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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2020
311 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
1 1 Editorial Reportage 3 Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? -- Mit neuen Herausforderungen erfolgreich umgehen Purpose-- Werte-- Projektorientierte Unternehmensführung 12 Keine Scheu vorm Zwiebelschälen Nachhaltiger Kulturwandel-- zum Selbermachen. Ein Bericht aus der Praxis der GPM 19 Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im-Projektmanagement Aus Sicht der Praxis 24 Die ersten Jahre im Projektmanagement Ein Erfahrungsbericht Wissen 27 Projektmanagement-Theorie Was erwarten Firmen von der Hochschullehre? 35 Vom Projekt Studium zum Projektstudium 40 Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 47 „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? 53 Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation, die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) 64 „New Work“-- Erwartungen von High Potentials-an Organisationsstrukturen und-Projekt-Management Aus den DACH-Verbänden 70 Ab jetzt weht ein anderer Wind … 75 Job Discovery Project-- Berufsorientierung als Projekt 77 Project Management Championship 2019 GPM intern 79 Ein Jubiläum mit nachhaltig messbarem Erfolg #40JahreGPM 83 PMA Intern 84 SPM Intern Kolumne 85 Selbstgesprächige Organisationen 87 Buchbesprechung INHALT Inhalt Artikeltitel DOI ? ? .? ? ? ? / PM-2020-0001 31. Jahrgang · 01/ 2020 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Prof. Dr. Helmut Klausing (Geschäftsführender Herausgeber) Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Myriam Conrad, GPM, Nürnberg Christopher Klausnitzer, GPM, Nürnberg (Ressort GPM intern) Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, BI Norwegian Business School, Oslo Prof. Dr. Nino Grau, THM Technische Hochschule Mittelhessen, Campus Friedberg Benedict Gross, München Prof. Dr. Claus Hüsselmann, THM Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen Dr. Hans Knöpfel, Rosenthaler + Partner AG, Zürich Dr. Mey Mark Meyer, prometicon solutions GmbH, Bremen Mag. Brigitte Schaden, BSConsulting, Wien Prof. Dr. Heinz Schelle, Oberau Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang, Universität Kassel Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Reinhard Wagner, Projektivisten GmbH, Friedberg G 6010 31. Jahrgang, 1/ 2020 ISSN 0942-1017 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0) 7071 / 9797 - 0 Telefax: +49 (0) 7071 / 9797 - 11 www.projektmanagement.digital © 2020 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Elena Gastring eMail: gastring@narr.de Anzeigenverwaltung: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 85853 - 813 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ Sergey Tinyakov Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum PM_aktuell_01_2020.indb 1 PM_aktuell_01_2020.indb 1 20.02.2020 10: 37: 36 20.02.2020 10: 37: 36 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0001 EDITORIAL Qualifizierung, Weiterbildung und Karriere im Projektmanagement Editorial Artikeltitel DOI 10.2357/ PM-2020-0001 31. Jahrgang · 01/ 2020 Liebe Leser, vielleicht haben Sie bei diesem Heft zweimal nachgeschaut, ob Sie tatsächlich die PROJEKTMANAGEMENT AKTU- ELL in den Händen halten. Wir sind-- wie angekündigt-- mit der Zeitschrift zu einem neuen Verlag „umgezogen“. Diesen Umzug haben wir genutzt, das Erscheinungsbild der Zeitschrift zu modernisieren. Ich hoffe, das neue Layout der PROJEKTMANAGEMENT AKTU- ELL lädt Sie zum Lesen ein. Wir wollen Sie jedenfalls weiterhin mit interessanten Inhalten rund um das Projektmanagement versorgen. Projektmanagement ist und bleibt ein spannendes Thema! Darf man den einschlägigen Veröffentlichungen Glauben schenken, werden in den Unternehmen zunehmend Aufgaben in Form von Projekten abgewickelt. Dies ist nicht weiter verwunderlich: Projektmanagement ist besonders in einem globalen und dynamischen Umfeld eine bewährte Methodik, um als Unternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben. Viele Autoren gehen heute von einer VUCA-Welt aus. Hinter dieser Abkürzung verbergen sich vier englische Begriffe: volatility , uncertainty , complexity und ambiguity . Gemeint ist damit eine volatile, unsichere, komplexe und mehrdeutige Welt, in der sich gesellschaftliche, technologische und ökonomische Trends immer schneller und kaum noch vorhersehbar entwickeln. Unternehmen stehen also vor stetig wachsenden Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich auch die Projektmanagementmethodik weiter: Agiles Projektmanagement wird als ein möglicher Lösungsansatz zum Umgang mit den Herausforderungen der VUCA-Welt gesehen. Hinzu kommt: Werte spielen in einer globalisierten, von Disruption und Unsicherheit geprägten Wirtschaft eine wichtige Rolle für Unternehmen. Werteorientierte Unternehmensführung schafft gesellschaftliche Akzeptanz, sie hilft Mitarbeiter zu binden und zu motivieren. Helmut Klausing und Clemens Drilling zeigen in ihrem Beitrag, wie projektorientierte Unternehmensführung dazu beiträgt, den Wandel zu einer werteorientierten Unternehmensführung zu unterstützen. Werte werden allerdings nur wirksam, wenn diese auch gelebt werden. Deshalb haben Präsidium und Präsidialrat im Jahr 2016 innerhalb der GPM Impulse für eine gelebte wertebasierte Unternehmensführung gegeben. Was aus diesem Projekt zum Kulturwandel in der GPM geworden ist, können Sie im Beitrag von Julia Branske, Clemens Hartmann, Verena Martin und Etelka Wenzel nachlesen . Das Fazit: Projektmanagement wird immer wichtiger-- sowohl im unmittelbaren Umgang mit der VUCA-Welt wie auch im Rahmen einer wertebasierten Unternehmensführung. Damit sollte das Projektmanagement für Berufsanfänger sowie für die Mitarbeiter eines Unternehmens ein faszinierendes und lohnendes Tätigkeitsfeld sein. Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, welche Kompetenzen heute im Projektmanagement aus Sicht der Praxis besonders wichtig sind. Zudem wollten wir wissen, welche Kompetenzen Berufsanfänger für das Projektmanagement mitbringen sollten. Auch der Frage nach den heutigen Schwerpunkten in der Aus- und Weiterbildung sind wir nachgegangen. Und nicht zuletzt hat uns interessiert, welche Karrieremöglichkeiten sich heute im Projektmanagement ergeben. All diese Fragen betreffen natürlich das „klassische“ ebenso wie das agile Projektmanagement. Lesen Sie zum Einstieg unsere Umfrage, die wir mit Fachleuten aus Unternehmen, dem öffentlichen Dienst und von Weiterbildungsanbietern geführt haben. Zudem finden Sie weitere Artikel zu den Fragestellungen von Qualifizierung und Karriere aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So beschäftigen sich Karsten Löhr und Arthur Dewiwje mit der Frage, was Firmen von der Hochschullehre im Projektmanagement erwarten. Christoph Richter erläutert anhand der Idee von Projektstudiengängen, wie die Ziele einer sinnvollen Berufsvorbereitung von Studierenden mit einer ausreichenden Wissenschaftsorientierung verknüpft werden können. Anhand einer Umfrage unter MBA Absolventen unter dem Stichwort „New Work“ beschäftigt sich Wolfgang Glitscher damit, welche Erwartungen heute High Potentials an Organisationsstrukturen und das Projektmanagement haben. Welche konkreten Erfahrungen eine Hochschulabsolventin bei ihrem Berufseinstieg ins Projektmanagement gemacht hat, lesen Sie im Beitrag von Annkatrin Stork . Über diese Schwerpunktthemen hinaus gibt es noch weitere interessante Artikel zu entdecken. So beschäftigen sich Dorothee Feldmüller und Tobias Rieke mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement. Besonders sei noch auf den Artikel von Hans Georg Gemünden hingewiesen, der den Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) erläutert. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit dem Heft und hoffe, dass Sie für sich spannende Beiträge finden. Zudem bin ich natürlich gespannt auf Ihr Feedback zum neuen Layout. Ihr Steffen Scheurer Steffen Scheurer PM_aktuell_01_2020.indb 2 PM_aktuell_01_2020.indb 2 20.02.2020 10: 37: 37 20.02.2020 10: 37: 37 3 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Purpose-- Werte-- Projektorientierte Unternehmensführung Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? -- Mit neuen Herausforderungen erfolgreich umgehen Helmut Klausing, Clemens Drilling Für eilige Leser | Von einer „Renaissance der Werte“ ist viel die Rede-- derzeit besonders in der Wirtschaft. Vorreiter unter den Unternehmen kommunizieren ihre Werte. Sie blicken über ihren Tellerrand hinaus. Sie diskutieren den gesellschaftlichen Sinn ihres Handelns und die Art und Weise, wie bei ihnen gearbeitet und geführt werden soll. Es geht ihnen um eine Unternehmensführung jenseits reiner Gewinnmaximierung. Manche Kritiker bezeichnen diese Renaissance der Werte nur als geschickte PR. Tatsächlich handelt es sich aber um viel mehr. Werte und werteorientierte Unternehmensführung werden zu einer unabdingbaren Notwendigkeit. Werte spielen in der globalisierten, von Disruption und Unsicherheit geprägten Wirtschaft eine für Unternehmen überlebenswichtige Rolle. Werteorientierte Unternehmensführung schafft gesellschaftliche Akzeptanz, Einbindung und Rückendeckung. Sie hilft Mitarbeiter zu binden und zu motivieren. Sie führt zu flexibel, schnell und kundennah agierenden Strukturen, die eine gute Antwort auf die Herausforderungen einer dynamischen, globalisierten und digitalisierten Wirtschaft sind. Diese Strukturen und Arbeitsweisen sind das, was man im Projektmanagement als projektorientierte Unternehmensführung bezeichnet. Mit anderen Worten: Wer werteorientierte Unternehmensführung als ein unabdingbares Erfordernis unserer Zeit anerkennt und konsequent umsetzt, gelangt zu projektorientierter Unternehmensführung. Daraus ergibt sich eine große Chance und Verantwortung nicht zuletzt für die GPM. Projektmanagement hat das Potential, diesen Wandel zu einer werteorientierten Unternehmensführung zu unterstützen. Werte sind heute kein Luxus für Unternehmen: Werte machen Unternehmen zukunftsfähig! Wir werden in unserem Artikel zeigen, wie werteorientierte Unternehmensführung nicht nur die Ziele von Mitarbeitern und der Allgemeinheit unterstützt, sondern Unternehmen auch hilft, sich an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen. Wir werden darlegen, wie werteorientierte Unternehmensführung in der Praxis ausgeprägt ist (Purpose, wertebasierte strukturelle Führung, wertebasiertes Leadership)- - und weshalb diese Ansätze zu neuen Organisationsformen führen und eine Brücke zur projektorientierten Unternehmensführung schlagen. Danach gehen wir darauf ein, welches Potential die Diskussion über werteorientierte Unternehmensführung für Projektmanagement und die GPM hat. Schließlich zeigen wir, welchen Beitrag die GPM für Wirtschaft und Gesellschaft leisten kann, indem sie Projektmanagement und eine projektorientierte Arbeitsweise fördert und verbreitet. I Der Wandel und seine unternehmerischen Konsequenzen Globalisierung, Digitalisierung, gesellschaftlicher Wandel- - die Wirtschaft verändert sich schnell und grundlegend: Man kann mit einigem Recht sogar von disruptiven Entwicklungen sprechen. In kurzer Zeit schaffen Unternehmen dank digitaler Innovationen völlig neue Produkte und Dienstleistungen. Innovative Unternehmen brechen in traditionelle Märkte ein, die als sicher unter den angestammten Wettbewerbern aufgeteilt galten. Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Uber, Reportage Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? DOI 10.2357/ PM-2020-0002 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 3 PM_aktuell_01_2020.indb 3 20.02.2020 10: 37: 39 20.02.2020 10: 37: 39 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 4 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Amazon und Netflix haben in verhältnismäßig kurzer Zeit neue Geschäftsmodelle etabliert und alte verdrängt. Künstliche Intelligenz und „Internet of things“ sind die nächsten Bausteine dieses Wandels. Globalisierung und Digitalisierung verändern nicht nur die Wirtschaft. Sie haben auch einen starken gesellschaftlichen Einfluss. Mithilfe der sozialen Netzwerke ist aus der „Fridays-for-Future“-Idee einer schwedischen Schülerin in Windeseile eine globale Bewegung entstanden. Sie setzt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend moralisch unter Druck und zwingt sie, Antworten auf die ökologischen Herausforderungen zu finden. So hat diese Bewegung binnen weniger Monate dazu beigetragen, Klimaschutz zu einem maßgeblichen gesellschaftlichen und politischen Thema zu machen. All diese Entwicklungen sind nicht unbedingt neu. Schon in den 1990er Jahren wurde die Welt des 21. Jahrhunderts mit dem Begriff „VUCA“ beschrieben. Diese Abkürzung bringt vier englische Begriffe zusammen: volatility (Volatilität; Unbeständigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit). In einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt entwickeln sich gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Trends schneller und unvorhersehbarer als bisher. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sich die Erwartungen von Marktpartnern und Stakeholdern schnell und disruptiv ändern können. Langfristige Vorhersagen zu technologischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen werden immer schwieriger. Die Ansätze klassischer Unternehmensführung-- etwa das Setzen klarer strategischer Ziele und deren Umsetzung durch langfristige Planung sowie zentrale und hierarchisch ausgerichtete Steuerung- - verlieren immer mehr an Bedeutung. Wenn Unternehmen heute erfolgreich sein wollen, müssen sie sich der jeweiligen Situation in ihrem Umfeld anpassen-- und zwar schnell und wirksam. Die Unternehmensführungslehre spricht von der Herstellung eines „Fit“ zwischen Umwelt und Unternehmen. Die VUCA-Welt wirkt nicht nur auf Unternehmen in ihrer Gesamtheit. Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit sind auch bei einzelnen Projekten spürbar. Dies führte zu neuen, agilen Ansätzen im Projektmanagement; sie haben sich in kurzer Zeit verbreitet. Merkmal dieser agilen Welt ist: Es gibt keine klare Zielausrichtung durch das Management mehr. In der VUCA-Welt sind zwar noch Ziele formulierbar, eindeutig wirksame Strategien oder klare und eindeutige Maßnahmen zur Zielerreichung sind jedoch nur noch schwer definierbar. Stattdessen entscheiden agile Teams selbst, was für Kunden, Stakeholder und Unternehmen sinnvoll ist. Sie arbeiten selbstorganisiert, eigenverantwortlich, dezentral und stiften für den Kunden unmittelbaren Nutzen. Der Projektmanager-- lange Zeit oberster Planer und Steuerer im Projekt-- greift nicht mehr direkt ins Projekt ein. Stattdessen ermöglicht er nun autonomes, selbstgesteuertes Arbeiten. Er schafft einen optimalen Rahmen für die Teamarbeit. Die Rolle des Projekt managers ändert sich komplett: Er wird vom Manager zu einem Ermöglicher, besser noch-- zu einem Methodencoach. Er gibt einen Rahmen vor, gibt Rückendeckung und unterstützt das Team, sich selbst zu organisieren und eigenverantwortlich das Projekt voranzutreiben. Derzeit verlagern sich die Schwerpunkte im Projektmanagement. Die systematische Verfolgung eines klar definierten Ziels tritt langsam in den Hintergrund. Stattdessen wird die systematische Beherrschung der neuen Methodik des agilen Projektmanagements immer wichtiger. Mit ihr kann man flexibel und anpassungsfähig auf veränderte Wettbewerbsbedingungen reagieren und Kundenwünsche aufnehmen, die sich im Laufe des Projekts wandeln. Diese agilen Arbeitsweisen eignen sich nicht nur für die Projektebene, sondern auch für die Unternehmensebene. Dies schafft für die Organisation Freiheitsgrade im Sinne von zusätzlichen Handlungsspielräumen. Flexibilität und Agilität rücken in den Mittelpunkt der Unternehmensführung. Dezentrale Teams, Eigenverantwortung in den Teams, Selbstorganisation und klare Ausrichtung am Kundennutzen sind dann die Konsequenzen. Die Arbeitsweise in agilen Projekten kann einen strategischen Nukleus für eine zunehmende Agilität des gesamten Unternehmens bilden. Agilität greift dann auch außerhalb der unmittelbaren Welt von Projekten. Unternehmensführung wird zur projektorientierten Unternehmensführung. In einem agilen projektorientierten Unternehmen treten zentral formulierte strategische Unternehmensziele zurück, die für das gesamte Unternehmen operationalisiert werden. Trotzdem müssen sich die dezentralen Teams an einem „gemeinsamen Nenner“ ausrichten. Bei aller adaptiven Freiheit, die sie haben-- sie brauchen einen Kompass, der ihr Handeln in eine vom Unternehmen gewünschte Richtung lenkt. Hier kommt den Werten eine neue Rolle bei der Unternehmensführung zu. An die Stelle einer zentralen Zielausrichtung tritt als gemeinsamer Nenner ein gemeinsames Sinn- und Wertever- Teamarbeit in Eigenverantwortung statt Lenkung von oben © stock.adobe.com/ whyframeshot PM_aktuell_01_2020.indb 4 PM_aktuell_01_2020.indb 4 20.02.2020 10: 37: 42 20.02.2020 10: 37: 42 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 5 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 ständnis als Leitlinie unternehmerischen Handelns. Zentrale Weisungen werden ersetzt durch dezentrales Agieren sowie durch eigenverantwortlich arbeitende Teams- - alles im Rahmen des gemeinsamen Werteverständnisses. Flexible und agile Unternehmensführung wird so zu einer gleichsam projektorientierten wie werteorientierten Unternehmensführung. II Die Bedeutung von Werten für Unternehmen Werte in der Unternehmenswelt sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Werte hat es schon immer als Regulativ in Gemeinschaften gegeben, also auch in Unternehmen. Die Werte waren unterschiedlich ausgeprägt, manche waren gesellschaftlich konform, andere auf persönlichen Nutzen ausgerichtet, wieder andere waren sozial unverträglich oder gar moralisch verwerflich. Im Industriezeitalter galten Werte wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit oder Sicherheit. Dies hat sich verändert. Der Fortschritt in der Gesellschaft, aber auch die Digitalität, die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft sowie ökologische Herausforderungen wie der Klimawandel erfordern auch ein Update der Werte. Der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Soziologe und Sozialphilosoph Hans Joas definiert Werte als „emotional hochaufgeladene Vorstellung von dem, was wünschenswert ist.“ Werte sind damit völlig anderer Natur als Richtlinien, Zielbeschreibungen oder Masterpläne. Werte sind emotional; Menschen oder Gruppen identifizieren sich mit ihnen- - und verteidigen sie, wenn sie diese verletzt sehen. Viele Menschen nehmen persönliche Nachteile in Kauf, wenn sie nur gemäß ihren Werten handeln können. Werte sind mit „Wünschenswertem“ verknüpft, mit moralischen Haltungen, tiefen persönlichen Überzeugungen und Verpflichtungen. Vertritt jemand Werte, verlangen wir, dass er nach ihnen lebt. Wir haben ein feines Gespür dafür, ob Werte „echt“ sind und gelebt werden- - oder ob es sich um Selbstdarstellung oder bloße Werbung handelt. Wann immer das Handeln sich mit den Werten nicht deckt, mahnen wir Ehrlichkeit an. Werte steuern also das Handeln von Menschen im Sinne einer emotional unterlegten Selbstverpflichtung. Durch Werte können Menschen motiviert werden; sie sind eine starke Triebfeder und vermögen die Leistungsfähigkeit von Individuen und Gruppen zu entfalten. Werte bilden daher einen inneren Kompass; sie helfen dem Menschen, sich selbst verbindlich zu verhalten. Auch in Unternehmen bewirken Werte dieses verbindliche, verträgliche Verhalten. Dort lenken Werte Menschen in eine gemeinsame Richtung, die mit dem Ziel der Organisation übereinstimmt und auch von den Menschen akzeptiert wird. Zu einer werteorientierten Unternehmensführung gehören zwei Bestandteile: • Das Commitment zu einem grundlegenden Unternehmenszweck (Purpose) Immer stärker infrage gestellt wird die reine Orientierung an der Wertsteigerung des Unternehmens im Sinne seiner Eigner. Angesichts der starken ökologischen und sozialen Ungleichgewichte in der Welt werden stattdessen zunehmend andere Forderungen an Unternehmen gestellt: Sie sollen einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Im gewissen Sinne sollen Unternehmen „wert-voll“ für ihre Stakeholder werden. • Die Orientierung an einer werteorientierten strukturellen und personenbezogenen Unternehmensführung Neben dem grundlegenden Unternehmenszweck (Purpose) erwarten Mitarbeiter, dass in ihrem Unternehmen nach bestimmten Werten gearbeitet, geführt und kommuniziert wird. Zu diesen Werten gehören beispielsweise Selbstentfaltung, Autonomie, Kooperation, Offenheit, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Partizipation, Zugehörigkeit und Vereinbarkeit. Diese modernen Werte passen nur bedingt zu Unternehmen, die klassisch, eher zentral und weisungsgebunden geführt werden. Es ist in diesen Unternehmen schwierig, Werte wie Selbstentfaltung, Partizipation oder Selbstwirksamkeit glaubhaft umzusetzen-- wenn doch Anweisungen und zentrale Entscheidungen die Zusammenarbeit prägen. Wollen Unternehmen moderne Werte konsequent leben, müssen sie dafür neue strukturelle Voraussetzungen schaffen und häufig grundlegend eingreifen: Sie müssen Hierarchien zugunsten dezentraler Teamstrukturen auflösen sowie weitgehend Weisungs- und Entscheidungsbefugnis verlagern. An die Stelle direkter Führung tritt die Gewährung von strukturell angelegten Freiräumen für Mitarbeiter. Strukturelle Steuerung ersetzt Fremdorganisation durch Selbstorganisation. Zudem muss sich die Ansprache der Mitarbeiter ändern. Führungskräfte führen nicht mehr durch direkte Weisungen; sie agieren als Enabler und Coach ihrer Mitarbeiter. Selbstentfaltung und Autonomie - Bausteine werteorientierter Unternehmensführung © stock.adobe.com/ daniilvolkov PM_aktuell_01_2020.indb 5 PM_aktuell_01_2020.indb 5 20.02.2020 10: 37: 43 20.02.2020 10: 37: 43 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 6 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 III Der „Sense of Purpose“ Im Jahr 2018 hat Larry Fink, CEO der Investmentgesellschaft Blackrock, Unternehmen zur Neuorientierung und zum Weiterdenken aufgefordert. Unternehmen sollen einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Fink sprach von einem „Sense of Purpose“, dem Unternehmenszweck. Das Unternehmen soll nicht nur die ökologischen oder sozialen Belastungen reduzieren, die durch sein Handeln entstehen. Es soll überdies gesellschaftlichen Mehrwert erarbeiten. Kritiker hielten dagegen, dass diese positiven Beiträge zur Gesellschaft nicht Aufgabe von Unternehmen seien. Unternehmen haben dem Ziel von Gewinnmaximierung zu folgen. Damit sei ihre Funktion ausgeschöpft. Eben diese als einseitig empfundene Gewinnorientierung gerät zunehmend in die Kritik. Unternehmen verbrauchen materielle und soziale Ressourcen, die in Besitz und Obhut der Allgemeinheit sind. Deshalb wird der Wirtschaft vorgeworfen, dass sie Gewinne einbehält; die Schäden und Verluste werden indes sozialisiert. Der Markt, so das Fazit, reguliert sich nicht mehr von allein. Kritiker bemängeln dieses Marktversagen besonders hinsichtlich des Klimawandels und weiterer negativer ökologischer Konsequenzen, wie beispielsweise dem Artensterben. Bisher bezahlen die Verursacher nichts für die zu erwartenden Klimaschäden. Die Schäden werden zu Lasten der Weltgemeinschaft gehen. Versagen die Marktmechanismen bei den Zukunftsherausforderungen wie Klimawandel oder der sozialen Frage, so können regulative Eingriffe des Staates die erwartbaren Schäden vermeiden oder wenigstens reduzieren. Die aktuell als Gesetzesvorlage diskutierte CO2-Bepreisung ist ein Beispiel dafür. In der Regel reichen solch regulative Eingriffe jedoch nicht aus. Die GPM ist der Meinung, dass zusätzlich auch freiwillige Verhaltensänderungen erforderlich sind: Verhaltensänderungen sowohl von Einzelnen als auch von Organisationen. In diesem Zusammenhang ist der Purpose zu verstehen: Welchen wünschenswerten gesellschaftlichen Beitrag kann ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern leisten? Was an diesem Punkt entscheidend ist: Der Purpose ist an Werten ausgerichtet-- an dem, was wünschenswert ist. Auch Sense of Purpose - der gesellschaftliche Beitrag eines Unternehmens Teamarbeit in Eigenverantwortung statt Lenkung von oben © stock.adobe.com/ Shutter2U hinter dem Purpose stehen „emotional hochaufgeladene Vorstellungen“ (Joas). Der grundlegende Purpose ist somit ein Ausdruck für eine moralische Grundhaltung und für Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, denen sich Menschen tief verbunden fühlen. Der Purpose eines Unternehmens setzt damit noch tiefer an als die Unternehmensvision und Unternehmensmission. Die Vision und Mission zeigen, was das Unternehmen mit Hilfe seiner strategischen Ausrichtung erreichen will. Der Purpose geht über die markt-, kunden- und produktorientierte Perspektive hinaus. Er nimmt das Ganze in den Blick und fokussiert auf die grundlegende Verantwortung des Unternehmens. So betrachtet ist der Purpose das Ergebnis eines aktiven, bewusst gestalteten Denk- und Selbstfindungsprozesses: Wie will sich das Unternehmen zu seiner ökologischen und sozialen Umwelt verhalten? Timo Meynhardt von der Handelshochschule Leipzig hat vorgeschlagen, Purpose als ein Instrument der Gemeinwohlorientierung zu verstehen (FAZ vom 11. 2. 2019). Purpose wäre demnach ein Synonym für Gemeinsinn. Man würde unter dem Begriff einen nachhaltigen und regenerierenden Zweck fassen. Dieser Zweck würde gesellschaftliche Verantwortung und moralische Grundprinzipien einfordern. Heute sehen sich die meisten Unternehmen gezwungen, zumindest nachhaltig zu handeln. Andere Unternehmen gehen sogar einen Schritt weiter. Sie verstehen, dass Purpose und Gewinnstreben sich nicht widersprechen müssen. So gibt es mittlerweile Unternehmen, die nicht nur die Übernutzung von gemeinschaftlichen Ressourcen vermeiden, sondern sogar aktiv zu deren Schonung und Regeneration beitragen etwa durch die Entwicklung und Produktion von Upcycling-Produkten oder von Produkten nach dem Cradle-to-cradle-Konzept, deren Material sich nach der Nutzung zu 100 Prozent recyclen lässt und dieses so wieder in den Wertstoffkreislauf eingebracht werden kann. Andere Unternehmen zeichnen sich durch eine besondere Achtsamkeit gegenüber benachteiligten oder behinderten Mitgliedern der Gesellschaft aus- - also jenen Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen haben. Wieder andere Unternehmen spenden Teile ihres Umsatzes, z. B. für Mädchenschulen etwa in Pakistan. PM_aktuell_01_2020.indb 6 PM_aktuell_01_2020.indb 6 20.02.2020 10: 37: 45 20.02.2020 10: 37: 45 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 7 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Mit Blick auf die drängenden ökologischen und sozialen Herausforderungen kommen Unternehmen immer weniger umhin, einen glaubwürdigen und gelebten „Purpose“ zu entwickeln und sich damit gesellschaftliche Akzeptanz zu erarbeiten. Der Purpose wird zunehmend zu einem „Muss“. Er bietet auch die Chance, Geschäftsmodelle auf Zukunftsfähigkeit hin zu überprüfen- - und zwar nicht nur hinsichtlich des Markts, sondern auch hinsichtlich gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und ihrer Akzeptanz. Dies schließt ein, dass Purpose einen Mehrwert für das Unternehmen hat. Die am Gemeinwohl orientierten Aktivitäten gehen häufig Hand in Hand mit einer klaren Absicht, Einkommen zu erzielen; positive Beiträge zur Gesellschaft sind bekanntlich nur dann möglich, wenn Unternehmen selbst auf einer stabilen finanziellen Basis stehen und für sich ökonomische Zukunftschancen erschließen. Dieser Mehrwert für die Unternehmen liegt nicht zwangsläufig nur in höherem Umsatz. Eine fundierte Sinngebung erhöht die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber für die Generation Y und Z. Viele junge Mitarbeiter erwarten von ihren Unternehmen, dass sie mehr leisten als nur Gewinnmaximierung für ihre Investoren. Diese Mitarbeiter verlangen nach einem tiefergehenden Sinn der eigenen Arbeit. Auch die GPM hat ihren Purpose formuliert: Projekte machen Zukunft. Sie will mit der Förderung und Weiterentwicklung des Projektmanagements einen gesellschaftlichen Mehrwert liefern, indem sie mithilft, Individuen und Unternehmen in der Anwendung dieses Führungskonzepts zu befähigen. Dahinter steht die Überzeugung, dass Projekte sowie Projektmanagement als Führungskonzept für die Gesellschaft wertvoll sind. Große gesellschaftliche Vorhaben wie beispielsweise Infrastrukturvorhaben werden in Projekten abgewickelt. Deren Einbindung in das gesamtgesellschaftliche Umfeld und die Einbeziehung der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure wird für das Gelingen solcher Projekte immer wichtiger. Hier liefert das Führungskonzept Projektmanagement über die umfassende Berücksichtigung der Governance-Aspekte wichtige Ansätze. Projektmanagement gewinnt aber auch zunehmend an Bedeutung für jeden Mitarbeiter. Unter den Bedingungen der VUCA-Welt ändern sich auch die Arbeitsbedingungen. Dezentrale Verantwortungsübernahme, selbstorganisiertes Arbeiten in fachübergreifenden, oftmals sogar kulturübergreifenden Teams werden immer mehr zur Regel. Die Arbeitsformen der Zukunft entwickeln sich rasch, und die Tendenz geht immer stärker zur Arbeit in Projektteams. New Work und Arbeit 4.0 sind somit wichtige Zukunftsthemen, zu denen das Projektmanagement aus seinem langjährigen Erfahrungsschatz, aber auch auf Basis der jüngeren Entwicklungen des Fachgebietes profunde Lösungsansätze beitragen kann. Die Fähigkeit, in Projekten zusammenzuarbeiten, erbringt der Gesellschaft einen Mehrwert; Projektmanagement hat- - gewissermaßen in seiner DNA- - einen positiven Purpose. Die GPM sieht sich deshalb auch in der Verpflichtung als ein wichtiger gesellschaftlicher Partner an der Gestaltung von Deutschlands Zukunft positiv mitzuwirken. Darüber hinaus bietet projektorientierte Unternehmensführung auch eine geeignete Antwort auf die Herausforderung einer an einem tieferen Sinn orientierten Unternehmensführung. In diesem Zusammenhang ist das Wechselspiel zwischen werteorientierter und projektorientierter Unternehmensführung bedeutsam. Einerseits hilft projektorientierte Unternehmensführung, Werte im Unternehmen stabil und wirksam zu verankern. Wir haben gesehen: Wer Werte im Unternehmen verankert, muss die Strukturen verändern und projektorientiert umgestalten. Andererseits: Projektorientierte Strukturen, wie sie von der GPM inhaltlich vertreten werden, sind immer auch eine Einladung zu werteorientierter Unternehmensführung. Auch dies wurde oben deutlich. Projektmanagement setzt auf einen gleichberechtigten Diskurs der Beteiligten, auf interdisziplinäre Teamarbeit sowie auf Augenhöhe und Ausgleich zwischen den Stakeholdern. Durch Projektmanagement kann erreicht werden, dass sich Unternehmen an Werten orientieren-- mit Vorteilen für Mitarbeiter, Stakeholder und Gesellschaft. Projektmanagement führt also zu wertebasierter Unternehmensführung. IV Wertebasierte Unternehmensführung Die Formulierung eines grundlegenden Unternehmenszwecks ist eine Sache; diesen aber konkret, konsequent und glaubwürdig ins „tägliche unternehmerische Leben“ zu bringen-- das ist eine ganz andere Sache. Genau da liegt die Herausforderung! Der Unternehmenszweck ist, wie oben gezeigt, ein Ausdruck für eine moralische Grundhaltung. Aus Sicht der Gesellschaft und auch der Mitarbeiter sind Werte „emotional aufgeladen“. Mitarbeiter, für die eine tiefergehende Sinngebung bei ihrer Arbeit wichtig ist, reagieren auf Abweichungen von Werten sehr empfindlich. Gewinnen sie etwa den Eindruck, dass der Unternehmenszweck nur auf dem Papier steht und keine wirkliche Relevanz im Unternehmen entfaltet- - so haben Enttäuschung und Empörung Konsequenzen bis hin zur Kündigung. Neben einem gemeinsamen Sinnrahmen bietet der grundlegende Unternehmenszweck einen handlungsleitenden Rahmen für dezentral arbeitende Teams im Unternehmen. Er ist für die Teams das, was wir bereits Kompass genannt haben. Der wertebasierte Purpose ist damit zu operationalisieren und umzusetzen. Diese Umsetzung erfordert Führung. Der Purpose muss für die Organisation übersetzt und in das tägliche unternehmerische Leben integriert werden; die Werte müssen die Organisation durchdringen. Dies betrifft sowohl die Struktur der Organisation (wertebasierte strukturelle Führung) als auch die praktizierte Führungskultur im Sinne eines wertebasierten Leaderships. IV.a Wertebasierte strukturelle Führung Klassische Linienorganisationen folgen zentraler Steuerung. Hinter der zentralen Führung stehen bestimmte Prinzipien und Muster, die einem mechanistischen Systemverständnis folgen: Beispielsweise wird das Gesamtsystem in Arbeitsschritte zerlegt, Arbeit konsequent zur Effizienzsteigerung geteilt und soziales Handeln rationalisiert. Bürokratie wirkt als rationale Form der Herrschaft. Regelgebundenheit, Hierarchieprinzip, Trennung von Amt und Person sowie Professionalität bestimmen das System. Zentrale, langfristige Planung, Führung per Weisung sowie das Prinzip regelkonformer Zuverlässigkeit prägen die Organisationsstruktur. Diese Führungsprinzipien waren erfolgreich in einer relativ stabilen Umwelt mit überschaubarem Markt-, Wettbewerbs- PM_aktuell_01_2020.indb 7 PM_aktuell_01_2020.indb 7 20.02.2020 10: 37: 45 20.02.2020 10: 37: 45 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 8 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 und Kundenverhalten. Vor dem Hintergrund einer Welt, die durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit gekennzeichnet ist, reichen diese Führungsprinzipien nicht mehr aus. Sie machen Unternehmen unflexibel, kundenfern und innovationsträge. Zudem stehen diese Führungsprinzipien im Widerspruch zu den modernen Werten der digitalen Kultur, in der wir heute leben. Für die Zusammenarbeit in Unternehmen werden von den Mitarbeitern heute Werte wie Selbstentfaltung, Autonomie und Kooperation gefordert. Offenheit, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit und Zugehörigkeit gelten als wichtig. Wer die Umsetzung von modernen Werten konsequent zu Ende denkt, wird erkennen: Die Strukturen müssen einschneidend verändert und an diese Werte angepasst werden. Werte wie Partizipation, Autonomie und Kooperation sowie Selbstwirksamkeit führen dazu, dass heute Teams den Anspruch haben, sich selbst zu steuern. Die Teams planen und entwickeln Produkte und Dienstleistungen im engen Kontakt mit Kunden; sie organisieren ihre Arbeit selbst, treffen Entscheidungen, wägen Risiken selbstständig ab, verwirklichen Ideen und vergeben im Team Rollen und Verantwortungen. Zentrale Führung und direkte Weisungen sind dabei kontraproduktiv und schädlich. Das Ausbleiben dieser zentralen Führung bedeutet aber nicht, dass diese Teams ohne Führung und Orientierung sind. Die Strukturen selbst-- und die dahinterliegenden Werte-- bilden eine Art Leitlinie für das Handeln. Versteht ein Mitarbeiter, dass Autonomie und Selbstwirksamkeit Werte seiner Organisation sind, wird er sein Handeln danach ausrichten. Ähnliches gilt für Werte wie Kundenzentrierung oder Offenheit. Wertebasierte Führung erfüllt dabei nicht nur die Erwartungen von Mitarbeitern und der Gesellschaft- - sondern sie führt auch zu strukturellen Veränderungen, die Unternehmen in einer VUCA-Welt handlungs- und wettbewerbsfähiger machen. Bei einigen Unternehmen führte etwa der Wert der „Partizipation“ zu innovativen Formaten der Teilhabe: Mitarbeiter bewerben sich, an Sitzungen der Geschäftsführung teilzunehmen. Ein gutes Beispiel für solche Veränderungen ist die Hamburger Otto Group. Tobias Krüger (Bereichsleiter Kulturwandel 4.0 bei der Otto Group) hat dies so formuliert: Jeder Mitarbeiter soll sich fragen, was er an jedem Arbeitstag leisten kann, damit er „kollaborativer, agiler, vernetzter unterwegs“ ist. (Tobias Krüger im Gespräch mit Sebastian Purbs-Pardigol auf der Seite „kulturwandel.org“). Der Hamburger Konzern, der vor einigen Jahren mit Schwierigkeiten kämpfte, setzte ganz auf Kulturwandel und auf eine vollkommen erneuerte wertebasierte strukturelle Führung. Er erkannte, wo die Schwierigkeiten lagen: zu viel Bürokratie und zu viele Silos, die Langsamkeit der Organisation, die Komplexität und das Fehlen von Agilität. Das Unternehmen setzte auf Werte. Tobias Krüger: „Wir haben auf der Werteebene klar definiert: Wir wollen gemeinsame Maßstäbe setzen, kundenzentrierter agieren, einen bestimmten technologischen Anspruch haben.