kleinen Vorhaben schwierig sein. Nicht ohne Grund berichteten die Medien bei „Toll Collect“ immer wieder über Wechsel an der Führungsspitze. Tun sich mehrere gleichberechtigte Partner zusammen, müssen sie sich auf eine gemeinsame Führungsspitze für das Projekt einigen, bevor die operative Projekttätigkeit beginnt. Wird der Posten nicht mit einem von allen mitgetragenen Fachmann, sondern - wie häufig bei Prestigeprojekten - „politisch“ besetzt, kann das ein erhebliches Risiko für das Projektergebnis darstellen. Fungiert dagegen ein Führungsgremium mit Vertretern aller Partner quasi als „Legislative“, das einem als reine „Exekutive“ installierten Projektleiter Weisungen erteilt, birgt dies den Nachteil eines hohen Abstimmungsaufwands, der schnelle Entscheidungen unmöglich macht, und der schwachen Stellung des Projektleiters gegenüber Auftraggeber und Projektpersonal. Bei zwei gleichberechtigten Partnern wird oft schon in sehr kleinen Projekten eine Doppelspitze installiert - eine formelle Doppelspitze mit gleich verteilter Entscheidungsbefugnis oder eine informelle, bei der diese Befugnis offiziell bei einer Person liegt, inoffiziell aber bei beiden (z. B. Große Koalition mit Kanzlerin und Vizekanzler). Ob eine solche Konstellation dauerhaft hält, hängt stark von der Einsicht in den Nutzen der Partnerschaft, der Persönlichkeit und den Führungsqualitäten der beiden Spitzenmanager ab. Sie müssen in der Lage sein, loyal zusammenzuarbeiten und Kompromisse zu finden, um ein dauerhaftes Patt und ständigen Streit zu vermeiden. Die Erfahrung zeigt, dass Unterordnung, Kompromissfindung und der Verzicht auf persönliche Profilierung nicht jedermanns Sache sind. Bei einem Projekt beispielsweise, in dem zwei Firmen aus der Medienbranche gemeinsam einen Geschäftsbericht für einen Konzern erstellen sollten, gab es eine offizielle Doppelspitze. Doch einer der beiden sorgte mit Alleingängen für Ärger. So verschickte er beispielsweise ein Konzept an den Kunden, das mit dem Partner nicht abgestimmt war. Die Entscheidungsbefugnis wäre hier in einer Hand besser aufgehoben gewesen. Techniken zur Problem- und Konfliktlösung Beim Ausarbeiten von Kompromissen helfen Techniken zur Problem- und Konfliktlösung sowie Verhandlungstechniken. Ziel ist eine Win-win-Situation, wie sie unter anderem Barry W. Boehm, Professor an der University of Southern California (USC), in seiner Managementtheorie „Theorie W“ beschrieben hat. Der Begriff mag in den vergangenen Jahren etwas überstrapaziert worden sein, das dahinter liegende Prinzip bleibt aber gültig. Bei einer Win-win-Strategie geht es nicht darum, die eigene Position durchzusetzen oder aufgrund von Zwang und einer ausweglosen Lage Abstriche zu machen. Ziel ist, eine dauerhafte Lösung zu finden, die alle Beteiligten mittragen. Zunächst versucht der Projektleiter, die Beteiligten und ihre Ziele zu verstehen. Er muss sich bestmöglich in sie hineinversetzen und die Situation „erspüren“, in der sie sich als Gewinner fühlen. Welche Eigenschaften haben sie? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein? Dann setzt er sich mit der Gruppe zusammen, um falsche Erwartungen zu identifizieren und realistische zu formulieren. Er stellt die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten dar und vergleicht sie miteinander und mit den Erwartungen und Ergebnissen aus anderen Projekten. Die beste Argumentationshilfe sind solide Zahlen und Fakten, eventuell präsentiert von einem unbeteiligten Dritten. Es ist besser, zuerst die Hoffnungen etwas zu dämpfen als zu große Hoffnungen zuzulassen und später mit der Enttäuschung der Betroffenen umgehen zu müssen. Nun geht es darum, Alternativen aufzuzeigen, die alle akzeptieren können, und deutlich zu machen, dass Unnachgiebigkeit allen schadet. Das Schlüsselwort heißt „Nutzen“: Jedem Beteiligten muss klar sein, welchen Nutzen er persönlich hat, wenn er sich auf eine Alternativlösung einlässt (z. B. mehr Zeit für andere Projekte, positives Image, Karrieresprung). Alle Gruppen- 17 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell mitglieder sollten im weiteren Projektverlauf das Gefühl haben, gut informiert zu sein und den Gang der Dinge mit gestalten zu können. Solche Techniken erfordern zwar die Bereitschaft der Beteiligten, sich für einige Stunden gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Bedenkt man jedoch die Zeit, die andernfalls später durch Streitereien verschwendet wird, lohnt sich das allemal. Es kann sinnvoll sein, strittige Punkte zunächst auszuklammern, um das Gesamtprojekt zeitnah auf die Schiene bringen und später in aller Ruhe eine gemeinsame Lösung ausarbeiten zu können. Wichtige Punkte zu verschieben birgt allerdings auch Konfliktpotenzial, weil die Stimmung im Projekt sich womöglich verschlechtert und es den Beteiligten dann schwerer fällt, sich zu einigen. Hierarchien aus der Linienorganisation sollten im Projektteam in den Hintergrund treten. Fehlt dem Projektleiter die offizielle Weisungsbefugnis, kann er versuchen, sich durch persönliche Gespräche auf informellem Weg die Rückendeckung der Organisation(seinheiten) zu holen, aus denen die Teammitglieder stammen. Delegiertensystem Idealerweise entsendet jede am Projekt beteiligte Interessengruppe maximal einen Delegierten in das Projektteam. Alle Beteiligten benennen einen Stellvertreter, der im Notfall nahtlos einspringen kann. So lässt sich vermeiden, dass Entscheidungen aufgeschoben werden müssen, weil das ständige Mitglied fehlt. Jeder Delegierte verpflichtet sich, seinen Stellvertreter laufend über das Projektgeschehen zu informieren. Zu geeigneten Terminen (z. B. größere Statusmeetings) sollten auch die Stellvertreter eingeladen werden, damit sie sich mit dem Projekt identifizieren („erweitertes Team“). Zu große Gruppen, die entstehen, wenn zu viele Partner und damit auch zu viele Delegierte vorhanden sind, arbeiten allerdings meist ineffizient. Möglichkeiten, arbeitsfähige Gruppengrößen herzustellen, sind: o Projektbeteiligte (z. B. Abteilungen), die im Projekt die gleichen Ziele verfolgen, einigen sich auf einen gemeinsamen Delegierten. o Am Projektgegenstand arbeitet nur ein operatives Kernteam. Es wird aus dem Gesamtprojektteam extrahiert und um notwendige operative Mitarbeiter ergänzt (z. B. Projektassistenz). Das Gesamtteam dient als Aufsichtsgremium, das der Projektleiter vor wichtigen Entscheidungen konsultiert und das Zwischenergebnisse absegnet. o Für bestimmte (Teil-)aufgaben werden kleinere operative Einheiten (z. B. Arbeitsgruppen) gebildet, die über einen Vertreter im Gesamtteam präsent sind. Der Projektleiter beschränkt sich darauf, die Fäden zusammenzuhalten. Abb. 2 zeigt grob skizziert beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Teambesetzung für ein Reorganisationsprojekt, durch das Personalkosten eingespart werden sollen. Die Arbeitnehmerseite darf wie alle anderen Organisationseinheiten nur einen Delegierten einbringen - was in diesem Fall mit Blick auf den Projektgegenstand zu einem Ungleichgewicht der Interessen führen könnte. Jedes Teammitglied, das eine Organisation(seinheit) vertritt, bestimmt maßgeblich mit, welche Informatio- 18 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 nen in welcher Form aus dem Projekt dorthin gelangen und umgekehrt („Gatekeeper“, „Flaschenhals“). Tatsächliche und vermeintliche Erwartungen von dort an den Delegierten, aber auch dessen eigene Vorstellungen wirken wie ein Filter. Jeder Mensch wählt Informationen subjektiv aus und interpretiert sie individuell. Für den Projektleiter ist es schwierig, hier den Überblick und den nötigen Einfluss zu behalten, um einer selektiven Informationspolitik, Fehlinformationen und Gerüchten vorzubeugen. Er muss versuchen, sich aktiv an dieser Kommunikation nach außen zu beteiligen, um die Filterfunktion des Gatekeepers im Auge behalten zu können. Gatekeeper, die loyal zum Projekt stehen, bringen jedoch großen Nutzen, wenn sie als Machtpromotor nach außen agieren. Probleme in Matrixorganisationen Die Matrixorganisation, bei der Projekt- und Linienorganisation kombiniert werden, ist besonders anfällig für „politische“ Probleme. So fürchtet beispielsweise die Linienorganisation in vielen Unternehmen, Einfluss an die Projektorganisation zu verlieren. Deshalb leihen Fachabteilungen fähige Fachleute nur ungern an Projekte aus. Meist ist die Linienstruktur so fest in der Organisation verankert, dass die Projektorganisation sich schwer tut, ihren Bedarf dort durchzusetzen. Die Mitarbeiter engagieren sich oft lieber für Linienaufgaben, weil sie befürchten, während ihrer Zeit im Projekt wichtige Entwicklungen zu versäumen und/ oder ihre angestammte Position in der Linie an Konkurrenten zu verlieren - insbesondere in Unternehmen, in denen ein Karrierepfad im Projektmanagement fehlt. Diese Bedenken sollte der Projektleiter bei der Teambesetzung und -bildung im Auge behalten. Zweck der „politischen“ Besetzung ist ja überdies gerade, dass diese Mitarbeiter die Organisation(seinheit) vertreten, aus der sie stammen. Deshalb müssen sie dort entsprechend zeitlich verankert sein. Regelmäßige Kontakte dorthin erleichtern es dem Projektleiter, den Informationsfluss aus dem und in das Projekt zu verfolgen und sich dort gleichzeitig für seine Projektmitarbeiter einzusetzen, damit sie nach Projektende nahtlos wieder eingegliedert werden. Idealerweise ist der Projektleiter während der Projektlaufzeit Disziplinarvorgesetzter der Mitarbeiter oder hat zumindest weitgehende Weisungsbefugnis. Dieses Konzept ist zwar aufgrund der Dominanz der Linie meist schwer umsetzbar, kann aber als Richtschnur dienen. Aktivitäten zum Projektstart Ein umsichtiger Projektleiter verschafft sich so früh wie möglich einen Überblick über die Interessenlagen und Machtverhältnisse, über offizielle und versteckte Erwartungen („Hidden Agendas“). In einer Stakeholderanalyse recherchiert er die Interessen jedes einzelnen Teammitglieds, vom Vorstandsvertreter bis zum Werkstudenten. Er berücksichtigt unterschiedliche Perspektiven und Quellen - beispielsweise seinen eigenen Eindruck auf Basis von Beobachtung, Vorerfahrungen und Gesprächen mit der Person sowie Informationen von Dritten (z. B. Ex-Kollegen), Internetrecherchen (z. B. Medienberichte über ähnliche Projekte in anderen Unternehmen) und Recherchen in der Projektlerndatenbank der Organisation. Entsprechend trägt er Vorsorge- und Gegenmaßnahmen in seine Stakeholdermatrix ein (Abb. 3). Bei der Projektzielformulierung achtet er darauf, dass die von den einzelnen Delegierten vertretenen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Am besten ist es, eine Vorlage mit Basisdaten zu erarbeiten und die Stakeholder dann in den weiteren Zielfindungsprozess einzubeziehen. Können bestimmte Ziele nicht berücksichtigt werden, erklärt der Projektleiter den Betreffenden, warum das so ist und inwiefern der Verzicht auf dieses Ziel für sie vielleicht sogar Vorteile bringt. Dann erarbeitet er gemeinsam mit ihnen Alternativen oder Kompromisse. Typische Beispiele sind Entwicklungsprojekte, in denen der Projektleiter den Softwareentwicklern das eine oder andere kostspielige Feature oder dem Kunden überzogene Vorstellungen ausreden muss. Er stellt - notfalls durch Einzelgespräche - sicher, dass alle Teammitglieder die Projektziele kennen und akzeptieren. Das Berichtswesen wird eingerichtet, wobei bei allen Beteiligten Klarheit über Hol- und Bringschuld bestehen muss. AG 1 AG 2 Unterbzw. Arbeitsgruppen (Gemeinsamer Delegierter) Personalabteilung Betriebsrat Initiative der freien Mitarbeiter Vorstand Finanzen Bank AG 3 Projektteam Abb. 2: Exemplarische Variante für ein Delegiertensystem 19 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Das Wir-Gefühl fördern Schon in der Startphase stößt der Projektleiter den Teambildungsprozess an und fördert das Wir-Gefühl. Potenzielle (Interessen-)konflikte spricht er mit den Beteiligten offen an und sucht gemeinsam mit ihnen nach Lösungen. Gleichzeitig gilt es, Gemeinsamkeiten der Teammitglieder herauszuarbeiten - was die Erwartungen an das Projekt angeht, aber auch im Privatbereich, z. B. Hobbys. Dabei helfen gemeinsame Aktivitäten wie Messebesuche, Diskussionsrunden mit Experten oder ein Projektinformationstag. Das Bewusstsein für Gemeinsamkeiten schafft Verständnis für andere und erleichtert den Umgang miteinander. Man kann es nicht oft genug sagen: Lieber vorab ein paar Euro mehr für die Teambildung ausgeben als sich in der Produktivphase mit einem Haufen Einzelkämpfer abzuplagen, die lustlos zusammenarbeiten und halbgare Ergebnisse produzieren. Klare, von allen gemeinsam erarbeitete und akzeptierte Spielregeln für die Zusammenarbeit und eindeutige Zuständigkeiten sind ebenfalls ein Beitrag zur Teambildung. Solche Spielregeln können beispielsweise sein: 1. Wir reden offen miteinander. Tuscheln und Intrigieren ist verboten. 2. Wir tun keinem Teammitglied etwas an, was wir auch selbst als unangenehm empfänden, wenn es uns passieren würde (z. B. Bloßstellen vor dem Team, Abschieben lästiger Arbeiten). 3. Gemeinsam gefällte Entscheidungen tragen wir loyal mit. 4. Zusagen halten wir ein. 5. Informationen geben wir freiwillig und aktiv weiter (Bringschuld). Stakeholder Macht Erwartungen/ Befürchtungen durch das Projekt (positiv +/ negativ -) Vorsorgemaßnahmen Gegenmaßnahmen im Streitfall Vertreter des Betriebsrats + - - Teilnahme an Statusmeetings - Regelmäßige Information - Infoveranstaltungen für Belegschaft einmal pro Monat - Einzelgespräche bei Bedarf - … - Fragestunden abteilungsweise (Vorstandsmitglieder und Projektleiter verfügbar) - Einzelgespräche bei Bedarf - Einbeziehung Projektcoach - … Vertreter der Partnerfirma + + - Einladung zu Vorstandsessen - Teilnahme an Statusmeetings - … - Einzelgespräche bei Bedarf - … … … … … … Abb. 3: Stakeholdermatrix 6. Veränderte Aufgaben und Tätigkeitsbereiche stimmen wir mit den anderen Teammitgliedern ab, bevor wir aktiv werden. 7. … Wie intensiv sich ein Teammitglied für das Projekt einsetzt, hängt in hohem Maße von der Haltung der Organisation(seinheit) ab, aus der es stammt, und davon, wie stark es sich ihr verpflichtet fühlt. Der Projektleiter kann diese emotionale Bindung nicht so einfach aufbrechen. Er kann aber versuchen, in Gruppen- und Einzelgesprächen ein „Wir sitzen in einem Boot“-Gefühl zu erzeugen: „Wir sind jetzt eine ‚Schicksalsgemeinschaft auf Zeit‘, wir haben eine gemeinsame Aufgabe. Keiner von uns freut sich, dass wir dieses Projekt machen müssen. Bitte tragen Sie dazu bei, dass wir die Sache schnell hinter uns bringen.“ Offene Gespräche und Verlässlichkeit sind die wichtigsten Mittel zur Vertrauensbildung. Ein gutes Beispiel sind die Koalitionsverhandlungen 2005: Politiker, die sich kurz zuvor im Wahlkampf erbittert bekämpft haben, mussten sich an einen Tisch setzen - um bald verwundert festzustellen, dass „die anderen“ eigentlich ganz umgängliche Typen sind, mit denen man nicht nur fachliche Ziele gemeinsam hat. Natürlich ist es kaum möglich, in jedem Projekt ein Team aus dem Hut zu zaubern, dessen Mitglieder sich alle gegenseitig „riechen“ können. Um vor Projektstart herauszufinden, wer mit wem (nicht) „kann“, eignet sich beispielsweise eine Informationsveranstaltung mit inoffiziellem Teil, noch vor dem Projektstart-Workshop. Hier lässt sich gut beobachten, welche Grüppchen sich bilden und welche Themen besprochen werden. Verstehen sich zwei Beteiligte nicht, muss der Projektleiter gemeinsam mit ihnen vor der Produktivphase eine Einigung auf 20 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 ein tragfähiges Arbeitsverhältnis erzielen oder notfalls ein Teammitglied austauschen. Hierzu kann ein persönliches Gespräch mit dessen Vorgesetztem beitragen: Worin besteht das Problem? Welche Folgen hat es für die Beteiligten? Gibt es eine attraktive Ersatzaufgabe für den Mitarbeiter? Wie kann sein Gesicht gewahrt werden? Helfen kann der Weg zum Projektcoach, Projektsteuerungsgremium oder zum Management mit der Bitte, bei der Konflikteskalation behilflich zu sein oder ein Machtwort zu sprechen. Besonders nachträgliche Teamzuwächse - etwa wenn der Projektauftrag während des Projektablaufs erweitert wird oder Zulieferer zum Team stoßen - stellen den Projektleiter vor eine Herausforderung. Denn in der Gruppe sind die Rollen bereits verteilt und die Interessenlagen ausbalanciert, sie hat sich gefestigt und ihre Arbeitsfähigkeit erreicht. Neue Mitglieder brechen durch ihr bloßes Auftauchen diese Strukturen auf, Unruhe entsteht. Der Projektleiter muss die Arbeitsfähigkeit der Gruppe schnell wiederherstellen, indem er die „Neuen“ über Teambildungsmaßnahmen integriert und Klarheit über die veränderte Konstellation der Interessenlagen schafft. Generell sollte er seine Mitarbeiter nicht nur informieren, sondern möglichst auch konsultieren, bevor er das Team erweitert. Ihnen einfach jemanden „vor die Nase zu setzen“ gilt als Verrat an der Gruppe. Fazit Neben der fachlichen Eignung der Teammitglieder spielen auch psychosoziale Faktoren bei der Teambesetzung, -bildung und -führung eine Rolle. Projektleiter sehen sich häufig mit Stakeholdern konfrontiert, die massiv versuchen, eigene Interessen durchzusetzen und damit das fachliche Projektergebnis gefährden. Projekte, bei denen „Politik“ die eigentliche Projektarbeit potenziell stark beeinflusst, sind daher besonders risikobehaftet und erfordern umfassende Maßnahmen schon in der Startphase. Selbst bei kleinen Vorhaben ist es wichtig, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Dazu brauchen Projektleiter aber das Rad nicht neu zu erfinden, sondern nur die vorhandenen Methoden des Projektmanagements konsequent anzuwenden. n 21 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Erfolgsfaktor Projektteam Strukturierte Besetzung des Projektteams in komplexen IT-Projekten Thomas Jurisch, Jessica von Zitzewitz Erfolgreiche Teams machen Projekte erfolgreich! Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein gelungenes Projekt ist die richtige Zusammenstellung eines erfolgreichen Projektteams. Dieser Artikel betrachtet dazu die Situation eines großen IT-Projekts und setzt sich vor allem mit der Frage auseinander, wie die Rollen im Projektteam optimal zu besetzen und die geeigneten Kandidaten auszuwählen sind. Es wird ein Modell vorgestellt, das dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, die Auswahl der internen wie auch externen Teammitglieder sowie die Zusammenstellung des Projektteams aktiv zu beeinflussen. E rfolgreiche Teams machen Projekte erfolgreich! Dieser plakative Ausspruch hat durchaus seine Richtigkeit. Denn das Scheitern von Projekten, in diesem Falle von großen IT-Projekten, ist meist nicht das Resultat von Problemen mit Software und/ oder Technologie. Für Projektkrisen sind in erster Linie Projektorganisation, -prozesse und vor allem die Beteiligten, also das Projektteam, verantwortlich. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein gelungenes Projekt ist daher die Zusammenstellung eines erfolgreichen Projektteams. Die Kernfragen in diesem Zusammenhang sind: o Welche Rollen im Projektteam fordert das Projekt? o Welche Aufgaben und Ziele sind mit diesen Rollen verbunden? o Wie besetze ich die Rollen optimal, und wie wähle ich die geeigneten Kandidaten aus? In diesem Artikel wollen wir uns mit diesen Kernfragen beschäftigen und am Beispiel eines Projekts zur unternehmensübergreifenden Einführung eines ERP-Systems (siehe Kasten) ein Modell vorstellen, das dem Auftraggeber in komplexen IT-Projekten erlaubt, aktiv Einfluss auf die Auswahl der internen wie auch externen Teammitglieder und die Zusammenstellung des Projektteams zu nehmen. Eigenheiten eines ERP-Projekts Ein komplexes IT-Projekt, wie die Einführung einer neuen ERP-Software, gehört für die meisten Unternehmen nicht zum Tagesgeschäft, sondern stellt eine außergewöhnliche und oft einmalige Herausforderung dar. Es ist ein Projekt, das die Abläufe im Unternehmen genau wie seine Zukunftsfähigkeit massiv beeinflusst. Es ist ein Vorhaben, das spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse, Erfahrung und methodisches Know-how erfordert. Im Regelfall wird es nicht vom Unternehmen alleine bewältigt, sondern mit Unterstützung durch den Anbieter der ausgewählten Software bzw. einen damit beauftragten Implementierungsdienstleister. Der Implementierer (oder das Systemhaus) hat die Aufgabe, die Software im Unternehmen einzuführen. Dabei übernimmt er in Zusammenarbeit mit dem internen Projektleiter das Projektmanagement und ist vor allem zuständig für Installation und Customizing der Software, die Erstellung von Individualprogrammierungen sowie je nach Betriebskonzept auch für den späteren Betrieb der Anwendung bzw. die Planung desselben. Er wirkt bei der Gestaltung der Geschäftsprozesse mit, denen die Software zugrunde liegt, und hat damit maßgeblichen Einfluss auf die spätere Arbeitsweise jedes Einzelnen im Unternehmen. Meistens werden jedoch die Personen, denen dieser Gestaltungsfreiraum anvertraut wird - nämlich das Projektteam des Implementierungspartners -, nicht vom auftraggebenden Unternehmen geprüft und ausgewählt, sondern der Vorschlag des Implementierungspartners wird unkritisch entgegengenommen. Kaum einer würde jemanden einstellen, den er vorher noch nie gesehen, geschweige denn gesprochen hat. Kaum einer würde wettbewerbsrelevante Fragen und unternehmenskritische Entscheidungen Personen anvertrauen, die er noch nie gesehen, geschweige denn gesprochen hat. Und doch geschieht dies immer wieder in großen IT-Projekten. Im Idealfall werden die Software-Lösung und der Implementierungspartner noch sorgfältig ausgewählt; die einzelnen IT-Fachberater werden keinem weiteren Auswahlverfahren unterzogen. Doch ein am Markt erfolgreicher Implementierer ist noch lange kein Garant für eine kompetente Beratermannschaft. Nicht ein großer Name des Beratungshauses, sondern der einzelne Berater entscheidet über den Erfolg! Unter „Enterprise Resource Planning“ versteht man die möglichst effiziente Planung der in einem Unternehmen vorhandenen Ressourcen (Personal, Kapital, Sachmittel …) für den betrieblichen Ablauf. ERP-Systeme unterstützen diesen Planungsprozess und bilden unter anderem weitgehend alle Geschäftsprozesse in einem Unternehmen ab. Im Allgemeinen werden ERP-Softwarelösungen im Rahmen eines relativ komplexen Projekts in Unternehmen eingeführt. Das Auftragsvolumen und die Teamgrößen solcher Projekte variieren je nach Anzahl und Tiefe der einzuführenden Funktionalitäten und Module sowie nach den individuellen Anforderungen des Unternehmens. ERP = Enterprise Resource Planning 22 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Teamzusammenstellung im Phasenverlauf Die logische Konsequenz kann nur sein: Der Auftraggeber muss im Rahmen seiner Möglichkeiten die Zusammensetzung des Projektteams - intern und extern - aktiv gestalten und dessen Leistungsfähigkeit stetig überwachen. Die Auswahl aller Teammitglieder sollte einem strukturierten Verfahren mit fünf wichtigen Phasen folgen: o Phase 1: Auswahl des Implementierungspartners und Vertrag o Phase 2: Profildefinitionen o Phase 3: Internes Auswahlverfahren o Phase 4: Assessment Center o Phase 5: Team-Kick-off Die Teamzusammenstellung in ERP-Projekten sollte auf Seiten des Auftraggebers durch den designierten Projektleiter und den Projektsponsor in Abstimmung mit den jeweiligen Fachabteilungen und mit Unterstützung durch die Personalabteilung erfolgen. Zur fachlichen Unterstützung und zur professionellen Durchführung des fünfstufigen Verfahrens kann zusätzlich ein externer Managementberater hinzugezogen werden. Der Implementierungspartner wählt sein Projektteam zunächst selbständig aus. Teamzusammenstellung als kritischer Erfolgsfaktor Die Zusammenstellung des Teams ist eine eigenständige und bedeutende Aufgabe in der Projektvorbereitung. Die sorgfältige Auswahl der internen und externen