PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria 4.2019 | 30. Jahrgang | www.gpm-ipma.de projektManagement aktuell 40 Jahre GPM Die GPM feiert Jubiläum Sven Plöger Durch Projekte Lust auf Klimaschutz Projektteam ausgezeichnet Roland Gutsch Project Management Award 2019 Bonner aufs Rad Hunderte Mieträder für den Klimaschutz Nachhaltige Projektgovernance Die GPM beim 7. Zukunftskongress Antenne Bayern Bei Projekten auf einer Wellenlänge Politik im Klimawandel Die kommunale Klimaschutzkampagne Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3) FÜR IHRE KARRIERE IM PROJEKTMANAGEMENT GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. I www.gpm-ipma.de I weiterbildung@gpm-ipma.de Das GPM Weiterbildungsangebot Autorisierter Trainingspartner Bei unseren Weiterbildungspartnern finden Sie das passende Angebot. Jetzt Kontakt aufnehmen und beraten lassen! weiterbildung@gpm-ipma.de Das umfassende Weiterbildungsangebot der GPM bietet Ihnen den Schlüssel für erfolgreiches Projektmanagement. Besuchen Sie deutschlandweit Lehrgänge und Coachings nach GPM Qualitätsstandards - durchgeführt von unseren erfahrenen Autorisierten Trainingspartnern und Akkreditierten Trainern. Unsere Weiterbildungspartner finden Sie hier: www.gpm-ipma.de/ weiterbildung/ projektmanager/ unsere_partner 17 Durch Projekte Lust auf Klimaschutz machen Wetterexperte Sven Plöger im Interview. Foto: Brais Seara - stock.adobe.com Editorial 02 Klimawandel und Projektmanagement In eigener Sache 03 Zukunft der PM aktuell S. Scheurer 05 Die Suche nach „Handreichungen für Praktiker“ O. Steeger 40 Jahre GPM 13 Die GPM feiert Jubiläum Reportage 17 Durch Projekte Lust auf Klimaschutz machen O. Steeger 22 Projektteam des Emscher-Umbaus ausgezeichnet H. Kratt und O. Steeger 28 „Tübingen macht blau“ B. Schott 36 Klimaschutz ist Chefsache S. Scheurer und O. Steeger 38 Hunderte Mieträder für den Klimaschutz O. Steeger Politik und Gesellschaft 45 Die GPM beim 7. Zukunftskongress H. Kratt 53 Gute Projektmanagementstrukturen in der öffentlichen Verwaltung C. Jahnke, H. Kratt, Prof. Dr. A. Richardt 55 Mit Projekt-Governance den Klimawandel meistern D. Meyer Wissen 58 ANTENNE BAYERN: Bei Projekten auf einer Wellenlänge A. Schambach 62 Buchbesprechung: Projektmanagement - Zielgerichtet. Effizient. Klar. 65 Die Paradoxie bei der Veränderung J. Köhler Nachrichten 66 Die ganze Vielfalt des Projektmanagements: das Programm des PM Forum 2019 67 PMO Tag 2019: „Über die Arbeit und über leise Töne“ 68 GPM Intern - Daniel Stumpf wird neuer Vizepräsident der GPM - IPMC: Das deutsche Team verteidigt den Titel - Die GPM und Südwestmetall: eine erfolgreiche Zusammenarbeit - Sommertreffen der Regional- und Fachgruppenleiter in München 71 Veranstaltungen der GPM Regionen 73 SPM Intern 74 PMA Intern 77 GPM Kontakte Zwischen den Seiten 16 und 17 finden Sie die Checkliste „Fragenkatalog für ein PM-Untersuchung - Teil 6“. Impressum Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg, unter Mitwirkung von spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, 8152 Glattbrugg, Schweiz und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 25/ 2/ 21, 1090 Wien, Österreich Prof. Dr. Helmut Klausing (Geschäftsführender Herausgeber) Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Myriam Conrad, GPM, Nürnberg Christopher Klausnitzer, GPM, Nürnberg (Ressort GPM intern) Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee Anke Piwetzki-Wenicker, TÜV Media GmbH, Köln Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, BI Norwegian Business School, Oslo Prof. Dr. Nino Grau, THM Technische Hochschule Mittelhessen, Campus Friedberg Benedict Gross, München Prof. Dr. Claus Hüsselmann, THM Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen Dr. Hans Knöpfel, Rosenthaler + Partner AG, Zürich Dr. Mey Mark Meyer, prometicon solutions GmbH, Bremen Mag. Brigitte Schaden, BSConsulting, Wien Prof. Dr. Heinz Schelle, Oberau Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang, Universität Kassel Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Reinhard Wagner, Projektivisten GmbH, Friedberg Verlag: TÜV Media GmbH, TÜV Rheinland Group Am Grauen Stein 1, 51105 Köln Postfach 90 30 60, 51123 Köln Telefon: 02 21/ 8 06-35 11 Telefax: 02 21/ 8 06-35 10 www.tuev-media.de Geschäftsführerin: Gabriele Landes Koordination: Anke Piwetzki-Wenicker Telefon: 02 21/ 8 06-35 14 E-Mail: Anke.Piwetzki@de.tuv.com Anzeigenverwaltung: Gudrun Karafiol-Schober Telefon: 02 21/ 8 06-35 36 E-Mail: Gudrun.Karafiol@de.tuv.com © 2019 TÜV Media GmbH, Köln Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise: Preis des Einzelheftes: EUR 20,-. Jahresbezugspreis: EUR 67,-. Studentenjahresbezugspreis: EUR 47,-. Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Kündigung: sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag. Preise zuzüglich Versandkosten, Inlandspreise inkl. 7% Mehrwertsteuer. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Druckvorstufe und Druck: Meinders & Elstermann GmbH & Co. KG, Belm Titelfoto: © Romolo Tavani - stock.adobe.com G 6010 30. Jahrgang 2019, 4/ 2019 ISSN 0942-1017 INHALT 01 Literatur [1] beide Zitate Pufé, I.: Nachhaltigkeit. UVK-Verlag, Konstanz, München, 2012, S. 61 f. [2] Sven Plöger im Interview mit Oliver Steeger in diesem Heft Klimawandel und Projektmanagement Ein Trend beschreibt „… raum- und zeitübergreifende Veränderungen und Strömungen in allen Bereichen der Gesellschaft“. Megatrends „verändern und durchdringen Technologie, Ökonomie, Wertesysteme, Zivilisationsformen. Mit einer Halbwertszeit von etwa 50 Jahren sind sie dauerhafter als Trends oder Hypes.“ [1] Unter Wissenschaftlern besteht schon lange kein Zweifel mehr: Der Klimawandel ist ein solcher Megatrend. Und: Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft lässt sich ein Gutteil des Klimawandels auf den menschlich verursachten Ausstoß von CO 2 zurückführen. Die Hintergründe des Klimawandels erklärt Ihnen unser Interview mit Sven Plöger in diesem Heft. Der prominente Experte für Wetter und Klima ist zudem Keynote Speaker auf dem „36. Internationalen PM Forum“ vom 22. bis 23. Oktober 2019 in Nürnberg. Inzwischen ist weiten Teilen der Gesellschaft klar geworden, dass die Menschheit handeln muss, wenn wir die Folgen des Klimawandels noch irgendwie beherrschbar halten wollen. Die Anzeichen, dass die Gesellschaft von Politik und Wirtschaft Lösungsansätze verlangt, werden immer deutlicher. Die Wahlergebnisse bei der Europawahl mit einem sprunghaften Erstarken der Grünen sprechen ihre eigene Sprache, Gleiches gilt für schnell wachsende Bewegungen wie „fridays for future“. Dies zeigt: Die Zeit ist reif, die Bevölkerung verlangt nach konkreten Maßnahmen. Doch auf welchen Ebenen soll gehandelt werden, wer soll handeln - und wie? Die Antworten liegen im Grunde auf der Hand: Wir sind gefordert auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Jeder als Individuum und Verbraucher, die Industrie und die Dienstleister als Anbieter von möglichst klimaneutralen Produkten und Dienstleistungen. Aber auch die Politik auf Bundesebene, Landesebene und vor allem auch auf der kommunalen Ebene. Und das Mittel der Wahl ist: Projektmanagement! Dynamische, wechselseitig vernetzte Problemstellungen mit einer Vielzahl von Stakeholdern sind uns im Projektmanagement nicht unbekannt. Genau um eine solche Problemstellung handelt es sich auch beim Klimawandel. Sie sieht nach einer Herkulesaufgabe aus, und sie hat zudem einen global vernetzten Charakter. Trotzdem: Kopf in den Sand stecken und kapitulieren hilft nicht. Es gilt: Anpacken auf allen Ebenen ist die Losung. Oder wie Sven Plöger es ausdrückt: Menschen Lust auf Projekte in Sachen Klimaschutz machen, in die sich die Leute auch einbringen können. Wir wollen Ihnen in diesem Heft zeigen, was sich alles bewegen lässt, wenn Menschen sich mit Lust am Klimaschutz in Projekten oder ganzen Projektprogrammen engagieren. Lesen Sie den Beitrag von Dirk Meyer, der aus dem Blickwinkel der Bundespolitik die nötige Projekt-Governance und Projektkultur beschreibt, mit der wir die Herausforderung des Klimawandels gemeinsam meistern können. Dirk Meyer war Keynote Sprecher der GPM beim Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2019, der vom 27. bis 29. Mai 2019 in Berlin stattfand. Der Auftritt der GPM stand unter dem Motto: Gemeinsam. Gemeinwohl. Gestalten. - Governance von Projekten als Erfolgsfaktor für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Lesen Sie dazu den Bericht von Heike Kratt. Auf dieser Veranstaltung wurde auch der Ronald Gutsch Project Management Award verliehen. In diesem Jahr ging er an Norbert Stratemeier; er leitet mit der Renaturierung der Emscher ein Generationenprojekt in Sachen Umwelt- und Naturschutz. Zur Preisverleihung und zu diesem Projekt finden Sie einen Artikel von Heike Kratt und Oliver Steeger. Dass sich auch auf der kommunalen Ebene mit einem ganzen Projektprogramm viel für den Klimaschutz erreichen lässt, können Sie in dem Beitrag von Bernd Schott „Tübingen macht blau“ nachlesen. Ergänzend finden Sie ein Interview mit Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen. Wie Erfolgsprojekte privater Anbieter dabei helfen, in Sachen Klimaschutz in den Städten voranzukommen, zeigt das Beispiel der Nextbike GmbH. Einen Eindruck davon bekommen Sie im Interview von Oliver Steeger mit Mareike Rauchhaus von Nextbike. Wie Sie sehen, gibt es bereits auf allen Ebenen Anstrengungen in Sachen Klimaschutz. Vor allem: Es gibt eine bewährte Methodik, die Projektprogramme oder Einzelprojekte voranbringt. Wir als GPM können dazu beitragen, die notwendige Methodik auf allen Ebenen weiterzuentwickeln und dem Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft noch mehr Bekanntheit zu verschaffen. Wir können beispielsweise zeigen, wie sich mit modernen webbasierten Collaboration- und Projektmanagementwerkzeugen Projekte in einer dynamischen und vernetzten Welt besser steuern lassen. Ein Beispiel hierzu finden Sie im Artikel von Arno Schambach. Wenn wir die Erwärmung der Erde auf unter zwei Grad Celcius begrenzen wollen, bleiben uns nach Sven Plöger noch 10 bis 15 Jahre: „Allerdings nicht 10 bis 15 Jahre fürs Nichtstun und Weitermachen wie bisher! In dieser Zeit müssen wir uns intensiv um die Projekte kümmern und den Klimaschutz vorantreiben. Wenn wir so vorgehen, werden sich Erfolge einstellen. Da bin ich mir ziemlich sicher! “ [2] Also packen wir es an! Ihr Steffen Scheurer projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 02 EDITORIAL Zukunft der PM aktuell Autor: Steffen Scheurer Liebe Leserinnen, liebe Leser, Kollege Schelle hatte das Editorial des letzten Heftes mit folgendem Satz überschrieben: „Wandel mit und im Projektmanagement“. Zugleich hatte er sich von Ihnen als Chefredakteur dieser Zeitschrift verabschiedet. Mit anderen Worten: Der Wandel erreicht auch die PM aktuell. Wandel impliziert leicht: Alles wird anders. So will ich den Wandel bei der PM aktuell aber nicht verstanden wissen. Immerhin blickt Kollege Schelle auf eine Erfolgsgeschichte von 30 Jahren PM aktuell zurück. Gerade Sie als Leserinnen und Leser haben in diesem Zeitraum immer wieder bestätigt, dass Ihnen die PM aktuell interessante Informationen bietet. Trotzdem wird sich die PM aktuell in den kommenden Jahren wandeln aber im Sinne von Weiterentwicklung. Die Diskussionen dazu werden zwischen den Gremien der GPM geführt, insbesondere dem Präsidialrat, dem Herausgeber und der Chefredaktion. Im Herbst werden wir den Zwischenstand der Diskussion dann mit dem Redaktionsbeirat erörtern. Natürlich sollen auch Sie als Leserin und Leser in die Diskussion mit einbezogen werden. Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen an dieser Stelle einen kurzen Zwischenstand der Diskussion geben und Sie herzlich dazu einladen, uns Ihre Ideen zur Weiterentwicklung mit auf den Weg zu geben. Wir werden die bestehenden Formate der PM aktuell erweitern. Neben den bewährten Artikeln zu Inhalten und Methoden des Projektmanagements werden wir zusätzlich Reportagen zu interessanten Projekten in die PM- aktuell aufnehmen. Dabei wird es neben der projektmäßigen Umsetzung auch verstärkt um die Höhen und Tiefen in Projekten gehen. Wir wollen versuchen, die „Hand auf den Puls dieser Projekte zu legen“ und auch etwas von der besonderen Atmosphäre wiederzugeben, die das Projektgeschäft so spannend macht. Darüber hinaus möchten wir den Menschen in Projekten stärker in den Mittelpunkt stellen. Dies werden wir in Form von Porträts machen. So können Sie Projektleiterinnen und Projektleiter kennenlernen; Sie erfahren, was diese Personen ausmacht und was sie persönlich mit dem Projektmanagement verbinden. Dabei können durchaus auch Facetten der Persönlichkeit zum Vorschein kommen, die über die reine Projektarbeit hinausreichen. Dankenswerterweise hat sich Kollege Schelle bereit erklärt, in diesem Heft für ein erstes solches Porträt zur Verfügung zu stehen. Vielleicht lernen Sie so Facetten von Herrn Schelle kennen, die Sie so nicht vermutet hätten. Darüber hinaus wollen wir in Zukunft etwas ausführlicher über wichtige Entwicklungen innerhalb der GPM berichten. Zudem wollen wir in Zukunft die Hefte der PM aktuell jeweils unter ein Oberthema stellen. So können verschiedene Aspekte eines Themas beleuchtet werden. Damit sollen sowohl unsere Mitglieder, die Fachgruppen, als auch Wissenschaftler und Praktiker, die sich mit den jeweiligen Themen beschäftigen, angesprochen werden. Alle, die zu einem Thema Beiträge leisten wollen, sind herzlich dazu eingeladen. Für das kommende Jahr sind folgende Themenschwerpunkte in der aktuellen Diskussion: Commercial Project Management (CPM) Es geht um die Wertsteigerung von Unternehmen durch Projekte und Projektportfolios. Dabei können Aspekte wie die Sicherung der Projektwirtschaftlichkeit in der Angebotsphase und in der Durchführungsphase von Projekten betrachtet werden. In engem Zusammenhang mit der Sicherung der Projektwirtschaftlichkeit sind auch die Themen Risikomanagement, Änderungsmanagement und Claimmanagement zu sehen. Von Interesse ist auch, wie Commercial Project Management in unterschiedlichen Branchen umgesetzt wird: Anlagenbau Luft- und Raumfahrt Serienhersteller … Darüber hinaus wäre von Interesse, wie Commercial Project Management in Unternehmen sinnvoll eingeführt und im Unternehmen organisatorisch verankert werden kann. Auch ein Blick auf praktisch vorhandene Erfolgsmodelle des Commercial Project Managements wäre spannend. Emotionen im PM Hier geht es um den Umgang mit Emotionen in Projekten: Welche Rolle spielen Emotionen in der Wirtschaft? Wie wirken sich euphorische Emotionen auf ein Projekt aus? Wie gehen Projektleiter emotional mit Scheitern in Projekten um? Wie gehen unterschiedliche Kulturen mit Emotionen in Projekten um? Wie wirkt sich eine „Achterbahn der Gefühle“ auf eine(n) Projektleiterin/ Projektleiter aus? Welche Rolle spielen Emotionen für den Projekterfolg? Welche Erkenntnisse aus der Forschung gibt es zu diesem Thema? … projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 IN EIGENER SACHE 03 Karriere im Projektmanagement In diesem Themenschwerpunkt soll der Frage nachgegangen werden, welche Projektmanagementkarrieren in verschiedenen Branchen vorzufinden sind und wie die Attraktivität einer Projektmanagementkarriere, auch gegenüber Linienkarrieren, gesteigert werden kann: Projektmanagementkarrieren in KMUs bzw. in Konzernen Projektmanagementkarrieren im öffentlichen Dienst Projektmanagementkarrieren versus Linienkarrieren Projektmanagementkompetenz im Topmanagement/ Aufsichtsgremien Projektmanagement und Fachkräftemangel Aus- und Weiterbildung im Projektmanagement als Grundlage für eine Projektmanagementkarriere … So, nun sind Sie an der Reihe! Natürlich konnten wir nicht alle Aspekte der jeweiligen Themen ansprechen. Gerne können Sie uns weitere Ideen für die Themenschwerpunkte zukommen lassen. Bitte beschreiben Sie Ihre Ideen in zwei, drei Sätzen. Wenn Sie eine Idee für einen weiteren Heftschwerpunkt haben oder zu einem der Schwerpunkte oben einen Beitrag leisten wollen, freuen wir uns auf Ihre Mail unter: artikel@pmaktuell.de Was uns jenseits aller angesprochenen Schwerpunkte immer interessiert: Wie sehen Sie die Zukunft des Projektmanagements? Gerne nehmen wir auch hierzu Ihre Anregungen und Beiträge auf. Wenn Sie Ideen zur Weiterentwicklung der PM aktuell haben, bitten wir Sie um Ihre Gedanken unter: weiterentwicklung@pmaktuell.de Vielen Dank schon jetzt für Ihre Beiträge und Anregungen. Wir wünschen uns, dass wir zusammen mit Ihnen die PM aktuell in eine erfolgreiche Zukunft weiterentwickeln können. Ihr Steffen Scheurer Nachhaltigkeit im Projektmanagement Im Rahmen dieses Themenschwerpunktes stellt sich die Frage: Wie kann eine ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Wertsteigerung durch Projekte erreicht werden? Interessant wären Projektbeispiele, die Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen, evtl. Projekte aus: dem Bereich der Energiewende (Regenerative Energien) der Landwirtschaft/ Ernährung dem Bereich Smart Cities (Digitalisierung von Städten/ Verkehrsregulierung) dem Bereich Neue Antriebe/ Mobilität Automotive/ Luftfahrt dem Bereich des nachhaltigen Tourismus … Weitere Fragestellungen könnten in einem solchen Themenschwerpunkt bearbeitet werden: Was bringt Projektleiter dazu, sich insbesondere mit Nachhaltigkeitsprojekten zu beschäftigen? Welche Möglichkeiten gibt es im eigenen Projekt, Nachhaltigkeitsansätze umzusetzen (papierloses Arbeiten, Telkos statt Reisen, …)? Welche Erkenntnisse kann die Forschung zur Nachhaltigkeit im Projektmanagement beisteuern? Agiles Projektmanagement und hybrides PM In einem Schwerpunktheft zum agilen bzw. hybriden Projektmanagement könnten beispielsweise folgende Punkte aufgegriffen werden: Rollenvergleiche im agilen und klassischen Projektmanagement Kriterien zur Anwendung von agilem oder klassischem Projektmana gement Empirie zu Erfolgsfaktoren des agilen Projektmanagements Grenzen der Agilität - hybrides Projektmanagement Agiles PM und Änderung des Mindsets und der Unternehmenskultur Transformationsprozess und agiles Projektmanagement - oder wie kann agiles Projektmanagement im Unternehmen eingeführt werden? Agiles Projektmanagement in Konzernen und in KMUs Erfolgsmodelle agilen Projektmanagements in der Praxis … Unternehmenskultur bzw. Projektkultur und Projekterfolg In diesem Themenschwerpunkt soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle der Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor für Projekte zukommt. In diesem Zusammenhang könnten folgende Fragen bearbeitet werden: Einfluss der Unternehmenskultur auf die Projektkultur Kulturausprägungen und klassisches bzw. agiles PM Projektkultur und Generation Y, Z Wie können Transformationsprozesse zur Änderung von Unternehmens- und Projektkulturen gestaltet werden? Gibt es spezifische Unternehmens- und Projektkulturen von Hidden Champions oder von Start-ups? … 04 IN EIGENER SACHE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Die Suche nach „Handreichungen für Praktiker“ Autor: Oliver Steeger Über fast drei Jahrzehnte hat Prof. Heinz Schelle die „projektManagement aktuell “ geleitet. Jetzt hat er das Amt abgegeben. Seine umfangreiche Projektmanagementbibliothek ist größtenteils schon in Berlin. Ein Porträt über den Chefredakteur, der in seiner bayerischen Heimat vor allem als Historiker bekannt ist. Ein Haus voller Bücher. Historische Bücher, Kunstbände, Heimatliteratur - und Hunderte von Büchern über Projektmanagement. Als hätte sich eine Sturzflut von Projektmanagementbüchern über Oberau ergossen, einen kleinen Ort neun Kilometer nördlich von Garmisch-Partenkirchen. Die Bücher stapeln sich überall, in fast jedem Zimmer seines Hauses. Prof. Heinz Schelle bezeichnet sich als Büchermensch. Unlängst widmete ihm ein Lokalblatt einen Artikel zum 80. Geburtstag. Darin war von seinem profunden Wissen die Rede, von seiner rhetorischen Begabung und der Lebendigkeit, mit der er seine Zuhörer zu begeistern vermag - Früchte des Lesens. Vor einiger Zeit wurde ihm die Bücherlust zur Last. Heinz Schelle begann, Teile seiner Bibliothek zu räumen. Er trug die Projektmanagementbücher in Kisten zusammen; jemand fuhr sie aus Oberau hinaus, dem Fluss Loisach folgend, dann Richtung München und weiter nach Berlin, zum Hauptstadtbüro der GPM, wo eine große Bibliothek zum Projektmanagement entsteht. Mögen andere, sagt Heinz Schelle, aus seiner Bibliothek Profit ziehen. Er hat seine Bücherschätze gerne hergegeben. Diese Bücher hatte er ohnehin alle gelesen. Das brachte seine Leselust mit sich, aber auch sein Amt als Chefredakteur der projektManagement aktuell. Es kommt selten vor, dass Chefredakteure Buchrezensionen schreiben. Er tat es mit Verve. Einige Werke hat er gerühmt. Viele hat er mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Eine erkleckliche Zahl der Bücher hat er verrissen und ihnen in seinen Rezensionen Schlampigkeit nachgewiesen; sogar laut gewarnt hat er vor ihnen, scharf und eindringlich, manchmal mit kraftvollen bayerischen Redewendungen, wie sie seine Heimat hergibt. Noch immer finden neu erschienene Bücher zu ihm. Wie es seine Art ist, durchblättert Heinz Schelle erst ihr Literaturverzeichnis. Es wird, klagt er, manchmal zu viel geschrieben im Projektmanagement - und zu wenig gelesen. Dies klingt nach einem harten Urteil. Doch Heinz Schelle hat sich lange genug durch den Berg von PM-Literatur gearbeitet, während er die „projekt- Management aktuell“ leitete, eine „gefühlte Ewigkeit“, wie es der GPM Ehrenvorsitzende Reinhard Wagner einmal schrieb. In der Zeit, in der Heinz Schelle seine Bücher für die GPM zusammenpackte, ließ er auch wissen: Er würde bald Abschied nehmen von diesem Posten. Ewig, sagte er, werde er das nimmer machen können. Später versprach er, er werde es noch machen, solange sich kein Nachfolger gefunden hat. Dann, in diesem Winter, war mit einem Mal alles in die Wege geleitet. Mit Prof. Steffen Scheurer war der neue Chefredakteur gefunden, seiner Wahl stimmte Heinz Schelle von Herzen zu. In Heft 3 dieses Jahres sagte er seinen Lesern Adieu. Jetzt will er sich anderem widmen, auch wieder der Heimatgeschichte (seine historischen Bücher hat er nicht hergegeben). Es gibt ein Leben nach der „projektManagement aktuell“. Wir haben uns zum Telefonat verabredet, entgegen unserer Gewohnheit nachmittags. Heinz Schelle hat mir vor Jahren bereits das kollegiale „Du“ angeboten. Ich frage ihn in Anspielung auf sein letztes Editorial, ob die Zugspitze von Wolken verhangen ist. „Nein“, lacht er, „ist sie nicht. Ich sehe sie! “ Vielleicht ein gutes Omen für das Interview. Es ist Mai; Heinz Schelle schließt gerade letzte Arbeiten für die „projektManagement aktuell“ ab. Damit ist unser Interview auch das letzte Interview unter seiner Ägide. Es wird mit ihm selbst geführt. Prof. Heinz Schelle war über Jahrzehnte Chefredakteur der Zeitschrift „projektManagement aktuell“. Foto: privat projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 IN EIGENER SACHE 05 Ich frage ihn, weshalb das Projektmanagement eine eigene Zeitschrift braucht - angesichts der Flut von Fachbüchern, die jährlich erscheinen. „Wir zeigen aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement auf“, antwortet er. Dies können Fachbücher auch, doch sie sind damit naturgemäß immer etwas im Verzug. Eine Zeitschrift reagiert schneller. Es gibt beispielsweise noch kein Buch über künstliche Intelligenz im Projektmanagement. Ein zurückliegendes Heft der „projektManagement aktuell“ lieferte dazu bereits einen Artikel. „Es wird eine Weile dauern, bis sich das Thema künstliche Intelligenz in Büchern niedergeschlagen hat“, sagt er. Des Weiteren: Im Gegensatz zu Büchern sind Zeitschriften nicht nur schneller, sondern auch flexibler. Autoren können unverkrampfter schreiben, Experten in Interviews Meinungen oder persönliche Einschätzungen äußern, die in einem wissenschaftlichen Aufsatz vielleicht nicht gern gesehen werden. Projektmanager berichten, wie sie ihre Projekte zum Erfolg bringen - ohne dass dies gleich von empirischen Studien begleitet wird. Alles in allem, es geht eine Spur praktischer zu. Immerhin gelten über 90 Prozent der Leser der projektManagement aktuell als Praktiker. Sie brauchen praktische Handreichungen - keine theoretischen Aufsätze. „Theorie lassen wir natürlich auch zu, aber der Schwerpunkt auf der Praxis wird von unseren Lesern honoriert“, sagt Heinz Schelle, „unser Erfolgsrezept besteht meiner Meinung nach darin, wissenschaftliche Forschungsergebnisse verständlich und für die Praxis anwendbar zu machen.“ Die Checklisten sind dafür ein gutes Beispiel. Seit vielen Jahren bieten sie komprimiertes Praxiswissen. Der Leser kann sie leicht aus dem Heft herausnehmen. Das wird gelobt. Bei alledem prägen Chefredakteure die inhaltliche Linie eines Magazins. Sie sind die Kapitäne auf der Brücke einer Redaktion. Sie bahnen neuen Themen den Weg, erkennen Entwicklungen, setzen Schwerpunkte und entscheiden über Veröffentlichungen. Der Chefredakteur ist der, der in der Redaktion das letzte Wort hat. Heinz Schelle hat diese Aufgabe auf eine einfache Formel gebracht: „Ich trenne die Spreu vom Weizen.“ Damit verbindet er nicht nur einen kritischen Blick für Themen, sondern auch eine sanfte Form von Diplomatie. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich nicht publikationswürdige Manuskripte. Damit waren immer Ablehnungen verbunden: E-Mails, Telefonate, Briefe. Und eine stichhaltige Begründung. Gemeinsam mit Prof. Hasso Reschke entwickelte Prof. Heinz Schelle das PM Forum. Foto: privat Die Begründung fällt leicht, wenn erst kürzlich zu dem Thema des angebotenen Manuskripts berichtet wurde. Einige Texte sind - vom Standpunkt des Projektmanagers - zu abseitig. Schwierig wird es bei Manuskripten, die unverhohlen als „Success-Stories“ daherkommen und nicht einmal von Fachleuten selbst geschrieben werden, sondern von PR-Agenturen. Berichte, die Projekte über den grünen Klee loben und Lesern weismachen, dass es bei dem beschriebenen Vorhaben kein Risiko, keinen Verzug, keine Panne und keine Streitigkeit gab. „Erfolgsstorys“, wie sie das Leben eben nicht schreibt. Auch bei diesen Werbegeschichten wahrt Heinz Schelle die Contenance. „Wenn ich Artikel ablehne, versuche ich meine Entscheidung nachvollziehbar zu begründen“, sagt er, „man möchte ja den Verfasser nicht kränken.“ Das heißt, den Schreibern die Entscheidung genau, bestimmt und ehrlich erklären. Um den heißen Brei herumreden führt da nicht weiter. So weit die Spreu. Und der Weizen? „Die Beiträge ausgewiesener Experten waren eine Freude für mich“, sagt Heinz Schelle, „Angebote dieser Fachleute kann man fast unbesehen nehmen. Bei bestimmten Autoren haben wir in der Redaktion nicht lange geredet.“ 06 IN EIGENER SACHE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Ähnliches gilt auch für Trends. Vieles, was heute im Projektmanagement diskutiert wird, hat auch morgen Bestand. Manches aber auch nicht. Heinz Schelle versuchte, Trends frühzeitig zu erkennen und darauf aufmerksam zu machen. „Ob uns dies immer gelungen ist, weiß ich nicht“, sagt er. Was für ihn ebenfalls wichtig war: Berichte über die Arbeit der GPM. „Wir haben gezeigt, wo die GPM vorne ist mit ihren Projekten und Boden für das Projektmanagement gewinnt“, sagt Heinz Schelle. Da schwingt Zufriedenheit über die Arbeit der GPM mit, auch die Freude, selbst einer der Gründerväter der GPM zu sein. Prof. Heinz Schelle gehört zum „Urgestein“ der GPM, zu den Wegbereitern und Gestaltern des Verbands. An einem heißen, sonnigen Julitag im Jahr 1979 unterzeichnete er zusammen mit 19 weiteren Projektmanagern die Gründungsurkunde der GPM. Prof. Hasso Reschke war einer dieser Kollegen. 1983 - sechs Jahre vor Gründung der Zeitschrift - taten sich Heinz Schelle und Hasso Reschke zusammen, um das Deutsche Projektmanagement Forum zu gründen, das damals noch Jahrestagung hieß. „Heinz Schelle übernahm die inhaltliche Gestaltung dieser Jahrestagung, ich die organisatorische Vorbereitung“, sagte mir Hasso Reschke vor einigen Jahren, „diese konstruktive Zusammenarbeit hat sich über die Jahre bewährt.“ Inwiefern bewährt? „Heinz Schelle verfügt über ein breites Wissen zum Thema Projektmanagement, er ist ein wissenschaftlich akribischer Mensch und zudem sehr belesen“, antwortete Prof. Hasso Reschke. Ihm selbst liege mehr das Organisatorische, die Vorbereitung, das Projektmanagement der Veranstaltung. Diese Rolle des „Spiritus Rector“ nahm Heinz Schelle gerne an. Sie hat ihn fortan in der GPM begleitet und führte ihn 1989 zur Position des Chefredakteurs. Die „Jahrestagung“ in Würzburg war aus dem Stand heraus ein voller Erfolg dieser Arbeitsteilung. 150 Besucher kamen auf die Festung Marienburg; die GPM hatte damals gerade einmal 200 Mitglieder. Hasso Reschke und Heinz Schelle wurden schnell zum eingeschworenen Team, als Vorstände, Treiber und Promotoren des Projektmanagements. Sie entwickelten eine tiefe Freundschaft, die die beiden GPM Ehrenvorsitzenden bis heute verbindet. „Wir haben damals schnell Entscheidungen herbeigeführt, das war unser Erfolgsgeheimnis“, sagte Hasso Reschke, „Heinz Schelle ist sehr verlässlich in der Zusammenarbeit.“ Solche Verlässlichkeit fordert Heinz Schelle nicht nur von sich. Er erwartet sie auch von anderen: von seinem Redaktionsteam, von Autoren, Partnern in Projektkreisen oder Ausschüssen. Autoren lässt er „lange Leine“. Nicht immer teilt er ihre Fachmeinung. Manche Ideen hält er für Unsinn. Doch er toleriert andere Ansichten und lässt sie gelten - solange die Autoren ihn davon überzeugen, dass sie zuverlässig und sorgfältig arbeiten. Und da beginnt für ihn das Problem. Mangelhafte wissenschaftliche Literaturkenntnis. Und damit sind wir wieder bei den Büchern. Heinz Schelle zollt all den Fachartikeln, Interviews, Kongressberichten, Kolumnen und Checklisten Respekt, die in der Zeitschrift erschienen sind. Doch das, was ihn am meisten fasziniert hat, waren die Projektmanagementbücher. Er freute sich, wenn er eine wohlwollende Rezension schreiben, eine Empfehlung aussprechen oder gar eine Pflichtlektüre ausrufen konnte („Das müsst ihr lesen! “). Projektmanagementbücher haben wenig Promotoren. Manchmal empfehlen Leser Bücher an Kollegen, legen Professoren ihren Studenten Bücher ans Herz. Doch Büchern einen Push geben - das können allein Medien. „Es war mir immer ein Anliegen und eine Genugtuung, an der Verbreitung guter Bücher mitzuwirken“, sagt Heinz Schelle. Doch weshalb hat er so viele unverhohlen verrissen? „Weil sie schlecht waren“, antwortet er. Verrisse haben ihm ebenfalls ein gewisses Vergnügen bereitet (wenngleich keine Genugtuung) - besonders, wenn sie von Autoren stammten, „die meinten, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen“, wie er sagt. Langsam! Weshalb können PM-Bücher so missraten? „Da gibt es viele Gründe“, erklärt Heinz Schelle, „ein Grund ist, dass die Autoren selbst zu wenig lesen.“ Sie nehmen die Literatur nicht zur Kenntnis. Er gibt das Zitat eines Kollegen zum Besten: „Kreativität ist mangelnde Literaturkenntnis.“ Mangelhafte Literaturkenntnis kam Heinz Schelle zuhauf unter. Autoren gaben angeblich „neue“ Methoden des Projektmanagements als ihre Erfindung aus. „Dabei ist darüber schon vor zehn Jahren geschrieben worden“, ärgert er sich. Einmal wollte ihm jemand ein Manuskript als „Bahnbrechendes“ über Abwei- Prof. Heinz Schelle auf einer Veranstaltung der GPM; Foto: Oliver Steeger IN EIGENER SACHE 07 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 chungsanalysen verkaufen. „Das ist doch eine uralte Sache“, schimpft er. Dies klingt, als habe die Qualität der PM-Fachliteratur in letzter Zeit gelitten. Hat sie aber nicht, wie er mir versichert. Die Sache ist die: Heute erscheinen viel mehr Bücher über Projektmanagement als vor 20 Jahren. Damit wächst auch die Zahl der schlechten Bücher. In den vergangenen Jahren haben sich einige Untugenden eingebürgert, die Heinz Schelle wirklich ärgern. Eine davon: Autoren halten sich nicht an die Regeln des wissenschaftlichen Zitierens. Einige sind in dieser Hinsicht unzuverlässig, fast schlampig. Heinz Schelle sagt: „Ordentlich und verlässlich zitieren heißt zunächst, dass man überhaupt Literatur zur Kenntnis nimmt, richtig wiedergibt und dann diese Zitate auch korrekt belegt. Das heißt, man unterschlägt kein Zitat. Und man gibt an, in welchem Buch oder Artikel man es gefunden hat: mit dem korrekten Titel, dem Namen des Verfassers, dem Erscheinungsdatum des Buchs und der entsprechenden Seite. Beispielsweise nicht einfach sagen: Teamentwicklung nach dem oder dem Urheber, sondern - zusätzlich zum Namen - auch alle anderen bibliografischen Daten angeben.“ Er kenne erfolgreiche Bücher, die mehrfach Auflagen erlebt haben und viel empfohlen wurden, obwohl sie in dieser Hinsicht kaum etwas taugen. Ich wende ein: Praktiker könnten dies anders sehen. Für einen Praktiker ist es zweitrangig, wer welche Methoden erstmals beschrieben hat. Hauptsache, die Empfehlungen funktionieren in der Praxis! „Nein, ganz so einfach ist das nicht! “, hält Heinz Schelle prompt dagegen. Seit Jahren bemüht sich die GPM um die Kooperation mit Hochschulen, darum, dass Projektmanagement in größerem Umfang Zugang zu Hochschulen erhält und dort mehr gelehrt wird. Heinz Schelle hatte selbst an der Universität der Bundeswehr eine Professur für Projektmanagement. Sie war über viele Jahrzehnte die einzige in Deutschland; Heinz Schelle meint, dass es heute noch immer zu wenige Lehrstühle speziell für Projektmanagement gäbe, was sich gerade aber ändert, zum Glück, auch dank der GPM Fachgruppe für Hochschulen, geleitet von Prof. Harald Wehnes. „Wollen wir für Projektmanagement noch mehr an Hochschulen erreichen, so müssen wir auch die handwerklichen Mindestbedingungen für wissenschaftliche Literatur einhalten“, argumentiert Heinz Schelle. Dazu gehört eben auch zuverlässiges wissenschaftliches Arbeiten. Anderenfalls wird Projektmanagement an Hochschulen nicht ernst genommen. Da klingt diese Akzeptanzfrage durch, die Heinz Schelle ein Berufsleben lang begleitet hat. Er erinnert sich sehr gut daran, dass in der Wirtschaft wegwerfend über Projektmanagement geredet wurde. Dass später Projektmanagement zähneknirschend zwar als Planungsansatz akzeptiert wurde, aber nicht als Ansatz für Führung und Organisation. Diese Zeit war mühsam für ihn - zumal er schon vor 50 Jahren die Chancen des Projektmanagements (oder der Netzplantechnik, wie man damals auch sagte) erkannt hatte. Damals war er interner Unternehmensberater bei Siemens. Zusammen mit zwei Vorgesetzten schrieb er zwei Bücher (über Kapazitätsplanung und Kostenplanung und -verfolgung mit Netzplantechnik). Er saß in einem Arbeitskreis für Rüstungsprojekte. Das Verteidigungsministerium wollte diese Vorhaben nach den Regeln des damaligen Projektmanagements abgewickelt sehen. Die Industrie sträubte sich mit Händen und Füßen. „Die wollten sich damals überhaupt nicht mit Projektmanagement befassen“, sagt Heinz Schelle, „das war ein langer Weg, bis man uns Predigern überhaupt einmal Gehör schenkte.“ Damit schließt sich der Kreis zur Gegenwart und zu den Hochschulen. „Die Hochschulen, vor allem die Fachhochschulen, hören uns seit einiger Zeit zu“, sagt er. Die GPM solle diese Chancen nicht vertun durch Literatur, die den wissenschaftlichen Mindeststandard verfehlt. „Heinz Schelle hat Brücken zwischen der Wissenschaft und der Praxis gebaut“, schrieb GPM Präsident Prof. Helmut Klausing zu Heinz Schelles 80. Geburtstag im vergangenen Jahr. Auf diesen Brücken seien viele neue Ideen und Themen zum Projektmanagement in die Diskussion gekommen. Und weiter: „Jemand hat Heinz Schelle einmal einen Katalysator zum Projektmanagement genannt. Da ist was dran! “ Befragt nach den für ihn interessantesten Meilensteinen im Projektmanagement, nennt Heinz Schelle die GPM selbst. „Am wichtigsten fand ich die Etablierung und das Wachstum unseres Verbands“, sagt er, „dies hätten wir uns bei der Vereinsgründung vor 40 Jahren nie träumen lassen.“ In seinen kühnsten Träumen erhoffte sich Roland Gutsch, der erste Vorsitzende, 1.000 Mitglieder für die GPM. Gutsch, als Visionär bekannt, erntete freundliches Kopfschütteln. Unmöglich! Wunschtraum! Doch der Verband wuchs, und mit ihm entstanden weitere Visionen. Die Zertifizierung ist ein gutes Beispiel dafür, meint Heinz Schelle. Einige GPM Mitglieder hatten die Chancen der Zertifizierung erkannt - Chancen sowohl für das Projektmanagement als auch für den Verband. Sie setzten sich gegen Widerstände durch. „Das“, sagt Heinz Schelle, „hat mich sehr beeindruckt.“ Ich lenke unser Gespräch zurück zum Projektmanagement. Welche Meilensteine, frage ich, haben ihn bei der Entwicklung des Projektmanagements beeindruckt? Was war wichtig? Heinz Schelle denkt kurz nach. Dann: Ihn hat gefreut, dass das Projektmanagement von den Organisationspsychologen entdeckt wurde. Prof. Lutz von Rosenstiel hat mit seinen Schülern viel Neues in die Diskussion gebracht und Wissenslücken geschlossen. Dies war alles andere als selbstverständlich; der Kreis um diesen Experten steht international im besten Ruf. „Wir kamen in Verbindung mit ihnen und führten Interviews“, sagt Heinz Schelle, „das war damals eine kleine Sensation für uns in der Redaktion.“ Heute ist Organisationspsychologie ein eher stiller See in der Fachdiskussion. Agiles Projektmanagement hat sich in den vergangenen Jahren zum Trendthema entwickelt. „Das geht mir ziemlich auf die Nerven“, sagt Heinz Schelle, eher überdrüssig als wirklich verärgert. Natürlich, einige ernst zu nehmende Experten setzen sich derzeit sorgfältig und distanziert mit Agilität auseinander. Und die agile Vorgehensweise ist ja an sich nicht schlecht. Heinz Schelle missbilligt nur den distanzlosen Hype um dieses Thema, der vorgibt, Agiles sei der Königsweg für jedes Der erste Begleitband des PM Forums aus dem Jahr 1983 08 IN EIGENER SACHE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Projekt. „Ich weiß nicht, wie man etwa eine Meerwasser-Entsalzungsanlage agil entwickeln und bauen wollte“, sagt er, „wir brauchen eine kritische Distanz und sollten nicht alles glauben, was man uns als Heilslehre verkaufen will.“ Bei der nächsten Frage zögere ich ein wenig. Sie ist persönlich. Ich hole etwas aus. Projektmanagement ist ein globales Geschäft. Viele Projektmanager sind in der Welt herumgekommen. Lebten sie nicht aus dem Koffer, so zumindest aus Umzugskisten. Anders Heinz Schelle. Zeit seines Lebens lebte er in Oberau. Das war ihm mehr als ein Wohnsitz. Oberau ist ihm Heimat. „Weshalb hat es dich nie in die Welt hinausgezogen? “, frage ich. Seine Antwort ist kurz. „Das kannst du bei Johannes Aventinus nachlesen, einem bayrischen Historiker der Renaissance. Er schrieb: ,Das bairisch Volk … bleibt gern daheim, reist nit vast aus in fremde Land, …‘“. Ich warte. Kommt da noch eine Erläuterung? Ja, auf Latein. „Extra Bavariam non est vita et si est vita non est ita.“ Aha. Und? Dieses Lateinzitat ist zu lesen an einem malerischen bayrischen Schlösschen. Sinngemäß heißt es: Außerhalb von Bayern kann man eigentlich gar nicht leben. Laut Wikipedia hat Oberau 3.300 Einwohner, liegt in einem Alpental, wurde um 750 erstmals urkundlich erwähnt, war bis 1802 bayrischer Grenzort zum Hochstift Freising und hat, als kleinste Gemeinde Deutschlands, einen eigenen ICE-Bahnhof, der von den weißen Schnellzügen nur am Wochenende angefahren wird. Für diejenigen, die der GPM besonders lange nahestehen, hat Oberau einen gewissen Klang. Gemessen an der Einwohnerzahl habe der kleine Ort Deutschlands die höchste Dichte an GPM Mitgliedern, sagt Heinz Schelle - exakt zwei Mitglieder, also ein Mitglied auf 1.500 Einwohner. Mit seinem augenzwinkernden Humor hat Heinz Schelle dieses Faktum vielfach genutzt, um seine Heimat bei seinen GPM Freunden ins rechte Licht zu rücken. Menschen, denen sich Heinz Schelle zugetan fühlt, lädt er nach Oberau ein und führt sie sachkundig durch seine Heimat. Da wechselt das Thema vom Projektmanagement schnell zur Heimatgeschichte. Heinz Schelle versteht es glänzend, die Vergangenheit lebendig zu machen. In seinen Erzählungen treten die Bauernfamilien auf, die Handwerker, Flößer und Fuhrleute. Mikrogeschichte nennt sich dieses Interesse an den einfachen Menschen. Gelegentlich zitiert Heinz Schelle den Philosophen Sir Karl R. Popper, den er so schätzt: „Das Leben des vergessenen, des unbekannten, individuellen Menschen, seine Trauer, seine Freude, seine Leiden und sein Tod - sie sind der wirkliche Gehalt der menschlichen Erfahrungen durch alle Zeiten.