“ Und: „… wir mussten uns schnell von der Idee verabschieden, dass wir wissen, was überall läuft. Wir wechselten in eine ‚Letting Go‘-Haltung: Wir werden sowieso nicht alles kontrollieren können, und deswegen muss es irgendwie passieren und sich verstärken.“ Wenig später gab es bereits 25 lokale Kulturwandel-Teams; sie überprüften mit hoher Eigenverantwortung die Prozesse in ihren Gesellschaften. An diesem Beispiel ist erkennbar, wie Werte die indirekte, strukturelle Führung prägen. Werte dienen gewissermaßen als Klammer für das gemeinsame Handeln aller und schicken die Organisation in die gewünschte Richtung. Sie zeigen, wie Mitarbeiter wünschenswert zusammenarbeiten, kommunizieren oder entscheiden. Projekte als die prädestinierte Arbeitsform für wertebasierte strukturelle Führung ermöglichen den Abschied von zentraler Steuerung. Projekte setzen- - ganz konform zu diesen modernen Werten-- auf indirekte, strukturelle Steuerung bei gleichzeitiger Flexibilität, Kundennähe und Innovationsfähigkeit. Dies ist auch ein Grund für die zunehmende Bedeutung des Projektmanagements in den letzten Jahren. Wie empirische Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, steigt stetig der Anteil des Umsatzes, der in Unternehmen über Projekte abgewickelt wird. Die GPM Vermessungsstudie hat für 2013 einen Wert von 34,7 Prozent Anteil an der gesamtgesellschaftlichen Bruttowertschöpfung errechnet. Für 2019 Erfolg dank struktureller und personenbezogener Führung © stock.adobe.com/ ASDF PM_aktuell_01_2020.indb 8 PM_aktuell_01_2020.indb 8 20.02.2020 10: 37: 46 20.02.2020 10: 37: 46 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 9 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 wurde prognostiziert, dass Projekte mit 41,3 Prozent zu dieser Wertschöpfung beitragen. Stellenweise beziffern Konzerne diesen Wert auf deutlich über 50 Prozent. Damit bilden Projekte zunehmend die Basis für eine übergeordnete projektorientierte Unternehmensführung und werden damit zu einer Führungskonzeption. Mit diesen Veränderungen beschäftigt sich die GPM seit vielen Jahren. Sie versteht sich als Begleiter für Projektmanager und Unternehmen auf dem Weg hin zu einer werteorientierten Unternehmensführung. IV.b Wertebasierte Leadership Oben haben wir gezeigt, dass das Zurücktreten zentraler Steuerung zwar zu dezentraler Steuerung führt, nicht aber zu führungslosem Handeln. Auch in modernen, agilen Strukturen ist die Führung der Mitarbeiter erforderlich-- allerdings eine völlig neu gedachte, unterstützende Führung. Insbesondere muss sie von den Werten getragen sein, die für alle Formen der Kooperationen in der Organisation gelten. Im wertebasierten Leadership sehen wir eine Kernkompetenz der GPM. Die ICB 4 (Individual Competence Baseline), die stark auf individuelle Kompetenzen fokussiert ist, greift dieses Thema ausführlich auf. Sie zeigt, wie Führung mittels Werten gelingt und wie eine auf Werte aufbauende Führungskultur beschaffen sein soll. Das Handbuch PM 4 hat ein eigenes Kapitel über Kultur und Werte. Darin heißt es: „In Projekten werden typische Wertehaltungen wie Vertrauen, Respekt, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, offene Kommunikation und ganzheitliches Denken (Verantwortung fürs Ganze) wirksam, die im Widerspruch zur bestehenden Organisationskultur stehen können“. Dieser Widerspruch wird heute in vielen Unternehmen erkennbar, insbesondere in Unternehmen, die noch den klassischen, durch direkte Weisungen geprägten Führungsansatz leben. Je mehr Flexibilität und Agilität von Unternehmen gefordert wird, desto stärker verlagert sich die Arbeit von der Linie in Projekte. Zugleich verbreiten sich in den Projekten zunehmend agile Denk- und Arbeitsweisen. Damit muss sich nun auch die Linienorganisation mit dem agilen Mindset und Fragen agiler Arbeitsweisen befassen. Projektarbeit-- von der Linie über Jahrzehnte beargwöhnt- - wird mit einem Mal Impulsgeberin für eine an Werten orientierte, zeitgemäße Führungskultur. Dies gilt insbesondere für die Führungskultur. Das Team organisiert und steuert sich selbst auf Basis der gemeinsamen Werte. Die Führungskraft übernimmt neue Rollen, etwa die des Scrum Master; sie fungiert dann als Ermöglicher und Unterstützer beim selbstorganisierten Arbeiten. Für gute Projektmanager ist diese Art der unterstützenden Führung nicht neu. Auch in klassischen Projektkonstellationen haben sie immer schon ihren Mitarbeitern Freiraum gegeben und Eigenverantwortung zugestanden. Ihre Führung war auch supportiv, ermöglichend, unterstützend; besonders agiles Leadership orientiert sich an den einzelnen Mitarbeitern und fördert deren persönliche Entwicklung im Rahmen des gemeinsamen Werterahmens. Auch die Kompetenzen, die agile Führungskräfte brauchen, sind guten Projektmanagern nicht fremd: Dazu zählen unternehmerische Denk- und Handlungsweise, stark ausgeprägte Orientierung an Kunden und Mitarbeitern, Teamfähigkeit, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Ambiguitätstoleranz, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. V Aufgabe und Rolle der GPM Wenn (1) Werte für die Unternehmensführung essentiell werden, wenn (2) Projekte als maßgebliche Arbeitsform einer wertebasierten Führung gesehen werden und wenn (3) der projektorientierten Unternehmensführung eine zunehmend wichtigere Rolle in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt zukommt- - dann sehen wir Projektmanagement als die Keimzelle für einen Wandel der Wirtschaft. Daraus ergibt sich eine große Chance für die GPM-- aber auch eine große gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wie oben bereits beschrieben, hat die GPM ihren Purpose so definiert, dass sie mit der Förderung und Weiterentwicklung des Projektmanagements einen gesellschaftlichen Wert- Projekte als die Arbeitsform wertebasierter Führung - Chance und Verantwortung der GPM © stock.adobe.com/ alphaspirit PM_aktuell_01_2020.indb 9 PM_aktuell_01_2020.indb 9 20.02.2020 10: 37: 49 20.02.2020 10: 37: 49 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 10 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 beitrag liefern will, indem sie mithilft, Individuen und Unternehmen in der Anwendung dieser Methode zu befähigen. Werteorientierte Führung gelingt aber nur, wenn diese nach innen und nach außen gelebt wird. Insofern geht es für die GPM nicht nur darum, ihren grundlegenden Vereinszweck glaubhaft gegenüber der Gesellschaft zu vertreten; werteorientierte Führung muss auch im Innern des Vereins gelebt werden. V.a GPM-- interne Werte Die GPM stand vor rund fünf Jahren vor einer der größten Herausforderungen in ihrer damals 35-jährigen Geschichte. Sie hatte enormen Erfolg und war kontinuierlich gewachsen. Die alten Strukturen waren der Größe nicht mehr angemessen. Die GPM brauchte eine Organisationsreform: An die Stelle des ehrenamtlichen Vorstandes trat ein hauptamtliches Präsidium. Satzungsänderungen, die Schaffung neuer Strukturen und Gremien sowie die Besetzung neuer Rollen waren Teil dieser Reform. Die neugewählten Organe, allen voran Präsidium und Präsidialrat, leiteten parallel zu diesen organisatorischen Umbauten einen Kultur- und Werteprozess ein. Gestützt auf das Culture Transformation Tool des britischen Unternehmensberaters Richard Barrett machte sich die GPM an eine Bestandsaufnahme, ein Assessment ihrer Werte. Das Ergebnis offenbarte- - in der Terminologie von Barrett- - eine beachtliche kulturelle Entropie. Damit ist gemeint: Die Werte, die die befragten Mitglieder und Mitarbeiter sich für die GPM wünschten, waren anders als die Werte, die ihrer Meinung nach in der GPM „gelebt“ wurden. „Soll“ und „Ist“ lagen weit auseinander. Dieser Befund passte zu dem, was bei vielen Auseinandersetzungen beobachtet und beklagt wurde. Das Programm, die Differenz zwischen gewünschten und gelebten Werten zu vermindern, begann mit der Erarbeitung der neuen GPM-Werte in einem partizipativen Prozess. Wie die GPM dabei vorging und wie sie damit auf einen guten Weg kam-- das lesen Sie in einem weiteren Beitrag des GPM-internen Werteteams in diesem Heft. V.b Wie erfüllt die GPM ihren Purpose? Die Bedeutung des Projektmanagements für eine werteorientierte und erfolgreiche Unternehmensführung in der VUCA-Welt ist oben klar geworden. Die GPM trägt zur Weiterentwicklung des Projektmanagements sowie zur Verbreitung projektorientierter Unternehmensführung bei. Die GPM generiert Wissen dazu und bereitet es für die Gesellschaft auf. Damit liefert sie vielfältige Beiträge zum Gelingen von Kooperation und Kollaboration in Wirtschaft und Gesellschaft. Für diese Aufgabe stützt sich die GPM auf ihr umfangreiches Netzwerk aus Mitgliedern, Unternehmen, Hochschulen und weiteren Institutionen. Einige Beispiele: • Auf dem PM Forum und anderen Veranstaltungen der GPM steht der Fachaustausch zu projektorientierter Unternehmensführung weit oben auf der Agenda; auch das agile PM oder der Umgang mit der VUCA Welt sind wichtige Diskussionsthemen. • Fachgruppen und SIGs (Special Interest Groups) entwickeln Wissen rund um diese Zukunftsthemen und befassen sich in vielfältigen Konstellationen mit den Themen Führung, Organisation, Kollaboration sowie Agilität. • In Regionalgruppen und über Publikationen wird der „State of the Art“ interessierten Projektmanagern und Unternehmensvertretern verfügbar gemacht und diskutiert. Zudem kooperiert die GPM mit anderen Verbänden, Universitäten, Hochschulen und Institutionen, um ihr Wissen gesellschaftlich einzubringen. Im nächsten Schritt wird eine neue GPM-Fachgruppe „Werteorientierung in Projekten und Organisationen“ zur Gründung vorgeschlagen. Ein weiterer wichtiger Baustein sind strategische Allianzen, zum Beispiel mit einflussreichen Stiftungen. Das Ziel ist der Aufbau eines Netzwerks „Werteorientierte Projekte und Organisationen“, in dem diese Fachgruppe ein Knotenpunkt für den regelmäßigen Austausch von Wissen, Erfahrungen und neuen Erkenntnissen sein kann. Überdies wird die GPM im laufenden Jahr eine Fachtagung zum Projektmanagement im Ehrenamt in Hannover ausrichten. Die GPM, so ist das Ziel, stiftet in den nächsten Jahren doppelten Mehrwert für die Gesellschaft: Sie macht ihr Know-how für ehrenamtliche Organisationen frei verfügbar und unterstützt diese bei der Erbringung ihrer Beiträge zum Gemeinwohl. Innerhalb ihres Netzwerks entwickelt, standardisiert und zertifiziert die GPM zudem Wissen, das erforderlich ist, um Projekte erfolgreich zu führen. Projektmanagement hat sich längst als anspruchsvolle Profession etabliert, die komplexe fachliche und persönliche Kompetenzen erfordert. Die GPM versteht es deshalb als ihre Aufgabe, diese Kompetenzen weiterzuentwickeln. Dazu fördert sie den Austausch von Wissen und Erfahrungen sowie die fachliche und berufliche Weiterbildung ihrer Mitglieder. Die GPM arbeitet darauf hin, ihr Netzwerk stetig zu erweitern. Sie will Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft Zugang verschaffen zu dem Wissen und den Fähigkeiten, die gelingendes Projektmanagement erfordert. In diesen Zusammenhang gehört auch die Verbreitung der ethischen Richtlinien, die die GPM an Projektmanager stellt-- Verantwortung, Kompetenz und Integrität. Der Ethik-Kodex der GPM ruft Projektmanager beispielsweise dazu auf, dem Gemeinwohl sowie der Gesundheit und Sicherheit jedes einzelnen Menschen hohe Priorität zuzuweisen. Laut Kodex bildet der Projektmanager sich ständig weiter und eröffnet auch Teams und Mitarbeitern die Möglichkeit zur Weiterbildung. Er zeigt seine Integrität, indem er Gesetze beachtet und den allgemein anerkannten gesellschaftlichen Werten folgt, wo immer er auch in der Welt tätig wird. Er wehrt Schaden vom Wohlergehen der Gesellschaft ab und ist bereit, Rechenschaft für sein Tun abzulegen. Die GPM vermittelt die individuellen Kompetenzen, die erforderlich sind, um diesen ethischen Richtlinien gerecht zu werden. Sie entwickelt partizipativ Werte, erfüllt einen werthaltigen Sinn und handelt nach Werten. VI Fazit Wir haben die Notwendigkeit für wertebasierte Unternehmensführung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: • Die gesellschaftliche Akzeptanz ist heute ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Unternehmen, die ihre Verantwortung für ökologische und soziale Belange unzureichend wahrnehmen, tun sich im Wettbewerb zunehmend schwer. PM_aktuell_01_2020.indb 10 PM_aktuell_01_2020.indb 10 20.02.2020 10: 37: 50 20.02.2020 10: 37: 50 Reportage | Unternehmensführung jenseits von reiner Gewinnmaximierung? 11 DOI 10.2357/ PM-2020-0002 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 • Junge Fachkräfte suchen heute in ihrer Arbeit einen Sinn, der über reines „Geldverdienen“ hinausgeht. Die Fachkräfte suchen eine Passung zwischen ihren persönlichen Werten und denen der Organisation, in der sie arbeiten. Werte werden den Wettbewerb um Talente mitentscheiden. • Werte spielen in der agilen Arbeitsweise eine große Rolle. Die agile Arbeitsweise baut auf Prinzipien auf wie beispielsweise der Selbstorganisation von Teams, eigenverantwortlichen Entscheidungen durch Mitarbeiter sowie unternehmerisch ausgerichtetem Handeln aller Beteiligten. Die hinter dieser Arbeitsweise liegenden Werte entscheiden, ob Agilität gelingt. • Unternehmen können immer weniger zentral gesteuert werden. In unserer komplexen, dynamischen Welt ergeben Prognosen, Strategien und langfristige Planungen kaum noch Sinn. Deshalb können Abteilungen, Teams und einzelne Mitarbeiter nicht mehr „von oben“, durch das System von Hierarchien gesteuert werden. Die Mitarbeiter selbst sind gefordert, auf die Dynamik zu reagieren, schnell Entscheidungen zu treffen und diese selbstorganisiert umzusetzen. An die Stelle der zentralen Steuerung tritt die dezentrale Steuerung. Werte bilden für diese Steuerung einen wesentlichen Kompass. Der Mitarbeiter entscheidet und handelt so, wie es seinen und den Werten seines Unternehmens entspricht. • Studien zeigen, dass eine an Werten ausgerichtete Unternehmensführung erfolgreicher in Bezug auf Wettbewerb und Gewinn ist als herkömmliche, an Shareholder Value orientierte Unternehmensführung. Damit werden Unternehmen letztlich auch in ihrem Engagement für das Gemeinwohl gestärkt. Wir haben drei verschiedene Ansätze betrachtet, die eine wertebasierte Unternehmensführung ausmachen: 1. Purpose- - Die Definition eines grundlegenden Unternehmenszwecks mit dem Blick auf seine gesamtgesellschaftlichen Beiträge. 2. Strukturelle wertebasierte Führung- - die gezielte Schaffung von strukturellen Freiräumen. Diese Freiräume sind Grundlage einer dezentral durch Teams gesteuerten Unternehmung auf Basis von Werten als gemeinsamem Sinn- und Handlungsrahmen. 3. Wertebasiertes Leadership-- die Orientierung der personalen Führung am einzelnen Mitarbeiter und die Förderung seiner persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten im Rahmen des gemeinsamen Werterahmens. Wir haben gezeigt, wie wertebasierte Unternehmensführung Organisationen verändert. Diese organisationalen Veränderungen gehen hinaus über die sinnbehaftete, dem Gemeinwohl und Mitarbeiterwohl dienende Unternehmensführung. Diese Veränderungen stärken zugleich die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt. Wir haben die Verbindungen der wertebasierten Unternehmensführung zum Projektmanagement verdeutlicht: 1. Wertebasierte Unternehmensführung führt zu projektorientierten Unternehmensstrukturen, wenn dezentrale Steuerung, Selbstorganisation der Teams und Eigenverantwortung der Mitarbeiter verwirklicht werden. Mit anderen Worten: Projektorientierte Strukturen können ein Modell sein für den Wandel hin zu wertebasiert geführten Unternehmen. 2. Wertebasiertes Leadership wird als Kompetenz von Projektmanagern gefordert. Nicht nur in agilen, sondern auch in klassischen Projekten werden Werte vereinbart und als Führungsprinzipien gelebt, beispielsweise Selbstentfaltung, Autonomie, Kooperation, Offenheit, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Partizipation, Zugehörigkeit und Vereinbarkeit. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Natee Meepian Prof. Dr. Helmut Klausing Präsident der GPM Clemens Drilling Geschäftsführer der newTrust GmbH für werteorientierte Unternehmensführung und von 2015 - 2019 Vorsitzender des Präsidialrats der GPM PM_aktuell_01_2020.indb 11 PM_aktuell_01_2020.indb 11 20.02.2020 10: 37: 51 20.02.2020 10: 37: 51 12 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Nachhaltiger Kulturwandel-- zum Selbermachen. Ein Bericht aus der Praxis der GPM Keine Scheu vorm Zwiebelschälen Julia Branske, Clemens Hartmann, Verena Martin, Etelka Wenzel Für eilige Leser | Ein Kulturentwicklungsprojekt als Lernprozess für alle. Dieser Praxisbericht schildert den Weg zum Kulturwandel in den Geschäftsstellen der GPM. Mit Richard Barretts Cultural Transformation Tools entstanden die Werte für das Leitbild des Vereins. Es folgte ein Projekt mit dem Auftrag, diese Werte mit Leben zu füllen und limitierende Faktoren abzubauen. Agiles Vorgehen und maßgeschneidertes Setup der Projekt-Organisation: Angelegt als ein Projekt „von uns für uns“ liegt die Projektleitung bewusst in den Händen eines Kernteams aus der Mitte der Mitarbeiter, unterstützt durch ein erweitertes Team, abteilungs- und hierarchieübergreifend besetzt. Hilfsmittel, wie die Kulturzwiebel-Methode zur besseren Verständlichkeit der Werte, regelmäßige Messungen und Maßnahmen steigern das Commitment aller Mitarbeiter. Erfolge zeigen sich bereits, auch wenn der Kulturentwicklungsprozess längst nicht abgeschlossen ist. Nicht nur die Individualität von Menschen, sondern auch von Unternehmen wird maßgeblich von Wertvorstellungen bestimmt. Authentische Werte stiften Sinn, geben Orientierung und ermöglichen einen Fokus auf das, was wichtig ist. Wo Werte geteilt werden und Kultur gelebt wird, arbeiten Menschen effektiver und besser zusammen. Der Zusammenhalt, das Vertrauen und die Loyalität der Mitarbeiter werden gefestigt und dadurch auch die Glaubwürdigkeit und das Image eines Unternehmens nach außen. Doch nur wenn alle Mitarbeiter das Gleiche unter den Werten verstehen, nach ihnen handeln und sie in das tägliche Miteinander einbeziehen, können Werte greifen und sichtbar werden. Wichtig ist: Beim Kulturwandel kommt es auf jeden Einzelnen an. Jeder kann und sollte ihn aktiv mitgestalten. Wie das gestaltet werden kann, zeigt das Praxisbeispiel der GPM. Im Jahr 2016 hat die GPM als Verein einen Change-Prozess durchlaufen- - von einer ehrenamtlich aufgestellten hin zu einer hauptamtlich geführten Organisation. In diesem Zuge wurden Mission und Vision sowie das Leitbild der GPM entwickelt und durch Werte ergänzt. Diesen Prozess unterstützte der damalige Vorsitzende des GPM Präsidialrats Clemens Drilling methodisch mit den sogenannten Cultural Transformation Tools (CTT). Werte im Leitbild der GPM: die Barrett-Messung Nach Richard Barrett- - dem Experten für wertebasierte Unternehmensführung und Kulturtransformation- - spiegeln die Werte eines Menschen immer das wider, was er für seine Bedürfnisse hält. Daher sind sie auch in der Zusammenarbeit essenziell. Da sie jedoch nur schwer greifbar und zu managen sind, entwickelte Barrett die sogenannten Cultural Transformation Tools (CTT), um Werte optisch sichtbar zu machen und einen Transformationsprozess anstoßen zu können. Mit Hilfe dieser Methode erhalten die Beteiligten konkrete Ansatzpunkte, um über die Werte zu sprechen, die ihnen wichtig sind und die Kultur durchdringen. Schon allein ein solcher Austausch fördert gegenseitiges Verständnis und ermöglicht die Entwicklung einer gemeinsamen Wertebasis für die erfolgreiche Zusammenarbeit. In der Barrett-Messung, die 2017 von der GPM durchgeführt wurde, beantworteten in einem Zeitraum von drei Wochen knapp 1.000 von rund 8.000 Mitgliedern sowie nahezu alle Mitarbeiter der GPM anonym drei Fragen zu jeweils zehn frei gewählten Werten aus drei Kategorien. Diese Kategorien waren: die für jeden Einzelnen persönlich wichtigen Werte, die in der GPM wahrgenommenen am meisten gelebten Werte und perspektivische Werte, für welche die GPM in der Zukunft stehen sollte. Dieser Prozess machte nicht nur die gegenwärtige subjektiv wahrgenommene Kultur sichtbar, sondern auch die als Voraussetzung für Leistung und Erfolg des Vereins erwünschte. Als besonders wichtig in der GPM erwiesen sich Engagement und Einsatzbereitschaft, die berufliche Weiterentwicklung, Professionalität und ethisches Verhalten-- eine Basis für die daraus entwickelten Werte Fördern & Entwickeln, ganz- Reportage Keine Scheu vorm Zwiebelschälen DOI 10.2357/ PM-2020-0003 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 12 PM_aktuell_01_2020.indb 12 20.02.2020 10: 37: 51 20.02.2020 10: 37: 51 Reportage | Keine Scheu vorm Zwiebelschälen 13 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 heitliches Denken, offene Kommunikation und Professionalität . In der hauptamtlichen Organisation der GPM wurden die Kernwerte um den Wert Vertrauen ergänzt, der laut Barrett- Auswertung dort ebenfalls eine zentrale Rolle spielt. Doch nicht nur die Kernwerte der GPM als Fundament für das neue Leitbild ergaben sich aus der Barrett-Messung-- diese Methode ermittelt auch die sogenannte kulturelle Entropie: Als Maß für Konflikte, Spannungen und Frustration innerhalb einer Gruppe verdeutlicht sie die Energie, die durch unproduktives Arbeiten verlorengeht. Nimmt die kulturelle Entropie zu, nehmen Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter ab. In diesem Fall ergab die Befragung eine erhöhte Entropie, die laut Barrett-Standard auch von kritischen Aspekten zeugt, die der kulturellen und strukturellen Transformation bedürfen. Die Standortbestimmung der Kultur zeigte als potenziell limitierende Werte unter anderem Verwirrung und Informationszurückhaltung auf. Handlungsbedarf: Kernwerte vs. kulturelle Entropie In dem Change-Prozess und der Umstrukturierung der Organisation, in denen sich die GPM zu dieser Zeit befand, ist solch ein Ergebnis nicht verwunderlich. Dennoch gaben die Ergebnisse gleichzeitig den Impuls, nachhaltig für Verbesserung zu sorgen. Der Präsident der GPM Prof. Dr. Helmut Klausing sah den Handlungsbedarf und gab dazu ein Projekt in Auftrag, um den Kulturwandel aktiv zu unterstützen und die Werte in der Organisation zu fördern. Somit erhielt Etelka Wenzel, Leitung PMO der GPM, die Aufgabe, ein solches Projekt auf den Weg zu bringen. Das Ziel: Die definierten Kernwerte sollen gelebt und die potenziell limitierenden Werte abgebaut werden. Aus ihrer langjährigen Erfahrung wusste Etelka Wenzel, welche Besonderheiten Projekte dieser Art mit sich bringen, aber auch welchen Mehrwert sie besitzen: „Vor einigen Jahren machte ich aus der Rolle des Projektportfolio-Managers heraus meine erste Erfahrung mit einem ähnlichen Organisationsentwicklungsvorhaben. Das Projekt war in vielerlei Hinsicht sehr abstrakt, beginnend mit unklaren Lieferobjekten, Laufzeit sowie fehlenden KPIs zur Messung des Projekt-Benefits wie etwa Umsatzsteigerung, Kostenreduktion beziehungsweise Performancesteigerung. Auch die Ermittlung des Fortschrittsgrades war ein schwieriges Unterfangen. Zusammenfassend trat also so ziemlich alles ein, was man für ein gutes Management des Projektportfolios vermeiden will. Mittlerweile ist mir der Mehrwert eines solchen Projektes für einen Portfolio-Manager, einen PMO, aber auch einen Projektmanager sehr klar: Wenn die Organisation eine gute Kultur entwickelt, dann hilft es im gleichen Maße den Projekten, die in dieser Organisation umgesetzt werden. Der Aufwand, um in einem einzelnen Projekt eine Team-Kultur zu entwickeln, kann sehr hoch sein. Wenn aber bereits eine bewusst etablierte Kultur existiert-- und sei es nur in der Organisation, in der das Projekt verankert ist- - , dann wird es für die Zusammenarbeit im einzelnen Projekt und damit auch für den Projekterfolg leichter. Denn Projekte werden von Menschen gemacht und nur eine gut funktionierende Organisation kann gute Projekte machen. Jedes PMO sollte daher ein solches Vorhaben unterstützen. Es ist teilweise möglich, die Projektziele eines Kulturentwicklungsprojektes in betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu übersetzen, so beispielweise mit dem Wert für kulturelle Entropie. Die Entropie wird als prozentualer Anteil der Ressourcen, die durch Reibungen innerhalb der Organisation aufgebraucht werden, dargestellt. Nimmt man also diesen Prozentsatz und legt ihn auf die verfügbaren Kapazitäten der gesamten Organisation um, kann man errechnen, wie viele Personentage pro Jahr aufgrund von Reibungsverlusten unproduktiv sind. Senkt man die kulturelle Entropie in einer Organisation auf den gewünschten Prozentsatz, dann kann man den Zuwachs an produktiven Personentagen errechnen und darauf hinarbeiten. Aber auch wenn man den Effekt einer guten Kultur theoretisch in Effizienz-KPIs herunterbrechen kann, halte ich es für wichtig, dies nicht als Steuerungsgrundlage in so einem Projekt zu verwenden. Dies erhöht nämlich den Druck ‚eine tolle Kultur haben zu müssen‘ und das ist für ein solches Projekt kontraproduktiv. Das Projekt verliert viel an Natürlichkeit und intuitiver Entwicklung. Abbildung 1: Vom Werte-Assessment zur Aktion (Copyright: changemanagement.biz) PM_aktuell_01_2020.indb 13 PM_aktuell_01_2020.indb 13 20.02.2020 10: 37: 52 20.02.2020 10: 37: 52 Reportage | Keine Scheu vorm Zwiebelschälen 14 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Zum Umgang mit einem solchen Projekt aus Sicht eines PMOs beziehungsweise eines Portfolio-Managers kann ich nur sagen: Ein Kulturentwicklungsprojekt ist ein Lernprozess für alle, das heißt auch für ein PMO oder einen Portfolio-Manager. Daher ist es wichtig einem solchen Projekt den bestmöglichen Rahmen zu geben, der im Kontext mit der eigenen Organisation realisierbar ist.“ Einladung zur Mitwirkung-- gemeinsam gestalten Zur Initiierung des Projektes lud PMO Etelka Wenzel alle Mitarbeiter und Führungskräfte der GPM Geschäftsstellen ein, um das Projekt-Setup gemeinsam zu entwickeln, aber auch um noch genauer zu ergründen, welche Themen beziehungsweise Probleme sich hinter den Umfrageergebnissen verbargen. Mehr als ein Drittel des hauptamtlichen Teams folgte der Einladung und kam in Workshops zusammen. Um als Teil des Projektauftrags ein inhaltliches Konzept, den sogenannten Kulturentwicklungsplan, zu erarbeiten, wurden die eigenen Werte und potenziell limitierende Werte genauer beleuchtet. Daraus sollten konkrete Handlungsfelder abgeleitet und Maßnahmenideen entwickelt werden. Hierbei stellte sich besonders der Wert Offene Kommunikation als erstes wichtiges Handlungsfeld heraus-- mit dessen Hilfe es aber auch gelingen könnte, potenziell limitierende Werte wie Verwirrung und Informationszurückhaltung abzubauen. Nachgelagert zu den Workshops folgten kleinere intern durchgeführte Umfragen, intensive Gespräche und die gemeinsame Reflexion der Erkenntnisse über die genaueren Ursachen für die hohe kulturelle Entropie. Es entstanden zudem erste Ideen, um dieser hohen Entropie entgegenzuwirken. Die gemeinsame Ausarbeitung des Setups geriet allerdings aus zweierlei Gründen ins Stocken. Zum einen stellten die beteiligten Kollegen fest, dass die Mitarbeit an der inhaltlichen Ausgestaltung im benötigten Umfang für jeden Einzelnen zu viel Kapazität beansprucht und dauerhaft nicht leistbar wäre. Zum anderen stellte sich die Erarbeitung des Kulturentwicklungsplans in Anbetracht der Anzahl an Werten und potenziell limitierenden Werten als komplexes und langwieriges Unterfangen heraus. Dies verlangte nach einem alternativen Vorgehen, weshalb ein temporäres Team aus zwei Führungskräften und zwei Mitarbeitern alle bisherigen Ergebnisse konsolidierte und das Projekt-Setup finalisierte. Werte lebbar machen-- der Plan Wie aber konnte das beste Vorgehen für ein Vorhaben dieser Art genau in diesem speziellen Umfeld aussehen? Wie eine größtmögliche Einbindung aller Beteiligten-- gleichzeitig aber ohne unnötigen Aufwand für die Einzelnen? Zudem bestand seitens der Mitarbeiter der Wunsch, das Projekt soweit wie möglich in Eigenleistung umzusetzen- - externe Unterstützung sollte nur in Ausnahmefällen, etwa für Methoden und Tools in Anspruch genommen werden. Es galt: Wir müssen das gemeinsam schaffen! Denn es betrifft alle! Die Lösung- - quasi als „Quadratur des Kreises“: Die Bildung eines Kernteams, das die inhaltliche Arbeit federführend übernimmt und seine Ergebnisse von einem erweiterten Team, das jede Abteilung repräsentiert, sounden lässt. Sämtliche Abteilungen und Bereiche der GPM Geschäftsstellen sollten in das Projekt eingebunden werden, um allen Kollegen die Partizipation zu ermöglichen. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Setup-Phase fiel die Wahl auf ein agiles Vorgehen, in dem die Backlog-Items sukzessive detailliert und das Backlog bei Bedarf angepasst wird- - dies geschah, um zu vermeiden, dass im Vorfeld zu lange an einer Maßnahme konzeptioniert wird und um dann zum späteren Umsetzungszeitpunkt womöglich festzustellen, dass diese nicht mit der Kultur kompatibel ist oder keine Priorität hat. Während dem Kernteam ein Arbeitstag pro Woche zur Verfügung stand, sollte sich der Aufwand für jedes Mitglied des erweiterten Teams auf zwei Stunden pro Monat beschränken. Schließlich blieb die Frage nach der Projektleitung. Nachdem eine externe Besetzung seitens der Mitarbeiter explizit nicht erwünscht war, fiel die Entscheidung, die Projektleitung intern aus der Mitarbeiterebene zu besetzen. Denn es sollte kein Projekt der Führungsebene für die Mitarbeiter werden, sondern ein Projekt „von uns für uns“, sprich eine Projektleitung aus der Mitte der Mitarbeiter heraus, damit sich der Kulturentwicklungsprozess breit und organisch entfalten kann, angetrieben wird und nicht von oben oder außen verordnet wird. Etelka Wenzel veranschaulicht, warum sie sich dafür ausgesprochen hat, das Kulturentwicklungsprojekt nicht externen Organisationsentwicklungs-Profis anzuvertrauen: „Ich halte es für wichtig, für jedes Projekt das passende Setup zu wählen. Dies gilt auch für die Projektorganisation. Jetzt könnte man fragen: ‚Wie kann man die Projektleitungsrolle drei motivierten, engagierten und intelligenten Mitarbeitern übertragen, die jedoch nicht eine besondere Expertise oder Seniorität für ein so komplexes Unterfangen wie „Kultur“ besitzen? ‘ Meine Antwort ist hier: ‚Der Kontext entscheidet‘. Ein Kulturentwicklungsprojekt lebt davon, dass Mitarbeiter und Führungskräfte die Kultur aktiv mit entwickeln. Das funktioniert nicht, wenn man sich gegen die Wünsche der wichtigsten Stakeholder durchsetzt. Im Kontext mit dem Wunsch der Mitarbeiter nach interner Umsetzung, war es also nur logisch, dass wir die Projektleitung intern besetzten. Auch wenn es naheliegend gewesen wäre, haben wir uns bewusst gegen eine Besetzung aus der Führungskräfte-Ebene entschieden, denn dann könnte das Projekt wie „Kultur von oben verordnet“ wirken. Unsere drei Kollegen machen einen fantastischen Job und die Akzeptanz der drei ist in unserer Organisation über alle Hierarchie-Ebenen hinweg unschlagbar. Für mich als PMO bedeutet es natürlich, dass ich methodisch intensiv unterstützen muss und meine Kompetenz, aber auch meine bisherigen Erfahrungen mit Kulturentwicklung in das Projekt einbringe. Ein weiterer Punkt für den Kontext ist die Art der Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern als Projektleiter und den Führungskräften. Diese funktioniert bei uns sehr gut. Zum einen pflegen wir Führungskräfte eine Kultur der Augenhöhe mit den Mitarbeitern und dies gilt nicht nur in Linie, sondern auch für unsere Projekte. Darüber hinaus haben wir im Zuge unserer Projektorientierung gelernt, in Matrix zu arbeiten. Der Weg, den wir gewählt haben, funktioniert sicherlich nicht in jeder Organisation genauso wie bei uns. Mein Appell ist, bewusst damit umzugehen, wie das Setup für die eigene Organisation funktionieren kann. Dies sollte auch dann erfol- PM_aktuell_01_2020.indb 14 PM_aktuell_01_2020.indb 14 20.02.2020 10: 37: 52 20.02.2020 10: 37: 52 Reportage | Keine Scheu vorm Zwiebelschälen 15 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 2: Die gemeinsame Entwicklung des Projekt-Setups. (Copyright: GPM) gen, wenn es zum Beispiel für alle anderen Projekte in der Organisation bereits feststehende Regularien gibt.“ Das Kernteam bei der GPM formierte sich aus drei Mitgliedern, die sich bereit erklärten, zusätzlich zur inhaltlichen Aufgabe die Projektleitung gemeinsam zu übernehmen und sich die große bevorstehende Verantwortung zu teilen. Und hier begann die Reise und der im wahrsten Sinne wertschöpfende Prozess für die Projektleiter Julia Branske, Clemens Hartmann und Verena Martin. Werte lebbar machen-- das Vorgehen Das Kernteam verfügt pro Person über eine festgelegte Kapazität von acht Stunden pro Woche für das Projekt. Sprints umfassen jeweils sechs Wochen, in denen drei zweiwöchentliche Präsenztreffen stattfinden. Die Zeit zwischen den Treffen wird für das Erledigen verabredeter Aufgaben genutzt. Innerhalb eines Sprints trifft sich das Kernteam außerdem wöchentlich zu einem halbstündigen Jour Fixe zur Abstimmung. Zur Visualisierung und Organisation des Teams wird die web-basierte Software Trello eingesetzt, in der Mitarbeitern ihre Tasks und ToDos direkt zugewiesen werden können. Dies sorgt für Transparenz in Bezug auf die Maßnahmen und Verantwortlichkeiten und ermöglicht stets einen Überblick über die in den jeweiligen Sprints priorisierten Themen und Maßnahmen. Das Kernteam teilt sich in die Rollen des Kommunikators für das Werte-Projekt, des Prozess-Verantwortlichen und des Inhaltsverantwortlichen auf, um im Team und innerhalb der Organisation gezielter arbeiten zu können. „Uns als Werte-Kernteam kostete es Mut und gleichzeitig waren wir stolz dieses Projekt angehen zu dürfen. Denn niemand von uns hatte zuvor ein vergleichbares Projekt geleitet oder sich über ein persönliches Interesse hinaus mit dem Thema Werte- und Kulturwandel beschäftigt“, so Julia Branske und Verena Martin über die gemischten Gefühle beim Projektauftakt. „Eine Erleichterung brachte es uns, dass sich die Verantwortung auf uns drei verteilte und wir unser Werte-Projekt gemeinsam angehen konnten. Doch es geht nicht ohne Unterstützung und ein breites Commitment aller Kollegen. Und vor allem nicht ohne Vertrauen.