Ressourcen für das Team stellt eine erste Maßnahme zur Risikominimierung dar und legt die Grundlage für effiziente Projektarbeit und die Erreichung des gewünschten Ziels. Phase 1: Auswahl des Projektpartners (Implementierer) und Vertrag (LOI) Ein strukturiertes Auswahlverfahren des Implementierungspartners und die Absicht, einen soliden Projektvertrag abzuschließen, sind Voraussetzung für das weitere Vorgehen. Die Zusammenstellung des Projektteams und die Konzeption und Verhandlung des Projektvertrags können von diesem Punkt an parallel bearbeitet werden. Der Auftraggeber muss den Wunsch nach späterer Einflussnahme auf die Auswahl der Fachberater frühzeitig äußern. Einfluss nehmen zu wollen auf die Zuteilung der Berater ist im IT-Projektgeschäft (noch) nicht selbstverständlich. Dem Softwarebzw. Implementierungspartner sollte die Möglichkeit gegeben werden, hierzu frühzeitig Stellung zu beziehen. Das Recht auf Einflussnahme und zur Durchführung eines Assessment Centers ist anschließend in den Verhandlungen vertraglich zu verankern. Der finale Vertragsabschluss darf jedoch noch nicht an dieser Stelle erfolgen! Stattdessen ist die gemeinsame Unterzeichnung eines Letter of Intent ausreichend, der finale Vertragsabschluss kommt erst nach dem Assessment Center zustande. Ersatzweise können auch entsprechende Rücktrittsklauseln in den Vertrag eingearbeitet werden. Sollte sich im Assessment Center herausstellen, dass die Verfügbarkeit ausreichender, qualifizierter Fachkräfte nur ein leeres Versprechen des Projektpartners bzw. Implementierers war, sollte die Auswahlentscheidung noch einmal sorgfältig überdacht werden. Phase 2: Definition der Anforderungsprofile Im nächsten Schritt werden die Anforderungsprofile für jede Rolle im konkreten Projekt definiert (Abb. 2). Das jeweilige Anforderungsprofil der Rolle beschreibt die Qualifikationen und Fähigkeiten, die zur Durchführung der jeweiligen Projektaufgabe beim potenziellen Kandidaten vorhanden sein müssen. Aus den Soll-Profilen werden Fragekataloge für den späteren Auswahlprozess erstellt. Die Anforderungen, die an die Kandidaten gestellt werden, basieren auf den in Abb. 3 gezeigten drei „Kompetenz-Schwerpunkten“. Fachkompetenz Fachkompetenz umfasst in diesem Zusammenhang fundierte Kenntnisse bezogen auf relevante Funktionen im Unternehmen, das jeweilige Anwendungsfeld der IT sowie IT-Kompetenz. Für die Gestaltung der Prozesse in der neuen Software- Lösung ist fachliches Know-how unerlässlich. Die eigenen Mitarbeiter der jeweiligen Fachabteilungen kennen am besten die unternehmensspezifischen Abläufe. Er- Abb. 1: Teamzusammenstellung für komplexe IT-Projekte im Phasenverlauf 23 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell folgskritisch bei der Einführung von integrierten ERP- Systemen ist vor allem auch eine starke Prozessorientierung. Dies ist eine besondere Herausforderung an die fachliche Kompetenz der Mitarbeiter. Übergreifendes Denken und Handeln integrativ über mehrere Einzelprozesse hinweg ist diesen oftmals noch fremd; sie sind funktionsorientiert ausgerichtet. Sind die Beschäftigten nicht sowieso aktiv an der Projektarbeit und der Gestaltung des neuen Systems beteiligt, werden sie zumindest als spätere Nutzer des Systems durch entsprechende Betreuung eingebunden. Die externen Fachberater sollten das einzuführende System genau kennen und die speziellen Anforderungen des Unternehmens (Branche, Größe, …) verstehen. Gemäß ihrer persönlichen Kernkompetenz werden sie in der Projektorganisation unterschiedlichen Abteilungen im Unternehmen zugeordnet. Reine Modulorientierung wird den Integrationsaspekten einer ERP-Software jedoch nur unzureichend gerecht. Aus diesem Grunde sollte bei den Beratern Wert auf tiefere Kenntnisse mindestens eines weiteren Moduls und ein übergreifendes Verständnis der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge in der gesamten Prozesskette gelegt werden. Methodenkompetenz Mit Methodenkompetenz ist die Beherrschung der gängigen Werkzeuge, Tools und Hilfsmittel des Projektmanagements gemeint. Unabhängige Projektmanagement- Zertifikate, wie zum Beispiel die PM-Zertifizierungen der GPM (Gesellschaft für Projektmanagement e. V.) sind ein verlässlicher Nachweis für die Beherrschung dieser spezifischen Fähigkeiten durch einen Kandidaten. Insbesondere die Projektleiter sowie stellvertretenden Projektleiter sollten dieses oder ein vergleichbares Know-how besitzen. Falls eine spezifische Einführungsmethodik/ -tool des implementierenden Beratungshauses zum Einsatz kommen wird, ist ein Nachweis des designierten externen Projektleiters darüber, dass er diese Methodik bzw. dieses Tool beherrscht, unbedingt erforderlich. Persönliche Kompetenz Darunter fallen Aspekte wie Teamfähigkeit, Kommunikationsvermögen, Umgang mit Krisen, Motivation und dergleichen. Auch Autorität, Entscheidungsgewalt und intern extern Projektsponsor - Lenkungsausschussmitglied Lenkungsausschussmitglied Projektleiter intern Projektleiter extern Stellvertreter PL intern Stellvertreter PL extern Process-Owner Fachberater Key-User Fachberater User - Abb. 2: Projektrollen intern und extern Fachkompetenz Methodenkompetenz Persönliche Kompetenz Abb. 3: Kompetenz-Schwerpunkte 24 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Führungsqualifikation zählen dazu. Ein erfolgreiches Projekt braucht Mitarbeiter mit der Befugnis, sinnvolle Veränderungen auch gegen Widerstände durchzusetzen, und der Fähigkeit, Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen. Dabei ist zwischen Autorität qua Hierarchie und Autorität qua expliziter Ausstattung für die Projektlaufzeit zu unterscheiden. Vorsicht jedoch vor der „Eier legenden Wollmilchsau“! Dieser scherzhafte Begriff soll verdeutlichen, dass Anforderungskataloge gerne zu breit angelegt werden und sich nicht auf das Wesentliche beschränken - Anforderungsprofile nicht zu breit anlegen, sondern Prioritäten setzen! Selbstverständlich sind die Anforderungsprofile gemäß Projektrolle unterschiedlich. Phase 3: Teamzusammenstellung intern Im Idealfall kann aus einem größeren Pool an potenziellen Kandidaten gewählt werden. Nicht immer besteht jedoch für jede der intern zu vergebenden Projektstellen die Möglichkeit der Wahl. Oftmals steht das spätere interne Projektteam aufgrund von mangelnden Ressourcen oder anderen Rahmenbedingungen von vornherein fest. In diesem Fall werden die verfügbaren Mitarbeiter auf die Rollen im Projekt verteilt und das „Auswahlverfahren“ dient nur noch dazu, das Delta zwischen Anforderungsprofil der einzelnen Rolle und den Kompetenzen des jeweiligen Mitarbeiters aufzuzeigen. Das ermittelte Delta kann dann durch gezielte Weiterbildung und andere Maßnahmen ausgefüllt werden. In jedem Fall empfiehlt sich jedoch die Unterstützung durch einen neutralen, externen Experten, der den Prozess gestaltet und überwacht und bei einer ausreichend großen Anzahl von Mitarbeitern die notwendige Objektivität sicherstellt, damit nicht unternehmenspolitische Strömungen den Entscheidungsprozess einseitig beeinflussen können, sondern die Bewerber allein auf Basis ihrer Kompetenz und Eignung dem Team zugeteilt werden. Das interne Auswahlverfahren wird am zweckmäßigsten durch ein „Auswahl-Duo“, bestehend aus einem externen Managementberater und Beteiligten aus den unternehmenseigenen Reihen, durchgeführt. Das Modell des Auswahl-Duos eignet sich am besten, um den objektiven Blickwinkel zu erhalten und gleichzeitig sicherzustellen, dass das zukünftige Team ausreichend in die Auswahl mit einbezogen wird. Die Vorauswahl der Bewerber kann durch den jeweiligen Fachvorgesetzten erfolgen. Er kennt die fachlichen Stärken seiner Mitarbeiter am besten. Die Prüfung der persönlichen Kompetenz bildet im internen Auswahlverfahren damit den Schwerpunkt, gefolgt von der Methodenkompetenz. Anhand der vorbereiteten Fragebögen werden die Kompetenzen überprüft. Das Auswahl-Duo interviewt dazu die Kandidaten und trägt die Bewertung in die Fragebögen ein. Ein Gespräch dauert circa eine Stunde. Die Fragebögen werden am Ende des Tages konsolidiert. Soll- und Ist-Profil werden in eine gemeinsame Bewertungsskala transferiert und vergleichbar gemacht. Der Bewerber, dessen Ist-Profil am geringsten vom Soll-Profil abweicht, ist der optimale Kandidat für die Rolle. Das Netzdiagramm in Abb. 4 veranschaulicht beispielhaft das Soll- und Ist-Profil eines Projektleiters. Phase 4: Assessment Center extern Unter Assessment Center („Assessment“ heißt aus dem Englischen übersetzt Einschätzung, Bewertung) verstehen wir in diesem Zusammenhang ein strukturiertes Auswahlverfahren, bei dem die Bewerber umfassende allgemeine Fragen zu Fach und Person beantworten wie auch Aufgaben lösen, die in der entsprechenden Projektsituation auf sie zukommen könnten. Nach erfolgreicher Besetzung des internen Projektteams wird das Modell des Assessment Centers für die Auswahl der externen Projektmitglieder verwendet. Die Einstellung neuer Mitarbeiter speziell für das Projekt wäre ebenfalls zur Auswahl Externer zu zählen. Im ersten Schritt besetzt der Implementierer eigenständig sein Projektteam und stellt es dem Kunden vor. Im Rahmen eines Assessment Centers wird dieses Team dann umfassend analysiert und bewertet. Pro Kandidat sollte man dazu circa eine Stunde einplanen. Anders als im internen Auswahlprozess führt ein „Auswahl-Trio“, bestehend aus einem externen Berater, dem internen Projektleiter und dem internen Counterpart, zu der jeweiligen Projektrolle das Assessment Center durch. Gegebenenfalls können noch weitere interne Fachkräfte zum Beispiel aus der Personalabteilung hinzugezogen werden. Gerade bei der Auswahl der externen Teammitglieder sollte über die Unterstützung durch einen externen Experten nachgedacht werden, der den Prozess professionell leitet und gestaltet. Gleichzeitig sollte er über einschlägige Erfahrung im Management von komplexen IT-Projekten sowie das notwendige fachliche Know-how verfügen. Das Unternehmen selbst verfügt meist (noch) nicht über die fachliche Kompetenz und vor allem die notwendige Erfahrung in Bezug auf ein ERP-Projekt und das einzuführende ERP-System. Außerdem bewahrt ein externer unabhängiger Berater in der Auswahl die gebotene Objektivität und Sachlichkeit. Gegenseitige Sympathie spielt für ein starkes Team eine große Rolle, sollte jedoch niemals an erster Stelle stehen. Das etwa eintägige Assessment Center besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden anhand der Fragebö- Profilnetz Projektleiter Fachkompetenz Persönliche Kompetenz Methodenkompetenz Soll Ist 0 1 2 3 4 5 Abb. 4: Soll- und Ist-Anforderungsprofil 25 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell gen die verschiedenen Kompetenzen abgefragt und beurteilt, wobei insbesondere auch die vom Kandidaten angegebenen Referenzprojekte besprochen werden. Im zweiten Teil erarbeiten die Teilnehmer selbständig einen Kurzvortrag zu einer spezifischen Fragestellung. Die Fragestellung (das so genannte „Benchmark“) wird für Fachberater von der jeweiligen Fachabteilung vorgegeben, für den Projektleiter und seinen Stellvertreter gibt das Auswahl-Trio eine Problemstellung vor, die sich sehr konkret an der spezifischen Aufgabenstellung des Unternehmens orientieren sollte. Die Themen für diese Kurzvorträge könnten zum Beispiel lauten „Abbildung kritischer Business-Szenarien“, „Diskussion möglicher Varianten der Einführungsstrategie“, „Vergleich von Migrationsverfahren“ oder „Notwendige Mitwirkungspflichten des Auftraggebers“. Die Aufgabe lautet nun, im Kurzvortrag zunächst allgemein in die Problematik einzuführen und anschließend konkrete Lösungsansätze im neuen System vorzustellen. Auf diese Weise lassen sich eine systematische und organisatorische Arbeitsweise, Transferleistung, Beraterkompetenz und Verhalten in Stresssituationen testen. Gut ausgeprägte kommunikative Eigenschaften sind für Fachberater extrem wichtig, denn was bringt ein fachliches Genie, das sein Wissen nicht an andere vermitteln kann? Das Auswahl-Trio trägt am Ende des Tages seine Bewertungen zusammen und bespricht die Ergebnisse. Im Idealfall entsprechen alle Kandidaten weitgehend den Anforderungen der Profile und können angenommen werden. Bei kleineren Abweichungen ist die Planung von Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel Workshops oder die Einstellung eines Beraters zur Qualitätssicherung und zum Risikomanagement ausreichend, bei erheblichen Mängeln jedoch muss eine Neu-Auswahl unter den Mitarbeitern des Implementierers vorgenommen werden. Muss man erkennen, dass die Qualifikation sämtlicher Mitarbeiter des Implementierungspartners nicht den Erwartungen entspricht, ist die Entscheidung für diesen Dienstleister noch einmal genau zu überdenken. Im Zweifel kehrt man zu Schritt 1 des Phasenmodells zurück. Um für einen solchen Fall gerüstet zu sein, empfiehlt es sich, von vornherein einen zweiten Implementierer in die nähere Betrachtung mit einzubeziehen. Dieser und der Implementierer, der als erste Wahl aus dem Auswahlprozess hervorgegangen war, sollten über die Wendung, die das Verfahren an dieser Stelle nehmen kann, informiert werden. Der Ersatz-Dienstleister erhält gegebenenfalls eine zweite Chance; der erstausgewählte Partner kann sich seiner Sache niemals zu sicher sein. Erst wenn auf alle Rollen definitiv ein Kandidat zugeteilt wurde, wird das Projektteam vom Auswahl-Trio bestätigt und die nächste Phase kann eingeleitet werden. Meilenstein: Finaler Vertragsabschluss Ist das Projektteam vollständig besetzt, kann der Projektvertrag endgültig unterzeichnet werden. Phase 5: Team-Kick-off Das Team-Kick-off-Meeting schließt die Zusammenstellung des Projektteams ab. In einem eintägigen Workshop werden Projektorganisation, Projektprozesse und Kommunikationsprozeduren festgelegt, Ansprechpart- 26 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 ner definiert sowie Teambuilding-Maßnahmen durchgeführt. Mit Letzterem sind keine hochtrabenden psychologischen Spiele gemeint, sondern gemeinsame Aktivitäten, die Platz lassen zum Kennenlernen und Diskutieren - auf fachlicher und vor allem menschlicher Ebene. Gerade der Aspekt „Teambuilding“ darf nicht zu kurz kommen, gilt es doch bei einer heterogenen Zusammenwürfelung unterschiedlicher Charaktere Teamgeist zu wecken. Der Team-Kick-off leitet dann in die eigentliche Durchführung des Projekts über. Mit einem sorgfältig ausgewählten Team ist bereits vieles getan, um das Projekt zum Erfolg werden zu lassen! Schlagwörter Assessment Center, ERP-Projekt/ IT-Projekt, Projektrolle und Anforderungsprofil, Projektteamauswahl Autor Dr. rer. pol., Dipl.-Ing. Thomas Jurisch wurde im Jahr 2000 Geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Böhmer, Uhrig & Partner, der heutigen INTAR- GIA Managementberatung GmbH. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen u. a. Entwicklung übergreifender IT-Strategien, Coaching von Top-Managern und CIOs aus Industrie und öffentlichem Dienst, Turn-around- und Krisenmanagement in komplexen IT-Projekten, verantwortliches Projektcontrolling in großen IT-Projekten sowie die Mitarbeit in IT-Ausschüssen und -Steuerungskomitees von Kunden. Er studierte Maschinenbau an der Technischen Hochschule Darmstadt und promovierte berufsbegleitend an der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Von 1987 bis 2000 war Dr. Thomas Jurisch in Zentral- und Spartenfunktionen der Linde AG tätig, zuletzt als CIO der Sparte Kältetechnik (6.500 Mitarbeiter weltweit). Autorin Dipl.-Kffr. Jessica von Zitzewitz ist seit 2003 Beraterin bei der INTARGIA Managementberatung GmbH. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen unter anderem IT-Strategie, Qualitätssicherungs- und Risikomanagement in komplexen IT-Projekten, interkulturelle Zusammenarbeit und IT-Vertragsmanagement. Jessica von Zitzewitz studierte Betriebswirtschaftslehre in Göttingen, Fontainebleau und Berlin mit den Schwerpunkten Internationales Management und Organisation. Sie ist Zertifizierte Projektmanagerin der GPM Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Anschrift der Autoren INTARGIA Managementberatung GmbH Max-Planck-Straße 20 D-63303 Dreieich Tel.: 0 61 03/ 50 86 0 E-Mail: jessica.zitzewitz@intargia.com 28 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Die Tücken des Offshoring Falls Ihr Unternehmen vor der Entscheidung steht, ob es Software inhouse oder offshore entwickeln will, so scheint die Wahl zunächst nicht schwer zu sein. Schenkt man den Werbebotschaften der Offshore-Anbieter Glauben, so erhöht Offshoring unter anderm die Flexibilität des Ressourceneinsatzes, ermöglicht unbegrenzte Arbeitszeiten, spart bis zu 60 % der Ausgaben und wandelt fixe in variable Kosten um. Bereits nach kurzem Studium dieser Heilsversprechungen könnte man die Liste leicht um weitere Punkte ergänzen. Warum zögern dennoch einige Unternehmen? Die immer noch vornehme Zurückhaltung einiger Unternehmen beruht vor allem auf der Vielzahl fehlgeschlagener Projekte. Vor diesem Hintergrund führte Moczadlo [1] eine Untersuchung durch, in der deutsche Unternehmer über ihre Erfahrungen im Bereich des Offshoring befragt wurden. Dabei kristallisierten sich insgesamt acht Hauptrisikobereiche heraus. Vor allem die folgenden drei Punkte stellen die Unternehmen vor die größten Herausforderungen, da hier viele Faktoren systematisch unterschätzt werden: o Falsches Management-Denken o Kulturelle Unterschiede o Sprachliche Schwierigkeiten Unsere Projekterfahrung hat gezeigt, dass gerade die sprachlichen Schwierigkeiten, also die Wissensermittlung und -übertragung zwischen den Projektbeteiligten des Auftraggebers und des Auftragnehmers, über Erfolg oder Misserfolg eines Offshore-Projektes entscheidet. Deshalb werden wir Ihnen diese Thematik etwas näher bringen. Offshoring kompakt Da die Ausprägung des Offshoring viele Facetten aufweist und um Ihnen den Einstieg in die Materie zu erleichtern, möchten wir Ihnen zunächst die beiden extremsten Vorgehensmodelle vorstellen, da diese die Intensität und die Art der Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten bestimmen. Mehr Informationen zu allen Vorgehensmodellen finden Sie in [2]. Spezifikationen über den Zaun werfen Das Vorgehensmodell in Sequenz (Abb. 1) eignet sich gut für den Einstieg in den Offshoring-Markt (z. B. zur Evaluierung eines Partners). Allerdings sollte es sich bei dem Pilotprojekt um einen klar abgrenzbaren, möglichst vom täglichen Geschäft unabhängigen Bereich handeln, so dass Sie das Experiment notfalls erfolglos und halbwegs schadlos beenden können. Beim In-Sequenz-Modell übergibt der Auftraggeber sein Lastenheft und der Offshore-Anbieter setzt es Wort für Wort um. Während des Projekts wird nur minimal zwischen Ihrem Team und dem des Auftragnehmers kommuniziert. Da Sie natürlich trotzdem am Erfolg des Missverständnisse eliminieren, Fehler vermeiden Die Sprache in Offshore-Teams Christian Pikalek, Chris Rupp Innerhalb von Projektteams kann man immer wieder beobachten, dass sich Diskussionen über Sachverhalte im Nachhinein als reine Missverständnisse in der Kommunikation erweisen, da die Kontrahenten eigentlich das Gleiche meinen, es aber unterschiedlich ausdrücken. Die Konsequenzen solcher Auseinandersetzungen können im schlimmsten Fall zu verhärteten Fronten und Grabenkämpfen innerhalb Ihres Teams führen, also pures Gift für ein erfolgreiches Projekt sein. Bei Offshore-Projekten und -Teams ist dies leider nicht die einzige Klippe, die es zu umschiffen gilt. Projektverlauf Auftragnehmer/ Offshore Auftraggeber/ Onsite Räumliche Verteilung Implementierung Anforderungen Vertrag Abb. 1: Spezifikationen über den Zaun werfen - das In-Sequenz-Modell 29 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Projektes interessiert sind, müssen Sie sich im Klaren sein, dass die Anforderungen an die Dokumentation der Anforderungen, an den Projektplan sowie an eine detaillierte Kalkulation sehr hoch sind; denn der Offshore-Anbieter wird nur das liefern, was Sie im Lastenheft festgelegt haben. Um diese Eindeutigkeit zu erreichen, ist es deshalb umso wichtiger, dass Ihr Projektteam intensiv miteinander kommuniziert, so dass sich Unklarheiten nicht schon in Ihr Projektteam einschleichen. Die Kosteneinsparung ist im Vergleich zu den anderen Modellen gering, da hohe Aufwendungen in die Erstellung einer sehr umfassenden, detaillierten Spezifikation fließen. Die Kommunikation ist bei diesem Vorgehen auf ein Minimum begrenzt. Der Vorteil dieses Modells besteht allerdings darin, dass keine Abhängigkeit zum Offshore-Anbieter entsteht. Dieses Modell war früher der „Klassiker“ des Offshoring. Einige bekannte gescheiterte Projekte basieren auf diesem Modell. Das andere Ende - die Offshore Workbench Bei der Offshore Workbench (Abb. 2) handelt es sich um das genaue Gegenteil des In-Sequenz-Modells. Die Softwareproduktion eines Unternehmens wird komplett ausgegliedert. Es hat sich gezeigt, dass sich mit diesem Modell die größten Kosteneinsparungen erzielen lassen. Dieses Kooperationsmodell eignet sich speziell für sehr gut abgrenzbare Projekte oder Produktionsschritte. Es hat nur einen Haken: Man sollte dieses Modell erst nach einem erfolgreich abgeschlossenen Pilotprojekt etablieren, da es auf eine längerfristige Bindung zum Offshore- Partner ausgelegt ist. Eine Offshore Workbench ist ähnlich einer verlängerten Werkbank in klassischen Produktionsbetrieben organisiert, das heißt Ihr Partner wird zum festen Bestandteil Ihrer Produktion. Deshalb muss der Offshore-Anbieter gut über Ihre Arbeitsweisen und Ihr Umfeld Bescheid wissen (z. B. über einen oder mehrere Piloten). Die permanente Kommunikation sollte in kleinen gemischten Projektteams erfolgen, die auch den Wissenstransfer sicherstellen. Durch die Zusammenarbeit bietet sich die Möglichkeit, Korrekturen und Änderungen jederzeit durchzuführen. Diese enge Verzahnung hat leider den Nachteil, dass Sie dadurch in eine gewisse Abhängigkeit von einem Offshore-Anbieter geraten. Deshalb sind die Anforderungen an das Management eines Workbench-Modells höher. Bedenken Sie dabei auch, dass bei diesem Modell sehr viel Know-how von Ihnen zum Offshore-Partner übergeht. Die Qual der Wahl Eine pauschale Empfehlung für das eine und gegen das andere Vorgehensmodell kann nicht getroffen werden. Jedes besitzt seine Vor- und seine Nachteile. Deshalb muss sich ein Unternehmen überlegen, wo es sich im Spannungsfeld zwischen Kostenersparnis, Unabhängigkeit von einem Offshore-Partner, dem zu leistenden Analyseaufwand und dem Wissenstransfer (Abb. 3) positionieren will. Die Abb. 3 basiert auf der Annahme, dass Ihr Unternehmen sein Vorgehensmodell immer unter dem Gesichtspunkt des Projekterfolges auswählt. Will ein Unternehmen diesen sicherstellen, so muss es, zum Beispiel beim In-Sequenz-Modell, einen hohen Aufwand in die Systemanalyse stecken. Da es diese allerdings vor Ort mit seinen teuren Mitarbeitern durchführen muss, ist die Kostenersparnis nur gering. Dafür muss nur ein kleiner Teil des Wissens, also des intellektuellen Kapitals eines Unternehmens, transferiert werden, so dass die Unabhängigkeit von einem Offshore-Anbieter hoch ist. Im umgekehrten Fall der Workbench muss durch die permanente Kommunikation weniger Aufwand in die Analyse investiert werden. So lassen sich Kosten sparen. Dafür begibt man sich, wie schon erwähnt, in eine gewisse Abhängigkeit aufgrund des hohen Wissenstransfers. Diesen Zusammenhang kann ein Unternehmen nicht umgehen, es sei denn, es ist bereit, ein höheres Risiko beim Projekterfolg einzugehen. Jedes Unternehmen sollte sich über diese Abhängigkeiten im Klaren sein und sich genau überlegen, welche Strategie es verfolgen will. Wichtig ist, dass man nicht vergisst: Geringer Analyseaufwand und Wissenstransfer bei gleichzeitig hoher Kostenersparnis und Unabhängigkeit vom Auftragnehmer, gepaart mit geringem Risiko, sind beim Offshoring unmöglich. Kommunikation in Offshore-Teams