“ (Popper, Karl R.: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band II. Tübingen 2003, S. 319) Heinz Schelle erzählt plastisch, greifbar, lebensecht, volksnah. Da bekommen die vergessenen, unbekannten Menschen, die Popper vorschwebten, mit einem Mal Farbe, Ausdruck und Bewegung; sie rühren den Zuhörer an. Er zaubert eine andere Welt in die Fantasie seiner Zuhörer. Da Im Gespräch mit Vereinskollegen; Foto: Oliver Steeger IN EIGENER SACHE 09 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 sind beispielsweise die Flößer, die über die Loisach Holz und Gipsstein nach München oder Wien brachten. Da sind die Züge von Gefangenen und Verurteilten, die, zu Galeerensklaven verdammt, durch Oberau zogen. „Wenn man in der frühen Neuzeit in Augsburg einen Menschen besonders grausam verurteilen wollte, verkaufte man ihn als Sklaven an die venezianischen Galeeren“, hat Heinz Schelle Urkunden und anderen Aufzeichnungen entnommen. Durch Oberau führte die Straße von Augsburg nach Venedig, und so beobachteten die hier lebenden Bauern furchtsam, wie Konvois von Elenden ihren Ort passierten. „Für die Verurteilten muss dies schlimmer gewesen sein als die Verurteilung zum Tode“, meint Heinz Schelle. Als Historiker hat er sich im Zugspitzland, seiner Heimat, einen guten Namen gemacht. Man lauscht aber dem Geschichtenerzähler, dem Chronisten und Schreiber. Die lokalen Blätter loben seine Bücher und schreiben über seine lokalhistorischen Vorträge. Sie berichten auch über den bestens akzeptierten Schülerwettbewerb „Jugend engagiert sich“, den er mit seinen Kiwanis-Freunden begründet hat und seit sechs Jahren voranbringt. Die besten Sozialprojekte von Schülern werden prämiert; Projektmanagement nach dem GPM System „PM macht Schule“ ist dabei selbstverständlich. Die Zeitungen schreiben auch Persönliches über ihn und berichten, wie seine Frau ihn seit 37 Jahren unterstützt, ihm „den Rücken freihält“ und etwa Druckfahnen Korrektur gelesen hat. Aber - als Projektmanagementexperte kennt man Heinz Schelle in seiner Heimat kaum. Seine Arbeit als Chefredakteur und Projektmanagementexperte war der Lokalpresse allenfalls eine Fußnote wert. Heinz Schelles erstes Buch über die Geschichte Oberaus erschien 1982, „Das goldene Au“ ist der Titel. Auch danach verbrachte er Tage in Archiven, las Urkunden, Briefe und Tagebücher. Dann fiel ihm die Chronik der Bauernfamilie Daisenberger in die Hände, Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert. Diese Tagebücher waren etwas Besonderes. Erstaunlich genug, dass Bauersleute in dieser Zeit überhaupt des Lesens und Schreibens mächtig waren. Und ein Glücksfall, dass diese Aufzeichnungen einer Familie aus Oberau entstammten, die über zwei Generationen alles aufschrieb, was ihr bemerkenswert in diesem Winkel der Welt erschien. Heinz Schelle verarbeitete das Fundstück zu einem eigenen Buch, „Chronik eines Bauernlebens vor 200 Jahren“, ein lokalhistorischer Bestseller, der sich über 20.000 Mal verkaufte. Heinz Schelle hat das, was nur wenige Historiker heute haben: Mitgefühl für die Menschen der Vergangenheit. Hinter der Geschichte sieht er den einzelnen Menschen - und häufig den ein- Prof. Heinz Schelle gilt als talentierter Erzähler und Schreiber. Foto: privat 10 IN EIGENER SACHE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 fachen Menschen, von dem meistens nur der Schriftzug seines Namens in Kirchenbüchern geblieben ist. Auf dem Gymnasium war er an Geschichte wenig interessiert; die Lehrstunden über Könige und Kaiser, Siege und Niederlagen sprachen ihn kaum an. „Da ging es um Dynastien und Kriege, das war nichts für mich“, sagt er. Noch jung merkte er aber, dass es einen anderen Zugang zur Geschichte gab - nämlich den über die einfachen Menschen. Geschichte quasi „von unten“ her. Die Wärme, die Heinz Schelle den einfachen Menschen der Historie entgegenbringt, kommt nicht ohne Grund. Seine Familie war seitens des Vaters und der Mutter selbst eine Bauernfamilie. Ihre Geschichte reicht 500 Jahre zurück. „Ich bin der Erste, der nach all dieser Zeit aus der Tradition ausgebrochen ist“, sagt er. Was er außerhalb von Oberau machte, blieb vielen in seiner Heimat fremd. Als er seiner damals bereits hochbetagten Mutter mitteilte, er werde für einen Lehrauftrag zur TU Berlin reisen, gab sie ungläubig zurück: „Nach Berlin fahrst? Da werdens grad einen aus Oberau brauchen! “ Er habe eigentlich nichts anderes gelernt als zu schreiben, so zitierte ihn unlängst eine Lokalreporterin. Das ist doch überspitzt, oder? „Nein, das habe ich so gesagt“, erwidert er, „ich weiß natürlich nicht, ob ich wirklich gut schreibe.“ Jedenfalls schreibe er gerne, es mache ihm viel Freude. Für das Buch über das Daisenberger’sche Bauernleben forschte und schrieb er 16 Jahre. Weitere Bücher folgten, eines mit dem Titel „Aus dem Leben eines Vergessenen“, das das Leben des Oberauer Bauern Gregory Mayr (etwa 1590 bis 1656) beschreibt. Pest, 30-jähriger Krieg, Inflation, Hexenverbrennung, die kleine Eiszeit - all dies spiegelt sich in der kleinen Welt dieses Mannes wider. Heinz Schelle ist überzeugt, dass sich das Leben der Menschen der Renaissance und der Barockzeit grundlegend von unserem heutigen unterscheidet. Gezeichnet von harter körperlicher Arbeit, häufig schlechter oder unzureichender Ernährung und Krankheiten mussten die Menschen der Vergangenheit oft vor allem eines, ständig physische Schmerzen ertragen. Der Schmerz gehörte zum Alltag. Das nehmen die Prof. Heinz Schelle mit Gattin Edeltraud; Foto: Hasso Reschke Menschen duldsam hin; ihre Hoffnungen richteten sich nicht auf die diesseitige Welt. „Die Menschen haben ihr Leben völlig anders gesehen, als wir unseres heute sehen“, sagte Heinz Schelle, „sie hatten eine andere Perspektive auf ihr Leben und eine andere Beziehung zu ihrem Alltag.“ Die Zeit hier auf der Erde galt ihnen als Übergangszeit. Diese Übergangszeit musste man aushalten - bevor einem dafür als Lohn die ewige Seligkeit winkte. Also haben die Menschen die Zähne zusammengebissen, gearbeitet und gebetet. Es lohnte sich nicht die diesseitige, die eigene Welt zum Besseren zu verändern. Die irdischen Wünsche der einfachen Menschen „waren halt nicht unbegrenzt“, wie Heinz Schelle sagt. Etwas zu essen, Kleidung auf dem Leib, ein Dach über den Kopf - darin erschöpfte sich das Wollen. Entsprechend ihre Haltung: War genug für den Tag verdient, warfen sie das Arbeitszeug zur Seite. In Oberau arbeiteten Fuhrleute. Hatten sie ein wenig verdient, brachen sie die Arbeit ab und kippten die Ladung ihrer Wagen an den Wegesrand. Waren die bescheidenen Bedürfnisse befriedigt, sank die Motivationskurve schnell. „Die kleinen Leute IN EIGENER SACHE 11 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 hatten keine Visionen oder Ziele, wie wir sie heute haben“, sagte Heinz Schelle. Das heißt, die Menschen fügten sich ihrem irdischen Schicksal? Gegenfrage: Was sollten sie anderes tun? Beispielsweise gab es praktisch keine ärztliche Hilfe, und einige Historiker sind überzeugt, dass die ärztliche Kunst der damaligen Zeit scharf an Scharlatanerie grenzte. Linderung haben die Menschen in Klöstern gefunden, durch pflanzliche Arzneien der Klosterapotheke oder durch Gebet und Wunderglauben. Heinz Schelle hat sich über längere Zeit mit den Mirakelbüchern des nahe gelegenen Klosters Ettal befasst. In ihnen werden Wunder erzählt, die die Gläubigen der Mutter Gottes zuschrieben. Natürlich gab es Ausnahmen. Ein Vorfahre brachte es bis zum Rektor an der Universität in Salzburg, unterrichtete in orientalischen Sprachen und las französische Literaten im Original. Ausnahme auch die Fugger, die mächtige Handelsfamilie aus Augsburg, geschäftstüchtige Kaufleute mit durchaus scharfem Blick für diesseitige Annehmlichkeiten. „Die Fugger waren Kapitalisten reinsten Wassers und übrigens wohl auch gute Projektmanager“, sagt Heinz Schelle, „sie folgten einer eigenen Rationalität, sahen ihre Ziele auf dieser Welt und waren uns in ihrem Denken vergleichbar.“ Doch bildeten sie eine zwar mächtige, doch zahlenmäßig unbedeutende Schicht in der Bevölkerung - verglichen mit den präkapitalistischen Bauern, die nicht auf Maximierung ihres Gewinns aus waren. Solche Kontraste zu unserer heutigen Welt faszinieren Heinz Schelle. Mit Neugierde und wachem Blick taucht er in diese fremde Welt ein und folgt den Spuren des individuellen Lebens. Eines seiner Lieblingsbücher (Beck, R.: Unterfinning. H. C. Beck, München 1994) beschreibt in einer unglaublich detaillierten Mikroanalyse die Art und Weise, wie achtsam die Menschen mit Prof. Heinz Schelle schrieb einen Bestseller der Heimatgeschichte. der Natur und den knappen Ressourcen umgegangen sind. Er las viel über das, was wir heute Umweltschutz und Nachhaltigkeit nennen würden. Damals ein Kampf gegen Dürre, Kälte, schlechte Ernten und Hunger. Es heißt, wer die Geschichte eines Volks kennt, kennt auch seine Mentalität. Ich frage Heinz Schelle, was Projektmanager von der bayerischen Mentalität lernen können. Er ist etwas ratlos. Vielleicht mehr Gelassenheit und Humor. Und da ist noch etwas, was man Bayern nachsagt: Sie nehmen den Dingen die Schärfe. Sie versuchen, die Sprache im Zaum zu halten, milde Worte zu wählen, nichts zu dramatisieren oder heroisieren. Sie hängen alles ein wenig niedriger. So heißt der Herzinfarkt fast heiter Herzkasperl, wie mir Heinz Schelle erzählt. Den Schlaganfall kennt man in seiner Heimat als Schlagerl und den Tod nahezu anheimelnd als Boandlkramer. Dies mag der Grund sein, weshalb Heinz Schelle den markigen Worten, die im Projektmanagement manchmal verwendet werden, wenig Sympathie entgegenbringt. Besonders, wenn es um Metaphern aus der Bergwelt geht, in der er lebt. Man spürt, dass er sie übertrieben findet. Gibt es denn ein alpines Bonmot, das sich für das Projektmanagement eignet? Ein dem Bergsteiger Louis Trenker zugeschriebenes Zitat lässt Heinz Schelle gelten: „Zuerst muss man wissen, wo der Berg steht.“ Nicht dass er die Metapher besonders originell findet. Aber sie gibt eine wichtige Grundregel im Projektmanagement wieder: Formuliere deine Ziele! Haftungsausschluss Die Inhalte dieser Zeitschrift werden von Verlag, Herausgeber und Autoren nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet und zusammengestellt. Eine rechtliche Gewähr für die Richtigkeit der einzelnen Angaben kann jedoch nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für die Websites, auf die verwiesen wird. Es wird betont, dass wir keinerlei Einfluss auf die Inhalte und Formulierungen dieser Seiten haben und auch keine Verantwortung für sie übernehmen. Grundsätzlich gelten die Wortlaute der Gesetzestexte und Richtlinien sowie die einschlägige Rechtsprechung. 12 IN EIGENER SACHE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 40 Jahre GPM Die GPM feiert Jubiläum Frau Jahnke, was wünschen Sie der GPM zum 40-jährigen Vereinsbestehen? Ich wünsche der GPM für die Zukunft, dass sie all die Potenziale, über welche die Vereinsmitglieder und die Kolleginnen und Kollegen aus dem Hauptamt verfügen, ganz im Sinne unserer Werte und unserer Vision einsetzt. Dass die Beiträge von jedem und jeder wertgeschätzt werden und wir gemeinsam relevante Prozesse für die Zukunft gestalten und nicht nur konstruktiv mit bleibenden Unterschieden umgehen, sondern diese auch anerkennen und als Vielfalt und wichtige Ressource erleben. Welche Themen werden bei der Zukunftsgestaltung des Projektmanagements und der GPM Ihrer Meinung nach eine wichtige Rolle spielen? Projektgovernance und Projektmanagement können wesentlich dazu beitragen, den gesellschaftlichen Herausforderungen wie der digitalen Transformation, dem Klimawandel und den Folgen von Flucht und Vertreibung mit Verantwortung, Zielorientierung und Transparenz zu begegnen. Die methodeninhärente Offenheit im Projektmanagement, auch gegenüber unbekannten Menschen und neuartigen Aufgaben, kann helfen, der zunehmenden Komplexität - In den vergangenen 40 Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (GPM) einen maßgebenden Beitrag dazu geleistet, Projektmanagement aus einer Nische herauszuholen und zu dem zu machen, was es heute ist: eine ganzheitliche moderne Führungsmethode, die aus Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch immer mehr aus der Wissenschaft nicht mehr fortzudenken ist. Ihr Jubiläumsjahr feiert die GPM mit mehreren Aktionen, darunter die Online-Kampagne #40JahreGPM. In den drei Kategorien „Meilensteine“, „Zukunft gestalten“ und „Gesicht zeigen“ bietet die Kampagne spannende Einblicke in vereinsprägende Ereignisse, in die Vielfalt des Vereins und seiner Mitglieder und skizziert Zukunftsvisionen für die kommenden Jahre. Diesmal haben wir vor allem den Frauen eine Stimme gegeben. auf den unterschiedlichen Ebenen - in unserer Gesellschaft „anders“ zu begegnen. Dies geht nur mit offener Kommunikation und einem klaren Ziel, unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder, in einen gemeinsamen Dialog zum Wohle vieler zu treten. Auch brauchen wir in vielen Bereichen ein in Projekten verankertes Vorgehen für mehr „Lessons Learned“, um die Erfahrungen und Erkenntnisse der Vergangenheit in die Kommunikation und Gestaltung der Zukunft einbringen zu können. Ich beobachte, dass sich Projektmanagement immer weiter öffnet für Methoden, Ansätze und Theorien aus den unterschiedlichsten Disziplinen, wie der Sozialarbeit, der Soziologie und der Systemtheorie. Ich bin der Überzeugung, dass dies das Projektmanagement stärkt und es dadurch die Rahmenbedingungen für verantwortungsbewusste gesellschaftliche Veränderungen schaffen kann. 40 JAHRE GPM 13 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 GPM MITGLIEDER ZEIGEN ZUM JUBILÄUM GESICHT Ich bin gerade in diesem Jahr 30 Jahre GPM Mitglied! Das glaube ich selbst kaum! Meine Mitgliedschaft begann, als ich nach ein paar Jahren Selbstständigkeit mit meiner Informatik-Beratung angefangen habe, die Projekte meiner Kunden zu managen. In der Zeit war Projektmanagement noch in den „Kinderschuhen“ und ich suchte einen Rückhalt. Diesen habe ich auf jeden Fall bei der GPM gefunden. Damals konnte sich jeder ohne irgendeinen Nachweis Projektmanager nennen. Das hat mir oft in größeren internationalen Projekten Ärger bereitet. Als dann die PM-ZERT gegründet wurde, habe ich mich daher sofort zertifizieren lassen: Ich erwarb 1996 das Zertifikat Nr. 9 - es ist übrigens immer noch aktiv gültig und ich bin stolz darauf! 1999 gehörte ich dann nach den Gründungsvätern zu der ersten Welle der PM-ZERT-Assessoren und habe daran mitgearbeitet, das Zertifizierungssystem von ICB2 nach ICB3 aufzubauen. Bisher habe ich mehrere Hundert Projektmanager nach IPMA 4-L-C zertifiziert. Seit zehn Jahren arbeitete ich außerdem, neben meinen kommerziellen Projekten und der PM-Beratung, ehrenamtlich in IPMA Projekten an der Entwicklung und Weiterentwicklung der Projektmanagement-Standards. Eigentlich bin ich jetzt schon im „Ruhestand“. Aber gerade dadurch finde ich endlich genug Zeit, meine Leidenschaft - das Projektmanagement - weiter zu pflegen. Aktuell arbeite ich im IPMA Projektteam Agile Leadership und versuche, meine langjährige Erfahrung aus IT-Projekten einzubringen. In meiner Freizeit - wenn ich nicht gerade in irgendeinem Projektmanagement-Webmeeting oder -Webinar bin - bin ich eher ein Naturmensch. Skifahren, Bergwandern, neuerdings erste Versuche im Kite-Surfen und Urlaub mit dem Wohnmobil. Und Hundeerziehung: Nach drei preisgekrönten Dobermännern versuche ich mich jetzt gegen ein eigenwilliges Zwergpinscher-Mädchen durchzusetzen - das nimmt allerdings jeden Befehl eher als eine freundliche Empfehlung an. So bleibe ich nicht nur in Projekten agil. Dr. Bartsch-Beuerlein ist auch Mitglied des GPM Personalausschusses, Gründerin der GPM Regionalgruppe Bamberg/ Oberfranken und Mitglied der Regionalleitung. Des Weiteren ist sie PM-ZERT-Assessorin im Projektmanagement für Personen- und Beraterzertifizierung nach IPMA 4-L-C sowie für die Zertifizierung von Organisationen nach IPMA Delta. Frau Kratt, was wünschen Sie der GPM zum 40-jährigen Vereinsbestehen? Im Rahmen des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ leistet die GPM mit ihren Partnern und Fachgruppen einen wichtigen Beitrag dazu, die Kompetenz der Verwaltung, gute Projekte umzusetzen, zu stärken. Ich wünsche der GPM, dass sie diese Arbeit erfolgreich fortsetzt. Welche Themen werden bei der Zukunftsgestaltung des Projektmanagements und der GPM Ihrer Meinung nach eine wichtige Rolle spielen? Ein wichtiges Zukunftsthema ist die Stärkung der gemeinwohlorientierten Gestaltungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Eine gestaltungsfähige Verwaltung ist der beste Schutz vor dem Vertrauensverlust in demokratische Institutionen. Dazu braucht es angemessene Rahmenbedingungen, ausreichend Ressourcen und kompetente Menschen auf allen Ebenen. 14 40 JAHRE GPM projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Mein Name ist Guénola Langenberg und ich bin seit Mai 2015 GPM Mitglied. Seit 20 Jahren bin ich als Projektleiterin in der Automobilindustrie tätig, leite internationale Kundenprojekte sowie IT- und Innovationsprojekte. Außerdem habe ich in meinem Unternehmen das PMO gegründet, das sich auf die Optimierung der Prozesse in Projekten fokussiert. Ursprünglich bin ich GPM Mitglied geworden, um mein Know-how und mein Netzwerk im Projektmanagement zu erweitern. Doch im Herbst 2015 wurde ich innerhalb der Special Interest Group (SIG) PM-Expertinnen aktives Mitglied. Durch diese Arbeit haben sich mein Fokus und meine Beweggründe für die Mitgliedschaft erweitert. Als GPM Mitglied kann ich nicht nur stetig mein fachliches Know-how erweitern und auf ein wirklich weitreichendes Netzwerk von PM-Experten zugreifen, sondern mich auch persönlich weiterentwickeln. Heute engagiere ich mich dafür, Projektmanagement und im Besonderen Frauen im Projektmanagement zu stärken. Ich möchte zur Professionalisierung des PM beitragen und sichtbar machen, dass Projektmanage- Mein Name ist Bettina Langer und ich bin seit 1.11.2011 Mitglied der GPM. Nachdem ich einige Jahre als Teilnehmerin zu unterschiedlichen Themen in den GPM Regionalgruppen in Bielefeld, Dortmund und Kassel unterwegs war, haben mich die spannenden Themen und die interessanten Menschen immer ein Stück näher an die GPM herangeführt. Auch in kleineren Großstädten wie Paderborn gibt es durch die vielen Regionalgruppen immer spannende Events in der Umgebung. Mein aktives Engagement wurde durch die PM-Expertinnen entfacht und von da an Stück für Stück ausgebaut. Ich konnte mich immer frei entscheiden, was ich einbringen möchte und zu welchem Zeitpunkt ich mich neben meinem Berufsleben für die GPM engagieren wollte. Genau diese Möglichkeiten, etwas Neues kennenzulernen, ganz andere Dinge zu tun, über den Tellerrand zu schauen oder das Wissen aus dem eigenen Business dem Verband zur Verfügung zu stellen, motiviert mich dazu, aktiv dabei zu sein. Ich schätze den regionalen Austausch mit unseren Mitgliedern auf tollen Veranstaltungen ebenso wie den überregionalen Austausch mit der GPM Community auf Großveranstaltungen, wie sie z. B. vom GPM Hauptamt in Nürnberg organisiert werden. Heute bin ich Mitglied der Regionalgruppenleitung Bielefeld-OWL, Delegierte für NRW auf der ment ein anerkannter „Beruf“ ist und dieses Berufsbild besondere Fähigkeiten erfordert. Um diese Ziele voranzutreiben, habe ich mein Engagement intensiviert. Mittlerweile co-leite ich innerhalb der PM-Expertinnen die Arbeitsgruppe „Project Culture Day“. Unter dem Motto „Kultur gestalten - Das Beste zusammenbringen“ findet dazu am 20. September 2019 in Essen ein sehr interessantes Event statt. Daran teilnehmen können auch Nichtmitglieder. bundesweiten Delegiertenversammlung und engagiere mich gerne in meinem eigenen Berufsumfeld für die Ziele der GPM. Nach all den Jahren bin ich immer noch fasziniert davon, wie sich die GPM und das PM stetig verändern. Für mich ist die GPM Community: spannend, informativ, menschlich und immer „State of the Art“. Außerdem unterstütze ich innerhalb der PM-Expertinnen die Leiterinnen Sabine Hinners und Ingrid Mages bei den Vorbereitungen der Halbjahrestreffen, verfasse die Beiträge der PM-Expertinnen zum GPM Newsletter, habe zum vierten Mal die GPM bei der Women & Work vertreten und moderiere die XING-Gruppe der PM-Expertinnen. 40 JAHRE GPM 15 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 DIE GPM FEIERT JUBILÄUM - BEIM 7. ZUKUNFTSKONGRESS STAAT UND VERWALTUNG #40JahreGPM Hier könnte auch Ihr Beitrag stehen. Gestalten Sie Zukunft! Was wünschen Sie der GPM zum Jubiläumsjahr? Welche Themen spielen Ihrer Meinung nach für die Zukunft des Projektmanagements und auch für die der GPM eine wichtige Rolle? Zeigen Sie Gesicht! Das Angebot der GPM ist vielseitig - das spiegelt sich auch in der Vielfalt ihrer über 8.000 Mitglieder wider. Zum Jubiläumsjahr sind alle Mitglieder eingeladen, „Gesicht zu zeigen“, um die zahlreichen Facetten des Vereins, aber auch die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Netzwerks aufzuzeigen. Werden Sie Teil der Online-Kampagne unter 40Jahre@gpm-ipma.de. Das 40-jährige Vereinsbestehen der GPM wurde auch auf dem Zukunftskongress sichtbar, der Leitveranstaltung des Public Sectors für Digitalen Wandel, die Ende Mai in Berlin stattfand. Im Rahmen der Jubiläumskampagne haben wir Teilnehmende gefragt: „Wenn Sie an die Zukunft denken, welches Thema bewegt Sie besonders? “ Lesen Sie, welche Zukunftsgedanken die Teilnehmenden via Foto-Box mitgeteilt haben. Weitere Beiträge finden Sie unter www.gpmipma.de/ jubilaeum/ zukunft_gestalten/ zukunftskongress. 16 40 JAHRE GPM projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Wetterexperte Sven Plöger, Keynote Speaker auf dem PM Forum im Oktober 97 Prozent der Experten sind sich einig: Der Klimawandel hat bereits begonnen, und er ist maßgeblich von uns Menschen verursacht. Wir müssen uns daranmachen, mit den Folgen umzugehen - und möglichen weiteren Wandel verhindern. Der Diplom-Meteorologe, Wettermoderator und Autor Sven Plöger hat sich über viele Jahre mit dem Klimawandel und der öffentlichen Diskussion darüber beschäftigt. Er sagt: „Panik machen hilft wenig, doch wir müssen schleunigst unser Verhalten ändern. Neben Verboten und Verzicht führt die Lust auf Wandel weiter. Lust machen kann man durch Projekte, in die sich die Menschen einbringen können.“ Der prominente Experte für Wetter und Klima ist Keynote Speaker auf dem „36. Internationalen PM Forum“ vom-22. bis 23. Oktober 2019-in Nürnberg.-Im Interview erklärt er den Hintergrund des Klimawandels, widerlegt die Argumente sogenannter „Klimawandelleugner“, erläutert Wege aus der „Klimafalle“ - und macht klar, weshalb man das Klima nicht mit dem Wetter verwechseln darf. Herr Plöger, die breite Resonanz auf die Friday-for-Future-Bewegung, Diskussionen um die CO 2 -Bepreisung, Wahlerfolge für grüne Parteien - in puncto Klimaschutz scheint gesellschaftlich etwas in Bewegung gekommen zu sein. Spüren auch Sie das wachsende Interesse am Klimaschutz? Durch Projekte Lust auf Klimaschutz machen Autor: Oliver Steeger Sven Plöger: Ja, mit Sicherheit. Die Europawahl hat gezeigt, wie die Bevölkerung über den Klimaschutz denkt und welche Priorität das Thema Klimawandel für sie hat. Sie hat die Probleme erkannt und sucht nach Lösungen. Dies lesen wir auch von stabilen Umfrageergebnissen zu diesem Thema ab. Für mich ist dies ein Erfolg und Lichtblick! Viele haben die Position der Wissenschaft zum Klimawandel verstanden und wissen, dass wir die Emission von CO 2 verringern müssen ... Trotzdem klingen Sie nicht ganz glücklich … Ich sehe da immer noch Widersprüche. Zum einen wissen viele, dass wir unseren Lebensstil verändern und zu neuen, klimafreundlichen Technologien kommen müssen. Zum anderen wächst in der Automobilindustrie das Segment der SUVs am stärksten. Es werden schwere und besonders spritschluckende Fahrzeuge nachgefragt. Da befinden wir uns offenbar noch in einem Konflikt. Wasser predigen, Wein trinken ... Wir müssen die Menschen zum Handeln bewegen, dies ist der springende Punkt. Zum einen müssen wir uns an die klimatischen Veränderungen anpassen, die wir heute bereits haben - also Anpassungen an Dürren, Hochwasser oder Hitzewellen. Zum anderen brauchen wir eine nachhaltige Strategie, CO 2 -Emissionen zu vermeiden. Dies heißt, dass wir weniger fossile Brennstoffe verbrennen und stattdessen alternative Energieträger suchen. Zur Kernenergie, namentlich die Kernspaltung, hat unser Land ja eine klare Mehrheitshaltung. Die Kernfusion - das macht die Sonne - können wir noch nicht nutzen. Wir können noch nicht mit 100 Millionen Grad heißem Plasma umgehen. Daher bleiben für uns im Augenblick nur die regenerativen Sven Plöger Sven Plöger präsentiert seit 1999 Hörfunk- und Fernsehwetterberichte-und ist den Zuschauern u. a. aus dem „Wetter im Ersten“ vor der Tagesschau und in den-Tagesthemen bekannt. Seit-vielen Jahren beteiligt sich der Diplom-Meteorologe und Autor intensiv an den Diskussionen zum Klimawandel. Seit 2015 moderiert er Dokumentarfilme für die ARD und den SWR.-Der Diplom-Meteorologe und Wettermoderator war schon als Kind fasziniert vom Himmel, von den Wolken und der Fliegerei. Er-studierte bis 1996 Meteorologie in Köln und nahm nach dem Diplom die Chance wahr, Meteorologie und Medien zu verknüpfen.-Live im Radio ist Sven Plöger seit 1996 zu hören - seit 1999 steht er vor der Kamera. Auch als Buchautor hat er sich einen Namen gemacht, u. a. mit dem Buch-„Gute Aussichten für morgen. Wie wir den Klimawandel für uns nutzen können“. Foto: Sebastian Knoth REPORTAGE 17 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Solch ein Unsinn wird zum Glück nur noch von wenigen behauptet. Der Fehler ist, dass man Wetter und Klima verwechselt. Aus Sicht der Klimaforschung ist eine Erwärmung um bereits ein Grad sehr viel - vor allem in dem äußerst kurzen Zeitraum von einhundert Jahren. Genau das ist geschehen. In den letzten Jahren haben wir durch unsere Emissionen die klimatische Durchschnittstemperatur um ein Grad angehoben. Ordnen wir Energien mit ihrer hohen Volatilität. Die müssen wir jetzt klug nutzen. HITZEWELLEN, DÜRREN, STARKREGEN Sie erhalten als deutschlandweit bekannter Meteorologe viele Zuschriften von Zuschauern und Lesern. Wie kommt es, dass sich Menschen plötzlich mehr mit dem Klimawandel befassen? Ich denke, dass wir alle die Auswirkungen des Wandels spüren. An die extreme Hitze 2003 können sich viele noch gut erinnern. Seither kommen solche Hitzewellen immer häufiger, im Sommer 2018 verbunden mit dramatischer Dürre und vielen Waldbränden. Und der Juni 2019? Er war der wärmste, den wir jemals gemessen haben. Im Osten Deutschlands war er sogar wärmer als jeder der Sommermonate Juni, Juli und August im Hitzejahr 2018. Hinzu kommt immer häufiger Starkregen, der zu Überflutungen und Verwüstungen geführt hat, leider auch mit Todesopfern. Da spüren die Menschen die Macht des Wetters. Am gefährlichsten und tödlichsten von all diesen Extrem-Wettereignissen sind übrigens die Hitzewellen. Die Hitzewelle 2003 hat in Europa zwischen 35.000 und 75.000 Menschen das Leben gekostet. Kein Sturm, keine Überschwemmung hat so viele Opfer gefordert! Die Bilder nach einem Hurrikan sind dramatisch und aufrüttelnd. Die Bilder einer Hitzewelle zeigen dagegen nur schönes Wetter. Die Bilder trügen und deshalb wird die Gefährlichkeit von Hitzewellen immer unterschätzt! So etwas hört man viel! Manche meinen, es sei doch ganz nett, wenn die Temperatur durch den Treibhauseffekt um zwei oder drei Grad steigt. Das bringt mildere Winter und schöneres Wetter im Sommer! Eigentlich doch ganz gut ... Abb. 1: Mehr und mehr Menschen erkennen die Gefahren durch den Klimawandel. Foto: ink drop - stock.adobe.com Abb. 2: Lang anhaltende Dürre führt zu verheerenden Waldbränden - längst auch in Europa! Foto: Brais Seara - stock.adobe.com 18 REPORTAGE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 diesen Wert einmal ein! Vor elftausend Jahren, während der Eiszeit, waren die Alpen mit einer 3.000 Meter dicken Eisschicht bedeckt. Nördlich der Alpen war nur Eis. Damals war es im Schnitt vier Grad kälter als heute. VIER GRAD - UND DIE WELT SAH VÖLLIG ANDERS AUS Nur vier Grad ...? ! ? Ja, binnen 11.000 Jahren ist die Durchschnittstemperatur um vier Grad gestiegen - und hat aus der Eiswüste eine blühende Welt gemacht. Die um vier Grad höhere Durchschnittstemperatur hat unsere Welt grundlegend verändert. Jetzt vergleichen Sie: vier Grad in 11.000 Jahren - und ein Grad in einhundert Jahren. Daran können Sie ermessen, auf was wir zusteuern. Nochmals zum Unterschied von Wetter und Klima. Wie darf ich mir diesen Unterschied genau vorstellen? Unter dem Begriff „Wetter“ verstehen wir das tägliche, wechselvolle Wettergeschehen, das wir erleben. Beim „Klima“ geht es aber um die Statistik des Wetters. Es wird über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren und über eine Region hinweg - bis hin zum globalen Klima - gemittelt. Um den Mittelwert des Klimas zu verändern, muss sich das dahinterliegende Wettergeschehen sehr, sehr stark verändern. Weshalb so stark verändern? Ich muss etwas ausholen, um dies zu erklären. Bitte! Treibhausgase wie CO 2 bewirken, dass durch die Sonne einstrahlende Energie in der Erdatmosphäre zurückgehalten wird. Gäbe es überhaupt keine Treibhausgase, hätten wir auf unserem Planeten etwa minus 18 Grad. Wir könnten hier nicht leben. Also - wir brauchen Treibhausgase. Sie tragen dazu bei, dass es auf der Erde im Schnitt rund 33 Grad wärmer ist. So kommen wir auf eine Durchschnittstemperatur von knapp 15 Grad. Treibhausgase sind also eigentlich nützlich .... Richtig. Unser Problem ist nur: Dadurch, dass wir fossile Stoffe verbrennen, bringen wir mehr Treibhausgase in die Atmosphäre. In einem Jahr verbrennen wir so viel fossile Energieträger, wie die Erde in einer Million Jahren „produziert“ hat. Wir verbrauchen zudem das 1,6-Fache der nachwachsenden Ressourcen. Anfang August haben wir die nachwachsenden Ressourcen für dieses Jahr komplett aufgebraucht. Wir leben also auf Kredit der Natur - und zahlen diesen Kredit nicht zurück. Dies führt dazu, dass wir zu viel Treibhausgase in der Atmosphäre haben, allen voran CO 2 . WETTEREXTREME DURCH EIN GRAD MEHR Wie kommt es, dass bereits eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um ein Grad zu solchen extremen Wetterereignissen führt? Die Erwärmung ist regional unterschiedlich. Über Wasser ist sie anders als über Land. Dort, wo Eis war oder dieses verschwindet, ist die Erwärmung besonders stark. Nun muss man wissen: Regionale Temperaturunterschiede werden durch das ausgeglichen, was wir Wetter nennen ... Die Unterschiede führen also zu alldem, von dem Sie im Wetterbericht sprechen - zu Hochdruckgebieten und Tiefdruckgebieten, Regenfronten, Hitzewellen und Dürren, Wind und Orkanen? Die Natur gleicht Energie aus - von zu viel Energie in Richtung zu wenig Energie. Je stärker die Unterschiede, desto stärker die Strömung. Verändert sich nun die regionale Energieverteilung durch den Klimawandel, verändert sich auch dieser Ausgleich - und damit auch unser Wetter ... Richtig! Und im Augenblick beschleunigt sich die Erwärmung dramatisch und so verändert sich die Energieverteilung dramatisch. Das heißt, wenn wir über den Klimawandel sprechen, müssen wir Klima und Wetter voneinander abgrenzen? Absolut! Das tägliche Wetter können wir fühlen, die Statistik nicht. Menschen richten sich stark nach ihrem Gefühl. Deshalb fällt es ihnen schwer, Klima und Wetter auseinanderhalten. Wir spüren es kaum, wenn das Wetter ein Grad kälter wird. Doch, klimatisch gesehen, ein Grad mehr Durchschnittstemperatur verändert das gefühlte und erlebte Wetter enorm. DYNAMIK IN DER ATMOSPHÄRE Verändert das Wetter enorm - zum Beispiel? Wird die Luft wärmer, so kann sie mehr Wasserdampf aufnehmen. Ein Grad mehr bedeutet sieben Prozent mehr Wasserdampf. Wenn der Wasserdampf - durchsichtig und geruchlos - einmal in der Luft ist, kann er zu Wolkentropfen kondensieren und dieser Prozess setzt Energie frei. Mehr Wasserdampf heißt auch intensiverer Regen. Ein Schauer in den Tropen demonstriert Ihnen schnell, was Starkregen heißt - und bei uns erleben wir das ja auch immer häufiger, oft sogar mit Hagel. Auf solche Starkregenereignisse sind wir in Europa bisher nicht ausreichend vorbereitet. Übrigens hat die Klimaforschung vor zwanzig, dreißig Jahren genau diese extremen Wettereignisse prognostiziert, die wir jetzt weltweit erleben. Wochenlang an Ort und Stelle stehende Hochs, aber auch Tiefs lassen das Wetter natürlich extremer werden - so wie 2018 durch die Dürre oder 2017 im Norden Deutschlands durch die Überflutungen. Auch die Folgen ließen sich daraus bereits ableiten, wie etwa das Absterben von Buchenwäldern. Für Sie kommen diese Ereignisse also nicht überraschend? Nein, für die Wissenschaft kommen die Ereignisse gar nicht überraschend. 97 Prozent der Wissenschaftler sind sich einig, dass der Klimawandel kommt beziehungsweise schon da ist und maßgeblich vom Menschen verursacht ist. Unter Wissenschaftlern gibt es da keine Debatte mehr. Diese Debatte gibt es leider noch in der öffentlichen Diskussion. LEUGNER DES KLIMAWANDELS Sie haben über viele Jahre mit Menschen diskutiert, die an den Klimawandel nicht glauben wollten … Da geht es nicht um Glauben. Der Klimawandel ist ein physikalischer Fakt! Wir reden über Tatsachen, die sich aus der Physik ergeben. Physik findet statt, egal, ob wir an sie „glauben“ oder nicht. Die Physik schert sich nicht um uns. Wenn wir nicht unser Verhalten ändern, dann wird sich das Wettergeschehen völlig emotionslos und gemäß den physikalischen Gesetzen verändern REPORTAGE 19 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Konkret, wo lohnt es sich anzusetzen? Sollen wir auf Flugreisen verzichten, wie so häufig gefordert wird? Es ist immer besser, wenn man elektrisch reist, etwa mit der Bahn. Und es stimmt, Fliegen ist schlecht für das Klima. Dennoch sollten wir das Fliegen sinnvoll einordnen. Die Fliegerei macht aktuell 2,7 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen von CO 2 aus. Bei gut ausgebuchten, modernen Flugzeugen liegt der Spritverbrauch bei unter 3 Litern je Person und 100 Kilometern. Verglichen mit dem Auto ist dies ein gar nicht mal schlechter Wert. Ich halte es für keine gute Idee, den Flugverkehr komplett zu verdammen. Moment! Flugzeuge bewegen sich in großer Höhe. Dort, in den oberen Schichten der Atmosphäre, soll die Wirkung von CO 2 und Kondensstreifen wesentlich größer und schlimmer sein … Ja, die Wirkung vergrößert sich etwa um den Faktor 1,2 bis 4,7. Dies muss man natürlich in die Rechnung mit einbeziehen. Trotzdem würde ich das Fliegen nicht gänzlich verdammen. Persönliche Begegnungen rund um die Welt sind wichtig, wenn die Menschheit global zusammenwachsen soll. Eine Chance sehe ich in Forschungs- und Entwicklungsprojekten etwa zu synthetischen Kraftstoffen, die den Ausstoß von Schadstoffen verringern. Und nochmals: Der größte Teil des schädlichen CO 2 werden nicht durch Flugzeuge emittiert, sondern woanders. HEIZEN UND KÜHLEN ALS ANSATZPUNKTE Wo hauptsächlich? Bei der Stromerzeugung durch Kohle und Gas. Beim Heizen und Kühlen, das sind ganz hervorstechende Einflussgrößen. Bedeutsam ist auch der Straßenverkehr. Besonders bei der Mobilität könnte die Politik jetzt klare Kante zeigen. Sie könnte den ÖPNV stark voranbringen, die Städte fahrradfreundlich umbauen - und versuchen den Autoverkehr aus der Stadt zu drängen. Kopenhagen ist da ein gutes Vorbild. Dänemark hat übrigens viel schlechtes Wetter. Die Leute fahren dort nicht Rad, weil sie die Sonne genießen wollen - sondern weil sie sich an die neuen Verhältnisse gewöhnt haben. Sie sagten eben, dass das Heizen und das Kühlen eine wichtige Einflussgröße sind? Sie sagten, dass die Argumente der Kritiker besonders bei Laien verfangen. Weshalb? Die Argumente scheinen auf den ersten Blick leicht verständlich, plausibel - und glaubhaft. Es wird gesagt, dass nicht der Mensch für den Wandel verantwortlich ist. Es handele sich um ein natürliches Geschehen, gegen das wir machtlos sind. Wie gesagt, 97 Prozent der Wissenschaftler halten diese Ansicht für blanken Unsinn. Doch in der Bevölkerung wird der Eindruck erweckt, dass der Einzelne keine Verantwortung trägt und sein Verhalten nicht zu ändern braucht. Spürbar ist aber, dass immer weniger Menschen dies glauben. Sie werden sich bewusst, dass solche erkennbaren Veränderungen beim Wettergeschehen nicht einfach „nur so aus Lust und Laune“ passieren. MEHR ALS NUR VERZICHT PREDIGEN Sprechen wir von der Verhaltensänderung. Wir alle werden auch verzichten müssen … Es ist richtig, dass wir unsere Art und Weise, wie wir Energie nutzen, verändern müssen. Dies hat unter anderem auch mit Verzicht zu tun. Ich warne allerdings davor, nur Verzicht zu predigen und allein auf Verbote zu setzen, so nehmen wir die Masse nicht mit. Aber wir benötigen klare Regeln für alle, wie wir Klimaschutz betreiben. Diese Regeln müssen klar bestimmen, was verboten, erlaubt oder erwünscht ist. Außerdem bringt es nichts, ständig nur schreckliche Bilder zu zeigen und Alarmismus zu betreiben. Wenn wir nur Angst machen, überfordert das Menschen eher; sie kommen zu dem Schluss, es sei eh zu spät, diese schier unmögliche Aufgabe zu lösen. Unser Verhalten wird sich nur ändern, wenn wir die Konsequenzen des Klimawandels am eigenen Leib zu spüren bekommen und diese Beobachtungen richtig einordnen: das Sterben der Buchenwälder, die Hitzewellen, den Starkregen, die Waldbrände vor der Tür … Dann stellt sich die Frage: Wie soll es erst in zehn Jahren aussehen, wenn wir heute schon so etwas erleben? Bei dieser Frage beginnen die Menschen nachzudenken. Dann muss die Politik den Mut haben, klare Entscheidungen zu treffen - was sie derzeit meiner Einschätzung nach noch nicht in ausreichendem Maße tut. Dass sogar Ordnungspolitik und Verbote nicht zwangsläufig Wählerstimmen kostet, dies zeigen ja die Erfolge der grünen Parteien. - und uns weltweit schnell an unsere Grenzen bringen. Bitte verstehen Sie mich richtig: Ich finde es gut, wenn Menschen sich kritisch mit der Wissenschaft auseinandersetzen und auch skeptische Fragen stellen. GEFÄHRLICHE EINWÄNDE Irgendwann sollte auch die Einsicht kommen, wenn man bereit ist, sich mit der Physik wirklich auseinanderzusetzen. Bei den hartnäckigen Leugnern passiert aber genau das nicht. Sie wiederholen vielmehr stets alte und längst widerlegte Scheinargumente. Den Wandel selbst weisen die Skeptiker heute nicht mehr zurück, dies wäre zu auffällig. Doch sie widersprechen der Tatsache, dass der Mensch für ihn verantwortlich ist. Ich habe über viele Jahre mit den Skeptikern und Leugnern diskutiert. 2016 habe ich beschlossen, die Diskussion mit ihnen aufzugeben. Das Diskutieren ist absolut sinnlos. Es geht dabei nicht um Inhalte und wissenschaftliche Erörterung. Es werden Einwände vorgetragen, die für den Laien vielleicht plausibel und überzeugend klingen - wissenschaftlich gesehen aber kompletter Unsinn sind. Die Leugner des Klimawandels behaupten beispielsweise, dass es schon immer Klimaschwankungen gegeben hat. Sie beziehen sich auf zyklische Sonnenaktivitäten, die mal mehr, mal weniger Energie zur Erde bringen. Was entgegnen Sie? Das ist solch ein Scheinargument. Die einstrahlende Sonnenenergie hat sich nämlich nicht verändert. Die Solarkonstante ist gleich geblieben und weist keinerlei langfristigen Trend auf. Richtig ist aber, dass wir bestimmte Zyklen der Sonne kennen, mit denen die sogenannten Sonnenflecken abnehmen und wieder zunehmen. Der „Schwabe-Zyklus“ beschreibt einen solchen Zyklus und sorgt für eine elfjährige Periode. Doch die Schwankung, von der wir hier sprechen, ist sehr gering. Sie beträgt nur 0,3 Watt pro Quadratmeter - einen Bruchteil der 237 Watt pro Quadratmeter, die unsere Atmosphäre und den Erdboden erreichen. Wie also soll diese geringfügige Änderung den so drastischen Klimawandel erklären? Und: Es handelt sich um eine Schwankung über elf Jahre. Demnach würde es bei uns alle elf Jahre etwas kälter und wärmer. Genau dies messen wir ja nicht. 