“ Unsere Zusammenarbeit: mehr Commitment! Nur wer mitmacht, übernimmt auch aktiv und freiwillig Verantwortung! Unter diesem Motto nahm auch das erweiterte Werte-Team seine Arbeit auf. Es hat die Aufgabe, alle sechs Wochen zur Retrospektive am Ende eines Sprints zusammenzukommen und als Sounding-Board und Botschafter in die Abteilungen zu fungieren. In der Theorie klang es wie ein gutes Vorgehen, doch vor allem zu Beginn zeigte sich, wie schwierig es in der Hektik des Arbeitsalltags, der fast immer von Ressourcenknappheit begleitet ist, sein sollte, die Kollegen für die Mitarbeit für ein zunächst sehr hochtrabend klingendes Thema wie Kultur und Werte zu gewinnen. Anfängliche Stimmen, dass das Thema Werte keinen Platz in einem so vollen Terminplan habe und ein „Luxusthema“ sei, stellten sich als Hürde bei der aktiven Einbindung aller Abteilungen heraus. Doch einige zogen von Anfang an mit- - und Stück für Stück konnten weitere Kollegen davon überzeugt werden, welchen Mehrwert die Beschäftigung mit den Werten und der Kultur erbringt. So entwickelte sich das erweiterte Team zu einem für das Kernteam unverzichtbaren Sounding-Board, das wertschätzend und kritisch die Sprintergebnisse mit Blick aus allen Abteilungen beleuchtet. Doch es entstand noch viel mehr- - inzwischen sounded das erweiterte Team nicht nur, mittlerweile entwickeln die Teams gemeinsam für den jeweils folgenden Sprint Ideen für Maßnahmen, die dann auch vom erweiterten Team priorisiert und von einzelnen Kollegen direkt umgesetzt werden. Zwischenzeitlich nehmen über die Abgesandten aus den jeweiligen Abteilungen hinaus einige Kollegen und Führungskräfte zusätzlich am erweiterten Team teil. Denn das kennzeichnet den wertvollen gemeinsamen Weg: Jeder, der sich beteiligen will, kann sich beteiligen und mitgestalten. Kultur betrifft jeden Einzelnen. Trotz der wachsenden Bedeutung des Werte-Projektes, das die Stimmen aus dem Kollegium über Hierarchie-Ebenen hinweg gleichberechtigt berücksichtigt, geriet das Kernteam dennoch bei einigen Maßnahmen ins Stocken. Es wurde deutlich, dass die Schnittstelle zwischen dem Projekt und den Linienverantwortlichen verbessert werden PM_aktuell_01_2020.indb 15 PM_aktuell_01_2020.indb 15 20.02.2020 10: 37: 52 20.02.2020 10: 37: 52 Reportage | Keine Scheu vorm Zwiebelschälen 16 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 musste. Denn so ließe sich der hohe Kommunikations- und Abstimmungsaufwand deutlich verringern und das gesamte Commitment zum Projekt erhöhen. Das angepasste Vorgehen sah nun vor, in einem rollierenden Verfahren für jeweils zwei aufeinanderfolgende Sprints immer zwei Abteilungsleiter in das Kernteam einzubinden, die repräsentativ für die anderen Führungskräfte am Projekt mitwirken. Aufgaben und Entscheidungen können von den im Sprint beteiligten Abteilungsleitern so direkt zur Abstimmung mit den anderen Führungskräften mitgenommen werden, um auf diese Weise Themen und Maßnahmen schneller vorantreiben zu können. Diese Rechnung ging auf: Nicht nur die Abstimmung zwischen Projekt und Linie wurde deutlich verbessert, auch das persönliche Commitment der Abteilungsleiter stieg an. Werte lebbar machen-- der Lernprozess Schon während der ersten Sprints zeigte sich, dass der Impact der entwickelten Maßnahmen in kurzen Abständen überprüft werden musste. Da die Barrett-Messung dafür nicht die passende Messmethode war, entwickelte das Kernteam den sogenannten Temperaturcheck- - eine anonyme Online-Umfrage für die ganze Belegschaft der GPM. Dabei bewertet jeder Teilnehmer aus seiner Sicht, wie gut die fünf Kernwerte ( Fördern & Entwickeln, Ganzheitliches Denken, Offene Kommunikation, Professionalität und Vertrauen ) innerhalb der verschiedenen Ebenen der Organisation gelebt werden. Der Temperaturcheck findet halbjährlich statt, sodass dazwischen immer mindestens drei Sprints durchgeführt werden und entsprechende Maßnahmen auf Grundlage der Umfrageergebnisse priorisiert beziehungsweise neu entwickelt werden können. Die Messbarkeit in einer höheren Frequenz war somit sichergestellt. Eine Frage der Perspektive? Gemeinsames Werteverständnis Mit der Durchführung des ersten Temperaturchecks und einer gemeinsamen Reflexion über die Ergebnisse stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter bei der Beantwortung der Fragen ein unterschiedliches Verständnis der Werte der GPM an den Tag legten, sie unterschiedlich einstuften und wahrnahmen. Eine Erkenntnis, die die Herangehensweise an das Projekt grundlegend beeinflusste. Stand der Wert Fördern & Entwickeln beispielsweise für den einen für die Förderung des Projektmanagements insgesamt, bezog ihn der andere auf seine persönliche Entwicklung. Bezogen sich die Werte auf den Verein und das Projektmanagement oder auf die hauptamtliche Organisation und die Arbeit innerhalb der Geschäftsstellen? Der nächste Sprint wurde genutzt, um herauszufinden, was die Werte der GPM konkret für die Mitarbeiter der Geschäftsstellen bedeuten und wie diese innerhalb der Geschäftsstellen zu verstehen sind. Auf der Suche nach einem Hilfsmittel, das die Werte klar verständlich machen würde, führte PMO Etelka Wenzel die Kulturzwiebel-Methode nach Klaus Eckrich ein, die sich als sehr passend für den Prozess erwies. Mittels der einzelnen Zwiebelschichten „Werte“, „Einstellungen“ und „Verhalten“ kann ermittelt werden, wie Zielvorstellungen wirken, um die Kultur bewusst zu steuern. Das Kernteam der GPM schneiderte erneut maß, ergänzte für die GPM noch die Schicht „Kompetenzen“ und fragte somit: Welche Einstellungen, welches Verhalten und welche Kompetenzen brauche ich, um beispielsweise den Wert Offene Kommunikation zu leben? Da die genaue Definition der Werte gemeinsam mit allen Kollegen erarbeitet werden sollte, führte dieser zunächst sehr aufwendige Prozess auch zu viel Frust. Für viele entstand das Gefühl, dass nun doch-- entgegen der Ankündigung nicht aufwendig konzeptionieren zu wollen- - viel Zeit mit der Definition der Werte verbracht werden sollte. Nachdem ein erster Aufschlag als Diskussionsbasis für die Definition der Werte gemacht war, wurde jede Abteilung aufgerufen, diesen zu ergänzen und zu verändern. So entstanden in einem demokratischen und teilweise anstrengenden Prozess fünf Kulturzwiebeln und mit ihnen ein gemeinsames Verständnis für die Werte innerhalb der Geschäftsstellen. Und plötzlich wussten alle, worüber genau gesprochen wird, wenn von Offener Kommunikation die Rede ist. Es wurde konkret. „Werte sind für manche Menschen zu abstrakt, um diskutiert zu werden. Beim Zwiebel-Modell wird ein Wert bis zur Verhaltensebene heruntergebrochen. Auf dieser Ebene kann dann wiederum jeder von uns etwas damit anfangen. Nehmen wir als Beispiel den Wert ‚Respekt‘. Man kann versuchen zu diskutieren, ob der Wert gelebt wird oder nicht, diese Diskussion bleibt jedoch meist unkonkret. Wenn man dann aber mit Hilfe der Kulturzwiebel gemeinsam definiert hat, mit welchem Verhalten man in der eigenen Organisation Respekt zeigt, wird eine Diskussion einfach. Denn entweder das Verhalten wird gezeigt oder eben nicht. Und wenn das Verhalten nicht gezeigt wird, dann kann man Ursachen suchen und eine Lösung finden“, bringt Etelka Wenzel den Charme der Kulturzwiebel auf den Punkt. Wandel von Kultur-- welche Maßnahmen greifen wirklich? Schritt für Schritt entwickelte das Kernteam ein gemeinsames Verständnis, was einzelne Werte für die Mitarbeiter im Abbildung 3: Auszug aus der GPM Kulturzwiebel zum Wert Offene Kommunikation PM_aktuell_01_2020.indb 16 PM_aktuell_01_2020.indb 16 20.02.2020 10: 37: 52 20.02.2020 10: 37: 52 Reportage | Keine Scheu vorm Zwiebelschälen 17 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Arbeitsalltag bedeuten. Basierend auf der in den Zwiebeln erarbeiteten Kompetenzen und Verhaltensweisen ließen sich Maßnahmen für die jeweiligen Werte ableiten. So entstand beispielsweise für die Vertiefung der notwendigen Kompetenzen für den Wert Offene Kommunikation eine Workshopreihe- - zur Schulung der Feedback-Fähigkeiten eines jeden Einzelnen und als geschützter Raum zur Erprobung. Für die Umsetzung der Werte Ganzheitliches Denken und Fördern & Entwickeln rief das Team die zweiwöchentlichen „GPM days for briefing“ und „GPM days for teaching“ von Mitarbeitern für Mitarbeiter ins Leben. In freiwilligen, halbbis einstündigen, für alle offenen Formaten referieren Kollegen über ein bestimmtes Thema, beispielsweise über ihr aktuelles Projekt oder eine gemeinsam genutzte IT-Anwendung. Obwohl die Teilnahme nicht verpflichtend ist, der Zuspruch ist dennoch groß. Gerade zu Beginn der Arbeit des Kernteams gab es aber auch Maßnahmen, die losgelöst von einem bestimmten Wert wichtig für die Kulturarbeit waren, beispielsweise die Verstetigung und Verbesserung der Jour Fixes, etwa mit einheitlichen Regeln für alle Abteilungen. Ob Jour Fixe oder GPM days for teaching and briefing-- an weiteren Umsetzungsideen mangelt es im Werte- und Kulturentwicklungsprojekt nicht. Schwieriger ist es, Maßnahmen zu finden, die sich im täglichen Prozess umsetzen lassen. Eine kleine und sehr effektive Maßnahme: die Einführung des Werte-Coaches. Dieser wird für jedes Meeting definiert und er weist in einem Meeting auf Auffälligkeiten im Hinblick auf die Kernwerte hin. So werden die Kernwerte laufend reflektiert und schrittweise verinnerlicht. Das Projekt ausschließlich in Eigenleistung-- geht das wirklich? Ein Kulturentwicklungsprozess braucht Zeit-- und Menschen, die sich seiner annehmen. Das Werte-Projekt der GPM beweist anschaulich: Jeder, dem dieses Thema am Herzen liegt und der an den Mehrwert von Werten und Kultur glaubt, kann es auch aktiv vorantreiben. Denn Werte sind ein Thema, bei dem jeder auf seine eigenen persönlichen Erfahrungen zurückgreifen kann. „Es geht aber nicht darum“, sagt Etelka Wenzel, „seine Persönlichkeit zu verändern, sondern darum zu verstehen, welche Werte im Arbeitsumfeld wichtig sind und wie man diese mit seinen eigenen Werten bestmöglich in Einklang bringt.“ Es braucht keine Raketenwissenschaft, sondern vor allem einen natürlichen Umgang, den jeder begreifen kann- - und im Hintergrund solides Handwerk und gute Methoden. Zwar nimmt das Kernteam der GPM keine dauerhafte externe Unterstützung in ihrem Projekt in Anspruch, hat aber trotzdem stets methodische Unterstützung an der Seite. Im Projektmanagement erfolgt dies durch das PMO, denn ohne gutes Projektmanagement geht es dann doch nicht! Aber auch die Fachgruppe „Systemisches PM“ unterstützt mit der Change-Management-Expertise ihrer Mitglieder, deren erfahrenen Blick von außen das Kernteam einholen und davon profitieren kann. Auch wenn eines der Vorgehensziele ist, das Projekt so weit wie möglich in Eigenleistung durchzuführen: Ganz ohne externe Expertise ging es bisher auch bei der GPM nicht. Für die Workshopreihe zum Wert Offene Kommunikation wurde eine externe Beraterin engagiert, welche die Mitarbeiter durch die Workshops geführt hat. Ebenso ist die Barrett-Messung als Tool zur Überprüfung des Projektfortschritts durch eine externe Beratung erfolgt. Kulturwandel braucht Zeit-- was sich aber bereits jetzt zeigt Am Ende geht es in einem Kulturwandel immer um die Menschen, und zwar um die Verhaltensänderung in jedem einzelnen. Auch wenn es vermeintlich leichter ist, eine nachhaltige Veränderung wird nicht durch Druck von außen oder oben erzeugt, sondern durch eine Veränderung in jedem selbst. Die hauptamtliche Organisation der GPM hat gelernt, dass dies vor allem viel Zeit braucht. Auch wenn die Reise noch längst nicht zu Ende ist, gibt es Veränderungen im täglichen Miteinander, die die Mitarbeiter schon jetzt spüren und die zeigen, dass der Weg in die richtige Richtung führt. So haben die Kulturzwiebeln eine Grundlage geschaffen, auf der das Handeln reflektiert werden kann. Diese Reflexion und der Austausch darüber ist inzwischen ein fester Bestandteil der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation geworden. Die Kommunikation hat sich über alle Ebenen hinweg verbessert, Themen werden klarer und wertschätzender angesprochen und dies macht es leichter, auch darüber zu sprechen, wenn etwas nicht gut gelaufen ist. Die Workshops zum Thema Offene Kommunikation haben nicht nur Wissen, sondern auch Vertrauen untereinander aufgebaut, sodass die Mitarbeiter gestärkt aus den Workshops Abbildung 4: Das Kernteam des Werte- und Kulturentwicklungsprojektes der GPM (Copyright: GPM) PM_aktuell_01_2020.indb 17 PM_aktuell_01_2020.indb 17 20.02.2020 10: 37: 52 20.02.2020 10: 37: 52 Reportage | Keine Scheu vorm Zwiebelschälen 18 DOI 10.2357/ PM-2020-0003 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 herausgegangen sind. Feedback ehrlich und aktiv zu geben und einzufordern ist im Alltag nun stärker ausgeprägt. Der Wert Ganzheitliches Denken wird intensiver gelebt. Es ist klar geworden, dass die richtige Kultur und gemeinsame Einstellungen auch dann wirken, wenn manche Strukturen noch unklar sind. Denn Kultur kann Strukturen beeinflussen. Um ein Beispiel zum potenziell limitierenden Wert Informationszurückhaltung zu nennen: Es müssen nicht gleich spezielle Tools eingekauft werden, die die Kommunikation erleichtern könnten, sondern es ist der wichtigere, erste Schritt, sich damit zu beschäftigen, welche Qualität von Information benötigt wird. Fazit: Die Arbeit an der Kultur hört nie auf Ein Kulturentwicklungsprojekt bedeutet für alle Beteiligten permanentes Lernen. Kritischer Erfolgsfaktor ist eine Organisation, die bereit ist, sich auf den Veränderungsprozess einzulassen. Dies bedingt, dass der Auftraggeber sein Commitment nicht nur ausspricht, sondern auch mit seinem Handeln zeigt- - so wie Prof. Klausing, der bis vor kurzem als einziges Präsidiumsmitglied alleiniger Auftraggeber des Projektes war. Und schließlich braucht es Unterstützung, um den richtigen Rahmen für dieses Projekt zu schaffen und die methodischen Herausforderungen anzunehmen. Bei der GPM ist dies Aufgabe des PMOs. In diesem Werte-Projekt haben sich alle Mitarbeiter zusammen ein bisschen „gehäutet“, haben (Zwiebel-)Schichten durchdrungen und sind zum Kern der Kultur vorgestoßen. Doch die nötige Veränderungsbereitschaft hierfür lässt sich nicht erzwingen. Es gilt, sich ständig mit Menschen auseinanderzusetzen und sie persönlich zu erreichen. Selbst wenn die Führung Werte vorlebt, bedeutet dies nicht, dass sich die Mitarbeiter auch ändern-- und andersherum. Jeder muss bei sich selbst anfangen, unabhängig von anderen. Den Rahmen und die Anleitung dazu gibt das Kernteam mit viel Beharrlichkeit, Überzeugung und Optimismus-- trotz anfänglicher Rückschläge, bei denen es jedes Mal hieß: nachkorrigieren, neue Aspekte einbeziehen, nach einem gemeinsamen Verständnis suchen-- und weitermachen. Eingangsabbildung: Die Zwiebel als Metapher für die „Schichten“ der Kulturentwicklung ©pixabay.com/ Shutterbug75 Die AutorInnen Die Mitarbeiter Julia Branske, Clemens Hartmann und Verena Martin bilden gemeinsam die Projektleitung des Werte- und Kulturentwicklungsprojektes der GPM. Julia Branske, oben links-- Mitarbeiterin im Präsidialbüro Clemens Hartmann, oben rechts- - Mitgliederbetreuung korporative Mitglieder Verena Martin, unten links-- Online Marketing und Social Media Etelka Wenzel, unten rechts- - Leitung Projektmanagement Office Level A-zertifiziert nach dem internationalen IPMA-Standard (Projektdirektor). Sie verantwortet das Projektportfolio der GPM und bringt dabei mehr als 20 Jahre Erfahrung im Projektgeschäft ein. Kontakt: gpmwerte@gpm-ipma.de ... hilft beim Handeln und Gestalten im Personalmanagement. G. Schanz | S. Strack Personalmanagement im Mittelstand uvk.de Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 18 PM_aktuell_01_2020.indb 18 20.02.2020 10: 37: 55 20.02.2020 10: 37: 55 19 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 Aus Sicht der Praxis Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement Welche Erkenntnisse liefert unsere Umfrage? | Den folgenden Beiträgen liegt eine Umfrage mit einem standardisierten Interview zugrunde, das schriftlich von unseren Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern beantwortet wurde. Der Anspruch unserer Umfrage besteht nicht darin, wissenschaftlich gehaltvolle oder gar generalisierbare Aussagen zu gewinnen, vielmehr wollen wir unseren Lesern mit dieser Umfrage Momentaufnahmen, persönliche Einschätzungen, Erfahrungen und Meinungen von Fachleuten verfügbar machen, die seit Jahren in der Praxis stehen und die Themen Kompetenzen, Qualifizierungen sowie Karriere aus ihrer Perspektive heraus gut beurteilen können. Unsere Umfrageergebnisse sollten nicht verallgemeinert oder zu einem Trend verdichtet werden. Unsere Umfrage, eher als Blitzlicht gestaltet, soll Inspiration und vielleicht sogar die Grundlage für die Entwicklung eigener Ideen sein, eventuell auch Bestätigungen für die eigene Vorgehensweise liefern, in jedem Fall aber zum Nachdenken und zur Diskussion anregen-- darin liegt ihr Vorteil und Nutzen. Kompetenzen für Projektmanager Agiles Projektmanagement fordert neue Kompetenzen. Neben den klassischen Kompetenzen des Projektleiters- - etwa Analysefähigkeit, souveräner Umgang mit Konflikten oder Lösungsorientierung-- werden diese agilen Kompetenzen immer wichtiger. Dazu gehören beispielsweise die starke Orientierung am Kunden-Nutzen oder psychosoziales Wissen über Individuen und soziale Systeme. Diese Erkenntnisse ergeben sich aus unserer Umfrage unter fünf Fachleuten aus Personalentwicklung und Qualifizierung. Demnach spielen allgemeine „Metakompetenzen“ eine immer wichtigere Rolle. Dazu gehören etwa die Fähigkeit, Unsicherheiten auszuhalten, sowie der Mut, neue Dinge auszuprobieren und Scheitern zu akzeptieren. Unsere Fachleute erläutern, welche Kompetenzen Projektmanager ihrer Meinung nach heute haben sollten- - und beziehen Stellung zu der Frage, in welchem Verhältnis klassische PM-Kompetenzen zu agilen PM-Kompetenzen stehen. Auch über die Kompetenzen von Berufseinsteigern oder Hochschulabsolventen für den Beruf Projektmanager geben sie Auskunft. Welche Projektmanager-Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht erforderlich? Elke Wörner (Deutsche Bahn AG): Als Kompetenzen sehe ich: Flexibilität sowie die Fähigkeit, Unsicherheiten aushalten zu können, sowie den Mut, neue Dinge auszuprobieren, Scheitern zu akzeptieren. Wichtig sind auch eine stärkere Orientierung am Kunden-Nutzen, der Ergebnisorientierung und Teamfähigkeit . Bei Berufseinsteigern oder Hochschulabsolventen sind wünschenswert: ein Grundverständnis des Projektmanagements sowie erste projekthafte Arbeiten. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Neben den methodischen und fachlichen Kompetenzen halten wir insbesondere Flexibilität, Kreativität, Analysefähigkeit, Kundenorientierung, Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit für relevant. Gudrun Feyerabend (Akademie im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Die Gelassenheit im Umgang mit Unklarheiten (Ambiguitätstoleranz) ist inzwischen eine Kerntugend und nicht nur eine Floskel. Psychosoziales Wissen: wie ticken Individuen und soziale Systeme, wie lassen sie sich positiv beeinflussen. Und dann Demut, Respekt, auch gute Manieren. Somit kann man sich Reportage Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0004 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 19 PM_aktuell_01_2020.indb 19 20.02.2020 10: 37: 57 20.02.2020 10: 37: 57 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 20 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 nur auf eine rein methodisch ausgerichtete Qualifizierung nicht mehr verlassen. Alice Dempel (Integrata Cegos): Geforderte Kompetenzen für Projektmanager und Mitarbeiter aus unserer Sicht sind: Methodenkompetenz, agile Vorgehensweisen, Offenheit für Veränderungen, Freude an der Teamarbeit und gleichzeitig ein hoher Grad an Selbstorganisation, Akzeptanz von Diversität im Team als Bereicherung, ausgeprägte Werte-, Kunden- und Teammitgliederorientierung, positive Fehlerkultur und Orientierung an kontinuierlicher Verbesserung, Durchhaltevermögen, hohe Produktivität und Lösungskompetenz auch in schwierigen Situationen, transparente Kommunikation, ständige Bereitschaft zur Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. Projektmanager brauchen zusätzlich die Fähigkeit zum Dialog auf Augenhöhe mit Auftraggebern und Führungskräften. Welche Projektmanagementkompetenzen sollten Berufseinsteiger oder Hochschulabsolventen aus Ihrer Sicht heute mitbringen? Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Sehr hilfreich ist das Wissen über grundlegende Begriffe und Prozesse im Rahmen von Produktentwicklung und Projektmanagement. Besonders wichtig ist außerdem die Fähigkeit sich selbst zu organisieren. Wir würden uns auch wünschen, dass Berufseinsteiger und vor allem Hochschulabsolventen eine gewisse Demut in die ersten Projekte mitbringen; Theorie und Praxis sind ab und zu zwei verschiedene Dinge. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Bei Berufseinsteigern oder Hochschulabsolventen sind Grundlagenkenntnisse im Projektmanagement von Vorteil. Unternehmensspezifika können gut auf dem Basiswissen aufbauen. Welche Rollen spielen in der Ausbildung das „klassische“ und das agile Projektmanagement? Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Wir sehen ganz allgemein derzeit zwei bestehende Wege in der Projektmanagement-Ausbildung. Zum einen die klassische Ausbildung nach IPMA oder PMI und dazu eine agile Zusatzausbildung als SCRUM Master oder Product Owner. Die Alternative ist eine rein agile Ausbildung. In diesem Fall besteht dann häufig gar kein Interesse mehr an einer klassischen Zusatzausbildung. Inwiefern dies zu besseren Projektergebnissen oder Produkten führt, wird die Zukunft zeigen. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Beides hat seine Berechtigung, da das vielfältige Projektportfolio in unserem Unternehmen die ganze Bandbreite klassisch, hybrid und agil braucht. Gudrun Feyerabend (Akademie im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Das Gewicht liegt immer noch tendenziell bei den „klassischen“ Ansätzen. Das ist sozusagen das Pflichtprogramm; agile Ansätze laufen im Kür-Programm. Mein Eindruck ist: Teilnehmer mit einer soliden Grundausbildung in den klassischen Ansätzen erlernen die agilen Methoden „on the job“. Sie schauen sich vieles von Kollegen ab oder lesen sich die Ansätze an. Einigkeit besteht darüber, dass es hilfreich ist, die gesamte methodische Klaviatur-- also klassisch und agil-- zu beherrschen, um sie kontextbezogen einzusetzen. Darum finden Sie beim Bildungswerk nur Angebote, die beide Ansätze vermitteln. Wir legen Wert darauf, diese Kompetenzen zu entwickeln; so können Projektmanager situativ entscheiden, welches Vorgehen für die Aufgabenstellung sinnvoll ist. So funktioniert heute die Ausbildung im Projektmanagement Es bleibt immer weniger Zeit, Projektmanager auszubilden. Deshalb ziehen Unternehmen und andere Organisationen alle didaktischen Register bei der Qualifizierung. Wir haben fünf Fachleute aus Personalentwicklung und Qualifizierung befragt-- und sie geben Einblick in ihre Praxis. Demnach ergänzen digitale Elemente den klassischen Präsenzlehrgang. „PM Werkstätten“ werden gegründet, um Themen wie Agilität, Fehlerkultur und Führungsverständnis tiefgreifend zu verankern. Coaching sowie modulares, arbeitsplatznahes Lernen sind offenbar verbreitet. Wie die Fachleute die Ausbildung sehen: effizient, nachhaltig und digital-- dazu geben sie Einschätzungen, Erfahrungen und Praxishinweise. Wie organisieren Sie die Ausbildung effizient und wirksam? Elke Wörner (Deutsche Bahn AG): Bei allen Seminaren sind der Praxisbezug und der Transfer in das eigene Arbeitsleben die wichtigsten Elemente. Häufig wird mit eigenen Projekten der Teilnehmer gearbeitet. Trainer agieren eher als Lernbegleiter, die die Teilnehmer auf ihrem Weg zu selbstorganisiertem Lernen begleiten. Die Teilnehmer sind stärker in den eigenen Lernprozess eingebunden und profitieren vom Wissen untereinander. Für den Praxistransfer bieten wir im Nachgang zu einigen Seminaren Coaching-Einheiten an. Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Die Trainings haben wir in den letzten Jahren in kleinere Module umgebaut, die sich die Projektleiter aufbauend auf das Grundlagentraining selbst zusammenstellen können. Bei der Vermittlung agiler Kompetenzen und dem agilen Mindset kommen ganz Linda Kolb SWM Stadtwerke München, Personalentwicklerin Elke Wörner Deutsche Bahn AG, Senior Produkt-/ Projektmanagerin bei DB Training, Learning & Consulting PM_aktuell_01_2020.indb 20 PM_aktuell_01_2020.indb 20 20.02.2020 10: 37: 58 20.02.2020 10: 37: 58 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 21 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 neue, auch spielerische Elemente zum Einsatz. Ein wichtiges Element in der klassischen PM Ausbildung ist die Bearbeitung realer Projekte, mit denen sich die Teilnehmer auch identifizieren können. Beispielsweise ist unser Einstiegstraining „PM Methoden“ auf zwei Tage plus ein Tag Follow-up aufgeteilt. Wenige Wochen nach dem Training steht der Trainer der Teilnehmergruppe zur Vertiefung, Reflexion und zum gegenseitigen Austausch zur Verfügung. Die weiterführenden Trainings-- klassisch oder agil-- sind vom zeitlichen Umfang her gut in den Projektalltag integrierbar. Zum Beispiel haben wir für die Zielgruppe Projektleiter ein neues Format etabliert: die PM Werkstatt. Sie ermöglicht den Projektleitern, Projektmanagement aus unterschiedlichen Blickwinkel zu betrachten und zu diskutieren. Das sind beispielsweise Themen wie Agilität, Fehlerkultur oder Führungsverständnis. Methodisch variieren wir die Veranstaltung. So versuchen wir, die Ideenvielfalt, den Wissensaustausch, die Inspiration und Vernetzung zu fördern. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Wir erklären keine Begriffe und Methoden. Wir reflektieren in den Qualifizierungen die Wirksamkeit in der Anwendung. Wie ein Gantt Chart aufgebaut wird-- dies kann man sich selbst anlesen, notfalls im Training googeln. Das gleiche gilt für Kanban, Scrum und Ähnliches. Die Krux liegt ja in der Anwendung. Genau das wird besprochen und ausprobiert. Deshalb haben die meisten Trainings einen Workshop-Charakter mit starken Anteilen an kollegialer Beratung. Dies erhöht die Sicherheit in der Anwendung. Alice Dempel (Integrata Cegos): Wir bieten neben reinen Präsenztrainings unter anderem Blended-Trainings. Das sind Präsenztrainings, die um digitale Elemente erweitert sind. Sie ermöglichen vor, während und nach dem Training eine besonders hohe und nachhaltige Transfersicherung in das Arbeitsumfeld der Teilnehmer. Auch haben wir personalisierbare, rein digitale Lernpfade mit „human interaction“. Beispiele dafür sind Themen wie Führung im Projektmanagement, effektive Teams und Zusammenarbeit. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): In unserem Bereich bilden wir klassische Projektleitungen sowie agile Scrum Master und Product Owner gemeinsam aus. Alle bekommen in den ersten Jahren beide Ausbildungen angeboten. Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis maximal zu fördern, indem miteinander gelernt und gearbeitet wird. In den Projekten arbeiten immer Tandems zusammen, je eine klassische Projektleitung in Kombination mit einer agilen Produktentwicklung. Wir leben hybrides Arbeiten. Wir teilen sogar die Führung, um möglichst viele Facetten abzubilden. So leiten wir gemeinsam und gleichberechtigt das Digitale Labor. Diese Konstellation und dieses Konzept sind für uns das Vorbild für klassisches und agiles Arbeiten in Projekten; wir führen das Beste aus beiden Welten zusammen. Der Praxistransfer wird bei uns dadurch gefördert, dass alle Mitarbeitenden in jeder Rolle die jeweiligen Ideen, Vorschläge und Wissen ausprobieren dürfen. Wir halten nur am äußeren Rahmen und unseren Leitplanken fest. Innerhalb dieses großen Spielraums können sich alle verwirklichen. Feedback-Runden, gemeinsame Events und Retrospektiven sind für alle Projekte und Linientätigkeiten obligatorisch. Welche Chancen bringt die Digitalisierung der Weiterbildung für die Projektmanagement- Ausbildung? Elke Wörner (Deutsche Bahn AG): Die Digitalisierung bietet die Chance, dass wir bestehende Formate durch Anteile von E-Learning anreichern können. Damit sorgen wir für einen nachhaltigeren Lernerfolg. Wir rechnen damit, dass zukünftig die Nachfrage insbesondere nach arbeitsplatznahem Lernen- - Performance Support- - steigt. Aktuell machen wir die Erfahrung, dass Präsenztraining von Teilnehmern nach wie vor bevorzugt wird. Der Austausch und das Netzwerken sind hier ein großer Pluspunkt für die Teilnehmer. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Die Wissensvermittlung kann stärker individualisiert werden; dies spart Zeit und Frust. Die Eigenverantwortung der Lernenden kann tatsächlich respektiert werden. Jeder eignet sich im eigenen Rhythmus das Hintergrundwissen zu Methoden und Vorgehen an. Und damit gewinnen wir Zeit und Energie für die schwierigen Hürden auf dem Weg zum Können: etwa Sicherheit in den Entscheidungen, welche Ansätze gerade sinnvoll sind und wie sie in konkreten Fallbeispielen angewendet werden. Oder wie man für psychosoziale Stabilität sorgen kann und wie Stakeholder wirksam werden. Alice Dempel (Integrata Cegos): Wir haben beispielsweise Triggervideos als Teaser für ein Thema, Wissenstests, Erwartungsabfragen, Webinare und Videos. Zudem setzen wir etwa auf Fachartikel, E-Books oder interaktive Kurzzusammenfassungen. Fokusmodule stellen einzelne Methoden vor und ermöglichen interaktives Einüben in Gesprächssimulationen. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Den einen oder anderen Ausbildungsinhalt kann man sicher digital oder mit E-Learning abbilden. Auch Prüfungen sind sicher anders und effizienter gestaltbar. Ganz allgemein bin ich aber ein Verfechter von „klassischer Weiterbildung“. Dazu gehört der persönliche Austausch, das praktische und händische Üben von Methoden und die Nutzung aller Sinne. Qualifizierung im agilen Projektmanagement Agiles Projektmanagement ist ein wichtiger Trend-- doch kein Ersatz für klassisches Projektmanagement. Dies gilt auch für Qualifizierung; klassisches und agiles Projektmanagement werden miteinander verzahnt. Über solche Ansätze berichten vier Fachleute aus Personalentwicklung und Qualifizierung. Wir wollten mehr über die Herausforderungen wissen, die mit der Qualifizierung von Personal für agiles Projektmanagement verbunden sind. Eine Erkenntnis: Bei der Ausbildung für Gudrun Feyerabend Akademie im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V., Beratung Unternehmenskunden PM_aktuell_01_2020.indb 21 PM_aktuell_01_2020.indb 21 20.02.2020 10: 37: 59 20.02.2020 10: 37: 59 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 22 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 Rollen im agilen Projektmanagement geht es nicht um Methoden, sondern um eine Veränderung des Mindsets. Welche Herausforderungen bringt derzeit die Qualifizierung von Personal für agiles Projektmanagement mit sich? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Agil ist in aller Munde. Dies befeuert die Nachfrage. Das heißt: Das Trainingsangebot musste sich zügig bedarfsorientiert anpassen, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Wichtig dabei ist, die Heterogenität unseres Unternehmens nicht aus den Augen zu verlieren. Agil ausbilden, ja- - aber ohne die klassischen Methoden zu vernachlässigen. Es geht darum, das Bewusstsein zu schaffen, welche Methoden in welchem Kontext zielführend sind. Eine Vorbedingung ist: Jeder einzelne erkennt, wie weit das für agiles Arbeiten notwendige Mindset- - etwa die Ausrichtung am Kunden, Transparenz, Vertrauen- - ausgeprägt ist im jeweiligen Unternehmens- und Wirkungsbereich. Die Qualifizierung für agiles Projektmanagement ist ein Mosaiksteinchen in einem größeren kulturellen Transformationsprozess. Dies bedeutet unter anderem für die Führungskräfte, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Qualifizierungsbedarf zu ermitteln und ein zielorientiertes, in den Projektalltag integrierbares Trainingspaket zu schnüren. Alice Dempel (Integrata Cegos): Die Beratungsintensität ist hoch angesichts unterschiedlicher Voraussetzungen und Ziele der Teilnehmer. Hinzu kommt die fast zu große Angebotsvielfalt, vor allem bei den Zertifizierungsoptionen. Besonders im Zusammenhang mit Zertifizierungen gibt es einen teilweise sehr hohen wirtschaftlichen und administrativen Aufwand in der obligatorischen Zusammenarbeit mit Akkreditierungs- und Zertifizierungsorganisationen. Da geht es auch um enge und aufwendige Vorgaben durch Monopolsituation von diesen Organisationen. Und: Bei aktuell besonders gefragten Themen besteht ein Trainerengpass. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Die uns bekannten Qualifizierungen im agilen Bereich sind maximal theoretisch. Selbst die Trainer und Coaches, so vorhanden, haben häufig auch keine langjährigen Erfahrungen in agiler Methodik. Dies stellt das Personal daher vor Herausforderungen, das theoretische Wissen in der Praxis effizient einzusetzen. Zudem können heute die wenigsten aufgrund ihrer bisherigen praktischen Erfahrung im agilen Projektmanagement ihr Handeln bewerten und optimieren. Welche Erwartungen richten angehende agile Projektmanager an die Qualifizierung? Welche Erwartungen haben Mitarbeiter mit einer agilen Rolle im Projektmanagement sowie die Arbeitgeber? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Im Projektgeschäft ist die Zeit immer knapp. Das Trainingsangebot muss dies berücksichtigen. Sinnvoll ist ein modularer Ansatz mit regelmäßigen Trainingsterminen und der Möglichkeit, sich sein Ausbildungspaket individuell zusammenzustellen. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Es geht häufig nicht mehr-- oder nicht nur-- um die Vermittlung von Grundwissen in agilen Methoden. Es geht vor allem um Kompetenzen, die kulturprägend wirken und das „agile Mindset“ fördern sollen. Beispielsweise: Wie fördere ich die Übernahme von Verantwortung? Wie sorge ich für Verbindlichkeit? Wie organisiere ich Dialog und Diskussion? Wie laufen Entscheidungsprozesse jenseits von Hierarchie? Wie beeinflusse ich die Projektdynamik? Alice Dempel (Integrata Cegos): Die Erwartungen sind vergleichbar mit denen bei anderen Qualifizierungen. Es geht also um Vermittlung von Wissen (state of the art) in kurzer Zeit, so kostengünstig wie möglich, individuell bedarfsgerecht, direkt und möglichst messbar und umsetzbar in der täglichen Arbeitspraxis und um wertvolle Tipps und Tricks aus der Erfahrung der Trainer sowie Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmern. Welche Bedeutung hat das unternehmerische Denken im Projektmanagement? Wie kann man diese Haltung fördern? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Wichtig ist, mehr Kompetenzen einschließlich konkreter Handlungsvollmachten auf die Projektleiter zu übertragen. Das unternehmerische Verantwortungsgefühl wird zudem unterstützt durch Wertschätzung und Sichtbarkeit der Leistung sowie durch die Vernetzung innerhalb des Konzerns. Gudrun Feyerabend- (Akademie im Bildungswerk der- Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V.): Das unternehmerische Handeln hat eigentlich die gleiche Bedeutung wie bisher: Ein Projektleiter, der die unternehmerischen Ziele nicht kennt und seine Maßnahmen nicht darauf ausrichtet, scheiterte meist auch bisher. Die agilen Ansätze setzen jedoch unternehmerisches Verhalten bei allen Projektbeteiligten voraus, da die Verantwortung mitdelegiert wird. Und somit braucht man viel Transparenz- - als Basis für das Mitdenken. Alice Dempel (Integrata Cegos): Bei Inhouse-Qualifizierungen kann die Haltung des Projektmanagers als Unternehmer zusätzlich gefördert werden, indem beispielsweise ein Mitglied der Geschäftsführung in das Training integriert wird. Das stellt die Awareness des Projekts für das Unternehmen klar und verdeutlicht die Auswirkungen bei Missachtung unternehmerischer Grundsätze. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Die Bedeutung unternehmerischen Handelns nimmt auch bei der öffentlichen Hand zu. Es reicht heutzutage nicht mehr aus „in scope“, „in time“ und „in budget“ zu sein. Vielmehr muss sich der öffentliche Dienst als Unternehmen gegen die Konkurrenz aus der privaten Wirtschaft beweisen. Die Freie und Hansestadt Hamburg sowie der Landesbetrieb „Straßen, Brücken und Gewässer“ haben dabei die Weichen gestellt. Neben dem Verständnis, ein Kon- Alice Dempel Integrata Cegos, Produktmanagerin PM_aktuell_01_2020.indb 22 PM_aktuell_01_2020.indb 22 20.02.2020 10: 37: 59 20.02.2020 10: 37: 59 Reportage | Kompetenzen, Qualifikation und Karriere im Projektmanagement 23 projektManagement aktuell · 31. Jahrgang · 01/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0004 zern mit entsprechender Buchführung zu sein, wurde auch der IPMA Standard verpflichtend für alle IT-Projekte eingeführt. Für alle anderen Projekte gilt die verstärkte Empfehlung, diesen Standard zu nutzen. Seit diesem Jahr ist auch die agile Methode für Produktentwicklung zugelassen und für Soft- und Hardwareentwicklung vorgesehen. Diese Haltung wird gefördert durch Prozessvorgaben; in Hamburg ist dies sogar eine Verwaltungsvorschrift! Hinzu kommt das Einsetzen unter anderem von Chief Digital Officers (CDOs), die für die Planung und Steuerung der Digitalen Transformation verantwortlich sind. Die Prozesse und Rollen haben unter anderem das Ziel, diese unternehmerische Haltung zu fördern. Karriere im Projektmanagement Eigene Karrierepfade für Projektmanager sind wünschenswert. Wer sie etablieren will, hat aber möglicherweise mit Hindernissen zu kämpfen, etwa hartnäckigen Strukturen, rechtlichen Einschränkungen oder einer gewachsenen Kultur. Dies zeigt sich an den Statements von drei Fachleuten, die wir zu Karriereoptionen und Erwartungen von Projektmanagern befragt haben. Auch wollten wir wissen, wie Unternehmen und andere Organisationen die Karriere für Projektmanager attraktiv machen. Für den PM-Nachwuchs aus der Generation Y zählen beispielsweise Gestaltungsspielraum und Work-Life- Balance. Wie machen Sie die Karriere im Projektmanagement attraktiv-- im Vergleich etwa zur Linienkarriere? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Im Rahmen unseres Talentmanagements ist geplant, neben der Förderung von Führungskarrieren gleichwertige Projektrollen und Expertenrollen zu etablieren. Daran gekoppelt sein werden entsprechende Entwicklungsmaßnahmen sowie entsprechende Projekterfahrung. Marina Zöfeld und René Binnewerg (Freie und Hansestadt Hamburg): Da im öffentlichen Dienst durch den gültigen Tarifvertrag die Gestaltung eines Arbeitsplatzes im organisatorischen und finanziellen Sinne sehr eingeschränkt ist, gibt es für uns drei erfolgsversprechende Ansätze. Wichtigstes Kriterium sind sinnstiftende Projekte mit Auswirkung auf und Relevanz für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Infrastruktur, in unserem Fall in der Stadt Hamburg. Zweitwichtigstes Attraktivitätsargument ist die Möglichkeit, in innovativen und flexiblen Teams zu arbeiten und selbst viel Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Und drittens sind natürlich die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterbildung und Entwicklung im Projektmanagement teilweise besser als in der Linie. Welche Hindernisse gibt es für die Verbesserung der Karrierepfade für Projektmanager oder Mitarbeiter mit einer agilen Projektmanagementrolle? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Hinderlich dürfte das Loslösen von Linienaufgaben und Herauslösen aus hierarchischen Strukturen sein. Die über viele Jahrzehnte gewachsene Kultur und Struktur von Unternehmen fokussiert auf Führungskarrieren. Sie tut sich noch schwer mit den Rahmenbedingungen, die agiles Projektmanagement braucht. Alice Dempel (Integrata Cegos): Im Unternehmen gibt es eine eigene Abteilung „MTS (Managed Training Services) + International Projects“ direkt unterhalb der Geschäftsführung, die für die Abwicklung von Kundenprojekten zuständig ist. Innerhalb dieser Abteilung sind verschiedene Karriereoptionen möglich. Welche Rolle spielen die besonderen Erwartungen der „Generation Y“ hinsichtlich der Gestaltung von Projektmanagementkarrieren? Linda Kolb (SWM Stadtwerke München): Diese Generation zeichnet ein stärkerer Wunsch nach Flexibilität, Gestaltungsspielraum und Durchlässigkeit von Karrierepfaden aus. Beispielsweise könnte ein temporärer Wechsel der Rollen in (agilen) Projekten interessant sein-- oder der Wechsel in eine fachliche Führung auf Zeit, etwa vom SCRUM Master zum Product Owner. Alice Dempel (Integrata Cegos): Wenn man den durchaus unterschiedlichen Charakterisierungen der „Generation -Y“ Glauben schenkt, ist eines ihrer hervorstechenden Merkmale die Ausrichtung auf eine Work-Life-Balance. Bezogen auf Projektmanagement heißt das: „Generation Y“-Mitglieder sind aufgrund ihres meist hohen Bildungsabschlusses und ihrer Erfahrung im Umgang mit unsicheren Lebenssituationen ideal geeignet für eine Projektmanagementkarriere. Sie bringen sich dort aktiv ein und erwarten eine entsprechende Honorierung. Ein Unternehmen, das die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch klare Regelungen ermöglicht und tatsächlich umsetzt, hat einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil, wenn es darum geht, Personen der „Generation Y“ für seine Karriereoptionen im Bereich Projektmanagement zu gewinnen und an sich zu binden. Eingangsabbildung: © iStock.com/ piranka Marina Zöfeld und René Binnewerg Freie und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, Programmleitung Georeferenzierte Projekte (GeoPro) PM_aktuell_01_2020.indb 23 PM_aktuell_01_2020.indb 23 20.02.2020 10: 37: 59 20.02.2020 10: 37: 59 Wenn die Projekte komplexer werden, muss die Software einfacher werden. Webbasierte Cloud-Software aus Deutschland: / / awork.io 10 % Rabatt auf awork Enterprise: * P R O F I - R A B A T T * Hybrides Projektmanagement • klassische Projektplanung • agile Kanban-Boards • visuelle Teamplanung DSGVO-konform • entwickelt & gehosted in DE • ISO 27001 Zertifizierung Einfache Integrationen • von Rechnungs-Tools • von Ticketing-Software • offene REST-API Zeiterfassung • per Stoppuhr • über die mobile App Digitale Teamarbeit • einfache Kommunikation • transparente Zuständigkeiten • mit Externen kollaborieren Modernes Design • ansprechendes Interface • intuitive Bedienung für das Team PM_aktuell_01_2020.indb 24 PM_aktuell_01_2020.indb 24 20.02.2020 10: 38: 00 20.02.2020 10: 38: 00 25 DOI 10.2357/ PM-2020-0005 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Ein Erfahrungsbericht Die ersten Jahre im Projektmanagement Annkatrin Stork Für eilige Leser | Als mich mein ehemaliger Professor, heute Chefredakteur der PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL, fragte, ob ich einen Artikel zu meinen Erfahrungen im Projektmanagement schreiben möchte, konnte ich natürlich nicht ablehnen. Eine schöne Gelegenheit, die letzten zwei Jahre Revue passieren zu lassen. Dabei habe ich mich mit einigen Fragen auseinandergesetzt: Welche Erwartungen hatte ich bei meinem Einstieg ins Projektmanagement? Wurden diese erfüllt? Stehe ich nach zwei Jahren da, wo ich dachte, dass ich stehen würde? Welchen Herausforderungen und Ängsten musste ich mich stellen? Wie gut hat mich meine Ausbildung im Rückblick auf die Praxis im Projektmanagement vorbereitet? Wie stelle ich mir meinen weiteren Weg im Projektmanagement vor? Meine Gedanken zu diesen Fragen möchte ich im Folgenden gerne mit Ihnen teilen. Startpunkt meiner Karriere im Projektmanagement und inzwischen sicherlich ein Meilenstein in meinem Leben ist die TEAMWILLE GmbH in München, bei der ich auch weiterhin tätig bin. Das Beratungsunternehmen für Projektmanagement ist sowohl im klassischen Projektmanagement als auch im agilen Bereich tätig, bietet Trainings in eben diesen Bereichen an und begleitet Unternehmen in Veränderungsprojekten. Ich würde meinen Start im Projektmanagement als etwas holprig bezeichnen. Rückblickend kann ich ihn mit dem Wechsel von der weiterführenden Schule zum Studium vergleichen: Ich war zwar mit grundlegendem Wissen ausgestattet, fühlte mich aber nun wieder wie im ersten Semester, in dem es darum ging, mich in einer neuen Welt zurechtzufinden und meine bisherigen Kenntnisse in einem neuen Kontext anzuwenden. Wie bin ich generell zum Thema Projektmanagement gekommen? Ganz einfach: Projektmanagement begleitete mich ab dem vierten Semester und ließ mich fortan nicht mehr los. Verschiedene Projektmanagement-Vorlesungen, Hochschulprojekte sowie die Erlangung des Basiszertifikats (GPM) weckten mein Interesse. So entschied ich mich ganz bewusst für einen entsprechenden Einstieg. Während vor nunmehr ein paar Jahren der Fokus der Vorlesungen eindeutig auf dem planorientierten Projektmanagement lag, sieht meine Praxis heute etwas anders aus. Aber beginnen wir am Anfang. Glücklicherweise musste ich nach meinem Gesundheits- und Tourismusmanagement-Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen nicht lange nach einem Job suchen. Das Gute am Projektmanagement ist, dass es sich nicht auf eine Branche konzentriert, sondern viele verschiedene Möglichkeiten in den unterschiedlichsten Branchen und Unternehmen bietet. So sind meines Erachtens die Chancen auf Arbeit im Projektmanagement für Absolventen oder auch Quereinsteiger sehr hoch. Viele Unternehmen, wie auch TEAMWILLE, schätzen diverse Hintergründe sogar sehr, da jedes Projekt und auch Projektumfeld anders ist, sodass eine hohe Mischung an Kompetenzen, gerade für Beratungsunternehmen, von Vorteil sein kann. Ich hatte also die Möglichkeit, mein in der Theorie erlerntes Wissen ziemlich schnell in der Praxis anzuwenden-- zumindest dachte ich das. Mein erstes Projekt begleitete ich in der Rolle des Project Management Office und ich war zunächst damit beschäftigt, mich in der neuen Welt zurecht zu finden. Die Aufgaben eines Project Management Office waren mir zu diesem Zeitpunkt nicht vertraut. Aber das änderte sich bald, denn zu meiner Erleichterung hatte ich einen Kollegen an die Seite gestellt bekommen, der mich einarbeitete und bei allen Fragen unterstützte. Nach der Eingewöhnungszeit fand ich mich gut zurecht. Die Aufgaben und das Projekt nahmen eine gewisse Schärfe an und die Transferleistungen von der Theorie in die Praxis fielen mir immer leichter. Täglich begegneten mir neue Dinge, die mir die Möglichkeit boten, mich auszuprobieren. Bereits nach wenigen Wochen begegnete mir das Stichwort „LeSS“. Im Projekt wurden Überlegungen angestellt, wie agile Elemente ins Projekt integriert werden könnten. Aus dem Reportage Die ersten Jahre im Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0005 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 25 PM_aktuell_01_2020.indb 25 20.02.2020 10: 38: 02 20.02.2020 10: 38: 02 Reportage | Die ersten Jahre im Projektmanagement 26 DOI 10.2357/ PM-2020-0005 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Studium war mir LeSS kein Begriff. Ich hatte es einmal gelesen, weil ich mich im Rahmen meiner Bachelor-Thesis mit Scrum beschäftigt habe und dabei auch auf LeSS gestoßen bin. Großartig damit beschäftigt hatte ich mich bis dahin nicht. Worauf will ich hinaus? Nicht einmal drei Monate nach meinem Einstieg in das klassische Projektmanagement, auf das mich mein Studium gut vorbereitet hatte, war die agile Komponente in dem Projekt, das ich unterstützte, relevant geworden. Also versuchte ich, als PMO LeSS zu verstehen und Elemente des (skalierten) Frameworks im Projekt zu verankern. Damit hatte ich bei meiner ersten Beauftragung im planorientierten Umfeld wirklich nicht gerechnet. Weitere Herausforderungen waren äußere Gegebenheiten, wie beispielsweise gesetzliche Vorgaben oder Regularien, die das Projekt zwingend einhalten musste. Das sind Beispiele, die die Theorien zwar behandeln, deren praktische Implikationen jedoch schwer vermittelt werden können. Gerade diese Faktoren sind es aber, die die Praxis im Projektmanagement prägen. Eine weitere Dimension, auf die ein Studium nur schwer vorbereiten kann, ist die menschliche Facette des Projektmanagements. An jedem Projekt wirken viele Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, Bedürfnissen und Hintergründen mit. Es entstehen Konfliktsituationen, die in der Theorie nicht vorausgesagt und somit nicht besprochen oder gelehrt werden können. Der Umgang und die Lösung von Konflikten ist der Praxis vorbehalten. Wie gehe ich also vor, wenn sich Kollegin A durch Kollege B in ihrer Arbeit behindert fühlt, Kollege B sich jedoch durch die eigene Unsicherheit von Kollegin A nicht mitgenommen und dadurch nicht als Teil des Teams fühlt? In solch einer Lage wird einem bewusst, dass es noch etwas mehr braucht. Platt gesagt: Es gehört mehr zum Projektmanagement als Termine zu koordinieren, Pläne zu erstellen, Risiken zu analysieren und dies alles in PowerPoint-Folien aufzubereiten. Eine zentrale Erkenntnis meiner ersten praktischen Erfahrungen war, dass der Faktor Mensch im Zentrum des Projektmanagements steht. Das war mitunter ein Grund, warum agile Beauftragungen und insbesondere die Rolle des Agilen Coaches immer spannender für mich wurden und ich mich in diese Richtung weiterentwickeln wollte. Das liegt eventuell auch am Zeitgeist. Schließlich bin ich Teil der Generation Y, in der das Individuum stärker in den Fokus rückt. Es geht darum, sich ausprobieren zu können, bei der Arbeit Sinnstiftung zu erfahren und selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Für vieles davon ist die agile Arbeitsweise anschlussfähig. Hier steht der Mensch als Individuum im Fokus. Dies geht einher mit einem hohen Maß an eigener Verantwortung und Experimentierfreude sowie mit einer offenen Fehlerkultur. Agiles Arbeiten erfordert also eine andere Art des Denkens, eine neue Haltung, die viele klassische Unternehmen so noch nicht verinnerlicht haben. Das eröffnet gerade für jüngere Menschen Chancen, als Agile Coaches Fuß zu fassen, da es hierbei vielfach wichtiger ist, dieses Mindset mit den dazugehörigen Prinzipien der Zusammenarbeit authentisch vertreten zu können als 20 Jahre Berufserfahrung und graue Schläfen vorweisen zu können. BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen Frühbucherrabatt bis 30.04.2020! Kostenloses Info-Webinar 20.04.2020 business-school@tiba.de www.master.jetzt Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 26 PM_aktuell_01_2020.indb 26 20.02.2020 10: 38: 02 20.02.2020 10: 38: 02 Reportage | Die ersten Jahre im Projektmanagement 27 DOI 10.2357/ PM-2020-0005 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 TEAMWILLE kam meinem Wunsch, mich in agilen Beauftragungen verwirklichen zu können, früh entgegen. Ich durfte somit schon einiges an Erfahrung mit agilen Frameworks sammeln- - beispielsweise als Scrum Master in einer Marketingagentur, als Agiler Coach bei einem Automobilhersteller und im Finanzsektor. Dabei konnte ich mir bis heute ein breites Spektrum an Wissen aneignen. Dank unserer internen Ausbildung zum Agile Coach TEAMWILLE (ACT), welche ich erfolgreich absolviert habe, konnte ich die dort vermittelten Ansätze und Methoden direkt in meine Arbeit einfließen lassen und ausprobieren. Ich durfte mittlerweile viele Teams von Anfang an auf ihrem Weg zu neuen Zusammenarbeitsmodellen begleiten. Dies beginnt mit einem agilen Basis Workshop, geht über in das Aufsetzen einer Meetingstruktur und das Begleiten der Teams bei den ersten Schritten dabei. Darüber hinaus spielen Visions- und Werteworkshops eine große Rolle. Ich erinnere mich noch an den ersten Workshop, den ich allein moderiert habe. Er hat in unseren Büroräumen stattgefunden und vor mir saßen 18 Männer, denen ich etwas über Agilität erzählen sollte. Ich hatte diese Art Workshop zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Male gehalten, jedoch war immer ein Kollege oder eine Kollegin dabei gewesen. Ich allein musste nun also Sorge dafür tragen, den entsprechenden Inhalt zu vermitteln, Fragen zu beantworten, auf die Pausen zu achten, die Stimmung im Raum einzufangen, die Gruppe zu leiten, auf die Teilnehmer einzugehen. Ganz schön viel für den Anfang. Ich bekomme heute noch Herzklopfen, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Allerdings habe ich mich ganz bewusst solchen Situationen ausgesetzt und blicke stolz zurück, denn an diesen herausfordernden Aufgaben, von denen es eine Vielzahl gab und die immer wieder aufkommen, bin ich gewachsen und entwickle mich stetig weiter. Inzwischen fühle ich mich in der Rolle des Agilen Coaches sehr wohl. Das Tolle und zugleich manchmal Überfordernde an dieser Rolle ist das enorme Weiterentwicklungspotential. Laufend ergeben sich neue Fragestellungen, da sich Kunde und Markt rasch weiterentwickeln, was zu kontinuierlicher Bewegung bei mir und meiner Umwelt führt. Immer wieder stoße ich an Grenzen, die gleichzeitig neue Wege eröffnen. Es ist ein Zustand permanenter Entwicklung. Und das ist mein Anreiz. Mein Fazit nach zwei Jahren Projektmanagement: Absolventen und Ausbilder würde ich eine klassische Grundausbildung im planorientierten Projektmanagement weiterhin empfehlen. Ich finde es wichtig zu verstehen, wo die meisten Unternehmen herkommen und wie die klassischen Prozesse funktionieren, auch wenn ich mich mittlerweile vorwiegend mit agilen Frameworks befasse. Bei der Integration agiler Elemente in ein klassisches Projekt beispielsweise trägt das Verständnis beider Formen dazu bei, Vergleiche aufzuzeigen Annkatrin Stork Seit drei Jahren lebe ich nun im schönen München und durfte die bayrische Landeshauptstadt kennen und lieben lernen. Mehr über neue Kulturen und die Menschen dahinter zu erfahren empfinde ich als sehr spannend und freue mich, dass ich solche wertvollen Erfahrungen in meinen Berufsalltag integrieren konnte. und Veränderungen deutlicher zu machen. Zudem hilft es dabei, den Kunden zu verstehen und gibt diesem das Gefühl verstanden zu werden. Mein Eindruck ist, dass die rein klassisch-planorientierte Form von Projekten, zumindest im Moment, eher rückläufig ist. Sehr beliebt sind hybride Formen, bei denen die Basis eine planorientierte Organisation des Vorhabens bildet und um agile Elemente ergänzt bzw. erweitert wird. So wird es jedenfalls in den meisten meiner Beauftragungen gelebt. Das Studium hat für mich den Grundstein für Projektmanagement gelegt, alles Weitere kam dann in der Praxis. Ich halte es daher für sinnvoll, die Inhalte des Studiums um agile Frameworks und das agile Mindset zu ergänzen, da es in der heutigen Projektwelt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Selbst wenn ein Projekt rein planorientiert abläuft, gibt es sicherlich einige sinnvolle Denkansätze aus dem agilen Bereich, die auch in Wasserfall-Projekten einen Mehrwert liefern können. Es schadet also nie, beide Seiten zu kennen. Wie überall sollten auch hier Augen und Ohren offengehalten werden, um die Trends, Bedürfnisse und Chancen zu erkennen und mit ihnen wachsen zu können. Stehe ich nach zwei Jahren also dort, wo ich es erwartet hatte? Ich denke nicht. Vor zwei Jahren dachte ich nicht daran, dass ich einmal Workshops durchführen und Teams coachen würde. Aber ich bin froh, dass es so gekommen ist. Ich habe in dieser Zeit viel erlebt, musste häufig über meinen Schatten springen und bin stolz auf das, was ich bisher erreicht habe. Ich möchte mich auch zukünftig in der Rolle des Agilen Coaches weiterentwickeln, mehr spannende Umfelder kennenlernen und so meinen Schatz an Erfahrungen, Tools, Methoden, Branchen und vor allem der unterschiedlichen Zusammenarbeit mit Menschen erweitern. Ich würde mich immer wieder für das Projektmanagement entscheiden, mit allem, was es mit sich bringt. Eingangsabbildung: © Shutterstock.com/ RobertKneschke BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen Frühbucherrabatt bis 30.04.2020! Kostenloses Info-Webinar 20.04.2020 business-school@tiba.de www.master.jetzt PM_aktuell_01_2020.indb 27 PM_aktuell_01_2020.indb 27 20.02.2020 10: 38: 04 20.02.2020 10: 38: 04 28 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Was erwarten Firmen von der Hochschullehre? Projektmanagement-Theorie Karsten Löhr, Arthur Dewiwje Für eilige Leser | Für das duale Studium der DHBW wurde eine Befragung bei den kooperierenden Firmen durchgeführt, um den Bedarf an Studieninhalten für Projektmanagement abzustimmen. Sie werden informiert über die verschiedenen Kompetenzbereiche und über die Prioritäten bei den zu vermittelnden Kompetenzen-- und wie dies in dem Studienmodul Projektmanagement umgesetzt werden kann. Bei Projekten handelt es sich um zielorientierte Unternehmungen. Das bedeutet auch, dass zunächst lediglich eine Zielvorstellung besteht, welche noch mehr oder weniger große Unsicherheiten für deren Verwirklichungen enthält. Daher ergeben sich die zielführenden Überlegungen und Handlungen immer erst im Verlauf eines Projektes aus den jeweils entdeckten Zusammenhängen. Und das führt dazu, dass Projekte nicht zwangsläufig einen berechenbaren Verlauf nehmen, sondern interaktiv geführt bzw. gemanagt werden müssen. Diese Kontingenz von Projekten, d. h. sich erst aus einem entdeckten Zusammenhang zu ergeben, unterscheidet sich grundsätzlich von den exakten Ansätzen in den technischen Disziplinen.[ 1 ] Denn bei letzteren richten sich die Überlegungen und Handlungen verlässlich nach der Übereinstimmung mit den ursächlich bekannten Prinzipien und Theoremen, beispielsweise nach den Newtonschen Kräften der Mechanik, nach den Maxwell-Gleichungen des Elektromagnetismus, nach dem Aufbau der Materie aufgrund des Periodensystems der Elemente oder nach den Axiomen der Mathematik. Eine derartige grundlegende Axiomatik besteht für den Umgang und das Management von Projekten nicht. Die grundsätzliche Unbestimmtheit an Denk- und Handlungsmöglichkeiten beim Projektmanagement führt zu einem Problem bei der Auswahl der zu unterrichtenden Inhalte in der Lehre. Zwar vermag das Berichten von früheren Erfahrungen in der Projektdurchführung sowie die Berücksichtigung von erfolgreichen und fehlgeschlagenen Maßnahmen einige zweckmäßige Kenntnisse vermitteln. Aber dies erfüllt nicht den akademischen Anspruch an ein umfassendes und zuverlässiges theoretisches Gerüst. Denn bei einer Übertragung von solchen Erfahrungen auf andere Fälle sind die Ausnahmen oft zahlreicher als die Übereinstimmungen und somit ist die Anwendbarkeit von Erfahrungen oft gering. Auch das betreute Lernen an einem beispielhaften Studienprojekt bleibt insofern immer nur Stückwerk und kann daher zu sehr unterschiedlichen und mitunter seltsamen Ansichten darüber verleiten, wie Projekte durchzuführen sind. Dabei ist zu beachten, dass mangelnde Kenntnisse in Projektmanagement oft angeführt werden, um das Scheitern von Projekten zu erklären. Um aber die Dimensionen des Projektmanagements in der Tiefe und Breite einigermaßen empirisch zu erfassen, wäre eine Lehre erforderlich, die den Rahmen jedes Studiums sprengen würde. Somit ist es notwendig, sich auf einen Kanon der Lehren zu verständigen. Methodisches Vorgehen Die Duale Hochschule Baden-Württemberg verfügt über ein Studienmodell, das auf einer Partnerschaft mit Firmen beruht.[ 2 ] Studierende können sich ausschließlich innerhalb dieser Partnerschaft einschreiben, d. h. sie werden von den Firmen ausgewählt und für das Studium im Rahmen eines Ausbildungsvertrags von der Tätigkeit in der Firma freigestellt. In dieser Dreierkonstellation von Hochschule, Firma und Studierendem ist die Abstimmung von Inhalten in der sogenannten Theoriephase an der Hochschule und den ergänzenden Praxisphasen in den Firmen von besonderer Bedeutung. Im Idealfall sollen die Studierenden die Lehren unmittelbar in jedem Studienjahr in der Praxis anwenden oder umgekehrt die betrieblichen Erfordernisse aus der Praxis vor dem theoretischen Hintergrund in der Lehre grundlegend und allgemeingültig erlernen. Wissen Projektmanagement-Theorie DOI 10.2357/ PM-2020-0006 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 28 PM_aktuell_01_2020.indb 28 20.02.2020 10: 38: 05 20.02.2020 10: 38: 05 Wissen | Projektmanagement-Theorie 29 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 In dieser intensiven Partnerschaft von Hochschule, Firmen und Studierenden steckt eine entsprechend umfangreiche Expertise, auf der die durchgeführte Untersuchung beruht. Zunächst wurden daher einzelne Interviews mit Studierenden des sechsten Semesters sowie den akademischen Betreuern der Studierenden in den Firmen durchgeführt. Allerdings zeigte sich dabei, dass die o. g. Unbegrenztheit des Projektmanagements zu sehr subjektiven, situativen oder momentanen Einschätzungen führt. Denn hervorgehoben wurde vorwiegend dasjenige, was gerade bei einem bestimmten Projekt und unter bestimmten Umständen zu einem bestimmten Zeitpunkt von besonderer Bedeutung war. Daraufhin erschien es notwendig, eine generelle Meinungsbildung auf Grundlage der Delphi-Methode durchzuführen. Eine Delphi-Befragung besteht grundsätzlich aus drei Stufen. [ 3 ] In der ersten Stufe werden die Fragen festgelegt. Denn nur konkrete Fragestellungen gestatten anschließend die Bildung von statistischen Werten und die Fokussierung auf eine allgemeingültige Auswahl. In einer zweiten Stufe erfolgt daraufhin eine anonyme Einschätzung der Befragten zu dem erstellten Fragenkatalog. Dabei ist die Anonymität von besonderer Bedeutung, um Konformität von Trendsettern bzw. den sogenannten „Influencern“ zu vermeiden. Außerdem gestattet das die Erhaltung einer gewissen Anpassungsbereitschaft ohne Prestigeverlust, wenn man die einmal gefasste Einschätzung aufgrund neuerer Informationen ändern möchte. [ 4 ] Denn in einer dritten Stufe wird um eine erneute Einschätzung desselben Fragenkatalogs gebeten, nachdem die Ergebnisse der Erstbefragung allen Teilnehmern bekannt gemacht wurden. Auf diese Weise wird es möglich, die kollektive Intelligenz bzw. die sogenannte „Weisheit der Vielen“ zu nutzen, bei der der Mittelwert von mehreren unabhängigen Einschätzungen besser ist als die beste Einzelschätzung. [ 5 ] Dieser dritte Schritt kann zwar auch mehrfach wiederholt werden, um eine noch stärkere Meinungsbildung zu erreichen. Allerdings kommt es gerade bei anonymen Befragungen dann zu einer deutlichen Panelmortalität bzw. Wahlmüdigkeit, wenn die einzelnen Beteiligten den Meinungsbildungsprozess für sich als ausreichend und abgeschlossen betrachten. [ 6 ] In der genannten ersten Stufe der Delphi-Studie dient die einschlägige Literatur der Zertifizierungsorganisationen- - PMI, IPMA und PRINCE2-- als Grundlage und wird durch Fachbücher sowie andere Studien ergänzt, um die als erforderlich erachteten Kompetenzen zu ermitteln. Daraus lässt sich ein Spektrum von insgesamt 31 Kompetenzaspekten ableiten, welches sich nachfolgend auf vier Kompetenzbereiche verteilen lässt (s. Abbildung 1). Bei den daraus abgeleiteten Fragestellungen ist es empfehlenswert, sich an 7 ± 2 Wahlmöglichkeiten zu orientieren, denn entsprechende Untersuchungen zeigen, dass das Kurzzeitgedächtnis nur etwa diese Anzahl speichern und somit vergleichen kann. [ 7 ] Aus diesem Katalog der Kompetenzen werden daher nur einzelne Fragestellungen mit vorgegebenen Antwortoptionen abgeleitet, um die Bearbeitungsdauer einer Einschätzung durch eine Partnerfirma gering zu halten. Diese betreffen: 1. Zur Bedeutung der vier verschiedenen Kompetenzbereiche 2. -5. Zur Bedeutung der einzelnen Kompetenzen innerhalb jeweiligen Kompetenzbereiche 6. Zum Umfang in der Lehre In der zweiten Stufe wird dann gefordert, jeweils eine Reihenfolge bzw. ein Ranking der Einschätzungen durchzuführen. Durch diese Forced-Choice-Technik wird die Entscheidung der Experten erzwungen, indem das jeweils Wichtigere vom Unwichtigeren unterschieden werden muss und die sogenannte „Tendenz zur Mitte“ vermieden wird. Durch das forcierte Ranking bei vorgegebener Auswahl wird in der Studie eine jeweilige Bearbeitungsdauer von unter 10 Minuten bei den befragten Experten erreicht, um eine vorzeitige Panelmortalität zu vermeiden. Die jeweilige Rangfolge wird anschließend in der Wertigkeit nichtlinear überhöht, um den Kontrast zwischen den Ein- Abbildung 1: Kompetenzen und Kompetenzbereiche für Projektmanagement. Die punktierte Linie steht für die Häufigkeit der Kompetenz-Nennung in der Literatur. PM_aktuell_01_2020.indb 29 PM_aktuell_01_2020.indb 29 20.02.2020 10: 38: 05 20.02.2020 10: 38: 05 Wissen | Projektmanagement-Theorie 30 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 schätzungen sichtbarer zu machen. Dabei wird einer Reihenfolge von 1 bis n vom geringsten zum größten Rang jeweils ein Wert von e 1 bis e n zugeordnet. Erst diese Werte werden dann für die statistische Analyse verwendet. Ähnlich wie beim Weber-Fechner-Gesetz zu subjektiven Eindrücken des Sehens, Hörens, Schmeckens oder Fühlens gestattet diese exponentielle Überhöhung, die Differenzen in der Einschätzung besser zu erkennen. [ 8 ] In der dritten Stufe wird die Delphi-Methode dahingehend abgewandelt, dass zwar die gleichen Fragestellungen verwendet werden, aber nunmehr eingeschätzt werden soll, ob die jeweilige Kompetenz eher in der Theorie vermittelt werden kann oder aber besser in der Praxis erfahrbar ist. In Kombination mit dem Ranking entsteht daraus insgesamt eine Art Nutzwertanalyse bzw. ein Scoring, bei dem die Präferenz einer Einschätzung auf einer Skala mit dem jeweiligen Rang der Fragestellung gewichtet wird. Diese Kombination von Ranking und Scoring gestattet dann Aussagen über eine „ Menge komplexer Handlungsalternativen mit dem Zweck, die Elemente dieser Menge entsprechend der Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich eines multidimensionalen Zielsystems zu ordnen. “ [ 9 ] Repräsentativität Die durchgeführte Untersuchung ist zunächst auf die Partnerfirmen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Heidenheim beschränkt. Aufgrund der o. g. intensiven Zusammenarbeit kann man davon ausgehen, dass es sich bei den Teilnehmern um Experten handelt, wenn es um die Einschätzung des Studienbedarfs in dem Studiengang sowie die Unterscheidung von theoretischen und praktischen Studienhalten geht. Bei einer solchen Expertenbefragung konvergieren die Einschätzungen recht schnell und bereits ein Panel von 16 Experten zu einem Thema erweist sich ausreichend konsistent im Vergleich zu einem von 34 Experten. [ 10 ] Andererseits lässt sich statistisch der erforderliche Stichprobenumfang s berechnen, der aus einer Befragung von n Experten erforderlich ist, um bei einer Fehlerabweichung e mit einem Konfidenzniveau z zu repräsentativen Ergebnissen zu führen: 1 / s-= 1 / n + e²/ vz² …-mit v-= p( 1 -p) als Verteilung der Anteilswerte p Geht man von einer binomialen Gleichverteilung der möglichen Anteilswerte p-= 1-p-= 50 % in den Antworten aus, so ergibt sich dafür bei einer Fehlerabweichung e- = 10 % und einem Konfidenzniveau z-= 99 %: 1 / s ≈ 1 / n + 4 % Insgesamt werden für die Studie n- = 252 Partnerfirmen um Einschätzungen gebeten, was demzufolge einen Stichprobenumfang von mehr als s- = 23 Teilnehmern erforderlich macht. Tatsächlich haben sich an der Befragung in der ersten Runde 32 Partnerfirmen beteiligt und in der zweiten Runde bei einer Panelmoralität von 8 Teilnehmern immerhin noch 24 Partnerfirmen. Berücksichtigt man außerdem, dass sich derzeit nur 64 Partnerfirmen mit Studienplätzen aktiv an dem laufenden Studienbetrieb in drei Jahrgängen beteiligen, dann ergibt sich bereits bei einer Fehlerabweichung von e‘ = 8 % unter den genannten Bedingungen ein Stichprobenumfang von s‘-≈ 23 Teilnehmern, der ebenfalls gewährleistet ist. Sowohl im Sinne einer Expertenbefragung als auch im Sinne einer Stichprobe sind die folgenden Ergebnisse der Untersuchungen als repräsentativ anzusehen (s. Abbildung 2). Welche Kompetenzen für Projektmanagement sollten in der Theoriephase unterrichtet werden? Die organisatorischen Kompetenzen stehen nach kumuliertem Ranking durch die Firmen an erster Stelle bei der Wissensvermittlung in der Theoriephase des dualen Studiums (s. Abbildung 3). Das entspricht auch deren Repräsentation in der Literatur gemäß Abbildung 1. Allerdings ist die Reihenfolge der beiden nachfolgenden Kompetenzbereiche gegenüber deren Repräsentation in der Literatur vertauscht: Bei der Befragung werden Engineering-Kompetenzen stärker gefordert als gruppenbezogene Kompetenzen. Das erscheint insofern plausibel, als es sich in der Literatur um eine allgemeine Darstellung von Kompetenzen für Projektmanagement handelt, während es bei der Umfrage speziell um den Studiengang Wirtschaftsingenieur- Abbildung 2: Repräsentativität als Expertenbefragung und als Stichprobenumfang unter Berücksichtigung der Teilnehmerzahl n und der Fehlerabweichung e . PM_aktuell_01_2020.indb 30 PM_aktuell_01_2020.indb 30 20.02.2020 10: 38: 05 20.02.2020 10: 38: 05 Wissen | Projektmanagement-Theorie 31 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 wesen geht, der in hohem Maße technisches Arbeiten beinhaltet. Persönliche Kompetenzen sind schließlich gleichermaßen in der Literatur und in dem Firmenranking an letzter Stelle. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass diese für Projekte und das Projektmanagement unwichtig sind, sondern nur, dass sie rein theoretisch mittels Literatur und Lehre von geringerer Bedeutung sind. Und auch das lässt sich plausibel erklären, wenn man berücksichtigt, dass gerade persönliche Kompetenzen in der Theorie auch nur schwer vermittelbar sind. Welche organisatorischen PM-Kompetenzen sollten in der Theoriephase unterrichtet werden? Bei der theoretischen Vermittlung von Projektmanagement- Kompetenzen steht die Planung insgesamt an erster Stelle. Das entspricht in etwa der konfuzianischen Weisheit, nach der der Weg selbst das Ziel ist, also bereits der zum Ziel geplante Weg mindestens genauso wichtig ist, wie das Ziel selbst. In diesem Sinne folgen auch Koordination und Strukturierung der Projektarbeiten gleich an zweiter Stelle, um die Planung in planmäßige Handlungen umzusetzen (s.-Abbildung 4). Erst an dritter und vierter Stelle folgt das charakteristische Merkmal einer Projektdefinition als zeit- und kostenbeschränkte zielgerichtete Unternehmung. [ 11 ] Auch das erscheint insofern folgerichtig, als man vordringlich ein geplantes und strukturiertes Projekt als Business Case benötigt, um dafür die Einhaltung der zeitlichen und finanziellen Ziele organisieren und prüfen zu können. Interessant ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass die ursächliche Initiierung, die begleitende Steuerung und Kommunikation sowie das abschließende Dokumentieren und Berichten erst auf den weiteren Plätzen folgen. Hierbei spielt sicherlich eine Rolle, dass bei der Befragung absichtlich eine Rangfolge erzwungen wird, bei der der jeweils wichtigere Lehrinhalt von den weniger wichtigen unterschieden werden muss. In diesem Sinne sind die folgenden Kompetenzen bei der Projektmanagementlehre sicherlich nicht als unwichtig zu erachten, sondern nur im Vergleich zu den ersten nachgeordnet. Oder, um es anders auszudrücken: Projekte können auch ohne besondere Ausbildung von Kompetenzen zur Dokumentation, Kommunikation, Initiierung und Steuerung immer noch erfolgreich sein, jedoch ohne Planung, Struktur, Termintreue und Kostenziele wohl kaum. Das trifft schließlich in letzter Instanz auch für das Management von Projektportfolios zu, welches zwar eine wichtige Kompetenz darstellt, sobald es erforderlich ist, aber ansonsten insgesamt eher entbehrlich erscheint, wenn zunächst eine organisatorische Kompetenz in der Theorie angelegt werden soll. Abbildung 3: Ranking (links) und Scoring (rechts) der Kompetenzbereiche von Projektmanagement in der Lehre. Abbildung 4: Ranking (links) und Scoring (rechts) bei der Vermittlung von organisatorischen PM-Kompetenzen in der Lehre. PM_aktuell_01_2020.indb 31 PM_aktuell_01_2020.indb 31 20.02.2020 10: 38: 06 20.02.2020 10: 38: 06 Wissen | Projektmanagement-Theorie 32 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Welche Engineering-Kompetenzen zum PM sollten in der Theoriephase unterrichtet werden? Wie bereits zuvor angeführt, betrifft diese Untersuchung den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen. Demzufolge steht der Kompetenzbereich Engineering nicht nur insgesamt an zweiter Stelle, sondern die einzelnen Engineering-Kompetenzen sind vorwiegend technisch geprägt (s. Abbildung 5). Entsprechend sind die Analyse und Diagnose von Sachverhalten in Projekten von besonderer Bedeutung, gefolgt von dem projektbezogenen Fach- und Sachwissen. Sofern in Projekten technische Sachverhalte des Wirtschaftsingenieurwesens und entsprechendes theoretisches Wissen benötigt werden, dann sind diese auch innerhalb der Theoriephase zu behandeln. Erst danach folgen diejenigen Kompetenzen für ein Engineering von Projekten, die aus anderen Fachbereichen entstammen, wie das Management von Qualität, von Risiken und die Anwendung von wissenschaftlicher Systematik. Denn grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass diese Kompetenzen auch in einem gesonderten Lernmodul des Studiums behandelt werden und daher nicht einen spezifischen Schwerpunkt des Projektmanagements bilden. Welche gruppenbezogenen PM-Kompetenzen sollten in der Theoriephase unterrichtet werden? Projekte sind gemeinschaftliche Unternehmungen und benötigen daher Kompetenzen zum Umgang mit menschlichen Gruppen bzw. Teams. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese Kompetenzen bei einer Lehrveranstaltung unterrichtet werden sollen, und ob es überhaupt möglich ist, solche Kompetenzen theoretisch zu vermitteln. In der Befragung der Firmen spiegelt sich diese Fragwürdigkeit bereits dadurch wieder, dass der gesamte Kompetenzbereich den organisatorischen und Engineering-Kompetenzen nachgeordnet wird. Vorwiegend erscheint es den Befragten dabei wichtig, Informationen über gruppenbezogene Kompetenzen zu verbreiten und ein Bewusstsein für deren Bedeutung zu schaffen (s. Abbildung 6). Innerhalb der gruppenbezogenen Kompetenzen ist es demnach von eher größerer Bedeutung, Informationen und Bewusstsein für Konflikte, Kooperation, Führung und Rollenflexibilität zu vermitteln. Wie rechts in Abbildung 6 zu sehen ist, unterscheiden sich diese vier Kompetenzen in ihrem Scoring nur wenig. Dagegen ist das- - eher bereits persönliche-- Vermögen von Menschen zur Einfühlung und zur Durchsetzung in Gruppen in nur geringerem Maße theoretisch zu behandeln. Daher ist der Übergang zum nächsten Kompetenzbereich fließend: Welche persönlichen PM-Kompetenzen sollten in der Theoriephase unterrichtet werden? Grundsätzlich erscheint es fraglich, ob persönliche Kompetenzen überhaupt mit Hilfe eines theoretischen Unterrichts vermittelt werden können. Eine Behandlung persönlicher Kompetenzen erfordert eine besondere Berücksichtigung der individuellen Entwicklung insbesondere bei jungen Menschen mit noch wenig gefestigter Reife. Sie stellt diesbezüglich Abbildung 5: Ranking (links) und Scoring (rechts) bei der Vermittlung von Engineering-Kompetenzen zum Projektmanagement in der Lehre. Abbildung 6: Ranking (links) und Scoring (rechts) bei der Vermittlung von gruppenbezogenen Kompetenzen zum Projektmanagement in der Lehre. PM_aktuell_01_2020.indb 32 PM_aktuell_01_2020.indb 32 20.02.2020 10: 38: 06 20.02.2020 10: 38: 06 Wissen | Projektmanagement-Theorie 33 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 auch besondere Herausforderungen an die psychologische Qualifikation der Lehrenden dar, die allein durch die erteilte Lehrbefugnis für Projektmanagement nicht ausreichend gewährleistet wird. Zumindest lassen sich so die Einschätzungen der Firmen interpretieren, die diesem Kompetenzbereich die geringste Bedeutung für die Theoriephase zugestanden haben. Zwar gibt es durchaus auch Techniken für Kreativität und Verhandlungen, die vermittelt werden können, beispielsweise Brainstorming [ 12 ] oder das Harvard-Konzept [ 13 ]. Aber die Anwendung dieser Techniken hängt stark mit der charakterlichen Reife und dem Erfahrungshintergrund zusammen, welche bei Studierenden typischerweise noch nicht so ausgeprägt sind: Junge Menschen haben weniger Verhandlungserfahrungen, sind aber noch sehr flexibel und offen für kreative Lösungen. Insofern ergibt sich bei einer Auswahl der notwendigen Fähigkeiten für Projektmanagement auch zwangsläufig eine Beschränkung auf solche Aspekte, die für die Durchführungen von Projekten zunächst erforderlich sind. Und dabei erscheinen Verhandlungen und Kreativität zunächst eher entbehrlich. So empfiehlt auch der Nobelpreisträger Kahneman für die Vermittlung seiner Neuen Erwartungstheorie bzw. Prospect Theory zunächst die klassische Berechnung des Nutzwerts zu lehren, bevor man zu den neuerlich dazu gefundenen Ausnahmen und Besonderheiten in seiner Theorie kommt, die ein langwieriges und gereiftes Nachdenken erforderlich machen.[ 14 ] Entsprechend erscheint es auch wünschenswert und auf Dauer erforderlich, dass Projektmanager außer kreativ und verhandlungssicher, ebenfalls auch selbstsicher und authentisch sind. Aber dabei handelt es sich um Fähigkeiten, die eine langwierige individuelle und differenzierte Ausbildung erforderlich machen und die sehr von den angeborenen oder biografischen Gegebenheiten abhängen. Innerhalb dieses Kompetenzbereichs erscheint es den Befragten noch am ehesten zweckmäßig, die Fähigkeiten der Zielstrebigkeit und Ergebnisorientierung oder auch der Aufmerksamkeit beim Fragen und Zuhören zu unterrichten, zu üben und deren Bedeutung zu vermitteln (s. Abbildung 7). Dies kann typischerweise in Workshops stattfinden, wo anhand von Fallstudien und Erfolgsgeschichten in kleineren, selbstorganisierten Lerngruppen persönliche Erfahrungen erreicht und ausgeprägt werden können. Somit stellt sich anschließend die Frage nach dem sinnvollen Aufbau und Umfang, um Projektmanagement in der Lehre zu vermitteln. Welchen Umfang sollte PM in der Theoriephase des Studiums für Wirtschaftsingenieure einnehmen? Neben den klassischen Vorlesungen erfolgt die moderne Wissensvermittlung an Hochschulen auch durch betreute Arbeitsgruppen in Workshops sowie auch durch selbstorganisierte Projektarbeiten, die als Studie bis zu einem prototypischen Abschluss und dessen Präsentation durchgeführt werden können. Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit, die Zertifizierung nach einer bestimmten Projektmanagementmethode durchzuführen, beispielsweise nach dem PMBoK des PMI [ 15 ], dem ICB der IPMA [ 16 ] oder dem PRINCE2 [ 17 ]. An den Ergebnissen der Umfrage wird deutlich, dass lediglich eine Vorlesung zur Kompetenzvermittlung kaum als ausreichende Qualifizierung eingeschätzt wird. Auf jeden Fall wird die Erarbeitung von Kompetenzen durch einen betreuten Workshop als erforderlich gesehen. Im weitaus überwiegenden Teil wird sogar eine selbstorganisierte Projektstudie gewünscht. Und fast gleichauf steht dazu die Erwartung einer ergänzenden Projektdurchführung mit Abschlusspräsentation (s. Abbildung 8). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nur ein relativ geringer Teil der befragten Firmen eine zusätzliche Zertifizierung der Studierenden nach einer bestimmten Projektmanagement-Methode als erforderlich erachten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Firmen im dualen Studium auch unterschiedliche PM-Methoden nutzen und mitunter firmeneigene Vorgehensweisen für Projekte entwickelt haben. Außerdem ist eine Zertifizierung als kommerzielle Dienstleistung mit zusätzlichen Gebühren verbunden, so dass im Rahmen der Lehrmittelfreiheit eine Benachteiligung von einzelnen Studierenden entstehen kann. Und da sich verschiedene Zertifizierungsorganisationen im Wettbewerb befinden, verbietet es sich für eine staatliche Hochschule, durch die Auswahl eines bestimmten Zertifizierers in deren Wettbewerb einzugreifen. Bei den zu Beginn geführten Interviews wurde beispielsweise die Ansicht geäußert, dass eine Zertifizierung doch eigentlich überflüssig sein müsste, da die Methoden im Studium vermittelt, geprüft und somit durch den Leistungsnachweis der Hochschule ausreichend bestätigt werden. Abbildung 7: Ranking (links) und Scoring (rechts) bei der Vermittlung von persönlichen Kompetenzen zum Projektmanagement in der Lehre. PM_aktuell_01_2020.indb 33 PM_aktuell_01_2020.indb 33 20.02.2020 10: 38: 06 20.02.2020 10: 38: 06 Wissen | Projektmanagement-Theorie 34 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Wie lassen sich die Erwartungen der Firmen an die Hochschule beim Projektmanagement erfüllen? Die Untersuchungsergebnisse sind repräsentativ für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen im dualen Studium und lassen sich sowohl inhaltlich begründen als auch logisch nachvollziehen. Damit erfüllen sie die typischen Anforderungen an eine wissenschaftlich bestätigte Aussage. [ 1 ] Die Kunst besteht dann noch darin, diese Erwartungen in ein regelkonformes Konzept für den Studienablauf einzubetten. Im europäischen System für Studienleistungen ECTS steht jeweils ein Leistungspunkt CP für eine Arbeitsbelastung der Studierenden von 30 Stunden, welche auf Präsenzzeiten und auf Selbststudium gleichermaßen verteilt werden. [ 18 ] Ein Semester ist ausgelegt auf 30 CP oder entsprechend 900 Arbeitsstunden der Studierenden. Eine Vorlesung hat typischerweise einen Umfang von 3 CP, also ein Zehntel der gesamten Semesterleistung, und beinhaltet eine schriftliche Prüfung, bei der die gelernten Kenntnisse abgefragt werden. In einer Vorlesung können dann vorwiegend die organisatorischen Kompetenzen vermittelt werden mit einer Gewichtung gemäß Abbildung 4. Eine Vorlesung mit Workshop hat dann typischerweise einen Umfang von 5 CP, also ein Sechstel der gesamten Semesterleistung. In einem Workshop geht es vorwiegend um die gruppenbezogenen Kompetenzen nach Abbildung 6, wobei, wie bereits erläutert, der Fokus auf Konfliktfähigkeit, Kooperation, Führung und Rollenflexibilität im Projekt liegt. Eine Projektstudie hat selbst nochmals einen Umfang von 5 CP, so dass in der Kombination mit Vorlesung und Workshop insgesamt ein Drittel der gesamten Studienleistung eines Semesters für die am meisten geforderte Variante anfällt. Allerdings können die Vorlesung mit Workshop und die Projektstudie in verschiedenen Semestern durchgeführt werden, so dass der jeweilige Arbeitsaufwand jeweils nur ein Sechstel der Semesterleistung beinhaltet und entsprechend andere Studienfächer stattfinden können. Außer einer Vertiefung von organisatorischen und gruppenbezogenen Kompetenzen stehen bei der Projektstudie vorwiegend die Engineering-Kompetenzen gemäß Abbildung 5 im Fokus. Dabei kann insbesondere auf die Analyse und Diagnose von Sachverhalten eingegangen werden und infolgedessen auch das notwendige Sach- und Fachwissen ergänzt werden. Eine anschließende Umsetzung mit Projektabschluss und dessen Präsentation hat typischerweise ebenfalls einen Umfang von 5 CP. Hier empfiehlt es sich, diese Leistung als Wahlfach einzurichten, so dass Studierende sich auch auf einen anderen Studienschwerpunkt fokussieren können. Im Rahmen dieser Wahlfreiheit können auch die übrigen Kompetenzen zur Organisation und zum Engineering vertieft werden, welche im Scoring eine geringere Priorität erhalten haben, wie Kommunikation, Dokumentation und Portfolio-Management oder Risiko- und Qualitäts-Management. Und es lassen sich die weiteren gruppen- und persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen behandeln, wie Durchsetzungs- und Einfühlungsvermögen oder Zielstrebigkeit, Ergebnisorientierung und Aufmerksamkeit bei der Projektdurchführung. Bei der Gestaltung des Projektauftrags geht es zudem um Verhandlungsgeschick und Kreativität. Und bei der abschließenden Projektpräsentation werden schließlich Selbstsicherheit und Authentizität vermittelt. Auf diese Weise wird der weitaus größte Teil des Votums der Firmen in dem Studium abgebildet. Ohne weitere CP kann zusätzlich eine Zertifizierungsmöglichkeit eingerichtet werden, die an einem Samstag durchgeführt wird und sowohl finanziell als auch rechtlich unabhängig vom Studium durch eine anerkannte Trainingsorganisation ATO (approved training organization) erfolgt. [ 19 ] Auf diese Weise können auch die erweiterten Erwartungen der Firmen an die Lehre beim Projektmanagement erfüllt werden. Abbildung 8: Ranking der verschiedenen Möglichkeiten, den Unterricht zum Projektmanagement in der Theoriephase zu gestalten. (Ein Scoring dieser Frage nach gradueller Unterscheidung zwischen Theorie- und Praxisphase erübrigt sich hierbei, da es ohnehin nur um den Umfang an Theorie geht.) ibo Beratung und Training GmbH • Im Westpark 8 • 35435 Wettenberg • T: +49 641 98210-300 • www.ibo.de Wir organisieren Souveränität. Neue Herausforderungen selbstbewusst lösen. Schaffen Sie die Projektorganisation der Zukunft. Wir unterstützen Sie dabei mit Weiterbildung offen und inhouse, Impulsen, Beratung, Coaching und pragmatischen Software-Lösungen. ibo: Wir organisieren Zukunft. PM_aktuell_01_2020.indb 34 PM_aktuell_01_2020.indb 34 20.02.2020 10: 38: 07 20.02.2020 10: 38: 07 Wissen | Projektmanagement-Theorie 35 DOI 10.2357/ PM-2020-0006 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Literatur 1 Popper, K. R.: Die Logik der Forschung-- Zur Erkenntnistheorie der modernen Naturwissenschaft (1934; 11. Auflage 2005) 2 Bei einer „Firma“ handelt es sich hier um ein gewerbliches Unternehmen als „dualen Partner“ der DHBW im Unterschied zu einer Projekt-Unternehmung oder zu dem Betrieb einer Hochschule. 3 Häder, M.: Delphi-Befragungen (2014) 4 Schulz, M., Renn, O.: Das Gruppendelphi: Konzept und Fragebogenkonstruktion (2009) 5 Malone, T. W., Bernstein, M. S.: Handbook of Collective Intelligence. MIT Press (2015) 6 Häder, M.: Zur Evaluation der Delphi-Technik: eine Ergebnisübersicht (1996) 7 Miller, G. A.: The Magical Number Seven, Plus or Minus Two-- Some Limits on Our Capacity for Processing Information. Psych. Rev. 63, 81-97 (1956) 8 Sander, M.: Marketing-Management- - Märkte, Marktforschung und Marktbearbeitung (2004) 9 Zangemeister, C.: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik- - Eine Methodik zur multidimensionalen Bewertung und Auswahl von Projektalternativen. Techn. Univ. Berlin (1970) 10 Dullfield, C.: The Delphi Technique- - A Comparison of Results Obtained Using Two Expert Panels. Int. J. Nursing Studies, p. 236 (1993) 11 Definition von Projekten gemäß DIN 69 901 (2009) oder ICB4 (2015) 12 Osborn, A. F.: Applied Imagination (1957) 13 Fisher, R.; Ury, W.; Patton, B.: Getting to Yes (1981) 14 Kahneman, D.: Thinking, Fast and Slow (2011) 15 Project Management Institute: A guide to the Project Management body of knowledge. 4. Ausgabe (2008) 16 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement: ICB- - IPMA Competence Baseline- - in der Fassung als Deutsche NCB- - National Competence Baseline Version 3.0 (2008) 17 Ebel, N.: Prince2: 2009-- für Projektmanagement mit Methode (2011) 18 http: / / ec.europa.eu / education / ects / users-guide / index_de.htm 19 QRP Management Methods International GmbH: https: / / www.qrp.de Prof. Dr. Karsten Löhr Prof. Dr. Karsten Löhr hat jahrzehntelange industrielle Erfahrung als Leiter von Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Fahrzeug- und Flugzeugbau. Er ist Professor für Wirtschaftsingenieurwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg DHBW und verantwortlich für die Studienmodule Projektmanagement, Technologiemanagement, Verfahrens- und Umwelttechnik. Arthur Dewiwje Seit Arthur Dewiwje 2019 sein duales Studium abgeschlossen hat, ist er als Projektmanager für agile Projekte tätig. Durch den dualen Partner der Hochschule konnte er bereits umfassende Erfahrungen in der Automobilbranche sammeln. Seine Begeisterungen liegen unter anderem im Bereich des Projektmanagements und in zukunftsbezogenen Themen. Eingangsabbildung: © iStock.com/ izusek ibo Beratung und Training GmbH • Im Westpark 8 • 35435 Wettenberg • T: +49 641 98210-300 • www.ibo.de Wir organisieren Souveränität. Neue Herausforderungen selbstbewusst lösen. Schaffen Sie die Projektorganisation der Zukunft. Wir unterstützen Sie dabei mit Weiterbildung offen und inhouse, Impulsen, Beratung, Coaching und pragmatischen Software-Lösungen. ibo: Wir organisieren Zukunft. Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 35 PM_aktuell_01_2020.indb 35 20.02.2020 10: 38: 07 20.02.2020 10: 38: 07 36 DOI 10.2357/ PM-2020-0007 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Vom Projekt Studium zum Projektstudium Christoph Richter Für eilige Leser | Hauptziele eines Hochschulstudiums sind die Persönlichkeitsentwicklung, die wissenschaftliche Qualifizierung sowie die Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten mit wissenschaftlichem Bezug. Im Selbstverständnis von zahlreichen Hochschulvertretern sollte der Schwerpunkt von Hochschulen in der Qualifizierung von Nachwuchswissenschaftlern liegen. Dementsprechend fokussieren sie sich auf Forschungsarbeiten. Diese Schwerpunktbildung kollidiert mit der zunehmenden Anzahl von Studienanfängern und Hochschulabsolventen bei in etwa gleichbleibender Anzahl von Positionen im Bereich der Wissenschaft. Die Qualifizierung für den nicht-wissenschaftlichen Arbeitsmarkt gelingt sowohl aus Sicht der Hochschulabsolventen als auch aus Sicht von Arbeitgebern häufig nur unzureichend. Hochschulabsolventen bemängeln, dass die im Studium vermittelten Inhalte zu wenig auf den beruflichen Alltag Bezug nehmen. Die Unternehmensvertreter kritisieren oftmals, dass Hochschulabsolventen nicht unmittelbar nach Studienabschluss in adäquaten Tätigkeitsfeldern eingesetzt werden können, sondern einer teilweise umfassenden Einarbeitungsphase bedürfen. Als Ansatz zur Abschwächung der Dilemmata zwischen den Zielen Persönlichkeitsentwicklung, wissenschaftliche Befähigung und Vorbereitung auf eine nicht-akademische Berufstätigkeit wird hier die Einführung und Umsetzung von Projektstudiengängen vorgeschlagen. Schlagwörter | Employability, Ermöglichungsdidaktik, Learning on demand, Projektstudium, Vermittlungsdidaktik 1 Vorbemerkung Die Zahl der Hochschulzugangsberechtigten, der Studienanfänger und der Hochschulabsolventen steigt zunehmend und progressiv an. Gleichzeitig bemängeln Unternehmensvertreter die fehlenden Kompetenzen von Hochschulabsolventen. In diesem Zusammenhang mündet dann die Einschätzung über Hochschulabsolventen plakativ in folgender Aussage: „Die wissen viel und können wenig“. Wie können Hochschulen in dieser Situation zunehmender Studierender sowie wechselnder und steigender Anforderungen von Unternehmen das Ziel einer wissenschaftlichen Bildung verwirklichen? Hier wird vorgeschlagen, die Idee von Projektstudiengängen konsequent zu verfolgen, da Projekte eine Klammer zwischen wissenschaftlichen und unternehmensseitigen Methoden und Zielen darstellen. Beispielsweise startet hypothesengeleitete Wissenschaft grundsätzlich mit dem Aufstellen einer These, die es im Rahmen eines Forschungsprozesses zu falsifizieren gilt. Die Ergebnisse des Überprüfungsprozesses werden dokumentiert und der „scientific community“ zur Kenntnis gebracht. Analog zu einem herkömmlichen Projekt ist ein Forschungsprojekt durch einen Anfangs- und einen Endzeitpunkt gekennzeichnet. Unternehmen gehen auf Grund der zunehmenden Spezialisierung und der dynamischen Markterfordernisse immer häufiger dazu über, Aufgaben in Projektform erledigen zu lassen, so dass Unternehmen nach Mitarbeitern/ -innen mit Projektmanagementqualifikationen und -expertise suchen. 2 Istzustand des Studiums: Zahlreiche Ansätze zur Verknüpfung von Theorie- und Praxisphasen Die Analyse von privaten Hochschulen mit wirtschaftswissenschaftlichen Studiengangschwerpunkten ergibt [1], dass Hochschulen zahlreiche Aktivitäten im Hinblick auf die Vorbereitung zur Berufsausübung anbieten und realisieren. Dazu zählen z. B. Unternehmenspraktika, Exkursionen zu Unternehmen, Projektarbeiten mit Unternehmensbezügen, Gründungsinitiativen, Berufsmessen, Vorträge von Unternehmensvertretern sowie der Wechsel aus theoretischen und praktischen Studiengangphasen. Auch über Unternehmensplanspiele soll den Studierenden ein Einblick in die Unternehmenspraxis ermöglicht werden. Die Untersuchung, was Hochschulen unter „Employability“ von Absolventen (Beschäftigungsfähigkeit) verstehen, zeigt auch, dass vermehrt das Format der Vorlesungen durch seminaristische Lehrformate ersetzt wird. Diese Beobach- Wissen Vom Projekt Studium zum Projektstudium DOI 10.2357/ PM-2020-0007 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 36 PM_aktuell_01_2020.indb 36 20.02.2020 10: 38: 08 20.02.2020 10: 38: 08 Wissen | Vom Projekt Studium zum Projektstudium 37 DOI 10.2357/ PM-2020-0007 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 tung steht im Einklang mit den Erkenntnissen der modernen Lerntheorien, wonach Lernen einen aktiven Prozess darstellt, dessen Erfolg in erster Linie an die Beteiligung des Lernenden geknüpft ist. Lehrstoff lässt sich demnach nicht vermitteln, sondern bedarf der aktiven Erarbeitung durch die Lernenden. Lehre wird demnach als Angebot verstanden. Konzeptionell findet sich dieser Gedanke in der Ermöglichungsdidaktik wieder. Ein erweiterter Berufsbezug eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums könnte jedoch die Wissenschaftlichkeit der Hochschulqualifizierung gefährden und das Studium zu einer Art von dualer Ausbildung abwandeln lassen. Daher ist ein alternativer Weg zu finden, beide Ziele- - Berufsvorbereitung und Wissenschaftsorientierung- - miteinander zu verknüpfen. 3 Herausforderung: Hochschulabsolventen können sowohl wissenschaftsbezogen als auch unternehmensbezogen arbeiten Eine zentrale Herausforderung eines Hochschulstudiums besteht darin, Studierenden wissenschaftliches Denken und Handeln zu ermöglichen, ohne dass sie notwendigerweise im Anschluss an ihren Studienabschluss eine wissenschaftliche Karriere ergreifen, sondern in der Lage sind, akademische Tätigkeiten in einem nicht-akademischen Umfeld auszuüben. Es geht um die Entwicklung einer Forscherhaltung, deren Kennzeichen insbesondere Kritikfähigkeit, Neugierde, Ausdauer bei der Recherche und Erarbeitung von Sachverhalten sowie Mut zu Innovationen sind. Insbesondere im Rahmen von Bachelorstudiengängen sind die Aufgaben von Hochschulen zwischen denen von Berufsschulen und Wissenschaftsakademien angesiedelt. 4 Projektstudium Mit dem Modell eines Projektstudiums könnte unter bestimmten Voraussetzungen beiden Zielen, Wissenschaftsausrichtung und Berufsvorbereitung, Rechnung getragen werden. Darüber hinaus würden die Lernenden stärker aktiv in den Lernprozess involviert, so dass die Chance auf Lernerfolge vergrößert wird. Mit einem Projektstudium wird das Ziel verfolgt, Gegenstände der Hochschullehre in gesellschaftliche Erstellungs- und Verwertungszusammenhänge zu stellen. Der Realitätszugang erfolgt über sinnliche Erfahrungen, indem Teile des sozialen Feldes erschlossen werden. Dieses Vorgehen wählt auch der Forscher, wenn er Theorien empirisch, also erfahrungsseitig überprüft. Im Rahmen eines Projektstudiums werden Lernsituationen aus beruflichen und außerberuflichen Realitätsbereichen in die Hochschullehre integriert. Ziel ist die Einübung problemorientierten Vorgehens. Der gesamte Ablauf orientiert sich am Prozess des forschenden Lernens. Interdisziplinäre und methodenpluralistische Aspekte werden miteinander verknüpft. [2] 4.1 Zur Geschichte und den theoretischen Hintergründen eines Projektstudiums Das Projektkonzept geht auf die Reformpädagogik zurück. Es lassen sich dabei drei Meilensteine ausmachen. Laut der Werkpädagogik um 1900 ist für Projektunterricht die selbsttätige Erstellung eines Werkstücks kennzeichnend. Die Ansätze von Kilpatrick und Dewey sind dem angelsächsischen Pragmatismus zuzuordnen. Kilpatrick definiert Projektunterricht als „planvolles Handeln aus ganzem Herzen, das in einer sozialen Umgebung stattfindet.“ Für Dewey geht es beim Projektunterricht vorrangig um die Erziehung zur Demokratie. Im Vordergrund steht dabei das politische Lernen durch die Lösung praktischer Probleme in ihrem sozialen Zusammenhang. Die Methodik des Unterrichts stellt einen dritten Meilenstein dar. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht eine bedeutsame praktische Tätigkeit, die von Schülern / Schülerinnen in natürlicher Weise geplant und ausgeführt wird. Dabei werden physische Ressourcen verwendet. Es sollen die Erfahrungen der Schüler / Schülerinnen bereichert werden. Zentral an dem Projektunterricht ist dessen Aufgabencharakter: Es gilt konkrete Aufgaben zu bewältigen und Probleme zu lösen. Im Zusammenhang mit Hochschulen und Projektarbeit wird zunächst kein Rückbezug auf pädagogische Traditionen genommen. Vielmehr war Projektunterricht Gegenstand der Studienreformdiskussion. Eine „kritische Universität“ ist nach diesem Verständnis charakterisiert durch die Verbindung von wissenschaftlicher Tätigkeit und sozialem sowie politischem Engagement. Der Ursprung liegt in der Ablehnung der traditionellen Hochschulausbildung. Projekte werden zur Didaktik der Gegenuniversität. In der Folge wurden mit Projekten die Ausbildungsfunktion, die Wissenschaftskritik sowie die politische Praxis miteinander gekoppelt. Die Notwendigkeit von Projektunterricht basiert auf drei zentralen Kritikansätzen: Erstens wird kritisiert, dass die Ausbildungsinhalte vielfach nicht in gesellschaftliche Gesamtzusammenhänge eingeordnet werden. Des Weiteren wird an der Art der Stoffvermittlung bemängelt, dass diese vorrangig auf „reines Auswendiglernen“ („Rezeption“) ausgerichtet ist. Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen die hierarchisch angeordneten Lehr- und Lernprozesse. Wissenschaftliches Lehren und wissenschaftliches Lernen sollten vielmehr gleichberechtigt sein. [3] 4.2 Lernen durch Projektarbeit Folgt man der IPMA-Kompetenzrichtlinie (ICB; aktuell: ICB 4) und der pm baseline, die u. a. die Grundlagen für die Projektmanagement-Zertifizierungen durch pma bilden, ist für die Projektarbeit der Umgang mit Komplexität, Zeitdruck und sozialen Situationen typisch. Erfolgreiches Projektmanagement setzt das Vorhandensein verschiedener Kompetenzen insbesondere aus den Kompetenzfeldern der sozialen Kompetenzen, der Methodenkompetenzen sowie der Selbstkompetenzen voraus. Auf der anderen Seite lassen sich durch Projektarbeit diese Kompetenzen erlernen [4]. Beispiele für soziale Kompetenzen im Zusammenhang mit Projekten sind: • Aufgrund der Interdisziplinarität von Projektgruppen sind regelmäßig Abstimmungsprozesse erforderlich. • Der Umgang mit Krisensituationen z. B. im Fall drohender Fristüberschreitungen ist typisch für Projektsituationen. • Auch Konflikte mit der internen und externen Projektumwelt lassen sich in der Regel nicht vermeiden, so dass die Beherrschung von Konfliktmanagement eine zentrale Kompetenz für die Projektarbeit darstellt. • Projekte leben von der Teamarbeit innerhalb des Projektteams. • Ein Großteil der Tätigkeiten in Projekten ist mit Kommunikation verbunden. PM_aktuell_01_2020.indb 37 PM_aktuell_01_2020.indb 37 20.02.2020 10: 38: 09 20.02.2020 10: 38: 09 Wissen | Vom Projekt Studium zum Projektstudium 38 DOI 10.2357/ PM-2020-0007 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 • Die Fähigkeiten zur Gesprächsführung und zu Verhandlungen sind für die Gestaltung von Projektsituationen erforderlich. • Projektstrukturen trennen zwischen dispositiven und ausführenden Tätigkeiten, so dass Führungsverhalten ein relevantes Thema darstellt. • Verbindlichkeit in Bezug auf Absprachen und Termine sollte die Regel der Projektarbeit sein. Zu den Methodenkompetenzen, die für Projektarbeit bedeutsam sind, zählen u. a. das Erstellen von Business Cases, die Dokumentation von Projektfortschritten, die Strukturierung von Sachverhalten z. B. mit Projektstrukturplänen, die Szenariotechnik im Zusammenhang mit der Bestimmung von Projektrisiken sowie Techniken der Moderation und Präsentation. Eine wichtige Selbstkompetenz im Zusammenhang mit Projektmanagement ist die Fähigkeit zur Reflexion und Evaluation der eigenen Tätigkeiten. Zu den übergreifenden Fähigkeiten im Bereich des Projektmanagements zählen: • Kontextualisierung und Abgrenzung von Projektaufgaben und -tätigkeiten • Ziel- und ergebnisorientiertes Arbeiten Häufig sind verschiedene Unternehmensfunktionen wie Beschaffung, IT, Controlling, Marketing und HR in die Projektarbeit involviert, so dass funktionsübergreifendes Know-how aufgebaut und entsprechende Fähigkeiten entwickelt werden können. 4.3 Projektstudium ermöglicht den studienintegrierten Wechsel zwischen Theorie und Praxis Projekte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zur Erledigung von komplexen Aufgaben eingesetzt werden, zeitlich befristet sind und Personen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen bzw. Unternehmensabteilungen beteiligt werden. Die Projektmitarbeiter haben definierte Rollen zu erfüllen und sind damit in den Prozess der Projekterstellung verantwortlich eingebunden. In Unternehmen werden Projekte eingeführt, um Aufgaben schneller zu erledigen und der zunehmenden Spezialisierung aufgrund von arbeitsteiligen Prozessen entgegenzuwirken. Das Studiengangmodell eines Projektstudiums sieht vor, dass Studierende von Beginn ihres Studiums an in Unternehmensprojekte integriert sind und diese zum Teil eigenständig zu verantworten haben. Es wird darauf geachtet, dass die Anzahl der beteiligten Projektmitarbeiter überschaubar bei ca. sechs Personen liegt, so dass sinnvollerweise jeder aktiv an der Projekterledigung beteiligt wird und Möglichkeiten zum Feedback sichergestellt werden. Die Projekte müssen einen wissenschaftlichen Bezug haben, so dass eine Verknüpfung mit den Studieninhalten und der wissenschaftlichen Qualifikation ermöglicht wird. Eine weitere Anforderung ist die, dass die Studierenden die Inhalte der Projekte an das jeweilige Studienfach anpassen. D.h., ein angehender Betriebswirt wird nicht mit der Planung eines Gebäudes befasst, könnte aber in ein derartiges Projekt eingebunden werden, falls in dem Projekt betriebswirtschaftliche Expertise wie beispielsweise das Erstellen einer Wirtschaftlichkeitsrechnung erwartet wird. Weitere Kennzeichen der studentischen Projekte sind: • Lehrende verantworten die Beschaffung von geeigneten Projektaufträgen • Rückkoppelungsschleifen zwischen Projektarbeit und Theoriephasen • Projektauftraggeber im Unternehmen • Genügend große Komplexität der Aufgabenstellung • Abstufungen von Projektformaten, d. h. beispielsweise unterscheiden sich Projekte für Erstsemester von denen für Studierende des sechsten Semesters Zur effizienten Gestaltung des Verteilungsprozesses von angebotenen und nachgefragten Projektplätzen sollten an Hochschulen Projektbörsen analog zu Praktikumsbörsen institutionalisiert werden. Angebot und Nachfrage ließen sich dadurch besser zusammenführen. Der Nutzen digitaler Medien käme insofern zum Tragen, als ein wesentliches Charakteristikum von digitalen Medien die Möglichkeit zur Entgrenzung darstellt. D.h., raum- und zeitunabhängig lassen sich Lerninhalte abrufen, Statusberichte verfassen und Absprachen mit den Projektmitgliedern treffen. Nachfolgend werden getrennt nach den drei Perspektiven von Studierenden, von Unternehmen und von Hochschulen die Vorteile von Projektstudiengängen aufgezählt. Vorteile von Projektstudiengängen aus Sicht von Studierenden sind: • Frühzeitige Vernetzung mit Unternehmen als potentielle zukünftige Arbeitgeber • Einblick in politische Prozesse von Unternehmen: Lernen, was man nicht über Lehrbücher lernt • Lernen von Formen des kollaborativen Arbeitens • Blick über den eigenen Kompetenzhorizont hinaus • Größere Lernwirksamkeit aufgrund der geforderten Aktivitäten • Entdecken und Weiterentwickeln von Fähigkeiten Vorteile von Projektstudiengängen aus Sicht von Unternehmen sind: • Frühzeitiges Kennenlernen von Studierenden, die für das Unternehmen geeignet sein könnten (Personalauswahl, Talent Management, Recruiting) • Plattform für Unternehmensvertreter, die Vorteile des jeweiligen Unternehmens zu bewerben (Employer Branding) • Kontakte zu Lehrenden und Hochschulen: Vernetzung; gemeinsames Verfassen von Artikeln; Mitgestaltung von Curricula; zeitnaher Einblick in neue Forschungsergebnisse • Abschlussarbeiten gewinnen an praktischem Wert, wenn frühzeitig im Verlauf des Studiums reale Unternehmenssituationen zu bearbeiten sind Für Lehrende und Hochschulen kann das Angebot eines Projektstudiums aus den folgenden Gründen vorteilhaft sein: • Innovativer Ansatz, mit dem sich die jeweilige Hochschule von anderen Hochschulen abgrenzen kann • Einblick in aktuelle Unternehmensthemen • Möglichkeiten der Mitgestaltung des Beschäftigungssystems durch Anwendungsforschungen Übergeordnet sollten beispielsweise Studierende im Rahmen eines Projektstudiums auf Bachelorniveau mit betriebswirtschaftlichen Schwerpunkten neben der Beherrschung betriebswirtschaftlicher Grundkenntnisse eine Forscherhaltung entwickeln, wirtschaftswissenschaftliche Grundkenntnisse in gesellschaftliche Kontexte einordnen können sowie interdisziplinäres Denken ausprägen, um nicht zuletzt auch ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. PM_aktuell_01_2020.indb 38 PM_aktuell_01_2020.indb 38 20.02.2020 10: 38: 09 20.02.2020 10: 38: 09 Wissen | Vom Projekt Studium zum Projektstudium 39 DOI 10.2357/ PM-2020-0007 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Auf diesen Lehr-/ Lernzielen aufbauend sind folgende Inhalte für das Curriculum eines Projektstudiums mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt denkbar: • Wissenschaft als Basis des Studiengangs mit folgenden Modulen: - Wissenschaftsgeschichte - Wissenschaftstheorie - Empirische Sozialforschung - Qualitative Inhaltsanalyse - Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik mit dem Ziel, die Auswertung von Daten zu erlernen - Mindestens zwei schriftliche Seminararbeiten - Bachelorarbeit • Grundlagenfächer (Beispiele) (Kriterien: betriebswirtschaftliche Techniken stehen im Vordergrund; die Beherrschung der Fächer bedarf der Anleitung) - Wirtschaftsgeschichte bezogen auf BWL und VWL - Wirtschaftstheorie (u. a. Untersuchungsobjekte) - Finanzierung und Investition - Externes und internes Rechnungswesen - Bilanzierung • Einführungen in das Beschäftigungssystem - Abgrenzung unterschiedlicher Beschäftigungsformen - Besonderheiten von Crowd-Working - Bedeutung von New Work - Methoden des agilen Arbeitens - Projektmanagement u. a. in Abgrenzung zu Linienmanagement • Projektvorschläge (Beispiele) (Kriterien: Interdisziplinarität, Niveauabstufungen bezogen auf das jeweilige Studiensemester) - Strategie (z. B. Benchmarking) - Gründung (u. a. Finanzierungsmodelle) - Recht (u. a. Vertragsgestaltung) - Business Case (z. B. Abwicklung von Produkten) - Marktforschung (z. B. Kundenbefragung) Ein zum Projektstudium vergleichbarer Ansatz ist das Problem-Based Learning, ein Lernansatz, der zu den Säulen der Maastricht University zählt, in deren Mission die Verknüpfung aus akademischer und beruflicher Qualifizierung sowie aus Persönlichkeitsentwicklung betont wird: „The main mission of education at Maastricht University (UM) was, is and will be the integrated academic and professional development of the student. Teaching and learning therefore focus on both the academic and personal development of the student.” [5] Als Beispiel für Projektstudiengänge kann auch die technisch ausgerichtete University of Twente in Enschede gelten, die auf ihrer Homepage hervorhebt, dass Studierende regelmäßig zehn Wochen an einem Thema arbeiten, indem entsprechendes Wissen erlangt und in Projekten umgesetzt wird. [6] 4.4 Mögliche Fallstricke und Schwierigkeiten eines Projektstudiums Problematisch an einem Projektstudium könnte sich erweisen, dass Formate gegenüber Inhalten dominieren. Es besteht die Gefahr, dass das WIE wichtiger als das WAS wird, indem sich Studierende zwar mit Methoden auskennen, aber die entsprechenden Inhalte nicht beherrschen. Eng damit zusammen hängt die Gefahr, dass Lernen ausschließlich bei Bedarf („Learning on demand“) erfolgt und dabei auf der Metaebene die Bedeutung des „Lernen zu lernen“ verkannt wird. Jemand wird danach zwar für die Bewältigung der jeweiligen Projektarbeit qualifiziert, ohne sich die Fähigkeit anzueignen, Transferleistungen zu erbringen. Die Bildungssozialisation der aktuell Lehrenden ist geprägt durch die klassischen Lehr-/ Lernformate, so dass eine Transformation eines Studiengangs zu einem Projektstudium Verlernen und Neulernen für die Lehrenden bedeutet. Die Lehrenden werden zu Coaches, die den Studierenden beratend zur Seite stehen und weniger die Rolle als Vermittler von Stoffinhalten einnehmen. Von Studierenden wird erwartet, dass sie sich verstärkt Inhalte über das Selbststudium aneignen, da Vorlesungssequenzen in Phasen der Projektarbeit transformiert werden. Unternehmen müssten bereit und in der Lage sein, Projekte an Studierende zu vergeben, die einen realen Bezug haben und deren Erledigung erfolgskritisch ist. Anderenfalls handelt es sich nur um Simulationen oder unterwertige Aufgaben wie das Kopieren von Dokumenten. Die Bereitschaft zur Vergabe von echten Unternehmensprojekten geht einher mit einer Fehlertoleranz, da davon auszugehen ist, dass die Studierenden in die Aufgabenerledigung sukzessive hineinwachsen. Ein weiteres Problem könnte sich daraus ergeben, dass die Abhängigkeit von Hochschulen gegenüber Unternehmen wächst und damit die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt wird. Diesem Risiko sollten Hochschulen durch entsprechende Abgrenzungen gegenüber Unternehmen begegnen, ohne dabei die Kooperationen aufs Spiel zu setzen. J. Wildt unterteilt die möglichen Schwierigkeiten eines Projektstudiums in einerseits materielle bzw. organisatorische und andererseits inhaltliche Herausforderungen. [7] Zu den materiellen und organisatorischen Herausforderungen zählen u. a.: • Keine ausreichenden Betreuungskapazitäten durch die Lehrenden • Nicht vorhandene Räumlichkeiten für Kleingruppenarbeiten • Steigender inhaltlicher Abstimmungsbedarf zwischen verschiedenen Veranstaltungen • Nachweis individueller Leistungen in Bereichen, in denen es primär auf die Kooperation und das Teamergebnis ankommt • Eine zu kurze Zeitphase zur finalen Realisierung eines Projektes aufgrund der Semesterstruktur Die inhaltlichen Probleme umfassen zum einen die Fragestellung, inwieweit es gelingt, wissenschaftliches Wissen so zu formulieren, dass es zur Bearbeitung praktischer Probleme geeignet ist. Des Weiteren wird als problematisch die Ungeübtheit von Studierenden sowie der Hochschullehrer in Bezug auf Projektarbeit gesehen. Praktische Probleme müssen psychisch verarbeitet werden und praktische Erfahrungen in eine sprachliche Form gebracht werden. 