Egal, ob Sie nun eher in Richtung des In-Sequenz-Modells oder zur Offshore Workbench tendieren, die Kommunikation als Grundpfeiler für eine erfolgreiche Teambildung bleibt immer wichtig. Der Unterschied zwischen den Modellen liegt darin, dass Ihr Team im ersten Fall „nur“ aus Ihren eigenen Mitarbeitern besteht und im zweiten Fall durch Mitarbeiter des Offshore-Anbieters ergänzt wird. Natürlich können Sie nun einwerfen, dass die Integration von firmenfremden, womöglich noch aus einem anderen Kulturkreis stammenden Mitarbeitern in ein Projektteam bei weitem eine größere Herausforderung darstellt, und wir würden Ihnen nicht widersprechen. Allerdings wollen wir Ihnen zeigen, dass die Probleme der Kommunikation innerhalb jedes Projektteams annähernd dieselben sind und deshalb auch auf eine ähnliche Art gelöst werden können. Projektverlauf Auftragnehmer/ Offshore Auftraggeber/ Onsite Räumliche Verteilung Implementierung Anforderungen Implementierung Anforderungen usw. Vertrag Kooperation Wissen Abb. 2: Das war der Anfang einer langen Freundschaft - die Offshore Workbench 30 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Die Grundsteinlegung Der Erfolg eines Projektes entscheidet sich bereits in der ersten Projektphase: der Systemanalyse. Hier muss die gesamte Komplexität eines Systems durch einen vollständigen Satz von qualitativ hochwertigen Anforderungen dokumentiert werden. Das daraus resultierende Dokument bildet in Offshore-Projekten die Kommunikations-, Diskussions- und Argumentationsgrundlage Ihres Projektteams. Zeigen sich bereits am Anfang Risse in diesem Fundament, das heißt die Entwickler können sich nicht sicher sein, was die Fachseite mit einer Anforderung gemeint hat, so gerät Ihre gesamte Konstruktion sehr schnell in Schieflage. Um die gemeinsame Basis innerhalb eines Projektteams zu erstellen, werden Anforderungen in den meisten Projekten in natürlicher Sprache verfasst, da Prosatext den einzigen gemeinsamen Nenner zwischen der Entwicklung und den Know-how-Trägern der Fachabteilungen darstellt. Dabei zeigt sich allerdings sehr schnell, dass eine für alle Beteiligten eindeutige Dokumentation eines Sachverhaltes nicht leicht ist. Um zu zeigen, wo die Fallstricke liegen, müssen wir einen Blick auf den Wissenstransfer zwischen Menschen werfen. Worte sind bedeutungslos! Ein Problem für die Kommunikation innerhalb eines Projektteams, und damit für die Teambildung selbst, hat die Ursache darin, dass unser Sprachsystem einem so genannten sozialgenetischen Filter unterliegt. Dieser Sachverhalt lässt sich am Beispiel der Entwicklung eines Flugsicherungssystems gut verdeutlichen: Unterhalten sich die beteiligten Softwareingenieure miteinander, so ist ihnen allen klar, was man zum Beispiel unter einem „Radiobutton“, einem „Drop Down Window“ etc. versteht. Das Gleiche gilt für die Fachseite, in unserem Beispiel Fluglotsen als Repräsentanten der späteren Nutzer. Ihnen sind die Bedeutungen der Wörter „SSR-Code“, „Arrival Gate“, „Abeam Position“ natürlich geläufig. Müssen Sie nun Fluglotsen und Softwareingenieure in ein Projektteam integrieren, so prallen diese Welten aufeinander. Die Folge: Wörter, die dem Fachbereichsexperten keine Erläuterung wert sind, sind für die Softwareingenieure nur böhmische Dörfer, und umgekehrt. Dies liegt daran, dass sie kein gemeinsames Referenzmodell besitzen und die Worte allein zunächst bedeutungslos sind. Erst wenn Menschen einen gemeinsamen Erfahrungsschatz besitzen, können sie Objekten eine eindeutige Bedeutung zuordnen. In Onsite-Projekten können diese Lücken aufgrund der räumlichen Nähe zum Beispiel durch kurze Besuche relativ schnell geschlossen werden. In Offshore-Projekten bedeutet dies dagegen, dass evtl. weite Distanzen überbrückt werden müssen, so dass zusätzliche Kosten entstehen können. Außerdem kann es zu Missverständnissen aufgrund der unterschiedlichen Sprache kommen. Wichtig ist hier, dass Ihr Projektteam zunächst ein gemeinsames Referenzmodell erstellen muss, um sich über einen Sachverhalt austauschen zu können. Nur so können Missverständnisse und damit Fehlentwicklungen vermieden werden. Wahrnehmung und Kommunikation Ein solches Referenzmodell muss parallel zur Anforderungsermittlung und -dokumentation innerhalb des Teams erarbeitet werden. Dabei muss sich das Team zusätzlich über zwei weitere Prinzipien im Klaren sein. Die Wahrnehmung des Menschen und die Kommunikation untereinander werden geprägt von der Fokussierung und der Vereinfachung (Abb. 4). Bei der Fokussierung gebietet das Gehirn den meisten Sinneseindrücken der Realität auf ihrem Weg ins Gedächtnis Einhalt. Das führt dazu, dass diese nie oder in stark abstrahierter Form Teil unseres Wissens werden. Auf diesem Weg wird entschieden, was für einen Menschen wichtig ist und was nicht. Kommunikation, als der sprachliche Ausdruck unseres Wissens, ist notwendigerweise vereinfachend. Aber genau diese Vereinfachung ist es, die im Zusammenhang mit der Ermittlung und Dokumentation von Anforderungen zwischen Ihren Projektbeteiligten zum Problem wird, da sie sprachliche Unschärfen produziert. Werden diese im Team nicht erkannt, so führen sie im Projekt zu enormen Problemen und damit verbundenen zusätzlichen Kosten. Sprachliche Unschärfen können jedoch systematisch, zum Beispiel durch das SOPHIST-Regelwerk [3], behoben werden. Behält Ihr Team sowohl das Referenzmodell als auch die beiden Prinzipien der Wahrnehmung und Kommunikation im Hinterkopf, können bereits viele Unklarheiten von Anfang an vermieden werden. Doch nur diese Erkenntnis alleine stellt nicht sicher, dass Ihr Kunde, in unserem Beispiel die Fluglotsen, auch mit dem Endergebnis zufrieden ist. Um dies zu gewährleisten, müssen Sie in einem Projekt noch weitere Punkte beachten. Was Nutzer wirklich wollen Zur Beantwortung dieser Frage möchten wir einen kurzen Exkurs in die Gefühlswelt Ihrer Nutzer, zum Beispiel Ihrer Fachseite, machen. Zur Darstellung des Zu- Spannungsfeld der Vorgehensmodelle Analyseaufwand Wissenstransfer Unabhängigkeit Kostenersparnis Workbench In Sequenz Abb. 3: Das Spannungsfeld der Vorgehensmodelle 31 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell sammenhangs zwischen Anforderungen und Nutzerzufriedenheit stellte Dr. Noriaki Kano 1978 das nach ihm benannte Kano-Modell (Abb. 5) vor. Eine detaillierte Beschreibung der Anwendungs- und Interpretationsmöglichkeiten des Kano-Modells verfasste Sauerwein [4]. Zusammengefasst unterteilt er die Anforderungen/ Features eines Produktes in drei Kategorien. Die Einteilung erfolgt dabei aufgrund des unterschiedlichen Einflusses auf die Zufriedenheit des Nutzers mit dem Produkt: o Standard- und Basisfaktoren sind selbstverständlich vorausgesetzte Features. o Leistungsfaktoren sind bewusst geforderte Sonderausstattungen. o Begeisterungsfaktoren sind Features des Produktes, die der Nutzer nicht kennt und erst während der Benutzung als angenehme und nützliche Überraschung erkennt. o Erfüllt ein System die Standard-/ Basisfaktoren, so erzeugt es beim Nutzer bestenfalls ein Gefühl der Nicht- Unzufriedenheit. Fehlen diese Features allerdings, so führt das zu massiver Unzufriedenheit. o Die Auswirkung von Leistungsfaktoren kann man auf die kurze und knappe Formel bringen: bei Erfüllung Zufriedenheit, bei Nicht-Erfüllung Unzufriedenheit. o Begeisterungsfaktoren bezeichnen die Features, die einem Produkt einen echten Marktvorteil verschaffen. Werden solche Überraschungen eingebaut, so steigt die Zufriedenheit überproportional an. Bei Nicht-Erfüllung vermisst der Nutzer dagegen nichts. Im Laufe der Zeit werden Begeisterungsfaktoren zuerst zu Leistungsfaktoren, da andere Hersteller solche Features natürlich kopieren, und schließlich zu Standard-/ Basisfaktoren. Stellen Sie sich nur die Entwicklung von Handys in den letzten Jahren vor und Sie verstehen die Aussage des Modells genau. Doch wie hilft uns diese Einteilung jetzt bei der Kommunikation zwischen unseren Projektbeteiligten? - Ganz einfach. Nachdem man weiss, dass es diese Unterschiede gibt, muss nur noch geklärt werden, wo die Nutzer dieses Wissen versteckt halten und wie man es zu Tage fördert. Abb. 4: Realität wahrnehmen und vermitteln Zufriedenheit zufrieden Begeisternde Faktoren Leistungsfaktoren Basisfaktoren Zeit Zeit Zufriedenheit unzufrieden Erfüllungsgrad unzureichend Erfüllungsgrad vollständig Abb. 5: Das Kano-Modell 32 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Wissen ist nicht gleich Wissen Menschliches Wissen, also auch das Ihrer Nutzer, ist auf drei Bewusstseinsebenen gespeichert. Bewusstes Wissen umfasst alle Informationen, über die sich ein Mensch im Klaren ist oder die in ihrer vollen Bedeutung erkannt werden. Auf dieser Bewusstseinsebene sind die Leistungsfaktoren eines Systems gespeichert und können zum Beispiel erfragt werden. Auf der Ebene des unbewussten Wissens werden Informationen gespeichert, die sich dem Bewusstsein im Moment nicht darbieten, aber dennoch handlungsbestimmend sind. Hier können die Standard- und Basisfaktoren angesiedelt werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass ein Nutzer dieses Wissen nicht von sich aus preisgibt, da er implizit davon ausgeht, dass die Faktoren erfüllt werden. Ein Beispiel für eine implizite Annahme wäre, dass ein neues Handy auch telefoniert. Im unterbewussten Wissen finden sich unbekannte Wünsche, die erst von außen herangetragen werden müssen, bevor sie ein Nutzer als Anforderungen erkennt. Sind diese erst einmal entdeckt, zum Beispiel durch die Verwendung einer Kreativitätstechnik, so entwickeln sie sich schnell zu Begeisterungsfaktoren. Um die Vollständigkeit eines Anforderungsdokumentes garantieren zu können, müssen Sie sicherstellen, dass während der Systemanalyse alle drei Bewusstseinsebenen der Nutzer stimuliert werden. Nur so erhält man alle Arten von Anforderungen. Dazu stehen dem Analytiker eine Vielzahl von Methoden, wie zum Beispiel Kreativitäts- oder Ermittlungstechniken, zur Verfügung. Doch nicht jede Methode ist gleich gut. Welche Methode unter welchen Projektrandbedingungen am besten funktioniert und welche wann ungeeignet ist, beschreibt Rupp [3]. Zusammenfassung und weitere Tipps In diesem Artikel haben wir versucht, Ihnen zu verdeutlichen, dass die verschiedenen Vorgehensmodelle des Offshoring zwar Auswirkungen auf die Intensität und die Art der Kommunikation innerhalb eines Projektteams und zwischen den Vertragspartnern haben, die generellen Probleme der Teamkommunikation aber unabhängig davon sind. Diese basieren auf einem fehlenden Referenzmodell, der Wahrnehmung und Kommunikation zwischen Menschen im Allgemeinen und den verschiedenen Faktoren nach Kano. Das Gute ist aber, dass sie sich durch geeignete Methoden beheben lassen. Zum Abschluss möchten wir Ihnen noch einige Hilfsmittel mit auf den Weg geben, welche die Kommunikation in Offshore-Projekten verbessern. Wenn Sie sich nicht nur auf den schriftlichen Verkehr mit Ihrem Offshore- Partner verlassen wollen, vermitteln Sie ihm doch konkrete Einblicke in Ihr Problem. Zeichnen Sie zum Beispiel Ihre tägliche Arbeit oder Arbeitsumgebung auf Video auf oder schicken Sie ihm Werkstücke, die bei der Produktion entstehen sollen. Wechseln Sie vom Telefon oder der Mail auf Videokonferenzen oder laden Sie Ihren Partner zu sich ins Unternehmen ein. So können nicht nur Eindrücke vermittelt werden, sondern Sie erhöhen auch noch die Teamfähigkeit. Neben der Verbesserung der Kommunikation sollten Sie auch immer den Fortschritt Ihres Projektes im Auge behalten. Sorgen Sie hier für kurze Iteration, so dass Sie schnell ein erstes Ergebnis in den Händen halten und, falls nötig, Fehlentwicklungen schnell entgegenwirken können. So können beide Parteien voneinander profitieren und Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Sie auch das Produkt bekommen, das Sie sich vorgestellt haben. Verwenden Sie Prototypen und sorgen Sie für transparente Ergebnisse (z. B. durch eine gemeinsame Datenbank). Durch diese Transparenz während der Zusammenarbeit ersparen Sie sich einige schlaflose Nächte, da Sie bei Bedarf rechtzeitig gegensteuern können. Mehr zum Thema Offshoring selbst finden Sie in [5]. Falls Sie mehr über den Einsatz der verschiedenen Ermittlungstechniken wissen möchten, schreiben Sie einfach eine kurze Mail an presse@sophist.de, und Sie erhalten das komplette Kapitel „Hellsehen für Fortgeschrittene“ des Buches „Requirements Engineering und Management - Professionelle, iterative Anforderungsanalyse für die Praxis”. n Literatur [1] Moczadlo, R.: Chancen und Risiken des Offshore-Development - Empirische Analyse der Erfahrungen deutscher Unternehmen. Studie FH Pforzheim 2002 [2] Rupp, C.: Systemanalyse in Offshore-Projekten: Ein Spiel um Macht, Geld und Verantwortung. In: Objektspektrum, Heft 06, 2004, S. 46-53 [3] Rupp, C., & SOPHIST Group: Requirements Engineering und Management - Professionelle, iterative Anforderungsanalyse für die Praxis. München-Wien 2004 [4] Sauerwein, E.: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit. Wiesbaden 2000 [5] Rupp, C.: „Offshore-Entwicklung - Was bleibt von Ihrem Arbeitsplatz? “. In: Objektspektrum, Heft 03, 2005, S. 46-47 Schlagwörter Ermittlungstechniken, Kano-Modell, Kommunikation, Offshore Development, Offshore-Vorgehensmodelle Autor Christian Pikalek ist seit 2003 Mitarbeiter der SOPHISTen. Seitdem analysiert und dokumentiert er Systeme und Geschäftsprozesse. Daneben konzentrieren sich seine Forschungsschwerpunkte auf die Möglichkeiten des Requirements Engineering in Offshore-Projekten und den Bereich des Innovationsmanagements. Autorin Chris Rupp liefert durch ihre Publikationen und Vorträge immer wieder wichtige Impulse für die Bereiche Requirements Engineering und Objektorientierung. Erfindungen von ihr und den SOPHISTen legten die Basis des modernen Requirements Engineering. Sie ist Geschäftsführerin der SOPHIST GROUP. Anschrift der Autoren SOPHIST GROUP Vordere Cramergasse 11-13 D-90478 Nürnberg Tel.: 09 11/ 4 09 00-0 Fax: 09 11/ 4 09 00-99 E-Mail: presse@sophist.de www.sophist.de 34 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 1 Einführung: Interkulturelle Projektarbeit sowie Herausforderungen internationaler Unternehmungsführung Die zunehmende Internationalisierung der Produkt- und Kapitalmärkte, durch das Entstehen transnationaler Netzwerke auf wirtschaftlicher und politischer Ebene nachhaltig gefördert, hat neue Nachfrage- und Wettbewerbsbedingungen für Unternehmungen geschaffen. Für die Steuerung von Unternehmungen ergeben sich aufgrund dieser Entwicklungen erhebliche Implikationen. „Die Organisationen als Ganzes sind herausgefordert, Internationalität zu verinnerlichen und mittelfristig eine internationale Unternehmenskultur zu etablieren.“ [1, S. 23] Für immer mehr Führungskräfte und Mitarbeiter gehört der Umgang mit verschiedenen Kulturen inzwischen zum Alltag [2, S. 75]. Ein kultursensitives Management durch eine internationale Aufstellung der Manager gilt als essentieller Wettbewerbsfaktor der Zukunft [3, S. 60]. Teams als Organisationsform zur Entwicklung interkultureller Kompetenz rücken dabei zunehmend in den Blickpunkt des Interesses. Zur Lösung der stetig komplexer werdenden Aufgabenstellungen bedarf es immer öfter der Kapazitäten und des Know-hows verschiedener Bereiche und Länder und damit einhergehend flexibler Einsatzstrukturen, denen tradierte hierarchische Linienorganisationen nicht mehr oder nur noch unzureichend gerecht werden. Kultur- und funktionsübergreifende Projektgruppen bieten diese Flexibilität und sollen so zur Erhöhung der Innovationskraft und einer ganzheitlichen Problemlösung in internationalen Unternehmungen beitragen [4, S. 5]. Die Nutzung von Wissenssynergien, die bei dem Transfer von Kompetenzen, Erfahrungen und Denkprozessen durch eine gezielte Zusammensetzung von Sozial- und Humankapital in den Teams entstehen können [5, S. 185], trägt zudem zu einer Initiierung von individuellen und organisationalen Lernprozessen und zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit bei [6, S. 74]. Des Weiteren können interkulturelle Projektteams die Mobilität und Selbstverantwortung der Teilnehmer fördern und interkulturelles Konfliktpotenzial reduzieren [6, S. 75]. Durch die Vernetzung der Kommunikation sowie eine Erhöhung der Identifikation und Akzeptanz durch die Projektpartizipation kann außerdem das Commitment der Mitglieder zur Lösungsumsetzung gestärkt werden [4, S. 54 f.]. Interkulturelle Projektteams können einen nachhaltigen Einfluss auf die strategische Entscheidungs- und Führungskompetenz von Unternehmen ausüben Dennoch sind interkulturelle Projektteams nicht per se ein Erfolgsfaktor zur Erreichung der genannten Ziele, denn ihr Einsatz birgt nicht nur Nutzensondern auch Problempotenzial. Eine starke Unterstützung und Akzeptanz durch die Unternehmungsleitung und durch die in der Unternehmung vorhandenen Strukturen sind von zentraler Bedeutung. Auch die jeweiligen Länder- und Unternehmungskulturen müssen für einen Einsatz kulturübergreifender Projektteams geeignet sein. Die Impuls- und Initiierungsfunktion des kulturübergreifenden Projektmanagements für eine internationale Unternehmungsführung sowie seine Steuerungsfunktion im Hinblick auf Internationalisierungsprozesse werden internationale Projektteams nur wahrnehmen können, wenn ihnen explizit ein Beitrag zur strategischen Weiterentwicklung der Unternehmung abverlangt wird. Entsprechend kann sich ohne strategischen Bezug das Potenzial Nutzenpotenziale interkultureller Projektteams Empirisches Schlaglicht und ausgewählte Gestaltungsempfehlungen Friedel Ahlers, Claus Steinle, Urte Weinkopf Interkulturelle Projektgruppen werden immer häufiger in internationalen Unternehmungen gebildet, um grenzüberschreitende, konzernweite Themenstellungen zu bearbeiten. Der Projekterfolg ist dabei in höherem Maße als im nationalen Kontext von der gezielten Ausschöpfung der Nutzenpotenziale einer entscheidungsförderlichen Synthese unterschiedlicher Problemsichtweisen abhängig. Entsprechende Herausforderungen liegen in der Gestaltung effektiver Kommunikations- und Koordinationsprozesse vor dem Hintergrund kultureller Besonderheiten. Interkulturelle Projektteams können bei professioneller Gestaltung zur Erhöhung individueller wie organisationaler Kompetenz beitragen. Auf Basis einer intensiven Befragung von zwölf Projektleitern und -teilnehmern sowie vier Beratern werden dazu Überlegungen dargestellt, die in einzelne Empfehlungen münden. 35 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell internationaler Projektteams zum Aufbau strategischer Entscheidungs- und Führungskompetenz nicht oder nur ansatzweise entfalten. Gerade in internationalen Unternehmungen sollten interkulturelle Projekte diese strategische Impulsfunktion ausfüllen können, um durch das im Rahmen der Projektarbeit freigesetzte Lern- und Entwicklungspotenzial die Problemlösungsfähigkeit und damit die Intelligenz der internationalen Unternehmung zu erhöhen. Interkulturelle Projektgruppen können insofern auch einen nachhaltigen Einfluss auf die strategische Entscheidungs- und Führungskompetenz auf Unternehmungsebene ausüben, insbesondere wenn die in den Projekten gewonnenen, in der Regel sehr intensiven Erfahrungen in der kulturübergreifenden Zusammenarbeit auch auf andere Bereiche und Folgeprojekte übertragen werden. Eine Diskussion der hier genannten Problemfelder wurde in der Literatur bisher nur punktuell geführt. Profunde Untersuchungen speziell zur strategischen Entscheidungs- und Führungskompetenz im internationalen Kontext stehen noch weitgehend aus, was angesichts der hohen Praxisrelevanz einerseits überrascht, andererseits aber mit der hohen Komplexität der Thematik zu begründen ist. Im Folgenden sollen Ergebnisse dargestellt werden, die durch eine Intensivbefragung zu diesem Thema gewonnen wurden. Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen zu interkulturellen Projektteams vervollständigen dann die Überlegungen. 2 Kompetenzorientierte Nutzenpotenziale interkultureller Projektteams: Ein empirisches Schlaglicht 2.1 Merkmale der empirischen Beleuchtung Das Themengebiet kompetenzorientierter Nutzenpotenziale interkultureller Projektteams ist aufgrund seiner Vielschichtigkeit und der Vielzahl der Einflussfaktoren nicht klar strukturiert. Bei derartig komplexen und teilweise noch unbekannten Untersuchungsobjekten wird die Anwendung qualitativer Sozialforschung empfohlen [7, S. 27]. Als empirische Forschungsmethode wurde daher die mündliche Befragung gewählt, um direkten Einfluss auf den Gesprächsverlauf im Rahmen einer Regelfunktion nehmen [8, S. 163] und so auf die unterschiedlichen Gegebenheiten der Interviewpartner eingehen zu können. An der Untersuchung nahmen insgesamt 16 Befragungsteilnehmer unterschiedlicher Nationalitäten (Deutschland, Griechenland, USA, England, Schottland, Österreich) teil. Fünf Befragungen wurden als persönliche und zehn als telefonische Interviews durchgeführt. Ein Befragungsteilnehmer beantwortete die Fragen aus koordinatorischen Gründen schriftlich. Zwölf der Befragten sind Unternehmungsmitglieder, die bereits selbst als Projektteilnehmer, -leiter oder -support in internationalen Projekten involviert sind oder waren. Vier weitere Gesprächspartner sind Berater, die zum Einsatz internationaler Projektteams beraten, Mitarbeiter schulen oder als Projektcoach fungieren. 2.2 Arbeitsprozesse in interkulturellen Projektteams in der Praxis Initiierungsphase: Projektgruppen-Konstituierung als erfolgskritischer Prozess Die Integration interkultureller Projektteams in die Organisationsstruktur und -kultur findet häufig nur sehr begrenzt oder nicht grundlegend anders als bei nationalen Teams statt. Nach Aussage von zwei Beratern werden sie in der Regel vielmehr als Ad-hocbzw. Add-on- Organisationen aufgesetzt. Lediglich drei der befragten Unternehmungen sind projektorganisiert aufgebaut und arbeiten mit interkulturellen Projektteams als „Norm“. Alle anderen gaben an, linien- oder matrixorganisiert (Projekt-Linie) zu sein und die Mitarbeiter für das Projekt aus der Linie zu akquirieren. Ein Gesprächspartner gab kritisch zu bedenken, „… dass es eigentlich nicht sinnvoll erscheint, internationale Projekte aus der Organisationsstruktur auszugrenzen, wenn man doch davon ausgeht, dass diese einen positiven Beitrag zur Unternehmungskultur leisten können.