20 REPORTAGE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Ja, insbesondere das Kühlen. Eine Kühlmaschine ist technisch gesehen eine Wärmepumpe. Beim Kühlen entzieht man mit Energieverbrauch einem Raum die Wärme und pustet die Wärme in die Umwelt. Was das Heizen betrifft: Bereits ein Grad weniger Raumtemperatur spart sechs Prozent Energie. Da stellt sich die Frage, ob das Schlafzimmer bei halb geöffnetem Fenster im Winter wirklich jeden Tag 23 Grad warm sein muss. Und denken Sie an die Stand-by-Geräte: Wir verschwenden jährlich 18 Milliarden Kilowattstunden Strom für Geräte, die gar nicht arbeiten, sondern nur auf „stand-by“ geschaltet sind. Bei diesen Dingen kann man gut ansetzen, sie durchdacht, mutig und mit Konsequenz verändern. Nur - ich muss den Menschen auch Lust auf diese Transformation machen. LUST AUF PROJEKTE ZUM KLIMASCHUTZ MACHEN Inwiefern Lust auf diese Transformation machen? Wie kann dies gelingen? Vielleicht kommen wir nicht ganz ohne Verbote und das Drehen an der Preisschraube aus. Das macht natürlich keine Lust ... Eben nicht! Deshalb meine Frage ... Lust machen könnte man durch Projekte, in die sich die Leute einbringen können. Also die Menschen an Projekten beteiligen. Es gibt in Deutschland viele Ideen und technologische Ansätze für diese Transformation. Viele Technologien, die wir heute haben, werden ja weiterentwickelt, beispielsweise Elektroautos. Heute werden sie mit Akkus betrieben, die morgen sicher von neuer Technologie abgelöst werden. Dann werden Argumente gegen Elektroautos, die heute vielleicht noch greifen, nicht mehr gelten. Deswegen ist es sinnvoll, diesen Bereich massiv auszubauen, denn so eine Infrastruktur muss ja erst mal wachsen. Auch wird man nochmals über die Brennstoffzelle nachdenken müssen. In Summe liegen da doch enorme Chancen für uns, vor allem auch wirtschaftlich. Es kommt nun darauf an, solche Ideen und Konzepte zügig in Projekte zu gießen. Sie sagen „zügig“. Wie viel Zeit bleibt uns dafür? Die Weltgemeinschaft hat beschlossen, dass wir die Erwärmung des Klimas auf unter zwei Grad halten. Ein Grad haben wir schon. Rein rechnerisch dürften wir nun weltweit noch insgesamt 720 Milliarden Tonnen CO 2 emittieren. Im Augenblick emittieren wir 36 Milliarden Tonnen jährlich - viel zu viel. Das heißt, wir haben noch 20 Jahre, um klimaneutral zu werden und eine Erwärmung von mehr als zwei Grad zu vermeiden. Dann würden wir ein Ziel von zwei Grad erreichen. Sie sagten, dass wir unter zwei Grad bleiben wollen … Ja. Insofern bin ich mit der Wissenschaft d’accord, dass uns noch 10 bis 15 Jahre bleiben. Allerdings nicht 10 bis 15 Jahre fürs Nichtstun und Weitermachen wie bisher! In dieser Zeit müssen wir uns intensiv um die Projekte kümmern und den Klimaschutz vorantreiben. Wenn wir so vorgehen, werden sich Erfolge einstellen. Da bin ich mir ziemlich sicher! Abb. 3: Projekte für alternative Energien helfen, das Klima zu schützen. Foto: elxeneize - stock.adobe.com Beilagen in diesem Heft • GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., PM Forum • GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., PMO Tag Wir bitten um Beachtung. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 21 Roland Gutsch Project Management Award 2019 gebiet. Mit einem großen Programm baut die Emschergenossenschaft diesen offenen Schmutzwasserlauf um und renaturiert ihn. Um was geht es in Ihrem Programm genau? Norbert Stratemeier: Es handelt sich um einen grundlegenden Emscher-Umbau, den die Emschergenossenschaft seit 1992 plant und umsetzt. Jedes Gewässer erhält ein unterirdisches Pendant. Durch dieses Pendant werden die Abwässer zu den Kläranlagen abgeleitet. Die ehemaligen Abwasserflüsse werden also unter die Erde verlegt, in riesige Kanäle, die das belastete Wasser abtransportieren? Richtig. Damit sind die oberirdischen Bäche bald abwasserfrei und können naturnah umgebaut werden. Das heißt konkret: Die alten Betonsohlschalen werden entfernt. Wir erweitern die Böschungen und gestalten sie vielseitiger. Dort, wo der Platz es zulässt, erhalten die einst technisch begradigten Flüsse wieder einen kurvenreicheren Verlauf. Die bisherige Meidezone wird dadurch erheblich aufgewertet. Meidezone - was ist damit gemeint? Das ist der Raum entlang der Emscher, der wegen Geruchsbelastung und der Gefahren entlang des Schmutzwasserlaufs über Jahrzehnte als besonders problematisch galt. Die Emscher wird quasi vom einstigen Hinterhof des Ruhrgebiets zum neuen Vorgarten. Im 19. und 20. Jahrhundert war die Emscher der Abwasserkanal einer Industrielandschaft, die durch Zechen und Stahlwerke binnen we- Die Emscher hatte weit über 100 Jahre keinen guten Ruf im Ruhrgebiet. Sie war der große Abwasserkanal für Menschen, Zechen und Fabriken - eine Kloake, der man besser nicht zu nahe kam. Dies hat sich geändert. Seit 1992 arbeitet die Emschergenossenschaft daran, den offenen Schmutzwasserlauf zu renaturieren. Sie ist weit gekommen mit diesem Generationenprojekt. Rund 360 Kilometer neuer unterirdischer Abwasserkanäle wurden bereits verlegt - die Voraussetzung für die naturnahe Umgestaltung der dann abwasserfreien Gewässer. „Über Tage“, wie man im Ruhrgebiet sagt, entsteht ein neuer lebendiger Fluss. Das rund 30 Jahre laufende Vorhaben zeigt seinen Erfolg nicht nur beim Naturschutz. Die Artenvielfalt im Wasser hat sich binnen weniger Jahre verdreifacht. Entlang des Flusses haben sich ganze Siedlungen neu entwickelt. Für dieses Vorzeigeprojekt „Emscher-Umbau“ ehrte die GPM jetzt Projektleiter Norbert Stratemeier (Emschergenossenschaft). Im Interview erläutert der Preisträger dieses weltweit einmaligen Projekts dessen Beitrag für den Schutz von Klima und Umwelt - und beantwortet die Frage, wie ein Projektleiter mit solch einer Lebensaufgabe umgeht. Wer im Ruhrgebiet geboren ist, dem ist die Emscher ein Begriff. Dieser Fluss mit seinen vielen Nebengewässern war für viele Jahrzehnte ein stinkender „Kanal“. Das Flusssystem hat die Abwässer aus dem Ruhrgebiet abgeleitet, bevor sie gereinigt in den Rhein fließen - eine Art oberirdische Kanalisation für das Ruhr- Norbert Stratemeier Norbert Stratemeier (59) leitet den Geschäftsbereich Planung und Bau bei der Emschergenossenschaft und Lippeverband in Essen. Schwerpunkt der Arbeit bildet der Emscherumbau und das Umbauprogram lebendige Lippe neben umfangreichen Reinvestitionen. Die Projektarbeit ist das Herzstück zur Umsetzung der vielfältigen Aufgaben. Ein internes Ingenieurbüro sichert das Know-how und die Qualitätssicherung, ein Multiprojektcontrolling die Organisation von hunderten von Projekten. Kontakt: stratemeier.norbert@eglv.de Projektteam des Emscher-Umbaus ausgezeichnet Autoren: Heike Kratt und Oliver Steeger projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 22 REPORTAGE niger Jahrzehnte gewachsen war. Weshalb war es erforderlich, einen ehemals wohl malerischen Fluss als Abwasserkanal zu nutzen? Ohne die Nutzung der Emscher als offener Schmutzwasserlauf wäre das wirtschaftliche Wachstum des Reviers kaum denkbar gewesen. Die Fabriken und Zechen brauchten eine Abwasserentsorgung. UNTERIRDISCHE KANÄLE FRÜHER NICHT DENKBAR Man hätte unterirdische Kanäle bauen können für die Abwasserentsorgung ... Genau dies war nicht möglich. Der Bergbau verursachte Erdsenkungen im Ruhrgebiet. Deshalb waren solche unterirdischen Kanäle früher nicht denkbar. Sie wären bei Bergsenkungen beschädigt worden. Deshalb hat man die Emscher sowie ihre Nebenbäche als offene Schmutzwasserläufe verwendet. Man sagt hier: Die Ruhr gab dem Ruhrgebiet ihren Namen, die Emscher ließ ihr Leben für das Ruhrgebiet. So kann man die Bedeutung der Emscher als zentraler Fluss des Ruhrgebiets zusammenfassen. Dennoch brachte die Emscher Probleme mit sich. Welche waren dies? Anfangs, also im 19. Jahrhundert, hatte das ganze Emscher-System nur ein schwaches Gefälle. Deshalb uferten die Wasserläufe oft aus. Ganze Stadtteile standen nahezu ständig unter Wasser. Wegen der Fäkalien im Wasser breiteten sich Krankheiten wie Typhus und Cholera aus. Lösungen mussten damals her. Doch die Städte scheiterten mit ihren individuellen Ansätzen, denn Wasser macht an Stadtgrenzen nicht halt. Um das Kirchturmdenken in den Rathäusern zu überwinden, wurde 1899 als Deutschlands erster Abwasserverband die Emschergenossenschaft gegründet. Sie hat dann die Emscher das erste Mal umgestaltet, begradigt und zu dem Abwasserkanal umgebaut, der die Emscher lange war. Unser Programm ist damit der zweite Umbau der Emscher. Sie haben den großen Abwasserkanal entlang der Emscher über fast 50 Kilometer unter die Erde verlegt, um der Emscher stellenweise ihr altes, natürliches Bild zurückgeben zu können, das sie vor der Industrialisierung bot. Solch ein Vorhaben dürfte weltweit einzigartig sein. Bis spätestens 2027 werden Sie daran noch arbeiten. Wo liegen die Herausforderungen genau? Es geht um die Schaffung einer komplett neuen technischen Infrastruktur für Wasser und Abwasser sowie um die Revitalisierung einer ganzen Flusslandschaft. Solch ein Projekt kann man sich kaum woanders abschauen. Die Emschergenossenschaft hat mit diesem Vorhaben völliges Neuland betreten. Dies war eine große Herausforderung. Hinzu kam eine zweite Sache: Die Rahmenbedingungen und die Anforderungen haben sich immer wieder geändert. Der Emscher-Umbau ist ein atmendes, sich ständig anpassendes und veränderndes Vorhaben. Deswegen hat die Emschergenossenschaft die mehr als 400 Einzelprojekte des Emscher-Umbaus immer wieder angepasst, weiterentwickelt und optimiert. So konnten wir die Vision einer abwasserfreien, neuen Flusslandschaft in einer Generation umsetzen. UNTERIRDISCHER „ZWILLING“ Wo lagen die technischen Herausforderungen genau? Die größte Herausforderung war sicherlich die Planung des unterirdischen Abwassersystems Die renaturierte Emscher in Deusen; Foto: Ilias Abawi projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 23 parallel zur Emscher und ihrer Nebenläufe. Das ganze Emscher-System erhält praktisch einen unterirdischen „Zwilling“ von insgesamt über 430 Kilometer Länge, in denen das Abwasser gesammelt und abgeleitet wird. Diese unterirdischen Kanäle - oder „Sammler“, wie wir sagen - werden inmitten eines dicht besiedelten Raumes gebaut, immerhin der drittgrößte Ballungsraum Europas. Außerdem sind viele dieser neuen Bauwerke nahezu einzigartig, etwa der 51 Kilometer lange Abwasserkanal Emscher zwischen Dortmund und Dinslaken oder seine drei großen Pumpwerke in Gelsenkirchen, Bottrop und Oberhausen. Wie gesagt, für all dies konnten wir auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen. Das war absolutes Neuland. Wer Neuland betritt, kann bekanntlich auch neue Wege gehen ... Solch ein kompletter Umbau eines wasserwirtschaftlichen Gebiets bietet in der Tat Chancen. In dem Projekt konnten wir zukunftsweisende wassertechnische Optimierungen umsetzen. Wir haben gemeinsam mit Hochschulen viel Neues hinsichtlich Bauabwicklung und Material entwickelt. Spannend war für uns die bauliche Anpassung unserer Kläranlage Emscher-Mündung bei Dinslaken an das künftige Emscher-System. Der Umbau wurde bei laufendem Betrieb durchgeführt - wie eine Operation am offenen Herzen. Ihr Projekt ist weit mehr als ein wasserwirtschaftliches Infrastrukturvorhaben. Umweltschutz spielt eine Rolle, Städtebau, Strukturwandel im Ruhrgebiet. Es heißt, dass Ihr Vorhaben sogar zum Klimaschutz beiträgt. Inwiefern zum Klimaschutz? Ein Element beim Umgang mit den wasserwirtschaftlichen Folgen von Klimaveränderungen ist die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Wir - die Emscherstädte und die Emschergenossenschaft - wollen gemeinsam möglichst viele Flächen von der Kanalisation abkoppeln. Wir wollen sauberes Regenwasser direkt in die neuen Gewässer einleiten oder es durch Versickerung dem Grundwasser zuführen. Was den Umweltschutz im weiteren Sinne betrifft: Durch den Emscher-Umbau haben wir die tristgrauen „Köttelbecken“ ... ... Köttelbecken? Was darf ich mir darunter vorstellen? So hießen diese Emscher-Gewässer im Ruhrgebiet. Wir haben sie von ihren Betonsohlschalen befreit und ökologisch umgestaltet. Die Ufer werden bepflanzt. Die Natur kehrt an die Gewässer zurück. Die Fauna dankt es uns: Mittlerweile leben wieder Libellen an den Bächen. Groppen, Stichlinge und Forellen werden in den Emscher-Gewässern heimisch. Die Artenvielfalt hat sich seit Beginn des Emscher-Umbaus verdreifacht. LEBENSRAUM FÜR TIERE UND PFLANZEN Durch Ihr Großprojekt wird nicht nur der Lebensraum für Tiere und Pflanzen neu gestaltet, sondern auch der Lebensraum der Menschen entlang dieses Flusses. Wie hat sich das Emscher-Gebiet weiterentwickelt? Welche Beispiele stechen hervor? Die Rückkehr der sauberen Emscher hat viele städtebauliche Projekte angeregt: In Dortmund ist an der Stelle eines ehemaligen Stahlwerkes der heutige Phoenix-See gebaut worden. Der See dient unserer am Nordufer entlang fließenden Emscher als Hochwasser-Rückhaltebecken. Zahlreiche neue Häuser und Wohnungen sind an Phoenix-See und Emscher entstanden. Sie verändern den Stadtteil Hörde nachhaltig. Auch in Castrop-Rauxel regt die Flussrenaturierung mittlerweile zum „Wohnen an der Emscher“ an. Seit einigen Jahrzehnten befindet sich das Ruhrgebiet im Strukturwandel. Die alte Schwerindustrie, einst das wirtschaftliche Herz dieser Region, geht. Die letzten Zechen wurden kürzlich geschlossen. Man versucht, Zukunftsbranchen anzusiedeln und das Ruhrgebiet wirtschaftlich auf neue Füße zu stellen. Welchen Einfluss hat Ihr Projekt auf diesen Wandel? Der unterirdische Abwasserkanal der Emscher; Foto: Rupert Oberhäuser projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 24 REPORTAGE Die Revitalisierung des Emscher-Systems ist eines der symbolträchtigsten Projekte im Rahmen des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt oder Region geht mit einem attraktiven Umfeld einher. Wir brauchen engagierte, gut ausgebildete Menschen hier. Mit dem Emscher-Umbau verbessern wir maßgeblich die Lebensqualität und Aufenthaltsqualität in der Region. Bislang benachteiligte Stadtteile entlang der ehemaligen Schmutzwasserläufe werden sozial aufgewertet. Die Flächenentwicklung knüpft jetzt an die gute wasserwirtschaftliche Infrastruktur an und greift den positiven Impuls auf. Der Emscher-Umbau hat Mut gemacht, auch weitere überregionale Aufgaben in der Region anzugehen. 400 TEILPROJEKTE, VIELE BETEILIGTE Eingangs sagten Sie, dass dieses Projekt weltweit einzigartig ist. Es hat keine Vorbilder. Ich vermute, dass dies nicht nur für den technischen Teil Ihres Projekts gilt, sondern auch für das Projektmanagement selbst. Sie sprachen von rund 400 Teilprojekten - und vielen Beteiligten. Wie haben Sie die Schnittstelle zwischen Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung gestaltet? Der Emscher-Umbau ist kein alleiniges Projekt der Emschergenossenschaft. Es wurde im gemeinsamen Konsens mit Land und Kommunen beschlossen. Die Schaffung einer modernen abwassertechnischen Infrastruktur, Unterstützung des Strukturwandels, Aufwertung benachteiligter Stadtteile - diese Vorteile haben zu der breiten Akzeptanz dieses Generationenprojektes beigetragen. Als Erfolgsfaktoren hinzu kamen die offensive Öffentlichkeitsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Kommunen. Das Großprojekt liegt zeitlich und finanziell im Plan. Welche Erfolgskriterien waren dafür maßgeblich? Dank der Projektstruktur, die wir für dieses Projekt entwickelt haben, konnten wir recht flexibel auf geänderte Randbedingungen reagieren und diese konsequent eskalieren. Das war mit Sicherheit ein wichtiger Erfolgsfaktor. Ein weiterer ist: Wir haben intensiv mit allen Stakeholdern kommuniziert. Dies half, mögliche Widerstände weitgehend zu vermeiden. Auch haben wir die Kosten immer wieder auf den Prüfstand gestellt - durch ständige Optimierung und auch mit Ansätzen des Value Engineerings. Ein solches Generationenprojekt, wie Sie es eben genannt haben, stellt das Projektmanagement vor enorme Herausforderungen. Wie haben Sie als Gesamtprojektleiter dieses Vorhaben geführt? Zunächst haben wir uns bei der Emschergenossenschaft gut auf dieses Vorhaben vorbereitet. Unser Haus hat sich Anfang der Neunzigerjahre für diese Herausforderung komplett neu aufgestellt. Projektarbeit mit einem starken Projektmanagement wurde eingeführt. Die herausragende Rolle des Projektleiters mit der vollen Projektverantwortung war nicht unumstritten, wurde aber nach erster Eingewöhnungsphase gut akzeptiert. Es kommt eben immer darauf an, wie es gelebt wird. Und: Das Projektteam ist das Entscheidende, der Projektleiter muss es empathisch führen - und natürlich die Projektsteuerung im Griff haben. ABGESTUFTES CONTROLLING Projektsteuerung im Griff haben - wie sind Sie diese Aufgabe angegangen? Für uns hat sich ein systematisches, abgestuftes Controlling bewährt. Solch ein Controlling ist für die Gesamtprojektleitung wie eine Lebensversicherung angesichts der vielen Einzelprojekte und Teilprojekte, die über ein großes Gebiet verstreut sind. Zwischen dem Projektleiter und den Planungsbeteiligten findet monatlich das Projektleitungscontrolling statt. Dabei überprüfen wir die wesentlichen Punkte zu Kosten, Terminen und Qualität. Quartalsweise führen wir das Projektleitungscontrolling durch; es findet zwischen dem Projektleiter und dem Gebietsmanager mit ver- Das Schachtbauwerk für den Abwasserkanal Emscher; Foto: Rupert Oberhäuser projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 25 dichteten Daten statt. Halbjährlich wird der Fortschritt in jedem Projekt zwischen dem Gebietsmanager und mir als Geschäftsbereichsleiter besprochen. Die Ergebnisse werden dann komplett in einer Datenbank dokumentiert. Übergeordnet führen wir- Daten aus Einzelprojekten mittels Multiprojektcontrolling zusammen. Wir entwickeln dann die Planwerte für die nächsten Schritte, etwa die Wirtschafts- und Ressourcenplanung. Bei allem Controlling - wie sieht es mit Vertrauen aus? Gegenseitiges Vertrauen dürfte eine große Rolle bei solch einem Projekt spielen ... Mit Sicherheit! Bei so einem vielfältigen Vorhaben sind Vertrauen und Delegation unabdingbar. Wir haben notwendige klare Zielvorgaben gemacht - und dann die Verantwortung weitgehend an Projektmanager und ihre Teams gegeben. Dies bewirkt eine hohe Identifikation mit dem Projekt. Teams und Projektleiter arbeiten engagiert an ihren Aufgaben. Eine solche Übertragung ist aber nicht ohne Gegenleistung der Teams möglich: Diese Gegenleistung bestand darin, dass die einzelnen Projekte die Gesamtprojektleitung zeitnah und vollständig informiert haben - etwa über Abweichungen, Störungen oder Fehler. Es gibt ja kein Projekt, in dem nicht auch Fehler passieren. Dem muss man halt mit einer offenen Fehlerkultur begegnen. Dank dieser offenen Kommunikation konnten wir bei Bedarf nachsteuern. Zeitnah zu informieren bewirkt übrigens auch eine gewisse Entlastung bei Mitarbeitern: „Melden befreit! “ Beispielsweise haben wir Risiken und Störungen in unserem Vorhaben regelmäßig offen kommuniziert, bis in die Hausspitze und den Aufsichtsrat hinauf. Dabei haben wir unsere Lösungsschritte dargestellt. Dies schafft Vertrauen und Transparenz. INTERESSE AM EMSCHER-UMBAU GROSS Sie sagten vorhin, dass dieses Projekt weltweit einmalig ist. Sie hatten keine Vorbilder. Meine Frage: Nehmen sich andere Ihr Projekt mittlerweile als Vorbild? Welche Resonanz löst es aus? Das weltweite Interesse am Emscher-Umbau ist sehr groß. Wir haben regelmäßig internationale Delegationen zu Besuch auf unseren Anlagen und Baustellen, etwa aus Ländern in Südamerika oder Südostasien. Diese Regionen ähneln dem Ruhrgebiet der 1980er-Jahre, werden in Kürze also ebenfalls einen Strukturwandel vollziehen müssen. Dazu gehört auch der neue ökologische Umgang mit Gewässern - wie bei unserer Emscher! Lernen kann man nicht nur von Ihren technischen Lösungen, sondern auch von Ihrem Projektmanagement. Welche Ansätze sind Ihrer Ansicht nach auf Großprojekte der öffentlichen Hand übertragbar? Mit einem modernen Projektansatz lassen sich auch andere Großprojekte in öffentlicher Hand gut realisieren. Voraussetzung ist eine faire Projektausstattung mit Budget und Zeit, die nicht von vornherein politisch geschönt ist. Ich empfehle eine offene Kostenverfolgung, in der Veränderungen regelmäßig offen dargelegt werden. Bei langer Laufzeit ändern sich einige Teilziele; das Gesamtziel darf dabei jedoch nie aus dem Auge verloren werden. Agile Projektgruppen mit Blick in die Tiefe - das Schachtbauwerk für den Abwasserkanal Emscher; Foto: Rupert Oberhäuser 26 REPORTAGE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Anzeige BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen LETZTER BEWERBERTAG 20. SEPTEMBER 2019 W eitere Informationen unter: business-school@tiba.de www.master.jetzt Einbeziehung aller Partner und Genehmigungsbehörden sind eine gute Basis. Ein Projekt, wie Sie es durchführen, ist eine Generationenaufgabe für die Gesellschaft - und eine Lebensaufgabe für den Einzelnen. Wo liegen die persönlichen Herausforderungen, wenn man solch eine Lebensaufgabe angeht? Man muss das Projekt lieben; dann fällt es leichter, andere Menschen zu begeistern und mitzunehmen. Hohes Vertrauen und konsequente Unterstützung des Vorstandes und des Aufsichtsrats sind wie Öl im Getriebe. Sie kommen selbst aus dem Ruhrgebiet? Ja, als Duisburger bin ich ein Kind des Ruhrgebiets. Ich bin mit der Montanindustrie und deren Folgen aufgewachsen. Ist diese Verbindung mit Ihrer Heimat hilfreich? Selbstverständlich! Bei dem Umbau der Region nach Abschluss des Bergbaus ist es für mich als Bauingenieur eine tolle Lebensaufgabe, dieses Projekt wesentlich mitgestalten zu können. An einem so einmaligen wasserwirtschaftlichen Umbau mitwirken zu können ist schon ein besonderes Privileg. GESAMTBILD SETZT SICH WIE PUZZLE ZUSAMMEN Trotzdem, Ihr Projekt erstreckt sich über einen langen Zeitraum. Wie haben Sie sich so lange für dieses Vorhaben begeistern können - und auch andere begeistert? Wir haben das Gesamtprojekt in viele Teilprojekte untergliedert. Damit hat man immer wieder Teilerfolge, die auf dem langen Weg ermutigen. Das Gesamtbild setzt sich wie ein Puzzle immer weiter zusammen. Es ist regelmäßig ein Highlight, wenn ein Spatenstich oder eine Inbetriebnahme anstehen. Wenn solch ein Projekt zu Ende geht, endet für viele Beteiligte auch ein Lebensabschnitt. Das Projekt hat Sie viele Jahre begleitet, es ist vermutlich ein Lebenswerk. Wie schließt man mit solch einer Lebensaufgabe dann auch persönlich ab? Das werde ich in einigen Jahren sehen. Die Abwasserfreiheit in dem System erreicht zu haben, das wird schon ein tolles Gefühl sein. Dafür müssen wir bis 2021 aber noch hart arbeiten. Danach stehen ja auch noch zwei Drittel des Gewässerumbaus an. Das werde ich wohl nicht mehr abschließen können, aber mit Sicherheit weiter beobachten. REPORTAGE 27 Politik im Klimawandel für Tübingen einschl. Umsetzungskonzept“ - kurz Projekt Klimaschutz - erhielt und ein handlungsorientiertes Klimaschutzprogramm mit 20 Teilprojekten erarbeitete [2]. Durch die Klimaschutzoffensive sollen die lokal verfügbaren Energiespar- und Klimaschutzpotenziale genutzt und eine Bürgerbewegung für den Klimaschutz initiiert werden. Zuallererst starteten Teilprojekte, die Vorbildcharakter haben sollten. Sie waren bei der Stadtverwaltung und zwei ihrer Töchter, den Stadtwerken (swt) und der Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau (GWG), angesiedelt. Zu diesen Teilprojekten gehörten beispielsweise das kommunale Energiemanagement, die Förderung von Solarenergie, General- und Teilsanierungen, Beleuchtungsumrüstungen, Umrüstungen auf Hocheffizienz-Heizungspumpen, schaltbare Steckerleisten, Radverkehrs- und Carsharing-Förderung, spezielle Vor-Ort-Beratung und Förderprogramme für finanzschwache Haushalte. 2011 wurde ergänzend zum Projekt „Klimaschutz“ die Teilnahme der Stadt am European Energy Award (eea ® ) beschlossen [3]. Mit der Teilnahme am eea wurde ein wirkungsvolles Qualitätsmanagementsystem aufgebaut, mit dem die Energie- und Klimaschutzaktivitäten in der Kommune erfasst, bewertet, geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft werden, um Potenziale der nachhaltigen Energiepolitik und des Klimaschutzes identifizieren und nutzen zu können. Der eea dient der Stadtverwaltung seither zur Bewertung der Entwicklung in den jeweiligen Maßnahmenbereichen durch interne und externe Audits sowie zum interkommunalen Vergleich der Klimaschutzaktivitäten. Aus dem Rathaus der 88.500 Einwohner zählenden Universitätsstadt Tübingen, die südlich von Stuttgart liegt, geht ein Signal für den Klimaschutz aus: Das laut Weltklimarat (IPCC) notwendige Klimaschutzziel ist machbar, wenn politischer Wille und gesellschaftliches Engagement zusammentreffen. Der Klimawandel ist keine vage Prognose mehr, sondern eine globale, bedrohliche Realität geworden. Die Antwort aus Tübingen, an dessen 1477 gegründeter Universität über 28.000 Studierende für die Zukunft lernen, auf diese Herausforderung lautet „Global denken, lokal handeln“. Dafür wurde die kommunale Klimaschutzkampagne „Tübingen macht blau“ aufgelegt, die aufsummiert das Ziel verfolgt, in 16 Jahren die CO 2 -Emssionen pro Kopf um 40 Prozent zu senken. Erreicht sind bereits 29 Prozent. Die Universitätsstadt ist seit 1993 Mitglied des Europäischen Klimabündnisses e. V. Die Mitglieder dieses Bündnisses haben sich freiwillig verpflichtet, ihren Kohlendioxidausstoß (CO 2 ) alle fünf Jahre um 10 Prozent zu reduzieren. Um die Anstrengungen zum Klimaschutz zu intensivieren, startete die Verwaltung 2007 auf Initiative des neuen Oberbürgermeisters Boris Palmer (Bündnis 90/ Die Grünen) ihre Klimaschutzoffensive. Rückendeckung gab der Gemeinderat, der Mitte 2007 entschied, dass binnen fünf Jahren das Ziel „Minus 10 Prozent CO 2 “ erreicht werden solle [1]. Dazu wurde eine Projektgruppe „Klimaschutz“ aus Stadtverwaltung und städtischen Beteiligungsgesellschaften eingesetzt, die den Projektauftrag Nr. 6/ 2007 „Erstellung eines Klimaschutzprogramms „Tübingen macht blau“ Die kommunale Klimaschutzkampagne Autor: Bernd Schott Am 30. November 2015, zum Start der Klimaschutzkonferenz in Paris, wurde im Gemeinderat ein Folgebeschluss zur Klimaschutzoffensive unter anderem mit folgenden Inhalten gefällt: • Die energiebedingten CO 2 -Emissionen pro Kopf sollen bis 2022 gegenüber 2014 um 25 Prozent reduziert werden. • Die Stadtverwaltung und ihre Tochterunternehmen nehmen eine Vorbildfunktion für den Klimaschutz ein. • Die Infrastruktur ist daran ausgerichtet, dass sie … Möglichkeiten zum Energiesparen und Klimaschützen … eröffnet. • Die Stadtgesellschaft wird über die Möglichkeiten zu Klimaschutz und Energieeinsparung informiert und zur Mitwirkung motiviert [4]. 1. Klimaschutz-Baustein auf Klimaschutz-Baustein Für die Klimaschutzoffensive wird Klimaschutz-Baustein für Klimaschutz-Baustein modular umgesetzt. Erstes Modul: Im Sinne von SokprojektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 28 REPORTAGE rates „Wer etwas bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen“ setzen die Stadt und ihre Töchter um, was sie von Dritten erhoffen. Zweites Modul: Die Stadt sucht Mitstreiter, insbesondere Organisationen und Multiplikatoren, die dabei helfen, das Aktionsprogramm breitenwirksam zu machen. Drittes Modul: Die Bevölkerung wird angesprochen. Hierfür entwickelt die Stadt konkrete, einfache Klimaschutz-Bausteine, die für jede Bürgerin und jeden Bürger umsetzbar sind. Dazu gehört auch eine variantenreiche Kampagne, um den jeweiligen Klimaschutz-Baustein bekannt zu machen. Motivation, Aufklärung und eine hohe Zielgruppenspezifikation sind dabei stets besonders wichtig. So wurde die Klimaschutzkampagne „Tübingen macht blau“ ins Leben gerufen. Blau etablierte sich als Farbe des Klimaschutzes in Tübingen. Blau steht hier für blau schimmernde Fotovoltaikanlagen. Blaumachen dürfen Elektrogeräte, wenn sie wirklich aus sind, Autos, wenn sie für Bus, Bahn, Fahrrad oder Fuß stehen gelassen werden. Blau erscheinen gut gedämmte Gebäude in einer Thermografie, und ein blauer Himmel bedeutet gutes Wetter. Viertes Modul: Die Kampagne sollte über Jahre ihren Schwung behalten. Also wurden Erfolge publik gemacht, indem man mögliche Indikatoren auswählte. Über Presse, Internet und weitere Kanäle erfuhr die Bevölkerung Neues über „ihre“ Klimaschutzbeiträge. Weitere Mitmacher wurden auf diese Weise ebenfalls motiviert. Seit 2007 wurde mit „Tübingen macht blau“ eine fast schon unüberschaubare Anzahl an Klimaschutz-Bausteinen umgesetzt, rund um Strom, Wärme, Mobilität und Konsum. Einige Beispiele dazu: 2. Gemeinsam in Sonnenstrom investieren Anfang 2007 gab es in Tübingen lediglich 179 Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen), die es zusammen auf etwa 1 MWpeak installierte Leistung brachten - aber, wie Luftbilder zeigten, auch viele ungenutzte Dachflächen. Im Januar 2019 waren es 1.000 PV-Anlagen mit einer Leistung von 13,87 MWpeak. Ein Teil dieses Erfolgs konnte über Bürgersolargemeinschaften erreicht werden, denen die Stadt kostenlos Dachflächen auf städtischen Gebäuden zur Verfügung stellte. 2007 ließ die Stadt hierfür alle ihre Dächer daraufhin prüfen, ob sie sich für Photovoltaik (PV) eignen. Danach wurden die geeigneten Dächer über die eigens eingerichtete Online-Solardachbörse für Bürgergemeinschaften angeboten. Die Nachfrage war groß: Obwohl durch die städtischen Sanierungsmaßnahmen regelmäßig neue Dächer hinzukamen, gab es immer mehr Anfragen als geeignete Dächer. Insgesamt erzeugen auf kommunalen Dächern nun 30 Bürger-PV-Anlagen mit einer Leistung von 830 kWpeak jährlich fast 800.000 kWh klimafreundlichen Strom. Daneben installierten auch die Töchter swt und GWG weitere PV-Anlagen, und Stadt und swt rühren ständig die Werbetrommel für die PV. Damit Bürgerbeteiligung an PV-Anlagen noch einfacher und auch mit kleinen finanziellen Einlagen machbar wurde, wurde Ende 2009 die Bürgerenergie Tübingen eG gegründet. Dahinter stehen swt und die Volksbank. Von 2007 bis 2012 stieg die PV-Leistung in Tübingen kontinuierlich. Doch mit dem Rückgang der EEG-Vergütung sank auch der Zubau. Deshalb wurden neue Instrumente eingeführt: 2016 entwickelte die swt neue, attraktive Angebote für PV-Eigenstrom- und Mieterstromanlagen (z. B. das „swt-Energiedach“) und der Gemeinderat beschloss 2018 eine „Pflicht zur PV-Anlage“ für nahezu alle Neubauvorhaben in der Stadt [5]. 3. Im Dienst der Energiewende Neben den Investitionen in mehrere PV-Anlagen sind die swt noch auf vielen anderen Wegen im Dienste der Energiewende unterwegs. In Horb am Neckar wurde ein Wasserkraftwerk und regional wie bundesweit wurden Windräder gebaut, das Fernwärmenetz wurde ausgebaut und die zugehörigen KWK-Anlagen umfangreich modernisiert. Die swt investierten für erneuerbare Energien und Fernwärme zwischen 2007 und 2018 insgesamt über 118 Millionen Euro. Außerdem haben die swt Dienstleistungen entwickelt, die dem Klimaschutz dienen: für Kommunen ein kommunales Energiemanagement, für Unternehmen diverse Energieeffizienzdienstleistungen und für die Bürgerschaft Abb. 1: Bürger-PV-Anlage auf dem Wildermuth-Gymnasium; Foto: Solarstrom-Betreibergemeinschaft Wildermuth-Gymnasium Tübingen GbR projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 29 zahlreiche Förderprogramme beispielsweise für Erdgasheizungen oder einen Kühlschranktausch. Hinzu kommen Energiesparberatungen sowie ein leistungsfähiger und klimafreundlicher ÖPNV. 2010 wurde bei den Stadtwerken ein eigener Fachbereich für erneuerbare Energien und Energieeffizienz eingerichtet. Ein glaubwürdiges Engagement für die Energiewende also, das sicher dazu beigetragen hat, die Zahl der Ökostromkunden der swt von Anfang 2007 bis Anfang 2019 markant zu steigern: von 800 auf fast 13.000. 4. Auto teilen statt Auto haben Autos zu teilen gilt als sinnvoll. Ein Carsharing-Fahrzeug kann rund 8 bis 20 Privatwagen ersetzen. Das hat einige positive Effekte: Wenn es weniger Privatfahrzeuge gibt, braucht man auch weniger Stellplätze. Zudem werden Carsharing-Autos meist seltener genutzt als direkt verfügbare Privatfahrzeuge. Die Nutzer buchen häufig ein Auto in der Größe, die zum aktuellen Vorhaben passt - Privatfahrzeuge hingegen werden oft nach dem Maximalbedarf beschafft, also so groß, dass sie beispielsweise für den jährlichen Familienurlaub passen. Durch Carsharing werden im Alltag also mehr kleinere, sparsamere Autos (z. B. teilAuto Typ XS) eingesetzt. Insgesamt ergeben sich Potenziale für eine bessere Aufenthaltsqualität und Stadtgestaltung, positive Veränderungen des Mobilitätsverhaltens und nicht zuletzt eine Verminderung der CO 2 -Belastung. Auch beim Carsharing ging die Stadtverwaltung voran. Sie musterte Dienstwagen aus und wurde stattdessen Mitglied beim lokalen Carsharing-Anbieter „teilAuto“. Außerdem stellte die Stadt für „teilAuto“ etliche Stellplätze zur Verfügung, beispielsweise vor dem technischen Rathaus. Bald zeigte sich jedoch, dass für das Tübinger Carsharing-System noch viel mehr gut erreich- und sichtbare Stellplätze gebraucht werden, um noch attraktiver und um noch besser von der Bevölkerung angenommen zu werden. Deswegen begann die Stadt, gemeinsam mit dem Carsharing-Anbieter „teilAuto“ nach guten Stellplätzen zu suchen. Beispielsweise konnten 2009 direkt hinter dem historischen Rathaus zwei Stellplätze an „teilAuto“ vermietet werden, da der Oberbürgermeister keinen Dienstwagen mehr hatte, sondern nur noch ein Dienstrad fuhr. Doch die Verfahren, um der Öffentlichkeit Stellplätze für das Carsharing zu entziehen, sind oft aufwendig. Deshalb ergriff Tübingen als eine der ersten Städte in Deutschland die Chance für eine Carsharing-Satzung, als durch das Carsharing-Gesetz des Bundes eine neue Rechtslage entstanden war [6]. Damit wurde die Umwandlung deutlich vereinfacht. Die Stadt wirbt dabei stets aktiv für das Autoteilen. Außerdem besteht seit 2018 eine enge Kooperation zwischen teilAuto und den Stadtwerken Tübingen, um die Fahrzeugflotte noch einmal Abb. 2: Zubau der Photovoltaikleistung; Grafik: Stadtwerke Tübingen deutlich zu vergrößern. Damit soll durch ein enges Netz an Stationen das Autoteilen für noch mehr Personen attraktiv werden. Mittlerweile werden die Erfolge deutlich: Die Zahl der Tübingerinnen und Tübinger, die bei „teilAuto“ Mitglied sind, konnte seit 2007 mehr als verdreifacht werden. Und das, obwohl schon 2007 ein zur Stadtgröße Tübingens relativ hohes Mitgliederniveau erreicht worden war: Damals waren es fast 700 Mitglieder, Anfang 2019 dann jedoch über 2.200. 5. Komfort rauf, Heizungsrechnung runter Die Stadt und die GWG starteten 2008 für ihren Gebäudebestand eine Sanierungsoffensive - das Teilprojekt 4 der Klimaschutzoffensive. Eine umfängliche Analyse machte deutlich, welche Gebäude besonders marode sind, in welchem Zustand sich Gebäudehülle und Technik befinden, wie groß der Umfang der notwendigen Arbeiten sein würde und welche Energieeinsparungen zu erreichen wären. Als sich Ende 2008 die Vorboten der Wirtschafts- und Finanzkrise in Tübingen zeigten, reagierte die Stadt antizyklisch. Während auf Bundes- und Landesebene noch Details der Konjunkturpakete diskutiert wurden, beschloss der Gemeinderat ein eigenes Tübinger Konjunkturpaket. 2009 wurden 7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die vor allem dem örtlichen Handwerk zugutekamen. Dadurch hat die Stadt allein 2009 ebenso viel für die Erhaltung und Sanierung ihrer Gebäude ausgegeben wie zuvor in den Jahren 2003 bis 2006. Besonders viel wurde in Schulgebäude investiert. Auch die GWG hat in den Jahren 2007 bis 2016 über 52 Millionen Euro investiert. Für diese Summe wurden insgesamt 411 Wohnungen saniert. Immer ging es dabei um zwei Ziele gleichzeitig: mehr Komfort und geringere Heizkostenrechnungen. Diese Strategie werden Stadt und GWG auch in Zukunft mit hohen Investitionen verfolgen. Ziel der GWG ist es, bis 2021 fast 1.000 Wohnungen saniert zu haben. Manche Gebäude sind jedoch in einem derart ungünstigen Gesamtzustand, dass diese durch Neubauten ersetzt werden, anstatt sie zu sanieren. Tübingen konnte auf diese Weise eine sparsame Haushaltsführung mit Wirtschaftsförderung, Bildungsinvestitionen und Klimaschutz verbinden. Die Bilanz der kommunalen Sanierungsmaßnahmen kann sich sehen lassen: Der witterungsbereinigte Wärmeenergiebedarf aller kommunalen Liegenschaften war 2016 deutlich niedriger als noch projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 30 REPORTAGE Wir organisieren Souveränität. Projektmanagement Neue Herausforderungen selbstbewusst lösen. Dank ibo-Zertifikat Das Fundament des Projekterfolgs bildet gut ausgebildetes Projektpersonal, das Werkzeuge und Techniken beherrscht, einschätzen kann, wann klassisches Projektmanagement, ein hybrides oder agiles Vorgehen Sinn macht und sicher in Teamführung und Stakeholdermanagement ist. Ausbildungen und Termine Projektmanagement-Fachmann/ frau Die Grundlage für Ihren Projekterfolg. 21.10.2019 Berlin 04.02.2020 Frankfurt am Main 27.04.2020 München Agiler Projektmanagement-Experte Sie lernen agile und hybride Projekte zu initiieren und erfolgreich durchzuführen. 16.09.2019 Berlin 02.03.2020 München 04.05.2020 Hamburg T R A I N I N G Infos und Buchung 0641-98210-300 www.ibo.de 2006, er sank um 31 Prozent, dies entspricht etwa 6,4 GWh/ a. Dies wurde erreicht, obwohl zusätzliche Gebäude und Flächen hinzugekommen sind und die Nutzungszeiten stark ausgeweitet wurden. Zu dieser positiven Entwicklung haben auch die Sensibilisierung der Nutzer und die Optimierung von Heizanlagen beigetragen, zwei weitere Projekte der Tübinger Klimaschutzoffensive. 6. Strom - zum Verschwenden zu schade Stromsparen ist ein Schwerpunkt der Klimaschutzoffensive. Um weniger Strom zu verbrauchen, hat Abb. 4: Tübinger Mitgliedszahlen zum Januar des jeweiligen Jahres; Grafik: teilAuto Neckar-Alb eG die Stadtverwaltung zahlreiche Pakete geschnürt. So wurden beispielsweise die kommunalen Heizzentralen umgerüstet auf neue Hocheffizienz-Umwälzpumpen, das brachte Ersparnisse von jährlich rund 142 MWh. Die Lampen in der Straßenbeleuchtung wurden ausgetauscht, anstelle von Quecksilberdampf-Lampen traten Natriumdampf- oder LED-Lampen - ein Minus von jährlich 355 MWh. Auch 33 Ampeln haben jetzt LED-Technik, eine Senkung von 150 MWh pro Jahr. Lampentausch auf LED- oder Energiesparlampen stand auch bei den Innenräumen des Stadtmuseums und in Parkhäusern der swt auf dem Programm, weitere 130 MWh wurden so eingespart. Abb.3: Carsharing-Fahrzeug aus der Kooperation mit den Stadtwerken Tübingen (swt); Foto: Stadtwerke Tübingen Anzeige projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Öffentlichkeitswirksam warb „Tübingen macht blau“ außerdem für LED-Lampen, schaltbare Steckerleisten sowie den Tausch von Heizungspumpen und Kühlschränken. Zudem wurde ein Netzwerk für den Verleih von Strommessgeräten eingerichtet, damit die Bürgerinnen und Bürger zu Hause auf die Jagd nach Stromräubern gehen können. Zum 150. Firmenjubiläum legten die swt eigens eine Kampagne auf: „Null-Komma-Strom - wir sparen uns ein Kraftwerk.“ Die Kampagne bot beispielsweise Förderprogramme für effiziente Kühl- und Gefriergeräte, Coaching und Beratung sowie eine neue Heizungspumpe, die über die Stromrechnung abbezahlt werden kann. Diverse weitere Förderprogramme für Haushalte und spezielle für finanzschwache Haushalte von Stadtverwaltung bzw. swt helfen, in die Stromeinsparung zu investieren. Die Einsparrechnung ging auf: Der spezifische Stromverbrauch pro Einwohner sank von 2006 bis 2018 um 15 Prozent auf 4.439 kWh/ EW. Und dies, obwohl im selben Zeitraum die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze um rund 10.000 gestiegen ist und Arbeitsplätze in Tübingen in der Regel mit Stromverbrauchern wie z. B. EDV, Beleuchtung oder Ähnlichem ausgestattet sind. An der erzielten Stromeinsparung lässt sich gut darstellen, dass die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen nicht nur bei einer Verminderung von klimaschädlichen Gasen, sondern auch bei einer Reduktion der Energieimportabhängigkeit und der -Kosten sowie der Risikominimierung liegen. Hätte z. B. die Stadtgesellschaft in Tübingen in 2018 einen Stromverbrauch pro Kopf auf dem Niveau des Jahres 2006 - also dem Jahr vor der Tübinger Klimaschutzoffensive - gehabt, dann wäre der Stromverbrauch um 67,7 Millionen kWh höher gewesen. Dies wiederum hätte eine um 19,4 Mio. Euro höhere Stromrechnung für die Endverbraucher bedeutet. 7. Mobilität 2030 Tübingen Im September 2008 wurde das Tübinger Rathaus erstmals zum Radhaus. Mitglieder des Gemeinderats und der Stadtverwaltung sowie zahlreiche Bürgerinnen und Bürger traten drei Wochen lang in die Pedale, um Tübingen beim bundesweiten Wettbewerb „Stadtradeln“ nach vorne zu bringen. Die 248 Radaktiven schafften zusammen 53.000 Kilometer, damit ging Tübingen aus dem Wettbewerb als „radaktivste Kommune“ hervor. 