5 Fazit Im Interesse einer verbesserten Zielharmonisierung und Zielerfüllung sollten Studiengänge stärker projektorientiert ausgerichtet werden. Unternehmensvertreter könnten frühzeitig ihre Erwartungen an Hochschulabsolventen in den Studienverlauf einbringen. Hochschulen könnten verstärkt Einfluss auf die Arbeitswelt ausüben. Studierende hätten die Möglichkeit, Theorie- und Praxiswissen jeweils in dem anderen Segment zu erproben und zu validieren. Es ergäbe sich eine PM_aktuell_01_2020.indb 39 PM_aktuell_01_2020.indb 39 20.02.2020 10: 38: 09 20.02.2020 10: 38: 09 Wissen | Vom Projekt Studium zum Projektstudium 40 DOI 10.2357/ PM-2020-0007 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Dr. Christoph Richter Herr Dr. Christoph Richter studierte Verwaltungswirtschaft, Wirtschaftswissenschaften und Bildungswissenschaften. Er hat unterschiedliche Managementfunktionen insbesondere im Controlling- und HR-Bereich wahrgenommen. Seit langer Zeit ist er nebenberuflich und zeitweise auch hauptberuflich als Dozent u. a. für nachhaltige Unternehmensführung tätig. Aktuell arbeitet er als Senior Experte für Placement Beratung bei der Deutschen Telekom AG. Anschrift Deutsche Telekom AG Telekom Placement Services Dr. Christoph Richter Business Projects Scheidtweiler Str. 4, 50 933 Köln Telefon-+49 221 339 829 403 E-Mail--christoph.richter@telekom.de Win-Win-Win-Situation zwischen Studierenden, Unternehmen und Hochschulen. Bei allen Vorteilen, die ein Projektstudium mit sich bringt, sollte dieses nicht als eine Geheimwaffe behandelt werden, mit der sich alle hochschulseitigen Zielkonflikte beseitigen lassen. [8] Literaturverweise [1] vgl. zu den folgenden Ausführungen: Richter, Christoph, Employability aus institutioneller Perspektive: Konzeption und empirische Untersuchung am Beispiel von privaten Hochschulen, Logos-Verlag, Berlin 2019. [2], [3], [7], [8] vgl. Wildt, Johannes: Projektstudium, in: Huber, Ludwig (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, Bd. 10, Ausbildung und Sozialisation in der Hochschule, Klett- Cotta, Stuttgart 1983, S. 671-674. [4] vgl. auch im Folgenden: pma-PROJEKT MANAGEMENT AUSTRIA (Hrsg.): pm baseline Version 3.1, 2018. [5] https: / / www.maastrichtuniversity.nl / education (abgerufen am 15. 08. 2019) [6] vgl. https: / / www.utwente.nl / de / bildung / uber-unserbildungsmodell/ (abgerufen am 15. 08. 2019) Eingangsabbildung: © iStock.com/ stancinc Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard-Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. 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Wir stellen hierzu die wichtigsten Ergebnisse unserer Studie vor, die die Veränderungen entlang der Kompetenzelemente der ICB4 untersucht, und diskutieren diese: Persönliche Kommunikation wird digitaler, was mit positiven Aspekten wie auch Risiken behaftet ist. Administrative Aufgaben etwa bei Terminmanagement, Dokumentation, Qualitätsmanagement können automatisiert werden, während Führung im engeren Sinne mit neuen Herausforderungen konfrontiert ist. Agile Praktiken werden zunehmend eingesetzt. Insgesamt scheint sich im Projektmanagement eine Fokussierung auf mehr spannende und kreative Tätigkeiten zu entwickeln. Schlagwörter | Projektmanagement, Digitalisierung, ICB4, PM-Lehre Durch Digitalisierung verändern sich Arbeitsplätze oder fallen sogar weg. Wie sieht es mit der Arbeit im Projektmanagement aus, was verändert sich und wie können Studierende darauf vorbereitet werden? Was können wir heute tun, um den Einsatz von neuen Techniken wie Künstlicher Intelligenz (KI) im Projektmanagement vorzubereiten? Wir stellen hier die wichtigsten Erkenntnisse unserer zusammen mit der GPM durchgeführten Studie zu diesem Themenkreis vor. 1 Digitalisierung und Projektmanagement Digitalisierung steht für die zunehmende Einführung und Verwendung digitaler Technologien und führt in allen Bereichen der Wirtschaft zu Veränderungen. Die Gesamtheit der Veränderungen, oft auch als Digitalisierung oder als digitale Transformation bezeichnet, betrifft die gesamte Gesellschaft (zur Begriffsklärung vgl. [1]). Die Gestaltung der Veränderungen wird aktuell aus vielen verschiedenen Perspektiven diskutiert. Der digitale Wandel entsteht im Wesentlichen durch eine Reihe technologischer Innovationen, die sich immer stärker in Unternehmen und der Gesellschaft etablieren (vgl. [2] S. 2 ff.). • Verfügbarkeit und Analyse-Möglichkeit großer Mengen digitaler Daten, • organisationale Nutzung sozialer Medien, • Cloud Computing, Wissen Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0008 31. Jahrgang · 01/ 2020 Kenndaten der Studie Umfragezeitraum 11. 05. 2018 bis 21. 08. 2018 Aufruf zur Studienteilnahme • Newsletter GPM und Fachgruppen • Alumni-Newsletter für Wirtschaftsingenieure der FH Münster • Veröffentlichung in markt- und wirtschaft westfalen • Bekanntmachung über facebook und XING Anzahl der Rückmeldungen 222 Rückmeldungen, davon 174 vollständig beantwortet Umfang Veränderungsabfrage zu jeder Projektmanagementkompetenz zzgl. 67 Thesen zu den Kompetenzbereichen der ICB4 Tabelle 1: Kenndaten der Studie PM_aktuell_01_2020.indb 41 PM_aktuell_01_2020.indb 41 20.02.2020 10: 38: 15 20.02.2020 10: 38: 15 Wissen | Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 42 DOI 10.2357/ PM-2020-0008 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 • Mobile Computing, • Internet der Dinge und Industrie 4.0, • intelligente Systeme und Künstliche Intelligenz und • neue digitale Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsprozesse. Der digitale Wandel vollzieht sich in Projekten, insofern ist Projektmanagement mitgestaltend wirksam, gleichzeitig ändern sich auch Prozesse im Projektmanagement durch digitalen Wandel und verändern die Anforderungen an die Kompetenzen von Projektmanagerinnen und Projektmanagern. Der Frage nach der Änderung an den Kompetenzen geht eine Studie zu „Auswirkungen der Digitalisierung auf Projektmanagement (PM-)Kompetenzen und PM-Lehre“ nach, deren Ergebnisse im Herbst 2019 zusammengestellt worden sind (vgl. [3]). Durchgeführt haben wir die Studie in Zusammenarbeit mit der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. 2 Über die Studie 2.1 Vorgehen bei der Studie Die Studie untersucht entlang der Kompetenzbereiche und -elemente der neuen Individual Competence Baseline 4.0 (ICB4), ob und welche Veränderungen erwartet werden. Grundlage ist eine 2018 durchgeführte Befragung, zu der GPM-Mitglieder und weitere, dem Thema nahestehe Personen eingeladen wurden. Insgesamt 174 Personen haben den umfangreichen Fragebogen so vollständig ausgefüllt, dass die Antworten in die Auswertung einfließen konnten (vgl. auch Kenndaten der Studie). Der umfangreiche Online-Fragebogen war in die drei Kompetenzbereiche gegliedert und erhob für jedes Kompetenzelement, • ob für das Kompetenzelement künftig eine Veränderung durch die Digitalisierung erwartet bzw. nicht erwartet wird und • wie groß die Zustimmung bzw. Nicht-Zustimmung zu aufgestellten Thesen ausfällt, die zu den Kompetenzelementen formuliert worden waren. • Zusätzlich wurde jeweils die Möglichkeit angeboten, qualitative Rückmeldungen in Form von frei formulierbaren Kommentaren zu geben. 2.2 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Erreicht werden konnte eine gute Durchmischung beim Alter und der Projektmanagement-Erfahrung der Teilnehmenden, ebenso bei den Branchen der Unternehmen, aus denen die Befragten stammen. Die Teilnehmer haben einen hohen Bildungsstand und bezeichnen sich selbst als recht IT-affin: auf einer Skala von 0 bis 10 wurde ein Durchschnittswert von 7,75 erreicht. Dies lässt vermuten, dass dem Thema der Digitalisierung eher aufgeschlossen gegenüberstehende Personen den Fragebogen beantwortet haben. Für die ausführlichen Ergebnisse verweisen wir auf die in [3] veröffentlichten Studienergebnisse und fokussieren uns im Folgenden auf einige Highlights und interpretieren diese auf Basis der eigenen Erfahrungen und Gesprächen mit Kollegen im Kontext zu dieser Studie. 2.3 Zur Repräsentativität der Studienergebnisse Die Teilnehmenden an der Studie stellen keinen repräsentativen Querschnitt für das Projektmanagement in Deutschland dar. Aufgrund des eher IT-affinen Teilnehmerkreises gehen wir davon aus, dass die Ergebnisse eher stärker und positiver in Richtung Digitalisierung ausgefallen sind oder die Ergebnisse etwas vor ihrer Zeit sind. Mit dem Rückenwind des Digitalisierungs-Hypes vermuten wir, dass es sich in diese Richtung weiter entwickeln wird. Gleichermaßen sind die kritischen Stimmen zu bewerten, sodass sich in Bezug auf die jeweiligen fachlichen Anwendungsgebiete im Projektmanagement in den nächsten Jahren noch ein differenzierteres Bild darstellen lässt. 3 Studienergebnisse 3.1 Kommunikation wird digitaler, aber bitte nicht ausschließlich Besonders viele Teilnehmende sehen Änderungen beim Kompetenzelement Persönliche Kommunikation, der Frage nach Veränderungen stimmen mehr als 75 % voll oder eher zu (im Folgenden jeweils vereinfacht als „stimmen (eher) zu“ bezeichnet). Aber wie sehen diese Veränderungen aus? Erwartet wird eine steigende Nutzung digitaler Werkzeuge für die Kommunikation. Fast alle Teilnehmenden erwarten hier eine Steigerung für die Verwendung synchroner digitaler persönlicher Kommunikation, wie z. B. Chatsysteme und Video Conferencing. Viele digitale Kommunikationswerkzeuge unterstützen eine asynchrone Kommunikation. Damit wird die Übermittlung von Informationen erleichtert. Überwiegend wird erwartet, dass sich dadurch der Austausch von Sachinformationen im Projekt in Bezug auf Schnelligkeit, Genauigkeit und Zielgerichtetheit verbessert. Bei Nachrichten, die ihren Schwerpunkt auf der Beziehungsebene haben, erscheint den meisten Teilnehmenden die asynchrone digitale Kommunikation nicht geeignet. Überwiegend pessimistisch sind auch die Aussagen zu der Anzahl der Kommunikationsprobleme in Projekten, die bekanntermaßen oft die Projektarbeit beeinträchtigen. Die Mehrheit der Teilnehmenden erwartet eher eine Verschlechterung in diesem Bereich. Analog wird mehrfach auf die bleibende Bedeutung der persönlichen Face-to-face-Kommunikation hingewiesen. Eine Reduktion wird als Risiko für die Projektarbeit identifiziert. Daher erscheint es wesentlich, als gute Grundlage für eine effiziente und effektive Kommunikation ein gemeinsames Verständnis vor der Nutzung digitaler Werkzeuge in einer Face-to-face-Kommunikation zu schaffen. Deutlich wird in der Studie, dass die Fähigkeit zur Nutzung digitaler Werkzeuge für die Kommunikation als wichtige Kompetenz wahrgenommen wird, aber auch das Erkennen der damit verbundenen Grenzen. In Abbildung 1 ist die Einschätzung der Befragten zu den Thesen zur Persönlichen Kommunikation im Überblick dargestellt. 3.2 Ablaufplanung und Terminmanagement aktueller und transparenter Bewährte Techniken zur Unterstützung der Kompetenzelemente Ablauf und Termine lassen sich-- schon heute-- durch die Nutzung digitaler Tools unterstützen und das wird hier zu Veränderungen führen. Dies haben auch die Teilnehmenden der Studie bestätigt: Rund 72- % stimmten dieser Aussage (eher) zu. In der Tat existieren einige Werkzeuge auf dem PM_aktuell_01_2020.indb 42 PM_aktuell_01_2020.indb 42 20.02.2020 10: 38: 15 20.02.2020 10: 38: 15 Wissen | Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 43 DOI 10.2357/ PM-2020-0008 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Markt, die es erlauben, gerade die Ablaufpläne gemeinsam zu bearbeiten und gezielt Feedback zu Terminen einzuholen. Abfragen per E-Mail und ein Feedback in Form von Berichten in Powerpoints und Excel kann hier, fokussiert auf das Terminmanagement, häufig schon integriert in einer Softwareplattform erfolgen. So bietet z. B. die Software Wrike die Möglichkeit an, eine Status-Aktualisierung der Arbeitspakete von den Verantwortlichen einzufordern. Auch in der agilen Projektorganisation, z. B. nach Scrum, ist über eine intensive Nutzung von entsprechenden Werkzeugen, wie z. B. Jira von Atlassian, der Fortschritt in Burndown-Charts ersichtlich. Die Verbindlichkeit eines den Sprints übergeordneten Projektziels bleibt weiter abhängig von den Veränderungen, die im Projektablauf berücksichtigt werden. Auch wenn eine stärkere Integration mit besserer Softwareunterstützung erfolgen kann, so muss die Erfassung der Fertigstellungsgrade und der Ableitung der noch erforderlichen Restzeit in der Regel manuell erfolgen. Daher liegt aktuell das Potenzial in der Unterstützung der administrativen Prozesse zur Einholung der Informationen und zur Aktualisierung des Projektplans. Dies wurde im Tenor auch von den Teilnehmenden der Studie so bestätigt. 3.3 Gegenstrom zur Digitalisierung und Visualisierungsunterstützung in Grenzen Neben dem Einsatz eines umfassenderen Softwarepakets weisen die Teilnehmenden der Studie auch auf die bleibende Bedeutung von informellem analogem Informationsaustausch hin. Nicht alle „Grautöne“ einer Information lassen sich „schwarz-weiß“ digitalisieren. Bemüht man das Modell von Friedemann Schulz von Thun [4], so ist der Sachinhalt einer Nachricht durchaus in vielen Fällen digital abbildbar. Die drei anderen Aspekte Appell, Beziehung und Selbstoffenbarung sind hingegen schwerer abzubilden bzw. müssten von dem Kommunikationspartner expliziert werden. Dies führt gerade in der Kommunikation zu neuen Herausforderungen (vgl. vorheriges Kapitel). In Bezug auf den Nachrichtenaspekt Beziehung und Selbstoffenbarung beinhaltet die Digitalisierung ein Risiko in Bezug auf die Kontextkompetenz Kultur und Werte. Hierzu sind die Teilnehmenden weitgehend indifferent (52,3 % erwarten (eher) Veränderungen, 43,1 % erwarten (eher) keine Veränderungen). Zudem besteht-- auch im Kontext der Digitalisierung-- seit mehreren Jahren ein Trend zu mehr analogen Methoden und haptischen Werkzeugen, wie zum Beispiel ein physisches Kanban-Board, die Gestaltung eines Project Canvas’ oder Methoden wie Design Thinking (vgl. [5], S. 174). Die Methodenauswahl und die Wahl der technischen Unterstützung wird eine zentrale Kompetenz für die Effizienz und Effektivität der Leistungserstellung in Projekten sein. Da sowohl die Methodenanwendung als auch die Abschätzung zum richtigen Grad der Digitalisierung im Wesentlichen auf Erfahrungswissen beruht, wird dies auch ein zentrales Thema für die Projektmanagement-Lehre sein, um neue Methoden vorzustellen und Chancen und Grenzen der Digitalisierung auch praktisch zu erproben. Visualisierung über digitale Tools zur Unterstützung von Strategie und Compliance bzw. Governance, Strukturen und Prozesse sind weitere Kompetenzbereiche, bei denen es zu Veränderungen kommen wird, welches auch durch die Teilnehmenden der Studie bestätigt wurde (rd. 71-% stimmten (eher) zu). Neue Visualisierungsmöglichkeiten, wie sie aus der Datenanalyse bekannt sind, und eine schlankere Darstellung von Projektmanagementergebnissen mit neu- Abbildung 1: Veränderungen bei der Persönlichen Kommunikation PM_aktuell_01_2020.indb 43 PM_aktuell_01_2020.indb 43 20.02.2020 10: 38: 15 20.02.2020 10: 38: 15 Wissen | Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 44 DOI 10.2357/ PM-2020-0008 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 2: Veränderungen bei Führung en Werkzeugen können auch diese Kompetenzen unterstützen. 3.4 Digitalisierung verbessert die Dokumentation Projektdokumentationen werden künftig ausschließlich in digitaler Form vorliegen und können digital erfasst werden. So sieht es zumindest die Mehrzahl der Teilnehmenden der Studie (rd. 69- % stimmten (eher) zu). Moderne Projektmanagementwerkzeuge unterstützen dies bereits, indem sie den Projektfortschritt dokumentieren, nicht nur auf Ebene von Meilensteinen und Veränderungen, sondern auch auf inhaltlicher Ebene. Was hier bereits in die Richtung einer vollautomatisierten Dokumentation geht, sehen die Teilnehmer aktuell jedoch noch nicht klar: Rund 56 % gehen (eher) davon aus, dass die Dokumentation vollautomatisiert erfasst wird. Hingegen sind ca. 33 % demgegenüber skeptisch eingestellt und lehnen daher diese These (eher) ab. Während Veränderungen in der Dokumentation bereits jetzt vollautomatisiert protokolliert werden können, ist die Feststellung des Fertigstellungsgrades eines Arbeitspaketes und Projektes in der Regel manuell zu erfassen. Auch erfolgt die Verschriftlichung von Arbeitsergebnissen in vielen Teilen manuell, obwohl-- je nach Projektgegenstand-- davon ausgegangen werden kann, dass auch hier- - z. B. mittels Künstlicher Intelligenz- - eine weitere Steigerung möglich erscheint. 3.5 Virtuelle Zusammenarbeit wird ermöglicht und birgt neue Herausforderungen für die Führung Digitale Tools ermöglichen und unterstützen neue Formen der Zusammenarbeit: Management-Aufgaben wie Teamsteuerung, Arbeitszuteilung, Fortschrittskontrolle und Behandlung von Abweichungen können über Tools unterstützt werden, so dass das Projektmanagement von solchen administrativen Führungsaufgaben entlastet wird. Es verschwimmt zum Teil die Ebene zwischen Projektmanagement und inhaltlicher Projektarbeit durch integrierte Tools, die eine komplette Umgebung sowohl für die Projektumsetzung als auch für das Projektmanagement bereitstellen. Die Abstimmung im Team kann damit einfacher und direkter erfolgen. Trotzdem entstehen durch die verstärkte gezielte Integration von Externen und verstärkte Nutzung von verteilten Teams sowie durch die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort gleichzeitig neue Herausforderungen für die Führung (vgl. Abbildung 2). Um ein solchermaßen arbeitendes Projektteam zusammenzuhalten, bedarf es mehr „Leadership“. Die eigentliche Führungsaufgabe im Projektmanagement bekommt mehr Bedeutung und wird-- so unsere Meinung-- noch spannender. 3.6 Qualitätsmanagement wird durch Digitalisierung unterstützt, aber weiteres Potenzial vorhanden Das Qualitätsmanagement in Projekten, konkret die Projektergebnis-, -realisierungs- und -managementqualität, liegt ebenfalls im Fokus der Digitalisierung. So können z. B. digitale Checklisten genutzt werden, um sowohl die Einhaltung und Bereitstellung als auch die Rückmeldung der Ergebnisse elektronisch zu unterstützen und zu verbessern. Hingegen sehen rund 56 % der Teilnehmenden, dass die Steuerung im Qualitätsmanagement durch digitale Tools (z. B. mittels digitaler Checklisten) allein hier (eher) nicht machbar ist. Eine volle Zustimmung haben nur 5,2 % der Teilnehmer gegeben. Während Instrumente im Qualitätsmanagement, wie z. B. Checklisten sich gut digitalisieren lassen, lässt sich der Erfolg eines guten Qualitätsmanagements hingegen nicht darauf reduzieren. Die Bewertung (für Projektergebnisqualität) und vor allem die Reflektion der eigenen Handlungen (vor allem im Bereich der Projektrealisierungs- und -managementqualität) lässt sich nicht so einfach digital abbilden. PM_aktuell_01_2020.indb 44 PM_aktuell_01_2020.indb 44 20.02.2020 10: 38: 16 20.02.2020 10: 38: 16 Wissen | Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 45 DOI 10.2357/ PM-2020-0008 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Während erste Aussagen über Kriterien wie Häufigkeit, Art und Umfang der Nutzung von entsprechender Projektmanagementsoftware und die Häufigkeit über die Durchführung von Qualitätsbetrachtungen sich formal erfassen lassen und damit einen Rückschluss auf die Konstanz und Intensität der Wahrnehmung von Projektmanagementaufgaben erlauben, ist die Bewertung der inhaltlichen Ausgestaltung entsprechender Prüfungen aktuell nur schwer möglich. Mit einem verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) erscheint hier eine weitere Steigerung möglich. Zentral ist dafür die Bereitstellung von dokumentierten Sachverhalten, sodass Daten vorhanden sind, eine KI entsprechend anzulernen. Hierzu ist in der Regel eine große Menge von Daten erforderlich, die einzeln in vielen Unternehmen nur schwer zu erhalten ist. Anbieter von cloud-basierter Software besitzen hierzu-- auch für anderen KI-Einsatz-- ein erhöhtes Potenzial (vgl. auch Abschnitt zu verstärktem KI-Einsatz im Projektmanagement). 3.7 Mit der Digitalisierung gehen mehr agile Praktiken einher Agile Vorgehensmodelle finden in den letzten Jahren zum einen den Weg aus der Softwareentwicklung, zum anderen haben viele Projekte Software als Projektgegenstand. Gerade im Kontext der Digitalisierung besitzen viele Projekte einen Bezug zu Software. Daher liegt es nahe, dass auch in diesen Bereichen agile Methoden wie Scrum genutzt werden. Zudem werden neue, meist agile Herangehensweisen wie Design Thinking, die Verwendung von Kanban-Boards und eine stärkere Nutzerorientierung fokussiert. Im Rahmen der Studie wurde der verbesserte Umgang mit Änderungen durch agilere Planungen hervorgehoben (vgl. auch im Folgenden Abbildung 3). Auch wenn Planungen agiler erfolgen, besteht hier grundsätzlich weiterhin die Herausforderung, dass mit der agilen Vorgehensweise eine Zeitplanung und Budgetplanung erschwert wird. Diesbezüglich muss berücksichtigt werden, dass bei festem Budget mit steigender Flexibilität und Änderungsbereitschaft es unter Umständen schwierig ist, das Ergebnis auf dem Weg zu definieren und / oder neue Funktionen / Leistungen einzubauen ohne andere Funktionen / Leistungen zurückzustellen. Nicht umsonst wird in Bezug auf agile Vorgehensweisen nicht nur von Methoden gesprochen, sondern Werte und ein sogenanntes agiles Mindset in den Vordergrund gerückt. Ein noch deutlicherer Einfluss wurde in Bezug auf eine begleitende Fortschrittskontrolle bestätigt. Dies kann durch begleitende Software besser dokumentiert werden. Zum anderen geht mit mehr Agilität die Abnahme von einzelnen Arbeitsergebnissen (Backlog / Sprint Items) einher, sodass hier davon ausgegangen werden kann, dass diese Entwicklung kleinschrittiger erfolgen und damit auch kleinschrittiger kontrolliert werden kann. Selbst das in Projekten häufig vernachlässigte und am Ende des Projektes platzierte Thema Lessons Learned rückt durch die Digitalisierung verstärkt in den Vordergrund und wird aus Sicht der Teilnehmer bereits projektbegleitend durchgeführt. Wir gehen davon aus, dass solche Retrospektive / Lessons-learned-Regeltreffen- - auch ohne agilen Projektanspruch- - zu einer besseren Fehlerkultur und einer besseren Wirkung im Projekt führen. Ein abschließendes Lessons learned am Ende eines Projektes ist ungünstig, wenn die Fokussierung zu diesem Zeitpunkt auf den noch offenen Aktivitäten und dem Abschluss des Projektes liegt. Lessons learned sollten ja eher eine Aufbruchstimmung erzeugen, durch neue Erkenntnisse zukünftige Fragen und Aufgabenstellungen anders anzugehen. Die Teilnehmenden der Studie haben bestätigt, dass mit der agilen Vorgehensweise, Aspekte wie das Lessons learned (auch Retrospektive) stärker in den Vordergrund rücken (rd. 70 % stimmten (eher) zu). 3.8 Bilanz für das Projektmanagement und Bewertung der Ergebnisse Projekte sind einmalige Vorhaben-- so steht es in der Definition. Automatisierbar sind vor allem wiederholbare und stan- Abbildung 3: Veränderungen bei Planung und Steuerung PM_aktuell_01_2020.indb 45 PM_aktuell_01_2020.indb 45 20.02.2020 10: 38: 16 20.02.2020 10: 38: 16 Wissen | Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 46 DOI 10.2357/ PM-2020-0008 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Scrum, Kanban, PRINCE2 ® Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen projektron.de ISO 27001 zertifiziert Wir suchen Mitarbeiter für: München / Stuttgart Hamburg / Berlin Projektmanagement-Software Projektron BCS dardisierbare Aktivitäten, von denen es in der Projektarbeit zweifelsohne auch Anteile gibt. Kommunikation im Projekt wird durch Tools erleichtert, sofern die Tools angemessen eingesetzt werden. Sich die Automatisierbarkeit von Tätigkeiten im Projektmanagement zunutze zu machen, schafft Freiräume für kreative Aufgaben. Kreative und agile Problemlösungen sind in einer „VUCA-Welt“ mehr denn je gefragt, dies zu moderieren wird von Projektmanagerinnen und Projektmanagern gefordert und macht die Tätigkeit spannend und herausfordernd. Die „echten“ Führungsaufgaben im Projektmanagement gewinnen an Bedeutung. Gleichzeitig werden administrative Aufgaben, die vormals manuell erfolgen mussten, besser technisch unterstützt bis ggf. sogar automatisiert. Das, was an der jeweiligen Projektsituation, an der zu erstellenden Leistung und den beteiligten Stakeholdern einmalig und nicht gut vorhersehbar ist, ist nur bedingt „digitalisierbar“: Genau für die kreative Arbeit, die dafür erforderlich ist, ist persönliche Kommunikation mit Augenmaß, Kreativität, Improvisation, Beziehungsarbeit u. a. m. unabdingbar. Insgesamt fällt nach unserer Meinung die Bilanz der Veränderungen durch Digitalisierung für das Projektmanagement eher positiv aus. Sie besteht aus vielen Potenzialen, die von einer Reihe von Personen aktiv umgesetzt werden und in die Projektarbeit integriert werden. Die Fähigkeit abzuschätzen, wann und wo eine stärkere Digitalisierung Prozesse unterstützt oder Risiken steigert und ggf. sogar Prozesse hemmt, wird eine zentrale Kompetenz im Projektmanagement werden. 4 Resonanzen zur Studie 4.1 Nachfrage der Studienergebnisse Die Digitalisierung und deren Auswirkungen in allen Bereichen der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens ist ein hochaktuelles Thema. Dementsprechend erhielten wir schon während der Auswertung sehr viele Nachfragen zu ersten Studienergebnissen, die Mehrzahl kam von Studierenden, die verwandte Themen zu unserer Studie in ihren Abschlussarbeiten betrachten. In der Folge sind wir wiederum von einigen der Interessenten befragt worden, die Gespräche kamen auf Aussagen, wie sie auch in unserer Studie herausgearbeitet werden konnten. Während wir in der Studie über abstrakte digitale Tools sprechen, gehen andere Arbeiten der Frage nach konkreten Tools, die für bestimmte Projektmanagement-Aufgaben geeignet sind, nach. Dies betrifft sowohl die Bereiche der Kommunikation wie auch der Unterstützung von PM-Prozessen im Sinne von Automatisierung. Durch den zunehmenden Einsatz von agilen oder hybriden Praktiken entstehen auch neue Anforderungen an Tools, so dass hier für Entwicklung und Forschung derzeit viele neue Betätigungsfelder entstehen. 4.2 Künstliche Intelligenz im Projektmanagement: Thema der Datenbasis Auch die Frage nach dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Projektmanagement stellt sich im Zusammenhang mit unserer Studie. Einige Studienteilnehmer haben bei den Antworten darauf hingewiesen. Mit KI könnten für das Projektmanagement wichtige Muster erkannt und daraus Vorhersagen gewonnen werden- - so ein möglicher Einsatz für unser Gebiet: kritische Zusammenhänge zum frühzeitigen Aufzeigen von potenziellen Problemen im Projekt erkennen und nutzen, sogar direkt behandeln und zwar besser als professionelle Projektmanagerinnen und Projektmanager es mit dem „siebten Sinn“ können. Das könnte ein ideales Feld sein und in der Tat Arbeitsplatzängste bei Projektmanagement-Experten auslösen. Die Systeme zur Mustererkennung sind so gut wie die Daten, die sie dafür nutzen. In der Praxis sind Daten, die potenzielle Probleme in Projekten beinhalten könnten, oft (noch) gar nicht digital erfasst oder an verschiedenen Stellen erfasst und müssten erst zueinander geführt werden. Sie müssten auch in einer Menge und Breite vorliegen, die sie für Auswertungen zur Mustererkennung relevant machen. Die erste Aufgabe auf dem Weg zum Einsatz von KI im Projektmanagement muss daher sein, sich über die Sammlung von Daten Gedanken zu machen und diese dann zu beginnen. 5 Erkenntnisse für die PM-Lehre Aufgrund der Studienergebnisse liegen Hinweise vor, welche Veränderungen an den PM-Kompetenzen zu erwarten sind, weniger, was sich an der Vermittlung derselben ändern muss. Die Digitalisierung hält gleichzeitig auch in der Lehre Einzug. Inhalte, die zuvor mit Tafel und Kreide oder aus einem Buch vermittelt worden sind, sind heute zunehmend in digitaler Form vorhanden und werden auch genutzt: Lernvideos, elektronisch unterstützte Tests, interaktive Module und Live-Votings der Lernenden, Übertragung von Vorträgen, Online-Meetings in virtuellen Gruppen, elektronisch unterstützte Diskussionsforen- - um nur einige der Möglichkeiten zu nennen. Ein weiterer, sich stärker verbreitender Ansatz ist das Modell des Flipped Classroom. Dabei nutzen die Lernenden im Vorfeld der Veranstaltung Zeit, die sie sonst für die Nachbereitung zur Verfügung haben, um sich auf die Veranstaltung vorzubereiten, sodass in der Präsenzzeit viel stärker Anwendungskompetenzen und Übertragungskompetenzen in den Fokus rücken. Diese für die Digitalisierung im Projektmanagement wichtigen Kompetenzen können so stärker adressiert werden. So bietet eine Projektmanagement-Veranstaltung eine gute Gelegenheit, virtuelle Projektarbeit nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu üben und die Lernenden so an den Einsatz digitaler Tools für Kommunikation und Unterstützung der Projektarbeit heranzuführen. Überraschend ist die Erkenntnis, dass viele der sogenannten „Digital Natives“ weniger gut mit manchen Tools umgehen können als man ihnen unterstellen würde. Eine systematische Einführung in grundlegende digitale Tools zur Kommunikation und für die Schreibtisch-Organisation erscheint somit für die Studierenden wünschenswert. Die Grenzen dieser Tools könnten dann gleich mitthematisiert werden. Die Vorstellung und kurze Einübung spezieller PM-Tools-- zur Unterstützung der Ablaufplanung im klassischen, agilen oder hybriden Vorgehen- - bleiben einer Projektmanagement-Veranstaltung vorbehalten. Hier ist eine bessere Zusammenarbeit mit Herstellern wünschenswert, um eine aufwands- und kostenarme Bereitstellung von Tools, die „State-of-the-Art“ darstellen, für die Lehre zu gewährleisten. PM_aktuell_01_2020.indb 46 PM_aktuell_01_2020.indb 46 20.02.2020 10: 38: 16 20.02.2020 10: 38: 16 Wissen | Auswirkungen der Digitalisierung auf das Projektmanagement 47 DOI 10.2357/ PM-2020-0008 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 6 Dank Abschließend danken wir allen Teilnehmern der Studie, die den umfassenden Fragebogen beantwortet haben sowie allen, die mit uns über Vorgehen und Inhalte diskutiert haben und unser Verständnis damit weiterentwickelt haben. Literatur [1] Bendel, O.: Digitalisierung. In: Gabler Wirtschaftslexikon online, Wiesbaden, 2019. [2] Urbach, N.; Ahlemann, F.: IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung. SpringerGabler, Berlin, Heidelberg, 2016. [3] Feldmüller, D.; Rieke, T.: Auswirkungen der Digitalisierung auf Projektmanagement (PM)-Kompetenzen und PM-Lehre. GPM Deutsche Gesellschaft für P r o j e k t m a nagement e. V., Nürnberg 2019. [4] Schulz von Thun, F.: Miteinander Reden 1; Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation Rowohlt: Hamburg 1981. [5] Timinger, H.; Seel, C.: Vision und Reifegradmodell für digitalisiertes Projektmanagement. In: T. Barton, C. Müller, C. Seel (Hrsg.): Digitalisierung in Unternehmen, Springer 2018, S. 159.175. Prof. Dr. Dorothee Feldmüller Prof. Dr. rer. nat. Dorothee Feldmüller ist Professorin für Wirtschaftsinformatik auf dem Campus Velbert / Heiligenhaus der Hochschule Bochum. Zuvor war die promovierte Mathematikerin lange Jahre in der IT tätig, sie leitete als freie Projektleiterin und Beraterin zahlreiche IT- Projekte in Unternehmen. Seit 2004 ist sie auch aktiv bei der GPM. Hochschule Bochum Campus Velbert / Heiligenhaus Kettwiger Str. 20 42 579 Heiligenhaus Tel. +49 2056 5848 - 16 721 E-Mail: dorothee.feldmueller@hs-bochum.de Prof. Dr. Tobias Rieke Prof. Dr. Tobias Rieke ist seit 2014 Professor für Digitalisierung und Projektmanagement am Institut für Prozessmanagement & Digitale Transformation der FH Münster und dort seit 2015 Projektleiter für Digitalisierungsprojekte. Davor war er als Softwareentwicklungsleiter und Berater im Kontext der Prozessoptimierung in vielen Projekten tätig. FH Münster Institut für Prozessmanagement und Digitale Transformation Bismarckstraße 11 48 565 Steinfurt Tel. +49 2551 9 - 62 544 E-Mail: tobias.rieke@fh-muenster.de Foto: FH Münster / Pressestelle Eingangsabbildung: © stock.adobe.com/ vegefox.com Scrum, Kanban, PRINCE2 ® Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen projektron.de ISO 27001 zertifiziert Wir suchen Mitarbeiter für: München / Stuttgart Hamburg / Berlin Projektmanagement-Software Projektron BCS Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 47 PM_aktuell_01_2020.indb 47 20.02.2020 10: 38: 17 20.02.2020 10: 38: 17 48 DOI 10.2357/ PM-2020-0009 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? Kathrin Reinicke, Doris Weßels Für eilige Leser | Die facettenreiche Rolle und das Verhalten der „Faker“ in der Projektkommunikation in der VUCA-Welt gelten als wenig erforscht. Dieser Beitrag untersucht die Rolle und das Verhalten der „Faker“ unter diesen drei Fragestellungen: • Nehmen „Faker“ in der Rolle eines Projektleiters bzw. einer Projektleiterin im digitalen Zeitalter und mit wachsender Komplexität und Kritikalität der Projekte zu? • Wieviel „Fakertum“ brauchen komplexe Projekte im digitalen Zeitalter, um erfolgreich sein zu können? • Wenn „Fakertum“ zunimmt, müssen wir uns im Projektmanagement mit dieser „neuen“ Rolle oder dem spezifischen Verhalten auch stärker wissenschaftlich auseinandersetzen (Wirtschaftsethik, Verhaltenspsychologie, Human Resource Management usw.)? Schlagwörter | Fake, Faker, Fake News, Scheitern, Projektscheitern, Krise, Projektkrise, Projektkommunikation, Stakeholder-Kommunikation Wer kennt sie nicht? Die Blender, Hochstapler, Zweckoptimisten, die bis zuletzt die Fassade der heilen Welt hochhalten. Und irgendwann bröckelt die Fassade der Potemkinschen Dörfer, die Zweifel mehren sich und dann ist der „Faker“ plötzlich von der Bildfläche verschwunden, getreu dem Motto: „Ich bin dann mal weg“. Haben diese Akteure in ihrer Rolle als Projektverantwortliche und der damit verbundenen Medienarbeit und Stakeholder-Kommunikation bewusst als (negativ zu bewertender) „Faker“ agiert, sahen sie sich einer ausweglosen Zwangssituation ausgeliefert oder wollten sie ihrem Projektteam den Rücken freihalten und „Hoffnung“ auf eine vermeintlich positive Projektentwicklung verbreiten, die sie als Individuum zu ihrem Handeln führte? 