“ Die Entscheidung über den Einsatz eines interkulturellen Projektteams ist nach Aussage der Mehrheit der Befragten in der Organisation in der Regel hierarchisch hoch angesiedelt. Dennoch kritisiert auch hier ein Interviewpartner, dass häufig die Unterstützung durch hohe Hierarchiestufen noch nicht ausreichend genug ist. Für die Auswahl der Projektteilnehmer und den Projektleiter gab nur eine Minderheit der Gesprächspartner an, dass teilweise spezielle Auswahlprozesse (bspw. Assessment Center, Interviews, …) eingesetzt werden. Ne- 36 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 ben der Verfügbarkeit, die sechs Befragungsteilnehmer als ein entscheidendes Kriterium angaben, wurden fachliche und sprachliche Kompetenz am häufigsten genannt. Weiterhin als relevant gilt soziale sowie interkulturelle Kompetenz. Auch eine hohe Hierarchiestufe, (Projekt- )Managementerfahrung, Organisationsvertrautheit und Beziehungsnetzwerke wurden besonders für die Projektleitung als wichtige Kriterien ausgewiesen. Des Weiteren können auch politische Hintergründe, gerade für interne Projekte, eine Rolle spielen. Auf die Selektion der Teammitglieder wird nach Aussage eines Beraters in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit gerichtet. Aufgrund negativer Erfahrungen der Unternehmungen in der Vergangenheit wird immer mehr Wert auf interpersonelle Sensitivität sowie interkulturelle Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit gelegt. Während in Asien eine starke Team- und Diskussionskultur besteht, sind in den USA in der Regel „Entscheider“ gefragt Eine gezielte Vergabe zusätzlicher Anreize für die Teilnahme an einem internationalen Projekt lässt sich, über die üblichen nationalen hinaus, in der Regel nicht feststellen. Lediglich vier Befragte wiesen auf die Vergabe finanzieller Incentives hin. Die am häufigsten genannten indirekten Anreizelemente sind Karrierechancen sowie eine individuelle Bereicherung. Der wirksamste Anreiz für die Teilnahme an einem interkulturellen Projekt ist nach Ansicht eines Beraters eine projektorientierte Personalentwicklung, die zur Nutzung der im Projekt erzielten Lerneffekte und dem Aufbau von Karrierewegen beiträgt. Analyse- und Konzeptionsphase: Kommunikations- und Koordinationsprozesse als Lern- und Entwicklungseffekte Im interkulturellen Kontext unterscheiden sich Analyse- und Bewertungsprozesse von Entscheidungsalternativen in der Detailgenauigkeit, so ein Berater. Zudem wies ein Gesprächsteilnehmer darauf hin, dass Verzerrungen durch Divergenzen in der Situationsbewertung entstehen können. In einigen der befragten Unternehmungen sind Bewertungsvorgänge unter anderem aufgrund des zeitlichen Drucks oder technischer Aspekte stark vorbestimmt. In anderen Unternehmungen existiert jedoch kein standardisierter Prozess; die Analyse und Bewertung von Entscheidungsalternativen verlaufen teamspezifisch und abhängig von der jeweiligen Länderkonstellation oder der Unternehmungskultur. Außerdem können berufsspezifische Unterschiede auftreten. Einige Befragte gaben weiterhin an, dass derartige Prozesse weniger kulturdeterminiert als vielmehr durch die individuelle Wahrnehmung geprägt seien, was sich zum Beispiel in unterschiedlichen Prioritäten der einzelnen Personen ausdrückt. Die jeweilige Sozialisation tritt lediglich verschärfend hinzu. Die Projektsprache ist häufig Englisch. In der Kommunikation können dabei sprachliche Schwierigkeiten auftreten. Um missverständliche Situationen zu vermeiden, werden von den Befragungsteilnehmern eine intensive Kommunikation und ein Mindestmaß an „Face-to- Face“-Kontakten empfohlen. Die Kommunikationsmöglichkeiten (wie z. B. Telefon- und Videokonferenzen, Internet, …) sind dabei nach Aussage eines Gesprächspartners „… unbegrenzt, die Kommunikationskoordination lässt allerdings zu wünschen übrig.“ Es sollte eine sinnvolle Balance zwischen persönlichen Treffen, E-Mail-Austausch und Telefon- oder Video-Konferenzen sowie zwischen intensiver Kommunikation und Effektivität angestrebt werden. Bei kritischen Entscheidungen wird angeraten, sich nicht per E-Mail, sondern in einer persönlichen Zusammenkunft abzustimmen. Zur effektiven Gestaltung der Kommunikation ist die Festlegung von Kommunikations- und Verhaltensregeln sinnvoll. Auch der Aufbau persönlicher Kontakte und einer gemeinsamen Arbeitskultur wurde durchweg als wichtig eingestuft. Entscheidungsphase: Konsenserzielung in konfliktären Entscheidungsprozessen Die Entscheidungsprozesse im Projektteam verlaufen nach Aussage der Mehrheit der befragten Unternehmungsmitglieder in der Regel konsensorientiert oder demokratisch. Die finale Entscheidung wird jedoch in vielen Unternehmungen durch die Hierarchie beeinflusst und liegt letztlich beim Gesamtverantwortlichen oder dem Auftraggeber des Projektes. In dieser Projektphase können verschiedene kulturgeprägte Vorgehensweisen aufeinander treffen. So existiert in Asien zum Beispiel eine starke Team- und Diskussionskultur, in den USA sind hingegen in der Regel „Entscheider“ gefragt. Der Verlauf von Entscheidungsprozessen kann daher sowohl vom Projektkontext als auch vom Machtträger abhängig sein. Auch der Unternehmungskultur kommt ein starker Einfluss auf den Prozess der finalen Entscheidungsfindung zu. Ebenso besitzt die Situation Determinierungspotenzial für den Entscheidungsverlauf. Drei Interviewpartner merkten an, dass es bei bestimmten Gegebenheiten, zum Beispiel in Notsituationen oder bei Deadlines, sinnvoll sein kann, eine Entscheidung von oben zu treffen. Insgesamt sollten eine Balance und effiziente Mischung von Konsens- und Top-down-Entscheidungen angestrebt werden. Gerade im internationalen Kontext ist der Bedarf an Konsensentscheidungen erhöht, da dort Projekte sonst schnell Gefahr laufen zu scheitern, so ein Interviewpartner. Zudem sollte ein „faires“ Gleichgewicht zwischen lokalen und konzernbezogenen Interessen gefunden werden. In dieser Phase ist besonders eine hohe Sozialkompetenz des Teamleiters relevant, um Konfliktsituationen zu bewältigen. Zur Konfliktvermeidung können außerdem eine hohe Transparenz der Entscheidungsprozesse sowie die Festlegung von Entscheidungsregeln beitragen. Des Weiteren sollten Autoritätsaspekte bereits zu Projektbeginn geklärt werden, da unterschiedliche Verständnisse von Führung, Hierarchie, Projektteam und Projektleiter aufeinander treffen können. Bei den Angelsachsen werden nach Aussage eines Beraters Hierarchien wenig betont, wobei aber zum Beispiel in Lateinamerika und Asien eine starke Hierarchieorientierung vorliegt. Dennoch sind die Aussagen der Befragungsteilnehmer nicht immer einheitlich. So gaben einige Gesprächspartner an, dass in den USA zwar vordergründig sehr informell gearbeitet wird, hintergründig aber ein 37 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell starkes Hierarchiedenken dominiert. Es wird somit evident, dass kulturelle Unterschiede nicht problemlos zu pauschalisieren sind. Dies gilt auch für das Führungsverhalten. Grundsätzlich hielt ein Interviewpartner fest, dass in Nordeuropa der Führungsstil eher partizipativ, in Asien eher autoritär geprägt ist. Dennoch wurde durch die Befragungsteilnehmer darauf verwiesen, dass das Führungsverhalten Abhängigkeiten sowohl zur Person, der Branche, der Unternehmungskultur, dem Projektleiter oder der Projektdominanz aufweisen kann. Zur Konfliktvermeidung wurden auch hier der Einsatz interkultureller Trainings, eine Sensibilisierung des Bewusstseins für kulturelle Unterschiede sowie die Klärung von Zielen und Verhaltensweisen im Vorhinein empfohlen. Realisierungsphase: Umsetzung der Projektideen in den internationalen Konzerneinheiten Die Realisierung der Projektideen wird bereits durch das Planungsvorgehen determiniert, in dessen Rahmen sich kulturelle Differenzen widerspiegeln: Einige Gesprächspartner gaben zum Beispiel an, dass Deutsche in der Regel detailliert und zeitaufwendig planen und in der Umsetzung sehr termintreu vorgehen. Die Planung in angelsächsischen Kulturen wurde eher als kurzfristig und grob, sehr flexibel und pragmatisch beschrieben. Auch die Einhaltung der Vereinbarungen kann durch kulturgeprägte Verhaltensweisen beeinflusst sein. Ein Berater stellte folgenden Zusammenhang fest: Bei hoher Unsicherheitsvermeidung (z. B. in Deutschland, Asien) tendieren Personen eher als in risikogeneigten Ländern (z. B. Südamerika, USA) dazu, Pläne zu erstellen und sie einzuhalten. Die Ergebnisse der Befragung weisen jedoch darauf hin, dass kulturelle Differenzen in der Realisierungsphase nicht nur ländersondern auch personenbezogen sein können. Zudem wird vieles durch die Unternehmungsstrategie und Budgets bestimmt. Gerade im Hinblick auf Zeit- und Kostenaspekte spielen kulturbedingte Unterschiede daher eine untergeordnete Rolle, was jedoch dazu führen kann, dass kulturelle Differenzen in dieser Phase oft zu spät realisiert werden. Zur Sicherung einer konsequenten Zielumsetzung schlug ein Befragungsteilnehmer die Festlegung von Rollen, Zielen und Verantwortlichkeiten vor. Zudem sollten eine hohe Kostentransparenz gewährleistet, „To- Do“-Listen sowie für alle verbindliche Budget- und Zeitpläne erstellt und eine kontinuierliche Information über den Status des Projektes gegeben werden. Ein gutes Projektmanagement ist nach Ansicht eines Interviewpartners im internationalen Kontext daher noch wichtiger als auf nationaler Ebene, da durch die fehlenden täglichen Abstimmungsmöglichkeiten besonders schnell Missverständnisse entstehen können. Vor allem ist zur Gewährleistung einer konsequenten Zielumsetzung aber die Akzeptanz der Entscheidungen von Bedeutung. Eine Mehrheit der Befragten sieht dies vor allem durch die Involvierung der Betroffenen in den Entscheidungsprozess und eine Entscheidungspartizipation als gegeben. Eine weitere Möglichkeit, die Akzeptanz und konsequente Zielumsetzung zu sichern, liegt in der Verantwortungsübertragung der Zielumsetzung zum Beispiel auf die Vorgesetzten der Projektteilnehmer. Auch eine hohe Verankerung des Projektes in der Organisation und die Beteiligung hierarchisch hoch angesiedelter Teammitglieder können positive Effekte mit sich bringen. Zudem kann eine Anpassung an die Standortbedingungen dazu beitragen, die dortigen Einflussgegebenheiten und „Herrschaftsverhältnisse“ nutzbar zu machen. Reflexions- und Feedbackphase: Lernorientierte Auswertung der Projektergebnisse Für eine Zielerreichungskontrolle werden nach Angabe der Befragungsteilnehmer verschiedene Kontrollinstrumente eingesetzt. Sowohl Projekt-, Budget-, Zeit- und Meilensteinpläne, Status-Reports, Zielvereinbarungen und Management mit Zielen, Business-Case-Analysen und die Festlegung von Key-Performance-Indikatoren, Ist-/ Soll-Daten-Vergleich, Ergebnispräsentationen, Beurteilung durch die Reaktionen der Projektpartner und Auftraggeber sowie (Multi-)Projektcontrolling wurden dabei genannt. Es gibt jedoch kein spezielles Controlling bzw. einen Kontrollprozess für den internationalen Kontext. Ein systematisches Projekt-Controlling zur Sicherstellung der Zielerreichung oder auch die Nutzung der erstellten Protokolle werden oftmals nicht in ausreichendem Maße vorangetrieben. Vor allem eine Verantwortungsübernahme durch die Linie wird daher angeraten. Ebenso wie die Zielerreichungskontrolle erfolgt auch die Bereitstellung der Erkenntnisse für die gesamte Or- 38 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 ganisation sehr unterschiedlich. Die von den Befragungsteilnehmern genannten Möglichkeiten umfassen u. a. die Nutzung von Datenbanken, die Erstellung von Projektprofilen und formale Post-Evaluation, Workshops, Präsentationen in der Corporate University, in Road-Shows, Veranstaltungen oder auf der Unternehmungshomepage, Lessons-Learned-Treffen und Quality Assessment, offene Kommunikation, Meetings oder Präsentationen in Konferenzen, persönlichen Transfer, Wissensmanagement oder interne und externe Medien. Als erstrebenswert wird zudem die Einführung eines Projekt-Office oder „Learning Point“ erachtet. Nach Aussage von zwei Beratern ist das Management von Wissen bei der Gesamtheit der Unternehmungen bislang eher durchschnittlich bis mangelhaft ausgeprägt. Zur Unterstützung individueller Lernprozesse in einem interkulturellen Projektteam ist die Vergabe von Feedback sinnvoll. Auch hier zeichnete sich in der Untersuchung kein einheitliches Vorgehen ab. Einige Gesprächsteilnehmer gaben an, dass Feedback nicht formalisiert oder im Projekt nur in eskalierenden Situationen gegeben wird. Nur ein Interviewpartner erklärte, dass ein Feedback im Projekt regelmäßig alle drei Monate sowie auf Anfrage und bei Projektabschluss durchgeführt wird. Eine Leistungsrückkopplung findet bei einigen Unternehmungen aber auch über regelmäßige oder direkte Kommunikation oder im Rahmen von Mitarbeitergesprächen statt. Vor allem bei längerem Projekteinsatz sollte das Feedback in die Regelbeurteilung aufgenommen und systematisiert werden. Eine Rückkopplung kann durch den Projektleiter durchgeführt werden, vor allem erscheint aber der Einsatz externer Begleiter sinnvoll. Die Internationalität der Teamzusammensetzung ist bei der Vergabe von Feedback besonders zu beachten, da Leistungsrückkopplung nicht in allen Ländern gleichermaßen durchgeführt wird. In angelsächsischen Regionen wird Feedback sehr offen gehandhabt und findet relativ häufig statt. In Asien, Südeuropa und Lateinamerika wird individuelles Feedback jedoch oft gemieden, da dadurch eine Person ihr Gesicht verlieren könnte. Eine Gestaltung nach den lokalen Präferenzen ist daher anzustreben. 2.3 Zentrale Problemfelder einer interkulturellen Projektarbeit aus Praxissicht sowie Zwischenfazit Die Problemfelder interkultureller Projektarbeit sind breit gefächert. Zentrale Probleme liegen nach Aussage der Befragungsteilnehmer in der Praxis vor allem im „Cultural Gap“, was sich beispielsweise im unterschiedlichen Verständnis von Optimum und Qualität, in verschiedenen Verhaltens-, Arbeits- und Vorgehensweisen sowie in Sprachbarrieren und Kommunikationsproblemen ausdrückt. Dadurch können kulturbedingte Missverständnisse und Konflikte ausgelöst und die Effizienz kann unter anderem durch einen erhöhten Zeit- und Koordinationsaufwand beeinträchtigt werden. Ein unzureichendes Bewusstsein, eine mangelnde Transparenz und Aufmerksamkeit gegenüber interkulturellen Differenzen sowie ein lückenhaftes Wissen über die Kultur und Wertehintergründe des einzelnen Projektteammitgliedes forcieren Missverständnisse und Konflikte. Zudem tragen die räumlichen und zeitlichen Distanzen und die Zunahme an virtueller Arbeit zu einem erhöhten Kommunikationsverlust und Koordinationsaufwand sowie zu zusätzlichen Kosten durch Reisen bei. Weitere Probleme treten nach Auffassung der Befragungsteilnehmer durch die mangelhafte Erstellung einer detaillierten Problembeschreibung sowie unzureichende Klarheit der Verantwortungsbereiche und der Auftragsdefinition auf, da dies zu internen Abstimmungsschwierigkeiten führen kann. Des Weiteren können Interessenkonflikte im Team, das Aufeinandertreffen unternehmungspolitischer Interessen sowie Probleme im Zusammenspiel der Zentrale mit dezentralen Einheiten zur Behinderung der Projektarbeit führen. Häufig fehlt es zudem an der Transparenz der Entscheidungsprozesse, wodurch Akzeptanzprobleme auftreten. Insgesamt bringt die „Vermischung“ unternehmungs-, landeskultureller und berufsspezifischer Differenzen, die nur schwer zu trennen sind, eine schwer zu handhabende Komplexität mit sich. Die Lösung interkultureller Konflikte in internationalen Projektteams ist sowohl für Unternehmungen als auch für Berater immer noch ein Pionierfeld Zur Vermeidung der Probleme interkultureller Zusammenarbeit müssen nach Ansicht der Befragungsteilnehmer vor allem die kulturellen Unterschiede und ihre Komplexität bewusst und gestaltbar gemacht werden. Auch der Aufbau persönlicher Beziehungen, die Durchführung von Team-Events, Team-Building, Start-up- oder Faceto-face-Meetings sowie eine interkulturelle Vorbereitung können einen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten. Ebenso wird der Einsatz eines Teamcoachings als sinnvoll bewertet. Zudem sollte im Projekt offen und häufig kommuniziert werden. Auch die Festlegung von Kommunikations- und Verhaltensregeln sowie eine mehrsprachige Erstellung wichtiger Dokumente und eine Einigung auf bestimmte Projektbegriffe können zur Reduktion von Missverständnissen beitragen. Diesbezüglich sind vor allem das Fingerspitzengefühl des Projektleiters sowie ein situationsspezifisches Projektmanagement gefragt. Die Lösung interkultureller Konflikte in internationalen Projektteams ist sowohl für Unternehmungen als auch für Berater immer noch ein Pionierfeld. Das „Cultural Gap“ bringt jedoch nicht nur negative Effekte, sondern auch große Chancen mit sich. Je nach Projekt und Zielsetzung können sich starke kulturelle Differenzen auch sehr positiv auswirken, was weiter zu verdeutlichen ist. Zwischenfazit: Interkulturelle Projektteams: Mehr als nur „Aushängeschild“ für Internationalität von Unternehmungen Die Befragungsergebnisse verdeutlichen, dass der Einsatz interkultureller Projektteams nicht nur als attraktivitätsförderndes, aber weitgehend inhaltsleeres „Aushängeschild“ der Internationalität einer Unternehmung aufgefasst werden kann. Alle Befragungsteilnehmer sind sich einig, dass der Einsatz interkultureller Projektteams einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Unternehmungsintelligenz leistet und als Wettbewerbsfaktor zur Sicherung der Unternehmungsexistenz von großer Bedeutung ist. Der Vorrat an Fähigkeiten und Knowhow kann erweitert, die Kreativität durch verschiedene Perspektiven erhöht und alte Strukturen können aufge- 39 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell brochen werden. Lernprozesse werden angeregt und soziale und personenbezogene Netzwerke aufgebaut. Dies gilt auch für die Verbesserung der Akzeptanz von Entscheidungen. Erforderlich hierfür ist die zielgerichtete Kanalisation entsprechender positiver Effekte. Der zukünftige Stellenwert internationaler Projektteams wird von allen Befragungsteilnehmern als hoch bzw. steigend eingeschätzt. Besonders im internationalen Kontext ermöglicht diese Organisationsform eine noch bessere Abbildung der Aufgaben. Die Befragungsergebnisse verdeutlichen allerdings auch, dass der Beitrag interkultureller Projektteams zur Unternehmungsintelligenz noch stärker als bisher ausgeschöpft werden kann. Gerade im Hinblick auf die Personalentwicklung sollten interkulturelle Projektteams als zentrale Ressource wahrgenommen werden. Auf diese und andere Optionen zur gezielten Ausschöpfung der interkulturellen Projektarbeit zur Erhöhung der Unternehmungsintelligenz wird nun im Folgenden eingegangen. 3 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen zu interkulturellen Projektteams Das Spektrum der Gestaltungsempfehlungen zu internationalen Projektteams ist breit gefächert und betrifft verschiedene Ebenen einer Unternehmung. Folgende zentrale Gestaltungsfelder lassen sich identifizieren: Selbstverständnis interkultureller Projektteams Zur Förderung der organisationalen Problemlösefähigkeit sollten kulturübergreifende Projektteams als Unterstützungsfunktion für das Management wahrgenommen und legitimiert werden und eine Konzentration auf strategische und unternehmungspolitische Aufgaben sowie eine hohe Ansiedlung in der Organisationsstruktur erfahren. Dabei sollte das Projektmanagement als strategisches Führungs- und Organisationskonzept eingesetzt und dem Projektteam sollten hoher Entscheidungsspielraum und die Möglichkeit zur Selbstorganisation gegeben werden. Förderung kultureller Sensitivität Das Team sollte zum einen abhängig vom Projektziel, zum anderen aber auch vom Ausmaß kultureller Unterschiede gestaltet werden. Die Identifikation kulturbedingter Stärken und Schwächen kann dies unterstützen. Zudem ist es sinnvoll, dass die zukünftigen Projektteilnehmer bereits vor Projektbeginn eine Vorbereitungsphase interkultureller Zusammenarbeit durchlaufen. Ein besonderer Schwerpunkt sollte dabei auf kultureller Sensitivität liegen. Auch eine Anpassung beim Transfer von Managementkonzepten an andere Kulturen ist für das Gelingen eines Projektes von großer Bedeutung. Zudem können eine starke Unternehmungskultur sowie eine effektive Teamführung und die Festlegung von Regeln der Zusammenarbeit die Arbeit im Team erleichtern. Zieladäquate Teamzusammensetzung Zur bestmöglichen Entwicklung einer kollektiven Problemlösefähigkeit sollte die Zusammensetzung eines interkulturellen Projektteams weitgehend ressourcenunabhängig gestaltet werden (also nicht: wer gerade kann). Für die Selektion der Teilnehmer ist die Anwendung strukturierter Prozesse anzuraten. Als Auswahlkriterien sollten dabei vor allem eine hohe Bereitschaft und die Fähigkeit zur interkulturellen Zusammenarbeit herangezogen werden. Der Teamleiter sollte zudem über die Fähigkeit zur Gestaltung sozialer und kognitiver Prozesse verfügen. Zur optimalen Besetzung eines Teams erscheint ein Mittelweg zwischen fachlicher Qualifikation und Entwicklungspotenzial sinnvoll. Intensivierung von Arbeitsprozessen durch virtuelle Teamarbeit Zur Intensivierung von Arbeitsprozessen kann der Einsatz virtueller Teamarbeit hilfreich sein. Die virtuelle Interaktion sollte jedoch durch persönliche Kontakte ergänzt werden. Zudem sind die Durchführung von Teambuilding und eine Förderung der Cultural Awareness sinnvoll. Auch die Klärung einer gemeinsamen Vorgehensweise, die Festlegung von Teamregeln und Zielen, der Aufbau einer Austausch- und Kommunikationsstruktur sowie der Einsatz eines Moderators können unterstützend wirken. Ein kontinuierliches Leistungsfeedback und die Rücksichtnahme auf verschiedene kulturelle Einstellungen können zudem zur Verringerung von Konfliktpotenzial beitragen. Ausgestaltung als individuelle Qualifizierungsmaßnahme Kulturübergreifende Projektteams sollten stärker als bisher als individuelle Qualifizierungsmaßnahme genutzt werden. Eine projektorientierte Personalentwicklung kann dabei eine Anreizfunktion übernehmen. Durch die Anbindung an ein Führungskräfteentwicklungsprogramm oder eine Laufbahnplanung kann dieser Effekt noch verstärkt werden. Eine weitere Anreicherung des Projektes durch eine Leistungs- und Potenzialbeurteilung sowie die Definition von Leistungs- und Entlohnungsstandards können ebenfalls unterstützend wirken. Der Projektleiter sollte dabei die Rolle eines Coachs oder Mentors übernehmen. Durch die Bereitstellung von Freiräumen und einer geeigneten Infrastruktur kann der Wissenstransfer zudem noch weiter intensiviert werden. Selbstverantwortung und interkulturell geprägte Lernprozesse Zur Entwicklung einer individuell geprägten Problemlösefähigkeit ist ein „Empowerment“ interkultureller Projektteams durch mehr Selbstverantwortung und Partizipation der Projektteilnehmer von großer Bedeutung. Dies kann durch schrittweise Qualifizierung und schrittweisen Vertrauensaufbau sowie durch die Sicherung eines Qualifikationsmix erreicht werden. Gleichzeitg muss das Top Management Bereitschaft zeigen, Verantwortung abzugeben, und ein Zugang zu allen benötigten Ressourcen, Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten gewährleistet werden. Die Führung im Projekt sollte dabei auf Vertrauen und Partnerschaft basieren. Sie setzt eine entsprechende Ausbildung des Teamleiters 40 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 voraus. Die angeregten Lernprozesse können durch eine internationale Karriereplanung, Best-Practice-Foren, Erfahrungsnetzwerke und Rotation verstetigt werden. Vernetztes System interkultureller Projektteams Gestaltungsempfehlungen zur intendierten intelligenzverstärkenden Positionierung interkultureller Projektteams müssen neben der Förderung von Lernprozessen auf verschiedenen Ebenen auch durch ebenenübergreifende Vernetzungen akzentuiert werden. Über Personennetzwerke und in Projektteams kann personales Wissen transferiert werden und zur kollektiven Problemlösung sowie zu einer Erhöhung der strategischen Entscheidungs- und Führungskompetenz beitragen [9, S. 31]. Durch die Vernetzung von Projekten und den Rückfluss der Projekterfahrungen in die Organisation, zum Beispiel durch ein gezieltes Wissensmanagement, wird die organisationale Problemlösefähigkeit erhöht. Auch eine gegenläufige Beeinflussungsrichtung ist dabei denkbar. Die Ermöglichung der formellen und informellen Vernetzung zwischen Individuen und Projektteams inner- und außerhalb der Organisation ist dabei essentiell. Eine durchlässige Gestaltung der Teamgrenzen, die Aufnahme des Vernetzungsgedankens in die Projektleitfäden, die Schaffung von Anreizsystemen für die Netzwerknutzung sowie die Verantwortungsübernahme für eine Vernetzung durch das Management und die Linie können hierbei Unterstützung leisten. Zudem müssen Zeit, Raum und finanzielle Ressourcen für den Wissenstransfer zur Verfügung gestellt werden. Interkulturelle Projektgruppen übernehmen damit Funktionen, die auch vitalen Wissensgemeinschaften inhärent sind; sie bilden somit den Kern eines lebendigen Wissensmanagements [10, S. 52]. Über den Wissens- und Lernaspekt hinaus weisen interkulturelle Projektteams aufgrund des (innovativen) Arbeitsobjektes wie auch der (flexiblen) Vorgehensweise enge Affinitäten zur Unternehmungsvitalisierung im interkulturellen Umfeld auf. Jedoch nur bei gezieltem Einsatz und einer Fokussierung der Kompetenzgenerierung bilden interkulturelle Projektgruppen die intendierten Kristallisationspunkte organisatorischer Intelligenz und geben Impulse für eine zukunftsgerichtete Unternehmungsvitalisierung. n Literatur [1] Hammerschmidt, A.: Herausforderung „Lernende Organisation“ im Kontext der Internationalisierung. In: Reineke, R.