2012 waren beim Stadtradeln Tübingen dann bereits rund 2.500 Radaktive dabei, die zusammen 441.000 Kilometer in drei Wochen zurücklegten. Alle zwei Jahre startet Tübingen beim Stadtradeln-Wettbewerb. Die Zahlen sind in etwa auf dem Niveau von 2012 stabil. Klimaschutz und Mobilität zusammenzubringen, ist eine große Herausforderung. Um ihr begegnen zu können, startete 2009 die Aufstellung des Konzepts „Mobilität 2030 Tübingen“. Auf diese Weise sollte ein umfassendes Konzept erarbeitet werden, wie Tübingen bis zum Jahr 2030 seinen CO 2 -Ausstoß im Bereich Verkehr um 50 Prozent senken kann. Finanzielle Unterstützung kam aus der Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums. Ein wichtiger Schritt war eine große Stakeholdereinbindung: Es wurden mehrere Workshops organisiert, zusammen mit zahlreichen Vertretern aus Organisationen von ADAC bis ADFC sowie der örtlichen Arbeitgeber wie Universität und Universitätsklinikum. Die Beratung steuerte das Umweltbundesamt bei. So wurde ein Aktionsplan entwickelt, der seither engagiert umgesetzt wird. Erstes sichtbares Ergebnis waren die Umbauten, mit denen am Hauptbahnhof Barrierefreiheit erreicht wurde, denn der ÖPNV ist das Rückgrat der nachhaltigen Mobilität. Abb. 5: Spezifischer Stromverbrauch in kWh/ EW; Grafik: Universitätsstadt Tübingen Abb. 6: Dienst-Pedelec der Stadtverwaltung im Einsatz; Foto: Anne Faden projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 32 REPORTAGE Es folgte die Umsetzung des Bodenbelagskonzepts „Altstadt“ mit niveaugleichen Verkehrsflächen, Geschwindigkeitsreduzierung, Verbesserung der Begehbarkeit und Aufwertung der Aufenthaltsqualität in der Altstadt. Und 2013 bis 2015 wurde das südliche Stadtzentrum umgebaut, um mehr Platz für Zu-Fuß-Gehende und Fahrrad-Fahrende zu gewinnen und die Stadtqualität zu erhöhen. Jedoch fehlt häufig ein passendes und sicheres Fahrrad, um umweltfreundlich unterwegs sein zu können. Rund 1.200 Kinder und Jugendliche in Tübingen stammen aus finanzschwachen Haushalten, erhalten Sozialleistungen und die Tübinger KinderCard. Oft bleibt da kein Geld, um ein Fahrrad zu kaufen oder instand zu halten. Hier setzt das Projekt „Ein sicheres Rad für jedes Kind“ der Stadt an. Das Projekt läuft in drei aufeinander aufbauenden Modulen ab, um die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen: 1. Sicherheitscheck und Wartung vorhandener Räder 2. Reparatur vorhandener Räder 3. Sammelaktion ungenutzter Räder, um diese an die Zielgruppe abzugeben Abb. 7: Auftaktveranstaltung zum „Tübinger Klimaschutzpakt“; Foto: Bernd Schott REPORTAGE 33 Anzeige tisch nach dem Modell „Hohenlohe“ angeboten, an dem zwar sehr viele Unternehmen Interesse zeigten, aber am Ende doch nur acht Betriebe teilnahmen. Mit dem Projekt „Blaue Sterne Betriebe“ wurde 2013 ein weiterer Anlauf unternommen, um unternehmerisches Handeln für den Klimaschutz nutz- und sichtbar zu machen. Doch aktuell hat sich erst ein Betrieb für diese Auszeichnung beworben - zumindest jedoch erfolgreich. Deshalb wurde 2017 eine große Befragung unter den Tübinger Unternehmen und Arbeitgebern durchgeführt, an welchem Format zur Einbindung in den kommunalen Klimaschutz diese besonderes Interesse hätten. Aus den Rückmeldungen wurde der „Tübinger Klimaschutzpakt“ entwickelt, der sowohl politische als auch fachlich orientierte Veranstaltungen (z. B. zu Photovoltaik, betrieblichem Mobilitätsmanagement, Eigenstromproduktion und CO 2 -Bilanzierung) anbietet. Zum Start 2018 traten 60 Unternehmen und Einrichtungen dem Pakt bei und bekamen dazu vom Oberbürgermeister ihre offizielle Beitrittsurkunde überreicht. Damit sind die Unternehmen Teil der weltweiten Bewegung zum Klimaschutz und unterstützen innerhalb der eigenen Handlungsmöglichkeiten die Universitätsstadt Tübingen dabei, unser Klima zu schützen, uns unabhängiger von Import-Energieträgern zu machen und unseren Energieverbrauch zu reduzieren. Abb. 8: Fahrgastzahlen beim Stadtverkehr Tübingen in Mio.; Grafik: Stadtwerke Tübingen Das Projekt hat zum Ziel, Kindern und Jugendlichen aus finanzschwachen Haushalten den Zugang zu einer sicheren (Rad-)Mobilität zu ermöglichen. Es ist ein Beitrag zur Teilhabe und zum Umwelt- und Klimaschutz. Inzwischen wurden über 500 Rad-Checks durchgeführt, rund 120 größere Reparaturen erledigt sowie ca.-550 Spendenräder gewartet und verschenkt. Zudem profitieren auch viele Flüchtlingsfamilien von diesem Projekt. Es gab weitere Schritte, um - neben dem forcierten Ausbau der Infrastruktur (Radwege und Abstellanlagen) - mit soften Maßnahmen den Radverkehr zu fördern: Projekte wie der in Kooperation mit dem ADFC Tübingen angebotene RadCHECK (mehrmals jährlich), Pedelec-Testradeln (jährlich) und diverse Programme von Stadtverwaltung und swt zur finanziellen Förderung von Pedelecs, E-Bikes, E-Rollern und Lastenfahrrädern. Zudem konnte ein Job-Ticket eingeführt werden, welches den gesamten Verkehrsverbund naldo umfasste, und das „Dienstfahrrad mit der Option zur privaten Nutzung“ bei vielen Tübinger Arbeitgebern platziert werden. Hinzu kamen in der Folge unter anderem neutrale Beratungsstellen zum betrieblichen Mobilitätsmanagement für Arbeitgeber und -nehmer, zur „ökologischen Mobilität“ für Neubürgerinnen und Neubürger, Fahrrad-Sicherheitskurse für geflüchtete Menschen sowie mit dem Teilprojekt „baby on board“ Schnupperangebote für den ÖPNV, Carsharing und Kindertransporträder, die alle jeweils kostenlos und niederschwellig nutzbar sind. Aktuell wird an der sukzessiven Elektrifizierung des Fuhrparks von Stadt und swt sowie an der Umsetzung eines kommunalen Elektromobilitätskonzeptes gearbeitet, das Anfang 2019 fertiggestellt wurde. 8. Tübinger Klimaschutzpakt Der Pariser Vertrag der Weltgemeinschaft von 2015 setzt auf internationale Initiativen, Eigenverantwortung und Handeln vor Ort, um den Risiken eines fortschreitenden Klimawandels und der überwiegend auf fossilen Energieträgern basierenden Energieversorgung entgegenzuwirken. Um die ehrgeizigen Klimaschutzziele weltweit und in Tübingen erreichen zu können, bedarf es einer Bürgerbewegung für den Klimaschutz. Für die Einbindung der Tübinger Unternehmen und Arbeitgeber wurden dafür verschiedene Möglichkeiten „ausprobiert“. Mit der örtlichen IHK wurde 2012 ein Energieeffizienz- 9. Guter Rat muss nicht teuer sein Wie geht Klimaschutz? Konkrete Beratung für Bürgerinnen und Bürger kann hier vieles bewirken. Diese gab es bei Energietagen und Klimatagen, an Beratungsständen und auf Ausstellungen wurde beispielsweise zu Solarenergie oder zu Passivhäusern informiert. Hinzu kamen Fachvorträge, Stromsparchecks in finanzschwachen Haushalten, Impulsberatungen zur Gebäudesanierung und viele weitere kleinteilige Angebote. Dabei wirkten etliche Partner mit, darunter die Agentur für Klimaschutz, die Architektenkammer, der BUND, die Caritas, die Fahrradhändler, das Handwerk, die swt, teilAuto und das Umweltzentrum. Mit diesen Partnern wurden unzählige Veranstaltungen und kontinuierliche Beratungsstellen geschaffen, damit sich jede und jeder in Tübingen kompetent und kostenlos über die Möglichkeiten der Energieeinsparung und des Klimaschutzes informieren kann. Allein in der Zeit von September 2016 bis Ende 2018 wurden 106 Beratungsdonnerstage, neun Informationsabende und fünf große Energiebzw. Klimatage im Tübinger Rathaus abgehalten. 10. Unterm Strich Die Klimaschutzinitiative hatte und hat große Ziele: Sie will eine deutliche Senkung der Energieverbräuche und CO 2 -Emissionen. Dafür setzt sie projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 34 REPORTAGE auf vielfältige Aktionen, Investitionen, Kooperationen und Klimaschutzbausteine. Und die ersten Ziele wurden erreicht! Das zeigt die jährliche Energie- und CO 2 -Bilanz, die mithilfe der Software ECO-Region bzw. BICO2BW errechnet wurde. Demnach liegen die Pro-Kopf-Emissionen von 2016 um 29 Prozent unter den Werten von 2006. Die absoluten CO 2 -Emissionen sanken um fast 24 Prozent, während im selben Zeitraum die Zahl der Arbeitsplätze um mehr als 26 Prozent und die der Einwohnerinnen und Einwohner um etwa 13 Prozent angestiegen sind. Gesunken ist auch der spezifische Verbrauch von Wärme um etwa 10 bis 20 Prozent (aufgrund der Datenqualität und der Nutzung von klassischen Wärmeenergieträgern auch für Strom und Kälte ist hier nur ein vages Ergebnis ermittelbar). Lediglich beim Verkehr ist noch keine Verbesserung zu erkennen. Gestiegen sind dagegen die Anteile erneuerbarer Energieträger im Bereich Strom und Wärme. Tübingen hat für sein Vorgehen und sein Engagement beim Klimaschutz viel Anerkennung und auch einige Zuschüsse von Land und Bund erhalten. Außerdem konnten Landes- und Bundesmittel eingeworben werden, die man beispielsweise für Beleuchtungs- und Ampelumrüstaktionen, die RadKULTUR, das Konzept Mobilität 2030 und für Mobilitätsberatungen einsetzte. Zuletzt wurde Tübingen in 2018 mit dem European Energy Award (eea) in Gold und mit dem „Climate Star 2018“ des Europäischen Klimabündnisses ausgezeichnet. Hervorgehoben wurden vom externen Auditorenteam des eea dabei das besondere Engagement im Bereich der effizienten Energienutzung, der Ausbau erneuerbarer Energien und herausragende Erfolge beim Energiesparen und beim Klimaschutz innerhalb des „Konzerns Stadt“ und der Stadtgesellschaft. Tübingen wurde beim externen eea-Audit eine Zielerreichung von 81,5 Prozent bescheinigt. Keine andere eea-Kommune der „Größenklasse 50.000 - 100.000 EW“ hat damit aktuell einen höheren Zielerreichungsgrad als Tübingen [7]. Literatur [1] Beschlussvorlage 147/ 2007 des Tübinger Gemeinderates: Konsequenzen aus dem 3. Klimaschutzbericht. www.tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 147/ 2007 [2] Berichtsvorlage 395/ 2007 des Tübinger Gemeinderates: Projekt Klimaschutz. www. tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 395/ 2007 [3] Beschlussvorlage 55/ 2011 des Tübinger Gemeinderates: Teilnahme am European Energy Award. www.tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 55/ 2011 [4] Beschlussvorlage 305/ 2015 des Tübinger Gemeinderates: Tübinger Klimaschutzoffensive, Fortschreibung. www.tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 305/ 2015 [5] Beschlussvorlage 161/ 2018 des Tübinger Gemeinderates: Klimaschutzoffensive; Verpflichtung zur Herstellung bzw. Vorhaltung einer Fotovoltaikanlage bei Neubauten; Grundsatzbeschluss. www.tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 161/ 2018 [6] Beschlussvorlage 200/ 2017 des Tübinger Gemeinderates: Satzung zur Änderung der Satzung über die Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen; Sondernutzung Carsharing. www.tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 200/ 2017 [7] Berichtsvorlage 44/ 2019 des Verwaltungsauschusses des Tübinger Gemeinderates: European Energy Award (eea); Ergebnisse aus dem externen Audit. www.tuebingen.de/ ratsdokumente/ vorlage/ 44/ 2019 Abb. 8: Energiebedingte CO 2 -Emissionen (inkl. Vorkette) pro Einwohner Der Benchmark für Ressourcenplanung Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Aufwanderfassung Kostenmanagement Projektplanung Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 35 Politik im Klimawandel: Klimaschutz motivieren kann. Leider kommen von Bundes- und Landesebene zum Teil sehr widersprüchliche Signale und Regelungen. Dabei ist die Kommune auch die erste Ebene, die im Falle von klimawandelbedingten Katastrophen betroffen sein wird und handeln muss. Die kommunale Ebene soll zwar viel zum Klimaschutz beitragen, doch oft erhalten wir nicht die Freiheit, das zu tun, was richtig wäre. Wir brauchen viel mehr Spielraum für eigene Entscheidungen - beispielsweise im Baurecht oder im Verkehrsbereich. Zudem wirken sich bundesweit gültige Subventionen wie Pendlerpauschale, Dieselsteuer- und Dienstwagenprivileg kontraproduktiv aus, weil sie immer mehr Kfz-Verkehr erzeugen. Viele Städte versuchen derzeit zum Klimaschutz beizutragen. Was macht man in Tübingen anders? Als ich 2006 meinen Wahlkampf um die Stelle des Oberbürgermeisters führte, habe ich einen starken Schwerpunkt auf die kommunalen Möglichkeiten für mehr Klimaschutz gesetzt. Ich bin gewählt worden und seither ist Klimaschutz in Tübingen Chefsache. Dabei bin ich als Oberbürgermeister nicht nur Verwaltungschef, sondern zudem auch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Tübingen und der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GWG. Dadurch habe ich Einfluss auf viele Bereiche des Stadtlebens. 2014 bin ich wiedergewählt worden. Wir sind in Tübingen also bereits im 13. Jahr kontinuierlich für den Klimaschutz aktiv. Projekte zu Klimaschutz versanden häufig. Ihr Programm „Tübingen macht blau“ läuft dagegen seit vielen Jahren. Wie schaffen Sie es politisch, die Beteiligten nachhaltig hinter Ihre Projekte zu bringen? Es hilft dabei, dass die stärkste Fraktion im Gemeinderat grün ist, wie der Oberbürgermeister auch. Ebenso wichtig sind immer wieder neue Ideen für konkrete Projekte, damit der Schwung nicht erlahmt. Und schließlich kommt es darauf Wie bereits im Editorial dieser Ausgabe der PM aktuell beschrieben, liegt ein Schwerpunkt in diesem Heft auf der Betrachtung der Frage, welche Beiträge das Projektmanagement zum Klimaschutz leisten kann. Im Beitrag von Bernd Schott ist bereits deutlich geworden, wie eine Stadt über ein ganzes Portfolio von Projekten eine übergeordnete Klimaschutzstrategie auf kommunaler Ebene umsetzen kann. Ergänzend hierzu haben wir ein Interview geführt mit Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. Er berichtet, welche Ziele er mit der Klimaschutzkampagne „Tübingen macht blau“ verfolgt, was man in Tübingen anders macht, welche Bedeutung die Stadt und er als Vorbilder für die Kampagne haben. Zudem wollten wir wissen, was bereits erreicht wurde - und wo Boris Palmer die Herausforderungen für die nächsten Jahre sieht. Herr Oberbürgermeister, welche übergeordneten Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Klimaschutzprogramm? Boris Palmer: Ich verfolge ein quantitatives und mehrere qualitative Ziele. Mein Ziel ist es, die energiebedingten CO 2 -Emissionen in Tübingen innerhalb von zwei Amtsperioden um 40 Prozent zu senken. Damit will ich zeigen, dass Klimaschutz auf kommunaler Ebene ein großes, nutzbares Potenzial hat. Und ich will eine Bürgerbewegung für den Klimaschutz, also dass die gesamte Stadtgesellschaft für den Klimaschutz und beim Energiesparen aktiv wird. Welche Rolle spielen Ihrer Ansicht nach Kommunen für einen wirksamen Schutz des Klimas? Wie können Bund und Länder die Kommunen bei ihren Bestrebungen unterstützen? Wir als Kommunen sind sehr nah dran an der Bürgerschaft und an den Unternehmen. Wir sind damit ein bereits bestehendes Netzwerk, in dem man voneinander lernen und sich gegenseitig für den Boris Palmer Boris Palmer schloss sein Studium der Fächer Mathematik und Geschichte 1999 mit dem 1. Staatsexamen ab. Bereits 1996 wurde er Mitglied von Bündnis 90/ Die Grünen, ab 1998 war er Mitglied im Kreisvorstand Tübingen. 2001 errang Boris Palmer als Kandidat der Grünen einen Sitz für den Wahlkreis Tübingen im Stuttgarter Landtag, wo er als umwelt- und verkehrspolitischer Sprecher wirkte. Nach seiner Wiederwahl in den Landtag im März 2006 in der Stadt Tübingen wurde Boris Palmer stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Grüne im Landtag. Im Oktober 2006 wurde der damals 34-Jährige zum Oberbürgermeister von Tübingen gewählt. Im Oktober 2014 wurde Boris Palmer mit 61,7 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang wiedergewählt. Im Frühjahr 2009 ist Palmers erstes Buch mit dem Titel „Eine Stadt macht blau - das Tübinger Klimaschutzmodell“ erschienen. Quelle: www.tuebingen.de; Foto: Gudrun de Maddalena Autoren: Steffen Scheurer und Oliver Steeger Klimaschutz ist Chefsache projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 36 REPORTAGE an, Klimaschutz mit anderen Zielen zu verzahnen, also wenn möglich Win-win-Situationen zu schaffen. Schulsanierungen haben viele Freunde: Eltern, Lehrer, Schüler. Radwegebau finden Radlerinnen und Radler gut. Geld verdienen mit einer Solarpflicht kann man durchaus erklären. Und die Skeptiker darf man nicht aus der Pflicht entlassen, das Thema kommt immer wieder mit Abstimmungen in den Gemeinderat, sodass immer wieder die Frage entsteht: „Machen Sie mit beim Klimaschutz? “ Darauf gibt es zwar oft zögernde Antworten, aber letztlich nie ein Nein. Welche Rolle spielen Sie als Bürgermeister in diesem Programm? Wie nehmen Sie diese Rolle wahr? Die Rolle des Oberbürgermeisters ist in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg sehr stark. Politische Initiativen, die nicht zu den Pflichtaufgaben gehören, sind ohne den OB praktisch zum Scheitern verurteilt. Von daher ist die Wahl des OB immer auch die Wahl von politischen Schwerpunkten und Zielen. Ich habe immer klargemacht, dass für mich der Klimaschutz vor Ort die wichtigste Aufgabe ist. Das kommt auch in der Bevölkerung an. Als Mathematiker würde ich sagen: Ich bin eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Bürger setzen Klimaschutz häufig mit Einschränkung, Verboten und Verzicht gleich. Wie haben Sie Ihre Bürger von Ihrem Programm überzeugt? Wie gelingt es Ihnen, Bürger zum Mitmachen zu bewegen? Glaubwürdigkeit, Empathie, Ausdauer, Kompetenz und Hartnäckigkeit ergeben zusammen die Mischung, mit der etwas zu erreichen ist. Ich investiere als Finanzbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender viel in kompetente, motivierende Beratungsleistungen innerhalb der Verwaltung und bei den Stadtwerken, aber auch in Förderprogramme. Damit zeige ich: Klimaschutz ist mir etwas wert. Ich will nicht nur was von anderen, sondern ich gebe auch was. Sehr wichtig ist dabei, dass die Beratung passgenau und richtig ist, denn wer einmal schlecht beraten wurde, macht nicht mehr mit. Das Ganze glaubwürdig präsentiert und mit einer gewissen Ausdauer und Hartnäckigkeit verfolgt, trägt zum Erfolg von „Tübingen macht blau“ bei. Wie kann man Bürger und Wirtschaft für echte Einschränkungen gewinnen, beispielsweise für Restriktionen im Individualverkehr? Bei den echten Einschränkungen sind wir meines Erachtens noch nicht angekommen. Ein paar Parkplätze in der Tübinger Altstadt weniger sind noch keine Einschränkung, wenn es um die Altstadt herum vier, nicht völlig ausgelastete Parkhäuser gibt. Noch betreiben wir Klimaschutz mit guten Alternativen, guten Angeboten und dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Doch angesichts der Herausforderung, die wir beim Schutz des Klimas zu leisten haben, werden wir um Einschränkungen nicht herumkommen. Ich setze dann auf Überzeugung, Beratung und Information. Wie trägt Klimaschutz zur Attraktivität von Tübingen bei? Welchen Einfluss haben die Programme auf die Wirtschaftspolitik? Ich bekomme öfters das Feedback, Tübingen ist eine Stadt, in der sich sehr vieles für den Klimaschutz bewegt, dass es eine positive Grundstimmung für den Umwelt- und Klimaschutz gibt. Das trägt zu einem guten Image der Stadt insgesamt bei. Mit „Tübingen macht blau“ setzen wir dabei vor allem auf lokale Netzwerke und Mitstreiter. Dabei geht es oft auch um Ersatzbeschaffungen. Zum Beispiel bei Förderprogrammen zum Kühlschranktausch oder zum Heizungspumpentausch. Oder um die Anschaffung von Pedelecs, um zur Arbeit mit dem Rad statt mit dem Auto zu gelangen. Wir wissen aus den Rückmeldungen der Händler und Fachbetriebe, dass wir damit nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die lokale Wirtschaft fördern. Zudem haben wir inzwischen mehrere neue Unternehmensansiedlungen im Bereich Nachhaltigkeit wie beispielsweise Unternehmen in den Bereichen Lastenradlogistik, Gebrauchsgüterrecycling oder Mikromobilität. Welche Rolle spielen kommunale Behörden etc. dabei als Vorbild? Das Thema „Vorbildfunktion der Stadtverwaltung und ihrer Beteiligungsgesellschaften“ war von Anbeginn ein elementarer Bestandteil der Klimaschutzbemühungen. Seit 2015 ist die Vorbildfunktion Teil unseres energie- und klimapolitischen Leitbildes. Wir haben viel ausprobiert, viel gewagt, manches hat sich dabei auch als nicht umsetzungsreif herausgestellt, sodass wir es Dritten schon gleich gar nicht zu empfehlen brauchten. Aufgrund der Vorbildfunktion habe ich es auch gewagt, nach meinem Amtsantritt den von meiner Vorgängerin geerbten Dienstwagen eines baden-württembergischen Premiumherstellers gegen ein verbrauchsarmes Hybrid-Modell aus dem Ausland zu tauschen. Ich erntete einen Shitstorm. Etwas später habe ich dann den Dienstwagen zugunsten eines Dienst-Pedelecs ganz abgeschafft. Inwieweit versuchen Sie selbst ein Vorbild zu sein? Wie vermitteln Sie dies authentisch? Eine Kampagne, die auf freiwilliges Engagement setzt, kann man nicht betreiben, wenn man selbst das Gegenteil darstellt. Dass ich seit zehn Jahren keinen Dienstwagen mehr habe, in der Stadt fast immer mit dem Rad zu Terminen komme und eine Bahncard 100 benutze, ist allgemein bekannt und für die Glaubwürdigkeit meines ökologischen Engagements eine zwingende Voraussetzung. Welche wesentlichen Erfolge haben Sie durch Ihr Programm bisher erzielt? Welche Ziele haben sich als schwieriger zu erreichen herausgestellt? Sowohl im Stromals auch im Wärmesektor konnten wir relevant die CO 2 -Emissionen senken. Dies gelang sowohl durch die Reduktion des Bedarfs als auch durch den Umstieg auf CO 2 -ärmere Energiequellen. So konnte z. B. der Einsatz der erneuerbaren Energieträger im Wärmesektor vervierfacht werden und die Stadtwerke haben ihre Stromerzeugungskapazitäten aus Erneuerbaren innerhalb von fünf Jahren von 10 GWh auf 200 GWh pro Jahr ausgebaut. Sehr erfreulich ist auch, dass der spezifische Stromverbrauch in Tübingen von über 5.200 kWh/ EW auf rund 4.400 kWh/ EW gesunken ist. Das sind 15 Prozent weniger, obwohl gleichzeitig die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Tübingen um mehr als 10.000 gestiegen ist. Nur aus dem Verkehrssektor konnten wir allen Bemühungen zum Trotz noch keinen großen Klimaschutzbeitrag gewinnen. Welche Ziele setzen Sie sich für die Stadt Tübingen in den nächsten Jahren? Beim Verkehr treten wir nach wie vor auf der Stelle. Der Verkehrsbereich hat - obwohl wir deutliche Fahrgastzuwächse im ÖPNV erreichen konnten - noch nicht viel zu meinen Klimaschutzzielen beigetragen. Ich setze hier auf den „Ticketlosen Nahverkehr in Tübingen für alle“ und auf den Bau der Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn Neckar-Alb, die derzeit in ersten Teilabschnitten in der Region gebaut wird. Ebenso hat sich durch unsere Teilnahme am European Energy Award gezeigt, dass wir bei den kommunalen Liegenschaften noch nicht so vorbildlich sind, wie ich das gerne hätte. Auch hier müssen wir mit Sanierungsmaßnahmen, energetisch optimalen Neubauten und Nutzersensibilisierung nachlegen. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 37 Leipziger Projekt hilft Bonner Bürgern aufs Rad Aufs Rad mit den Leuten! Das Leipziger Unternehmen nextbike vermietet auf clevere Weise Fahrräder - und will Menschen fürs Radeln gewinnen. Nicht nur, weil es gesund ist und das Klima schont. Sondern weil in vielen Städten das Fahrrad das schnellste Verkehrsmittel geworden ist. So auch in Bonn, wo das Unternehmen vor einem Jahr in einem groß angelegten Projekt sein Mietfahrradsystem aufgebaut hat. Schneller als erwartet nahmen die Bonner das Verleihsystem an. Per Smartphone ein Mietfahrrad in der Umgebung finden, an den in Bonn fast immer gegenwärtigen Staus vorbeiradeln - und den Drahtesel am Zielort einfach stehen lassen. Dass solche Projekte hervorragend zum Klimaschutz passen, ist für das Unternehmen ein willkommener Nebeneffekt. Wichtig für die Leipziger Rad-Enthusiasten ist: Rad fahren sollte der „Mainstream“ in Deutschlands Städten werden. Mareike Rauchhaus von nextbike berichtet im Interview über das Bonner Projekt, über die perfekte Fahrradstadt - und darüber, wie man Fahrräder unverkrampft unter die Leute bringt. Wer das Klima schützen will, denkt automatisch auch an neue Mobilitätskonzepte. nextbike hat vor 15 Jahren begonnen, Fahrräder zu verleihen - und zwar auf innovative Weise. Radler mussten nicht länger Fahrräder in einem Geschäft ausleihen und dorthin wieder zurückbringen. Was machen Sie anders? Mareike Rauchhaus: Uns geht es in erster Linie darum, Fahrräder unter die Leute zu bringen und diese zum Radfahren zu bewegen. Unsere Räder sind über die Stadt verteilt, beispielsweise an Ausleihstationen an Haltestellen von Bahnen und Bussen. Oder man findet sie frei zugänglich an Straßen und Plätzen. Mit einer App kann man die Hunderte Mieträder für den Klimaschutz Autor: Oliver Steeger Mieträder finden, ausleihen - und in vielen Städten am Zielort einfach stehen lassen. Zum Beispiel: Man radelt vom Bahnhof aus nach Hause und stellt das Fahrrad einfach vor der Haustür ab. Das ist ein flexibles Angebot. Sie decken also die letzte Meile ab? Beispielsweise die Strecke zwischen Bahnhof und Büro? Das ist unsere Idee. Uns hat natürlich die Weiterentwicklung der Technik stark geholfen. Unsere Fahrräder sind mit GPS-Sendern ausgestattet. Radfahrer können sie mit ihrem Smartphone orten. Beispielsweise können sie genau sehen, wo in ihrer Nähe gerade ein freies Rad steht. Unsere App führt sie dorthin. Sie mieten das Rad über diese App; das Schloss am Rad öffnet sich - und sie können losfahren. nextbike wurde vor 15 Jahren gegründet. Der Klimaschutz stand damals längst noch nicht so prominent in der öffentlichen Diskussion wie heute … Klimaschutz ist für uns natürlich ein Thema. Doch für uns ist auch schlichtweg der Fahrspaß wichtig. Es macht Spaß, Rad zu fahren. Es ist gesund. Man umfährt den Stau in der Stadt, braucht keine Parkplätze zu suchen und bewegt sich geschmeidig auch dann fort, wenn im Berufsverkehr die Autos kaum vorankommen. Dass man nebenbei auch noch ökologisch sauber unterwegs ist, ist ein toller Nebeneffekt. PRAKTISCHE VORTEILE DES FAHRRADS Fahrräder sind in Städten das Verkehrsmittel für die schnellste Fortbewegung? Für kurze Strecken auf jeden Fall, und je nach Tageszeit gilt dies auch für mittlere und lange Distan- Mareike Rauchhaus Mareike Rauchhaus (40) leitet seit zehn Jahren die Kommunikationsabteilung bei nextbike. Als PR-Beraterin suchte sie damals ein Fahrradverleihsystem, auf dem man Werbung schalten sowie eine wirkungsvolle Kampagne initiieren konnte; sie stieß dabei auf nextbike. Die Leidenschaft fürs Fahrradfahren tat ihr Übriges und so stieg sie kurzerhand in das Start-up ein. Heute umfasst allein ihre Abteilung so viele Mitarbeiter wie damals das ganze Unternehmen. Mittlerweile ist nextbike in 26 Ländern vertreten. Foto: nextbike projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 38 REPORTAGE Abb. 1: Unkompliziertes und komfortables Radfahren soll in Städten Spaß machen. Dies ist ein Ziel des Leipziger Unternehmens nextbike. Foto: nextbike- Abb. 2: Die „Brücke“ für die letzte Meile: das Rad als Verkehrsmittel zwischen Bahnhof und Zielort. Foto: nextbike zen. Die praktischen Vorteile des Fahrrads sind seit vielen Jahren die Basis für unsere Philosophie. Heute geht es unseren Kunden immer mehr darum, an Klimaschutz zu denken und CO 2 zu reduzieren. Im Vergleich zu Autos, aber auch zu E-Scootern sind Fahrräder ja ein gänzlich emissionsfreies Fortbewegungsmittel - das uns zudem gesund hält. Gerade diese E-Scooter gelten als der neue Trend in vielen Städten - und vielleicht auch als Konkurrent der Räder … Sie brauchen aber Strom. Auch sind die Akkus ökologisch nicht ganz unbedenklich. Und: Fahrräder haben im Vergleich zu diesen Scootern zudem eine viel längere Lebensdauer, dies schont Ressourcen. Wir haben noch Leihfahrräder in Betrieb, die schon über fünf Jahre alt sind. WACHSENDE ROLLE IN MOBILITÄTSKETTE Welche Rolle spielen Ihre Fahrräder in der Mobilitätskette? Mietfahrräder haben zwei große Vorteile. Sie sind öffentlich wie beispielsweise Busse und Bahnen. Man kann sich jederzeit ein Rad leihen. Zugleich sind sie individuell - also unabhängig von Fahrplänen und Haltestellen. Mit dem Mietrad fahren Sie, wann immer Sie wollen, von Tür zu Tür. So gesehen sind Mietfahrräder eine gute Ergänzung für den urbanen Nahverkehr. Wichtig ist, dass der ÖPNV mit dem Angebot an Mieträdern gut verzahnt ist. Dann wird das Konzept wirklich nachhaltig und permanent verfügbar. Sie fahren mit dem Rad zum Bahnhof, reisen mit dem Zug weiter und nehmen dann wieder ein Fahrrad zum Zielort. In Bonn haben wir beobachtet, dass Pendler in Köln zum Bahnhof radeln, mit dem projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 39 Abb. 3: Erster Testlauf in Bonn 2017: Zur Weltklimakonferenz hatte nextbike vorübergehend 600 Mieträder für die Teilnehmer aufgestellt. Bis zu zweitausendmal pro Tag wurden die Räder ausgeliehen. Foto: nextbike Regionalzug nach Bonn und dort mit dem Mietrad zum Arbeitsplatz fahren. In Bonn haben Sie vor einem Jahr nextbikes eingeführt. Im September haben Sie rund 900 Räder in die Stadt gebracht und dann im Januar nochmals nachgelegt. Heute stehen die silber-blauen Räder an fast jeder Straßenecke. Bemerkenswert ist, dass Sie Ihr Projekt in Bonn zusammen mit den Stadtwerken Bonn vorangetrieben haben - also mit einem Partner, der den ÖPNV in Bonn verantwortet. Wie kam es zu diesem Projekt in Bonn? Der Anstoß für dieses Projekt kam von den Stadtwerken, den Verkehrsbetrieben in Bonn; die Politik hat also den Wunsch nach einem System für Mietfahrräder initiiert. Bonn war uns damals nicht unbekannt. Bereits zur Weltklimakonferenz 2017 hatten wir dort vorübergehend 600 Mieträder für die Teilnehmer aufgestellt, ein für die Teilnehmer kostenloser Testlauf. Zur Klimakonferenz wurden die Räder 2.000-mal pro Tag ausgeliehen, was ein ordentliches Ergebnis war. Kurz danach gab es eine Ausschreibung der Stadtwerke Bonn für ein dauerhaftes System. Wir haben uns an einem klassischen Vergabeverfahren beteiligt. Die Initiative für Bonn ging also gar nicht von Ihnen aus? Nein. Heute schreiben Städte solche Systeme aus, und wir beteiligen uns an den Ausschreibungen. Früher war dies anders. Damals mussten wir für unsere Idee häufig kämpfen und bei Lokalpolitikern, Verkehrsbetrieben, Universitäten und anderen möglichen Partnern „Klinken putzen“. Wir haben immer wieder die Vorteile von Bike Sharing erklärt und erläutert, wie Fahrräder den ÖPNV ergänzen und wie man Busse und Bahnen mit Rädern verzahnt. Heute dagegen weiß man in Lokalpolitik und Stadtverwaltungen, wie wichtig Mietfahrräder für die urbane Mobilität sind. Verkehrsbetriebe haben erkannt, dass Mietfahrräder die Attraktivität des ÖPNV steigern. Unsere Angebote werden vor allem zwischen 7 und 9 Uhr morgens sowie abends zwischen 17 und 19 Uhr genutzt. Das sind die typischen Zeiten des Berufsverkehrs, in denen auch die Busse und Bahnen voll sind. Wir haben es bei unseren Kunden in dieser Zeit ganz klar vor allem mit Pendlern zu tun. LOKALE PARTNER FÜR PROJEKTE Weshalb sind lokale Partner für Ihre Projekte so wichtig? Wenn wir ernsthaft neue Mobilitätskonzepte umsetzen wollen, müssen die verschiedenen Anbieter zusammenarbeiten. Da gehört der ÖPNV fest in dieses Konzept. Je enger wir mit den Anbietern von ÖPNV arbeiten können, desto besser wird am Ende die Verzahnung zwischen Bus, Bahn und Fahrrad. Darüber hinaus haben lokale Partner wie die Stadtwerke Bonn oder der Verkehrsverbund Rhein-Sieg für uns einen großen Vorteil: Sie kennen die Örtlichkeit und die Verkehrswege in der Stadt. Sie sind mit dem Bedarf vertraut und kennen beispielsweise sinnvolle Orte für Mietstationen. Sie haben Kontakte zu wichtigen Stakeholdern und können Türen für uns öffnen. Wir dagegen bringen unser Knowhow rund ums Bike Sharing ein. In der Praxis gibt es unterschiedliche Modelle der Kooperation. Einige lokale Verkehrsbetriebe sind Auftraggeber für uns. Sie bestellen bei uns Bike-Sharing-Angebote, und wir betreiben in ihrem Auftrag das Mietsystem. In anderen Fällen handelt es sich mehr um eine Partnerschaft ... ...eine Art Joint Venture? In etwa, ja. PARTNER IN BONN KENNEN STAKEHOLDER VOR ORT Die Vorbereitung für das Einführungsprojekt in Bonn war langwierig. Die politischen Entscheidungen haben sich über viele Monate hingezogen. Angesichts dieser schwierigen Starts - welche Vorteile hat diese Partnerschaft für Sie beim Projektmanagement? Die Zusammenarbeit mit Kommunen kann für uns anstrengend sein, das ist richtig. Auf der projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 40 REPORTAGE anderen Seite erleichtern diese Partnerschaften auch das Projektmanagement. Denken Sie beispielsweise an das Stakeholdermanagement. Bürger, Presse, Verbände, Politik, Wirtschaft - solche Stakeholder müssen bei der Einführung einbezogen werden. Unsere Partner in Bonn verfügen über etablierte Kontakte und Verbindungen. Sie haben Zugang zu dem Netzwerk in Bonn, und dieser Zugang ist wichtig für uns. Dies betrifft auch das Marketing: Es ist von Vorteil, wenn sich lokale Spitzenpolitiker medienwirksam aufs Rad setzen und als Vorbild vorneweg radeln. Da können uns lokale Partner gut helfen, an solche Bilder zu kommen. Weshalb entscheiden sich lokale Partner für nextbike? Wir nehmen - wie in Bonn - normal an einer Ausschreibung teil. Offen gesagt, wir werden nicht zwingend darüber unterrichtet, weshalb die Wahl auf uns fällt. In Bonn mag es von Vorteil gewesen sein, dass wir im benachbarten Köln sowie im Raum zwischen Köln und Bonn aktiv sind. Diese Gegend versteht sich als Metropolregion. Was waren die Erfolgsfaktoren für das Projekt der Einführung von Bike Sharing in Bonn? Beim Projektmanagement müssen alle Prozesse ineinandergreifen: die Konzeption und Verhandlungen mit Partnern, die Lieferung der Fahrräder, der Aufbau der Servicestationen vor Ort, das Marketing. Hinter jeder Einführung steht auch die Produktion der benötigten Fahrräder. Die Produktion muss verzahnt sein mit dem Projekt. nextbike hat einen eigenen, robusten, alltagstauglichen und komfortablen Fahrrad-Typ entwickelt. Unlängst haben Sie 40.000 dieser Fahrräder bei einem Hersteller geordert. Wie sehr beziehen Sie die Nutzer in die Konstruktion der Räder ein? Wir berücksichtigen in unserer Entwicklungsabteilung natürlich das Feedback unserer Kunden. Doch wichtiger für uns ist die Rückmeldung unserer Servicemitarbeiter vor Ort, die die Fahrräder täglich aufsammeln, verschieben, warten und reparieren. In Bonn haben wir eine eigene Fahrradwerkstatt und ein mehrköpfiges Team, das sich um unseren Fuhrpark kümmert. IDEEN FÜR DIE ENTWICKLUNG DER „NEXTBIKES“ Welche Ideen kommen von Ihren Mitarbeitern? Ein Beispiel: Normale Räder haben eine Klingel mit Hebel. Viele Menschen kennen die Fahrradklingeln gar nicht anders. Doch diese Hebel sind bei unseren Rädern immer wieder abgebrochen, etwa beim Transport oder wenn die Räder hinfallen. Deshalb haben wir eine neue Klingeltechnik ohne Hebel entwickelt. Statt eines Hebels betätigt man ein Rädchen am Lenker, ähnlich wie bei der Gangschaltung. Ein anderes Beispiel: Das Rücklicht wurde komplett in den Rahmen eingelassen - und nicht wie sonst auf das Schutzblech aufgeschraubt. Durch solche Verbesserungen machen wir unsere Räder robust und sicher auch gegen Vandalismus. Auch bei den Stationen und ihren Ständern entwickeln wir ständig Neues, beispielsweise eine automatische Rückgabeerkennung mit Schließsystem. Dadurch wird das Rad doppelt gesichert. Bilden solche technischen Fragen die Herausforderung bei Ihren Projekten? Das Technische ist für uns heute ein Standardthema. Das haben wir gut im Griff. Trotzdem bildet es manchmal einen Kraftakt, den wir stemmen müssen. Wenn zum Start in einer Stadt wie Bonn Hunderte Fahrräder ausgebracht werden, braucht dies Zeit, Planung und Abstimmung mit unseren Partnern. Die Fahrräder kommen nicht komplett vom Lkw; sie müssen noch montiert werden. Auch die Stationen müssen dann einsatzbereit sein. Stationen - inwiefern ist dies schwierig? In Bonn haben wir nur wenige feste Stationen. In anderen Städten gibt es mehr davon. Doch auch für die vergleichsweise wenigen Stationen in Bonn haben wir uns vorher gemeinsam mit Mitarbeitern der Stadtplanung sowie Mitarbeitern des Verkehrs- und Tiefbauamts Standorte angeschaut. Da geht es um einfache, doch entscheidende Fragen: Kann man die Ständer für die Fahrräder direkt auf die Bodenplatten aufschrauben? Müssen wir fundamentieren, damit die Ständer standsicher sind? In Rahmen Abb. 4: Nachts sammelt das Serviceteam Fahrräder ein und bringt sie zur Wartung. Foto: nextbike projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 41 eines Projekts werden zudem noch andere Aufgaben erledigt: die Anpassung von Apps an den lokalen Partner, die Entwicklung und Realisierung des Tarifsystems, die farbliche Anpassung der Räder, Entwicklung von Aufklebern, die an den Fahrrädern das Ausleihen und Zurückgeben erklären, der Aufbau des Services, wie er in unseren Service Level Agreements beschrieben ist. PROJEKTHERAUSFORDERUNG „FINANZEN“ Service Level Agreement? Was darf ich mir darunter vorstellen? Jeder Partner oder Auftraggeber erwartet von uns einen anderen Service. Manche Partner wollen, dass wir ständig Räder an den Stationen vorhalten. Wir bringen also laufend Räder dorthin und sorgen dafür, dass die Stationen nicht leerlaufen. Hinsichtlich des Service Levels gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen. Ähnliches gilt für das Tarifsystem. Wir empfehlen meistens, unser Tarifsystem zu übernehmen. Doch manchmal haben Städte ihre eigenen Ideen. So hat etwa Berlin individuell ein Dreitagesticket für Touristen eingeführt. Sie sagten, dass die technische Seite Ihrer Projekte kaum Schwierigkeiten macht. Wo liegen dann die Herausforderungen? Die Herausforderungen sind zumeist finanziell. Das Projekt muss vorfinanziert werden. Sie können die Mittel erst abrufen oder erst dann Rechnungen schreiben, wenn das System aufgebaut ist. Bis dahin muss man es vorfinanzieren. Daraus ergeben sich häufig Gratwanderungen. Inwiefern Gratwanderungen? Bei Projekten stellt sich uns die Frage, wie sehr man auf individuelle Wünsche etwa von Partnern eingehen kann - oder wo man Grenzen ziehen muss. Solche individuellen Wünsche müssen im Einzelfall abgewogen werden. Blutet man aus, wenn man beispielsweise dem Partner verspricht, dass wir zu jeder Zeit an jeder Station mindestens drei Fahrräder bereithalten? Kann man eine App stark für einen Partner individualisieren, oder kann man bei der Hotline neben deutscher und englischer Sprache auch etwa Arabisch oder Türkisch anbieten? So etwas schlägt sich in Arbeitsstunden und externen Kosten nieder. In der Anfangszeit unseres Unternehmens haben wir Kundenwünsche realisiert und wurden manchmal vom Aufwand und von den damit verbundenen Kosten überrascht. WACHSENDE PROJEKTE - UND IDEALISMUS DER GRÜNDERZEIT Daraus haben Sie bei Ihren Projekten gelernt? Natürlich! Unsere Projekte sind größer geworden, unser Unternehmen ist gewachsen. Da lernt man, an die Ressourcen zu denken, sich intensiver mit Anforderungen auseinanderzusetzen, vielleicht auch einmal Wünsche abzulehnen, wenn diese nicht finanzierbar sind. Wir haben uns viel Idealismus von der Gründerzeit bewahrt. Wir werden oftmals immer noch als Start-up bezeichnet, mit Verlaub, ein 15 Jahre altes. Diesen Spagat zwischen unserem Idealismus und finanziellen Sachzwängen - das meinte ich mit Gratwanderung. In Städten wie Paris und London ist das Radfahren erst durch Bike Sharing wieder populär geworden. Die Leute haben erkannt, dass das Rad nicht nur Schüler und Studenten vorwärtsbringt. Verändert da Bike Sharing auch gesellschaftlich etwas? Vielleicht, ja. In Paris hat man 2010 ein erstes, wirklich erfolgreiches Modell für ein öffentliches System aufgebaut. Dort hat man 10.000 Fahrräder stationsgebunden bereitgestellt. An zahlreichen Stationen konnte man Räder ausleihen und wieder abgeben. Da haben wir das erste Mal gesehen, was es für eine Stadt bedeutet, wenn man über eine kritische Masse von Mieträdern hinauskommt, wenn man so viele Fahrräder in die Stadt hineinbringt, dass sie wirklich für jedermann sichtbar werden und zum Straßenbild gehören. Der Effekt war: Die Leute haben wieder gelernt, Rad zu fahren. Sie sahen andere unterwegs mit den Rädern; viele überlegten sich, ob sie sie selbst nutzen können - und zwar weit über das Freizeitradeln hinaus. Das Projekt in Paris war ein Katalysator für