1 Von Fake News bis hin zum Deep Fake Fake News betreffen uns alle. Das Meinungsforschungsinstitut Kantar hat im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine Umfrage zum Erkennen von Fake News durchgeführt. Demnach ist der Wahrheitsgehalt von 61 Prozent der Befragten aus Deutschland nur „eher schwer“ bis „sehr schwer“ zu bewerten [1]. Die TV-Moderatorin Anja Reschke hat in ihrer Keynote „Die Verantwortung des Journalismus in Zeiten des Populismus“- auf dem Nürnberger PM Forum am 22. Oktober diese Problematik und die vielfältigen Implikationen der „Fake News“ zum Projektmanagement eindrucksvoll aufgezeigt. Es stellt sich die Frage, ob die negativen Entwicklungen der Kommunikation in den Medien auch die Kommunikation im Business demoralisieren. Wird die Kommunikation in der Projektarbeit zunehmend korrumpiert durch den Moral- und Werteverlust in der gesellschaftlichen Kommunikation, wie wir sie eindrucksvoll täglich auf den gängigen Social Media-Plattformen wie z. B. Twitter und Facebook erleben? Bei der Frage der Medienkompetenz droht nach Meinung von Anja Reschke zusätzlich noch eine Generationenproblematik, derzufolge die ältere Generation tendenziell weniger medienkompetent sei als die jüngere Generation. Während ihrer Beobachtung nach die jüngere Generation-- im digitalen Zeitalter aufgewachsen als „Digital Natives“-- ohnehin nicht glaubt, was sie liest, sind Vertreter der älteren Generation mit Qualitätsjournalismus groß geworden und tendenziell „gläubiger“ beim Lesen von Informationen. Mit Bezug zum Projektmanagement bedeutet diese Beobachtung, dass gerade ältere Business-Akteure besonders leichte „Opfer“ von Fake News sein könnten. Diese Aussage polarisiert sicherlich, denn der Erfahrungsschatz älterer Menschen und ihre Menschenkenntnis dürften sehr häufig als erfolgreiche Schutzmechanismen wirken. Wissen „Faker“ im Projektmanagement - ein Phänomen unserer Zeit? DOI 10.2357/ PM-2020-0009 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 48 PM_aktuell_01_2020.indb 48 20.02.2020 10: 38: 18 20.02.2020 10: 38: 18 Wissen | „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? 49 DOI 10.2357/ PM-2020-0009 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Mit dem Blick in die Zukunft und den technologischen Möglichkeiten des Produzierens von „Fake News“ drohen durch den Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ erschreckende Entwicklungen. Die sehr anspruchsvolle Herausforderung, manipulierte Bilder zu erkennen, hat Anja Reschke in ihrer Keynote in Nürnberg an einigen Bespielen eindrucksvoll dargestellt. Nun kommt aber bereits die nächste große Herausforderung auf uns zu: Die Manipulation von Sprache ergänzt im multimedialen Zeitalter das manipulierte Bild. Mit öffentlich zugänglichen Werkzeugen werden durch die Kombination von Bildern und Stimme audiovisuelle „Deep Fakes“ generiert. Das sogenannte „Real Time Voice Cloning“ [2] entwickelt sich mit großer Geschwindigkeit und wird damit zu einer Bedrohung unserer Kommunikationsvorgänge, siehe auch das frei verfügbare Tool unter https: / / github.com / CorentinJ / Real-Time-Voice-Cloning (Aufruf: 20. 10. 2019). Wohin diese Entwicklung in unserer Gesellschaft führen wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen. Es wird ein „Hase-Igel“-Spiel werden, das zwischen der Produktion gefakter Bilder über Stimmen bis hin zur Kombination audiovisueller Videosequenzen und der Entdeckung hin und her pendeln wird. 2 Der Begriff „Faker“ Die Begriffsdefinition „Faker“ fällt schwer. Das Gabler Wirtschaftslexikon leitet den Begriff „Faker“ von den „Fake News“ ab und orientiert sich an dem Bild des Hochstaplers, der aus persönlichen oder auch wirtschaftlichen bis hin zu politischen Motiven handelt: „Ein Fake ist nach der Bedeutung im Englischen eine Fälschung, eine Täuschung, eine Attrappe, oder ein Hochstapler und ein Simulant (Faker). Fake News sind Falsch- und Fehlinformationen, die häufig über elektronische Kanäle (vor allem soziale Medien) verbreitet werden. Sie gehen von Einzelnen oder Gruppen aus, die in eigenem oder fremdem Auftrag handeln“ [3] Die Konnotation des Begriffs „Fake“ ist, wie in der obigen Definition unschwer zu erkennen, zunächst einmal eindeutig negativ. In der Praxis der Projektarbeit und mit Blick auf die exponierte Rolle des Projektleiters ist eine differenziertere Sichtweise und Bewertung seines Handelns im Projektkontext notwendig. Wir alle kennen den Begriff der Notlüge. Es stellen sich für uns persönlich und auch im organisatorischen Kontext immer wieder die moralischen und ethischen Fragen unseres Handelns. 3 Erfolgsfaktoren in der Projektarbeit versus Projektleiter als „Faker“ Die 5. D-A-CH Forschungswerkstatt der GPM am 29. und 30. Oktober 2018 an der HTW Berlin unter dem Titel: „Emotionales Projektmanagement- - Ein Plädoyer für einen neuen Umgang mit Scheitern in Projekten“ hat die Gründe für das Scheitern von Projekten, die Entwicklung von Projektkrisen, das Verhalten und die Kommunikation der Akteure intensiv analysiert . Auf Basis der Diskussionen zu gescheiterten und kritischen Großprojekten (z. B. Elbphilharmonie, Flughafen Berlin Brandenburg) konnten folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: • Komplexität in Projekten wird (immer noch) unterschätzt und / oder nicht erkannt. • Das Phänomen des Nicht-Lernens in der Projektarbeit ist gerade bei den Großprojekten und „spektakulären“ Wiederholungsfehlern (z. B. Spitalbauten in Wien) immer wieder zu beobachten. • Das Wertebündel „Glaube, Hoffnung und Vertrauen“ ist sowohl ein starker positiver wie auch negativer Hebel für den Projekterfolg: - Wesentliche Erfolgsfaktoren in der Projektarbeit und im Umgang mit den Stakeholdern sind Glaube, Hoffnung und Vertrauen. - Mangelt es im Projektteam an dem gemeinsamen Glauben, der Hoffnung und dem Vertrauen, doch noch das Projektziel zu erreichen, droht das Scheitern. • Die Projektleitung entpuppt sich in Krisenprojekten häufig als „Faker“ in der Projektkommunikation. Es stellt sich zunächst die Frage, ob „Faker“ in der Rolle eines Projektleiters bzw. einer Projektleiterin im digitalen Zeitalter und mit wachsender Komplexität und Kritikalität der Projekte vermehrt auftreten. Die Antwort auf diese Frage kann nicht präzise formuliert werden: Neben der Definitions- und Bewertungsproblematik rund um den Begriff „Faker“ sind wissenschaftliche Studien nicht verfügbar. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Verbreitungsgeschwindigkeit inkl. der potenziellen Reichweite zur Verbreitung von Falsch- oder Fehlinformationen zunehmen und gleichzeitig die Einstiegshürden auf den Social Media-Plattformen abnehmen. Im Ergebnis steigt durch die Kombination dieser beiden Entwicklungen das Risiko der Verbreitung von Fake News drastisch an. Welche Implikationen lassen sich für das Projektmanagement formulieren? Offenbar steht die Projektleitung als „Faker“ dem positiv konnotierten Wertebün- Abbildung 1: „Faken“ versus Wertebündel „Glaube, Hoffnung und Vertrauen“ PM_aktuell_01_2020.indb 49 PM_aktuell_01_2020.indb 49 20.02.2020 10: 38: 19 20.02.2020 10: 38: 19 Wissen | „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? 50 DOI 10.2357/ PM-2020-0009 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 del „Glaube, Hoffnung und Vertrauen“ diametral entgegen (siehe Abbildung 1). Diesen Antagonismus von Fake vs. obigem Wertebündel gilt es, differenziert zu analysieren: • Wie starr oder wie durchlässig ist diese Grenze in der Praxis in den vielen Kontexten und Situationen der täglichen Projektarbeit für den Projektleiter bzw. die Projektleiterin? • Wieviel „Fakertum“ brauchen komplexe Projekte im digitalen Zeitalter, um erfolgreich sein zu können? • Müssen wir uns im Projektmanagement mit dieser „neuen“ Rolle oder dem spezifischen Verhalten des „Fakers“ auch stärker wissenschaftlich auseinandersetzen (Wirtschaftsethik, Verhaltenspsychologie, Human Resource Management usw.)? 4 Bewertung und Wertmaßstäbe für das Faken Bei der Bewertung des „Fakes“ geht es um den schmalen Grat der Integrität und Glaubwürdigkeit des Projektleiters und der Ambivalenz seines Verhaltens im digitalen Zeitalter, das durch erhöhte Kommunikationsgeschwindigkeit, hoch vernetzte Projektstrukturen und wachsende Projektkomplexität geprägt ist. In Zeiten eines hohen Projektdrucks und wachsender Anforderungen der Stakeholder wird das individuelle Verhalten der Akteure häufig über die Projektzielsetzung zu legitimieren versucht- - ganz im Sinne des Machiavelli-Ansatzes „Der Zweck heiligt die Mittel“. Ein solches Verhalten, das häufig geprägt ist vom „Tarnen, Tricksen und Täuschen“, wird im psychologischen Kontext als Machiavellismus beschrieben. Diese Persönlichkeitsdimension wird charakterisiert als ein „strategisch-manipulatives und pragmatisch-opportunistisches Verhalten. Personen mit ausgeprägtem Machiavellismus verstehen es, andere für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, und können hierdurch sehr erfolgreich sein“ [3]. Bezeichnend für diese Persönlichkeitstypen sind Aussagen wie: • „Im Umgang mit Menschen ist es am besten, ihnen das zu sagen, was sie hören wollen.“ • „Es ist nicht so wichtig, wie man gewinnt, sondern, dass man gewinnt.“ [4] Im Jahr 2002 wurde der Begriff der „Dunklen Triade der Persönlichkeit“ von den kanadischen Psychologen Delroy Paulhus und Kevin Williams geprägt. Unter diesem Begriff werden neben dem oben skizzierten Machiavellismus noch die zwei weiteren Persönlichkeitsdimensionen: • Narzissmus (Selbstbezogenheit, übersteigende Wahrnehmung der eigenen Wichtigkeit und überzogenes Anspruchsdenken) und • Psychopathie (Gefühlskälte, fehlende Empathie, fehlendes Verantwortungsbewusstsein und asoziales Verhalten) zu einem dreidimensionalen Persönlichkeitsmodell zusammengefasst, das in der Schnittmenge aller drei Merkmale eine besonders „dunkle“ Persönlichkeit beschreibt, siehe Abbildung 2. Aus Sicht der Psychotherapie trägt aber jeder Mensch diese drei Merkmale in unterschiedlichen Ausprägungen in sich [5]. Mit Bezug zum „Faker“ stellen sich viele Fragen, die das Spektrum der möglichen Bewertungsdimensionen widerspiegeln: • Nach welchen moralischen oder ethischen Maßstäben werden „Faker“ bewertet? Was macht sie sympathisch oder auch unsympathisch? • Haben wir eine verborgene oder auch emotionale Sehnsucht nach „Fakern“? In welchen Situationen wollen wir ihnen (gerne) glauben? Wollen wir sogar bisweilen betrogen werden? 5 Das Idealbild eines Projektleiters-- der Gegenpol zum „Faker“? Aus der Perspektive von Solga und Blickle im Jahr 2009 [5] war die politische Dimension der Projektarbeit bisher nicht ausreichend wahrgenommen und analysiert worden. Als Begründung für die notwendige Berücksichtigung der häufig negativ konnotierten politischen Dimension wurden drei Aspekte von ihnen angeführt, deren Relevanz heute noch stärker ausgeprägt sein dürfte: • Unsicherheiten bei Handlungen, Planungen und Entscheidungen (Ambiguität oder auch organisationale Ungewissheitszonen) • Unzureichende Bereitstellung notwendiger Ressourcen (Humanressourcen, finanzielle Mittel, Zeitrahmen und Macht) • Abhängigkeiten von vielen Stakeholdern mit teilweise konträren Interessen. Wenn die formale Macht der Projektleitung nicht ausreichend gegeben ist, kann laut Solga und Blickle die Reputation zur Kompensation dienen. Zusammen mit der Expertenmacht und der sogenannten „charismatischen Macht“ (Identifi- Abbildung 2: Dunkle Triade der Persönlichkeit (Paulhus / Williams) PM_aktuell_01_2020.indb 50 PM_aktuell_01_2020.indb 50 20.02.2020 10: 38: 19 20.02.2020 10: 38: 19 Wissen | „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? 51 DOI 10.2357/ PM-2020-0009 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 kations-/ Beziehungsmacht) stellen sie die Machtbasis für Projektleiter dar. Mit Blick auf die angestrebte erfolgreiche Kommunikation und Steuerung der Stakeholder wird die „mikropolitische Kompetenz“ in Form der folgenden vier Dimensionen als besonders erfolgsrelevant bewertet [5]: • Hohe Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit (soziale „Scharfsinnigkeit“) • Netzwerkorientierung • Authentizität und Integrität im Auftreten • Interpersonelle Einflussnahme (fair, nicht manipulativ). Dieses idealtypische Bild eines Projektleiters betont den hohen Wert der Reputation und zugleich die positiven Merkmale eines integren und authentischen Projektleiters, der auf manipulative Maßnahmen verzichtet. Die empirische Studie von Peters und Weßels aus dem Jahr 2013 [6] ergänzt dieses idealtypische Kompetenzbild um weitere erfolgsrelevante Merkmale eines Projektmanagers (dargestellt als X-Shaped Manager) mit dem Fokus auf hoch vernetzte Projektstrukturen: • Zuverlässige, gut vernetzte Führungskraft mit Weitblick-- mit ausgeprägten System- und Managementfähigkeiten und Selbstvertrauen im Umgang mit der Balance zwischen Management und Freiraum für die beteiligten Netzwerkakteure, um Vertrauen in allen Phasen der Arbeit im Netzwerk zu schaffen. • Stimulator und Eventmanager-- mit der Fähigkeit, Events und Kreativität zu gestalten, um Dynamik zu erzeugen und Erfahrungswerte zu schaffen. • Innovator- - analytisch, mit intellektueller Flexibilität und Offenheit für Strukturen, Prozesse, Themen und Akteure. • Netzwerkbotschafter-- gekennzeichnet durch ausgeprägte Kommunikationskompetenzen als Repräsentant und Vertreter des Netzwerks nach außen. Auch hier werden positive Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale hervorgehoben. Der Projektleiter gibt Raum zur Entfaltung, wird akzeptiert und genießt hohes Vertrauen innerhalb und außerhalb des Projektteams. Diese positiven und idealtypischen Merkmale stehen offensichtlich in klarem Widerspruch zum „Faken“ und einem Projektleiter als „Faker“. Es stellt sich aber die Frage, ob situations- und kontextspezifisch auch das „Faken“ als zielführend und selbst von den Projektteammitgliedern als positiv oder zumindest „sympathisch“ bewertet werden kann. 6 Einstieg in Studien und erste Untersuchungsergebnisse Auf dem PM Forum 2019 am 22. 10. 2019 wurden in einem Workshop mit 17 Teilnehmenden die charakterisierenden Merkmale eines „Fakers“ in der Rolle eines Projektleiters untersucht. Die Ergebnisse dieses Workshops sind nicht repräsentativ und dürfen somit nicht als wissenschaftlich fundiert bewertet werden. Sie können nur eine erste Indikation als Antwort auf die formulierten Fragestellungen liefern. Die in Abbildung 3 aufgeführten Auswahlstatements wurden den Teilnehmenden des Workshops zunächst erläutert. Anschließend wählte jeder Teilnehmer bzw. jede Teilnehmerin aus diesem Antwortspektrum auf Basis eigener Praxiserfahrungen maximal drei führende Merkmale aus. Den Erfahrungen dieser Gruppe folgend, dominieren insbesondere persönliche Karriereziele das Verhalten und „Blender“ treten vermehrt auf. Bezugnehmend auf das Konzept der „Dunklen Triade der Persönlichkeit“ (siehe Abbildung 2) treten die Persönlichkeitsdimensionen des Narzissmus (Selbstbezogenheit, übersteigende Wahrnehmung der eigenen Wichtigkeit und überzogenes Anspruchsdenken) und der Psychopathie (Gefühlskälte, fehlende Empathie, fehlendes Verantwortungsbewusstsein und asoziales Verhalten) deutlich hervor. Aber auch positivere Verhaltensmerkmale und Verhaltensweisen wie Engagement, Belastbarkeit und Opferbereitschaft werden explizit genannt. Welche 3 führenden Merkmale zeichnen eine*n Faker*in in der Rolle eines Projektleiters bzw. einer Projektleiterin aus? (s.-Abbildung 3) Eine Zielsetzung des Workshops bestand darin, den Übergang von der negativen auf die positive Seite der Bewertung des „Fakens“ präziser zu analysieren. Daher wurde in der folgenden Fragestellung, siehe Abbildung 4, gezielt der „Sympathiefaktor“ aus der Perspektive des Projektteams beleuchtet. Was macht eine*n Faker*in als PL aus Ihrer Sicht als Mitglied im Projektteam sympathisch? (s. Abbildung 4) Bei dieser Fragestellung und den Antworten dominiert der „Zeitgewinn“, den der*die Projektleiter*in durch das Faken erzielt. Ein Projektteam honoriert somit ganz offensichtlich die „Schutzwirkung“ eines*r engagierten Projektleiters*in, der*die auch in schwierigen Projektphasen Rückgrat zeigt und Stehvermögen hat. Mit dem Bezug zum Konzept der 1. persönliche Karriereziele dominieren das Verhalten 79 % 2. Blender*in, überschätzt sich ständig selbst, eitel und häufig rücksichtslos mit narzisstischer Veranlagung 63 % 3. manipuliert gerne sein Umfeld 47 % 4. ist letztlich ein „Opfer“ und mit der Projektleitung und dem Anforderungsdruck überfordert 32 % 5. extrovertierte und kommunikationsstarke Persönlichkeit mit hoher Belastbarkeit auch in Krisenzeiten 32 % 6. Überredungskünstler*in 16 % 7. Motivator*in, der*die uns durch tiefe Projekttäler trägt 11 % 8. Betrüger*in bis hin zum*zur Kriminellen 11 % 9. Kämpfer*in mit besonders viel Mut und Leidenschaft in jeder noch so schwierigen Projektphase 5 % 10. Menschenfänger*in 0 % 11. keines der Merkmale trifft zu 0 % Abbildung 3: Charakteristika eines „Fakers“ als Projektleiter PM_aktuell_01_2020.indb 51 PM_aktuell_01_2020.indb 51 20.02.2020 10: 38: 20 20.02.2020 10: 38: 20 Wissen | „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? 52 DOI 10.2357/ PM-2020-0009 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 „Dunklen Triade der Persönlichkeit“ (siehe Abbildung 2) werden machiavellistische Verhaltensweisen (siehe Punkt 3 und das Bemühen um das Wohl des Kunden bzw. Auftraggebers) explizit genannt. 7 Herausforderungen für die Zukunft Die Schlussfolgerung erscheint naheliegend, dass wir die Beobachtungen rund um das „Faken“ als eine neue Herausforderung und Rolle im Projektmanagement bewerten. Hierzu müssen wir uns mit dem rollenspezifischen Verhalten stärker wissenschaftlich auseinandersetzen, speziell auch in Projektphasen, die mit hohem Stress, Anforderungs- und Erfolgsdruck einhergehen. Mit wachsender Projektkomplexität und Veränderungsdynamik lastet ein zunehmend höherer Druck auf den Schultern der Projektleitung, der zu dysfunktionalen Verhaltensweisen führen kann. Hierzu sollten insbesondere die Blickwinkel aus der Verhaltensforschung berücksichtigt werden. Bei der Rekrutierung von Projektpersonal für Leitungsaufgaben geht es naturgemäß nicht nur um die fachliche, sondern insbesondere auch um die persönliche Eignung von Bewerbern. Um diesem Ziel gerecht zu werden, müssen wir unsere Auswahlkriterien und die Bewertungsmaßstäbe kontinuierlich kritisch hinterfragen. Hierzu gehört auch die Genderperspektive, die viel Raum für weitere Untersuchungen und Studien bietet: • Welche Rolle spielt das Geschlecht beim „Faken“? • Welchen Einfluss hat das Geschlecht auf die Bewertung der Rolle des jeweils anderen Geschlechts? Es darf vermutet werden, dass wir nach wie vor besonders Narzissten viel Führungspotenzial zutrauen und männliche Bewerber mit diesem Profil große Beachtung finden. Führt dieses Mindset tragischerweise zur falschen Selektion von Führungskräften? [7] In diesem Zusammenhang findet sich als ein Erklärungsansatz immer wieder der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt der Selbstüberschätzung [8]. Dieser Effekt ist benannt nach den beiden Wissenschaftlern David Dunning und Justin Kruger. Bei ihren Forschungen an der Cornell University gelangten sie 1999 auf Basis ihrer Experimente zu der Erkenntnis, dass gerade • weniger kompetente Menschen- sich selbst überschätzen und den Grad ihrer Inkompetenz nicht erkennen, • gleichzeitig aber die Kompetenz anderer Menschen nicht (an-)erkennen. Wenn dieser Effekt tatsächlich eine relevante Ursache für die „falsche“ Auswahl von F ührungskräften darstellt, müssen wir uns dann wirklich wundern, wenn uns die Gallup-Studie [9] bescheinigt, dass in Deutschland 14 % der Arbeitnehmer bereits innerlich gekündigt haben, der Großteil nur Dienst nach Vorschrift macht und lediglich ca. 15 % der Angestellten sich mit ihrem Unternehmen identifizieren und sich emotional verbunden fühlen? Solange Führungspositionen mit Personen besetzt werden, die sich selbst überschätzen, andere unterschätzen und als „Blender“ und Narzissten im Bewerbungsprozess punkten, wird sich an der Situation in den Unternehmen und in der Projektarbeit mit Blick auf den obigen Gallup-Engagement-Index ganz offensichtlich nicht viel ändern. Die besondere Gefahr im digitalen Zeitalter sind die geringen Einstiegshürden für das manipulative Kommunikationsverhalten auf den unterschiedlichen IT-Plattformen-- verstärkt um die sich perspektivisch abzeichnenden Gefahren durch KI-gestützte Technologien. Der durch den Einsatz von KI-Technologien forcierte technologische Wandel, von Avataren bis hin zu humanoiden Robotern und manipulativ eingesetzten Algorithmen, wird weitere neue gesellschaftliche Herausforderungen in Form ethischer Fragestellungen generieren. Das bedeutet wiederum, dass die Personalauswahl und die Frage der charakterlichen Eignung von Führungspersonen zukünftig mit noch mehr Sorgfalt vorgenommen werden muss, um nicht durch „Faker“ ein wachsendes Schadenpotenzial zu riskieren. Mit Blick auf das Projektmanagement wird das Bemühen um die Erfolgssteigerung der Projektarbeit im digitalen Zeitalter auch weiterhin die Diskussion dominieren. Zumindest bei diesem Punkt dürfen wir sicher sein: Es geht auch zukünftig um die Suche nach den Erfolgsfaktoren für Projekte und das idealtypische Profil des*der Projektleiters*in. Literaturverzeichnis [1] BERTELSMANN STIFTUNG: Salzburger Trilog 2019: Mehrheit der Deutschen erkennt Fehlinformationen nur schwer: Pressemitteilung. URL https: / / www.bertelsmann-stiftung. de / fileadmin / files / BSt / Presse / Pressemitteilung_Ankuendigung_Salzburger_Trilog_20 190 822_.pdf.- - Aktualisierungsdatum: 2019-08-23-- Überprüfungsdatum 2019- 10-30 [2] SCHREINER, Maximilian: Deepfake Audio: Mit dieser App lasst ihr jeden alles sagen. URL https: / / mixed.de / deepfake-audio-mit-dieser-app-lasst-ihr-jeden-alles-sagen/ - - Überprüfungsdatum 2019-10-20 [3] BENDEL, Oliver: Fake News. URL https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de / definition / fake-news-54 245 / version-369 957.-- Aktualisierungsdatum: 2019-03-18-- Überprüfungsdatum 2019-10-16 [4] JAUK, Emanuel; HIEBLER-RAGGER, Michaela; UNTER- RAINER, Human-Friedrich; KAPFHAMMER, Hans-Peter: 1. durch ihn / sie und sein / ihr Engagement gewinnen wir Zeit bis zur Lösung des Problems 50 % 2. er / sie übernimmt unangenehme Aufgaben, die niemand anders übernehmen möchte 30 % 3. um dem Wohle des Kunden bzw. des Auftraggebers zu dienen, ist er / sie zu Notlügen bereit 30 % 4. nichts 25 % 5. er / sie schützt uns vor Ärger und Anfeindungen 25 % 6. wir können von ihm / ihr lernen, wie in schwierigen Situationen vorgegangen werden kann 20 % Abbildung 4: Sympathiefaktor eines Projektleiters PM_aktuell_01_2020.indb 52 PM_aktuell_01_2020.indb 52 20.02.2020 10: 38: 20 20.02.2020 10: 38: 20 Wissen | „Faker“ im Projektmanagement-- ein Phänomen unserer Zeit? 53 DOI 10.2357/ PM-2020-0009 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Prof. Dr. Doris Weßels Prof. Dr. Doris Weßels ist Professorin für Wirtschaftsinformatik mit dem Schwerpunkt Projektmanagement an der Fachhochschule Kiel. Nach einem Studium der Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik mit nachfolgender Promotion war sie über 12 Jahre in verschiedenen Fach- und Führungspositionen im Maschinen- und Anlagenbau, der Telekommunikation und einer Bank tätig. Bei der GPM und der Gesellschaft für Informatik (GI) ist sie in Fach- und Regionalgruppen engagiert. Sie ist Herausgeberin des Sammelbandes „Zukunft der Wissens- und Projektarbeit- - Neue Organisationsformen in vernetzten Welten“. Fachhochschule Kiel-- University of Applied Sciences Fachbereich Wirtschaft Institut für Wirtschaftsinformatik Sokratesplatz 2 D-24149 Kiel E-Mail: doris.wessels@fh-kiel.de Kathrin Reinicke Kathrin Reinicke leitet bei der Kieler Wirtschaftsförderung den Bereich Innovation & Entrepreneurship. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre hat sie in zahlreichen Projekten insbesondere im Bereich der Organisationsentwicklung eine breite Erfahrung zu den Voraussetzungen und Herausforderungen in der Umsetzung eines erfolgreichen Projektmanagements sammeln können. Nachdem sie lange Zeit als Beraterin für Großunternehmen und KMU tätig war, verantwortet sie aktuell mit der Digitalen Woche Kiel eines der ambitioniertesten Projekte der Landeshauptstadt: Digital Empowerment für eine gesamte Stadtgesellschaft. Mit über 250 Angeboten und rund 20.000 Besucher*innen hat sich die Digitale Woche Kiel innerhalb von zwei Jahren als bundesweit-einmalige Wissens- und Innovationsplattform des digitalen Wandels etabliert. KiWi, Kieler Wirtschaftsförderungs- und Strukturentwicklungs GmbH Wissenschaftspark Kiel Neufeldt Haus Fraunhoferstraße 2 - 4 24 118 Kiel E-Mail: kreinicke@kiwi-kiel.de Die Dunkle Triade der Persönlichkeit-- Ein Korrelat des Bösen? In: PiD-- Psychotherapie im Dialog 19 (2018), Nr. 02, S. 58 -62. URL https: / / www.thieme-connect.com / products / ejournals / html / 10.1055 / a-0556-1184- - Überprüfungsdatum 2019-10-18 [5] SOLGA J.; BLICKLE G.: Macht und Einfluss in Projekten. In: Wastian, Monika; Braumandl, Isabell; Rosenstiel Lutz: Angewandte Psychologie für Projektmanager (2009), S. 145-164 [6] PETERS, Julia; WEßELS, Doris: Management von Projektnetzwerken- - Erfolgsfaktoren und Qualifizierungsansätze. In: Nachbagauer / Schirl (Hrsg.): Human Resource Management in Projektorientierten Unternehmen, S. 239-254 [7] ZEIT ONLINE: „Narzissten trauen wir Führungspotenzial zu“: Interview mit Tomas Chamorro-Premuzic. URL https: / / www.zeit.de / arbeit / 2019 - 10 / tomas-chamorro-premuzic-psychologe-maenner-karriere.- - Aktualisierungsdatum: 2019-10-21- - Überprüfungsdatum 2019- 10-24 [8] KRUGER, Justin; DUNNING, David: Unskilled and unaware of it. How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. In: Journal of Personality and Social Psychology 77 (1990), Nr. 6, S. 1121-1134-- Überprüfungsdatum 2019-12-09 [9] GALLUP, INC.: Gallup Engagement Index 2018: Pressemitteilung. URL https: / / www.gallup.de / 183 104 / german-engagement-index.aspx- - Überprüfungsdatum 2019-12-09 Eingangsabbildung: © iStock.com/ Love portrait and love the world PM_aktuell_01_2020.indb 53 PM_aktuell_01_2020.indb 53 20.02.2020 10: 38: 23 20.02.2020 10: 38: 23 54 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation, die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) Hans Georg Gemünden, Karl-Heinz Wolf Für eilige Leser | „Projekte machen Zukunft“ heißt ein Schlachtruf der GPM. Aber wie sieht es aus, wenn Großprojekte nachhaltig scheitern? Am Beispiel des BER-Projektes wird eine bilanzanalytische Wirkungsanalyse durchgeführt, welche Auswirkungen das nachhaltige Scheitern eines Großprojektes auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage seines Mutter-Unternehmens hat, wie sich diese Auswirkungen im Zeitablauf entwickeln und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um das finanziell gestresste Mutter-Unternehmen zu sanieren. Um die Aussagen zu objektivieren, werden eine Reihe von Vergleichsunternehmen ebenfalls analysiert, und zwar über den Zeitraum 2005 - 2018. Das Beispiel zeigt, dass die Bilanzanalyse eine Reihe wichtiger Erkenntnisse liefert. Signifikant sind die hohen operativen Verluste und die eklatante Erlösschwäche der FBB. Die Aktivierung der Baukosten bewirkt eine Verlagerung der Verluste in die ferne Zukunft. Durch das Scheitern des Projektes türmt sich ein riesiger Schuldenberg auf, der aus dem Cash-Flow der FBB auch mit dem neuen BER wahrscheinlich nicht getilgt werden kann. Abschließend wird diskutiert, wie man die Rechenschaftslegung und Kontrolle von Großprojekten in öffentlichen Unternehmen verbessern kann. Schlagwörter | BER, Großprojekte, Wirkungsanalyse von Großprojekten, Verschuldungsgrenzen öffentlicher Unternehmen und ihrer Projekte 1 Einleitung In diesem Artikel 1 wird anhand der öffentlich zugänglichen Geschäftsberichte und Passagierzahlen untersucht, welche wirtschaftlichen Auswirkungen das Neubau-Projekt BER auf seine Mutter-Organisation, die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) im Zeitraum 2005-2018 hatte. Als Vergleichsfälle werden die Entwicklungen der Flughafengesellschaften der Flughäfen Köln-Bonn, Stuttgart, Hamburg, Düsseldorf, München, Frankfurt und Oslo herangezogen. Der Gesamtverlauf des Projektes BER lässt sich in zwei Phasen einteilen. Die erste Phase beginnt mit dem Spatenstich im Jahr 2006 und geht bis zum Ende der Bauphase im Jahr 2011. Danach erfolgten die Prüfungen. Trotz mehrfacher Verschiebungen waren sowohl die Spitzenpolitiker und Aufsichtsräte sowie die Leitung der FBB sehr zuversichtlich, dass der „modernste Flughafen Europas“ am 6. Juni 2012 eröffnet werden würde. Aber, es kam anders: Vier Wochen vor der geplanten Eröffnung musste diese abgeblasen werden, weil der Flughafen nicht abgenommen wurde. In der Folge kam es zu einem kompletten Zusammenbruch des Projektes und einer Reihe von Versuchen, die vielen tausend Mängel, die festgestellt wurden, zu beheben. Mehrere Geschäftsführer scheiterten, die Flughafeneröffnung wurde immer wieder verschoben, die Kosten stiegen weiter. Nach der jüngsten Ankündigung soll der BER am 31. 10. 2020 eröffnet werden. Unser Analysezeitraum für die zweite Phase reicht von 2012 bis 2018, weil für dieses Jahr der letzte Geschäftsbericht vorgelegt wurde. Soweit möglich und sinnvoll, werden für die nachfolgenden Jahre Aussagen über die weitere Entwicklung gemacht. Für das Projektmanagement ist die Auswertung von Geschäftsberichten und Jahresabschlüssen eine neue Methodik, weil im Projektmanagement in der Regel geplante Kosten und Nutzengrößen mit den später realisierten verglichen werden, wobei bei der Bestimmung der tatsächlich realisierten Nutzengrößen erhebliche Probleme bestehen. Die Vergleiche von Soll und Ist werden neben den üblichen Unsicherheiten, wie sich die Zukunft entwickelt, auch dadurch stark beeinträchtigt, dass mit den Planwerten versucht wird, andere Akteure Wissen Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation DOI 10.2357/ PM-2020-0010 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 54 PM_aktuell_01_2020.indb 54 20.02.2020 10: 38: 24 20.02.2020 10: 38: 24 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 55 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 zu beeinflussen, sich für oder gegen den Start oder die Fortsetzung eines Projektes zu entscheiden. Über das Ausmaß von bewussten Täuschungen gibt es eine kontroverse Debatte. (Siehe hierzu Love und Ahiaga-Dagbui 2018 vs. Flyvbjerg et al. 2018). Mit dem Rückgriff auf bilanzierte Werte wird in diesem Artikel der Versuch unternommen, eine weitere Beurteilungsbasis zu erschließen. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, dass die Angaben in Jahresabschlüssen und Geschäftsberichten auch bilanzpolitisch genutzten Ermessensspielräumen unterliegen. Trotzdem halten wir es für sehr wichtig, sich die bilanzierten Fakten genau anzuschauen. Wir konnten bei unseren Analysen immer wieder feststellen, dass sowohl die Entscheidungsträger, die Rechenschaft ablegen, als auch die Wirtschaftspresse die Sachverhalte optimistischer darstellten als sie tatsächlich waren. 2 Ergebnis 2.1 Gute Ausgangsbedingungen: Die FBB realisiert das stärkste Wachstum an Passagieren Als erstes Ergebnis ist festzuhalten, dass die FBB das größte Wachstum an Passagieren realisierte (siehe Abbildung 1). Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Neubau eines Flughafens sinnvoll war. Die FBB befand sich vor dem Neubau in einer ähnlichen Lage wie die Flughafengesellschaften von Köln-Bonn, Stuttgart, Hamburg, Düsseldorf und Oslo. Mit dem Neubau des BBI, wie er anfangs genannt wurde, wollte man sich in Richtung der Drehkreuze Frankfurt und München bewegen. Bemerkenswert ist, dass die FBB die stark gestiegene Nachfrage durch weitere Hallen und Modernisierungen der Flughäfen Tegel und Schönefeld erheblich steigern konnte, so dass die Berliner und Brandenburger Wirtschaft davon profitierte, dass mehr Menschen nach Berlin reisen konnten. Diese Leistung der Beschäftigten verdient höchste Anerkennung. Aber: Durch die Verzögerung des BER-Projektes wurden erhebliche Umsatzpotentiale verschenkt, weil man beim moderneren BER mehr Erlöse pro Passagier hätte erzielen können. Dieser Fehler ist den verantwortlichen Politikern im Aufsichtsrat und den Managern der FBB anzulasten. Das Ausmaß der verschenkten Potenziale wird deutlich, wenn man sich die Entwicklung der Umsatzerlöse anschaut (siehe Abbildung 2). Mit den Passagierzahlen steigen auch die Umsätze- - aber Berlin ist kein Spitzenreiter mehr, sondern die Avinor. Dies liegt daran, dass die Avinor die Umsatzerlöse pro Passagiere um 29 % steigern konnte, während sie bei der FBB um 3 % gesunken sind. Wir haben hierzu den Mittelwert der Umsätze pro Passagier in den Jahren 2016 bis 2019 ins Verhältnis gesetzt zum Mittelwert der Umsätze pro Passagier in den Jahren 2005 bis 2007. Steigerungen des Umsatzes pro Passagier ergaben sich auch in Stuttgart (10 %), München (10 %) und Frankfurt (11 %). Bei Köln-Bonn stieg der Wert um 1 %, bei Hamburg nahm er um 16 % ab, bei Düsseldorf sogar um 21 %. Die FBB erzielte in den Jahren 2013 bis 2018 Umsatzerlöse in Höhe von 1.953 Millionen Euro. Wenn sie pro Passagier 10 % höhere Erlöse hätte erzielen können durch rechtzeitige Fertigstellung des BER, dann wären dies 200 Millionen Euro gewesen. Dies ist eine konservative Schätzung, denn die FBB erzielt absolut gesehen deutlich weniger Umsatzerlöse pro Passagier als alle anderen von uns analysierten Flughäfen. Darauf gehen wir im nächsten Kapitel ein. Abbildung 1: Entwicklung der Passagierzahlen 2005=100 PM_aktuell_01_2020.indb 55 PM_aktuell_01_2020.indb 55 20.02.2020 10: 38: 26 20.02.2020 10: 38: 26 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 56 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 2.2 Trotz stärkstem Wachstum-- Operative Verluste bei der FBB-- Operative Gewinne bei allen Kontrollfällen Die positive Entwicklung der Passagierzahlen und Umsätze wird im jüngsten Geschäftsbericht der FBB gleich zu Anfang von der Geschäftsleitung angesprochen: „Sehr geehrte Damen und Herren, der Luftverkehrsstandort Hauptstadtregion entwickelt sich weiterhin sehr dynamisch. Dadurch kann die Flughafengesellschaft auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2018 mit deutlichen Zuwächsen im Kerngeschäft zurückblicken. Das operative Ergebnis (EBITDA) der Berliner Flughäfen hat im Jahr 2018 mit EUR 118,7 Mio. einen neuen Bestwert erreicht.“ Faktencheck: Trifft diese Einschätzung wirklich zu-- sie widerspricht doch diametral dem, was wir immer über den BER hören, und sollte dessen Niederschlag in den Geschäftszahlen vielleicht zu einem anderen Ergebnis führen? Wir bilden die Kennzahl operativer Überschuss, indem wir von den Umsatzerlösen die wichtigsten Aufwandsarten abziehen, die regelmäßig anfallen und zum unmittelbaren Kerngeschäft gehören. Dies sind die Materialkosten, die Personalkosten und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Außerdem ziehen wir die Abschreibungen auf Anlagen ab, weil ein Flughafen ohne seine Anlagen nicht arbeiten kann und die Zinsaufwendungen, weil diese zur Finanzierung der Anlagen benötigt werden. Wir haben dies getan und stellen als drittes Ergebnis fest, dass das operative Ergebnis seit 2006 negativ ist und 2018 ein operativer Verlust von -102,4 Millionen Euro entstanden ist. Im Gesamtzeitraum kumulierten sich die operativen Verluste auf - 1 . 