-D.; Fussinger, C. (Hrsg.): Interkulturelles Management: Konzeption - Beratung - Training, Wiesbaden 2001, S. 21-32 [2] Doppler, K./ Minx, E.: Interkulturelle Zusammenarbeit in einer globalen Ökonomie. In: OrganisationsEntwicklung, 19. Jg., 2000, Heft 1, S. 74-75 [3] Fritz, W.: Interkulturelle Kompetenz: Ein vernachlässigter Erfolgsfaktor internationaler Unternehmen. In: management Berater, 5. Jg., 2001, Heft 2, S. 60-62 [4] Patzak, G./ Rattay, G.: Projekt Management: Leitfaden zum Management von Projekten, Projektportfolios und projektorientierten Unternehmen. 3. Auflage, Wien 1998 [5] Ayas, K.: Project Design for Learning and Innovation: Lessons Learned from Action Research in an Aircraft Manufacturing Company. In: Easterby-Smith, M.; Raujo, L.; Burgoyne, J. (Eds.): Organizational Learning and the Learning Organization - Developments in Theory and Practice. London/ Thousand Oaks/ New Delhi, 1999, pp. 176-193 [6] Abatemarco, D.: Multikulturelle Projektteams als strategisches Instrument der Personalentwicklung: Ein praxisorientiertes Konzept für Unternehmen auf dem Weg zur Transnationalität. Dissertation, Universität St. Gallen, Zürich 2001 [7] Heinze, T.: Qualitative Sozialforschung: Einführung, Methodologie und Forschungspraxis. München/ Wien 2001 [8] Atteslander, P.: Methoden der empirischen Sozialforschung. 8. bearbeitete Auflage, Berlin/ New York 1995 [9] Stauber, E.: In und aus Projekten lernen: Projektarbeit im lernenden Unternehmen. In: projektMANAGEMENTaktuell, 13. Jg., 2002, Heft 3, S. 29-38 [10] North, K./ Omhardt, K./ Robst, G.: Wissensgemeinschaften: Keimzellen lebendigen Wissensmanagements. In: io management, 69. Jg., 2000, Heft 7/ 8, S. 52-62 Schlagwörter Interkulturelle Projektarbeit, Internationale Projektteams, Internationale Unternehmungsführung Autor Dr. Friedel Ahlers, freiberuflicher Dozent und Mitarbeiter einer Unternehmensberatung in Hannover. Autor Prof. Dr. Claus Steinle leitet das Institut für Unternehmensführung und Organisation der Universität Hannover. Die Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten Ganzheitliches Management, Planung, Kontrolle und Controlling, Organisationsgestaltung und -änderung, Personalführung, Ökologieorientierung und Gründungsmanagement. Autorin Diplom-Ökonomin Fam Urte Weinkopf, Product Management Business Jet Services, Deutsche Lufthansa AG, Lufthansa Base, Frankfurt/ Main. Anschrift der Autoren Prof. Dr. Claus Steinle Universität Hannover Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für Unternehmensführung und Organisation Königsworther Platz 1 D-30167 Hannover E-Mail: claus.steinle@ufo.uni-hannover.de 41 WISSEN projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Was ist neu? Die zentrale Veränderung gegenüber der bisherigen Norm ist, dass nicht mehr die Normung von Begriffen im Vordergrund steht: Die neue Norm enthält vielmehr einen vollständigen Durchlauf eines Projektes aus Projektmanagement-Sicht. Dieser zeigt die Abfolge der einzelnen Projektmanagement-Prozesse und stellt zudem deren Vernetzung mit dem Umfeld des Projektes dar. Ausgehend von diesen Prozessen schlägt die Norm nützliche Projektmanagement-Methoden vor und erklärt die verwendeten Projektmanagement-Begriffe. Zusätzlich wird in der neuen Form ein einheitliches Datenmodell für den Austausch von Informationen zwischen IT-Systemen im Projektmanagement enthalten sein. Damit legt die künftige Norm den Grundstein für eine Standardisierung des Projektmanagements, die eine Zusammenarbeit in Projekten organisationsübergreifend vereinfachen wird. Sie wird voraussichtlich als DIN 69901 „Projektmanagementsysteme“ erscheinen und aus fünf Teilen (Normblättern) bestehen. Prozessarchitektur: Vom Überblick zum Detail Die künftige Norm betrachtet ein Projekt über den gesamten Projektlebenszyklus und gliedert es von Anfang bis Ende in fünf logische Phasen (Projektmanagement- Phasen). Die darunter liegenden Prozesse werden in vier Prozessgruppen unterteilt: Führungs-, Projektmanagement-, Unterstützungs- und Wertschöpfungsprozesse. Mit dieser Prozessarchitektur setzt die neue DIN-Norm einerseits den Standard für einheitliche Prozesse im Projektmanagement, bietet daneben aber auch den Rahmen, um diese an die Wertschöpfungsprozesse innerhalb und außerhalb des Projekts sowie an die Führungs- und Unterstützungsprozesse in der umgebenden Organisation anzubinden. Die Prozesse und ihre Vernetzung werden sowohl im Überblick visualisiert als auch einzeln detailliert beschrieben. Damit kann der Nutzer der künftigen Norm die Prozessarchitektur flexibel an seine Bedürfnisse anpassen. Projektmanagement-Methoden: Integriert in den Prozess Die Prozessbeschreibungen enthalten einen Hinweis auf hilfreiche Methoden. Dabei beschränkt sich die Norm auf die Beschreibung der für das Projektmanagement relevanten Methoden. So ist zum Beispiel die „Projekt-Aufwandsschätzung“ als Methode in der neuen DIN enthalten, während auf die Beschreibung der „Moderation“ als Methode verzichtet wird. Begriffe: Aktuell, vollständig, praxistauglich Nicht fehlen darf natürlich die Definition wichtiger Begriffe im Projektmanagement. Das Glossar umfasst alle Begriffe, die in der Norm enthalten sind, und definiert sie eindeutig und konfliktfrei. Damit bietet die künftige Norm eine solide Basis für die eindeutige Verwendung von Begriffen im Projektmanagement, was insbesondere in der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit von hoher Bedeutung ist. Die neue Projektmanagement- Norm - prozessorientiert, integriert und praxisnah Markus Obels, Ralf Roeschlein, Marc Staiger, Wolfram von Schneyder, Reinhard Wagner, Gernot Waschek Die vergangenen zwei Jahrzehnte haben eine rasante Entwicklung der Wirtschaft mit sich gebracht. Die Beschleunigung von Abläufen, die Intensität der Unterstützung durch die Informationstechnologie und - damit verbunden - das Ausmaß der Verknüpfung von Prozessen innerhalb von Organisationen und über deren Grenzen hinweg haben unsere Welt in einem Umfang verändert, der vor dieser Zeit noch nicht vorstellbar gewesen wäre. Da verwundert es nicht, dass die mehrheitlich im Jahre 1987 erschienenen Normen der Reihe DIN 69900 ff. dem Leser etwas antiquiert erscheinen, dass sie - anders gesagt - die Anforderungen des Projektmanagements unserer Zeit nicht mehr zu erfüllen vermögen [1]. Aus diesem Grund wurde in 2003 eine Neuauflage der Normenreihe auf den Weg gebracht. Dieser Beitrag schließt sich an den Bericht „Deutsche Projektmanagement-Normung“ von Gernot Waschek in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift an, in dem die bisherige Entwicklung beschrieben wurde. 42 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Datenmodell: Basis für den Austausch über Schnittstellen Die vierte Komponente der neuen Norm beschreibt ein standardisiertes Datenmodell für den Austausch von Projektmanagement-Informationen zwischen IT-Systemen. Mit der zunehmenden Vielfalt der Unterstützungssoftware im Projektmanagement tritt immer häufiger die Notwendigkeit auf, Informationen aus einem Unterstützungssystem in ein anderes zu übertragen. Da eine große Zahl von Herstellern von Projektunterstützungssoftware bereits erklärt hat, Schnittstellen auf Basis des einheitlichen Datenmodells zu erstellen, wird dies voraussichtlich künftig wesentlich leichter möglich sein [2]. Prozessorientierung als Grundlage Das Prozessmodell bildet die innere Struktur der Norm. Es gibt Orientierung, welche Schritte und Abläufe bei der Durchführung des Projektmanagements nach der künftigen Norm durchzuführen sind. Den Überblick über dieses Prozessmodell zeigt die schematische Darstellung des „Prozesshauses“ (Abb. 1). Das „Prozesshaus“ stellt auf der obersten Ebene den Projektlebenszyklus mit seinen fünf Phasen (Projektmanagement-Phasen) von der Initialisierung über die Definition, die Planung und Steuerung bis hin zum Abschluss eines Projektes dar. Im Mittelpunkt stehen dann die eigentlichen Projektmanagement-Prozesse. Weiter detaillierte Darstellungen zeigen dann auch noch die Verknüpfungen und Rücksprünge (Rekursionen), die beim realen Prozessdurchlauf im Projektmanagement auftreten können. Schließlich wird noch die Vernetzung des Projekts innerhalb der umgebenden Organisation mit der bereits weiter oben angesprochenen Unterteilung in vier Prozessgruppen dargestellt: 1. Führungsprozesse, 2. Projektmanagement-Prozesse, 3. Unterstützungsprozesse, 4. Wertschöpfungsprozesse. Zu 1. Führungsprozesse: Die Führungsprozesse bilden alle für das Projektmanagement relevanten Führungsaufgaben ab, die im Unternehmen oder in der Organisation zu leisten sind. Beispiele hierfür sind die Beauftragung eines Projekts oder die Freigabe zum Übergang in die nächste Projektmanagement-Phase. Ihre Regeln sind meist den einzelnen Projekten übergeordnet. Zu 2. Projektmanagement-Prozesse: Diese Prozessgruppe enthält alle Prozesse des Projektmanagements. Hierdurch werden das Vorgehen innerhalb des Projektmanagements einschließlich aller notwendigen Rekursionen sowie die Anknüpfungen an die Führungs-, Unterstützungs- und Wertschöpfungs-Prozesse praxisnah beschrieben. Zu 3. Unterstützungsprozesse: Die Unterstützungsprozesse stellen die Tätigkeit von unterstützenden Funktionen dar, die im Unternehmen beziehungsweise in der Organisation vorhanden und tätig sind. Für ein Projekt werden sie auf Anforderung aktiv und erbringen dann eine definierte Leistung. Beispiele dafür sind der Einkauf und das Personalwesen. Zu 4. Wertschöpfungsprozesse: Die Wertschöpfungsprozesse enthalten die eigentliche Arbeit im Projekt, die zum Erreichen des Projektziels notwendig ist. Beispiele sind das Bauen eines Hauses, das Entwerfen eines Schiffs oder die Implementierung einer Software. Aufgrund großer Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen zeigt die neue Projektmanagement-Norm hierzu lediglich die Schnittstellen, um inhaltlich (branchen-)neutral zu bleiben. Zudem ist die zeitliche Verschiebung zwischen Wertschöpfungs- und Projektmanagement-Prozessen zu beachten. Beispielsweise sind planerische Arbeiten hinsichtlich des Projektinhaltes (Konstruktion des Hauses o. Ä.) aus Sicht des Projektmanagements bereits Teil der Steuerungsphase, denn der eigentliche Projektinhalt wird vollständig im Laufe dieser Projektmanagement-Phase erarbeitet. Detaillierte Beschreibung schafft Standards Aufgabe einer Norm ist es, Orientierung zu schaffen und zu einem gleichen Verständnis eines Sachverhalts bei einer großen Zahl von Personen zu führen. Dafür sorgt die bislang dargestellte Einheitlichkeit der Prozesse. Um auch innerhalb der Prozesse ein einheitliches Verständnis zu erreichen, enthält die künftige Norm eine strukturierte Beschreibung aller enthaltenen Prozesse. Diese Struktur zeigt Abb. 2. Die Prozesse werden dabei zunächst benannt, mit einer eindeutigen Identifikationsnummer versehen und durch die Definition ihrer Vorgänger und Nachfolger in den Kontext gestellt. Die Beschreibung ihres Zwecks und Hintergrunds erklärt, wozu der Prozess benötigt wird. Darauf folgt die Beschreibung des Vorgehens, die zeigt, wie bei der Bearbeitung des Prozesses vorzugehen ist. Abschließend werden die notwendigen Inputs und die zu erzeugenden Outputs benannt sowie hilfreiche Projektmanagement-Methoden zugeordnet. Diese Methoden sind an anderer Stelle in der Norm ausführlich beschrieben. Vorgehen bei der Erarbeitung Bei der Erarbeitung der neuen Norm wurde vom ersten Tag an großer Wert auf die Einbindung von Ex- Das Prozesshaus Abschluss Steuerung Planung Definition Initialisierung Führungsprozesse Projektmanagement- Prozesse Unterstützungsprozesse Wertschöpfungsprozesse xxxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxxx xxxxx xxxxxxxxxx Projektmanagementphasen Prozesse Prozessgruppen Prozessuntergruppen Abb. 1: Das Prozesshaus der künftigen PM-Norm 43 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell perten aus verschiedenen Bereichen von Wirtschaft und Forschung gelegt, um eine hohe Praxisnähe zu gewährleisten. Bereits beim Kick-off-Meeting im November 2003 wurde daher jeweils eine Arbeitsgruppe für Prozesse, Methoden, Begriffe und den Datenaustausch ins Leben gerufen. Diese haben in paralleler Arbeit umfangreiche Ergebnisse erzielt, die in den letzten Monaten integriert wurden und bis zur Veröffentlichung noch weiteren Abstimmungen unterliegen. Vorteile der neuen Norm Gegenüber der bislang vorhandenen und in die Jahre gekommenen Norm bietet die künftige Norm wesentliche Vorteile: o konsequente Prozessorientierung über den gesamten Projektverlauf hinweg mit logischer Verknüpfung der einzelnen Prozesse und eindeutiger Definition der Input-Output-Beziehungen, o Darstellung der im Projektmanagement enthaltenen Rekursivität (Rücksprünge innerhalb der Projektmanagement-Phasen sowie über Phasengrenzen hinweg), o Übersicht über die gesamte umgebende Organisation mit Anbindung der Projektmanagement-Prozesse an die Führungs-, Unterstützungs- und Wertschöpfungsprozesse, o Verknüpfung standardisierter Prozesse, Methoden und Begrifflichkeiten (in Deutsch und Englisch), o flexible Anpassung (Skalierbarkeit) an die Gegebenheiten von Projekten aller Größenordnungen und Komplexitäten, o Integration von aktuellen Themenstellungen im Projektmanagement, wie zum Beispiel Multi-Projektmanagement oder Wissensmanagement, o Basis für kontinuierliche Verbesserungen und Erweiterungen, o Kompatibilität zu gängigen Qualitätsmanagement- Konzepten, zum Beispiel zur ISO 9000 ff., o didaktisch optimierte Darstellung, die einen schnellen Zugang sowohl für einen Überblick als auch zur Gewinnung von Detailinformationen erlaubt. Möglichkeiten zur Beteiligung am Normungsprozess Inzwischen hat der fachliche Inhalt der geplanten Norm einen Stand erreicht, bei dem die Leser von projektMA- NAGEMENT aktuell um Stellungnahme gebeten werden können. Dazu wird er zwei Monate lang vom 1. April bis zum 30. Mai 2006 über die Website der GPM (www. gpm-ipma.de) abrufbar sein. Alle termingemäß eingehenden Stellungnahmen werden von der GPM-Fachgruppe „Projektmanagement-Normung“ bearbeitet, die in Abstimmung mit dem DIN das Manuskript der neuen Norm erstellt. Abschluss des Normungsprozesses Nach der Bearbeitung aller Stellungnahmen wird ein Manuskript für die Norm an das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) übergeben, das den weiteren Prozess bis zur Veröffentlichung begleitet. Mit dieser erhält die Norm ihre Gültigkeit und kann zu einer Angleichung des Verständnisses von Projektmanagement beitragen. n Literatur [1] Angermeier, G.: Unternehmen „DIN 69901 neu“ - Ein Praxisbericht über die Verjüngungskur für deutsche PM- Normen. In: Projektmagazin 3/ 2004 [2] Angermeier, G.: Genormtes Datenmodell für Projektmanagement: Katalysator für eine projektorientierte Wirtschaft. In: Projektmagazin 6/ 2005 Schlagwörter Datenmodell, DIN 69900 ff., Führungsprozesse, neue Projektmanagement-Norm, Projektmanagement-Prozesse, Prozessmodell, Unterstützungsprozesse, Wertschöpfungsprozesse Autor Markus Obels, Dipl.-Ingenieur, ist bei T-Systems Enterprise Services GmbH angestellt. Nach seinem Studium der Elektrotechnik an der RWTH Aachen war er in Forschung und Entwicklung in der Halbleiterindustrie tätig, um anschließend in die IT-Branche zu wechseln. Dort betreut er seit über zehn Jahren als (zertifizierter) Projektmanager und Senior Consultant Großkundenprojekte in den Bereichen Banken und Versicherungen, Logistik und öffentlicher Dienst. Seit 2003 ist er an der Erarbeitung der neuen Projektmanagement-Norm beteiligt. Anschrift T-Systems Enterprise Services GmbH IL Services - Global Account DPWN Pfnorstraße 1 D-64293 Darmstadt Tel.: 0 61 74/ 25 79 43 E-Mail: markus.obels@t-systems.com PProzessbeschreibungen • ... I Inputs • ... Projektmanagement-Methoden • ... O Outputs • ... Beschreibung (Vorgehen) • ... Zweck und Hintergrund • ... Nachfolger-Prozesse • ... Vorgänger-Prozesse • ... Prozess-Nummer • ... Prozess-Bezeichnung Abb. 2: Strukturierte Prozessbeschreibung der neuen Norm 44 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Autor Ralf Roeschlein, Dipl.-Ing. Maschinenbau und Betriebsökonom Dipl. Oek., geb. 1971, ist Geschäftsführer der Roeschlein Project Management GmbH. Er ist seit mehr als zehn Jahren im Projektgeschäft tätig und hat unter anderem diverse internationale Projekte geleitet. Mit seiner Firma wickelt Ralf Roeschlein Projekte auf Mandatsbasis ab, optimiert Unternehmensprozesse, baut PMOs auf, coacht Mitarbeiter in PM-Fragen und unterstützt in Krisenprojekten. Anschrift Roeschlein Project Management GmbH Karl-Arnold-Straße 26 D-33106 Paderborn Tel.: 07 00/ 76 37 24 53 E-Mail: ralf@roeschlein.net Autor Marc Staiger ist Gründer und Geschäftsführer der InfotraX GmbH, die sich mit der Plattform www. prometa.de im Bereich des ganzheitlichen und wissensbasierten Informationsmanagements in der Projektarbeit spezialisiert hat. Er ist darüber hinaus Autor diverser Fachartikel zum Thema und hält im Rahmen der GPM auch Vorträge hierzu. Anschrift I n f o t r a X G m b H Setzer Weg 29 D-57076 Siegen Tel.: 02 71/ 3 86 77 37 E-Mail: staiger@infotrax.de Autor Wolfram von Schneyder, Diplom-Kaufmann, geb. 1967, ist Partner bei der ILTIS GmbH in Rottenburg am Neckar. Er hat in zehn Jahren Unternehmensberatung unter dem Motto „Damit aus Strategien Handeln wird“ eine große Zahl von Projekten verantwortet und verschiedene leitende Funktionen im Unternehmen wahrgenommen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Verwirklichung von Strategien, Strategie- und Zielfindung, Projekt- und Programmmanagement sowie Führungs- und Steuerungsinstrumente. Anschrift ILTIS GmbH Röntgenstraße 15 D-72108 Rottenburg E-Mail: wolfram.von.schneyder@iltis.de Autor Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Reinhard Wagner ist seit mehr als zehn Jahren in leitenden Funktionen im Engineering mit Schwerpunkt auf der Automobilindustrie tätig. Als Leiter Consulting der euro engineering AG bringt er seine Erfahrungen im Entwicklungs- und Projektmanagement in vielfältigen Beratungsprojekten, Seminaren, Kongressen und Veröffentlichungen ein. Er ist Lehrbeauftragter für Projektmanagement an den Fachhochschulen Augsburg und München. In der GPM engagiert er sich in mehreren Fachgruppen für die Weiterentwicklung des Projektmanagements. Anschrift euro engineering AG Ehrenbreitsteiner Straße 36 D-80993 München Tel.: 0 89/ 35 77 51-117 E-Mail: reinhard.wagner@euro-engineering.de Autor Dipl.-Ing. Gernot Waschek, geb. 1935; Einführung der Netzplantechnik bei der Robert Bosch GmbH; dann bei der Lufthansa AG in Frankfurt im EDV-Bereich: Aufbau einer Stabsstelle für Termine und Kosten, Projektleiter MIS, Abteilungsleiter Software- Entwicklung; daneben Gründungsmitglied und Leiter Normenausschuss „NPT und PM“ im DIN, Mitverfasser ISO 10006, GPM-Fachgruppenleiter „PM-Normung“, GPM-Fachgruppenleiter „PM- Assessments mit PM DELTA“, GPM-Regionalgruppenleiter Frankfurt. Anschrift Projektmanagementberatung Waschek Westendstraße 7a D-63322 Rödermark Tel.: 0 60 74/ 92 23 23 Fax: 0 60 74/ 92 23 24 E-Mail: gernotwaschek@t-online.de 45 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Modulare Vorgehensbausteine als Grundlage Vorgehensmodelle beschreiben den idealtypischen Umfang und Ablauf der Aktivitäten, die zur Erreichung eines Projektziels erforderlich sind. Sie geben damit einen Rahmen vor, mit dem ein Projekt strukturiert und durchgeführt werden kann. In der Regel enthalten sie Aussagen zu den Projektphasen und Meilensteinen, den Zwischenergebnissen, den Arbeitsschritten und deren Zuständigkeiten sowie den anzuwendenden Standards, Richtlinien, Methoden und Werkzeugen in einem Projekt. Auch das für IT-Vorhaben bei Bundesbehörden vorgeschriebene V-Modell folgt diesem Grundprinzip. Basis des neuen V-Modells XT in der seit Februar 2006 gültigen Version 1.2 [1, 8, 9] sind 21 miteinander verknüpfte Vorgehensbausteine. Jeder dieser Vorgehensbausteine fasst Ergebnisse und Zwischenergebnisse (im V-Modell als „Produkte“ bezeichnet), Arbeitsschritte („Aktivitäten“) und Zuständigkeiten („Rollen“) zusammen, die für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabenstellung erforderlich sind. Beispielhaft zeigt Abb. 1 den Aufbau des Vorgehensbausteins „Projekt- Das aktuelle Stichwort: V-Modell XT Siegfried Seibert Seit Anfang der 90er Jahre ist das V-Modell ein verbindlicher Standard für IT-Projekte im Verteidigungsbereich und in Bundesbehörden. Anfang 2005 wurde das grundlegend überarbeitete V-Modell XT eingeführt, das mittlerweile in der Version 1.2 vorliegt. Gegenüber dem früheren V-Modell 97 waren mit der Aktualisierung insbesondere eine verbesserte Anpassbarkeit an die Projektrandbedingungen und eine stärkere Betonung der Schnittstelle zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verbunden. Außerdem sollte der Anwendungsbereich auf den gesamten Lebenszyklus von Entwicklungsprojekten ausgedehnt werden. Allerdings gibt es nach wie vor noch Verbesserungspotenziale. Insbesondere das Projektmanagementverständnis des Modells wirft eine Reihe von Fragen auf. Im vorliegenden aktuellen Stichwort wird ein Überblick über die Neuerungen des V-Modells XT und dessen Projektmanagementbausteine gegeben. Berichtswesen Planung und Steuerung Planung und Steuerung Berichtswesen Besprechungsdokument Besprechung durchführen Projekttagebuch Projekttagebuch führen Projektstatusbericht Projektstatusbericht erstellen Projektabschlussbericht Projekt abschließen Projekthandbuch Projekthandbuch erstellen Projektmanagement-Infrastruktur Projektmanagement-Infrastruktur einrichten und pflegen Schätzung Schätzung durchführen Risikoliste Risiken managen Projektplan Projekt planen Arbeitsauftrag Arbeitsauftrag vergeben Projektfortschrittsentscheidung Projektfortschrittsentscheidung herbeiführen Projektleiter Projektmanager Abb. 1: Struktur des Vorgehensbausteins „Projektmanagement“; Quelle: V-Modell XT 1.2 46 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 management“, der später noch näher behandelt wird. Die 21 Vorgehensbausteine des Modells können in fünf Gruppen untergliedert werden: 1. Die Vorgehensbausteine „Projektmanagement“, „Qualitätssicherung“, „Konfigurationsmanagement“ sowie „Problem- und Änderungsmanagement“ bilden den „V-Modell-Kern“. Sie sind in jedem Projekt obligatorisch. 2. Eine zweite Gruppe ist am umfangreichsten. Sie umfasst die eigentliche Systementwicklung. Hierzu zählen beispielsweise die Vorgehensbausteine „Anforderungsfestlegung“, „Systemerstellung“, „HW-Entwicklung“ und „SW-Entwicklung“ und weitere mehr. 3. Der Baustein „Einführung und Pflege eines organisationsspezifischen Vorgehensmodells“ wird ausschließlich für die Entwicklung eines organisationsspezifischen Vorgehensmodells benötigt. 4. Speziell der Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer dienen die Vorgehensbausteine „Vertragsabschluss“ sowie „Lieferung und Abnahme“. 