ein Umdenken - einfach, weil mehr Radfahrer sichtbar waren. Ähnliches hat man auch in London beobachtet, als das Bike Sharing eingeführt wurde. KRITISCHE MASSE ERREICHEN Sie sagten, man sei über eine kritische Masse hinausgekommen. Was ist damit gemeint? Es kommt darauf an, dass man weder zu wenige noch zu viele Räder in die Stadt bringt. Auf der einen Seite dürfen es nicht zu wenige sein, sodass es zu Engpässen kommt … … solche Kritik hat es ja in Bonn gegeben. Dann, wenn man ein Rad brauchte, war keines da. Deshalb haben wir dort auch zügig, ein halbes Jahr später, Räder nachgeliefert. Wir haben aus anderen Projekten gelernt. Wenn wir zunächst unterhalb der kritischen Masse bleiben, dauert es lange, bis die Nutzung unserer Fahrräder in der Stadt für die breite Öffentlichkeit sichtbar ist. In Bonn und anderen Städten sind wir dies von vornherein anders angegangen. Wir sind mit einer großen Zahl von Rädern gestartet und haben sichergestellt, dass diese viel genutzt werden - etwa durch günstige Angebote für Kunden der Verkehrsbetriebe. Wir halten die Hemmschwelle, unsere Räder zu nutzen, bewusst sehr niedrig. Es dürfen aber bei solchen Einführungsprojekten aber auch nicht zu viele Fahrräder sein. Weshalb? Stehen zu viele Räder auf der Straße, sinkt die Akzeptanz. In der Vergangenheit haben einige asiatische Wettbewerber über Nacht in Innenstädten eine große Zahl von Fahrrädern ausgebracht. Diese Räder standen am Straßenrand, in Fußgängerzonen, in Parks oder vor Hauseingängen. Das war eindeutig zu viel, zumal dieser Fuhrpark anscheinend kaum gewartet und gemanagt wurde. SERVICETEAMS UNTERWEGS Dies machen Sie anders, etwa in Bonn? Wir haben die Zahl der Räder stufenweise erhöht. Je nach Bedarf haben wir aufgestockt, bis wir schrittweise die kritische Masse erreicht haben. Diesen sukzessiven Aufbau empfehlen wir übrigens auch unseren kommunalen Projektpartnern oder Auftraggebern. Was wir noch anders machen als viele Mitbewerber: Bei uns sind in den Städten unsere Serviceteams unterwegs, um die Fahrräder auf Pick-ups laden und dorthin zu bringen, wo sie gefragt sind. Wir verschieben mehrere Hundert Räder täglich. Ein Beispiel: In Bonn liegen die Universitätskliniken auf einer Anhöhe, dem Venusberg. Da möchte niemand hinaufradeln. Viele fahren mit projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 42 REPORTAGE dem Bus hinauf, nehmen dann aber ein Leihfahrrad für den Weg hinab… … und genau da bringen unsere Servicemitarbeiter Räder auf den Venusberg, damit dort immer genug verfügbar sind. Außerdem haben wir eine eigene Werkstatt, in der unsere Servicemitarbeiter defekte Fahrräder zügig reparieren. In Bonn ist der Verkehrsraum beengt. Kürzlich ist die Stadt zur Stau-Hauptstadt Nordrhein-Westfalens gekürt worden, ein wenig schmeichelhafter Titel. Die Rivalität zwischen Radfahrern und Autofahrern gehört zum Alltag. Durch nextbike kommen nun noch mehr Radfahrer dazu. Wird dadurch das Radfahren noch gefährlicher? Nein, ganz im Gegenteil. Als ich vor Jahren in London Rad gefahren bin, war dies wirklich noch riskant. Dies ist dort heute anders, auch dank des Bike Sharings. Die Autofahrer gewöhnen sich an die Radfahrer. Man achtet gegenseitig auf sich. Ähnliches in Skandinavien. Dort ist in den vergangenen Jahren der Radverkehr stark gestiegen. Doch die Unfallquote ist nicht proportional mit angestiegen - obwohl mehr Radler unterwegs sind. Noch etwas: Wenn mehr Radfahrer unterwegs sind, heißt dies ja nicht, dass der Verkehr dichter wird. Ganz im Gegenteil! Viele Radler verzichten aufs Auto. Jeder Radler mehr kann ein Auto weniger bedeuten. Autoverkehr wird also aufs Rad verlagert. Dann kommen auch die Autofahrer besser durch, die auf ihr Auto angewiesen sind. Damit sind wir auch wieder beim Klimaschutz. STÄDTE HABEN CHANCEN ERKANNT Seit wann erkennen Städte, dass die Förderung von Radverkehr nicht nur Verkehrsprobleme löst, sondern auch zum Klimaschutz beiträgt? Die Erkenntnis ist nicht neu. Städte haben schon vor Jahren begriffen, dass sie den Radverkehr fördern müssen, wenn Klimaziele eingehalten werden sollen. Das heißt dann auch, den Umstieg aufs Fahrrad zu erleichtern. Wie kann man Bürger in den Sattel helfen? Durch kostengünstige Angebote! Beispielsweise in Bonn ist für Kunden des dortigen Verkehrsverbunds die erste halbe Stunde Nutzung von nextbike frei. In Hamburg und Norderstedt ist die erste halbe Stunde generell für jedermann frei. In Polen geht man noch weiter. Dort zahlen alle Städte für die Nutzung während der ersten halben Stunde. In Polen kann man sehr gut beobachten, wie sich das Verhalten der Menschen verändert. In Polen war Rad fahren für viele Jahre unüblich. Die meisten Polen hatten kein eigenes Rad. Jetzt sieht man deutlich mehr Radfahrer, auch mit eigenen Rädern. Mieträder haben dort zu einem Umdenken geführt - und zu klimafreundlichem Verhalten. Aus Sicht vieler Radfahrer müssten Städte noch mehr Projekte anstoßen, um das Radfahren attraktiv zu machen. Radwege, Parkhäuser für Radler, Schnellwege - die Liste der Ideen ist lang. Wie sehen Sie dies? Da ist was dran! Einfach nur Fahrräder in die Stadt zu bringen, dies hilft auf Dauer kaum weiter. Radfahrer müssen sich in der Stadt und im Straßenverkehr sicher fühlen. Dies schließt ein, dass Städte genug Radwege haben und diese auch pflegen, etwa durch Schneeräumen im Winter. Um die Verbesserung der Infrastruktur für Fahrräder wird man vermutlich nicht herumkommen, wenn man die Klimaziele erreichen will. „ECHTE VORBILDER“ FÜR RADVERKEHR nextbike hat Standorte in vielen europäischen Städten. Welche Stadt ist aus Ihrer Sicht Vorbild für sicheren und komfortablen Radverkehr? Kopenhagen gefällt mir sehr gut, obwohl wir nicht vor Ort sind. Dort finden Sie nicht nur klassische Fahrräder, sondern etwa auch Lastenräder, in denen Kinder oder Einkäufe transportiert werden. Die Infrastruktur für Radfahrer ist in Kopenhagen hervorragend durchdacht und geplant. Einige Radwege sind breiter als die Spuren für Autos. Manche Radwege haben mehrere Spuren, sodass man gefahrlos überholen und abbiegen kann. Es gibt Radschnellwege und Brücken ausschließlich für Radfahrer, beispielsweise eine, die den Hafen quert. Ampelschaltungen sind für Radfahrer optimiert. Was aber ebenso wichtig ist wie diese Infrastruktur: Die Menschen in Kopenhagen haben ein Bewusstsein für Radverkehr entwickelt. Autofahrer passen etwa beim Abbiegen oder Öffnen der Autotür auf. Und: Der Radverkehr trägt zur Steigerung der Lebensqualität in der Stadt bei. Ich habe Kopenhagen als bunt und vielfältig erlebt. Das Thema „Rad fahren“ war ja lange Zeit politisch geprägt. Viele Radfahrer rechnen sich dem links-grünen Spektrum zu. Rad fahren galt auch als politisches Statement. Das ist in Deutschland noch immer so. Diese alten Fronten spüren Sie noch in der Diskussion. Das Rad und das Auto werden als Kontrahenten gesehen, und dies wird politisch nach wie vor instrumentalisiert. In einer Talkshow habe ich mit einem Politiker diskutiert, der ebenfalls noch diesen Fronten verhaftet war. Auf der anderen Seite höre ich von Bürgermeistern, dass in ihren Städten Rad fahren längst nicht mehr politisch koloriert oder alternativ-links verortet ist. Da bewegt sich derzeit etwas - vielleicht auch angestoßen durch unsere laufende Klimadiskussion. Rad fahren wird normal für jedermann, also zum Mainstream: ein völlig normales Verkehrsmittel wie auch das Auto. Dies können Sie beispielsweise im Berufsverkehr erkennen. Da sind viele Menschen im Anzug und mit Aktentasche unterwegs. ARBEITGEBER KÖNNEN MITMACHEN Können da auch Arbeitgeber das Radfahren fördern? Warum nicht? Wir sind große Freunde der Idee, dass Arbeitgeber statt einer Gehaltserhöhung steuerfrei ein Mietrad finanzieren. Die Sächsische Staatskanzlei hat ihren Mitarbeitern Accounts bei uns gekauft. Die Mitarbeiter können auf unseren Fuhrpark in Dresden zugreifen. Gegen Aufpreis stellen wir Unternehmen sogar eine eigene Station vor die Tür. Versuchen wir doch bitte einen Ausblick auf die Zukunft. 20 Jahre weiter - wie hat sich für Sie der Radverkehr in Deutschland verändert, wenn Sie morgens auf dem Weg zur Arbeit sind? In einer idealen Welt stelle ich mir dies so vor: Es wird einen starken Zuwachs beim Radverkehr geben - nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Ich fahre auf einem breiten Radweg zusammen mit vielen anderen Radfahrern. Zwischen uns sind Cargoräder mit Kindern oder auch Gütern. Wenn wir an Ampeln stehen bleiben, entdecke ich Bekannte und Nachbarn. Wir grüßen uns freundlich. Es ist genug Platz für alle da, ich kann beispielsweise ein langsames Lastenrad bequem überholen. Die Aggressivität, die wir aus dem Autoverkehr heute kennen, ist einem freundlichen, rücksichtsvollen Miteinander gewichen. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 REPORTAGE 43 Mit dem nextbike unterwegs in Bonn - ein Selbstversuch Klappt es wirklich mit den Mietfahrrädern in Bonn? Wir haben es ausprobiert. Erster Eindruck: Die Mieträder sind eine gute Alternative und Ergänzung - gleichwohl es auf Bonner Straßen für Radler nicht immer so hurtig vorangeht wie gewünscht. Abb. 5: Erster Eindruck: Die Räder sind erstaunlich stabil und gut zu fahren. Foto: Oliver Steeger Mein Smartphone weist mir den Weg zum nächsten Mietfahrrad. Vor dem Alten Rathaus in Bonn soll ein „nextbike“ stehen. Meine App sagt: Am Standort 4749 ist das Rad mit der Nummer 45423 frei, eines der wenigen in der Bonner Fußgängerzone. Ich bin am Hauptbahnhof, ein Fußweg dorthin von gut zehn Minuten. Offenbar bin ich nicht der Einzige, der um 10 Uhr morgens mit einem der blau-weißen Mieträder unterwegs sein will. An der Fußgängerampel hinter mir steht eine junge Frau mit „ihrem“ nextbike. Ich suche „meins“, sage ich ihr. „Keine Sorge“, ermuntert sie mich, „diese Räder gibt es überall.“ Sie habe sehr selten Probleme damit, eines zu finden. „Ich fahre damit zur Uni nach Poppelsdorf“, erklärt sie. Das sind doch höchstens zwanzig Minuten zu Fuß! „Na und? “, sagt sie, „es spart Zeit.“ Die Ampel schaltet auf Grün, und schnell ist die Radlerin im Verkehr verschwunden. Ich laufe zu meinem nextbike Nr. 45423. Doch am Rathaus angekommen finde ich es nicht. Ich aktualisiere die Karte. Oops, da war jemand schneller. Am Obelisken auf dem Marktplatz erspähe ich ein anderes Rad. Leider ist es nicht frei, wie mir die App mitteilt. Da hält jemand anders die Finger drauf. Ein dunkelhaariger Mittdreißiger schiebt sein nextbike durch die Fußgängerzone. „Die Mieträder sind sehr günstig“, rechnet er mir vor, „die erste halbe Stunde ist für mich frei wegen meines Abos beim Verkehrsverbund.“ Doch die meisten Radler, so habe ich gehört, schöpfen die erste freie halbe Stunde nicht einmal aus. Die Station „Friedensplatz/ Budapester Straße“ ist ebenfalls leer, Gleiches gilt für „Alter Friedhof“. Dann sehe ich ein einsames Rad gegenüber dem Landgericht, und es ist frei. Ich scanne die Nummer ein, das Schloss öffnet sich mit lautem Klacken. Mit einem Handgriff bringe ich den Sattel auf meine Höhe. Dann geht es los! Weiter geht’s durch den Hofgarten an der Universität. Obwohl das Fahrrad so massiv wirkt, fährt es sich leicht und sicher. Die Bremsen sind gut, die Klingel - durch ein Rädchen statt eines Hebels zu betätigen ist gewöhnungsbedürftig. Die Lampen sehen solide aus, das Rücklicht ist in den Rahmen eingelassen. Jemand sagt mir, dass er das Rad gerne nachts nutzt, wenn er von Partys heimfährt und kein Bus mehr geht. Abb. 6: Eine Radlerin unterwegs am Bonner Rathaus. Foto: Oliver Steeger Auf dem Münsterplatz am Beethoven-Denkmal will ich kurz Pause machen. Ich stelle das Rad ab und checke aus (einfach das Schloss schließen, dann wird es automatisch ausgebucht). Zehn Minuten später bin ich wieder da. Mein Rad ist weg. Jemand anders hat es gerade gemietet. Ich sehe ihm hinterher, als er davonradelt. Autor: Oliver Steeger projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 44 REPORTAGE Gemeinsam. Gemeinwohl. Gestalten. Nachhaltige Governance von Projekten als Erfolgsfaktor für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Die GPM beim 7. Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2019 Autorin: Heike Kratt Gemeinsam. Gemeinwohl. Gestalten. - Governance von Projekten als Erfolgsfaktor für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft: Unter diesem Motto stand der Auftritt der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. beim Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2019, der vom 27. bis 29.5.2019 im Berliner Congress Centrum (BCC) stattfand. Der Kongress versteht sich als die Leitveranstaltung des Public Sectors für digitalen Wandel und steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat. Der diesjährige Kongress war mit über 2.000 Teilnehmenden ausverkauft. Die siebte Ausgabe des Zukunftskongresses gestaltete die GPM besonders intensiv mit: ein Workshop im Vorfeld des Kongresses (siehe Bericht auf S. 53), die dreistündige Konferenz „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ am ersten Kongresstag mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen und der Verleihung des Roland Gutsch Project Management Awards 2019, drei Best-Practice-Dialoge an den zwei folgenden Tagen sowie ein GPM Stand neben dem Stand des BMI. Die Projektleitung und die inhaltliche Koordination für die GPM Beteiligungen sowie die Gesamtmoderation der GPM Konferenz lagen bei Heike Kratt, Sprecherin Public Affairs. Und noch etwas war neu in diesem Jahr: Die GPM war zum ersten Mal als einer der sechs Hauptpartner des Zukunftskongresses vertreten. Synergien nutzen: der Governance- Kongress der GPM am ersten Tag des Zukunftskongresses Der Governance-Kongress „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten - Governance von Projekten als Erfolgsfaktor für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“ unter der Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministeriums ist bereits zweimal, 2014 und 2017, von der GPM in der Hauptstadt umgesetzt worden. Federführend war jeweils die Hauptstadtrepräsentanz bzw. die Abteilung Public Affairs. Dieses Jahr fand die Konferenz am ersten Tag des Zukunftskongresses statt, um Synergien hinsichtlich der Zielgruppe - Entscheiderinnen und Entscheider aus der öffentlichen Verwaltung - stärker zu nutzen. Die Inhalte der Konferenz wurden wesentlich geprägt durch die Diskussionen im Beirat des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“. Partner der Konferenz aus dem Beirat waren: das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesverwaltungsamt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement KGSt, die Freie und Hansestadt Bremen, die Freie und Hansestadt Hamburg sowie der Landkreis Hameln-Pyrmont. >> Für eilige Leser Gemeinsam. Gemeinwohl. Gestalten. - Governance von Projekten als Erfolgsfaktor für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft: Unter diesem Motto stand der Auftritt der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.-V. gemeinsam mit ihren Partnern aus der öffentlichen Verwaltung beim Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2019, der vom 27. bis 29.5.2019 im Berliner Congress Centrum (BCC) stattfand. Die GPM war zum ersten Mal als einer der sechs Hauptpartner des Zukunftskongresses vertreten. Die Projektleitung und die inhaltliche Koordination für die Formate lagen bei Heike Kratt, Sprecherin Public Affairs. Prof. Helmut Klausing, Präsident der GPM, eröffnet die Konferenz „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ im Kuppelsaal des BCC. Foto: Thomas Ernst Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 45 Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Nutzenpotenziale in erfolgreichen Projekten nachhaltig umsetzen Es wurde ein starker Auftakt: GPM Präsident Prof. Helmut Klausing eröffnete die Konferenz vor rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörern im repräsentativen Kuppelsaal des BCC. Anknüpfend an das übergeordnete Thema des Zukunftskongresses, der sich insbesondere mit den Veränderungen beschäftigt, die sich für die öffentliche Verwaltung durch die Digitalisierungsprozesse ergeben, hob Klausing hervor: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck - sie muss sich an ihrem Nutzen messen lassen.“ Nutzenpotenziale in erfolgreiche Projekte nachhaltig umzusetzen - dies sei die große Herausforderung an das Projektmanagement und die Governance von Projekten. In Bezug auf die öffentliche Verwaltung hieße das vor allem, den Fokus darauf zu legen, wie es gelingen kann, die Gestaltung der Digitalisierung mit der Erreichung von nachhaltigen Zielen zu verbinden. „Wie können wir die erforderlichen Kompetenzen, eine Projektkultur des gemeinsamen Erfolgs, eine ebenenübergreifende Projektgovernance und förderliche Rahmenbedingungen für diese Projekte entwickeln? “ Einen wichtigen Beitrag dazu leiste der Beirat des 2017 von der GPM initiierten Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“. Gemeinsam werde daran gearbeitet, die öffentliche Verwaltung zu stärken, um die großen Herausforderungen unserer Zeit gestalten zu können. Die Chancen der Digitalisierung für das Gemeinwohl nutzen Einführend stellte Heike Kratt die gemeinsame Gestaltungsaufgabe von Bund, Ländern, Kommunen und der Europäischen Union in den Mittelpunkt: „Die Chancen der Digitalisierung für das Gemeinwohl zu nutzen - dies kann nur in einem europäischen Netz von Projekten geleistet werden, die regional und lokal wirken.“ Vor diesem Hintergrund beschäftige sich die Konferenz mit der Frage, welche Beiträge und Erfahrungen es gibt, die Zusammenarbeit der staatlichen Ebenen von der Kommune bis zur EU in Projekten zu stärken. Besonderes Augenmerk werde dabei auf den Projektmanagementansatz der Europäischen Kommission Open PM² gelegt. Auch der Beitrag des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ spiele eine Rolle. Anhand des konkreten Beispiels der großen gesellschaftspolitischen Herausforderung des Klimawandels werde die Frage gestellt, welche Kultur und welche Haltungen dazu beitragen können, derartig große und komplexe Gestaltungsaufgaben erfolgreich anzugehen. Gute Projektgovernance stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland In seinem Grußwort für den Schirmherrn hob Oliver Wittke, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, die Bedeutung von guter Projektgovernance für den Wirtschaftsstandort Deutschland hervor. Die GPM nehme sich hier eines sehr wichtigen Zukunftsthemas für die staatliche Gestaltungsfähigkeit an. Anhand des Generationenprojekts „Emscher-Umbau“ in Nordrhein-Westfalen hob Wittke die Bedeutung einer Gestaltungskultur hervor, die den gemeinsamen Erfolg in den Mittelpunkt stelle. Die sei ein herausragendes Beispiel dafür, wie es durch gutes Projektmanagement gelungen sei, über einen sehr langen Prof. Helmut Klausing, Präsident der GPM, mit Oliver Wittke, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi; Foto: Thomas Ernst Moderatorin Heike Kratt, Sprecherin Public Affairs der GPM, mit Keynoteredner Oliver Wittke, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi; Foto: Thomas Ernst projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 46 POLITIK UND GESELLSCHAFT Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Zeitraum eine Region für ein Projekt zu begeistern, verschiedene föderale Ebenen bis hin zur EU erfolgreich einzubinden und dabei zugleich im Kosten- und Zeitrahmen zu bleiben. Wittke drückte seine Freude darüber aus, dass dieses erfolgreiche Projekt mit dem von der GPM ausgelobten Roland Gutsch Project Management Award 2019 im Rahmen dieser Konferenz geehrt würde. Die EU-Projektmanagement- Initiative Open PM² Thomas Gageik von der Europäischen Kommission stellte in seiner Keynote den Projektmanagement-Ansatz Open PM² der EU vor. Könnte dieser ein Beitrag für mehr ebenenübergreifende Projektzusammenarbeit sein? Das war eine der Leitfragen seines Vortrags. Er verwies zunächst darauf, dass der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine stärkere Fokussierung auf gutes Projektmanagement im Bereich der Europäischen Union und insbesondere auch der EU-Institutionen wie der Kommission proklamiert habe. Mehr Projektmanagement diene der Überwindung von Silodenken und könne eine Kultur des gemeinsamen Erfolgs und der Zusammenarbeit fördern. Vor diesem Hintergrund solle die Arbeit der Kommission stärker in Projektteams organisiert werden. Außerdem solle die Steuerungsfähigkeit von Projekten im Sinne eines Portfoliomanagements mit der Möglichkeit zur sinnvollen Priorisierung gestärkt werden. Wichtig für erfolgreiche Projekte, so Gageik, sind eine Klärung der Rollen und Verantwortlichkeiten, eine angemessene Governance, ein sinnvolles und nachvollziehbares Berichtswesen, um das Projekt gut steuern zu können, und eine gemeinsame Sprache, um Projekte ebenen- und ressortübergreifend umsetzen und monitoren zu können. Dazu will PM² einen Beitrag leisten. Als besonderen Nutzen des Ansatzes stellte er heraus, dass PM² auf die Bedarfe der öffentlichen Verwaltung zugeschnitten sei, schlank und flexibel handhabbar und gut zu skalieren und auch bei geringer Projektreife anwendbar sei. Gageik hob dabei insbesondere die starke Werteorientierung dieses offenen Ansatzes hervor. Im Zentrum stehe nicht die Optimierung von Prozessen, sondern die Vision einer Kultur der Zusammenarbeit. Der Fokus aller Bestandteile von PM², Governancestrukturen, Projektzyklus, Prozesse und Artefakte liegt damit sehr stark auf der Frage der Nutzenorientierung. Wie kann aus der Perspektive der Projektbetroffenen ein möglichst hoher Nutzen generiert werden? Das verändert den Blick auf das Verständnis von Projekten: Projekte und Projektmanagement sind damit weniger ein Mittel, um reine Effizienzsteigerungen im Bereich von Prozessen umzusetzen - sie schaffen den Rahmen, um gute, gemeinwohlorientierte Lösungen zu ermöglichen. Podiumsdiskussion: die (digitale) Zukunft des föderalen Europas verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert in Projekten gestalten In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Thomas Gageik, Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, Dr. Anke Saebetzki, Abteilungsleiterin Personal- und Verwaltungsmanagement im Finanzressort Bremen, und Christoph Verenkotte, Präsident des Bundesverwaltungsamtes, mit der Moderatorin Heike Kratt zu der übergeordneten Frage: Wie kann die (digitale) Zukunft des föderalen Europas verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert in Projekten gestaltet werden? Frau Dr. Brockmann betonte in ihren Beiträgen, wie wichtig eine überzeugende und identitätsstiftende Idee und ein entsprechend abgestimmter Handlungsrahmen für eine Kultur des gemeinsamen Erfolgs sind. Eine Einbindung von verschiedensten Interessen und Akteuren über Ebenen hinweg, wie dies in der Metropolregion Rhein-Neckar in Projekten gelungen sei, brauche einen Rahmen, auf den sich alle einigen und mit dem sich alle identifizieren können. Projekte scheiterten weniger am Mangel von guten Plänen als an einem Mangel an gemeinsam getragenen und für alle gleichermaßen transparenten Zielen. Herr Verenkotte griff diesen Punkt auf und ermutigte, Projektarbeit insgesamt ernster zu nehmen. Die Verständigung über Projektziele, die Schaffung eines guten Rahmens und auch der Fokus auf Details für eine gelungene Umsetzung seien enorm wichtig. Insbesondere Letzteres werde oft zu wenig geleistet, was dann die Umsetzung und Steuerung sehr erschwere. In diesem Zusammenhang plädierte er auch für die Stärkung eines effektiven Programmmanagements, in dessen Rahmen die Gesamtsteuerung besser zu leisten sei. Dafür brauche es nicht zuletzt noch stärker eine gemeinsame Sprache und auch gemeinsame Standards, die nicht nur innerhalb der Projektcommunity in der Verwaltung wirken, sondern ganzheitlich bekannt sind. Dazu könne ein Ansatz wie PM² einen Beitrag leisten. Frau Dr. Saebetzki sah die Stärke von PM² insbesondere in seinem Fokus auf Fragen der Zieldefinition und der Klärung des Weges zur Erreichung der Ziele sowie der Klärung der Zuständigkeiten. Es bringe nichts, sich auf ein Tool zu konzentrieren, wenn diese grundlegenden Fragen nicht geklärt seien. Sie betonte, dass Bremen die Rolle von Projektleitungen insbesondere darin sehe, dass diese in der Lage seien, Projekte kreativ zu steuern und nicht nach Plan abzuarbeiten. Dazu benötige es Kompetenzen, die weit über die reine Methodenkompetenz hinausgingen. Bremen habe eine Struktur von ausgebildeten Projektleitungen geschaffen, die aus der Keynote Speaker Thomas Gageik von der Europäischen Kommission; Foto: Thomas Ernst projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 47 Verwaltung kommen und nicht von außen, weil das Wissen darüber, wie Verwaltung funktioniert, fundamental für eine erfolgreiche Projektleitung im Kontext der Verwaltung sei. Die Projektleitungen würden auch in andere Ressorts entsendet - dadurch habe sich ein sehr sinnvoller Kompetenztransfer ergeben, der nachhaltig wirke. Zunehmend würden sie als Finanzressort in diesem Zusammenhang auch als Hilfestellung wahrgenommen. Ein wichtiges Thema in der Runde war zudem die Notwendigkeit, ausreichend Ressourcen für Projektarbeit zur Verfügung zu stellen. Hier sei noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Appell: Die Finanzierung sollte stärker projektorientiert und weniger an Zuständigkeiten ausgerichtet sein. Auch die Möglichkeiten der Belohnung und Würdigung von Projektarbeit für die beteiligten Mitarbeitenden müssten verbessert werden. Hier sei auch auf der Führungsebene das Bewusstsein wichtig, den Stellenwert korporativen Arbeitens in der Verwaltung zu erhöhen und anzuerkennen. Den Klimawandel gemeinsam gestalten Als weiterer Keynote Speaker beschäftigte sich Dirk Meyer, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), mit der besonderen Gestaltungsaufgabe des Klimawandels. Seine Fragestellung: Welche Projektgovernance und welche Haltung braucht es, um die große gesellschaftspolitische Herausforderung des Klimawandels gemeinsam zu meistern? Meyer zeichnete ein großes Bild, in dem er deutlich machte, dass es mindestens drei gesellschaftspolitische Herausforderungen gibt, die gemeinsam die Komplexität der Themen und Aufgaben erhöhen und einen enormen sich gegenseitigen verstärkenden Transformationsdruck erzeugen: der Klimawandel, die Digitalisierung und die soziale Ungerechtigkeit. Um diese großen Transformationen gemeinsam gestalten zu können, bedürfe es einer Ausrichtung an nachhaltigen Zielen. Er deutete das Dilemma an, dass einerseits ein hoher Handlungsdruck bestehe und andererseits die Komplexität der Themen das Handeln nicht leichter mache. Vor diesem Hintergrund seien Fragen der angemessenen Governance und der Rolle, die Projektmanagement dabei spielen kann, sowie gemeinsame, visionäre Ziele zu definieren und zu verfolgen sehr wichtig. Es brauche eine klare Vision, einen Kompass, das Wissen und die Kompetenz, um in und an der Transformation zu arbeiten. Die Vision müsse im Dialog von Politik, Staat und Gesellschaft diskursiv erarbeitet werden. Es brauche ein Zielbild, um die Jahrhundertaufgabe, die De-Carbonisierung des menschlichen Lebens, zu erreichen. Es brauche auch die Bereitschaft, auf dem Weg zu diesem Zielbild diesen Weg immer wieder zu hinterfragen und ggf. neue Wege einzuschlagen. Hier spannte Meyer den Bogen zu agilen Ansätzen, die diese Herangehensweise und Kompetenz fördern könnten. Wichtig seien systemische Lösungen im Zusammenwirken aus verschiedenen Politikfeldern und den verschiedenen Ebenen. Insbesondere die kommunalen und regionalen Ebenen sollten in ihren Kompetenzen gestärkt werden, da viele der unmittelbar umzusetzenden Projekte auf diesen Ebenen sehr konkret würden. Als konkrete Projekt- und Governanceansätze vonseiten des BMU nannte Meyer u. a. die umweltgerechte Digitalagenda, für die sich das BMU auf eine transdisziplinäre und agile Suche nach den richtigen Hebeln mache. Die Erfahrung sei hier, dass es sehr schwer sei, das Silodenken aufzubrechen. Das Klimakabinett als ein Versuch, eine ressortübergreifende Governancebene einzuziehen, könne helfen, für die gemeinsame Vision Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Deutlich machte Meyer auch die Rolle von Führungskräften für das Gelingen von Transformationsprozessen. Nur wenn diese ihre Rolle wahrnehmen und die angemessenen Rahmenbedingungen sicherstellen, kann Gestaltung gelingen. (Bitte lesen Sie auf Seite 55 den Gastbeitrag von Dirk Meyer, der auf seiner Keynote beruht.) Die Podiumsdiskussion: Projektgovernance-Ansätze und Haltungen zur Gestaltung des Klimawandels In der folgenden Podiumsdiskussion diskutierten Dirk Meyer, Johanna Buck von der Schülerbewegung „Fridays for Future“, Dr. Susanne Cassel, Referatsleiterin im BMWi, und Wolfgang Sauer für den Landkreis Hameln-Pyrmont mit der Moderatorin Heike Kratt u. a. zu den Fragen, welche (Governance-)Ansätze es zur Gestaltung des Klimwandels braucht und gibt und welche Haltungen dazu beitragen könnten, diesen erfolgreicher als bisher zu gestalten. Dabei wurde deutlich, dass das Dilemma zwischen der Komplexität des Themas einerseits und der Notwendigkeit, möglichst schnell und nachhaltig zu handeln, andererseits ein gewichtiges ist, das die Governance und auch den Dialog darüber vor enorme Herausforderungen stellt. Johanna Buck machte für sich, ihre Generation und die Bewegung „Fridays for Future“ sehr deutlich, dass die politischen Entscheidungen wie z. B. der Kohleausstieg bis 2038 viel zu langfristig ausfielen. Ihre politische Perspektive auf viele der Themen, die verhandelt würden, sei eine andere als die, die offizielle Vertreterinnen und Vertreter der Regierung oder auch der öffentlichen Verwaltung nach außen trügen. Bewegungen wie die ihre seien vor diesem Hintergrund gezwungen, extrem schnell zu agieren, um den Druck zu erhöhen und den meist irreversiblen Folgen des Klimawandels und der Verschleppung von Entscheidungen entgegenzutreten. Ihre Organisati- Podiumsdiskussion mit Entscheiderinnen und Entscheidern der öffentlichen Verwaltung; Foto: Thomas Ernst Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 48 POLITIK UND GESELLSCHAFT onsform sei dabei geprägt von der Nutzung digitaler sozialer Medien, ohne die sie sich eine derartige Wucht ihrer Bewegung nicht vorstellen könnte. Frau Dr. Cassel aus dem BMWi benannte einige Aspekte des Gestaltungsrahmens der Energiewende. Plastisch schilderte sie die enorm hohe Komplexität und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für eine effektive und Dynamik erzeugende Governance: Insbesondere die Vielzahl von z. T. gegenläufigen Zielen, die vielen verschiedenen Akteure und der Innovationscharakter der Energiewende machten das Unterfangen sehr anspruchsvoll. Sie wies auf die Möglichkeiten des Monitorings und Controllings hin, die seit Neuestem auch durch eine neue Governancerichtlinie auf der Ebene der EU unterstützt würde. Als ganz zentral benannte Dr. Cassel die rechtzeitige und ständige Einbindung der wichtigen Stakeholder z.-B. über Konsultationsprozesse. Wolfgang Sauer aus dem Landkreis Hameln Pyrmont betonte: „Es wird immer wichtiger, moderierte Beteiligungsformen zu schaffen, die bereits in der Phase der Auftragsklärung wirkten.“ Klassisches Stakeholdermanagement im Rahmen der Projektdurchführung greife hier zu kurz. Die partizipative Auftragsklärung werde immer wichtiger. Hinsichtlich der Frage, welche Haltung die Gestaltung in Projekten befördere, nannte er vor allem einen Aspekt: Es brauche Mut, Ziele zu definieren, eine Vision zu entwickeln und dann in die beherzte Umsetzung zu gehen. Die Verleihung des Roland Gutsch Project Management Awards 2019 Im Rahmen der Konferenz wurde auch der Roland Gutsch Project Management Award 2019 (RGA) verliehen. Eine zehnköpfige Jury unter Vorsitz von Prof. Hasso Reschke und der Stellvertreterin Prof. Yvonne Schoper wählte die diesjährigen Preisträger aus: Nobert Stratemeier von der Emscher-Genossenschaft wurde für seine Leistungen bei der Umsetzung des Generationenprojekts Emscher-Umbau mit dem RGA ausgezeichnet. Das Team von Zeit Online bekam einen Sonderpreis für zivilgesellschaftliches Engagement für das Projekt „Deutschland spricht“. Generationenprojekt Emscher-Umbau Das Gebiet zwischen Holzwickede und Dinslaken in Nordrhein-Westfalen ist der Schauplatz eines Generationen-Projekts: des Emscher-Umbaus. Hier in der Emscher-Region wurde vor knapp 100 Jahren aus einem Nebenfluss des Rheins ein menschengemachtes, offenes Abwasserkanalsystem. Seit 1992 wird daran gearbeitet, dem Fluss sein ursprüngliches Gesicht zurückzugeben und damit eine gesamte Region positiv zu verändern: ein Millionen-Projekt der öffentlichen Hand. Seit über einem Jahrzehnt koordiniert die Emschergenossenschaft den Emscher-Umbau so erfolgreich und reibungslos, dass das Projekt einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sein dürfte - denn Schlagzeilen machen leider vor allem Projekte, wenn etwas schiefläuft. Diese herausragende Leistung guten Projektmanagements ist sehr maßgeblich dem Leiter des Geschäftsbereichs Planung und Bau bei der Emschergenossenschaft Norbert Stratemeier und seinem Team zu verdanken. Dafür wurde Stratemeier mit dem renommierten Roland Gutsch Project Management Award ausgezeichnet. Die stellvertretende Juryvorsitzende Prof. Yvonne Schoper hob besonders das exzellente Stakeholder-Management hervor und erwähnte die vielen beteiligten Ebenen und Akteure bei diesem Generationen-Projekt: „Teil einer großen Vision zu sein, das ist dem Projektleiter und seinem Team von Emscher-Umbau eindrucksvoll gelungen“, lobte die Juryvorsitzende. Armin Laschet, Ministerpräsident NRW, zeigte sich begeistert von der professionellen Leistung der Emscher-Genossenschaft und des Projektteams und sagte per Videobotschaft: „Die Leistung des Projektteams und aller Menschen, die den Emscher-Umbau ermöglichen, macht unser Land Nordrhein-Westfalen noch schöner und noch lebenswerter. Der Emscher-Umbau ist ein einzigartiges Projekt, das weit über die Region hinausstrahlt. Ausgezeichnet wird heute das professionelle Management dieses Projekts. Machen Sie weiter so! “ (Bitte lesen Sie auf S. 22 f. das Interview mit dem Preisträger Norbert Stratemeier.) Demokratie erlebbar machen: „Deutschland spricht“ In Zeiten von politischem Desinteresse, von immer weiter auseinanderdriftenden Meinungen innerhalb der Bevölkerung, von Hass und Hetze im Netz braucht es, um gegenzusteuern, manchmal nur eines: ein persönliches Gespräch auf Augenhöhe. Doch wie soll das funktionieren, wildfremde Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zu einem Vieraugengespräch an einen Tisch zu bekommen, um über politische Themen zu diskutieren? Das Projekt-Team von Zeit Online hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, genau das zu schaffen - mit bahnbrechendem Erfolg: Am 23.-September 2018 trafen sich Tausende Menschen in ganz Deutschland zum Zwiegespräch. Insgesamt elf Medienhäuser riefen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gemeinsam zu der Aktion „Deutschland spricht“ auf. Abschlussfoto der Verleihung des RGA mit den Preisträgern und Laudatoren, dem Juryvorsitz, den Jurymitgliedern sowie Herrn Prof. Klausing und Heike Kratt (beide GPM); Foto: Thomas Ernst Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 49 Mit dem diesjährigen Sonderpreis für zivilgesellschaftliches Engagement des RGA wurde das Projektteam um Maria Exner, Philip Faigle, Sebastian Horn und Jochen Wegner, ZEIT ONLINE, sowie Harry Keller, diesdas.digital GmbH, ausgezeichnet. Oliver Jarasch, Abteilungsleiter Aktuelle Magazine beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, betonte in seiner Laudatio die gesellschaftliche Bedeutung des Projekts: „Die scheinbar erstarrten Grenzen der verschiedenen Lager scheinen aufgebrochen, für einen Moment egal. Diskurs ist hier kein Fake, sondern beruht auf Interesse. Dieses Projekt baut Brücken.“ Die Best-Practice-Dialoge: über „Frühstück mit Knalleffekt“ und „Moin PM“ zur erfolgreichen „Einführung von Projektorientierung“ An den Folgetagen des Zukunftskongresses, dem 28. und 29.5.2019, fanden insgesamt drei Best-Practice-Dialoge statt, die alle von Projektmanagern aus der öffentlichen Verwaltung gestaltet wurden. Frühstück mit Knalleffekt - wie Sie den optimalen Startschuss für kommunales Projektmanagement setzen Wolfgang Sauer vom Landkreis Hameln-Pyrmont und Silvia Soremba von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) stellten das kommunale Projektmanagement in den Mittelpunkt. Die beiden sind das Leitungsteam der Fachgruppe „PM in den Kommunen“, die im Rahmen der Kooperation zwischen GPM und KGSt mit dem Innozirkel Kommunales Projektmanagement der KGSt zusammengelegt wurde. Soremba stellte klar: „Ohne Projekte und ohne Projektmanagement lassen sich die gesellschaftlichen Herausforderungen nicht mehr meistern. Das ist insbesondere bei den Kommunen der Fall: Die sind am nächsten dran an den Bürgern. Da ist es ganz essenziell, dass Projektmanagement professionalisiert wird.“ Sauer und Soremba diskutierten mit den rund 50 Teilnehmenden des Best-Practice-Dialogs die Frage, welche Zutaten gutes kommunales Projektmanagement braucht: Zentral seien vor allem drei Aspekte: eine Person auf der Führungsebene, die Projektmanagement will und unterstützt, eine einheitliche PM-Systematik und einen „Kümmerer“, der sich um die Einführung und Umsetzung von PM kümmert. Dieser müsse auch entsprechend qualifiziert sein. Sauer betonte: „Projektmanagement gibt es nicht zum Nulltarif. Gutes Projektmanagament erfordert eine gewisse Investition in Qualifizierung und geeignetes Personal.“ Mut sei generell wichtig und insbesondere dann, wenn es auf der Leitungsebene niemanden gebe, der für das Thema brennt. Dann müsse der überzeugte Mitarbeiter für PM werben. Hier helfe es, sich zu überlegen, wie der Nutzen von PM kommuniziert und sichtbar werden kann. Der Nutzen müsse zielgruppengerecht dargestellt werden: Auf der Sachbearbeitungsebene sei der individuelle Nutzen ein anderer als auf der Führungsebene. Als weitere wichtige Zutaten wurden der Ausbau von sachlichen und fachlichen Kompetenzen, Ausdauer und der Spaßfaktor vorgestellt. In der Verwaltung wird Projektarbeit häufig als etwas wahrgenommen, was „on top“ auch noch gemacht werden muss. Da sei es besonders wichtig, die Mitarbeitenden durch die entsprechende Rahmenbedingungen erleben zu lassen, wie viel Spaß die Arbeit im Projektteam machen kann. Moin PM! So bringen wir Projekte auf Kurs. Dieser Best-Practice-Dialog vermittelte die Herangehensweise und Erfolge der Projektmanagement Offices in der Hamburger Verwaltung und bei der Hamburger Port Authority (HPA) mit Sabine Meister von der Finanzbehörde Hamburg und Felix Scholz von der HPA. Die beiden stellten in dem Dialog eindrucksvoll die verschiedenen zentralen und dezentralen Serviceleistungen für das jeweilige Projektmanagement in den Häusern dar. Deutlich wurde, wie wichtig und hilfreich die systematische Unterstützung von Projektleitungen für die erfolgreiche Umsetzung von Projekten und die Anwendung von Projektmanagement in der Verwaltung ist. Sabine Meister betonte: „Es geht uns um die Projektmacher. Projekte werden von Menschen gemacht. Die wollen wir an die Hand nehmen und sie, so leicht es geht, in die Projekte bringen. Das schaffen wir, indem wir sie gut beraten, sie mit angemessenen Tools versorgen und sie entsprechend professionell qualifizieren.