5. Hinzu kommen noch zwei optionale Bausteine für „Kaufmännisches Projektmanagement“ und „Messung und Analyse von Projektkennzahlen“. Allerdings beschränkt sich das Modell dabei auf Entwicklungsprojekte. Systemeinführungsprojekte zählen nicht dazu. Einen Vorgehensbaustein „Organisatorische Einführung von IT-Systemen“ sucht man daher im V-Modell vergebens. Dies ist nicht unproblematisch, da administrative Systeme häufig auch hinsichtlich der Systemeinführung bei den Benutzern eine große Komplexität aufweisen und - wie eine Untersuchung der gemeinsamen Fachgruppe von GI und GPM gezeigt hat - nicht ohne ein spezielles Change Management auskommen [2]. Für ein Folgeupdate des XT-Modells wäre daher eine entsprechende Erweiterung wünschenswert. eXtreme Tailoring als wichtige Neuerung XT steht für eXtreme Tailoring. Gegenüber dem Vorgänger V-Modell 97 [3] wurde das Tailoring, das heißt die Anpassung des V-Modells an ein konkretes Projekt, wesentlich erweitert. Im Rahmen des Tailoring werden die anzuwendenden Vorgehensbausteine ausgewählt und die Meilensteine des Projekts in eine zeitliche Ablauffolge gebracht. Hierbei wird zunächst gefragt, ob es sich um ein Systementwicklungsprojekt einerseits oder ein Projekt zur Einführung und Pflege eines organisationsspezifischen Vorgehensmodells andererseits handelt. Je nach Typ kommen entweder nur die Vorgehensbausteine der gerade genannten Gruppe 2 oder der Gruppe 3 zum Einsatz. Die Auswahl der Vorgehensbausteine der Gruppe 4 hängt davon ab, ob es sich um ein Projekt mit Auftraggeber-Auftragnehmer- Beziehungen handelt oder nicht, und ob das Projekt aus Sicht des Auftragnehmers oder des Auftraggebers betrachtet wird. Abb. 2 zeigt diese beiden Perspektiven und deren Verknüpfung für Systementwicklungsprojekte. Neben diesen grundlegenden Projekttypen werden die auszuwählenden Vorgehensbausteine durch eine Reihe weiterer Projektmerkmale definiert: o Handelt es sich beim Projektgegenstand um ein eingebettetes System, ein komplexes System, ein HW-System, ein SW-System oder eine Systemintegration? o Welcher Ausschnitt aus dem Systemlebenszyklus wird im Projekt abgedeckt? Hierbei wird zwischen Entwicklung, Wartung und Pflege, sowie Weiterentwicklung und Migration unterschieden. o Sind für das Projekt eine kaufmännische Kostenplanung und Kostensteuerung erforderlich? o Wird ein Gesamtprojekt in mehrere Teilprojekte untergliedert, die unabhängig voneinander realisiert werden? Auftraggeber Auftragnehmer Projekt genehmigt Projekt definiert Angebot abgegeben Projekt beauftragt Abnahme erfogt System spezifiziert Lieferung durchgeführt System entworfen System integriert Feinentwurf abgeschlossen Systemelemente realisiert Projekt abgeschlossen Projekt genehmigt Projekt definiert Anforderungen festgelegt Projekt beauftragt Abnahme erfogt Projekt abgeschlossen 1..* 1..* Unterauftrag 0..* Y Y 0..* 1..* Y 1..* Y Iteration geplant Iteration geplant Projektfortschritt überprüft Projekt ausgeschrieben Abb. 2: Projektdurchführungsstrategien von Auftraggeber und Auftragnehmer mit inkrementeller Systementwicklung; Quelle: V-Modell XT 1.2 47 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell o Ist für das Projekt die Ermittlung quantitativer Projektkennzahlen in Form von Messungen und Metriken erforderlich, um vergleichende Aussagen über Projektergebnisse während einer längeren Zeitspanne treffen zu können? o Ist im Projekt der Einsatz von Fertigprodukten erwünscht? o Ist die Benutzerschnittstelle für den Projekterfolg besonders wichtig? o Müssen Systemsicherheitsaspekte besonders berücksichtigt werden? Damit ist die Basis für eine weitreichende Anpassung an die jeweiligen Projektkonstellationen möglich. Allerdings fällt auf, dass die Projektgröße beim Tailoring nicht direkt berücksichtigt wird. Im V-Modell 97 war dazu noch eine Differenzierung in kleine, mittlere und große Projekte vorgesehen, die jetzt nicht mehr vorhanden ist. Die Projektgröße kann hier allenfalls indirekt durch andere Projektmerkmale berücksichtigt werden, was jedoch für viele Konstellationen nicht ausreichend sein dürfte (siehe auch [4]). Inkrementelle und agile Projektdurchführungsstrategien Die Vorgehensbausteine enthalten noch keine Festlegung zum zeitlichen Projektablauf. Dies erfolgt vielmehr erst durch Auswahl einer Projektdurchführungsstrategie, mit der die Reihenfolge der für das Projekt relevanten Meilensteine festgelegt wird. Das Projekt wird dadurch in einzelne Zeitabschnitte untergliedert, denen die Produkte und Aktivitäten der relevanten Vorgehensbausteine zugeordnet sind. Die verfügbaren Projektdurchführungsstrategien werden teilweise bereits durch das Tailoring der Vorgehensbausteine eingegrenzt. Für Systementwicklungsprojekte des Auftragnehmers werden drei Durchführungsstrategien unterschieden: o Bei der inkrementellen Systementwicklung wird das zu entwickelnde System in mehrere Entwicklungsstufen („Inkremente“) zerlegt, die einzeln an den Auftraggeber ausgeliefert und abgenommen werden. Die Anwenderanforderungen müssen bereits zu Beginn des Projektes vom Auftraggeber relativ fest abgesteckt werden und sollten sich im Projektverlauf nur wenig ändern. Die inkrementelle Systementwicklung eignet sich daher vor allem, wenn die Anforderungen an das System als relativ stabil eingeschätzt werden und technologische Risiken eher gering sind. o Die agile Systementwicklung ist für Projekte mit hohen Realisierungsrisiken gedacht, bei denen es nicht möglich ist, alle Anwenderanforderungen vorab zu definieren. Bei der agilen Vorgehensstrategie werden die Anforderungen nicht zu Beginn des Projekts, sondern parallel zur Entwicklung, Auslieferung und Abnahme schrittweise wachsend festgelegt. Das Vorgehen ist flexibler als bei der inkrementellen Entwicklung und erlaubt eine stärkere Parallelisierung vieler Aktivitäten. Die offizielle Darstellung des agilen Vorgehens im V-Modell (vgl. Abb. 3) kann dies allerdings nur teilweise deutlich machen. o Die komponentenbasierte Systementwicklung geht wie die inkrementelle Vorgehensweise davon aus, dass die Anwenderanforderungen bereits zu Beginn des Projektes vom Auftraggeber fest vorgegeben worden sind. Das System wird hier jedoch nicht neu entwickelt, sondern weitgehend durch Integration bestehender Systemelemente erstellt. Bei Systementwicklungsprojekten des Auftraggebers unterscheidet das Modell, ob der Auftraggeber lediglich mit einem Auftragnehmer zusammenarbeitet oder ob das Projekt in mehrere Teilprojekte zerlegt und an mehrere unterschiedliche Auftragnehmer vergeben wird. Diese Unterscheidung wurde erst Anfang 2006 mit dem Release 1.2 eingeführt. Sie wird etwas unsachgemäß als „Multiprojekt-Management“ bezeichnet. Das V-Modell versteht darunter „eine Variante des Projektmanagements. Es hat zum Ziel, komplexe und große Projekte durch Aufteilung in Teilprojekte besser steuerbar zu machen und die Projektrisiken zu mindern.“ In der Projektmanagementfachwelt wird mit dieser Definition lediglich das Programm-Management angesprochen, nicht jedoch die zum Multiprojektmanagement gehörende Steuerung von Projektportfolios. Noch kritischer Projekt genehmigt Projekt definiert Angebot abgegeben Projekt beauftragt Abnahme erfogt System spezifiziert Lieferung durchgeführt System entworfen System integriert Feinentwurf abgeschlossen Systemelemente realisiert Projekt abgeschlossen 1..* 0..1 Unterauftrag 0..* Y Y Y 1..* Y 0..* 0..1 Iteration geplant Abb. 3: Ablauf der agilen Systementwicklung, Quelle: V-Modell XT 1.2 48 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 als diese Begriffsdefinition ist allerdings, dass der Vorgehensbaustein Multi-Projektmanagement in der alleinigen Verantwortung der Rolle des Anforderungsanalytikers gesehen wird, der das Gesamtprojekt in unabhängig voneinander durchführbare Teilprojekte aufteilt. Dass bei größeren Programmen auch eine auf deren Steuerung ausgerichtete Programmorganisation aufzubauen ist, zusätzliche Systemintegrationsaufgaben vom Auftraggeber wahrzunehmen sind und das Änderungsmanagement komplexer wird, bleibt im Vorgehensmodell unberücksichtigt. Ob mit einer derartigen Handhabung die entsprechenden Programme innerhalb der geplanten Termine und Kosten abgewickelt werden können, erscheint dem Verfasser mehr als zweifelhaft. Projektstrukturplanung und Werkzeugunterstützung Aus den Durchführungsstrategien und den im Tailoring ausgewählten Vorgehensbausteinen lässt sich im Weiteren eine komplette Projektplanung ableiten. Dies sei mit dem Vorgehensbaustein „Projektmanagement“ in Abb. 1 kurz verdeutlicht. Dieser Baustein gehört zum V-Modell-Kern und stellt damit den Minimalumfang an PM-Aufgaben für jedes nach V-Modell durchgeführte Projekt dar. Abb. 1 zeigt auf der linken Seite die Produkte und auf der rechten Seite die jeweils korrespondierenden Aktivitäten zu den beiden Teilbereichen „Berichtswesen“ und „Planung und Steuerung“. Im Rahmen der Projektstrukturplanung können ggf. mehrere kleinere Aktivitäten zu Arbeitspaketen zusammengefasst werden, wenn sie von den gleichen Verantwortlichen bearbeitet werden. Für den Baustein „Projektmanagement“ könnten bei einem kleineren Projekt beispielsweise die Produkte Schätzung, Risikoliste und Projektplan zu einem Arbeitspaket „Projektplanung“ zusammengefasst werden, da sie inhaltlich nahe verwandt und alle der Rolle des Projektleiters zugeordnet sind. Der Vorgehensbaustein „Projektmanagement“ zeigt auf, dass neben dem Projektleiter auch noch die Rollen des Projektmanagers, des Lenkungsausschusses und des Einkäufers an diesem Baustein direkt oder indirekt beteiligt sind. Im Verständnis des V-Modells wirkt der Projektleiter dabei eher intern und ist für die Planung, Koordination und Steuerung des Projekts zuständig. Der Projektmanager ist demgegenüber für den erfolgreichen Abschluss des Projekts gegenüber Vorgesetzten und Lenkungsausschuss verantwortlich und vertritt das Projekt damit eher nach außen. Für alle Vorgehensbausteine enthält das Modell entsprechende Produkt-, Aktivitäten- und Rollenzuordnungen. Hinzu kommen für alle Produkte des Modells einfache Dokumentvorlagen, in denen die Gliederung und die erwarteten Inhalte des jeweiligen Produkts spezifiziert sind. Der Vorgehensbaustein „Projektmanagement“ in Abb. 1 ist dabei ein eher kleiner Modellbaustein. Den Bausteinen zur Systementwicklung sind in der Regel wesentlich mehr Produkte, Aktivitäten und Rollen zugeordnet. Das Modell weist damit eine sehr verzweigte Projektstruktur auf, die sich leider durch die Dokumentation des Modells nur schwer erschließen und nachvollziehen lässt. Im Vorgängermodell V-Modell 97 waren diese Projektstrukturen noch in Form umfangreicher Funktionendiagramme (Responsibility Charts) übersichtlich zusammengestellt. Im V-Modell XT hat man darauf verzichtet und stattdessen den Projektassistenten beigegeben. Dabei handelt es sich um ein kleines Softwareprogramm, mit dem das Tailoring durchgeführt und die Projektplanung unterstützt werden soll. Dieser Projektassistent stellt leider nur einen Notbehelf für den ersten Einstieg in das V-Modell XT dar, da die Projektplanung damit nur relativ benutzerunfreundlich in Einzelschritten vorgenommen werden kann und das Programm nur über rudimentäre Exportmöglichkeiten zu anderen PM-Softwaretools verfügt. Von der Firma MicroTool wird ein spezielles Planungstool für das V-Modell XT angeboten, das in einem anderen Artikel in dieser Ausgabe vorgestellt wird. Projektmanagement im V-Modell Neben dem Vorgehensbaustein „Projektmanagement“ enthält das V-Modell noch einige weitere für das Projektmanagement wichtige Vorgehensbausteine: o Problem- und Änderungsmanagement, o Vertragsabschluss, o Lieferung und Abnahme, o Kaufmännisches Projektmanagement sowie o Messung und Analyse. In all diesen Bausteinen sind die Hauptaufgaben rollenmäßig entweder dem Projektleiter oder dem Projektmanager oder dem für die Kostenseite verantwortlichen Projektkaufmann zugeordnet. Ein gutes Drittel aller Bausteine des Modells betrifft damit originäre Projektmanagementaufgaben. Das Modell gibt damit neben dem Rahmen für die Fachaufgaben auch einen Rahmen für die Art und Weise des Projektmanagements vor. Allerdings kommt an vielen Stellen gerade dabei ein seltsames Verständnis der eingeführten Projektmanagementstandards zum Ausdruck. Auf das Fehlen eines Bausteins zum Changemanagement und den nicht sachgemäßen Baustein mit der Bezeichnung „Multi-Projektmanagement“ wurde bereits hingewiesen. Hinzu kommen eine Reihe unsauberer Begriffsverwendungen, von denen einige als Beleg aufgeführt seien. So wird beim Lenkungsausschuss gesagt, dass in diesem Gremium „alle Projektbeteiligten (Stakeholder) in geeigneter Weise“ vertreten sein sollten. In der Praxis dürfte dies sehr schnell zu übergroßen Lenkungsausschüssen führen, da ein Projekt sehr leicht etliche Dutzend Stakeholdergruppen umfassen kann. Dem Projekt kritisch oder ablehnend gegenüberstehende Stakeholder sollten eigentlich auch nicht im obersten Entscheidungsgremium der Projektorganisation vertreten sein. Der Projektmanager der GPM definiert den Lenkungsausschuss sehr viel zweckmäßiger „als Gremium aus bevollmächtigten, übergeordneten Vertretern des Projekts“ [5, S. 521]. Weitere Verwirrung entsteht dadurch, dass die Projektsteuerung und -überwachung als eigenständiges Aufgabengebiet nicht erscheint, sondern als Aktivität unter dem Begriff „Berichtswesen“ subsumiert wird. Bei der Planung des Projekts wird zwischen „Projektdurchführungsplan“ und „Integrierter Planung“ unterschieden. Der Begriff „Projektdurchführungsplan“ ist dabei allerdings sehr mehrdeutig interpretierbar. Das V-Modell versteht darunter die „Festlegung der Entscheidungspunkte zur groben Strukturierung des Projekts“, was die meisten PM-Fachleute eher als Meilensteinplan bezeichnen wür- 49 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell den. Unter der „Integrierten Planung“ wird im Wesentlichen die Planung der Produkt- und Projektstruktur sowie der daraus abgeleiteten Projekttermine verstanden. Eine Kapazitätsplanung sucht man vergebens. Die Projektkosten werden aus der Integrierten Planung in die kaufmännische Projektkalkulation ausgelagert und vom Projektleiter an den Projektkaufmann delegiert. Eine Finanzplanung, die für komplexe Großvorhaben unabdingbar ist, wird nicht erwähnt. Viele dieser Punkte mögen vielleicht für Kleinigkeiten gehalten werden oder es mag darauf verwiesen werden, dass die Elemente ja durchaus in das V-Modell integrierbar seien, ja dass man dies vielleicht mit bestimmten Formulierungen auch so gemeint habe. In Summe wird durch das V-Modell aber die ohnehin zu große Begriffsvielfalt im Projektmanagement noch mehr erweitert, ohne dass dafür eine Notwendigkeit bestehen würde. Vielmehr werden dadurch vielfältige, für die Beteiligten ärgerliche Begriffsverwechslungen in der Projektabwicklung provoziert. Man stelle sich nur die Zusammenarbeit eines der vielen nach internationalen Standards zertifizierten Projektleiter mit einem nach V-Modell XT arbeitenden Projektleiter vor. Gäbe es eine ähnlich inflationäre Begriffsverwendung in der Medizin, würden wahrscheinlich mehr als die Hälfte aller Operationen in Krankenhäusern schief gehen. Eine weitere Gefahr entsteht durch die dominierende Ausrichtung des V-Modells auf schriftliche Dokumente als Projektprodukte. Der menschliche Faktor als besonders wichtiger Erfolgsfaktor der Projektarbeit kommt dadurch im Vorgehensmodell nur unzureichend zur Geltung. Dies steht im Gegensatz zu vielen, auch im IT- Bereich seit langem bekannten Erkenntnissen der Projekterfolgsfaktorenforschung. Wichtige Maßnahmen wie Teambildung, Stakeholderanalyse oder Projektmarketing werden im V-Modell und dessen Erläuterungen nicht explizit angesprochen, sondern verstecken sich hinter Produkten und Aktivitäten wie „Besprechungsdokument“ und „Projekthandbuch“ oder werden auf die „Anwenderaufgabenanalyse“ reduziert. Immerhin gibt es wenigstens ein Ergebnisprodukt „Projektfortschrittsentscheidung“. Dieses ist allerdings nur für die Behandlung von Projektmeilensteinen im Lenkungsausschuss vorgesehen. Fazit Das V-Modell XT stellt auf der technischen Seite eine in vieler Hinsicht sinnvolle und gut strukturierte Weiterentwicklung des V-Modells 97 dar. Dies zeigt u. a. auch die positive Aufnahme in anerkannten IT-Fachzeitschriften. Allerdings wird auch hier durchaus auf Verbesserungs- und Weiterentwicklungspotenziale hingewiesen [6, 7]. Hinsichtlich seiner Managementmechanismen und -begriffe merkt man dem Modell an, dass seine Autoren in der IT-Welt sehr viel tiefer verwurzelt sind als in der Managementwelt. Der Kenntnisstand der Managementlehre, insbesondere des Projektmanagements, wurde leider nicht adäquat berücksichtigt. Dies lässt befürchten, dass auch durch dieses Modell die Anzahl mehr oder weniger spektakulärer Fehlschläge bei öffentlichen IT- Vorhaben nicht abnehmen wird. In Deutschland wurden von der GPM fast zehntausend Projektleiter nach internationalen Standards zertifiziert, viele davon im IT- Bereich und bei öffentlichen Institutionen. Es wäre zu wünschen, dass sich das V-Modell stärker an die hierbei vermittelten, anerkannten Projektmanagementstandards anlehnt und versierte Managementfachleute in die Weiterentwicklung des Modells einbezogen werden. n Literatur [1] Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (KBSt): Dokumentation, Downloads und weitere Informationen zum V-Modell XT. Online im Internet unter www.kbst. bund.de (1. 2. 2006) [2] Feldmüller, D./ Frick, A./ Seibert, S. : Was müssen IT- Projektmanager wirklich können? Umfrageergebnisse der Fachgruppe IT-Projektmanagement (GI/ GPM). In: projekt- MANAGEMENTaktuell, Heft 4/ 2004, Seite 42-44 [3] Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG): Dokumentation, Downloads und weitere Informationen zum V-Modell 97. Online im Internet unter www.V-Modell.iabg. de (1. 2. 2006) [4] Riegg, T.: Analyse der Anwendbarkeit des V-Modells bei kleinen IT-Vorhaben. Diplomarbeit, online im Internet unter www.riegg-webdesign.de/ umfrage/ umfrage.php (1. 2. 2006) [5] Schelle, H./ Ottmann, R./ Pfeiffer, A.: ProjektManager. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, Nürnberg 2005 [6] Klink, M./ Oesterreich, B.: Das neue V-Modell XT. In: ObjektSpektrum, Nr. 4/ 2005, S. 55-60 [7] Niebuhr, D./ Rausch, A.: Erfolgreiche IT-Projekte mit dem V-Modell XT. In: ObjektSpektrum, Nr. 3/ 2005 [8] Rausch, A./ Broy, M.: Das V-Modell XT - Grundlagen, Erfahrungen und Werkzeuge. dpunkt.verlag, Heidelberg 2006 [9] Saynisch, M.: V-Modell XT: Otto Schily stellt neuen Entwicklungsstandard für IT-Systeme vor. In: projektMANAGE- MENTaktuell, Heft 3/ 2005, Seite 9-11 Schlagwörter Agile Vorgehensmodelle, IT-Projekte, Öffentliche Auftraggeber, Softwareprojekte, V-Modell, Vorgehensmodelle Autor Diplom-Wirtschaftsingenieur Dr. Siegfried Seibert ist Professor für Projektmanagement und Unternehmensführung an der Fachhochschule Darmstadt. Außerdem ist Siegfried Seibert Mitglied des Vorstands der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, Nürnberg. Hier leitet er das Ressort Publikationen und ist Chefredakteur von projektMANAGEMENTaktuell. Daneben führt Siegfried Seibert regelmäßig Schulungen zum IT-Projektmanagement und zur Software-Kostenschätzung durch und verfügt über eine langjährige leitende Industriepraxis in der Automobil- Zulieferindustrie. Anschrift Fachhochschule Darmstadt Fachbereich Wirtschaft (Campus Dieburg) Max-Planck-Str. 2 D-64807 Dieburg Tel./ Fax: 0 60 78/ 7 27 33 E-Mail: S. Seibert@GPM-IPMA.de www.siegfried-seibert.de 50 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 A bhängig von der eingesetzten in-Step-Edition liefert microTOOL Unterstützung für verschiedene Vorgehensmodelle aus. Die „Projektmanagement- Edition“ zielt auf Anwender ab, die ihre eigenen Vorgehensmodelle entwickeln, nutzen und optimieren möchten. Darüber hinaus stehen auch vorgefertigte Modelle zur Verfügung. Neben der Edition für Prince 2, einer actiF-Edition für iterative (agile) Softwareentwicklung, und dem V-Modell 97 bietet in-Step die Möglichkeit, auf das V-Modell XT zurückzugreifen. Um es vorwegzunehmen: Die Frage, ob die Netzplantechnik oder das IT-Projekt zuerst existierten oder ob gar die Implementierung der Netzplantechnik einst oft als IT- Projekt daherkam, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Ob Netzplantechnik für IT-Projekte geeignet ist, braucht ebenfalls nicht erörtert zu werden: Die einzelnen Projekt-Aktivitäten verknüpft in-Step mittels so genannter Kontrollflüsse. Mit ihnen lassen sich Vorgänger und Nachfolger einer Aktivität mit Zeitabständen sowie unterschiedlichen Referenzpunkten (Ende-Anfang, Anfang- Anfang, …) festlegen. Der eine oder andere Leser mag da ein gewisses Déjà-vu erleben. Grundlagen in der Projektmanagement-Edition Für den ersten Kontakt mit der Anwendung bietet sich die Projektmanagement-Edition an. Auf die Unterstützung für das V-Modell XT wird später gesondert eingegangen. Die Strukturierung eines neuen Projekts wird dem Anwender durch vorgegebene Standard-Aktivitäten erleichtert. Mit diesen kann die Projektstruktur schrittweise weiter untergliedert werden. Diese anpassbaren Aktivitäts-Vorlagen lassen sich vorab mit Ressourcen- und Kostenzuordnungen versehen und beschleunigen damit die Projektplanung bei ähnlichen Projekten erheblich. In Abhängigkeit von der gewählten Projektvorlage stellt in- Step so zu den einzelnen Teilprojekten und Arbeitspaketen sinnvolle Verfeinerungen bereit, die nur noch angepasst zu werden brauchen. Die Nutzung der Projektvorlagen ermöglicht es auch, den Standard-Aktivitäten zugleich ein Produkt als geplantes Ergebnis zuzuordnen. Dies kann beispielsweise ein Lastenheft oder ein Kommunikationsplan für die Stakeholder des Projekts sein (Abb. 1). Die Produktorientierung von in-Step fällt im Vergleich mit anderen Software-Anwendungen am nachdrücklichsten auf: Auch für die Produkte besteht die Möglichkeit, sich bei der Verfeinerung in Teilprodukte von der Projektvorlage unter die Arme greifen zu lassen. Zudem lässt sich der mögliche Beginn von Aktivitäten über so genannte Produktflüsse an das Erreichen bestimmter Bearbeitungszustände für bestimmte Produkte koppeln. Individuell definierbare Vorlagen sorgen dafür, dass den Projekten als Ausgangsbasis vorgefertigte Dokumente mit einheitlichen Strukturen zur Verfügung stehen. Ausgehend davon werden Dokumente der einzelnen Aktivitäten dann direkt aus in-Step zur Bearbeitung geöff- PM-Software: in-Step IT-Projektmanagement mit Vorgehensmodellen Mey Mark Meyer IT-Projektmanagement erfordert besondere Tools: Folgt man den Ausführungen des Anbieters microTOOL, dann benötigen IT-Projekte andere Methoden als nur die Netzplantechnik, die „in einer Zeit entstanden ist, als es IT-Projekte noch gar nicht gab“. Vor diesem Hintergrund tritt in-Step in verschiedenen Editionen an, um ein an Vorgehensmodellen orientiertes, ergebnisorientiertes Projektmanagement für IT-Projekte zu unterstützen. Die Neugierde ist damit allemal geweckt und die Fragestellung formuliert: Was also leistet in-Step und wie lässt es sich handhaben? In der Rubrik PM-Software stellt projektMANAGEMENT aktuell seinen Lesern neue und interessante Projektmanagementtools in Form herstellerunabhängiger Erfahrungsberichte und Nachrichten vor. Die Berichte stammen von Mey Mark Meyer, dem Leiter der GPM- Fachgruppe „Projektmanagement-Software“. Falls Sie zu diesen Berichten Ergänzungen oder eigene Erfahrungen einbringen oder sich an der Arbeit der GPM-Fachgruppe beteiligen möchten, können Sie sich per Mail unter „PM-Software@GPM-IPMA.de“ melden. In Kooperation zwischen der GPM-Fachgruppe und dem IPMI Institut für Projektmanagement und Innovation der Universität Bremen wurde zusätzlich eine umfangreiche Internet-Seite aufgebaut, in der Informationen zu über 120 Softwareprodukten rund um das Projektmanagement zu finden sind und eine Windows-Software zur Nutzwertanalyse von PM-Tools downloadbar ist. Dieses Informationsangebot wird laufend aktualisiert und erweitert. Sie erreichen es unter der Adresse „www.PM-Software.info“. GPM-Fachgruppe „Projektmanagement-Software“ 51 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell net - beispielsweise in Microsoft Word. Dabei erfolgt automatisch eine Versionierung, so dass der Werdegang des Dokuments jederzeit nachvollzogen werden kann - durch die Integration in Microsoft Office kann diese Änderungsverfolgung auch in den Dokumenten selbst dargestellt werden. Weist man den Aktivitäten Ressourcen zu, vermag in- Step auch die resultierenden Kosten zu berechnen. Einen manuellen Kapazitätsabgleich der Ressourcen durch den Projektleiter unterstützt die Software zumindest mit einigen grundlegenden Funktionen. Die Arbeit mit in-Step erfordert einige Einarbeitung sowie die Verinnerlichung der produkt- und dokumentationsorientierten Philosophie der Software. Nicht immer wird klar, warum eine Aktivität nicht beginnen darf. So ließ sich im Test beispielsweise ein Dokument zunächst nicht als fertig gestellt markieren. Der Aufruf der entsprechenden Funktion wurde scheinbar kommentarlos ignoriert - im Projekt konnte nicht fortgefahren werden. Erst nach einigen Versuchen fiel eine kleine Meldung am unteren Fensterrand auf, die darauf verwies, dass das Dokument noch zur Bearbeitung ausgecheckt n In eigener Sache: Die Fachgruppe PM-Software hat die Plattform PM-Software.Info in der Version 3 gestartet. Neben einer vereinfachten Filterfunktion für die 130 gelisteten Produkte stellt die Plattform nun auch die Ergebnisse der Fachgruppe dar. Produktanbieter können ihre Daten über einen eigenen Login bearbeiten und an das Redaktionsteam senden. Nahezu sämtliche Seiten verfügen über eine Kommentar-Funktion, mit der Besucher ihr Feedback schnell und unkompliziert äußern können. (www.pm-software.info) n Das neue Conject-Release erweitert speziell die Funktionen für Kommunikations- und Planmanagement. Anwender können nun zum Beispiel E-Mails auch an externe Kontakte senden oder persönliche Weiterleitungen einrichten. Darüber hinaus ermöglichen neue Funktionen einen noch schnelleren und übersichtlicheren Ausschreibungsprozess. (www.conject.com) n ProjectPlace hat das Issue-Management auf seiner Plattform überarbeitet - neben möglichen E-Mail-Benachrichtigungen wird nun der komplette Verlauf der Bearbeitung dokumentiert. Zudem wurde die Startseite um eine neue Übersicht über den eigenen Aufgabenbereich ergänzt. (www.projectplace.de) n Blue Ant liegt in der Version 4.0 vor. Verbesserungen in den Funktionalitäten sind vor allem in der Projektarchivierung, der automatischen Kapazitätsfreistellung über den Projektstatus sowie der Meilensteintrendanalyse zu finden. (www.proventis.net) Abb. 1: Den Aktivitäten eines Projekts ordnet in-Step die erforderlichen und resultierenden Ergebnisse (Produkte) zu. +++ PM-Software-News +++ PM-Software-News +++ PM-Software-News +++ 52 WISSEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 war. Wer Anordnungsbeziehungen für eine Aktivität definieren möchte, klickt sich bei der Suche nach dem Vorgänger auch in umfangreichen Projekten in einem kleinen Fenster durch die komplette Projektstruktur und findet in der Liste angebotener Vorgänger-Aktivitäten unter anderem auch die betreffende Aktivität selbst oder ihre Nachfolger. V-Modell XT Dem V-Modell XT kommt eine besondere Rolle zu: Es ist das grundsätzlich für alle IT-Projekte des Bundes verbindliche Vorgehensmodell (vgl. auch „Aktuelles Stichwort“ in dieser Ausgabe). Für die Anwendung des generischen Modells ist zunächst eine als „Tailoring“ bezeichnete Anpassung der allgemein gültigen Standards an das individuelle Projekt erforderlich. Diese Skalierbarkeit des V-Modells XT war ein wichtiges Ziel bei der Weiterentwicklung des 97er Modells. Konsequenterweise unterstützt in-Step diese Anpassung mit einem Tailoring-Assistenten, der dem Projektleiter bei dieser Aufgabe zur Hand geht. Über die Abfrage einiger Projektparameter erzeugt die Software im ersten Schritt ein automatisch angepasstes Modell, das gegebenenfalls manuell weiter modifiziert werden kann (Abb. 2). Die erforderlichen Aktivitäts- und Produkto Softwarelösung für die Planung und Ablaufkontrolle von IT-Projekten o Unterscheidung zwischen Aktivitäten allgemein und im Projektverlauf zu erstellenden Produkten o Weitreichende Funktionen für den Entwurf eigener Vorgehensmodelle o Spezielle Editionen für unterschiedliche Standard-Vorgehensmodelle wie das V-Modell XT In Kürze typen werden dabei ebenso übernommen wie die möglichen Rollen im Projektteam. Durch die Möglichkeit, die Wahl der einzelnen Parameter zu begründen und so das Tailoring zu dokumentieren, wird die Funktionalität abgerundet. Auch nach dem Zuschnitt des V-Modells unterstützt in-Step den Projektplaner weiter: Ein Planungsassistent fügt automatisch die Entscheidungspunkte (Meilensteine) des Projekts hinzu. IT-Projekte zeichnen sich häufig durch iteratives Vorgehen aus: Prototypen werden beispielsweise intern oder mit dem Auftraggeber abgestimmt und gegen die Spezifikationen verifiziert. Die agile Software-Entwicklung macht hiervon intensiven Gebrauch. Auch das V-Modell XT ermöglicht in der aktuellen Fassung die Abbildung von Iterationsschleifen und agilen Vorgehensweisen. Der Planungsassistent erlaubt an dem entsprechenden Verzweigungspunkt im V-Modell die Entscheidung, ob eine weitere Iteration folgen soll, und fügt dann automatisch weitere Entscheidungspunkte bis zum Projektende oder zur nächsten möglichen Iteration hinzu. Nach dem Abschluss des Planungsassistenten liegt bereits die Projektstruktur einschließlich der Anordnungsbeziehungen und der im Projektverlauf zu erstellenden Produkte vor. Über die Rollen der Projektbeteiligten kann auch die Ressourcenzuordnung als erster Versuch automatisch erfolgen. Sofern weitere Anpassungen erforderlich sind, können diese nun „manuell“ vorgenommen und kann das Projekt anschließend in Angriff genommen werden. Insgesamt bietet in-Step damit für das V-Modell XT die dringend benötigte Unterstützung zur Handhabung des Modells. Fazit Mit in-Step erhält der Anwender eine nützliche Unterstützung für eine systematische und vergleichsweise formale Projektabwicklung, deren Schwerpunkt auf der Erfüllung von Dokumentationsanforderungen liegt. Die Software vermag zuverlässig zu verhindern, dass wichtige Projektschritte ohne die erforderlichen Unterlagen begonnen oder zu erbringende Teilprodukte des Projekts vergessen werden. Die Bindung der Produkte/ Dokumente an die Aktivitäten erleichtert gemeinsam mit der möglichen Versionierung die Dokumentation. Dabei ist die Software nicht nur bei der Anwendung eines der Standard-Vorgehensmodelle eine wertvolle Hilfe. Sofern die eigenen Projekte in der Regel ähnliche Strukturen aufweisen, bietet die Projektmanagement-Edition interessante Funktionen, um sich wiederkehrende Arbeiten im Zuge der Projektplanung durch Vorlagen zu erleichtern. Letzlich nimmt in-Step eine Aufteilung der Ablaufplanung in zu erstellende Produkte und „sonstige Vorgänge“, die in-Step-Aktivitäten, vor. Bei den Anordnungsbeziehungen wird zwischen aktivitätenbezogenen Kontroll- und dokumentbezogenen Produktflüssen unterschieden. Wer sich selbst ein Bild von in-Step verschaffen will, dem stehen alle Editionen in kostenfreien Einzelplatz-Varianten zur Verfügung. Beispieldateien und Tutorial erleichtern die ersten Schritte. Kontakt: microTOOL GmbH, D-13355 Berlin, www. microtool.de, E-Mail: info@microtool.de n Abb. 2: Der Tailoring-Assistent von in-Step erleichtert die Anpassung des V-Modells XT an das eigene Projekt. 55 KARRIERE projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell B eobachtet man aktuelle Artikel und Kommentare zur Situation der Planungsbranche, so begegnet man immer öfter dem Begriff „Projektmanagement“. In der traditionell weniger innovationsfreudigen Baubranche [1] setzen sich die Bauingenieure seit längerem intensiv mit dem Thema auseinander, während die gestaltenden Disziplinen zunächst wenig interessiert waren. Um die Verbreitung und Anwendung der Methode Projektmanagement in diesem Bereich näher zu erkunden und die Nachfrage und den Bedarf an Projektmanagement-Kenntnissen zu belegen, erfolgte die Untersuchung in drei Schritten: 1. Im ersten Schritt galt es, den so vielseitig verwendeten Begriff „Projektmanagement“ zu beleuchten, um greifbare methodische Werkzeuge herauszuarbeiten und Schlüsselbegriffe zu definieren, die die Inhalte von Projektmanagement beschreiben. 2. Im zweiten Schritt wurde zur quantitativen Untersuchung der Projektmanagement-Nachfrage eine Auswertung von Stellenanzeigen vorgenommen. Die Auswertung erfolgte anhand der vorher definierten Schlüsselbegriffe. 3. Im dritten Schritt wurden Experteninterviews geführt, um die Auswertungsergebnisse qualitativ zu untermauern. Begriffsklärung Um für die Experteninterviews und die Auswertung der Stellenanzeigen ein einheitliches Begriffsverständnis herzustellen, wurde zunächst die Definition der DIN 69901 verwendet, die Projektmanagement als „die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mittel für die Abwicklung eines Projekts“ beschreibt [2]. Zur weiteren Operationalisierung der Definition wurde der Projektmanagement-Kanon der GPM herangezogen [3]. Mit den vier definierten Kompetenzbereichen Grundlagenkompetenz, soziale Kompetenz, Methodenkompetenz und Organisationskompetenz und den jeweiligen Unterkategorien standen Schlüsselbegriffe zur Verfügung, welche die Inhalte des Projektmanagements greifbar machen (siehe Tabelle 1). Auswertung der Stellenanzeigen: Quantitative Analyse des Bedarfs Um die Nachfrage nach Projektmanagement-Kenntnissen zu belegen, wurden in einer quantitativen Analyse Stellenanzeigen für (Landschafts-)Architekten und Stadtplaner ausgewertet. Als Quelle wurden die etablierten Wochen- und Monats-Fachzeitschriften mit Stellenteil ausgewählt: die „Bauwelt“, die „Garten und Landschaft“ und das „Deutsche Architektenblatt“ [4]. Ergänzt wurde diese Auswahl durch die Auswertung des Informationsdienstes „Arbeitsmarkt Umweltschutz und Naturwissenschaften“ des Wissenschaftsladens Bonn, der Stellenangebote u. a. für Stadtplaner, Landschaftsarchitekten, Landschaftsplaner und Landespfleger auswertet. Die wöchentlich erscheinende Broschüre zieht dafür die Stellenteile von über 60 Tages- und Wochenzeitschriften, 47 Fachzeitschriften sowie 25 Online-Jobbörsen heran [5]. Durch die breite Streuung und umfassende Anlage der Quellen kann die Auswahl als repräsentativ bezeichnet werden. Bei der Analyse aller Anzeigen wurden folgende Stellenanzeigen berücksichtigt: o Anzeigen, die im Zeitraum Januar bis Juni 2004 erschienen sind, o ausschließlich Stellenangebote (keine Stellengesuche), o ausschließlich Stellenangebote in Deutschland (keine Stellen im Ausland), o sämtliche Anzeigen der oben genannten Quellen mit Stellenanzeigen für Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten, Landschaftsplaner, Landespfleger und artverwandte Berufe, o alle Text-Bestandteile der Stellenanzeige: Stellenbeschreibung, Anforderungsprofil und Tätigkeitsbereich der einstellenden Institution. Insgesamt wurden 358 Stellenanzeigen ausgewertet. Da zahlreiche Stellen mehrfach inseriert waren, konnten insgesamt 291 Stellenbeschreibungen in die Auswertung aufgenommen werden. Bei den folgenden Ergebnissen bezieht sich die Angabe „100 Prozent“ auf 291 Stellenanzeigen. Von den ausgeschriebenen Stellenanzeigen wurden 126 (43,3 %) von Städten und Gemein- Gefragte Projektmanager Projektmanagement-Nachfrage in (Landschafts-)Architektur und Stadtplanung Florian Kluge Nach vielen Jahren der skeptischen Distanz findet Projektmanagement nun auch in der (Landschafts-)Architektur und Stadtplanung immer mehr Anwendung. Ein Blick in die Planungsbüros zeigt jedoch, dass vielen Beteiligten nach wie vor unklar zu sein scheint, was Projektmanagement bedeutet, welche Inhalte dahinter stecken und welche Chancen sich bieten. Im Rahmen einer am Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung der RWTH Aachen laufenden Dissertation wurde nun untersucht, welche Rolle Projektmanagement in der Planungspraxis spielt und ob bei Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern eine signifikante Nachfrage nach Projektmanagement-Kenntnissen besteht. 56 KARRIERE aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 den, 81 (27,9 %) von Planungsbüros, 35 (12,0 %) von Hochschulen, 30 (10,3 %) von Gesellschaften und Verbänden und 19 (6,5 %) von sonstigen Arbeitgebern angeboten. Bei der Untersuchung der Anzeigen nach Hinweisen auf Projektmanagement-Kenntnisse lassen sich vier verschiedene Abstufungen unterscheiden, je nach Übereinstimmungsgenauigkeit in der Benennung. In Anzeigen der Stufe eins wurde Projektmanagement direkt benannt, während in Anzeigen der Stufe vier nur Teilbereiche abgefragt wurden. Im Einzelnen stellen sich die Ergebnisse wie folgt dar: Stufe 1: 25,1 Prozent (= 73) der Stellenanzeigen benennen Projektmanagement bei Beschreibung der Stelle bzw. der gewünschten Qualifikation. Sie enthalten mindestens einen der Begriffe „Projektmanagement“, „Projektsteuerung“, „Projektentwicklung“, „Projektleitung“ oder „Projektkoordination“. Stufe 1-2: 30,6 Prozent (= 89) der Stellenanzeigen benennen oder beschreiben Projektmanagement. Neben den oben genannten Begriffen wurden hier auch Beschreibungen wie „Wahrnehmung der Bauherrnfunktion in Projekten“ (= Projektsteuerung), „Durchführung, Kontrolle und Abwicklung von Projekten“ oder „Projektbearbeitung und Management“ gezählt. Stufe 1-3: 42,3 Prozent (= 123) der Stellenanzeigen benennen oder beschreiben Projektmanagement oder Projektarbeit. Sie enthalten neben den oben genannten Begriffen Teile wie „Bearbeitung von Projekten“, „Projekt“, „Projekterfahrung“, „Projektmitarbeit“ oder „Baumanagement“. Stufe 1-4: 77,3 Prozent (= 225) der Stellenanzeigen benennen mindestens einen Teilbereich des Projektmanagements nach dem Projektmanagement-Kanon der GPM: o 60,1 Prozent (= 176) enthalten Stichworte aus dem Bereich Soziale Kompetenz, o 29,2 Prozent (= 85) enthalten Stichworte aus dem Bereich Methodenkompetenz, o 11,7 Prozent (= 34) enthalten Stichworte aus dem Bereich Organisationskompetenz. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Nachfrage nach Projektmanagement-Kenntnissen ist da. Ein Drittel aller Stellenanzeigen benennt oder beschreibt Projektmanagement als zu leistende Tätigkeit oder als erforderliche Qualifikation. Nimmt man die Stellenanzeigen noch hinzu, die Projektarbeit beschreiben (Stufe 1-3), so sind es sogar über 40 Prozent der Stellenausschreibungen, die Mitarbeiter mit Projekt(management)- Kenntnissen suchen. Die Stellenanzeigen, bei denen Textbausteine Teilbereichen des Projektmanagements zugeordnet werden können (Stufe 4), müssen differenziert betrachtet werden. Ein Arbeitgeber, der „zielgerichtetes, strukturiertes Arbeiten“ oder „Organisationskompetenz“ erwartet, benötigt nicht automatisch jemanden, der Projektmanagement beherrscht. Der Umkehrschluss jedoch gilt: Jemand, der Projektmanagement beherrscht, ist auch jemand, der zielgerichtet und strukturiert arbeiten kann und Organisationskompetenz besitzt. Besonders auffällig ist auch die hohe Bedeutung von sozialer Kompetenz, ein Bereich der wohl überall gefor- Grundlagenkompetenz Soziale Kompetenz Methodenkompetenz Organisationskompetenz Management Soziale Wahrnehmung Projektstrukturierung Unternehmens- und Projektorganisation Projekt und Projektmanagement Kommunikation Ablauf- und Terminmanagement Qualitätsmanagement Systemdenken und Projektmanagement Motivation Einsatzmittelmanagement Vertragsinhalte und -management Projektmanagement- Einführung Soziale Strukturen, Gruppen und Teams Kostenmanagement Konfigurations- und Änderungsmanagement Projektziele Lernende Organisationen Finanzmittelmanagement Dokumentationsmanagement Projekterfolgs- und Misserfolgskriterien Selbstmanagement Leistungsbewertung und Projektfortschritt Projektstart Projektphasen und -lebenszyklus Führung Integrierte Projektsteuerung Risikomanagement Normen und Richtlinien Konfliktmanagement Mehrprojektmanagement Informations- und Berichtswesen Spezielle Kommunikationssituationen Kreativitätstechniken EDV-Unterstützung im Projekt Methoden zur Problemlösung Projektabschluss und -auswertung Personalwirtschaft und Projektmanagement Tabelle 1: PM-Kanon der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) 57 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell dert wird, aber auch in der Projektarbeit eine besondere Rolle spielt. Auswertung der Experteninterviews: Qualitative Analyse des Bedarfs Um die Aussagen der Auswertung qualitativ zu untermauern, wurden Interviews mit Experten aus den Bereichen Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung geführt, die sich explizit mit der Methode Projektmanagement (z. B. durch Schulungsmaßnahmen) auseinander gesetzt haben [6]. Die Äußerungen der Experten lassen sich zu fünf grundlegenden Aussagen bündeln: 1. Professionelles Projektmanagement findet in der Praxis noch immer wenig Anwendung, so sehr die Methode auch in aller Munde ist. Das Selbstverständnis vieler Landschaftsarchitekten und Architekten als Künstler und die Betonung der Entwurfs-Ästhetik lassen die Projektorganisation in den Hintergrund rücken. Große Büros werden wie Familienbetriebe geführt, kleine Büros halten Projektmanagement für überflüssig. Dies verwundert umso mehr, als die tägliche Arbeit der Planer Projektarbeit ist - und das bereits im „Projektstudium“ an den Hochschulen. Eine Expertenbefragung, die von Mitarbeitern der FH Gießen-Friedberg durchgeführt wurde, bestätigt diese Aussagen [7]. Fast 50 Prozent der Unternehmen gaben an, dass so gut wie keine Vorbereitung der Mitarbeiter auf die Projektarbeit stattfindet. Ein weiteres Drittel der Befragten gab die Vorbereitungszeit im Unternehmen mit weniger als drei Tagen an. Das Ergebnis ist vielerorts dasselbe: Projekte werden „frei Hand“ gemanagt und die Projektarbeit gleicht eher einem „Durchwurschteln“. Eine Ursache hierfür wird in der fehlenden Projektmanagement-Schulung an den Hochschulen gesehen - gefordert wird das grundsätzliche Verankern von Projektmanagement in der Ausbildung des (Landschafts-)Architekten. Bisher gibt es ein explizites Fach Projektmanagement nur in seltenen Fällen - gelegentlich sind die Inhalte in andere Lehrveranstaltungen integriert. Eine systematische Grundlagenvermittlung, die elementare Inhalte, wie Teambildung und Teamwork, Kreativitätstechniken, Präsentation, Zeitplanung, Selbstmanagement, Zieldefinition, Strukturplanung, Stakeholderanalyse, Berichts- oder Phasenplanung, vermittelt, wird an den Hochschulen - wenn überhaupt - erst in jüngerer Zeit angeboten. Abhilfe wird momentan nur über ein zunehmend breiter werdendes Angebot an Aufbau- und Ergänzungsstudiengängen geschaffen, das jedoch auf fortgeschrittene Berufskenntnisse abzielt und Themen wie Projektentwicklung, Projektsteuerung oder Immobilienwirtschaft in den Fokus nimmt. 2. Der wirtschaftliche Bedarf ist da. Der wirtschaftliche Druck, dem die Baubranche allgemein und die (Landschafts-)Architekten und Stadtplaner im Speziellen unterliegen, ist enorm. Die momentane Marktlage zwingt die Planer zu hocheffizientem Arbeiten, in Zeiten großer Konkurrenz, niedrigen Auftragsvolumens und geringen Umsatzes ist es umso wichtiger, am Projekt maximal zu verdienen. Solange die Effizienz niedrig ist, werden die Projekte unrentabel und der wirtschaftliche Druck steigt. Projektmanagement wird von den Experten als wirksame Methode zur Optimierung und Strukturierung der Arbeitsprozesse mit dem Ziel der Effizienzsteigerung angesehen. 3. Der methodische Bedarf ist da. Die tägliche Arbeit von Landschaftsarchitekten und Architekten ist größtenteils Projektarbeit. Auch bei Landschafts- und Stadtplanern werden Projekte immer mehr als geeignetes Mittel der Planung angesehen, wie zum Beispiel die Projekte der IBA Emscher Park zeigen. Viele betreiben also Projektarbeit, aber nur wenige beherrschen das notwendige Handwerkszeug. Angesichts täglicher Konfrontation mit scheiternden oder schlecht laufenden Projekten wächst in der Praxis die Erkenntnis, dass systematisches und professionelles Projektmanagement ein geeignetes Mittel ist, die internen Abläufe und die Zusammenarbeit mit externen Partnern zu optimieren. Ziel sind überschaubare Projektprozesse durch verstärkte Koordination, eindeutige Aufgabenverteilung und Schnittstellendefinition, geregelte Kommunikation sowie eine nachvollziehbare Kosten- und Terminplanung. Da die mangelnden Methodenkenntnisse nicht ausschließlich mit Berufserfahrung wettzumachen sind, nimmt die Inanspruchnahme von entsprechenden Fortbildungen im Bereich Projektmanagement stetig zu. 4. Projektmanagement bietet Chancen zur persönlichen Profilierung: Eine Qualifikation im Bereich Management gibt die Möglichkeit, sich auf dem Markt zu 58 KARRIERE aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 profilieren: als Projektbearbeiter mit Kenntnissen in strukturierter Projektbearbeitung, als Projektleiter mit Managementerfahrung oder als externer Berater, der anderen Projektplanern helfend zur Seite steht. Begleitend bietet das Selbstmanagement Maßnahmen, die der Analyse und Weiterentwicklung der persönlichen Arbeitsweise dienen. Denkbare Methoden sind Stärken/ Schwächenanalyse, Tätigkeits- und Zeitanalyse sowie Prüflisten zum Arbeitsverhalten. 5. Projektentwicklung und Projektsteuerung bieten neue Marktchancen: Projektentwicklung im Sinne der Immobilienwirtschaft, also das Zusammenbringen von Standort, Idee und Kapital, ist unter klassischen Architekten nicht weit verbreitet. Der direkte Sprung in die Projektentwicklung ist durch das hohe finanzielle Risiko sicherlich nur in Einzelfällen ratsam. Die Erfahrungen in diesen Tätigkeitsfeldern zeigen aber, dass sich der Blick in neue Märkte und die Suche nach neuen Kooperationen lohnen. Projektentwicklung im weiteren Sinne beschreibt nicht nur die Projektgenerierung, sondern den mehr oder minder kontinuierlichen Prozess des Projektfortschritts. Auch hier bieten sich Einsatzfelder für den Planer. Gefragt sind kommunikationsstarke Moderatoren, die beratend helfen, innovative Ideen auf den Weg zu bringen, Konflikte zu lösen, Finanzierungsmodelle zu entwickeln, Aufgaben zu koordinieren und die Projekte ins Ziel zu führen. Projektsteuerung als die neutrale und unabhängige Wahrnehmung delegierbarer Auftraggeberfunktionen bietet ebenfalls neue Chancen für die Planer. Insbesondere bei komplexen Bauvorhaben sind die Bauherren mit der Ausübung ihrer Aufgaben häufig überfordert, so dass sie Dritte beauftragen. Gesucht werden kommunikationsorientierte Diskussionsleiter, die zielgerichtet lenken, die Interessen der Stakeholder in Einklang bringen und im Hinblick auf Qualitäten und Quantitäten, Kosten und Finanzierung sowie Termine und Kapazitäten organisieren und koordinieren. Fazit Der Bedarf an Projektmanagement ist da, die Nachfrage steigt stetig und die Erfahrungen zeigen, dass sich der Blick über den Tellerrand lohnt. Für Planungsbüros bedeutet das, dass der Einsatz von einzelnen Instrumenten - bei individueller Auswahl und Anpassung - generell empfehlenswert ist. Für den Planer persönlich heißt das, dass eine gezielte Fortbildung in diesem Bereich Vorteile auf dem Markt und bei der eigenen Projektarbeit bringt. Planer mit Management-Erfahrung oder -Qualifikation sind als Projektbearbeiter, -leiter oder -berater gefragt und haben es leichter, sich unter vielen Mitbewerbern zu profilieren. Grundsätzlich sollte die Auseinandersetzung mit Projektmanagement bereits in der Ausbildung beginnen, um diesen wichtigen Teil des Methoden-Handwerks nicht erst im Beruf zu erlernen. An den Hochschulen werden die Inhalte nur wenig bis gar nicht vermittelt. Eine Verankerung der notwendigen Grundlagen im Studium wäre ein wichtiger Schritt, um den Planern der Zukunft das Handwerk zu vermitteln, um in einem engen Markt zu bestehen. Der Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung der RWTH bietet inzwischen Projektmanagement-Schulungen an, nicht nur als Seminar für Studenten, sondern auch als Weiterbildungsmaßnahme für Planer mit Berufserfahrung - ein erster Schritt in die richtige Richtung. n Literatur/ Anmerkungen [1] Priebe, G.: Prozessorientiertes Projektmanagement bei Hochbauprojekten. In: projektMANAGEMENTaktuell 4/ 2000, S. 47-51 [2] DIN 69901: Projektwirtschaft, Projektmanagement, Begriffe. Berlin 1987 [3] Motzel, E./ Pannenbäcker, O.: Projektmanagement-Kanon. Der deutsche Zugang zum Project Management Body of Knowledge. Köln 2002 [4] Garten und Landschaft. Callwey-Verlag, München, Streitfeldstraße 35, D-81673 München; Bauwelt. Bauverlag BV GmbH, Postfach 1 20, D-33311 Gütersloh; Deutsches Architektenblatt. Forum Verlag GmbH & Co. KG, Zeppelinstraße 116, D-73730 Esslingen [5] Arbeitsmarkt Umweltschutz und Naturwissenschaften. Wissenschaftsladen Bonn (Hrsg.), Buschstr. 