“ Sowohl die Finanzbehörde über das Projekt-Wissenscenter als auch die HPA über das zentrale PMO haben zudem eine Standardisierung für PM auf Basis der IPMA Standards entwickelt, die es erlaubt, Projekte nach einheitlichen Kriterien umzusetzen. Gleichzeitig gelingt es, individualisierte Lösungen zugeschnitten auf die jeweilige Projektart und das Umfeld zu entwickeln. Wert legten beide Referenten zudem auf den Hinweis, dass diese Lösungen und Angebote inhouse entwi- Silvia Soremba, KGSt, und Wolfgang Sauer, Landkreis Hameln-Pyrmont, beim Best-Practice-Dialog zum kommunalen Projektmanagement; Foto: Thomas Ernst Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 50 POLITIK UND GESELLSCHAFT Anzeige ckelt wurden - ohne teure Beraterkosten. Beiden PMOs ist es gelungen, die Führungsebene durch auf sie zugeschnittene Formate mit ins Boot zu holen. Da sowohl die Leitung als auch die Mitarbeitenden den unmittelbaren Nutzen der Unterstützung seitens der PMOs direkt erleben, sei die Akzeptanz der Angebote enorm. Projektorientierung einführen: Wie geht’s? Wo hakt’s? Was bringt’s? Im dritten Best-Practice-Dialog wurden Beispiele für die Einführung einer Kultur der Projektorientierung auf Bundesebene beleuchtet. Vortragende waren Eric Humboldt von der Bundesanstalt für den Digitalfunk (BDBOS), René Böcker vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie Christian von Witzendorff für das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Moderiert wurde der Dialog von Heike Kratt. Die drei Institutionen stehen exemplarisch für sehr unterschiedliche Reifegrade hinsichtlich der Einführung von Projektmanagement. Bei der BDBOS ist der Prozess ca. ein Jahr jung. Eric Humboldt stellte hier den Ansatz eines iterativen Vorgehens dar, um von der Theorie in das praktische Tun zu kommen. Der Fokus liege sehr stark auf dem internen Marketing in Form von gezielter und wiederholter Kommunikation mit allen wichtigen Stakeholdern zur Einführung der Standards. Bewährt habe sich dabei, möglichst schnell von der Konzeption in die Praxis zu gehen, auszuprobieren und mit den Rückmeldungen und Erfahrungen dann die Angebote zu verbessern. Ziel sei es, das Delta zwischen Theorie und Praxis auf diese Weise möglichst zügig und vor allem nachhaltig zu schließen. René Böcker vom BAMF machte die Zielsetzung deutlich: Alle IT-Projekte im BAMF sollen nach einem einheitlichen, nutzenorientierten und transparenten Methoden- und Werkzeugkasten umgesetzt werden. Das BAMF wolle sich zudem als Ganzes als eine Projektorganisation nach einem internationalen Standard ausrichten. Die erste Phase der Einrichtung eines PMO auf Projektebene sei inzwischen abgeschlossen. Nun laufe die Phase 2, bei der es um den behördenweiten Rollout der PM-Methodik gehe. Zum Ende 2019 sei dann die Etablierung eines strategischen PMO mit einem Projektportfoliomanagement geplant. Der Nutzen dieses Schrittes sei gleichzeitig auch dessen größte Herausforderung: Das Projektportfoliomanagement ermögliche eine transparente Projektpriorisierung. Das wiederum bedeute, dass auch kommuniziert werden müsse, wenn Projekte nicht oder später umgesetzt würden. Das führe durchaus auch zu Spannungen. Christian von Witzendorff vertrat mit dem BA- AINBw eine Institution, deren Kernaufgabe seit Jahrzehnten die Projektumsetzung und das Arbeiten in Projekten sind. Er stellte die standardisierten Prozesse für diese Projektumsetzung Bundesinnenminister Horst Seehofer lässt sich am Stand der GPM zum Aktionsprogramm und zu den Aktivitäten des Vereins im Public-Sektor informieren. Foto: Thomas Ernst projektron.de ISO 27001 zertifiziert Projektron BCS Projektmanagement-Software Wir suchen Mitarbeiter Wir suchen Mitarbeiter für die Standorte Hamburg, München, Stuttgart und Berlin. planen koordinieren auswerten Projekte projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 vor. Diese Prozesse seien etabliert und wirksam. Der Schritt, vor dem das Amt nun stehe, sei die Frage der verstärkten und auch standardisierten Kompetenzbildung. Dies könne auch ein Beitrag dazu sein, dass die Organisation als Ganzes noch stärker in Projekten denkt und handelt - also auch im Sinne eines Organisationsentwicklungsprozesses hier weiter vorangeht. Ministerbesuch am Stand der GPM Auch in diesem Jahr war der Stand der GPM eine gut besuchte Anlaufstelle für Informationen rund um das Projektmanagement. Diesmal bekam der Stand hohen Besuch: Innenminister Horst Seehofer informierte sich ausführlich zum Aktionsprogramm und zu den zahlreichen Aktivitäten der GPM im öffentlichen Sektor. Abendliche Beiratssitzung am Rande des Zukunftskongresses Am Abend des ersten Kongresstages tagte der Beirat des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ unter dem Vor- Mitglieder und Gäste des Beirats des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“. Von links nach rechts: Dr. Lutz Wenzel, BMVg, Christian v. Witzendorff, BAAINBw, Gast Thomas Gageik, Europäische Kommission, Markus Brockmann, Freie und Hansestadt Hamburg, Heike Kratt, GPM, Dr. Anke Saebetzki, Freie und Hansestadt Bremen, Norman Heydenreich, stellvertretender Beiratsvorsitzender, Dr. Susanne Cassel, BMWi, Gast Stephan Naundorf, Bundeskanzleramt, Prof. Helmut Klausing, Beiratsvorsitzender, i. V. Wolfgang Sauer, Landkreis Hameln-Pyrmont, Iris Reimold, BMVI; Foto: Thomas Ernst sitz von Prof. Helmut Klausing und dem stellvertretenden Vorsitzenden Norman Heydenreich. In einem intensiven Hintergrundgespräch tauschten sich die Beiratsmitglieder mit den Gästen der Sitzung, Thomas Gageik von der Europäischen Kommission und Stephan Naundorf vom Bundeskanzleramt, aus. Fazit: Erfolgreiches gemeinwohlorientiertes Handeln braucht werteorientiertes und kompetenzbasiertes Projektmanagement Die GPM hat gemeinsam mit ihren Partnern auf dem Zukunftskongress in vielfältigen Beiträgen den Kerngedanken des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ deutlich machen können: Die Kompetenz in Projekten zu gestalten ist elementarer Bestandteil der öffentlichen Verwaltung. Sie ist nicht delegierbar oder zu externalisieren. Sie ist grundlegend, um die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen erfolgreich angehen zu können. Dabei geht es weniger darum, Prozesse effektiver zu machen. Es geht darum, die Menschen in der Verwaltung zu stärken, gut in Projekten arbeiten zu können. Projektarbeit ernst nehmen: Dazu braucht es eine gemeinsame Sprache, Standards, angemessene Qualifizierung, klare und nachhaltige Ziele. Es ist wichtig, die Leitungsebene anzusprechen und sie für Projektarbeit zu begeistern. Die Leitungsebenen der Verwaltung und der Politik können gemeinsam den angemessenen Rahmen für erfolgreiche Projekte setzen: mit ausreichenden Ressourcen und mutigen Visionen, die eine Kultur des gemeinsamen Erfolgs über Ebenen und Ressorts hinweg unterstützt - von der Kommune bis zur EU. Dazu können das Aktionsprogramm und die Initiative der EU-Kommission Open-PM² Beiträge sein. Autorin Heike Kratt ist Diplom- Politologin, zertifizierte Konfliktberaterin, Public Affairs Managerin und Scrum Master. Sie ist Sprecherin Public Affairs der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. und Mitglied im Beirat des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ - ein Programm zur Stärkung der Kompetenz der öffentlichen Verwaltung, komplexe Themen gemeinwohlorientiert in Projekten umzusetzen. Ihr Berufseinstieg führte sie als Leiterin der deutsch-israelisch-palästinensischen Kommunikations- und Begegnungsstätte Willy Brandt Center nach Jerusalem. Hier sammelte sie umfangreiche Erfahrungen in der Konzeption und Umsetzung komplexer Projekte und der Gestaltung politischer Dialogprozesse. Im Anschluss war sie fünf Jahre im Deutschen Bundestag als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, bevor sie 2012 zur GPM wechselte. Foto: Kopf & Kragen Fotografie Anschrift: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Hausvogteiplatz 12, 10117 Berlin, Tel.: 0 30/ 36 40 33 99-73, E-Mail: H.Kratt@gpm-ipma.de Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 52 POLITIK UND GESELLSCHAFT Workshop: Gemeinsam. Gemeinwohl. Gestalten. Gute Projektmanagementstrukturen in der öffentlichen Verwaltung AutorInnen: Claudia Jahnke, Heike Kratt, Prof. Dr. Andre Richardt Anknüpfend an Diskussionen im Beirat des Aktionsprogramms “Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten" kam im Oktober 2018 das Bundesministerium der Verteidigung auf die Abteilung Public Affairs mit der Idee zu, einen Workshop zum Thema „Erfahrungen bei der Einführung von Projektmanagementorganisationen (PMO) “ durchzuführen. In den Folgesprächen stellte sich schnell heraus, dass das Anliegen wesentlich weiter gefasst werden konnte: Der Zukunftskongress Staat & Verwaltung sollte genutzt werden, um einen Ebenen- und Ressort-übergreifenden Workshop zu relevanten Fragestellungen rund um das Thema „Projektmanagement (PM) und Projektmanagementstrukturen in der öffentlichen Verwaltung“ anzubieten. Umfrage: Welche PM-Themen bewegen die öffentliche Verwaltung? In der Vorbereitung auf den Workshop ging es zunächst darum, zu ermitteln, ob Interesse an einem Workshop zu Projektmanagementstrukturen in der öffentlichen Verwaltung besteht und wenn ja, welche Themen im Vordergrund stehen. Um hier eine fundierte Entscheidung treffen zu können, wurde eine Umfrage entworfen und an rund 100 Mitarbeitende in der öffentlichen Verwaltung in Kommunen, Ländern und dem Bund verschickt. Der Rücklauf war überwältigend: rund 70 % der Befragten nahmen an der Online-Umfrage teil und gaben detailliert Rückmeldung zu den Fragen. PM braucht mehr Bedeutung in der ÖV In einem waren sich die Befragten absolut einig: 100% der aktiv Teilnehmenden gaben an, dass Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung eine größere Bedeutung haben sollte. Als wesentliche Punkte, wie der Stellenwert von Projektmanagement verbessert werden könnte, wurden u. a. folgende Aspekte benannt: Bessere Rahmenbedingungen (Vergabe, Budget, Vergütung, Zeit); Bessere Ausbildung, mehr PM-Kompetenz und einheitliche Qualifizierung; Mehr Transparenz; Verankerung von Projektstrukturen und Projektorganisation; >> Für eilige Leser Anknüpfend an Diskussionen im Beirat des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ kam im Oktober 2018 das Bundesministerium der Verteidigung auf die Abteilung Public Affairs mit der Idee zu, einen Workshop zum Thema „Erfahrungen bei der Einführung von Projektmanagementorganisationen (PMO) “ durchzuführen. Aus dieser Idee wurde ein ebenen- und ressort-übergreifender Workshop zu Fragestellungen rund um das Thema „Projektmanagementstrukturen in der öffentlichen Verwaltung“. Umgesetzt wurde er mit knapp 50 Teilnehmenden aus Kommunen, Land und Bund im Vorfeld des Zukunftskongresses Staat & Verwaltung 2019. Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Ebenen- und Ressort-übergreifende Zusammenarbeit; Mehr Agilität; Einführung von PMOs, um damit auch den Nutzen von PM deutlich zu machen. Herausforderungen von PM in der ÖV Als besondere Herausforderungen für erfolgreiches Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung wurden schwerpunktmäßig folgende Punkte genannt: Nutzen von PM/ PMO vermitteln, z.B. gegenüber der Amtsleitung und der Politik; Geeignetes Personal finden, welches gut ausgebildet ist und über ausreichend Fachwissen verfügt; Klare und feste Rollenverteilung und Zuständigkeiten etablieren; Rechtliche Standards schaffen und diese mit PM-Standards verbinden; Einen Kulturwandel einleiten und Verwaltungsstrukturen dadurch projektfreundlicher gestalten. Die Themen des Workshops: Vom Kompetenzaufbau bis zum Kulturwandel Folgende Themen wurden auf Basis der Umfrage in den Mittelpunkt des Workshops gestellt: Kompetenzaufbau und -erhalt inklusive Personalbindung über PM; Gestaltung der Schnittstelle öffentliche Verwaltung, Politik und öffentlicher Raum; Erfolgsfaktoren bei der Einführung eines PMOs; und kulturelle Themen wie Werte, Haltung und Akzeptanz. Für jedes dieser Themen konnten Themenverantwortliche aus der öffentlichen Verwaltung gewonnen werden, die in Anlehnung an die projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 53 Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Teilnehmende des Workshops in Aktion; Foto: Thomas Ernst Die Themenverantwortlichen des Workshops mit dem Projektteam Claudia Jahnke, Heike Kratt und Prof. Dr. Andreas Richardt; Foto: Thomas Ernst World Café Methodik mit den Teilnehmenden in Themengruppen diskutierten. Für das Thema „Kompetenzaufbau“ moderierte Lutz Liffers, Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Bremen, gemeinsam mit Christian von Witzendorff vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Um die Schnittstelle „ÖV, Politik und öffentlicher Raum“ kümmerte sich Thorsten Herrmann, Bürgermeister a. D. der Stadt Bensheim. Sabine Meister von der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg brachte ihre Erfahrungen beim Thema „Erfolgsfaktoren für die Einführung eines PMOs“ ein. Tanja Krins von der Stadt Köln moderierte das Thema „Kulturwandel“. Der zweistündige sehr interaktive Workshop wurde mit knapp 50 Teilnehmenden aus Kommune, Land und Bund im Vorfeld des Zukunftskongresses in der Stadtwerkstatt Berlin umgesetzt. Die ehrenamtliche Moderation übernahm GPM-Mitglied Claudia Jahnke. Ergebnisse des Workshops - Mehr Projektmanagement wagen! In den Ergebnispräsentationen wurde deutlich, dass es Einiges gibt, was gut läuft in der Verwaltung; das Mut macht, mehr Projektmanagement zu wagen: Dort, wo es gelungen ist, ein auf die Bedarfe der jeweiligen Verwaltung zugeschnittenes PMO zu schaffen, laufen nicht nur die Projekte besser - die Akzeptanz des Themas ist deutlich erhöht, der Nutzen wird erlebbar. Es gibt Beispiele dafür, wie über die Bündelung von Projektleitungen in Projektleiterpools die Kompetenzen für die Umsetzung besser zugänglich werden und ressortübergreifend transferiert werden. Die erfolgreiche Arbeit in Projekten trägt zudem dazu bei, dass sich so etwas wie ein automatischer Kulturwandel einstellt: Die Arbeit in übergreifenden Teams verändert die Dynamik in Verwaltungsstrukturen. Die Herausforderungen wurden trotz der hohen Diversität der Teilnehmenden sehr ähnlich beschrieben. Die Notwendigkeit, insgesamt einen Rahmen zu schaffen, der die Einführung und Anwendung von Projektmanagement erleichtert, wurde dabei sehr deutlich. Dafür wiederum sei es wichtig, den Nutzen von Projektmanagement aufzeigen zu können. Die Einführung eines PMOs, das vor allem die Funktion hat, übergreifend alle Projektleitungen dabei zu unterstützen, Projekte gut umsetzen zu können, wurde als ein zentraler Baustein zur nachhaltig besseren Umsetzung von Projekten gesehen. Hieraus ergeben sich Anregungen für die weitere Gestaltung des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ und die Rolle der GPM und des Beirats: U.a. Gute Beispiele stärker herausstellen und zugänglich machen, Promotoren für das Thema vernetzen und stärken, die Akzeptanz des Themas in der Politik weiter erhöhen, damit zum Beispiel die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden; die Balance zwischen individualisierten auf die jeweiligen Verwaltungsstrukturen angepassten Lösungen und einer sinnvollen Standardisierung unterstützen. Fortsetzung folgt: Die Ergebnisse des Workshops nachhaltig nutzen Es bleibt viel zu tun. Deshalb ist das vielleicht wichtigste Ergebnis des Workshops: Es soll weitergehen. In den Fachgruppen der GPM „PM in der ÖV“ und „PM in den Kommunen“ gibt es Anknüpfungspunkte zu den Themen des Workshops und sie sind ein gutes Angebot, um sich weiter zu vernetzen. Rund 20 Personen haben sich bereit erklärt, gezielt an den Themenschwerpunkten weiter mitzuarbeiten. Im Sinne einer stärkeren Vernetzung bei dem Thema Ausbildung und Kompetenzentwicklung gibt es Bestrebungen, ein akademisches Netzwerk zu dem Thema aufzubauen, an dem sich die Ausbildungseinrichtungen für die öffentliche Verwaltung beteiligen können. Aufbauend auf dem Workshop bereitet die Abteilung Public Affairs zudem Aktivitäten im Rahmen des Creative Bureaucracy Festivals (20. und 21.9.2019) in Berlin sowie in einzelnen Kommunen vor. Autoren: Claudia Jahnke, M.A. Kommunikationswissenschaft, ist seit 1998 systemische Organisationsberaterin, Facilitatorin und Projekt Managerin. Sie engagiert sich seit Jahren in verschiedenen Funktionen ehrenamtlich für die GPM. Heike Kratt, Diplompolitologin, ist Sprecherin Public Affairs und für das Aktionsprogramm „Mit Projekten Deutschland Zukunft gestalten“ der GPM. Anschrift: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Hausvogteiplatz 12, 10117 Berlin, Tel.: 0 30/ 36 40 33 99-73, E-Mail: H.Kratt@gpm-ipma.de Prof. Dr. Andre Richardt arbeitet im BMVg in der Abteilung Ausrüstung mit dem Schwerpunkt Aus- und Fortbildung. Er war an der Konzeption und inhaltlichen Ausgestaltung des Workshops beteiligt. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 54 POLITIK UND GESELLSCHAFT Mit Projekt-Governance den Klimawandel meistern I. Der Klimawandel, Möglichkeiten seiner Begrenzung und der Umgang mit seinen Folgen beherrschen die aktuelle politische Debatte mehr als je zuvor. Alle Parteien bemühen sich seit der Europawahl und den historisch einmaligen Gewinnen für die Grünen um ein konsistentes Programm zum Thema. Bis auf die AfD stellt keine Partei die wissenschaftsbasierten Fakten infrage. Auch in den zeitlichen CO 2 -Zielmarken 2030 und 2050 ist man sich einig, ein erneutes Verfehlen wie die 2020er- Marke wird nicht mehr akzeptiert, weder in den Parteien noch in der Mehrheit der Gesellschaft, wie stabile Umfragewerte zeigen. Man erwartet engagiertes Handeln der Regierenden. Zugleich zeigt sich immer deutlicher, dass die Herausforderung des Klimawandels weit mehr ist als ein „klassisches“ Politikfeld, das inhaltlich-analytisch abschichtbar und damit weitgehend isoliert betrachtet lösbar ist, wie etwa die Verkehrssicherheit oder eine Düngemittelverordnung. Vielmehr schält sich heraus, dass Klimawandel und Digitalisierung zwei globale Treiber sind, die die Grundlagen unseres bisherigen Arbeitens, Produzierens, Lebens, Wohnens, Konsumierens, Mobilseins etc. umstürzend verändern - und damit keineswegs auf dem bisher üblichen Weg gouvernementaler Prozesse bearbeitet werden können. Aus der politisch-inhaltlichen folgt damit auch eine grundlegend methoden- und prozessspezifische Herausforderung. Ist diese Aufgabe schon groß genug und bedarf der Anstrengung mehrerer Generationen, erschwert das globale Wachstum populistischer Parteien und Bewegungen Letzteres zusätzlich. Diese stellen nicht nur die Faktenbasis infrage, sie verändern den politischen und medialen Diskurs (verunmöglichen ihn mithin) und es eint sie die Ablehnung multilateraler Vereinbarungen sowie die Diskreditierung bisheriger politischer Eliten. Einer der Gründe für ihr bislang ungebrochenes Anwachsen liegt in sich vertiefenden sozialökonomischen Lebenslagen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls weltweit gewachsen sind. Vor dem Hintergrund der notwendigen Dekarbonisierung unseres Lebens sowie der disruptiven Folgen der Digitalisierung dürften sich die Spannungen und innergesellschaftlichen Verteilungskämpfe eher vergrößern - und stellen auch aus diesem Grund gewohnte demokratische Aushandlungsprozesse auf eine harte Probe. So oder so, ein „Weiter so! “ ist weder politisch noch prozessoral Erfolg versprechend. Für die Gesellschaft für Projektmanagement bedeutet dies, dass ihr Ansatz neue Aktualität gewinnt und zugleich aktuelle Antworten auf die o. g. tektonischen Verschiebungen finden muss. Ohne sich mit Verweis auf das aktuelle Buzzword „Agilität“ herauszureden, bleibt es dabei: Antworten finden sich nur aus der Praxis, aus dem Ausprobieren und Beginnen, aus dem Definieren und Erproben siloübergreifender Projekte, in jedem Fall von weit mehr Kollaboration als über Jahrzehnte gelebt. Bei positivem Blick auf die Herausforderungen könnte man von einem Momentum für Politik und GPM sprechen. II. Ich will drei Annäherungsversuche starten, von denen ich überzeugt bin, dass sie uns in diesem agilen Prozess voranbringen. Sie stehen unter folgenden Überschriften: Vision und Kompass - oder wissen, wohin. Transformation - oder wissen: Wie geht’s zu den Zielen? Transformative Reisegruppen - oder: Diese Fähigkeiten brauchen wir. 1. Vision und Kompass - oder wissen, wohin. Gegenwärtig wird insbesondere der Bundesregierung immer wieder unterstellt, sie handele nicht, jedenfalls nicht schnell genug, ganz besonders eklatant sei dies in der Klimapolitik. Alle Daten und Fakten lägen vor. Nun müsse einfach gehandelt werden. Dass sich dabei ein Umweltministerium mit seinem Klimaschutzgesetz naturgemäß gestärkt sieht, wenn beispielsweise Fridays for Future oder Science for Future zu schnellerem Handeln auffordern, versteht sich. Zugleich steckt der Teufel im Detail, wie die aktuelle Diskussion um die Bepreisung des CO 2 zeigt. Aus einem anfänglich ärgerlichen „Denkverbot“ ist nun ein Basar an Ideen entstanden, der zeigt: Die Begrenzung des Klimawandels als herausragende Arbeit dieses Jahrhunderts kann kreative Kraft entfalten. Ihr Diskurs darüber ist (auch) Teil des Handelns, der auf die Entscheidung in Kabinett und Bundestag hinwirkt - und sollte nicht als überflüssiges Reden abgewertet werden. Insofern sollten Politik, Verwaltung, Wissenschaften und Zivilgesellschaft jeden Tag darüber reden, wie wir (! ) den Klimawandel begrenzen und wie wir leben wollen. Denn genau daran mangelt es vielfach in den technokratisch verkürzten und für Nichtexperten kaum nachzuvollziehenden Debatten. Bleiben wir beim Beispiel der CO 2 -Bepreisung: In wenigen Tagen werden sich vermutlich viele Menschen gedanklich aus der Debatte verabschieden, weil sie die fein ziselierten Unterschiede zwischen den Modellen nicht mehr nachvollziehen oder gar bewerten können. Dass es aber Sinn macht, ein schädliches Gas sukzessive teuer zu machen, damit Ingenieurinnen und Ingenieure Autos, Stahlproduktion oder Heizungen ohne CO 2 entwickeln, gerät aus dem Blick. Die Gefahr ist groß, da sich Bepreisungen individuell niederschlagen, das Thema zu „verhetzen“ (etwa durch ständigen Verweis auf die „Gelbwesten“) oder wichtige Partner bei der Gestaltung zu verlieren. Schließlich lösen die Verteuerung des CO 2 und die Dekarbonisierung etwa der automobilen Antriebstechnologien eine Transformation der Schlüsselindustrie aus, die strukturpolitisch begleitet werden muss. Fair, wie die IG Metall auf ihrer Großstadtdemonstration mit 50.000 Menschen eindrucksvoll eingefordert hat. Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Autor: Dirk Meyer projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 55 Kurzum, Diskursivität mit stetem Blick auf die Gesamtgeschichte ist zwingend notwendig, um eine breit getragene Projektkultur für die Begrenzung des Klimawandels zu erzeugen, bei der alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen mitwirken können sollen. Erst dieser stetig wiederholte Kompass eröffnet den Blick auf die Vision, auf das Bild unserer Zukunft. Etwa: Welche Mobilität genau wünschen wir uns in den Städten oder in den ländlichen Regionen? Was lehrt uns das Beispiel Kopenhagen? Was hat das weitgehend autofreie Leben in der Stadt lebenswerter gemacht? Wie ist es der Schweiz gelungen, auch die Fläche verlässlich mit der Schiene zu erreichen? Um nur einen Politiksektor herauszugreifen. Ein solcher Zugang zu Themen und in populistischen Zeiten macht es sichtbar und verdeutlicht: Wir gestalten Zukunft. Wir wollen gestalten. Wir können es. Und wir tun es. Und darüber reden wir unentwegt. Das ist unsere Antwort auf populistische Verdrehungen und Anfeindungen. 2 Transformation - oder wissen: Wie geht’s zu den Zielen? Die Wege zu den Zielen müssen wir uns hart erarbeiten. Den Königsweg, das lehrt die Geschichte, gibt es nicht. Und je komplexer die Probleme sind, desto wichtiger ist es, eingeschlagene Wege immer wieder auf ihre richtige Richtung hin zu überprüfen. Genau hier fängt neue Projektgovernance an. Wenn das oben Gesagte richtig ist, wenn wir also das Schlagwort von der Industrie 4.0 ebenso ernst nehmen wie das von der Jahrhundertaufgabe, ein treibhausgasneutrales Leben bis 2050 zu erreichen, dann ist es äußerst zweifelhaft, mit den bisherigen Methoden der Problemlösung Erfolge zu erzielen. Eine industrielle Revolution managt sich nicht mit Managementstrukturen aus der analogen Zeit. Und die grundstürzenden Veränderungen, die sich aus der Dekarbonisierung des Lebens ergeben, indem sie eine fast drei Jahrhunderte gewachsene und noch immer auf stetes Wachstum ausgerichtete Ökonomie in ihrem Kern herausfordern, erfordern auch administrativ tief greifende Veränderungen - allzumal da der Änderungszeitraum bis 2050 äußerst knapp ist und die Beharrungskräfte äußerst stark sind, geht es doch vielfach um ökonomisches Leben und Überleben (die sowohl von der Digitalisierung als auch von der Dekarbonisierung gleichermaßen unter Druck geratene Automobilindustrie demonstriert täglich, was es heißt, sich in nur wenigen Jahren neu erfinden zu müssen). Ergo brauchen wir neben dem Kompass gleich mehrere Landkarten, die übereinandergelegt zum Ziel führen und uns immer wieder Alternativrouten aufzeigen, die wir an Haltepunkten auf der Reiseroute überprüfen und entscheiden müssen. Was heißt das konkret? Die Geschwindigkeit der Prozesse, sowohl im Hinblick auf die Anpassung von Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter als auch bei der Dekarbonisierung etwa ganzer Branchen, muss sich in Arbeitsformen abbilden, die weit über herkömmliche Projektstrukturen hinausreichen. Nicht zuletzt darin liegen die Chance und das o. g. Momentum der GPM: Unterstützung zu leisten, wo gänzlich neue Formen zur Lösungsproduktion führen. In den Wissenschaften, in den Digitalunternehmen, aber eben auch in Unternehmen, die sich neu erfinden müssen, zeigt sich: Denken und Arbeiten in Zuständigkeitssilos müssen aufgebrochen werden, kollaborative Prozesse (wie wir sie aus der Projektarbeit kennen) sind das Mittel und der Weg, neue Wege bei der Problemlösung zu denken und auszuprobieren. Am sinnfälligsten wird dies, wenn Einzelbüros „aufgebrochen“ und mit ihnen singuläre Arbeitsprozesse dekonstruiert und in Großraumbüros mit diversen Kollaborationsmodulen transparent restrukturiert werden. Die öffentliche Verwaltung inklusive der Ministerien ist daran bislang kaum gewöhnt. Auch wenn man ihr andere Grundlogiken unterstellen muss, Politik und politisch Administration sind nun einmal kein Unternehmen, so zeigt sich doch: Veränderung tut deshalb not, weil herkömmliche (Silo-)Verwaltung revolutionäre Veränderungen managen muss. Wenn wir, um beim o. g. Beispiel der Mobilität zu bleiben, unter Klimaschutz nicht nur die Elektrifizierung und Elektronifizierung unserer Autos verstehen, wir also viele eigene Kopenhagens (und Schweizer Bahnen) entwickeln müssen, dann sind bei dieser Transformation so viele Ressorts gefragt, aktiv gestaltend zu wirken, dass neue Kollaborationsformen erprobt werden müssen. Überdies gilt das auch für die Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb der Ressorts, weshalb Denkfabriken und Hub-Räume oder Hackathons erst der Anfang sind. Die Digitalisierung der Verwaltung kann dabei sicher helfen, ist sie doch eine Ermöglicherin kollaborativer Arbeitsformen. Zugleich zeigt jedes Unternehmensbeispiel: Nicht Techniken erzeugen aus sich heraus neue Zugänge zur Problemlösung, erst wenn die Leitungsebenen einer Institution geschlossen und aktiv hinter diesen Prozessen stehen, Agilität zulassen, steigen die Erfolgschancen. Im Hinblick auf das Klimaschutzgesetz des Bundes lässt sich im Ansatz erkennen, wie das Modell des Klimakabinetts in der o. g. Richtung unterwegs ist. Jedes CO 2 -kritische Politikfeld muss sich seine eigenen Landkarten erarbeiten, die übereinandergelegt zum 1,5-Grad-Ziel führen. Die Energiewirtschaft hat dies gerade mit der Kohlekommission getan: Bis spätestens 2038 verzichtet die Energieerzeugung in Deutschland auf Kohle. Nach dem Ende der atomaren Stromerzeugung bis 2022 folgt nun das planbare Ende Kohleverstromung. Im mühseligen Erarbeiten klima- und strukturpolitischer Kompromisse ist so ein nationaler Konsens erreicht worden. Im Umweltministerium als zweitem federführendem Ressort gab es dazu eine agil arbeitende Projektgruppe, die über vier Abteilungen hinweg die Arbeit der Kommission vorbereitet und begleitet hat. Sie kann zur Blaupause für weitere Großvorhaben werden. Jetzt arbeiten die Sektoren Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude und Industrie an ihren Landkarten. Sie müssen ihre Maßnahmen und Beiträge erarbeiten und benennen, die auf die Ziele 2030 CO 2 -Reduktion einzahlen. Der Kompass für das Gesamtprojekt liegt im Klimakabinett. Hier bündeln sich die Teilbereiche und müssen ausgehandelt werden, um noch in diesem Jahr auch parlamentarisch entscheidungsreif gemacht werden zu können. 3 Transformative Reisegruppen - oder: Diese Fähigkeiten brauchen wir. Ausrüstung allein, das weiß jede Reisegruppe, reicht nicht, um ans Ziel zu kommen. Kondition und Einstellung der Reisenden sind mindestens ebenso wichtig wie grundlegende Kompetenzen. Die o. g. neuen Formen kollaborativer Problemlösung erfordern ein breites Spektrum an Fähigkeiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen jederzeit mitdenken, das kollektive Ziel im Blick haben und ans Ganze denken, Nebenmann und Nebenfrau unterhaken, kollaborativ denken und handeln, sich flexibel auf neue Anforderungen einstellen können, sich aktiv einbringen wollen, Entscheidungen und Regeln respektieren können. Klimapolitisch bedeutet das: Als komplexe und systemische Herausforderung braucht der administrativ unterstützte Klimaschutz: - Systemische Lösungsansätze Zum Beispiel schaffen Gebäudewirtschaft und Elektromobilität zusammen Modelle für Ladein- Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 56 POLITIK UND GESELLSCHAFT frastrukturen; Stadtplanung und Mobilitätsanbieter schaffen deutsche Kopenhagens usw. - Das Zusammenwirken der Ebenen Zum Beispiel wird die Rolle der Kommunen und Regionen entscheidend; über ihre Stadtwerke oder Mobilitätsunternehmen etwa sind sie unmittelbare Akteure der Energie- und Mobilitätswende. Ergo müssen sie ertüchtigt handeln können, brauchen genügend Planerinnen und Planer und personelle Strukturen. - Neben technologischen Lösungswegen sind die sozialen Implikationen gleichrangig zu wägen und in die Lösungswege einzubauen, konkret: Ohne Zukunftsperspektiven in der transformierten Mobilitätswirtschaft etwa wird es keine demokratischen Mehrheiten geben. Es müssen Umwelt- und Strukturpolitik wie beim Ausstieg aus der Kohle zusammenwirken, wir brauchen die Expertise von Gewerkschaften und Umweltorganisationen gleichermaßen. So zu denken und zu handeln ist vielfach eingefordert, aber selten in der real existierenden Welt von Politik und Administration eingelöst worden. Im Gegenteil: Die neoliberale Phase war nicht zuletzt eine Phase kultureller Verwüstung. Immer weiter weg vom systemischen, kollaborativen Denken und Handeln in der Schule, Hochschule, Verwaltung und Wirtschaft und hin zur Perfektionierung der Leistungen des Einzelnen. Es verlangen inzwischen auch Unternehmen, die sich agil aufstellen, dass andere als die bisherigen Kompetenzen gelehrt und positiv sanktioniert werden müssen. Die anstehenden Transformationen erfordern agile Arbeitsformen, Belohnungs- und Anreizsysteme für Kooperation, Weiterbildung auf allen Ebenen, Starterprojekte, transdisziplinäre Zugänge zu Problemen und Lösungen, Allianzen der Willigen, kurzum: Viel mehr Modelle von Transformationsgovernance und -kultur nach der agilen Methode von „Bauen/ Entwickeln - Messen - Lernen - Bauen - Messen usw.“ sind nötig, auch und gerade in den die Transformationen unterstützenden öffentlichen Verwaltungen. III. Das Bundesumweltministerium versucht, den genannten Herausforderungen gerecht zu werden, ist aber ebenso wie die meisten anderen Ressorts auch noch am Anfang des Weges. Zwei Beispiele mögen illustrieren, wo wir glauben, Projektgovernance und -kultur in Zeiten des Klimawandels zu organisieren. 1. Auf dem Weg zu einer umweltgerechten Digitalagenda hat das BMU quer über das Ministerium und seinen Geschäftsbereich hinweg einen transdisziplinären Erarbeitungsprozess angestoßen. Vor gut einem Jahr gab es keinen strukturierten Arbeitszusammenhang, der Umwelt- und Naturschutz vor dem Hintergrund der Digitalisierung reflektiert hat. Das hat sich grundlegend gewandelt. Heute gibt es, nicht zuletzt durch das Gutachten des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung zur Begutachtung Globaler Umweltfragen), die Erkenntnis, dass ohne eine umweltgerechte Gestaltung die Digitalisierung zum Brandbeschleuniger von Klimawandel und Ressourcenverbrauch wird. Zwar war es zunächst die Schaffung eines zentralen Referates, das klassischerweise Prozesse angestoßen hat, um die Thematiken von Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu verbinden. Allerdings hatte und hat dieses Referat alle Freiheiten (und die Unterstützung der Hausleitung), die Durchdringung der Themen des Hauses voranzutreiben. Dabei stand und steht nicht der langfristige Monumentalplan im Vordergrund, sondern die agile Suche nach den richtigen Hebeln unter Einbeziehung aller auch außerhalb des Ressorts agierenden Stakeholder. Inzwischen verfügt das BMU über einen Chief Digital Officer, angesiedelt in der Z-Abteilung, um die hausinterne Verwaltungsdigitalisierung und die umweltgerechte Gestaltung der Digitalisierung kontextual zu koordinieren. Bestandteil der hausinternen Digitalagenda ist die Schaffung neuer kollaborativer Werkstätten. Überdies hat die Leitung des BMU entschieden, die informelle Ratspräsidentschaft der Umweltminister unter das Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu stellen. 2. Die Kohlekommission war eine transdisziplinäre Veranstaltung, deren Wert bislang noch zu wenig geschätzt wird. Umweltschutzverbände und Gewerkschaften haben zum Teil erstmals miteinander geredet. Das Zusammendenken von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit war keine Attitüde, sondern ernsthafter Wille beider Beteiligten. Beschlossen wurde im KONSENS nach langem Ringen. Und wer sich heute die Eckpunkte des Strukturstärkungsgesetzes anschaut, sieht: So kann Just Transition aussehen. Ob und wie sie zur Blaupause für Strukturveränderungen etwa in der Automobilindustrie wird, kann heute noch nicht beantwortet werden. Indes konnte gezeigt werden, dass und wie die bislang widerstreitenden Interessen betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie des Klimaschutzes in Einklang gebracht werden könnten und nun als legitim betrachtet werden. Insofern darf die Demonstration der IG Metall zur fairen Transformation indirekt auch als Ergebnis dieser Kommission betrachtet werden. IV. Projekt- und Governancekultur findet im Kontext statt. Daher zum Abschluss noch eine kritische Reflexion. Wenn die o. g. Größe der transformativen Herausforderungen stimmt und weitaus kollaborativere Formen der Lösungsfindung bei allen Akteuren verlangt, dann müssen sich klassische und neue Medien fragen, mit welchen Resonanzräumen sie dies begleiten. Wie passt dazu das bislang vorherrschende mediale Geschäftsmodell, das auf individuelle Triumphe und Niederlagen abgestellt ist? Welchen Resonanzraum bietet es Politikerinnen und Politikern, die etwa nach transparenten und beteiligungsorientierten Verfahren Entscheidungen treffen, und welchen ihren Gegnern? Wie begleitet und ggf. goutiert bzw. wie kritisiert man agile Entscheidungsprozesse, die viel schwerer von außen zu messen sind und wie ein Hin und Her wirken können? Wie muss der notwendige Resonanzraum überhaupt aussehen? Fragen, die sich nicht nur aus Transformationsherausforderungen und neuen Projektkulturen ableiten, die aber virulent sind, seit sich Politik und Administration in veränderten Resonanzräumen bewegen. Ihre Antworten zahlen wie die Fähigkeit der Verwaltungen, sich den disruptiven Herausforderungen der Dekarbonisierung sowie der Digitalisierung zu stellen, ein auf die Handlungsfähigkeit demokratischer Institutionen. Die GPM kann ihren Beitrag leisten, insbesondere Verwaltungen darin zu unterstützen, diese Fähigkeiten zu stärken. Autor Dirk Meyer, geb. 1965, Studium der Geschichte in Bielefeld und Cork/ Irland, von 1996 bis 2018 in der Landesverwaltung NRW, zuletzt Abteilungsleiter im NRW-Wissenschaftsministerium, seit 2018 Abteilungsleiter im BMU. Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement Aktionsprogramm Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten Projektmanagement projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 POLITIK UND GESELLSCHAFT 57 Projektsteuerung bei Deutschlands beliebtestem Radiosender ANTENNE BAYERN: Bei Projekten auf einer Wellenlänge Autor: Arno Schambach Seit über 30 Jahren ist ANTENNE BAYERN nonstop on air - und hat sich bis heute mit über 6 Millionen Hörern täglich zu dem meistgehörten privaten Radiosendern des Landes entwickelt. Mal witzig, mal neugierig oder nachdenklich, aber immer kompetent und am Puls der Zeit begleitet ANTENNE BAYERN ihre Hörer durch den Tag. Um die Zusammenarbeit und Projektsteuerung zwischen Redaktion, Moderation, Hörermarketing, Programmgestaltung und „OKR“-Team (Objektives & Key-Results) zu vereinheitlichen, löste das Unternehmen Anfang 2018 seine bestehende Insellandschaft aus Word, Excel und Trello mit der webbasierten Collaboration- und Projektmanagement-Plattform Taskworld ab. Die Lösung bot nicht nur mit dem On-Premise- oder virtuellen Private-Cloud-Betrieb in einem deutschen Rechenzentrum volle DSGVO-Compliance, sondern konnte auch die unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Teams ohne Kompromisse oder Workarounds konsolidieren. Über 120 Anwender von Hamburg bis München profitieren seither von transparenten, schnellen Prozessen, einer smarten Workflow-Unterstützung entlang des Projekt-Lifecycles und einer nachhaltig gestiegenen Qualität in der unternehmensweiten Projektsteuerung. 1988 als lokaler Radiosender in Bayern gestartet, ist die mehrfach mit dem deutschen Radiopreis ausgezeichnete Unternehmens-Gruppe ANTENNE BAYERN heute der Marktführer unter den privaten Radiosendern in Deutschland. Neben dem Hauptprogramm sind 18 weitere Spartenprogramme als Webradio verfügbar. Auch das Programm ROCK ANTENNE ist mit seinen lokalen Ablegern in Hamburg und München und wie ANTENNE BAYERN im landesweiten digitalen DAB-Ensemble vertreten. Weiter gehören zur ANTENNE BAYERN-Unternehmensgruppe die Vermarktungsgesellschaft Spotcom und die Eventagentur Brandarena, die wie ROCK ANTENNE 100%ige Tochterunternehmen von ANTENNE BAYERN sind. DSGVO machte Konsolidierung der unterschiedlichen Projekt-Tools notwendig Die Gestaltung von 24/ 7 laufenden Radioprogrammen stellt hohe Anforderungen an das Task- und Projektmanagement, da unter anderem mit Planung, Analysen, Konzeption, Eventmanagement sowie Task- und Teamsteuerung sehr viele unterschiedliche Anforderungen zusammenkommen. Das spiegelte sich bei ANTENNE BAYERN bis 2017 auch in der Anwendungslandschaft wider: Für die Projektsteuerung kamen in den einzelnen Unternehmensbereichen Redaktion, Moderation, Hörermarketing und Programmgestaltung ganz unterschiedliche und langjährig gewachsene Systeme zum Einsatz. „Jede Abteilung hat sich hier ihre eigene Projekt-Lösung gestrickt und weiterentwickelt, um die eigenen Anforderungen des Tagesgeschäftes umzusetzen. Der eine hat eine Mail geschrieben, der andere eine Excel-Datei auf dem Dateiserver abgelegt, ein Dritter hat Informationen telefonisch geteilt und ein anderer wiederum Infos mithilfe cloudbasierter Projektmanagementlösungen wie Trello hinterlegt. Viele der Aufgaben wurden dabei noch ,zu Fuß‘ und ohne einheitliche Strukturen erledigt. Vor allem bei abteilungsübergreifenden Prozessen und Projekten war dies mit umständlichen Workarounds verbunden - zulasten der Prozesstransparenz“, erinnert sich Michael Kerscher, Leiter Technik Abb. 1: Das Funkhaus von Deutschlands beliebtestem Radiosender; Foto: ANTENNE BAYERN projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 58 WISSEN bei ANTENNE BAYERN. „Die fehlende DSGVO-Compliance einzelner Lösungen haben wir schließlich im August 2017 zum Anlass genommen, unsere bestehende Lösungslandschaft in diesen Bereichen zu konsolidieren und in einer zentralen, datenschutzkonformen Projektmanagement- und Collaboration-Plattform zu bündeln.“ Gesucht: Projekt-Tool mit Kanban-Struktur, SSO-Unterstützung und On-Premise-Hosting Nachdem die Entscheidung zur Einführung einer neuen, zukunftsfähigen Projektmanagement-, Kommunikations- und Collaboration-Lösung feststand, wurden zunächst die wichtigsten Anforderungen der jeweiligen Abteilungen in einem Anforderungskatalog zusammengefasst. So sollte das künftige System unter anderem die strengen Datensicherheits- und DSGVO-Anforderungen für den Einsatz bei ANTENNE BAYERN erfüllen - entweder über das Hosting in einem zertifizierten Rechenzentrum innerhalb der EU oder gar über den „On-Premise“-Betrieb im eigenen Hause, um die bestehenden, unternehmensspezifischen Sicherheitsinfrastrukturen nutzen zu können. Ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium war die Möglichkeit eines sogenannten „Single Sign-on“ (SSO), um auf mehrere Dienste und Nutzerprofile mit lediglich einer einmaligen Authentifizierung zugreifen zu können. Daneben sollte die neue Lösung auch imstande sein, die bisweilen recht unterschiedlichen Anforderungen der Mitarbeiter und Abteilungen abzubilden. Eine intuitive, moderne Bedienoberfläche mit Kanban-Logik und übersichtlichen Board-Strukturen ähnlich der Trello-Oberfläche, womit die Anwender haptisch sehr gut klargekommen sind, sollte ein schnelles „Onboarding“ der Nutzer sicherstellen. Zudem sollte es über eine komfortable Datenimport-Funktion verfügen, um die bisherigen Anwender- und Projektdaten aus Trello heraus möglichst in automatisierter Form zu übernehmen. Smarte Bedienoberfläche und Funktionsumfang gaben Ausschlag Eine anschließende Orientierungsphase wurde dazu genutzt, um rund 10 der marktgängigen und führenden Projektmanagement-Tools zu sichten und in On-Premise- oder Virtual-Private-Cloud(VPC)-Testumgebungen auf ihre Eignung hin zu prüfen. „Die meisten der webbasierten Projektmanagement-Lösungen waren entweder zu klein, zu technisch orientiert oder sie waren zu kompliziert in der Bedienung. Taskworld stach vor allem durch seine gefällige und intuitive Bedienoberfläche, die aufgeräumte, gut durchdachte Struktur und viele smarte Features heraus. Neben dem VPC-Betrieb über ein ISO- 27001-, -27017- und -27018-zertifiziertes Rechenzentrum in Frankfurt bot uns das Team auch die Option, die Lösung lokal mit unserer bestehenden Infrastruktur zu betreiben, womit wir die DSGVO-Anforderungen und den Single-Sign-on-Zugriff sehr elegant umsetzen konnten. Mit keiner anderen Lösung sind wir hier vom User-Interface und vom gebotenen Leistungsumfang glücklich geworden, sodass die Entscheidung am Ende doch recht schnell und einstimmig ausfiel“, begründet Jan Roth, Senior Systems Designer & Security Specialist bei ANTENNE BAYERN, die Entscheidung. Nachdem im Januar 2018 schließlich der Vertrag unterzeichnet worden war, fing das Team um Michael Kerscher an, die ersten der zunächst 125 geplanten Anwender auf den Einsatz der neuen Lösung vorzubereiten. Direkt im Anschluss an die Migration der Projekt- und Anwenderdaten aus Trello startete die Digital-Unit von ANTENNE BAYERN, die u. a. für den Web-Auftritt und die mobilen Apps der ANTENNE BAYERN-Hörer verantwortlich zeichnet, als erste Abteilung in den Livebetrieb. Das Onboarding Abb. 3: „Jede Abteilung hat ihre eigene Projekt-Lösung weiterentwickelt, um die eigenen Anforderungen des Tagesgeschäftes umzusetzen - auf Basis von Word, Excel-Listen, E-Mails oder Trello“, erinnert sich Michael Kerscher, Leiter Technik bei ANTENNE BAYERN. Foto: ANTENNE BAYERN Abb.2 : „Die meisten der webbasierten Projekt-Tools waren entweder zu klein, zu technisch orientiert oder sie waren zu kompliziert in der Bedienung“, so Senior Systems Designer & Security Specialist Jan Roth. Foto: ANTENNE BAYERN projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 WISSEN 59 der übrigen Abteilungen wie Redaktion, das für die Außenwirkung zuständige Hörermarketing und die Programmgestaltung erfolgte dann nach und nach. Da alte Projekte noch mit den Bestandslösungen abgewickelt und die neuen Projekte in Taskworld angelegt wurden, verlief der Übergang „weich“ und reibungslos. Dem Projektteam war es dabei lediglich wichtig, dass alle nicht DSGVO-konformen Tools zum Stichtag im Mai 2018 abgelöst waren. Hohe Transparenz ermöglicht effektives Business Development über alle Abteilungen Mit der Einführung der zentralen Task- und Projektmanagement-Plattform wurden auch die unternehmensweit gesteuerten Managementprojekte neu aufgesetzt. Für das als „OKR“ bezeichnete Verfahren, in dem quantitative und qualitative Vorgaben abteilungsübergreifend festgelegt und in 3-Monat-Zyklen auf den Prüfstand gestellt werden, bedient sich ANTENNE BAYERN ebenfalls der Projektmanagement-Plattform zur Unterstützung der laufenden Projekt- und Aufgabensteuerung in den jeweiligen Teams. „Diese Business-Development-Prozesse sind für unsere gesamte Unternehmensgruppe strategisch sehr wichtige Projekte, um einen kontinuierlichen, abteilungsübergreifenden Verbesserungsprozess und eine höhere Wertschöpfung zu realisieren. Das funktioniert nur mit entsprechender Transparenz. Dafür ist das Tool prädestiniert, da der Fortschritt der eigenen Projekte für jeden Projektbeteiligten jederzeit einsehbar und nachvollziehbar ist“, erläutert Technikchef Michael Kerscher. „Die gemeinsamen, einmal wöchentlich stattfindenden OKR-Team-Meetings werden aktiv in dem Web- Tool gestaltet - dort sind alle Agendapunkte, die relevanten Stati und sämtliche zugehörigen Daten und Dokumente hinterlegt. Wir wollten in unseren Meetings nicht, dass man vorwiegend mit der Bedienung der Software beschäftigt ist - das muss einfach und auf den Punkt sein. Komfortmerkmale wie interne Farbcodes, Punkteskalen zur Indikation des Projektfortschritts und eine Ampel-Sicht (grün: weiterfahren, gelb: Achtung, rot: kritisch) geben heute allen Beteiligten einen schnellen Überblick über das Projekt und die Meilensteine. Bei Rückfragen geht man einfach eine Ebene tiefer in das Projekt und findet alle relevanten Dokumentationen und Kennzahlen - einfacher geht es kaum. So können die einzelnen Themen online und auf den Punkt einfach abgearbeitet und ggf. mit neuen Aufgaben und Workflows versehen werden - ohne aufwendige Nachbearbeitung.“ Mit OKR strategische Ziele auf Projektebene umsetzen „Die Einführung von Collaboration-, Organisations-, Projekt- und Taskmanagement-Tools ist heute vielfach ein wichtiger Meilenstein und Teil einer übergeordneten Digitalstrategie, aber auch um Veränderungsprozesse im Tagesgeschäft effektiv handhabbar zu machen. Gerade strukturelle Themen wie Organisation, Prozesse, Leadership und Unternehmenskultur erfordern agile Methoden, um diese bestmöglich auf die operativen und strategischen Ziele auszurichten“, weiß Arno Schambach, Projekt- und Marketing-Manager bei Taskworld Deutschland. „Mit dem OKR-Projekt hat ANTENNE BAYERN einen agilen Managementansatz aufgegriffen, mit dem auch Digitalpioniere wie Intel und Google ihre Ziele und Innovationen sehr erfolgreich vorangetrieben haben. Dabei wird zunächst eine Unternehmensvision festgelegt, die als übergeordnetes Ziel für die Formulierung von Teilzielen auf der Zeitachse dient. Im Gegensatz etwa zu Zielvereinbarungen mit einem Zeithorizont von üblicherweise einem Jahr sind hier die zugrunde liegenden Zeitabschnitte kürzer: Jedes Quartal werden so fünf Unternehmensziele definiert, die mit jeweils bis zu vier Kernergebnissen konkretisiert werden. Aus Kompetenzträgern verschiedener Bereiche wie IT, Kommunikation oder Programmgestaltung zusammengesetzt, ist es die Aufgabe des Business Development Teams bei ANTENNE BAYERN, den Mitarbeitern Chancen und Gestaltungsspielräume aufzuzeigen und eine positive Dynamik zu erzeugen, um die Ziele besser erreichbar zu machen. Mit web- und appfähigen Collaboration- und Aufgabenverwaltungs-Tools lassen sich derartige strategische Projekte und Managementmethoden wie OKR bei ANTENNE BAYERN optimal umsetzen, da es den Projektbeteiligten hilft, sich zu fokussieren, die notwendige Transparenz bei Prozessen und Ergebnissen schafft und die Projektmanager dabei unterstützt, den Ressourceneinsatz nach operativen und strategischen Zielen auszurichten. Dabei entfaltet es seine Mehrwerte in Bezug auf die Projektplanung, Prozesstransparenz, Nachverfolgbarkeit, Auswertbarkeit und Analytik nicht nur auf Ebene der Teamarbeit, sondern auch auf Ebene der einzelnen Mitarbeiter - Stichwort Selbstorganisation. So arbeitet etwa das Hörermarketing zur Planung vorwiegend aufgabenbasiert - die Aufgaben werden im Team entsprechend den Zielvorgaben delegiert und umgesetzt. Die Projektbeteiligten haben ihre benutzerspezifische To-do-Liste der laufenden Projekte immer dabei und sind in der Lage, den jeweiligen Bearbeitungsstatus in Echtzeit zu verfolgen. So werden am Ende die strategischen OKR-Vorgaben über die Festlegung operativer Auf- Abb. 4: ANTENNE BAYERN verfügt über das modernste Sendestudio in ganz Europa; Foto: ANTENNE BAYERN 60 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Anzeige Project Office verbindet agiles Teamwork mit hoher Prozesssicherheit. Dynamisch anpassbare Best-Practices und Prozessvorlagen schaffen verlässliche Leitplanken. Mit leistungsstarken agilen wie Tasks, Issues, Activities und dezentraler Planung unterstützen Sie Ihre Teams direkt bei der Wertschöpfung und machen sie schneller und produktiver. Project Office ist Enterprise-Software für anspruchsvolle Projekte und Ziele wie die Ausrüstung des neuen Gotthard-Basistunnels. / / project-office.contact-software.com Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way energizing great minds gaben direkt in das Tages- und Projektgeschäft der Mitarbeiter überführt“, so Arno Schambach weiter. Mehr Qualität in der Projektsteuerung Mit dem Wissen, wie einfach und zuverlässig die Teamkommunikation heute sein kann, waren die Abstimmungsprozesse innerhalb wie auch zwischen den Abteilungen früher ineffizient und träge, da sie immer wieder Nachbearbeitungen erforderten: Informationen wie Fristen, Aufgaben, Bearbeiter lagen in einer E-Mail lediglich als unstrukturierte Informationen vor und mussten manuell als Termine, Aufgaben oder Ansprechpartner etwa in Outlook angelegt werden. Heute liegen diese Informationen ohne Zwischenschritte oder Workarounds und in strukturierter Form vor, sodass nur noch die Workflows überwacht oder gesteuert werden müssen. Das erlaubt den ANTENNE-BAY- ERN-Teams heute eine deutlich zielführendere Kommunikation innerhalb und zwischen den Teams - ohne gekapselte Sicht, sondern einheitlich, bereichsübergreifend und mit Echtzeit-Statusverfolgung auch vom Mobilgerät aus. Auch in der IT sind viele Dinge heute sehr viel einfacher geworden, wie etwa die Verwaltung von Rechtestrukturen im teamübergreifenden Arbeiten: Ein User A hat keine Zugriffsrechte auf die Ordner der Abteilung B. Um dies zu gewährleisten, musste früher aufwendig ein komplett neues Rechtekonzept in der Dateiverwaltung gestrickt werden, um auf die benötigten Dateien zugreifen zu können. Mal ist ein User hinzugekommen, mal ein anderer gegangen. Dies hat in der IT laufend zu Bearbeitungs- und Abstimmungsprozessen geführt. In Taskworld lässt sich ein Team sehr viel schneller und komfortabler zusammenstellen und per Knopfdruck in ein Projekt einbinden, da die jeweiligen Sichten und Berechtigungen gleich mit dem Einladungslink übermittelt werden. „Der größte Mehrwert bei der täglichen Arbeit aber liegt sowohl in der Flexibilität bei der Organisation und Steuerung von Projekten als auch in der Qualitätssteigerung bei der Abwicklung. Wir können - trotz all der unterschiedlichen Anforderungen unserer Abteilungen - heute deutlich schneller und effektiver arbeiten“, resümiert Michael Kerscher. „Dabei wird die Plattform in unserem Unternehmen völlig unterschiedlich eingesetzt. Während sie etwa dem OKR-Team vorwiegend als Werkzeug für die Kommunikation und Bewertung von Zielen und Fristen dient, koordiniert etwa das Hörermarketing auch die laufenden Aufgaben im Team und ist damit in der Lage, den jeweiligen Bearbeitungsstand in Echtzeit- und im bequemen Push-Verfahren zu verfolgen. Die Abteilungen, die gewohnt sind, ihre Aufgaben und Projekte im Kanban-Stile (,To-do‘, ,Doing‘, ,Done‘) abzuarbeiten, konnten ihre Arbeitsweise 1 : 1 übertragen - nur mit dem Unterschied, dass die nun auch DSGVO-konform arbeiten. Zudem nutzen es auch immer mehr Nutzer als Tool für die eigene Arbeitsorganisation, um etwa To-dos, Fristen oder Informationen für das Tagesgeschäft zu verwalten.“ Ausblick Geplant ist, auch die noch verbleibenden Anwender in die Projektplattform einzubinden, sodass diese tatsächlich allen ANTENNE-BAY- ERN-Mitarbeitern zur Unterstützung des Tagesgeschäftes zur Verfügung steht. So ist das Technik-Team aktuell dabei, das Tool auch bei externen Partnern wie Korrespondenten oder dem Tochterunternehmen ROCK ANTENNE auszurollen, um die Zusammenarbeit zwischen den lokalen Ablegern in Hamburg und München zu erleichtern. Schlagwörter App, Arbeitsorganisation, Aufgabenverwaltung, Collaboration, Projektmanagement-Software Autor Dipl.-Betriebswirt Marketing und Technologiemanagement Arno Schambach, Projekt & Marketing Manager Taskworld Deutschland Anschrift: Taskworld Deutschland GmbH, Friedrichstraße 68, 10117 Berlin, Tel.: 0800/ 0 00 56 92, E-Mail: Arno.S@taskworld.com, www.taskworld.com WISSEN 61 Buchbesprechung Projektmanagement - Zielgerichtet. Effizient. Klar. Schulz, Marcus: Projektmanagement. Zielgerichtet. Effizient. Klar. UVK-Verlag, München 2019, 209 S., 978-3-86764-904-9, 39,99 EUR Verschiedene Untersuchungen zeigen: Projektmanagement wird immer wichtiger. Bereits im Jahr 2014 konnte in einer Untersuchung der GPM in Zusammenarbeit mit der EBS aufgezeigt werden, dass 34,7 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts über Projekte abgewickelt werden. Seither sind bereits wieder einige Jahre vergangen, die wirtschaftliche Dynamik hat sich unverändert fortgesetzt, die Digitalisierung beschleunigt sich, neue Arbeitsformen werden noch wichtiger. Vor diesem Hintergrund darf begründet angenommen werden, dass sich der Trend zur Projektifizierung weiter fortsetzt. Umso wichtiger wird eine an den aktuellen Erfordernissen ausgerichtete Projektmanagementaus- und -weiterbildung. Wer eine solche Ausbildung anstrebt, ist gut beraten, wenn er sich an allgemein anerkannten Standards orientiert. Sowohl das PMBOK 5.0 als auch die ICB 4.0 orientieren sich an den aktuellen Entwicklungen im Projektmanagement. Wer dann noch nachweisen will, dass er die aktuellen Entwicklungen im Projektmanagement kennt und in der beruflichen Praxis damit umgehen kann, wird sich möglicherweise für eine Zertifizierung nach den Standards des PMBOK oder der ICB entscheiden. Im Folgenden wird die Zertifizierung nach der ICB 4.0 stärker in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Die PMZert, das unabhängige Zertifizierungsinstitut der GPM e. V., bietet auf Basis des international anerkannten IPMA-Kompetenzmodells ein fünfstufiges Weiterbildungs- und Zertifizierungsmodell an (Abb. 1). Dabei handelt es sich um ein Weiterbildungs- und Zertifizierungsmodell, das kompetenzbasiert und damit kompatibel zu Prozessstandards, Vorgehensmodellen und Methoden ausgerichtet ist. Zudem umfasst das Modell sowohl planorientierte als auch agile Projektmanagementmethoden und Projektmanagementansätze. Dabei orientiert sich das Weiterbildungs- und Zertifizierungsmodell an den 28 Kompetenzelementen der ICB 4.0 in drei Kompetenzbereichen, die in Abbildung 2 im Überblick ersichtlich werden. Schon die Menge der Kompetenzen und die Bandbreite der Kompetenzbereiche machen deutlich: Hier wartet eine ganze Menge an Inhalten und Methoden auf den Lernenden. Nur wie soll man sich am besten vorbereiten, wenn man erstmals ein Zertifikat nach der ICB 4.0 anstrebt? Wie schafft man am besten den Einstieg in die Materie? Natürlich müssen nicht beim Erwerb jedes Zertifikats alle Kompetenzelemente vollständig beherrscht werden. Bei der Prüfung zum Basiszertifikat und zum Level-D-Zertifikat müssen die Proband(inn)en nachweisen, dass sie eigene Aufgaben definieren, planen und steuern sowie Risiken erkennen und einschätzen können. Zudem sollten sie im Team kommunizieren können und dazu in der Lage sein, Probleme kreativ zu lösen. Bei der Prüfung zum Level D kommen noch weitere Kompetenzen wie die erfolgreiche Kommunikation mit Projektbeteiligten in der Organisation hinzu. Zudem sollten die Proband(inn)en Projektaufgaben situations- und projektadäquat mit linearen oder agilen Methoden organisieren können. Abb. 1: Das GPM Weiterbildungs- und Zertifizierungsmodell; Grafik: GPM projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 62 WISSEN In Summe betrachtet soll die Beschäftigung mit den Kompetenzelementen eine erleichterte Verständigung in Projekten durch eine gemeinsame Projektsprache und ein umfassendes Verständnis für die Abläufe in Projekten schaffen. Gerade, wenn der Einstieg ins Projektmanagement, also eine Zertifizierung mit einem Basis- oder Level-D-Zertifikat nach IPMA angestrebt wird, ist es hilfreich, sich im Rahmen eines Weiterbildungskurses oder im Rahmen einer Vorlesung zunächst den verschiedenen Inhalten und Methoden des Projektmanagements zu nähern. Ein alternativer bzw. ergänzender Zugang zu neuen Inhalten und Methoden bleibt natürlich immer noch ein Buch. Im Mittelpunkt dieser Rezension steht das Buch: „Projektmanagement. Zielgerichtet. Effizient. Klar.“ von Marcus Schulz. Nun ist dies sicher nicht das erste Buch, das zum Thema „Projektmanagement“ geschrieben wurde. Man könnte sich also fragen: Noch ein weiteres Buch zu dem Thema, muss dies wirklich sein? Was kann der Mehrwert dieses Buches sein? Gibt es überhaupt noch einen Mehrwert im Vergleich zu den anderen schon auf dem Markt befindlichen Büchern? Die Antwort ist: Ja, es gibt tatsächlich einen Mehrwert und dieser lässt sich sehr klar benennen. Die meisten auf dem Markt befindlichen Lehrbücher geben durchaus einen guten Überblick über die Inhalte und Methoden des Projektmanagements, sie sind jedoch nicht unmittelbar an den Anforderungen der schriftlichen Zertifizierungsprüfung nach dem Basiszertifikat bzw. dem Level-D-Zertifikat nach IPMA ausgerichtet. Genau dies ist jedoch bei dem vorliegenden Buch der Fall. Der Aufbau des Buches orientiert sich nach einem Einleitungskapitel am Prozessmodell der DIN 69901-2: 2009. Im Einleitungskapitel stellt der Autor kurz die Grundlagen des Projektmanagements dar. Im Einzelnen geht er auf wesentliche Definitionen und Begriffsbestimmungen ein, wie auf die Klärung der Begriffe Projektportfolio, PMO, Projektarten, Erfolgsfaktoren sowie Projektmanagementerfolg. Außerdem geht er auf unterschiedliche Projektmanagementansätze und Vorgehensmodelle des Projektmanagements ein. Das Kapitel schließt er mit einem Überblick zu den gängigen Standards im Projektmanagement ab. Von Kapitel 2 bis Kapitel 6 arbeitet der Autor dann systematisch die verschiedenen Projektphasen nach DIN 69901-2: 2009 ab. Dies sind im Einzelnen die Initiierungsphase, die Definiti- Abb. 2: Die Kompetenzelemente der ICB 4.0 onsphase, die Planungsphase, die Steuerungsphase und die Abschlussphase. In jedem dieser Kapitel startet der Autor mit einer Übersicht über die in diesem Kapitel enthaltenen Kompetenzelementen der ICB 4.0. Fortfolgend stellt der Autor die jeweiligen Kompetenzelemente detailliert mit den zugehörigen Inhalten und Methoden vor. Damit schafft der Autor einen doppelten Mehrwert für den Leser. Einerseits gelingt es durch die Orientierung am Prozesskonzept der DIN 69901-2: 2009, eine logisch konsistente und allgemein anerkannte Systematik durch das Fachgebiet zu legen. Zudem gibt der Autor jeweils direkt einen Hinweis darauf, wie ausführlich der Beherrschungsgrad der jeweiligen Inhalte und/ oder Methode bei einer Basiszertifizierung bzw. Level-D-Zertifizierung abgefordert wird. Damit hat der Lernende unmittelbar eine Orientierung, wie intensiv er sich mit den jeweiligen Kompetenzelementen auseinandersetzen sollte. In Kapitel 7 beschäftigt sich der Autor dann mit den phasenübergreifenden Kompetenzen. Dies sind im Wesentlichen die persönlichen und die sozialen Kompetenzen nach der ICB 4.0. Auch hier gibt der Autor wieder einen Hinweis darauf, wie ausführlich der Beherrschungsgrad der projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 WISSEN 63 jeweiligen Inhalte und/ oder Methode bei einer Basiszertifizierung bzw. Level-D-Zertifizierung abgefordert wird. In Kapitel 8 gibt der Autor dem Lernenden nochmals einen zusammenfassenden Überblick über alle ICB-4.0-Kompetenzelemente und ordnet diese übersichtlich den verschiedenen Zertifizierungsleveln mit ihren jeweiligen Beherrschungsgraden vom Basiszertifikat bis zum Level C zu. Ideal wäre an dieser Stelle nochmals ein Seitenverweis auf die im Buch behandelten Inhalte gewesen. Insgesamt gesehen bietet Marcus Schulz mit diesem Buch eine klar verständliche Einführung in alle für das Basislevel und Level D benötigten ICB-Kompetenzelemente. Falls der Leser an Inhalten oder Methoden über die Zertifizierungsanforderungen hinaus interessiert ist, findet er weiterführende Literaturhinweise. Die verwen- Termine Der „PMO Tag 2019“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. findet am 21. Oktober 2019 in Nürnberg statt. Weitere Infos: pm-forum@gpm-ipma.de oder www.pm-forum.de Das „36. Internationale PM Forum 2019“ wird von der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. am 22. und 23. Oktober 2019 in Nürnberg durchgeführt. Weitere Infos: pm-forum@gpm-ipma.de oder www.pm-forum.de Die Tagung „PVM 2019: Projektmanagement und Vorgehensmodelle“ zum Thema „Neue Vorgehensmodelle in Projekten - Führung, Kulturen und Infrastrukturen im Wandel“ wird von der Gesellschaft für Informatik e. V. vom 24. bis 25. Oktober 2019 in Lörrach durchgeführt. Weitere Infos: info@ pmv-tagung.de oder www.pvm-tagung.de September 2019 The “7 th IPMA Research Conference”, focused on the theme „Trust in Major and Megaprojects”, organized by IPMA International Project Management Association, takes place from 4 th to 7 th September 2019 in Zagreb/ Croatia. Further information: Olena.Sharovara@ipma.world or www.ipma-research-conference.world (english) Die Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik unter dem Motto „50 Jahre Gesellschaft für Informatik - Informatik für Gesellschaft“ findet vom 23. bis 26. September 2019 in Kassel statt. Weitere Infos: bonn@gi.de oder https: / / informatik2019.de/ The “APM Women in Project Management Conference 2019” will be organized by the apm association for project management at 26 th September 2019 in London/ Great Britain. Further information: Tel.: +44/ 18 44/ 27 16 40 or www.apm.org.uk/ event/ apm-women-in-project-managementconference-2019 (english) The “31 st IPMA World Congress” focused on the theme “Integrating Sustainability into Project Management” and organized by IPMA International Project Management Association, will take place from 30 th September to 2 nd October 2019 in Merida/ Mexico. Further information: info@ipma.world or www.ipmawc.com (english) Oktober 2019 The “PMI Global Conference 2019 - Progress made possible by a project manager”, organized by PMI Project Management Institute, will take place from 5 th to 7 th October 2019 in Philadelphia, PA/ USA. Further Information: customercare@pmi.org or www.pmi. org/ global-conference (english) The „2019 AIPM National Conference“, organized by the Australian Institute of Project Management, will take place from 20 th to 22 nd October 2019 in Melbourne/ Australia. Further Information: info@aipm.com.au or www.aipm.com.au/ events/ nationalconference (english) Der „pma focus 2019“ zum Thema „PM under Construction - Projektmanagement im Umbruch“, organisiert von pma - Projektmanagement Austria, findet am 30. Oktober 2019 im Austria Center Vienna in Wien/ Österreich, statt. Weitere Infos: office@ pma.at oder www.pma.at/ de/ events/ detail/ 48 November 2019 Der „5. Complexity Management Congress“ zum Thema „Business Analytics in produzierenden Unternehmen”, durchgeführt von der Complexity Management Academy, der RWTH Aachen, dem Fraunhofer IPT und dem WLZforum an der RWTH Aachen, findet am 12. und 13. November 2019 in Aachen statt.Infos: D.Gasparovic@ wzl.rwth-aachen.de oder www.comple xity-congress.com Der „12. gfo-Jahreskongress für Organisation und Management“ der Management Circle AG findet vom 13. bis 14. November 2019 in Düsseldorf statt. Weitere Infos: kundenservice@ managementcircle.de oder manage mentcircle.de/ va_microsites/ gfokon gress.html dete Kurzzitierweise ist ein wenig sperrig. Die Quellenangaben entsprechen zudem nicht ganz den wissenschaftlichen Qualitätskriterien, da der Autor zwar auf die Quellen verweist, dies aber ohne die zugehörigen Seitenangaben. Dafür besticht der effiziente und klar auf das Zertifizierungsziel ausgerichtete Aufbau des Buches. Die Einteilung des Buches nach den Kompetenzelementen der ICB 4.0, in der Reihenfolge: Perspective, Practice, People bewährt sich. Nach dem einleitenden Kapitel mit den Kontextkompetenzen macht vor allem die am Projektmanagementprozess entlang vorgenommene Darstellung der „Practice“-Kompetenzelemente Sinn. Damit wird der logische Zusammenhang aller inhaltlichen und methodischen Fähigkeiten, die zur Abwicklung eines Projektes erforderlich sind, besonders deutlich. Dies schafft insbesondere für Leser, die bisher noch wenig oder keinen Bezug zum Projektmanagement hatten, einen schnell verständlichen „roten Faden“ durch das Thema. Auch die Behandlung der „People“-Kompetenzelemente in einem phasenübergreifenden Kapitel gebündelt am Ende des Buches ist leicht verständlich, spielen doch die persönlichen und sozialen Kompetenzen eines Projektleiters in allen Projektmanagementphasen eine wesentliche Rolle. In Summe kann das Fazit gezogen werden: Dieses Buch ist eine klare Hilfestellung bei der Prüfungsvorbereitung für alle, die eine Zertifizierung nach den genannten ICB-4.0-Leveln anstreben. Autor: Steffen Scheurer, Wissenschaftlicher Leiter des berufsbegleitenden MBA-Studiengangs „Internationales Projektmanagement und Agiles Projekt- und Transformationsmanagement“ an der HfWU Nürtingen-Geislingen projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 64 WISSEN Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich trifft Priesberg auf dem Weg zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung. Priesberg ist begeistert: „Wir haben einen neuen Gesamtprojektleiter. Der ist jung, dynamisch und möchte vor allen Dingen eine neue Offenheit. Ich glaube, er wird viel verändern. Die Teilprojektleiter zittern schon vor ihm, denn er wird nichts tolerieren, was nicht sofort ans Tageslicht gebracht wird.“ „Sagen das die Teilprojektleiter? “, fragt Ehrlich ungläubig. „Ja, genau so ist es. Man spürt den neuen kalten Wind“, legt Priesberg unbeirrt nach. „Dann bleibt alles, wie es ist, oder wird sogar noch schlimmer“, fasst Ehrlich zusammen. Priesberg verdreht die Augen. „Du hast dir doch auch neue, unverbrauchte Führungskräfte gewünscht. Weshalb glaubst du, dass der neue Gesamtprojektleiter nichts reißen wird? Du kennst ihn noch nicht einmal. Gib ihm doch eine Chance.“ „Ist ja gut, hör mir einfach mal zu“, beschwichtigt Ehrlich und fährt fort: „Was haben die Teilprojektleiter beim früheren Gesamtprojektleiter gelernt? Na? Ich sage es dir: Sie haben gelernt, Dinge auszusitzen und die schöne Seite zu zeigen, auch wenn die Resultate noch so dünn waren.“ „Mag sein, aber das wird doch jetzt ganz anders werden: Er ermutigt sie, Fehler sofort zu melden und nicht zu wiederholen“, fällt ihm Priesberg ins Wort. „Und genau deswegen wird es weiterhin nur schöne Resultate geben“, unterbricht Ehrlich. „Der neue Projektleiter wird doch mit seinen einzelnen Projektleitern reden und sie ermutigen! “, wiederholt Priesberg gereizt. „Du hast mir doch eben beigebracht, die Teilprojektleiter zittern vor ihm“, beharrt Ehrlich, Autor: Jens Köhler Die Paradoxie bei der Veränderung Projektgeschichten und Fallstudien „wieso soll dann jemand von sich aus loslegen? Das Entscheidende ist für mich, wie der Ton gesetzt wurde. Und der ist eindeutig von Angst geprägt.“ Ehrlich überlegt und spricht: „Die Teilprojektleiter bilden einen Schutzschild und schirmen sich ab. Es wird sich nichts ändern! “ Beide gehen einige Zeit schweigend nebeneinanderher. Priesberg durchbricht das Schweigen: „Das Beispiel mit dem Schutzschild gefällt mir irgendwie. Gibt es am Ende eine Möglichkeit, es auszuschalten? “ Ehrlich übernimmt: „Der neue Chef sollte sich darüber im Klaren sein, dass sich immer ein Schutzschild bilden wird. Selbst wenn die Teilprojektleiter besten Willens sind und verändern wollen. Erinnere dich daran, dass in Organisationen - hier dem Gesamtprojekt - die Kommunikation entscheidend ist. Die Teilprojektleiter haben gelernt, Schwierigkeiten nicht zu kommunizieren. Und genau das werden sie weiterhin tun. Sie folgen ihren unausgesprochenen Regeln.“ Priesberg überlegt: „Wenn der neue Chef das weiß, dann sollte er versuchen, diese Regeln zu verstehen. Er sollte vor allem verstehen, was sie inhaltlich bedeuten. Dies führt ihn schließlich auf die tatsächlichen Probleme. Und das sind nämlich genau die Dinge, über die nicht gesprochen wird.“ Ehrlich lobt: „Bravo, lieber Kollege. Das war der erste Streich … und der zweite folgt sogleich.” Priesberg verzieht das Gesicht, legt aber nach: „So wie ich das Ganze verstehe, kommt es jetzt darauf an, wie der neue Chef mit Fehlern umgeht. Wenn er die Teilprojektleiter bestärkt, sich mit den Fehlern auseinanderzusetzen, sie zuzulassen, aus ihnen zu lernen, dann spricht sich das rum. Die Angst wird sicher verschwinden. Wenn der neue Chef allerdings Rügen erteilen sollte, dann …“ „… wird der Schutzschild umso stärker“, fällt ihm Ehrlich ins Wort und fragt: „Kann noch etwas passieren? ” Priesberg überlegt und bekommt langsam Spaß an der Sache: „Er kann auf Dauer sogar seine Macht verlieren: Je länger er die Macht hat, aber nichts ändert, desto mehr verschwindet der Einfluss auf seine Umgebung und er stärkt das bestehende System. Paradox! “ Ehrlich fasst zusammen: „Also gibt es wenige Ankerpunkte, die der neue Gesamtprojektleiter hat: den Schutzschild erkennen und verstehen, um dadurch zu den Problemen zu gelangen. Und als Nächstes: die Probleme inhaltlich aufarbeiten und dies als Standard setzen.“ „Und was passiert, wenn Kosten- und Zeitdruck das nicht zulassen? “, fragt Priesberg. Ehrlich schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und will zu einem längeren Monolog ausholen. Priesberg lässt das aber nicht zu: „Jaja, ich habe verstanden: Diese sind natürlich auch als Probleme aufzufassen und zu hinterfragen.“ „Du siehst, es hilft, stets das Gesamtsystem zu betrachten. Dann lassen sich auch solche Paradoxien auflösen“, spricht Ehrlich und ist erleichtert, dass sein Kollege in letzter Minute die Kurve doch noch gekriegt hat. Autor Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB/ IC, 67056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com WISSEN 65 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Im Jahr ihres 40-jährigen Vereinsbestehens veranstaltet die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. zum 36. Mal das PM Forum. Die GPM und das PM Forum - zwei Erfolgsgeschichten, die untrennbar miteinander verbunden sind. Was als überschaubare Jahrestagung im kleinen Kreis begann, ist heute längst als führender Fachkongress für Projektmanagement in Europa etabliert. Nach dem Teilnehmerrekord aus dem Vorjahr erwartet auch das PM Forum 2019 wieder mehr als 1.000 Besucher, PM-Experten und Projektbegeisterte aus allen Branchen. Schauplatz am 22. und 23. Oktober ist erneut das NCC Ost der NürnbergMesse. Die Teilnehmer können sich freuen auf die spannende Mischung aus herausragenden Keynotes, fundierten Fachbeiträgen und angenehmer Atmosphäre mit reichlich Gelegenheit zum Netzwerken in der PM-Community. In sage und schreibe 16 Themenstreams - auch das eine neue Rekordmarke - bildet das diesjährige Programm wieder die gesamte Bandbreite und Vielfalt von professionellem Projektmanagement in der heutigen Praxis ab. Eine Übersicht über alle Streams und Programminhalte enthält das offizielle Programmheft, das dieser Ausgabe beiliegt. Wie können wir Projekte sicher und erfolgreich in die Zukunft steuern? Dieser Gedanke prägt die Zusammenstellung des Programms. So ver- Die ganze Vielfalt des Projektmanagements: das Programm des PM Forum 2019 mittelt der „Educational Stream“ beispielsweise die Grundlagen des modernen Projektmanagements, während der „Science Fiction“-Stream noch einen Schritt weitergeht und einen Blick auf das PM von morgen wirft. Nicht nur die Themenauswahl, auch die beteiligten Personen stehen für die Zukunft. Der Stream „Young Professionals“ wird komplett von jungen Nachwuchstalenten gestaltet. Unter anderem werden dort wieder die besten Ideen von Studierenden für das „Projektmanagement 2030“ präsentiert. Darüber hinaus kommen beim PM Forum selbstverständlich auch „Dauerbrenner“-Themen wie „Agile/ Lean PM“, „DevOps“ oder „Soziale Kompetenz“ nicht zu kurz und sind mit einem eigenen Stream vertreten. Einen besonderen Schwerpunkt hat das Programmkomitee erneut auf interaktive Formate gelegt. Neu in diesem Jahr sind etwa die Streams „Business Games“ mit Spielen für die Projektpraxis sowie das PM Café, das Raum für Gesprächsrunden zu unterschiedlichen aktuellen Projektmanagement-Aspekten bietet. Da das PM Forum für einen hohen Praxisbezug steht und exzellente Beispiele stets im Blick behält, stehen mit dem Stream „Best Practice im Projektmanagement“ konkrete Anwendungsbeispiele im Fokus. In der „Projektmanagement Champions League“ haben die Teilnehmer die Gelegenheit, von der Königsklasse zu lernen. Lernen von den Besten - das gilt auch für die vier hochkarätigen Keynotes, die ohne Zweifel auch in diesem Jahr wieder besondere Highlights setzen und wertvolle Impulse liefern: Prof. Jürgen Schmidhuber gilt als Pionier der künstlichen Intelligenz und berät Regierungen zu diesem Thema. In seiner Keynote gibt er einen Einblick in seine bahnbrechenden Erkenntnisse und begründet, warum KI fast jeden Aspekt unserer Zivilisation verändern wird. Die Publizistin und TV-Moderatorin Anja Reschke weiß aus eigener Erfahrung: Alternative Fakten, Fake News und Provokationen haben in den vergangenen Jahren Einzug in die öffentlichen Diskussionen gehalten. Auf dem PM Forum spricht sie über die Verantwortung des Journalismus in Zeiten des Populismus. Warum beim Thema Klimawandel Resignation und Schwarz-Weiß-Malerei fehl am Platz sind, zeigt Diplom-Meteorologe und TV-Moderator Sven Plöger auf. Der Wetterexperte erklärt, warum der Klimawandel auch Chancen mit sich bringt, wenn Einzelinteressen überwunden werden können. Dr. Robert Neuhauser, Global Vice President People & Leadership bei Siemens, gibt neue faszinierende Einblicke in die sich stetig wandelnde Welt des Personalmanagements. Er verrät, ob wir eine neue Form von Leadership brauchen und bestehende Karrieremodelle überdenken müssen. Neugierig auf das vielseitige Programm des PM Forum 2019 am 22./ 23. Oktober? Alle Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter www.pm-forum.de. DER FÜHRENDE FACHKONGRESS FÜR PROJEKTMANAGEMENT IN EUROPA projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 66 NACHRICHTEN Im Vorfeld des PM Forum findet auch in diesem Jahr wieder der PMO Tag statt - der branchenübergreifende Treffpunkt für Führungskräfte, Project-Management-Office-Experten und alle, die es werden wollen. Die diesjährige Ausgabe der führenden deutschsprachigen PMO-Veranstaltung am 21. Oktober 2019 in Nürnberg besticht erneut mit interessanten Vorträgen und innovativen Workshops. Der inhaltliche Fokus liegt diesmal auf der Zukunft der Arbeitswelt. Wie kann „New Work“ in der Praxis gestaltet werden? Wie können Veränderungen (vor-)gelebt und vorangebracht werden? PMOs kommt dabei in ihrer Rolle als Strategietreiber und Ermöglicher von Veränderungen eine zentrale Bedeutung zu. Wichtige Impulse zu diesem Thema steuert auch die Bundesagentur für Arbeit bei, die in diesem Jahr als Netzwerkpartner des PMO Tag neu mit an Bord ist. Doch nicht nur die großen Trends und harten Fakten sind es, die beim PMO Tag 2019 eine Haupt- PMO Tag 2019: „Über die Arbeit und über leise Töne“ rolle spielen. Es geht auch um die Kraft der kleinen Schritte und der leisen Töne. Gerade im Miteinander und in der Menschlichkeit liegen Chancen für die Zukunft der Arbeit - das veranschaulichen die spannenden Keynotes und Impulsvorträge. So erklärt der renommierte Psychologe und Autor Louis Lewitan, was wir tun können, damit Stress und Burn-out in unserem Arbeitsleben keinen Raum haben. Der Beitrag der Bundesagentur für Arbeit gibt Einblick in den Wandel einer selbstverwalteten Bundesoberbehörde und bietet die Grundlage für eine Diskussion über die Bedeutung von Arbeit. Mit einer einzigartigen Mischung aus Poesie und Kongressrückblick verzaubert Schauspielerin und Slam-Poetin Dominique Macri in ihrem „Poetic Recording“-Beitrag das Publikum. Zum Abschluss verrät die vielfach preisgekrönte Unternehmerin Sina Trinkwalder, wie man Wunder manchmal selber machen kann und mit Mut, Vertrauen und Menschenliebe die Wirtschaft auf den Kopf stellt. Viele der im vergangenen Jahr erfolgreich eingeführten neuen Formate und Ideen sind auch in diesem Jahr wieder fester Bestandteil des PMO Tags. Dazu gehören der Netzwerkabend und der Amuse-Gueules-Parcours mit Wissenshäppchen auf die Hand. In interessanten Kurzpräsentationen bieten die verschiedenen Referenten dabei praxisnahes Wissen zum Mitnehmen - die beim anschließenden Get-together diskutiert werden können. Details zum PMO Tag 2019 und die Möglichkeit zur Anmeldung sind unter www.pm-forum.de/ pmo-tag zu finden. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 NACHRICHTEN 67 Die Delegiertenversammlung der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. hat Daniel Stumpf am 28. Juni zum neuen Vizepräsidenten des Vereins gewählt. Er wird das Amt voraussichtlich zum 1. Oktober 2019 antreten. Daniel Stumpf bringt Führungserfahrung in verschiedenen nationalen und internationalen Orga- Großer Erfolg bei der International Project Management Championship (IPMC): Wie im Vorjahr setzte sich das deutsche Team gegen die internationale Konkurrenz durch und sicherte sich den Siegerpokal. Das internationale Finale des dreistufigen Wettbewerbs fand in diesem Jahr in Nürnberg statt. Vergangenes Jahr hatte das deutsche Team zum ersten Mal in der Geschichte des internationalen Projektmanagement-Wettbewerbs - gemeinsam mit Gastgeber Serbien - den ersten Platz belegt. Dadurch wurde Deutschland die Ehre zuteil, die IPMC 2019 auszurichten. Die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Vereinsbestehen der GPM machten das Timing perfekt. Deswegen fiel die Wahl des Austragungsorts schnell auf die fränkische Metropole Nürnberg, sodass der Wettbewerb in den repräsentativen Räumlichkeiten der GPM stattfinden konnte. Am Freitag, dem 31. Mai, trafen die neun teilnehmenden Teams aus Kroatien, Finnland, Russland, Spanien, Italien, Serbien, Litauen, den Niederlanden und Deutschland in Nürnberg ein. In Daniel Stumpf wird neuer Vizepräsident der GPM IPMC: Das deutsche Team verteidigt den Titel nisationen mit. So war er zuletzt seit Anfang 2017 als Operational Manager der Öko-Kontrollstelle Kiwa BCS Öko-Garantie GmbH tätig und trug dort Personalverantwortung für 90 Mitarbeiter. Die GPM kennt der 37-Jährige bereits aus einer früheren Tätigkeit: Von 2015 bis Ende 2016 fungierte er als Manager Operations und Produktmanager bei der PM-ZERT, der Zertifizierungsstelle der GPM. Seine berufliche Laufbahn startete Stumpf als Manager Operations beim französischen Weiterbildungsunternehmen EGI- LIA. Anschließend arbeitete er als Key Account Manager bei der it innovations GmbH, bevor er sich 2015 als Berater und Dozent für Sprache und Kommunikation selbstständig machte. In seiner neuen Rolle wird Daniel Stumpf gemeinsam mit GPM Präsident Prof. Dr. Helmut Klausing das Präsidium der GPM bilden und den gemeinnützigen Fachverband führen. obere Reihe von links: -Marija Todorovic (IPMC sponsor international), Prof. Dr. Klausing (GPM Präsident), Kathrin Häring, Simon Junklewitz, David Scherer, Moritz Hoheisel (Gewinnerteam Deutschland),--Gholamreza Safakish (Mitglied des IPMA-Vorstandes) untere Reihe von links: Fabian Urban (Leitung IPMC), Niklas Bein (Chairman IPMA Young Crew), Chiara Hänel (Leitung IPMC und Leitung GPM Young Crew), Patrick Schmeisser (Sponsor PMC Deutschland) Foto: Leon Greiner - Foto: Christian Tech GPM Mitglieder: 8.000 Davon Firmenmitglieder: 400 Teilnehmer am Lehrgang „Projektmanagement-Fachmann“: 36.200 Durch PM-ZERT vergebene Projektmanagement-Zertifikate insgesamt: 55.092 Stand: 05.07.2019 +++ GPM +++ GPM +++ GPM +++ GPM +++ GPM +++ GPM +++ projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 68 GPM INTERN Bereits seit 2017 arbeiten die GPM und Südwestmetall eng zusammen. Ein weiterer wichtiger Schritt dabei ist die Kooperation der GPM mit dem unter dem Dach von Südwestmetall auftretenden Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft, die nun seit knapp Die GPM und Südwestmetall: eine erfolgreiche Zusammenarbeit lockerer Atmosphäre konnten sich die Teams untereinander kennenlernen und einen ersten Eindruck der Räumlichkeiten gewinnen. GPM Präsident Prof. Dr. Helmut Klausing begrüßte die Teilnehmer und stimmte sie auf das Event ein. Am Samstag war es dann so weit: Nach einer Begrüßung durch Harald Riedel, Stadtrat und Referent für Finanzen, Personal, IT und Organisation der Stadt Nürnberg, traten die Teams gegeneinander an und stellten ihre Projektmanagement-Kompetenzen innerhalb einer Simulation unter Beweis. Die herausfordernde Online-Simulation des Anbieters Prendo befasste sich mit dem Bau eines Stadions in England. Im Rahmen der Galaveranstaltung am Abend wurden die Sieger gekürt. Und erneut konnte sich das deutsche Team, das in diesem Jahr aus Kathrin Häring, Simon Junklewitz, David Scherer und Moritz Hoheisel bestand, über Platz 1 freuen. Den zweiten Platz belegte das Team aus Litauen, das spanische Team erreichte den dritten Platz. Gholamreza Safakish, Mitglied des IPMA-Vorstandes, überreichte den Pokal für den Sieger des Events und freute sich, bei so einem wichtigen Meilenstein der Young Crew in Deutschland dabei zu sein. Am Sonntag traten die Teilnehmer nach einer Tour durch Nürnberg mit neuen Erfahrungen im Gepäck die Heimreise an. Im nächsten Jahr wird das internationale Finale voraussichtlich in Litauen ausgerichtet. einem Jahr läuft. Vom Ergebnis der Zusammenarbeit können Unternehmen auf mehreren Ebenen profitieren. Der dynamische Wandel von Märkten und Kundenbedürfnissen bringt für Unternehmen, gerade auch für KMUs, komplett neue Herausforderunv. l.: Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall, Prof. Dr. Helmut Klausing, Präsident der GPM, und Stefan Küpper, Geschäftsführer des Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.; Foto: Südwestmetall/ Frank Eppler gen - denen durch den verstärkten Einsatz von Projektmanagement begegnet werden kann. Damit verbunden entstehen jedoch neue Herausforderungen, zum Beispiel hinsichtlich des Kompetenzaufbaus der Mitarbeiter, aber auch hinsichtlich einer angemessenen Entlohnung. Um darauf besser reagieren zu können, greift der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. (Südwestmetall) auf das Kompetenznetzwerk der GPM zurück. Gegenstand der bereits länger andauernden vertrauensvollen Zusammenarbeit ist zum einen die Entwicklung eines Entgeltmodells für verschiedene Berufsbilder im Projektmanagement. Dieses Modell beruht auf einer gemeinsam ausgearbeiteten Aufgabenbeschreibung für Projektmanager. Zum anderen soll der Aspekt des Kompetenzaufbaus gestärkt werden. Das unter dem Dach von Südwestmetall angesiedelte Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V. bietet Weiterbildungen im Projektmanagement an. Im Rahmen einer Kooperation mit der GPM hat das Bildungswerk seit 2018 auch die Zertifizierungsangebote nach dem IPMA-Standard integriert. Die Zusammenarbeit von GPM, Südwestmetall und dem dazugehörenden Bildungswerk bietet Unternehmen somit einen konkreten Mehrnutzen: Von der Aufgabendefinition über den Kompetenzaufbau von Beschäftigten bis hin zu Entgeltfragen ist alles durchgängig abgestimmt. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 GPM INTERN 69 Am ersten Juliwochenende in München fand erstmalig ein gemeinsames Treffen der Mitglieder der Fachgruppenleitungen mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Regionalleitungen statt. Nach einer Stärkung am Mittagsbüfett eröffnete Peter Richter, Vorsitzender des Ausschusses der Regionen, die Veranstaltung. Prof. Helmut Klausing berichtete über Aktuelles aus dem Präsidium der GPM, neue Kooperationen und gab einen Ausblick in die zukünftige Zusammenarbeit mit dem neuen Vizepräsidenten Daniel Stumpf. Working-out-Loud - was ist das? Welchen Mehrwert haben korporative Mitglieder von und für die GPM? Diese beiden Themen standen im Mittelpunkt des Freitagnachmittags. Die erste Frage klärte Rainer Bartl, Working-out-Loud- Experte, in seinem Workshop. Mit der Gründung eines Working-out-Loud-Circles kann durch den Aufbau von Beziehungen ein persönliches Ziel erreicht und ein Thema oder eine Lösung für eine Problemstellung mit einer Selbstlernmethode erarbeitet werden. Der zweiten Frage ging Clemens Hartmann aus der Mitgliederbetreuung der GPM, zuständig für korporative Mitglieder, nach und sammelte einen bunten Strauß an Ideen und Anforderungen, um die Zusammenarbeit mit den korporativen Mitgliedern der GPM für alle gewinnbringend voranzubringen. Im Biergarten mit bayerischer Kost, Sonnenschein und tollen Gesprächen ließen es sich die Leitungsmitglieder der Fachgruppen und Regionen anschließend schmecken und den ersten spannenden Tag ausklingen. Claudia Stöhler, Mitglied im Ausschuss für Facharbeit, und Peter Richter begrüßten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Samstagmorgen zum zweiten Veranstaltungstag. Bei einem Gallery Walk durch die Arbeitsergebnisse der einzelnen Fachgruppen konnten am Vormittag gemeinsam Ideen gesammelt werden, um der Antwort auf die Frage „Wie bringen wir die Facharbeit in die Regionen? “ ein Stück näher zu kommen und die Zusammenarbeit zwischen den Regional- und Fachgruppen weiter auszubauen und verborgene Schätze zu bergen. Am Nachmittag tauchten die Fachgruppenleiter in die Facharbeit ein und auch die Regionen nah- Sommertreffen der Regional- und Fachgruppenleiter in München men sich Zeit für spezifische Themen der Regionalarbeit. So wurde eine freie Position im Ausschuss der Regionen per Wahl neu besetzt: Die Mitglieder des Ausschusses der Regionen begrüßen Robby Bergk, Regionalleiter für Chemnitz, als Mitglied im Ausschuss der Regionen. Sie und die gesamte GPM wünschen ihm viel Spaß und Freude dabei! Wichtige Informationen zu aktuellen Projekten des Ausschusses der Regionen, zu Personalia im Ehren- und Hauptamt der GPM sowie zur Delegiertenversammlung I/ 2019 gab es im Anschluss zu berichten. Dabei blieb auch Zeit für eine Bilanz: Im Jahr 2018 haben 87 Regionalleiterinnen und Regionalleiter in 39 Regionen mit über 3.500 ehrenamtlich geleisteten Stunden rund 5.000 Besucher an 203 Abendveranstaltungen und fünf PM-Tagen begeistert. Ein herzliches Dankeschön an alle ehrenamtlich Aktiven, die zu diesen beeindruckenden Zahlen beitragen und die tolle Arbeit in ihren Regionen vor Ort auf die Beine gestellt haben. Auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Fachgruppenleitertreffens wurden parallel Veränderungen in den Fachgruppenleitungen, der aktuelle Budgetstatus und das Mentorenkonzept des Ausschusses für Facharbeit vorgestellt. Zudem haben sich die Teilnehmer Zeit genommen, um die beiden Megatrends „Neues Lernen“ und „New Work“ genauer unter die Lupe zu nehmen und zu ermitteln, welchen Impact diese Trends auf unsere Facharbeit haben, und damit diese zukunftsorientiert auszurichten. Wir freuen uns, dass nicht nur unser zukünftiger Vizepräsident Daniel Stumpf die Möglichkeit hatte, sich den Teilnehmern persönlich vorzustellen, sondern auch neue Gesichter aus den Regional- und Fachgruppenleitungen dabei waren. Feierlich konnte der Ausschuss der Regionen Dr. Malgorzata Seeger und Dr. Volker Bittner aus der Region Gießen und Robert Treß und Mike Zschögner aus der Region Regensburg ihre Ernennungsurkunden überreichen. Nach einer gemeinsamen Fahrradtour am Samstagabend entlang der Isar konnten sich alle fleißigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei italienischer Küche stärken. Wir blicken auf eine spannende, interessante und vor allem erfolgreiche Veranstaltung mit einigen neuen Gesichtern zurück. Wir alle haben Neues gelernt, haben viele anregende Ideen im Gepäck und sind uns einig: Ein gemeinsames Treffen der Fach- und Regionalgruppenleitungen gibt es ab sofort regelmäßig! Autorin: Stine Bittner Die Teilnehmer des Sommertreffens der GPM Regional- und Fachgruppenleiter, Foto: Ulrich von Knobloch projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 70 GPM INTERN Veranstaltungen der GPM Regionen GPM Region Veranstaltung/ Referent Ort Termin Berlin Agile Steuerung von Großprojekten; Jörg Greitemeyer proventis GmbH, Alte Jakobstraße 83, Berlin 12.09.2019 18: 00-20: 00 Uhr 8. Berliner PM-Expertinnen-Stammtisch Restaurant Lemongrass, Anklamer Straße 38, Berlin 25.09.2019 18: 00-21: 00 Uhr Lean soll es sein - Projektmanagementstandards musterbasiert anwenden microTOOL GmbH, Voltastraße 5, Aufgang 10/ 6, Berlin 07.11.2019 18: 00-19: 30 Uhr ICB 4.0 Individual Competence Baseline der IPMA; Karl-Wilhelm Freiherr von Rotenhan GPM Hauptstadtrepräsentanz, Hausvogteiplatz 12, Berlin 14.11.2019 18: 00-19: 30 Uhr 40 Jahre GPM wird noch bekannt gegeben 05.12.2019 18: 00-21: 00 Uhr Bremen/ Oldenburg Workshop Multiprojektmanagement; Dr. Thor Möller wird noch bekannt gegeben 12.09.2019 18: 00-20: 00 Uhr Stammtisch für Projektmanager wird noch bekannt gegeben 29.10.2019 17: 30-19: 30 Uhr Workshop Störfaktoren für Projektleiter; Irmtraud Behrens wird noch bekannt gegeben 26.11.2019 18: 00-20: 00 Uhr Chemnitz Strategisches Projektcontrolling (Erfahrungsbericht) TCC Chemnitz, Annaberger Straße 240, Chemnitz 08.10.2019 18: 00-21: 00 Uhr Dortmund/ Ruhrgebiet, Düsseldorf/ Rhein-Ruhr 10. PM-Tag Rhein-Ruhr; Goran Radin, Benedict Gross, Torsten Körting Gut Gnadental, Nixhütter Weg 85, Neuss 13.09.2019 12: 30-17: 30 Uhr Dortmund/ Ruhrgebiet Stammtisch der PM-Expertinnen an Rhein und Ruhr Unperfekthaus, Friedrich-Ebert-Straße 18, Essen 21.11.2019 18: 30-21: 30 Uhr Düsseldorf/ Rhein-Ruhr Resilienz - die unterschätze Herausforderung CGI Deutschland B.V. & Co. KG, Heerdter Lohweg 35, Düsseldorf 14.10.2019 18: 30-20: 00 Uhr Projektmanagement 4.0: Vom Digital Native zum Digital Naiv - Eine Philippika; Gerhard Krug Provinzial Rheinland Versicherung, Provinzialplatz 1, Raum Berlin, Düsseldorf 09.12.2019 18: 30-20: 00 Uhr Frankfurt/ Rhein-Main ICB 4.0 Individual Competence Baseline der IPMA; Karl-Wilhelm Freiherr von Rotenhan Saalbau Gallus, Frankenallee 111, Frankfurt am Main 12.09.2019 18: 30-21: 00 Uhr 14. PM-Tag der GPM Region Frankfurt/ Rhein-Main Welcome Hotel Frankfurt, Leonardo-Da-Vinci-Allee 2, Frankfurt am Main 21.11.2019 13: 00-20: 00 Uhr Hannover Agile Methoden: Produkt 54; Udo Schmidt Hochschule Hannover, Fakultät IV, Ricklinger Stadtweg 120, Hörsaal: (wird noch festgelegt), Hannover 23.09.2019 17: 30-20: 00 Uhr 18. PraxisForum Projektmanagement Haus der Region, Hildesheimer Str. 18, Hannover 06.11.2019 16: 00-21: 00 Uhr GPM Meet and Talk Hannover Restaurant Brunnenhof im Central-Hotel KAISERHOF, Ernst-August-Platz 4, Hannover 18.11.2019 18: 30-20: 30 Uhr Karlsruhe Wie werden Projekte „schlank“? ; Prof. Dr. Rainer Erne wird noch bekannt gegeben 19.09.2019 19: 00-21: 00 Uhr Köln Erfolgsfaktor Emotionale Kompetenz; Martina Baehr Postbank Systems, Baunscheidtstraße 8, Bonn 12.09.2019 8: 30-20: 30 Uhr Mannheim/ Ludwigshafen Digitale Welt Rhein Neckar John Deere Mannheim Regional Center, John-Deere-Straße 70, Mannheim 24.-25.09.2019 09: 00-17: 00 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 GPM INTERN 71 Veranstaltungen der GPM Regionen GPM Region Veranstaltung/ Referent Ort Termin Saarbrücken/ Trier Design Thinking - Create your new Business IDEA; Andrea Grün Neue Kantine aw saarbrücken burbach, Vollweidstraße 11, Saarbrücken 17.09.2019 18: 30-21: 00 Uhr Mediation im Projekt; Gerfried Braune, Margit Klasen-Braune BCC Business Communication Center, Innovationsring 19, InnovationsCampus Saar, Saarbrücken 15.10.2019 18: 30-21: 00 Uhr Villingen- Schwenningen Firmenevent der Regionalgruppe Villingen-Schwenningen wird noch bekannt gegeben 26.09.2019 18: 00-21: 00 Uhr Workshop der Regionalgruppe Villingen-Schwenningen wird noch bekannt gegeben 16.11.2019 10: 00-14: 00 Uhr Weimar PM Update wird noch bekannt gegeben 27.09.2019 wird noch bekannt gegeben Stand: 1.7.2019. Eine aktuelle Übersicht über alle Termine finden Sie unter: www.gpm-ipma.de/ events/ regionale_veranstaltungen.html Neue Firmenmitglieder stellen sich vor! Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und Bedeutung Erwartungen an die GPM Tintschl Unternehmensgruppe www.tintschl.de Die Tintschl Unternehmensgruppe ist Premium-Dienstleister für hochqualifizierte Personal- und Ingenieurdienstleistungen. Tintschl bietet als Projektpartner langjährige Erfahrung und umfassendes Wissen in den Branchen Energieversorgung, Automotive, Luftfahrt, Anlagenbau und IT. Im Rahmen des PM sehen wir uns als Lösungspartner, der mit Fokus auf Qualität und Effizienz Kundenanforderungen umsetzt. Möglichkeit zum Austausch und zur Weiterentwicklung unseres Projektmanagements. Kontinuierliche Weiterbildung unserer Mitarbeiter. GRIMME Landmaschinenfabrik GmbH & Co. KG www.hochschule-ruhr-west.de Die GRIMME Landmaschinenfabrik ist mit ca. 1450 Mitarbeitern Teil der international aufgestellten GRIMME Gruppe und produziert Landmaschinen für den Anbau von Kartoffeln, Rüben und Gemüse, die sie mit Hilfe eines weltweit agierenden Händlernetzes vertreibt. Das Projektmanagement der GRIMME Landmaschinenfabrik konzentriert sich im Wesentlichen auf die Definition, Planung und Steuerung von F&E-Projekten, in denen unsere neuen Produkte mit Hilfe eines definierten Produktentstehungsprozesses vom Konzept bis hin zur Serienreife entwickelt werden. Informationen zur aktuellen Entwicklung des Projektmanagements und Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen. Neue persönliche Mitglieder Sebastian Aufmuth (Vellberg), Dr. Peer Bartels (Leer), Dr. Edgar Bazing (Frankfurt), Wieland Boss (Nürnberg), Karen Brandt (Metzingen), Martin Buchholtz (Berlin), Günther Franke (Königsbronn), Frank Hagemann (Einbeck), Thomas Haskamp (Vechta), Fabian Jehnes (Loffenau), Torsten Kauerauf (Leipzig), Thomas Kober (Groß-Gerau), Stephanie Ludwig (Augsburg), Ingrid May-Staudinger (Tübingen), Felix Michl (Erlangen), Kerstin Probst (Hamburg), Ute Reimer (Kerpen), Farzad Schafighpur (Augsburg), Denis Winkler (Leipzig) Neue studentische Mitglieder Lynn Madita Adler (Kiel), Thorben Albs (Kiel), Melanie Christian (Schwentinental), Andreas Cullmann (Mainz-Kostheim), Clara-Luise Fleischhauer (Kiel), Nils Freundl (Kiel), Fabian Hiller (Tübingen), Leonard Hollstein (Kronshagen), Svenja Klatt (Jardelund), Justus Kühl (Kiel), Daniel Laufs (Kiel), Luca Moers (Kiel), Martje Nehlsen (Kiel), Thu Ha Nguyen (Kiel), Lisa Pingel (Boostedt), Christian Popfinger (Sielenbach), Katharina Röder (Trappenkamp), Christoph Roese (Kiel), Wencke Rohwedder (Hamburg), Felix Zander (Plön) projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 72 GPM INTERN Kontakt: spm Geschäftsstelle, Flughofstraße 50, 8152 Glattbrugg, Schweiz, Tel.: +41/ 44/ 8 09 11 70, E-Mail: office@spm.ch Am 7. Mai hieß es wieder „Bühne frei“ für hochkarätige Referentinnen und Referenten, die dieses Jahr das Thema „Führen - Entscheiden - Bewegen. Agilität im Projektmanagement“ von ganz verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten. Die bekannte Location X-TRA in Zürich öffnete für einmal nicht Partygästen, sondern interessierten Projektmanagerinnen und Projektmanagern ihre Türen. Schon beim Begrüßungskaffee nutzten die zahlreichen Teilnehmenden die Gelegenheit zum Vernetzen, Wiedersehen und Kennenlernen. Jasmin Rubner führte sympathisch und professionell durch das Programm, das Prof. Dr. Martina Huemann von der Wirtschaftsuniversität Wien mit dem Thema „Führen in einer digitalen Welt“ eröffnete. Sie übergab den Stab danach an einen Landsmann; Martin Saier berichtete über (Lean) Project Management, wobei er auch Szenarien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz aufzeigte, die mal von mehr, mal von weniger Regulierung und Vertrauen ausgingen und später noch manches zu diskutieren gaben. Im wahrsten Sinne des Wortes agil waren auch die Intermezzi des Akrobaten-Duos „Duett Complett“, die das Publikum bezauberten. Das Thema flexibles Büro und wie die „alte Tante“ NZZ damit umging, erläuterte Milena Russ. Welche besonderen Herausforderungen im Führen eines Flugzeugteams bestehen, berichtete Swiss-Kapitän Peter Kuster - und danach waren vielleicht manche im Publikum froh, dass sie in ihren Projekten, im Gegensatz zum Piloten, auch einmal die „Parkbremse“ setzen und in Ruhe über ein Problem nachdenken können. Nach der Mittagspause standen agile Organisationsformen im Mittelpunkt: einmal aus praktischer und dann aus wissenschaftlicher Sicht. Im Praxisbericht schilderte Ivo Bättig, welche Erfahrungen sie in der Firma Unic nach 2 Jahren Selbstorganisation nach dem Modell Holacracy gewonnen haben. Wie die Organisationssoziologie auf solche agilen Organisationsformen schaut, erläuterte anschließend Prof. Dr. Stefan Kühl von der Universität Bielefeld. Seine nüchterne Betrachtung, was in den dazu untersuchten Unternehmen vorgefunden wurde und was diese sich mit agilen Organisationsformen positiv wie negativ einhandelten, weckte im Publikum Zustimmung, aber auch Widerspruch. Um Meinungen ausdrücken und weitere Fragen stellen zu können, standen alle Referentinnen und Referenten in Vertiefungsworkshops zur Verfügung, was rege genutzt wurde. Auch die emotionale Seite kam an dieser Tagung nicht zu kurz: Tanja Schug, Gründerin und CEO von Zero Senses, zeigte auf, wie gerade in der heutigen Zeit das Verbinden von Rationalität mit Emotionen unerlässlich ist. Ihr Lebensweg hatte sie unter anderem zum Wine Tasting, mit allen Sinnen, geführt. Mit viel Gesprächsstoff sowie Wein und anderen Genüssen ging es dann auch nahtlos zum abschließenden Apéro über. Autorin: Margarete Nuber Agile Akrobatik und Projektmanagement - Frühjahrstagung 2019 Agile Akrobatik - das Duett Complett; Foto: spm Vertiefungsworkshop mit Prof. Dr. Stefan Kühl; Foto: spm projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 SPM INTERN 73 Vor den Vorhang ! pma Mitglieder. Mit knapp 1.200 Mitgliedern ist pma die größte PM-Vereinigung Österreichs. Wir stellen vor: Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und Bedeutung Mondi AG Marxergasse 4A, 1030 Wien Österreich www.mondigroup.com Mondi ist ein global führendes Verpackungs- und Papierunternehmen, das seine Kunden mit innovativen und nachhaltigen Lösungen begeistert. Mondi ist entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Verpackungs- und Papierherstellung tätig. Nachhaltigkeit ist ein fester Bestandteil von Mondis täglicher Arbeit.- Solides Projektmanagement Know-How aller MitarbeiterInnen bildet die Basis für die Leistungserbringung durch die zentrale Information Management Abteilung von Mondi. Diese durchlaufen entsprechende Trainings und Zertifizierungen. Das Projektportfolio folgt der globalen Wachstumsstrategie der Gruppe und erstreckt sich von klassischen SAP Rollouts bis zu innovativen, digitalen Initiativen. Standpunkt. Mag. Brigitte Schaden, Präsidentin Projekt Management Austria (pma): Artificial Ethic - wer steuert wen? Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in unsere Arbeitswelt. Wir müssen uns daher auch im Projektmanagement die Frage stellen, wie die künftigen Spielregeln der Zusammenarbeit mit intelligenten Systemen aussehen. Hier sind nicht nur (arbeits-)rechtliche Rahmenbedingungen zu klären. Für erfolgreiches Projektmanagement unabdingbar ist ein gemeinsames Werteverständnis im Projektteam. Gilt dies für Menschen gleichermaßen wie für Algorithmen? Ja, denn KI-Systeme sind längst weit mehr als „technische Grundausstattung“. Sie sind (noch) keineswegs frei von Denkfehlern und Vorurteilen ihrer Erschaffer*innen. Unabhängig davon, ob wir sie als Stakeholder, Teil des Projektteams oder in die Projektumwelten miteinbeziehen, sie sind ein Faktor mit direktem oder indirektem Einfluss auf das Werteverständnis im Projekt und müssen daher gezielt im Blickfeld behalten werden. Foto: pma/ L. Schedl 60 Projektmanager*innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz begaben sich Mitte Mai auf eine innere Reise zu den Höhen und (gelegentlichen) Tiefen des Projektmanagements. Erforscht wurde dabei „der“ richtige Umgang mit Emotionen im Projektmanagement. Ein bunter Mix unterschiedlichster Workshops, wie zum Beispiel eine simulierte Lenkungsausschuss-Sitzung, Systemaufstellungen oder die Anwendung der Wu-De-Methodik im Projektmanagement, bot den engagierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern während der zwei Tage viel Raum, ihren persönlichen Umgang mit Emotionen in unterschiedlichen PM-Phasen und Situationen zu reflektieren gemäß dem Motto der Veranstaltung in einem Ambiente mit Designelementen aus der Epoche Sigmund Freuds. Zusätzliche Impulsreferate zum Thema „Glück und Emotionen“, „Mindfulness“ und zur Psychoanalyse verdeutlichten einmal mehr, wie wichtig der bewusste Umgang mit Emotionen für den Erfolg von Projekten ist. 6. D-A-CH-Forschungswerkstatt: Freud und Leid im Projektmanagement Was tut sich? pma Aktivitäten. • 25.09.2019: pma lounge Linz • 30.10.2019: pma focus 2019, Austria Center Vienna, Wien • 12.11.2019: pma lounge Dornbirn • 21.11.2019: pma award gala dinner 2019, Studio 44, Wien Details und Anmeldungen unter: www.pma.at PM auf der Couch: Yvonne Schoper (gpm), Brigitte Schaden (pma), Mario Sparrer (Adesso Austria); Fotos: pma projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 74 PMA INTERN „PM UNDER CONSTRUCTION - Projektmanagement im Umbruch“ - lautet der Titel von Österreichs größtem PM-Kongress am 30. Oktober in Wien. „Wir gehen der Frage nach, welche Paradigmen im Projektmanagement noch gültig sind und wie Projektmanagement der Zukunft aussehen wird“, sagt pma-Präsidentin Brigitte Schaden. Schöne neue, disruptive Welt? Ein Blick auf die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen verdeutlicht einmal mehr: Unsere Geschichte ist geprägt vom Wandel - von der Elektrizität über Nanotechnologie bis zum derzeitigen Hype der künstlichen Intelligenz (KI). Der Umbruch betrifft Projektmanager*innen in allen Branchen. Er verlangt, vertraute Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen. Wenn wir uns dabei auf die Spurensuche nach „dem“ Projektmanagement der Zukunft begeben, werden wir erleben, wie sich Grenzen auflösen. Jene zwischen Linie und Propma focus 2019: „PM UNDER CONSTRUCTION“ jekt und auch jene zwischen etablierten Standards und neuen Trends. pma focus 2019: Raus aus der Starre Die Eröffnungs-Keynote hält Zukunftsforscher Kai Gondlach. Er wirft einen Blick auf die Arbeitswelt 2030 und ihre Auswirkungen auf das Management von Projekten. Hans-Joachim Gergs von der Universität Erlangen-Nürnberg geht der Frage nach, was Unternehmen von „Kampfflugzeugen, James Bond und Taoismus lernen können“. Und Robert Trappl vom Österreichischen Forschungsinstitut für Artificial Intelligence spricht darüber, warum künstliche Intelligenz gerade jetzt ein Hype geworden ist. Der Kabarettist Hosea Ratschiller nähert sich dem Thema humoristisch. Er glaubt an das „Projekt Witz“ als Aufbruch: „Hauptsache, raus aus der Starre und hinein in neue Beweglichkeit! “ Weitere Referent*innen sind u. a. Susanna Wieseneder (Wieseneder Personal Counseling), Ro- 30. Oktober Austria Center Vienna #pmafocus19 pma.at Projektmanagement im Umbruch 2019 30. Oktober 2019 Austria Center Vienna www.pma.at #pmafocus19 2019 Programm PLENUM C 09: 00 - 09: 10 BEGRÜSSUNG Brigitte Schaden Präsidentin PROJEKT MANAGEMENT AUSTRIA GAPPS Chair MODERATION Karin Bauer Leiterin Karrierestandard, DER STANDARD 09: 10 - 09: 55 ERÖFFNUNGSKEYNOTE 2030: Die Zukunft der Arbeitswelt. Kai Gondlach Zukunfts- und Trendforscher, Zukunftsforscher.de 09: 55 - 10: 05 PROGRAMMVORSTELLUNG & SPONSORENBEGRÜSSUNG 10: 05 - 10: 40 Vom Hype zur Normalität? Die Stärken und Schwächen der Künstlichen Intelligenz. Robert Trappl Leiter Österr. Forschungsinstitut für Artificial Intelligence 10: 40 - 11: 10 PAUSE 11: 10 - 11: 45 Agilität braucht Stabilität - Was Unternehmen von Kampfflugzeugen, James Bond und Taoismus lernen können. Hans-Joachim Gergs Gesellschaft für empirische Organisationsforschung (GfeO) 11: 45 - 11: 55 AUSSTELLERINPUTS 11: 55 - 12: 30 Projektmanagement für den Wiener U-Bahn-Bau, eine Zeitreise aus der analogen in die digitale Welt. Günter Steinbauer Vorsitzender der Geschäftsführung, Wiener Linien GmbH& Co KG 12: 30 - 14: 00 MITTAGSPAUSE 14: 00 - 14: 45 Growing Governance - Ein PM Framework für die Zukunft. Roman Mittendorfer, Christof Kier Vicepresident, Executive Assistant to the CEO Strategic Operations, Frequentis AG 14: 45 - 15: 20 Drahtseilakt neue Arbeitswelt - 7 Warnsignale am Weg zur Agilität. Susanna Wieseneder Autorin/ Aufsichtsrätin/ Lektorin, Wieseneder Personal Counseling 15: 20 - 15: 55 Hoch hinaus - Agile Methoden im Generalplanermanagement. Christian Maeder Geschäftsführer PORR Design & Engineering GmbH 15: 55 - 16: 25 PAUSE 16: 25 - 17: 00 Wenn der Roboter entscheidet - Wer achtet auf die Regeln im Projektmanagement? Thomas Block, Martin Wiedenbauer Wirtschaftsanwälte & Partner ACT - act legal Germany, WMWP - act legal Austria 17: 00 - 17: 35 Werden Chats die Email ersetzen? Agiles Projektmanagement mit Messengern. Felix Häusler CEO & Mitgründer, UberGrape GmbH 17: 35 - 18: 10 ABSCHLUSSKEYNOTE Ein neuer Mensch. Hosea Ratschiller Kabarettist ab 18: 10 GEMÜTLICHER AUSKLANG IM FOYER A Jetzt anmelden: pma.at/ focus man Mittendorfer und Christof Kier (Frequentis AG), Günther Steinbauer (Wiener Linien), Christian Maeder (PORR AG), Martin Wiedenbauer (act legal) und Felix Häusler (Grape). Lassen Sie sich am 30. Oktober überraschen, doch überlassen Sie nichts dem Zufall und nicht alles dem Kollegen Roboter. Damit aus dem Umbruch ein Aufbruch wird! projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 PMA INTERN 75 GPM Fachgruppen Agile Management Dr. Alfred Oswald Tel.: 0 24 02/ 3 70-11 Wolfram Müller agile-management@gpm-ipma.de Automotive PM Thomas Klug Tel.: 01 60/ 97 98 81 14 automotive-pm@gpm-ipma.de Bau- und Infrastruktur Detlef Obieray Astrid Beger Prof. Tanja Kessel bau-und-infrastruktur@gpm-ipma.de Beratung im Projektmanagement Constantin Hoya Bernhard Schaefers beratung-im-pm@gpm-ipma.de Commercial Project Management Dr. Burkhard Müller Dr. Lorenz Schneider cpm@gpm-ipma.de Critical Chain Projektmanagement Ansgar Knipschild Tel.: 02 21/ 35 53 73-10 Guido Bacharach Tel.: 01 75/ 8 47 21 91 Claudia Simon critical-chain@gpm-ipma.de Digitale Transformation Johannes Werbach Dr. Manfred Nolle Norman Heydenreich digitale-transformation@gpm-ipma.de Fashion.Lifestyle.Creative Prof. Dr. Dominik Kögel fashion-lifestyle-creative@gpm-ipma.de Führung im Projekt Roswitha Müller-Ettrich Tel.: 0 89/ 21 02 58 64 fuehren-im-projekt@gpm-ipma.de IT-Projektmanagement Prof. Dr. Oliver Linssen it-projektmanagement@gpm-ipma.de Medien Irene Kayser Tel.: 0 69/ 1 55-28 21 Sabine Schnarrenberger Frank Fell-Bosenbeck medien@gpm-ipma.de Multiprojektmanagement Dr. Jörg Seidl Tel.: 0 21 73/ 2 69 63 07 Prof. Claus Hüsselmann multiprojektmanagement@ gpm-ipma.de Neue Perspektiven in der Projektarbeit Stephen Rietiker Tel.: +41/ 44/ 5 86 96 86 neue-perspektiven-in-der-projektarbeit@ gpm-ipma.de Normen im PM Ralf J. Roeschlein Tel.: 0 61 59/ 7 17 91 17 normen-im-pm@gpm-ipma.de PM goes Boardroom Prof. Dr. Dorothee Feldmüller Tel.: 0 20 56/ 5 84 81 67 21 pm-goes-boardroom@gpm-ipma.de PM-Healthcare Dr. Reinhold Rößler pm-healthcare@gpm-ipma.de Project Management Offices Astrid Beger Dr. Jörg Klein pmoffices@gpm-ipma.de Projektcontrolling Dipl.-Betriebsw. (FH) Christian Bramkamp Tel.: 01 75/ 2 46 36 75 Dipl.-Ing. Engelbert Scharnagl Tel.: 0 89/ 23 61-22 15 Martin Weiß projektcontrolling@gpm-ipma.de Projekt- und Prozessmanagement Prof. Dr.-Ing. Steffen Rietz Tel.: 0 78 03/ 96 98 44 50 projekt-prozessmanagement@ gpm-ipma.de Projektmanagement an Hochschulen Prof. Dr. Harald Wehnes Tel.: 01 52/ 01 56 85 00 Prof. Dr. Doris Weßels Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtschafts-Ing. Claudia Stöhler pm-an-hochschulen@gpm-ipma.de Projektmanagement für bürgerschaftliches Engagement Claudia Jahnke Dr. Thor Möller Rolf Kaestner pm-fuer-buergerschaftlichesengagement@gpm-ipma.de Projektmanagement im Mittelstand Dipl.-Ing. Guido Hänßgen pm-im-mittelstand@gpm-ipma.de Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung (PM-ÖV) Michael Münzberg Tel.: 02 28/ 9 96 80-91 41 Sabine Meister pm-oev@gpm-ipma.de Projektmanagement in Kommunen Tjark Bartels Tel.: 0 51 30/ 5 81-2 18 Wolfgang Sauer pm-in-kommunen@gpm-ipma.de Projektmanagement in Luft- und Raumfahrt Dr. Michael Sölter Tel.: 01 71/ 5 50 53 06 Dr. Martina Albrecht Tel.: 0 30/ 57 79 54 78 Dr. Manfred Nolle Tel.: 01 72/ 7 65 84 53 pm-in-luft-und-raumfahrt@ gpm-ipma.de Projektmanagement macht Schule (GPM) Jürgen Uhlig-Schoenian Tel.: 0 47 03/ 92 00 94 Ida Kristina Kühn Peter Pürckhauer pm-schulen@gpm-ipma.de Projektmanagement Windenergie Daniel Meier Tel.: 0 48 41/ 89 44-2 62 Prof. Dr.-Ing. Steffen Rietz Tel.: 0 78 03/ 96 98 44 50 Jan Koschinski pm-windenergie@gpm-ipma.de ProjektPersonal Dipl.-Ing. (FH) Johannes Voss Tel.: 09 31/ 99 17 51-0 Claudia Bretzke Tel.: 0 61 51/ 2 24 02 projektpersonal@gpm-ipma.de Qualität und Projekte Thomas Dörr Udo Schmidt Jörg Rittker Jürgen Frank qualitaet-und-projekte@gpm-ipma.de Requirementsmanagement Anne Hoffmann requirementsmanagement@ gpm-ipma.de Software für PM-Aufgaben Martin Bialas Tel.: 01 79/ 2 47 65 84 pm-software@gpm-ipma.de Stakeholdermanagement Katja Mayer Tel.: 0 61 92/ 96 13 95 stakeholdermanagement@ gpm-ipma.de Systemisches Projektmanagement und Changemanagement Michael Boxheimer Reinhard Kühn Tina Lochmann systpm@gpm-ipma.de Transportation PM Christian Hilse Tel.: 0 89/ 35 47-18 01 97 transportation-pm@gpm-ipma.de TurnAround PM Jörg Süggel Tel.: 01 77/ 6 46 34 17 Goran Radin Kai Rahnenführer turnaround-pm@gpm-ipma.de GPM Special Interest Groups Go International Dr. Lorenz Schneider go-international@gpm-ipma.de PM-Expertinnen Sabine Hinners Ingrid Mages pmexpertinnen@gpm-ipma.de Young Crew Tobias Zube Bernhard Gerl Chiara Hänel young-crew@gpm-ipma.de GPM und PM-ZERT GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Prof. Dr.-Ing. Helmut Klausing GPM Präsident Am Tullnaupark 15 90402 Nürnberg Tel.: 09 11/ 43 33 69-0 Fax: 09 11/ 43 33 69-99 info@gpm-ipma.de Internet: www.gpm-ipma.de GPM Geschäftsstelle in Nürnberg Tel.: 09 11/ 43 33 69-0 Fax: 09 11/ 43 33 69-99 info@gpm-ipma.de PM-ZERT Karl-Wilhelm Freiherr von Rotenhan Geschäftsführer Tel.: 09 11/ 43 33 69-33 Fax: 09 11/ 43 33 69-39 k.vonrotenhan@gpm-ipma.de GPM Hauptstadtrepräsentanz Tel.: 0 30/ 36 40 33 99-0 Fax: 0 30/ 36 40 33 99-5 76 GPM KONTAKTE projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3) FÜR IHRE KARRIERE IM PROJEKTMANAGEMENT GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. I www.gpm-ipma.de I weiterbildung@gpm-ipma.de Das GPM Weiterbildungsangebot Autorisierter Trainingspartner Bei unseren Weiterbildungspartnern finden Sie das passende Angebot. Jetzt Kontakt aufnehmen und beraten lassen! weiterbildung@gpm-ipma.de Das umfassende Weiterbildungsangebot der GPM bietet Ihnen den Schlüssel für erfolgreiches Projektmanagement. Besuchen Sie deutschlandweit Lehrgänge und Coachings nach GPM Qualitätsstandards - durchgeführt von unseren erfahrenen Autorisierten Trainingspartnern und Akkreditierten Trainern. Unsere Weiterbildungspartner finden Sie hier: www.gpm-ipma.de/ weiterbildung/ projektmanager/ unsere_partner Aachen Waltraud Völlmicke Aachen@gpm-ipma.de Augsburg Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Michael Trommer Augsburg@gpm-ipma.de Tel.: 01 72/ 8 21 17 01 Dipl.-Inf. (FH) Thomas Makkos Bamberg/ Oberfranken Guido Reuter Bamberg@gpm-ipma.de Dr. Sandra Bartsch-Beuerlein Marc Wild Berlin Dipl.-Ing. Eiko Feuerhak Berlin@gpm-ipma.de Heiko Ahrens Dipl.-Kfm. Norman Frischmuth Bielefeld Markus Bode Bielefeld@gpm-ipma.de Tel.: 0 52 41/ 80 77 20 Uwe Kopp Bettina Langer Jan-Hendrik Manter Braunschweig/ Wolfsburg Dr. Thomas Wolenski Braunschweig@gpm-ipma.de Dr.-Ing. Dieter Geckler Dr. Dennis Krull Bremen/ Oldenburg Dr. Thor Möller Bremen@gpm-ipma.de Tel.: 0 42 22/ 9 46 46 77 Irmtraud Behrens Chemnitz Ulrich Meier Chemnitz@gpm-ipma.de Tel.: 0 37 22/ 60 82-172 Robby Bergk Lutz Voigtmann Dortmund/ Ruhrgebiet Jörg Süggel Dortmund@gpm-ipma.de Tel.: 01 77/ 6 46 34 71 Markus Bauer Uta-Maria Hangebrauck Dresden Silke Härta Dresden@gpm-ipma.de Tel.: 03 51/ 2 74 98 26 Torsten Sommer Martin Uhlig Düsseldorf/ Rhein-Ruhr Alexander Miskiw Duesseldorf@gpm-ipma.de Guido Bacharach Claudia Hans Christian Weier Frankfurt/ Rhein-Main Martina Herrmann Frankfurt@gpm-ipma.de Gernot Schultz-Berndt Freiburg Dipl.-Volksw. Stefan Derwort Freiburg@gpm-ipma.de Tel.: 0 76 64/ 5 97 34 Jörg Rietsch Friedrichshafen Dipl.-Math. Sabine Rossbach Friedrichshafen@gpm-ipma.de Tel.: 0 75 41/ 70 07 81 91 Thomas Schäfer M. A. Gießen Dr. Volker Bittner Gießen@gpm-ipma.de Dr. Malgorzata Seeger Hamburg Regionalleitung gesucht! Bei Interesse informiert der Ausschuss der Regionen gerne über die Möglichkeiten: adr@gpm-ipma.de Hannover Prof. Dr. rer. pol. Andreas Daum Hannover@gpm-ipma.de Tel.: 05 11/ 92 96-15 53 Dipl.-Kfm. (FH) Berekat Karavul Dipl.-Ing. Michael Mente Heilbronn Dr. Ulrich Meyer Heilbronn@gpm-ipma.de Tel.: 0 71 36/ 9 61 05 30 Kaiserslautern Regionalleitung gesucht! Bei Interesse informiert der Ausschuss der Regionen gerne über die Möglichkeiten: adr@gpm-ipma.de Die Region wird kommissarisch von der GPM Region Saarbrücken/ Trier betreut. Karlsruhe Dr. Klaus Wagenhals Karlsruhe@gpm-ipma.de Mehrschad Zaeri Esfahani Ivana Zareva Kassel Dr. Andrea Follert Kassel@gpm-ipma.de Volker Pauling Elmar Sänger Kiel Prof. Dr. Doris Weßels Kiel@gpm-ipma.de Tel.: 04 31/ 2 10-35 19 Dipl.-Volksw. Gisela Heumann Sascha Jevremovic Köln Andreas Schröder-Schlüter Koeln@gpm-ipma.de Tel.: 02 28/ 4 33 04 94 Martina Baehr Dr. Martin Goerner Leipzig/ Halle Peter Richter Leipzig@gpm-ipma.de Tel.: 01 77/ 2 40 02 18 Janko Thoß Magdeburg Martin Steffen Magdeburg@gpm-ipma.de Mannheim/ Ludwigshafen Dr. Dagmar Börsch Mannheim@gpm-ipma.de Tel.: 06 21/ 5 70 58-28 Michael Boxheimer Claudia Simon München Bernhard Gerl Muenchen@gpm-ipma.de Ulrich von Knobloch Andreas Lohrum Claus Lorbach Carmen Mühlenberend Bernd Schwander Münster Andreas Heuer Muenster@gpm-ipma.de Nürnberg Wilhelm Mikulaschek Nuernberg@gpm-ipma.de Osnabrück/ Emsland Dipl.-Ing. Uwe Horstmann Osnabrueck@gpm-ipma.de Birte Borgmeyer Regensburg Dr. Christian Brunner Regensburg@gpm-ipma.de Robert Treß Mike Zschögner Saarbrücken/ Trier Michael Royar Saarbruecken@gpm-ipma.de Tel.: 0 68 81/ 99 99 50 Rüdiger Marquordt Siegen/ Lippstadt Dr. Miriam Sasse Siegen@gpm-ipma.de Stuttgart Prof. Dr. Steffen Scheurer stuttgart@gpm-ipma.de Sara Ameri Turani Tübingen/ Neckar-Alb Regionalleitung gesucht! Bei Interesse informiert der Ausschuss der Regionen gerne über die Möglichkeiten: adr@gpm-ipma.de Ulm Dipl.-Betriebsw. (FH) Christian Bramkamp Ulm@gpm-ipma.de Tel.: 01 75/ 2 46 36 75 Frank Kochems Susan Lehmann Villingen-Schwenningen Heiko Dehning Villingen-Schwenningen@gpm-ipma.de Tel.: 07 11/ 7 97 33 26-0 Eduard Bleckmann Jan Dietz Norbert Hansen Max Petel Johannes Rehberg Weimar Dipl.-Pol. Siegfried Haarbeck Weimar@gpm-ipma.de Tel.: 0 36 43/ 51 84 24 Dr. Frieder G. Knebel Dipl.-Ök. Karin Rabe Würzburg/ Schweinfurt Dipl.-Ing. (FH) Johannes Voss Wuerzburg@gpm-ipma.de Tel.: 09 31/ 99 17 51-0 Theo Schuck Siegen Bamberg * ** * Hauptstadtrepräsentanz Berlin ** Hauptgeschäftsstelle Nürnberg GPM KONTAKTE 77 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 Checkliste „Fragenkatalog für eine PM-Untersuchung - Teil 6“ 3.5 Sachfortschrittskontrolle Wie wird der Sachfortschritt im Projekt gemessen? Unterscheidet man zwischen Produktfortschritt und Projektfortschritt? Wird ein Soll/ Ist-Vergleich des Sachfortschritts vorgenommen? Gibt es eine Arbeitswertbetrachtung? Werden zum Beurteilen des Sachfortschritts Kontrollindizes herangezogen? Wenn ja, wie werden diese gebildet? Werden systematische Trendanalysen im Erreichen technischer Leistungsgrößen vorgenommen? Gibt es eine Earned-Value-Analyse? 3.6 Änderungs- und Fehlermeldungswesen Wie werden Änderungen beantragt? Gibt es ein formalisiertes Änderungswesen? Was geschieht mit eingehenden Änderungsanträgen? Wer genehmigt Änderungen? Wer bezahlt diese Änderungen? Gibt es hierüber Vereinbarungen? Wie werden genehmigte Änderungen in die laufende Entwicklung eingeführt? Wie werden Fehler in der Dokumentation, in der Software und in der Hardware behandelt? Wie ist gewährleistet, dass aufgetretene Fehler und Mängel prioritätenabhängig beseitigt werden? Wird eine Fehlerstatistik geführt? Wesentliches Kriterium für den Projekterfolg ist die Qualität des Projekts mit allen seinen Elementen, Phasen, Mitarbeitern, Methoden und Hilfsmitteln. Ein geeignetes Mittel zur Überprüfung dieser Qualität ist der Fragenkatalog zur PM-Untersuchung. Auch wenn die Führung meint, die Projekte „laufen gut“, entspricht das oft kaum der Meinung der Projektleitungen und noch weniger der Realität auf der Ebene der Ausführenden. Deshalb sind alle drei Ebenen zu befragen, und zwar jeweils so viele Personen, dass ein wirklich repräsentatives Ergebnis möglich wird. Die Befragung sollte in Form von Interviews von - möglichst zertifizierten - PM-Experten durchgeführt werden, die die Interviews qualifiziert auswerten und daraus entsprechende Vorschläge für Änderungen im Projektmanagement entwickeln können. Auch wenn der Aufwand dafür erheblich sein kann, können die positiven Effekte für das allgemeine Projektmanagement diesen Aufwand deutlich überwiegen und nicht nur den fachlichen, sondern auch den ökonomischen Projekterfolg entscheidend unterstützen. Diese Checkliste wurde dem Buch „Projektmanagement. Leitfaden für die Planung und Steuerung von Projekten“ von Manfred Burghardt, Publicis Publishing Erlangen, 10. überarbeitete und erweiterte Auflage 2018, ISBN 978-3-89578-472-9, 896 S., Preis EUR 119,00, S. 792 ff., mit freundlicher Genehmigung des Verlages entnommen. Lesen Sie dazu auch die Besprechung des Werks von Heinz Schelle in projektManagement aktuell 3/ 2018, S. 48. projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 CHECKLISTE C1 Autor: Manfred Burghardt 3.7 Qualitätsprüfung Gibt es eine laufende Qualitätskontrolle (für Software, für Hardware)? Wann hat die letzte Inspektion stattgefunden? Gibt es darüber ein Protokoll? Wer verantwortet die empfohlenen Maßnahmen? Ist im Rahmen der SW-Entwicklung ein „Code-Review“ vorgesehen? Welche Test- und Prüfmaßnahmen werden im Allgemeinen vorgenommen? Gibt es eine geplante „Antiprodukt“-Entwicklung? Wo, wie und von wem wird der Qualitätsstatus festgehalten? Werden laufende Performance-Untersuchungen (Laufzeit, Speicherbedarf etc.) durchgeführt? Wird eine systematische Zuverlässigkeitsbetrachtung vorgenommen? Findet eine Überprüfung der Qualitätssicherung (Audit) statt? Gibt es Qualitätsgruppen? Gibt es einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP)? Wird ein Self Assessment nach dem EFQM-Modell vorgenommen? 3.8 Kontrolle der Zulieferungen und Beistellungen Wer kontrolliert die Zulieferer? Was wird kontrolliert? Was passiert, wenn ein Zulieferer seine Termine, Leistungen oder Kosten nicht einhält? Wie werden Zulieferungen und Beistellungen übernommen? Wie ist die spätere Wartung der Zulieferprodukte geregelt? 3.9 Projektberichterstattung Besteht ein offizielles PM-Berichtswesen? Welche Berichte gibt es? Wird in festen Intervallen oder auf Anfrage berichtet? Wer berichtet wem? Wie wird über Ausnahmesituationen berichtet? Wie stark wird die grafische Informationsdarstellung genutzt? Geschieht die Berichterstattung außer in Papierform auch im Dialog (Auskunftssystem oder elektronische Post)? In welcher Form erfolgt die Berichterstattung an den (die) Auftraggeber? Ist die Fertigungsvorbereitung in die Berichterstattung einbezogen? Werden regelmäßige Projektbesprechungen durchgeführt? Welche Projektbesprechungen finden darüber hinaus zu welchen Zäsurpunkten bzw. Ereignissen statt? Wird ein Kollaborationssystem für die projektbezogene Kommunikation der Projektbeteiligten eingesetzt? projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2019 C2 CHECKLISTE Mit unserem integrierten Hybrid-System sind Sie in jeder Projektsituation auf der sicheren Seite. Flexibel meistern Sie Ihre Unternehmensprojekte, so agil und so klassisch wie es für Sie passt. Mit PLANTA project haben Sie die Termine, Ressourcen und Kosten aller Unternehmensprojekte im Blick und mit dem web-basierten Collaboration-Tool PLANTA pulse können Ihre Projektteams die Projektaufgaben frei strukturieren und agil verwalten. Ihr Projekterfolg steht bei uns an erster Stelle zuverlässig seit 38 Jahren. Agile und klassische PM-Software aus einer Hand PLANTA-Hybrid Interessiert? Starten Sie kostenlos unter www.planta.de