85, D-53113 Bonn [6] Die Interviews wurden im November/ Dezember 2004 vom Autor durchgeführt. [7] Grau, N./ Roth, R./ Vossebein, U.: Was erwartet die Wirtschaft vom Diplom-Projektmanager? In: projektMANAGE- MENTaktuell 4/ 2002, S. 27-30 Schlagwörter Projektmanagement an der Hochschule, Projektmanagement in der Ausbildung, Projektmanagement in (Landschafts-)Architektur und Stadtplanung, Projektmanagement-Nachfrage und -Bedarf Autor Dipl.-Ing. Florian Kluge, Jahrgang 1971, Landschaftsarchitekt; 1992-1998 Studium Freiraum- und Landschaftsplanung Universität Hannover, 1998-2003 Projektleiter in mehreren Planungsbüros, 2002-2003 Studium Projektmanagement und Projektsteuerung Bau, Bauhaus-Universität Weimar, Zertifizierung zum Projektmanagement-Fachmann (GPM). Seit 2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung der RWTH Aachen, Dissertation zum Thema „Projektmanagement in der (Landschafts)Architektur-Ausbildung“; Leitung von Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen sowie Forschungsvorhaben im Bereich Landschaftsarchitektur und Projektmanagement. 2004-2005 Zertifizierung zum PS&DM-Trainer (Problem Solving & Decision Making), 2005: Qualifizierung zum Fachingenieur für Bauprojektmanagement. Anschrift RWTH Aachen Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung Lochnerstraße 4-20 D-52056 Aachen Tel.: 02 41/ 8 09 50 53 Fax: 02 41/ 80 60 10 11 E-Mail: kluge@landeco.rwth-aachen.de 59 NACHRICHTEN projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell n In die Professionalisierung des Projektmanagements wird durch Standardisierung, Ausbildung und Zertifizierung viel investiert. Dieser Invest scheint sich aber von der Projekterfolgsquote zu entkoppeln. Unterschiedliche Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projekt seine angestrebten Ziele verfehlt, in den letzten Jahren noch signifikant zugenommen hat. Von der Erkenntnis geleitet, dass der Lösungshorizont weiter gefasst werden muss, stellte das FAST-Institut der Fachochschule Würzburg seine Open-Space-Konferenz im Dezember 2005 unter das Thema „Unternehmensführung und Projektmanagement - Beyond any Standard“. Bereits zum zweiten Mal haben fünf engagierte Praktiker (Günther Thoma und Uwe Feddern, beide step process management, Friedhelm Müller, Tiba Managementberatung, Stephan Reichold, KWP Unternehmensberatung, Peter Ueberfeldt, Lufthansa Systems AG) in ihrem gemeinsamen Interesse, durch intelligente Projektarbeit zur Wertschöpfung in Unternehmen beizutragen, kritische Fragen gestellt: o Bis wohin machen Standards Sinn und ab wann werden sie dysfunktional? o Wie kann man - insbesondere angesichts der Zunahme von komplexen Projekten - der Vielfalt an Personen mit unterschiedlichen Talenten und Kompetenzen kreative Freiräume für innovative Lösungen gewähren und zugleich zielorientiert steuern? o Wie muss das Zusammenspiel zwischen Linien- und Projektmanagement gestaltet sein, damit in gemeinsamer Verantwortung ein Projekt erfolgreich durchgeführt werden kann? „Beyond any Standard“ Von diesen Fragen haben sich 40 Führungskräfte, Projektmanager, Berater und Hochschuldozenten angesprochen gefühlt und sind in Würzburg auf Spurensuche gegangen. Dass diese nicht dort zu beantworten sind, wo bisher mit hohem Aufwand wenig befriedigender Ertrag erzielt wurde, ist den Teilnehmern eingangs mit der Metapher „Stroh zu Gold spinnen“ aus dem Märchen Rumpelstilzchen vermittelt worden. Das Grundmuster des Märchens wurde typischen Erfahrungen aus dem Projektalltag gegenübergestellt. Augenfällig wurde dadurch die Parallele zu unverantwortbaren Versprechen und nicht erfüllbaren Anforderungen. Und doch gibt es da einen Retter in der Not: das Rumpelstilzchen. Damit bekam „Beyond any Standard“ sogar einen Namen. Zugleich war damit eine neugierige Spannung geschaffen, die sich im anschließenden Marktplatz in zwölf interessanten Workshop-Themen ausdrückte. Wie wird Stroh zu Gold? Die Auseinandersetzung mit Standards im Projektmanagement erfolgte in drei Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Unter dem Blickwinkel von Widerständen gegen Standards wurde deren fördernde, aber auch hemmende Wirkung herausgearbeitet. Unter Berücksichtigung von Projektgrößen und -typen wurde betont, wie wichtig die richtige Dosis ist. Man war sich bewusst, dass die Qualität der Entscheidung für die „richtigen“ Standards in hohem Maße von der Erfahrung und Kompetenz des Projektmanagers abhängt. Ein anderer Workshop arbeitete zur These „Es gibt fundamentale Standards“. Dort zeigte sich, dass nur sinnvolle Standards eine Chance haben, von ihren Anwendern geachtet und beachtet zu werden. Wo sie nicht gelebt werden, verfehlen sie ihren Nutzen. Können Standards auch Komplexität reduzieren? Ein klares Ja oder Nein war hier nicht zu hören. In einem begrenzten Ausmaß könnte dies der Fall sein, doch zu welchem Preis? Ein weiterer Workshop versuchte, unter dem Thema „Minimalistisches PM“ den kleinsten gemeinsamen Nenner aufzuspüren. Die elementaren Objekte, wie unter anderem Auftrag, Projektstrukturplan, Rollenvereinbarungen waren schnell identifiziert. Die Kooperation und Kommunikation und das gemeinsam geteilte Bewusstsein, einen Veränderungsprozess zu gestalten und zu verantworten, waren in den Augen der Workshop-Teilnehmer bedeutender für den Projekterfolg als die strikte Anwendung von Methoden und Standards. Auch die Beziehung zwischen Linienmanagement und Projektmanagement wurde in mehreren Workshops thematisiert. Dass die Entwicklung des Projektmanagements in einer Organisation durch die Haltung des Linienmanagements begrenzt ist, war These und Ausgangspunkt für Überlegungen, mit welchen Argumenten Unternehmensführungen davon überzeugt werden können, das Nutzenpotenzial von Projektmanagement als Führungs- und Steuerungssystem optimal zur Wirkung zu bringen. Als Voraussetzung steht das Empowerment des Projektmanagers im Vordergrund. Dadurch wird eine autonome Projektführung ermöglicht, die das Linienmanagement spürbar entlasten kann. Eine Ausdehnung der Verantwortung auf das Projektbudget und das Mitspracherecht bei Ressourcendispositionen erlauben einen erweiterten Handlungsraum, durch den mehr Selbstorganisation und Stabilität im Projektablauf erreicht werden können. Zudem ging es um die Gleichberechtigung von Linienmanager und Projektmanager. Als eine notwendige Voraussetzung hierfür wurde eine Entwicklungslaufbahn für Projektmanager angesehen, weil Kompetenz und Erfahrung konstitutiv sind, um sich gegenseitig zu respektieren und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wie man vermeiden kann, dass ein Projektmanager zum Spielball von Stakeholdern wird, war Thema eines Praxisfalls, der in einem weiteren Workshop besprochen wurde. Hier wurden Querverbindungen zu anderen Workshops sichtbar, insbesondere zu der Kernfrage, welchen Stellenwert man Projektmanagement in einer Organisation einräumt. Aus diesem Grunde sind zwar Prozesse und Regeln wichtig, jedoch von entscheidender Bedeutung ist, durch welche wahrnehmbaren Normen und Grundüberzeugungen zu Projektmanagement die Unternehmensführung die Entwicklung der Unternehmenskultur stimuliert. Würzburger Open-Space-Konferenz: Unternehmensführung und Projektmanagement - Beyond any Standard 60 NACHRICHTEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 In einer Reihe von weiteren Workshops wurden spezifische Einzelthemen bearbeitet, die an dieser Stelle nur angedeutet werden können. Da wäre zum Beispiel die klassische Projektmanagerfrage „Wie sage ich Nein? “ oder, angeregt durch den aktuellen Fleischskandal, ging es um „Gammel-Tatsachen“, also um Tatsachen und Aussagen, die bislang unreflektiert unser Denken und Handeln mit geprägt haben und deren „Verfallsdatum“ schon abgelaufen ist. Auch Demonstrationen und praktische Anwendungen psychodramatischer und soziometrischer Methoden in der Projektarbeit trugen dazu bei, dass die Teilnehmer konkrete Ergebnisse für ihre eigenen Projekte mit nach Hause nehmen konnten. Die beiden in die Workshopsequenzen eingebetteten Vorträge setzten unterschiedliche Schwerpunkte. Im Vortrag von Matthias Wiemeyer (RatWechsel) und Dr. Gerhard Wohland (IMG) ging es unter dem provokanten Titel „PM- BoK - Das Handbuch des Misslingens“ um eine Sensibilisierung für die Differenzierung von Problemarten, Rollenverantwortlichkeiten und die Bildung tragfähiger Beschlüsse. Mit der Unterscheidung in komplizierte (mechanisch-technische) und komplexe (organisch-lebendige) Probleme ergeben sich spezifische Lösungswege. Für die Lösung komplizierter Probleme stehen: Wissen, Lernen, Lehrer, Regeln, Methodik, Steuerung, Verhalten; für komplexe Probleme dagegen: Können, Üben, Meister, Prinzipien, Ideen, Führung, Werte. Da Probleme sowohl komplizierte als auch komplexe Anteile enthalten, sind beide Lösungswege in unterschiedlichem Maß von Bedeutung. Im konkreten Fall sind zumeist beide Problemarten beteiligt, die im ersten Schritt zu identifizieren wären. So wird früh erkennbar, was methodisch lösbar ist und was nicht. Mit seinem Konzept des „Transmethodischen Projektmanagements“ argumentierte Dr. Wohland für eine konsequente Rollen- und Aufgabenteilung zwischen Linien- und Projektmanagement (Auftraggeber und Auftragnehmer). Die Institution der „Konsenswerkstatt“ bezeichnet er als Ort zur Aushandlung von Beschlüssen, die, von allen Beteiligten getragen, verbindliche Grundlage anschließender Aktivitäten bilden. Einigkeit herrschte darüber, dass auf Regelwerke und Standards nicht verzichtet werden kann, dass aber zum erfolgreichen Managen von Projekten weit mehr gehört. Helmut Clemm (ehemaliger Vorstand Siemens AG Schweiz und Berater für den Vorstand der Siemens AG) beeindruckte in seinem Vortrag „PM gegen alle Regeln“ mit seiner langjährigen Erfahrung als Projektmanager und gewährte konkrete Einblicke in bewältigte Herausforderungen. Dabei betonte er, dass „gegen alle Regeln“ keineswegs meint, „ohne alle Regeln“ zu arbeiten. Ein zentraler Erfolgsfaktor in seiner Karriere war das Hinterfragen von überkommenen Regeln und Mustern und die persönliche Stabilität, diese zu übergehen und aufzulösen, wenn es notwendig war. Seine Ausführungen bestätigten so manche Erkenntnis aus den Workshops über die Bedeutung von Persönlichkeit und Kompetenz des Projektmanagers, sich im Projekt und seinem turbulenten Umfeld zu behaupten. Bilanz & Ausblick Am Ende war klar: Es gibt nicht die „Silver Bullet“ für alle Fälle. Doch es gab viele Anregungen und Impulse für Lösungsansätze im eigenen Bereich. Die Initiatoren bleiben ihrem Thema treu. Schon planen sie für Ende 2006 eine weitere Konferenz, in der der Dialog zwischen Führungskräften und Projektmanagern im Mittelpunkt stehen soll. Nur durch eine klare Zielsetzung, welche Rolle das Projektmanagement in der Organisation spielen soll, und durch einen konstruktiven Dialog zwischen Linienkräften und Projektmanagern können die Herausforderungen komplexer Projekte bewältigt werden. Was angesichts der Machtverteilung in Unternehmen aus einem solchen Dialog herauskommen kann, ist eine spannende Frage und macht neugierig auf das Programm und die Ergebnisse der kommenden Konferenz. Weitere Infos: www.fh-wuerzburg.de/ fh/ fast/ , E-Mail: ueberfeldt@ step-pro.de Peter Ueberfeldt Dr. Gerhard Wohland machte auf die Gefahren eines zu standardlastigen Projektmanagements aufmerksam und zeigte stattdessen Wege zu einem „transmethodischen Projektmanagement“. Foto: FAST-Institut 61 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell n 250 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz widmeten sich vom 19. bis 21. Januar 2006 in Klagenfurt beim Kongress für Projektmanagement und Mediation der zentralen Frage: Wie können die Angehörigen der öffentlichen Verwaltung wichtige Projekte umsetzen - trotz innerer und äußerer Widerstände und knapper Ressourcen? Projektmanagement ist eine Antwort darauf, Mediation als Instrument der Konfliktregelung eine weitere. Wo Projektmanagement implementiert wird, werden zumeist Konflikte sichtbar und bewusst in Kauf genommen - beispielsweise jener zwischen „Linie“ und „Projekt“. Wo große Mediationsverfahren im öffentlichen Raum stattfinden, wird schnell der Bedarf an Projektmanagement sichtbar, zumal langfristige Konfliktregelungsprozesse eine klare Organisationsstruktur brauchen. Als Beispiel sei dafür das bislang größte Mediationsverfahren Europas am Flughafen Wien-Schwechat angeführt. Gegenstand dieses Verfahrens sind die gegenwärtigen Auswirkungen des Flughafens Wien sowie dessen wesentliche umweltrelevante Projekte und Ausbauvorhaben und deren Auswirkungen. Jede Menge Konflikte waren dabei natürlich auszuhalten und zu managen. Es ist also nahe liegend, die beiden Disziplinen - Projektmanagement und Mediation - zu einer Begegnung und einem Gedankenaustausch zusammenzubringen. Konfliktpotenzial bereits in kleinen Projekten Denn Konflikte treten nicht erst bei „Riesen-“Projekten auf. Schon bei abteilungsübergreifenden Projekten in einem Unternehmen, in denen es ja meistens auch um Schnittstellenmanagement geht, ist Konfliktpotenzial vorhanden. Oder bei Matrixorganisationen in den Fragen: Wie viel Arbeitszeit soll/ darf in ein Projekt fließen und wie viel in die Linienfunktion? Wer entscheidet über die Teilnahme von Projektteammitgliedern - der Projektauftraggeber, der Projektleiter, der Linienvorgesetzte oder die Teammitglieder selbst? Den Konfliktpotenzialen sind erfahrungsgemäß keine Grenzen gesetzt. Daher ist es sinnvoll, als Projektmanager auch Konfliktregelungskompetenz zu erwerben. Eine Form dafür bietet die Mediation. Wobei Mediation selbst, je komplexer die Konflikte werden, einen Bedarf an Projektmanagement hat. Weshalb es wiederum auch hilfreich für Mediatoren ist, Projektmanagement-Know-how zu haben. Zum Apero - Reden über Projekte und Konflikte Eine gute Gelegenheit, sich dem Thema in Klagenfurt anzunähern, wurde am ersten Abend der Kongressveranstaltung mit dem „Apero“ geboten. Mit einem Glas Sekt in der Hand wechselten die Teilnehmer ungezwungen von Stehtisch zu Stehtisch. Und an jedem wurde „strukturiert“ kommuniziert, nach Lust und Laune auf Papiertischtücher geschrieben und Fragen wurden auf Karten notiert. Die Teilnehmer an den Tischen wechselten, waren aber immer eine gute Mischung aus Projektmanagement- und Mediations-Experten. Entsprechend dem Anliegen, die Bedeutung von Konflikten in Projekten darzustellen, repräsentierten auch die Vortragenden eine gute Mischung aus Projektmanagement (Roland Gareis, Alfred Zauner), Mediation (Thomas Prader, Peter Heintel) und Sozialkompetenz (Ewald Krainz). Die Workshops des zweiten Kongresstages behandelten ebenfalls Themen aus dem Projektmanagement und der Mediation und zeigten einmal mehr die Bedeutung der Mixtur Projektmanagement - Mediation - Sozialkompetenz auf. Weitere Informationen: www. ikpm.org Brigitte Schaden KONFLIKTE UND PROJEKTE GEHÖREN ZUSAMMEN: Internationaler Kongress für Projektmanagement und Mediation in Klagenfurt zeigte die Bedeutung von Konfliktlösungspotenzialen auf IKPM-Kongress, Workshop Nr. 5, Leitung: Thomas Prader IKPM-Kongress, Workshop Nr. 22, Leitung: Brigitte Schaden Foto: Philipp Enders Foto: Philipp Enders 62 NACHRICHTEN aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Ich war selbst nicht auf dem Weltkongress, sondern habe lediglich die rund 160 auf der Tagungs-CD gespeicherten Beiträge bzw. Titel gelesen, eine recht mühsame Aufgabe, wie sich bald herausstellte. In den nicht seltenen Fällen, in denen weder Volltext noch Abstract verfügbar waren, habe ich versucht, aus dem Vortragstitel auf den Inhalt zu schließen. Wegen der Fülle der Referate werden in der Regel keine einzelnen Beiträge zitiert, auch wenn sie noch so bemerkenswert und originell sind. Nur in wenigen Fällen wurde von dieser Regel abgewichen. Es wurde unterstellt, dass ein Weltkongress mit so vielen Teilnehmern am ehesten und frühesten Trends in unserer Disziplin erkennen lässt. Um eine berechtige Kritik gleich vorwegzunehmen: Man sieht nur, was man kennt, oder, zynisch und etwas übertrieben ausgedrückt: Wer nur einen Hammer hat, sieht die ganze Welt als Nagel. Das will sagen: Meine Zusammenfassung ist durchaus subjektiv. Ein anderer Leser würde möglicherweise ganz andere Trends aus den Vorträgen herauslesen. Wer die Meinungen von zwei anderen Autoren zur Entwicklung der Disziplin Projektmanagement kennen lernen will, dem sei der Tagungsbeitrag von David Pells (USA) und Vladimir Mikheev (Russland) „Beyond Maturity - How Modern Project Management Can Turn Dreams into Reality“ empfohlen. Auffallend ist zunächst die große Aufmerksamkeit, die Projektmanagement als Vehikel zur Implementierung von Unternehmensstrategien, ein lange kaum beachtetes Thema, erfährt. Konsequenterweise sind damit umfangreiche Erörterungen zur Projektauswahl, zum Multiprojektmanagement und zur Rolle von Projektbüros (Project Office bzw. Project Management Office) verknüpft. Es wird auch mehr und mehr gesehen, dass Projektmanagement vor allem über diesen Strategiebezug dem Topmanagement „verkauft“ werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Reifegrad von Organisationen auf dem Gebiet Projektmanagement bzw. Projektbenchmarking. Auch die Entwicklung von Metriken, mit Reifegradmodellen eng verknüpft, kommt voran. Im Vordergrund steht dabei, wie nicht anders zu erwarten, OPM3, das 2003 von der PMI vorgestellt wurde. Die bemerkenswerten Fortschritte, die in den letzten Jahren erzielt wurden, werden freilich nicht kritiklos hingenommen. Vielmehr zeigt sich, dass die Entwicklung hier noch keineswegs abgeschlossen ist. Vor allem wird immer wieder moniert, dass die stark prozessorientierten Reifegradmodelle „The Human Side of Project Management“ (Sizemore House) vernachlässigen, wie das bereits Ruskin in unübertrefflicher Klarheit vor sechs Jahren gesagt hat (vergleiche dazu [1]). Zitiert werden soll hier der bemerkenswerte Aufsatz von Sebastian Green (Irland): „Strategic Project Management: From Maturity Model to Star Project Leadership“. Seine Empfehlung lautet, sich vor allem um den Aufbau der knappsten Ressource, nämlich der „Star Project Leaders“ zu kümmern, um langfristig Konkurrenzvorteile zu erringen. Dass die Kritik durchaus ernst genommen wird, zeigt auch eine ganze Reihe weiterer Referate, die sich mit der Qualifizierung und Zertifizierung von Projektpersonal und mit der Entwicklung von Kompetenz- und Karrieremodellen sowie von Persönlichkeitsprofilen von Projektmanagern befassen. Die gängige Zertifizierungspraxis wird dabei zum Teil sehr genau unter die Lupe genommen: „Skills and behaviours may be just as important as formal knowledge.“ (Morris). Besonders hervorzuheben ist dabei der Beitrag von Rodney Turner (UK) und Ralf Müller (Schweden): „Linking Project Type and Project Manager Personality.“ Das Thema „Emotionale Intelligenz“, inzwischen fast zum Modethema geworden, das bereits 1995 von dem Psychologen Goleman in einem umfangreichen Band [2] behandelt wurde, ist jetzt wohl auch bei der Zunft von Projektmanagern angekommen. Fragen der informellen Kommunikation im Team und mit den Kunden, vor allem bei der Ermittlung der Requirements, werden ebenfalls stark beachtet. Dass in den Zeiten der Globalisierung die Bedeutung 19 th IPMA World Congress New Delhi 2005 : Einige Entwicklungslinien 63 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell +++ PM-Termine +++ PM-Termine +++ der Emotionalen Intelligenz bei interkulturellen Teams besonders hervorgehoben wird, sollte uns nicht besonders verwundern. Auch Probleme des Wissensmanagements werden in mehreren Vorträgen angesprochen. Hier hat mich allerdings ein wenig erstaunt, dass neue, sehr interessante Entwicklungen nicht berücksichtigt wurden. Erfreulich ist, dass die so lange dominierende, sehr enge Definition des Projekterfolgs (im Termin, in den Kosten und mit Erfüllung der ursprünglich definierten Leistungsziele) einer viel differenzierteren und realistischen Betrachtungsweise weicht, die sich unter den Begriff „Benefit Management“ subsumieren lässt. Etwas erstaunt hat mich, dass Themen, die in der Bundesrepublik intensiv diskutiert werden, in New Delhi eher am Rande behandelt wurden. Das gilt vor allem für o BSC im Projektmanagement, o Virtuelle Teams und ihre Unterstützung durch Plattformen und Tools und o Produktdatenmanagement. Könnte es sein, dass wir in Deutschland die Bedeutung der ersten beiden Themen etwas überschätzen? Festzustellen ist übrigens auch, dass Tools generell keine so herausragende Rolle spielen wie in der Vergangenheit, wie es ja auch in der von Karsten Hoffmann, Aresh Yalpani und mir verfassten Trendstudie aus dem Jahr 2002 von mehreren Experten prognostiziert wurde. Besonders haben mich die Beiträge der Japaner interessiert, die in Indien in großer Zahl vertreten waren. Da ich selbst über Projektmanagement in Japan, trotz einiger Bemühungen, Material zu bekommen, nicht viel weiß, waren die gebotenen Vorträge für mich sehr informativ. Wichtig wäre es, über das mehrfach zitierte Handbuch und Projektmanagementmodell P2M (wohl vergleichbar mit PRINCE2), das auch zur Zertifizierung dient, genauere Informationen zu erhalten. Zum Schluss möchte ich drei Referate besonders hervorheben, selbstverständlich ohne den Anspruch, den vorgestellten Ansätzen in diesem kurzen Beitrag auch nur annähernd gerecht zu werden. Ich hoffe, dass man mir wegen der Auswahl von deutschsprachigen Autoren nicht Chauvinismus vorwirft. Da ist zum einen der schon in der letzten Nummer erwähnte Aufsatz von Manfred Saynisch „Mastering Complexity and Changes in Projects, Economy and Society by Project Management 2 nd Order (PM-2)“, in dem er seine Gedanken zum Projektmanagement 2. Ordnung zusammenfasst. Seine Vorhersage: „PM-2 will be the concept … for the next decades in this century.“ Ein zweiter Beitrag, der auf der CD allerdings nicht zu finden ist, stammt von Thomas Baumann (Mitglied des Kuratoriums der GPM), Tina Nehlsen und dem bekannten Hirnforscher Prof. Gerhard Roth von der Universität Bremen. Das Bekenntnis der Autoren lautet: „The knowledge of both (gemeint sind Erkenntnisse der Neurobiologie und des Projektmanagements; der Verfasser) can be combined to achieve more success in projects.“ Sie sehen unter anderem Möglichkeiten, verbesserte Verfahren für das Assessment und die Schulung von Projektpersonal zu erarbeiten und Chancen um den Wissenstransfer zu verbessern und positive Verhaltensveränderungen in Projekten zu erzielen. Ein letzter Aufsatz kommt von den IBM Business Consulting Services (Zürich). Stefan Rietikers Beitrag „Enterprise Project Orientation Reconsidered. Elements of a Projectconscious Management“ entwickelt ein Referenzmodell, das auf dem Grundgedanken basiert, dass das Ergebnis der Projekte „is a function of all involved system structures (on the meta level of the whole enterprise).“ Seine Hauptkritik: Die gängigen Projektmanagementkonzepte berücksichtigen zu wenig die Relevanz der Umwelt, in die Projekte eingebettet sind. Eine der Empfehlungen am Schluss lautet, erheblich vereinfacht, die Umweltfaktoren zu stärken, die eine projektfreundliche Umgebung schaffen. Will man eine grobe Gesamttendenz konstatieren, so lässt sich sagen: Der Trend, die „Human Factors“ besonders zu betonen, setzt sich unvermindert fort. Heinz Schelle Literatur [1] Schelle, H.: Das aktuelle Stichwort: Organizational Project Management Maturity Model (OPM3) des PMI. In: projektMANAGEMENTaktuell 1/ 2006 [2] Goleman: Emotionale Intelligenz. München 1996