594 , 3 Millionen Euro. Der kumulierte Bilanzverlust betrug 2018 - 992 , 1 Millionen Euro. In dieser Situation den Eindruck zu erwecken, dass sich die FBB in einer guten Ertragslage befinden würde, halten wir für sehr problematisch. Zieht man die anderen Flughäfen heran, so wird die positive Aussage der Führungskräfte der FBB zum erzielten „Bestwert“ noch problematischer. Die kumulierten Gewinne von Köln-Bonn und Stuttgart betrugen 113 und 119 Millionen Euro, die von Hamburg und Düsseldorf betrugen 414 Millionen Euro bzw. 500 Millionen Euro. Bei den drei Drehkreuzen entstanden noch größere operative Gewinne: 769 Millionen Euro (München), 2.253 Millionen Euro (Oslo) und 2.908 Millionen Euro (Frankfurt). Abbildung 3 dokumentiert die Entwicklung der über die Zeit aufsummierten operativen Ergebnisse. Wir sehen, wie sich die Schere zwischen der FBB und den besonders erfolgreichen Flughäfen Frankfurt und Oslo immer weiter öffnet, München sich konsolidiert, Hamburg und Düsseldorf sich recht gut behaupten und Köln-Bonn und Stuttgart schwarze Zahlen schreiben. Bei Stuttgart gab es in den letzten drei Jahren erhebliche zusätzliche Aufwendungen durch das Projekt „Stuttgart 21“. Ohne diese Aufwendungen würde Stuttgart besser dastehen. Die Ursachen für diese Entwicklung können zum einen auf der Erlösseite gesehen werden, zum anderen auf der Kostenseite. Betrachten wir zunächst die Erlösseite : Die FBB erzielt deutlich geringere Erlöse pro Passagier als die anderen Flughafengesellschaften. Es handelt sich um die Durchschnittswerte aus den 14 Jahren von 2005 bis 2018. Diese Unterschiede sind struktureller Natur, d. h. sie bestehen schon seit längerem und lassen sich wahrscheinlich auch nur schrittweise verändern. Dies zeigt Tabelle 1. Abbildung 2: Entwicklung Umsatzerlöse 2005=100 PM_aktuell_01_2020.indb 56 PM_aktuell_01_2020.indb 56 20.02.2020 10: 38: 26 20.02.2020 10: 38: 26 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 57 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 3: Kumulative Operative Ergebnisse Die Erlösschwäche der FBB hat mehrere Ursachen. Erstens werden laut Entgeltordnung geringere Gebühren pro Passagier verlangt, zweitens geben die Passagiere weniger aus für andere Leistungen wie z. B. Essen und Trinken, Einkaufen oder Übernachten und drittens werden geringere Frachterlöse erzielt als bei anderen Flughäfen. Ad 1. Bei den Entgelten pro Passagier bilden die FBB, Bremen, Hamburg, Köln, Bonn und Stuttgart ein Cluster, in dem Tabelle 1 PM_aktuell_01_2020.indb 57 PM_aktuell_01_2020.indb 57 20.02.2020 10: 38: 26 20.02.2020 10: 38: 26 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 58 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 die durchschnittlichen Gebühren pro Passagier zwischen 4 und 8 Euro liegen. Ein zweites Cluster bilden Düsseldorf, München und Frankfurt, wo die Gebühren zwischen 13 und 20 Euro liegen. Bei der Interpretation dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass es sich um gewünschte Listenpreise handelt. Es gibt Rabatte für die Airlines, wenn diese viele Passagiere befördern. Die Entgelte pro Passagier sind auch nur ein Element von mehreren. Eine weitere Rolle spielen die Gebühren für die Start- und Landerechte, die fixe und variable Bestandteile enthalten und auch nach Lärm, Größe und Spritverbrauch sowie nach der Uhrzeit differenziert werden. Daher ist es nicht leicht, zwischen Entgeltordnungen und erzielten Erlösen einen Zusammenhang herzustellen. Man kann aber davon ausgehen, dass die Zahlungsbereitschaft der Airlines höher ist, wenn auf den Flugstrecken ein größerer Anteil von Business Class-Passagieren befördert wird. Dieser Anteil ist in Frankfurt, München und Düsseldorf sicherlich größer als in Berlin, wo die Low-Cost-Airlines einen großen Marktanteil haben und viele Touristen befördern, die Berlin besuchen. Ad 2. An den modernen Drehkreuzen wie Frankfurt oder München werden nicht nur höhere Entgelte bezahlt, die Passagiere konsumieren auch mehr, was sich positiv auf das sog. „non-aviation“-Geschäft auswirkt. Frankfurt hat zwei zentrale Bahnhöfe auf dem Flughafengelände, Frankfurt und München haben mehr Gebäude für Veranstaltungen und Dienstleister. In der Nachbarschaft des Stuttgarter Flughafens befindet sich das Messegelände. Ad 3. Bei den Zahlen in Tabelle 1 müsste man von den gesamten Umsatzerlösen die Umsatzerlöse aus dem Frachtgeschäft abziehen. Diese Erlöse sind in den Geschäftsberichten nicht gesondert ausgewiesen, so dass ich behelfsweise auf die von der ADV erhobenen Mengenangaben zurückgreife, um die Einflussstärken abzuschätzen. Das Frachtgeschäft spielt bei der FBB nur eine vergleichsweise geringe Rolle (44 Tsd. Tonnen in 2018), in Köln-Bonn (845 Tsd. Tonnen), macht es einen bedeutenden Anteil des Geschäftes aus. München (368 Tsd. Tonnen) und Frankfurt (2.176 Tsd. Tonnen erzielen ganz erhebliche Umsätze mit ihrem Frachtgeschäft, in Düsseldorf wird fast doppelt so viel Fracht umgeschlagen wie bei der FBB (75 Tsd. Tonnen). Im Frachtgeschäft sind der FBB jedoch wegen des starken Wettbewerbers in Leipzig, der 1.210 Tsd. Tonnen Fracht im Jahre 2018 umschlug, und der Nachtflugbeschränkungen beim stadtnahen Flughafen BER Wachstumsgrenzen gesetzt. Auf der Kostenseite ist hervorzuheben, dass bei der FBB die Zinslasten stark gestiegen sind, und zwar von 2 Millionen Euro zwischen 2005 und 2007 auf über 100 Millionen ab 2012. Ursache ist das starke Wachstum des Fremdkapitals, das benötigt wurde, um den neuen Flughafen BER zu finanzieren. Kritisch ist, dass sich das hohe Fremdkapital wegen der noch immer anhaltenden operativen Verluste nicht wie geplant tilgen lässt, sondern im Gegenteil erst einmal noch weiter steigen wird. Der Cash-Flow nach Deckung aller relevanten Auszahlungen war in den letzten fünf Jahren stets negativ, kumuliert ergab sich ein Finanzbedarf von 540 Millionen Euro. Für 2019 und 2020 sind damit mindestens 200 weitere Millionen Fehlbedarf zu finanzieren aus zusätzlichem Fremd- oder Eigenkapital. Was die Abschreibungen angeht, so ist hervorzuheben, dass die ganz erheblichen Abschreibungen für den BER noch gar nicht erfolgt sind, weil dieser ja erst noch geprüft, genehmigt und eröffnet werden muss. Trotzdem stiegen die Abschreibungen bei der FBB an, und zwar von 16 % des Umsatzes auf 23 %. Bei den anderen deutschen Flughafengesellschaften sanken die Abschreibungen (bis auf Hamburg) und liegen zwischen 10 und 15 % des Umsatzes. Dies könnte sowohl an erforderlichen Ausbauten in Tegel und Schönefeld liegen als auch an Sonderabschreibungen für erforderliche Rückbauten am BER. Die Aussichten für die Jahre 2019 und 2020, in denen noch gebaut, geprüft und umgezogen wird, sind nicht besonders rosig. Die Verluste werden erst einmal weiter wachsen. Durch den BER können zwar ab 2020 mehr Umsatzerlöse erzielt werden, weil höhere Gebühren erzielt werden können und auch mehr konsumiert wird, aber ob diese zusätzlichen Erlöse die neu hinzukommenden Abschreibungen von geschätzt circa 200 Millionen Euro pro Jahr decken können, ist fraglich. Bei dieser Schätzung wird von 40 Nutzungsjahren für die Gebäude und 20 Jahren für die technischen Einrichtungen des BER ausgegangen. Insgesamt gesehen ist die Ertragslage der FBB kritisch zu sehen-- unser Faktencheck zeichnet ein anderes Bild als der von der Leitung der FBB gefeierte „Bestwert“. Bemerkenswert ist, dass die Leitung der FBB weitere Leistungen feiert, die kritisch zu hinterfragen sind. So heißt es in einer Pressemeldung vom 20. 11. 2019: „Die Ratingagentur Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 58 PM_aktuell_01_2020.indb 58 20.02.2020 10: 38: 27 20.02.2020 10: 38: 27 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 59 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 4: Entwicklung des Sachanlagevermögens des BER 2011=100 Moody’s bescheinigt der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) in ihrer jährlichen Unternehmensbewertung auch in diesem Jahr eine überdurchschnittlich gute Bonität. Ausschlaggebend für die sehr gute Bewertung „A1“ waren, neben dem Umstand, dass die drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund selbst über sehr gute Ratings verfügen, wesentliche Stärken der FBB. Hierzu zählen insbesondere der hohe Anteil von Direktbzw. Punkt-zu-Punkt-Verkehren und die Tatsache, dass die FBB den Kapazitätsausbau vorantreibt. Darüber hinaus attestierte Moody’s der FBB eine wichtige Alleinstellungsposition in der Hauptstadtregion. Ebenfalls ausschlaggebend für die Bewertung war die Aussicht, am BER mehr Entgelte pro Passagier realisieren zu können.“ Bei Moody’s liest sich der gleiche Sachverhalt etwas anders: „RATINGS RATIONALE The affirmation of the A1 issuer rating reflects the ongoing support from FBB's three shareholders, who continue to provide timely financial assistance to support the construction of the new Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER). FBB's shareholders, the Land of Brandenburg (Aaa stable), the Land of Berlin (Aa1 stable) and the Government of Germany (Aaa stable), have provided equity injections worth € 1.63 billion, and € 1,107 million in the form of shareholder loans, since the start of the BER project. In addition, FBB's shareholders currently provide guarantees to protect FBB's lenders from interest or principal payment default. Together, the guaranteed debt and the subordinated shareholder loans represent more than 90 % of FBB's indebtedness.“ Das gute Rating erklärt sich nicht aus der Geschäftstätigkeit der FBB, sondern aus der Bonität von deren Gesellschafter und deren Zahlungen in der Vergangenheit, sowie ihrer Bereitschaft auch in Zukunft für die FBB einzustehen. Zur Lage der FBB schreibt Moody’s: „ FBB ’s Baseline Credit Assessment ( BCA ) of b 3 reflects FBB ’s very high indebtedness and weak liquidity position as a result of the high level of capital expenditure and the inability to substantially increase regulated airport tariffs until after the opening of the new airport.” Dies bedeutet ein sehr schlechtes Rating und deckt sich mit unserer Analyse-- wird aber von der Geschäftsleitung der FBB geflissentlich verschwiegen. Im weiteren Text zählt Moody’s eine Reihe von Bedingungen auf, die erfüllt sein müssen, damit sich dieses Rating nicht noch weiter verschlechtert. Eine Verbesserung des Gesamtratings hält Moody’s für sehr unwahrscheinlich. 2.3 Außerordentlich hoher Bilanzwert des BER-- mit markantem Anstieg seit 2012 Wie steht es um die Vermögens- und Finanzlage der FBB, wenn man sich den Niederschlag des BER in der Bilanz anschaut? Die Entwicklung des Sachanlagevermögens des BER zeigt Abbildung 4. Man kann diese Werte aus dem Anlagenspiegel entnehmen, in dem die Entwicklung des BER gesondert ausgewiesen ist, was für die Analyse sehr wichtig ist. Wir haben das Jahr 2011 auf 100 gesetzt, weil in diesem Jahr die Bauarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen waren und die Prüfungen begannen. Im Geschäftsbericht für 2011 wurde zwar bei Drucklegung noch eingefügt, dass der Eröffnungstermin verschoben und die Geschäftsführung ersetzt wurde-- aber im Bericht selbst wird das Jahr 2011 „als eines der erfolgreichsten Jahre unserer Unternehmensgeschichte“ gefeiert und auch die Wirtschaftspresse äußert sich in diesem Geschäftsbericht sehr optimistisch. 2005 betrug der Bilanzwert der Sachanlagen des BER 901,8 Millionen. Das waren damals 30,2 % der gesamten Sachanlagen der FBB. Mit dem Spatenstich im Jahre 2006 stieg der Wert auf 1.023,7 Millionen Euro. 2011 betrug der PM_aktuell_01_2020.indb 59 PM_aktuell_01_2020.indb 59 20.02.2020 10: 38: 27 20.02.2020 10: 38: 27 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 60 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Bilanzwert der Sachanlagen des BER 3.318,7 Millionen Euro. Damals war der Flughafen im Prinzip fertiggestellt. Aber: Seit 2011 haben sich die aktivierten Sachanlagen des BER fast verdoppelt: 2018 waren es 4 . 866 , 2 Millionen Euro. Das sind 83,2 % der gesamten Sachanlagen der FBB, die jetzt eine deutlich größere Bilanzsumme aufweist als 2005. Es ist aber kein zweiter Flughafen gebaut worden . Vielmehr mussten am bestehenden Flughafen außerordentlich viele Mängel mit hohen Kosten beseitigt werden. Außerdem kamen auch neue Anlagen und Gebäude hinzu. Es stellt sich die Frage, ob der hohe Bilanzwert angemessen ist, oder ob er durch einen niedrigeren beizulegenden Wert ersetzt werden müsste. Hierfür kämen zwei Bewertungsansätze in Frage. Die fiktiven Wiederbeschaffungskosten bei Neubau des BER und der Ertragswert, der sich aus der Summe der diskontierten Überschüsse der erwarteten Nutzungsdauer ableiten lässt. Beide Werte dürften deutlich unter dem aktuell angesetzten liegen. Darauf gehen wir weiter unten noch ein. 2.4 Außerordentlich hohe Verbindlichkeiten-- mit markantem Anstieg seit 2012 Die erheblichen Investitionen, die auch nach dem Zusammenbruch des BER-Projektes noch getätigt wurden, haben gemeinsam mit den hohen operativen Verlusten zu einem enorm hohen Kapitalbedarf geführt. Dieser konnte durch Eigenmittel nicht mehr gedeckt werden. Wegen der Beihilferichtlinien der EU wurden auch die möglichen Subventionen begrenzt. Was ist die Folge? Es kommt zu einem enormen Anstieg der Verschuldung der FBB. Wie sehr das BER-Projekt aus dem Ruder gelaufen ist und die FBB mit Schulden belastet hat, zeigt der Vergleich mit der Entwicklung der anderen Flughäfen in Abbildung 5. Anstieg der Schulden um 1181 %: Das ist der tiefe Fussabdruck, den der BER in der Bilanz der FBB hinterlässt. Eine große Steigerung der Verbindlichkeiten um 517 % hat es nur bei der FRAPORT gegeben, um die Expansion in den 2000er Jahren zu finanzieren, aber danach verharrte der Schuldenstand auf dem höheren Niveau-- und diesen hohen Schulden steht eine vielfach höhere Ertragskraft, ein werthaltigeres Anlagevermögen und ein höherer Eigenkapitalanteil gegenüber. Verdoppelt haben sich die Schuldenstände bei der Avinor und bei der Hamburger Flughafengesellschaft. Aber die sehr ertragsstarke Avinor hatte das höchste Umsatzwachstum aller betrachteten Flughäfen und konnte auch pro Passagier den Umsatz am stärksten steigern. Hamburg hatte das geringste Umsatzwachstum aller Flughäfen und der Umsatz pro Passagier ging um 21 % zurück. Bemerkenswert ist, dass die Verbindlichkeiten trotz der Aufnahme des strategischen Investors Hochtief AG so stark wuchsen. Aufgrund eines guten Kostenmanagements konnten recht gute operative Überschüsse erzielt werden. Köln-Bonn, Düsseldorf und München konnten ihre Verbindlichkeiten relativ konstant halten, Stuttgart gelang es, die Schulden zu halbieren, trotz außerordentlicher Belastungen der Ertragskraft der Flughafengesellschaft durch das Bahn-Projekt Stuttgart 21 in den letzten Jahren. Die ohnehin ertragsschwache FBB wird es wegen der starken Kostensteigerung des BER, des langen Ausfalles vom BER erhoffter zusätzlicher Erlöse und der großen Zinslasten kaum schaffen, in den Jahren nach Eröffnung des BER ihre Kosten zu decken. Stattdessen werden die Schulden wohl erst mal noch weiter steigen, weil im Jahre 2019 und 2020 der Cashflow deutlich unter den zu deckenden Ausgaben liegen wird. Hinzu kommen zusätzliche Auszahlungen für Schallschutzmaßnahmen, für Nachttragsforderungen der Lieferanten und für den Umzug und die Stillegung von Tegel, die noch nicht durch Rückstellungen in der Bilanz abgedeckt sind. Um Tegel schließen zu können, muss nicht nur der BER fertiggestellt werden, sondern auch das Terminal 2, was einen weiteren Kapitalbedarf erzeugt. Abbildung 5: Entwicklung der Verbindlichkeiten 2005=100 PM_aktuell_01_2020.indb 60 PM_aktuell_01_2020.indb 60 20.02.2020 10: 38: 27 20.02.2020 10: 38: 27 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 61 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Die tatsächliche Lage ist noch schlimmer, denn der aktivierte Wert der Sachanlagen des BER ist aus unserer Sicht viel höher als der niederigere beizulegende Wert. Es droht eine Sonderabschreibung in erheblicher Höhe, so dass es zu einer Überschuldung kommen kann. Zur Bestimmung dieses Wertes kommen verschiedene Alternativen in Betracht, von denen bei Dominanz des Gläubigerschutzprinzips der niedrigste gewählt werden sollte. In Frage käme (1) ein Betrag, den ein Dritter für den BER zahlen würde, wenn er zum Verkauf stünde oder (2) die Kosten, die ein Neubau eines Flughafens mit gleicher Funktionalität kosten würde. Schließlich kann auch (3) der Ertragswert gewählt werden, der sich aus den laufenden Netto-Erträgen, die aus dem Flughafenbetrieb fließen werden, ableiten lässt. In allen drei Fällen scheint der aktuell angesetzte Wert der Sachanlagen in der Bilanz viel zu hoch angesetzt. Der Neubau eines Flughafens gleicher Funktionalität könnte vielleicht in der Höhe von circa drei Milliarden liegen. Dann wäre eine Abwertung um circa 1,5 Milliarden geboten. Gemessen am Ertragswert sieht es auch nicht besonders gut aus für die Flughafengesellschaft. Die Erlöse pro Passagier müssten erheblich gesteigert werden, was politisch nur sehr schwer durchzusetzen ist-- und zwar sowohl gegenüber den Airlines als auch gegenüber den Endkunden. Daher dürfte auch der Betrag, den ein Dritter bezahlen würde, deutlich geringer sein als der bilanzierte Wert. Man kann sich einfach schwer vorstellen, dass der BER den gleichen Wert besitzt wie der Flughafen München. Es stellt sich sogar die weitergehende Frage, ob die Flughafengesellschaft bei korrekter Bewertung als überschuldet anzusehen ist. 3 Diskussion von Maßnahmen zur Sanierung der FBB Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um die FBB zu sanieren? Die Erlössituation der FBB sollte möglichst rasch durch Erhöhung von Gebühren verbessert werden-- weil dieses Geld dringend benötigt wird. Es ist auch aus Klimaschutzgründen und zur Entlastung der Bürger und Bürgerinnen, die nicht fliegen, geboten, die Flughafennutzer schon heute stärker zu belasten. Es muss weiteres Geld von den Eigentümern eingebracht werden, um eine mögliche Insolvenz abzuwenden. Es ist zu überlegen, ob der Bund die teuren Kredite durch billigere ablöst und somit die Flughafengesellschaft weiter entlastet und absichert. Es muss auf höchster Ebene mit der EU verhandelt werden, inwieweit sinnvolle Sanierungsmaßnahmen mit dem Beihilferecht und dem Wettbewerbsrecht vereinbar sind. Man könnte nach geeigneten Investoren suchen, die sich an der FBB beteiligen, um die weitere Expansion, die im Masterplan vorgesehen ist, zu ermöglichen. In Frage käme vielleicht auch eine Beteiligung an dem neuen Terminal, das noch im Bau ist und den BER ergänzen soll. Dies würde jedoch voraussetzen, dass eine Entschuldung der FBB ermöglicht würde. Als erstes könnte daran gedacht werden, die Flughafenentgelte der FBB anzuheben. Dies ist meines Erachtens in den letzten Jahren nicht geschehen, auch wenn die aktuell gültige Gebührenordnung vom 5. Mai 2018 datiert, weil das Passagiervolumen stärker als die Umsatzerlöse gestiegen ist. Im Falle von Gebührenerhöhungen wären die Passagierzahlen vielleicht weniger stark gestiegen, aber die Umsatzerlöse wären stärker als die Passagierzahlen gestiegen. Was würde diese Maßnahme bewirken? Stellen wir uns einmal vor, dass die FBB die Gebühren seit 2013 im gleichen Ausmaß wie die Deutsche Post ihre Gebühren angehoben hätte. Was würde dies für die Umsatzerlöse und für das Operative Ergebnis bedeuten? Die Veränderungen sind sehr stark, sie zeigen sich vor allem in den beiden Jahren 2019 und 2020. Bei der Hochrechnung dieser beiden Jahre sind wir davon ausgegangen, dass die Zahl der Passagiere mit 8 % pro Jahr weiter wachsen wird. Wir haben den möglichen Einfluss des BER in den letzten Wochen des Jahres 2020 noch nicht berücksichtigt. Das Umsatzwachstum in den Monaten Januar bis August 2019 gegenüber den gleichen Monaten im Jahr 2018 betrug 8 %. Wir haben ferner angenommen, dass sich der Umsatz und die Aufwendungen für Material, Personal und sonstige Aufwendungen proportional zum Passagierwachstum entwickeln werden. Bei den Abschreibungen und den Zinsaufwendungen sind wir davon ausgegangen, dass diese konstant bleiben. Wir sehen, dass durch die großen Umsatzsteigerungen im Jahre 2019 zum ersten Mal ein Operativer Gewinn erzielt wird seit 2005. Dieser Gewinn würde bei weiter steigenden Passagierzahlen noch zunehmen. Es gäbe also eine Möglichkeit, die FBB zu sanieren und langfristig könnten auch die Schulden zurückgeführt werden. Aber diese Maßnahmen bergen auch Risiken. Es könnte sein, dass die preissensiblen Touristen, die Berlin besuchen, in deutlich geringerer Zahl kommen werden, dass die Airlines diese Preissteigerungen nicht hinnehmen werden und ihr Angebot ausdünnen oder sich sogar ganz zurückziehen und sich erhebliche Einbußen für den in Berlin wichtigen Tourismussektor ergeben würden. Mittel- und langfristig könnte auch das Messe- und Veranstaltungsgeschäft darunter leiden. Auf jeden Fall müssten sich die Spitzenmanager der FBB auf harte Verhandlungen einstellen und könnten sich nicht sicher sein, dass sie den vollen Rückhalt der Berliner Spitzenpolitiker hätten. Aktuell ist in der Diskussion die Verkehrsabgabe für den Luftverkehr, die auch als „Ticketsteuer“ bezeichnet wird, zu erhöhen. Diese Abgabe ist jedoch eine klimaschutzpolitische Ein Standardbrief der Deutschen Post hat sich wie folgt verteuert 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Standardbrief 0,55 € 0,58 € 0,60 € 0,62 € 0,70 € 0,70 € 0,70 € 0,80 € Veränderung 100 105,5 109,1 112,7 127,3 127,3 127,3 145,5 Tabelle 2 PM_aktuell_01_2020.indb 61 PM_aktuell_01_2020.indb 61 20.02.2020 10: 38: 27 20.02.2020 10: 38: 27 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 62 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Maßnahme des Bundes und die Einnahmen aus dieser Abgabe fließen in den Bundeshaushalt. Die Flughäfen sind jedoch öffentliche Unternehmen, an denen mehrheitlich die Bundesländer und Kommunen aus der Region beteiligt sind. Sie unterhalten diese Flughäfen, um Arbeitsplätze in ihrer Region zu gewinnen und zu erhalten. Sie tragen auch die wirtschaftlichen Risiken von Instandhaltungen, Modernisierungen und Investitionen in neue Infrastrukturen. Diese Eigentümer werden durch die Verkehrsabgabe in ihren Möglichkeiten beeinträchtigt, angemessene Gebühren für die Nutzung der kostenintensiven Infrastrukturen und Dienstleistungen nicht nur in Rechnung stellen zu dürfen, sondern auch vergütet zu bekommen. Nach den jüngsten Pressemeldungen vom 5. 10. 2018 soll die Verkehrsabgabe nicht verdoppelt oder verdreifacht werden, sondern nur von (rund) 8 auf 11 Euro erhöht werden. Was wäre, wenn diese Erhöhung den Flughafeneignern zufließen würde und nicht dem Bundeshaushalt? Wir führen hierzu zwei Modellrechnungen durch. In der ersten Variante wird davon ausgegangen, dass die Verkehrsabgabe nur um 3 Euro erhöht wird, in der zweiten Variante wird von einer Erhöhung um 8 Euro ausgegangen. Da beide Veränderungen der Verkehrssteuer erst 2020 wirksam werden, betrachten wir auch nur dieses Jahr. Bei einer erwarteten Passagierzahl von 40,4 Millionen für die FBB 2020, ergibt die erste Variante 121,2 Millionen Zusatzeinnahmen, die zweite Variante 323,2 Millionen. Im ersten Fall würden operative Gewinne von 34,6 Millionen entstehen, im zweiten Fall von 236,9 Millionen. Es wäre zu erwarten, dass die wirklichen Effekte geringer ausfallen, weil vermutlich weniger Passagiere fliegen würden. Hinzu käme ja auch die Verbilligung der Bahn durch gesenkte Mehrwertsteuer und auch ein Rückgang der verfügbaren Einkommen wegen einer sich abkühlenden Gesamtwirtschaft. Damit könnte die FBB sogar in die Lage versetzt werden, ihre Abschreibungen zu verdienen und ihre Schulden zu tilgen, bei der zweiten Variante ginge es schneller als bei der ersten. Berlin und Brandenburg könnten sich intensiver um Wohnungsbau und die Rückstände beim Schulbau kümmern und gemeinsam mit dem Bund die regionalen Bahnverkehre verbessern. Das wäre das Best-Case-Szenario für die FBB: ihre technische und wirtschaftliche Sanierung. Man hat sich im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag darauf geeinigt, dass die CO-2-Preise für den Bausektor und den Verkehrssektor angehoben werden und dass es einen besseren Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern gibt. Daher wird die Luftverkehrsabgabe weiterhin beim Bund bleiben und die Flughafengesellschaften werden in eine schlechtere wirtschaftliche Situation gebracht. Aus diesem Grunde befürchten wir, dass die Schulden der FBB auch nach Eröffnung des BER weiter steigen werden und die Frage der Entschuldung akut bleibt. Man könnte allerdings aus der Not auch eine Tugend machen. Der Bund könnte, gestärkt durch die Einnahmen aus der Luftverkehrsabgabe, höhere Eigenkapitalanteile an den Flughäfen übernehmen. Dann wäre es auch wirtschaftlich besser zu rechtfertigen, dass ihm die Erlöse aus der Luftverkehrsabgabe zufließen. Der Bund sollte dann auch im Zusammenspiel mit den Ländern und Kommunen nach einer Gesamtlösung suchen für die Flughafengesellschaften in Deutschland. Es müsste koordiniert entschieden werden, welche Flughäfen betriebswirtschaftlich sowie regional- und bundespolitisch wirklich Sinn machen und welche entbehrlich sind. Die verbleibenden Flughäfen sollten besser koordiniert werden und eine überbetrieblich starke Verhandlungsposition gegenüber den Airlines aufbauen. Der Bund könnte auch eine Gesellschaft gründen, welche Projektmanagementdienstleistungen für Infrastrukturprojekte anbietet. Öffentliche Unternehmen könnten sich aus diesem Pool hochqualifizierter Spezialisten bedienen, um ihre Kompetenz zu verbessern. Es war ein Kernproblem des BER- Projektes, dass die FBB diese Kompetenzen nicht hatte. Die Aufgabe, einen bestehenden Flughafen zu betreiben, stellt eben ganz andere Anforderungen, als die Aufgabe, einen neuen Flughafen zu entwickeln und zu bauen. Eine solche Gesellschaft für Projektmanagement-Dienstleistungen könnte auch als Genossenschaft gegründet werden, ähnlich wie die DATEV von den Steuerberatern. Der Bund, die Länder und PM_aktuell_01_2020.indb 62 PM_aktuell_01_2020.indb 62 20.02.2020 10: 38: 28 20.02.2020 10: 38: 28 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 63 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 ausgewählte Kommunen könnten die Genossen dieser neuen Gesellschaft werden. 4 Abschlussbetrachtung Unser Analyseexperiment hat gezeigt, dass nachhaltig erfolglose Großprojekte deutliche Spuren hinterlassen in den Gewinn- und Verlustrechnungen und den Bilanzen ihrer wirtschaftlichen Eigentümer. Man kann auch die zu positiven Einschätzungen der Lage durch die Spitzenführungskräfte leicht durch Fakten entlarven, vor allem, wenn man die wirtschaftliche Entwicklung des zu analysierenden Unternehmens mit denen anderer Unternehmen über einen längeren Zeitraum vergleicht. Unsere Fallstudie zeigt aber auch die Grenzen des gewählten Analyseinstrumentes. Wir sehen, dass die Auswirkungen auf die Ertragskraft erst mit Verzögerung wirksam werden, weil die stark zunehmende Verschuldung erst im Zeitablauf zu einem höheren Zinsaufwand führt. Die Aufwendungen für das Projekt werden erst einmal aktiviert und als Sachanlagevermögen in der Bilanz gespeichert. Da die Verschuldung durch Bürgschaften der öffentlichen Eigentümer gedeckt wird, geben Banken gerne Kredite zu entsprechenden Zinsen. Aber: Es entstehen wachsende Risiken für die Steuerzahler, die diese aber kaum verhindern können. Problematisch ist, dass öffentliche Unternehmen keiner Schuldenbremse unterliegen, diese gilt nur für öffentliche Haushalte. Es ist grundsätzlich positiv, dass öffentliche Unternehmen Schulden aufnehmen dürfen, um ihre erheblichen Investitionen in Infrastrukturen finanzieren zu können und dass die Gebietskörperschaften, die Eigner der Unternehmen sind, dafür auch Bürgschaften übernehmen. Hieraus darf jedoch nicht gefolgert werden, dass die im öffentlichen Eigentum befindlichen Unternehmen sich in beliebiger Höhe verschulden dürfen. In der Wirtschaftspraxis haben sich gewisse Regeln herausgebildet, in welcher Zeit die aufgenommenen Schulden wieder abgebaut sein sollten. Die Rückflusszeit sollte auf jeden Fall geringer sein als die durchschnittliche Laufzeit der beschafften Anlagegüter. Bei der analysierten FBB ist der verfügbare Cash-Flow negativ, d. h., das Fremdkapital wächst weiter an und dies wird sich auch in den Jahren 2019 und 2020 kaum ändern. Die FBB wird im Jahr 2020 mindestens 4 Milliarden Fremdkapital aufweisen. Wenn dieses in 20 Jahren getilgt werden soll, dann müsste der frei verfügbare Cash-Flow nach Zinsen und Steuern 200 Millionen Euro betragen. Dies erscheint angesichts der Erlösschwäche der FBB sehr unrealistisch. Außerdem ergibt sich weiterer Kapitalbedarf durch die geplanten weiteren Ausbaustufen des BER. Es bedarf einer grundlegenden Diskussion, welche Verschuldungshöhe öffentlichen Unternehmen gestattet werden darf. Und es bedarf einer grundlegenden Diskussion, welche Kosten- und Zeitüberschreitungen den Projekten dieser Unternehmen gestattet werden dürfen. Denn letztendlich haften die Bürgerinnen und Bürger für die Schulden der öffentlichen Unternehmen und die Kostenüberschreitungen und Erlösminderungen ihrer Projekte. Problematisch ist, dass öffentliche Unternehmen und ihre Projekte zu wenig wirksamer Kontrolle unterliegen . Problematisch ist, dass öffentliche Unternehmen nicht der Kontrolle der Rechnungshöfe unterliegen, diese kontrollieren nur die öffentlichen Eigentümer und können nur indirekt davor mahnen, dass zu hohe Risiken eingegangen werden. Problematisch ist, dass öffentliche Unternehmen keiner Kontrolle durch das Institut für Prüfung der Rechnungslegung unterliegen. Dieses untersteht dem BaFin und ist nur für die Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen zuständig. Problematisch ist auch, dass die Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr zu wenige Inspektionen durchführt und deren Ergebnisse auch nicht veröffentlicht werden. Immerhin wurden bei 52 % der Prüfungen Mängel festgestellt. In Großbritannien wurden deutlich mehr Prüfungen vorgenommen und die britische Aufsichtsbehörde veröffentlicht Details zu Sanktionen, die wegen schlechter Prüfungen ausgesprochen wurden und daher wurden viel seltener Mängel festgestellt. Wenn es mehr Kontrollen gäbe und deren Ergebnisse auch publiziert würden, dann wären sowohl PM_aktuell_01_2020.indb 63 PM_aktuell_01_2020.indb 63 20.02.2020 10: 38: 28 20.02.2020 10: 38: 28 Wissen | Der Einfluss des Flughafenprojektes BER auf seine Mutter-Organisation 64 DOI 10.2357/ PM-2020-0010 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Anmerkungen 1 Ich, Hans Georg Gemünden, widme diesen Artikel meinem hoch geschätzten Kollegen Heinz Schelle, dem Gründer von GPM und PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL. die Bilanzersteller vorsichtiger, was ihre Bilanzierungspraktiken anginge, als auch die Wirtschaftsprüfer, die nun ihrerseits effektiver überprüft würden. Wegen dieser Lücken bei der Überwachung der öffentlichen Unternehmen durch von der Politik unabhängige Instanzen beobachten wir bei der Rechnungslegung der FBB eine Reihe auffälliger Bilanzierungspraktiken, welche die Risiken geringer ausweisen als sie vermutlich sind. Aus diesem Grunde wäre es gut, für Großprojekte eine eigene Segmentrechnung durchzuführen, damit man genauer erkennen kann, welche Aufwendungen und Erträge sowie welche Aktiva und Passiva diesem Großprojekt zuzurechnen wären. Diese Segmentbilanz sollte ebenfalls im Bundesanzeiger regelmäßig publiziert werden und von Wirtschaftsprüfern geprüft werden. Schließlich ist zu bemängeln, dass im Aufsichtsrat der Öffentlichen Unternehmen, oft genau die Politiker und Politikerinnen sitzen, die sich für das Projekt eingesetzt haben und dabei auch teilweise waghalsige Entscheidungen getroffen haben. Es entspricht keiner „good governance“, dass genau diese Personen entscheiden, wer öffentliche Unternehmen wie die FBB führen soll, und dass genau diese Personen auch entscheiden, ob der Jahresabschluss angenommen wird. Es wäre sinnvoller für die Großprojekte, ein Steuerungsgremium mit Entscheidungsbefugnis einzusetzen, das mehrheitlich mit unabhängigen Experten besetzt ist. Politikern und Politikerinnen sollte jedoch ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen eingeräumt werden. Diese Art Steuerungsgremium hat sich bei den Bauten des Bundes und dem neu aufgebauten Stadtschloss in der Mitte Berlins bewährt. All diese in Berlin durchgeführten Bauprojekte wurden im Kosten- und Zeitrahmen durchgeführt. Von daher lautet unser Resümee, dass die Grundidee gut ist, anhand von Geschäftsberichten die Auswirkungen von Großprojekten abzuschätzen, dass aber für eine frühere und effektivere Kontrolle eine ganze Reihe von Maßnahmen zu ergreifen ist, um die Rechenschaftslegung von Großprojekten und die Kontrolle des Projektfortschrittes zu verbessern. Angesichts der hohen Bedeutung der Großprojekte sollte möglichst bald eine entsprechende Diskussion geführt werden. Andere Länder sind in dieser Beziehung schon deutlich weiter als Deutschland. 5 Literatur Bent Flyvbjerg, Atif Ansara, Alexander Budzier, Søren Buhl, Chantal Cantarelli, Massimo Garbuio, Carsten Glenting, Mette Skamris Holm, Dan Lovallo, Daniel Lunn, Eric Molin, Arne Rønnest, Allison Stewart, Bert van Wee (2018). Five things you should know about cost overrun. Transportation Research Part A 118, S. 174-190. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Georg Gemünden Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Georg Gemünden war Professor für Projektmanagement an der BI Norwegian Business School von 2015 bis 2019, Professor für Technologie- und Innovations-Management an der TU Berlin von 2000 bis 2015 und Professor für Unternehmensführung an der Universität (TH) Karlsruhe von 1988 bis 2000. Er war an über 200 Promotions- und Habilitationsverfahren beteiligt, 17 seiner akademischen Schüler und Schülerinnen sind Professoren geworden. Er publizierte über 170 Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften, über 200 Konferenzbeiträge, über 130 Buchkapitel und vier Bücher. Von 2013 bis 2017 war er Editor-in-Chief des Project Management Journal. 2015 erhielt er den Research Award der IPMA. Eingangsabbildung: © iStock.com/ miles_around Karl-Heinz Wolf Wirtschaftsprüfer Ehemaliger Partner einer mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, langjähriger Direktor der Wirtschaftsprüfervereinigung „Morison International“, London, für die Regionen Europa und Nordamerika, Dozent an der Universtity of Applied Science, Saarbrücken, für den Fachbereich Konzernrechnungslegung, Autor im Stollfuß- und Sparkassenverlag. Peter E. D. Love, Dominic D. Ahiaga-Dagbui (2018). Debunking fake news in a post-truth era: The plausible untruths of cost underestimation in transport infrastructure projects. Transportation Research Part A 113, S. 357-368. PM_aktuell_01_2020.indb 64 PM_aktuell_01_2020.indb 64 20.02.2020 10: 38: 28 20.02.2020 10: 38: 28 65 DOI 10.2357/ PM-2020-0011 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 „New Work“-- Erwartungen von High Potentials an Organisationsstrukturen und Projekt-Management Wolfgang Glitscher unter Mitwirkung von Abhirami Irusupillai Gnanavallal, Abhijeet Singh, Diego Edmundo Rojas Hernandez, Neil Kadakia, Rahil Sheth Für eilige Leser | Unter dem Begriff „New Work“, auch geprägt durch Begriffe wie „Generation X“ und „Generation Y“, wird diskutiert, was Absolventen tatsächlich von potentiellen Arbeitgebern erwarten und wie die (Projekt-)Arbeit der Zukunft gestaltet werden kann, um sie für „High Potentials“ attraktiv zu machen. Die Nachwuchskräfte selbst kommen dabei wenig zu Wort und in Diskussionen und Gesprächen des Autors mit Führungskräften und „High Potentials“ selbst wurde dies auch nicht klar und deutlich. Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, führte er im Rahmen des Masterstudiengangs Global Production Engineering an der TU Berlin ein studentisches Projekt durch, in dem mit einem Fragenkatalog der Hintergrund, was für „High Potentials“ tatsächlich wichtig ist, untersucht wurde. Daraus abgeleitet werden Empfehlungen für das Management erarbeitet, welche Rahmenbedingungen zu schaffen sind. Die Ergebnisse wurden u. a. auf einer Veranstaltung des Manager Magazins („manager lounge“) im Capital Club Berlin im Juli 2018 vorgestellt und diskutiert. Gespräche mit Führungskräften und Kollegen und Medienberichte zeigen: Führungskräfte und Projektmanager wissen oft nicht, was unter „New Work“ zu verstehen ist. Welche Erwartungen haben Hochschulabsolventen, die erste Erfahrungen mit Projektarbeit haben und Projektmanagement als wichtigen Teil ihres Masterstudiums verstehen, an künftige Arbeitgeber? Was sollten und müssen diese tun, um den Anforderungen gerecht zu werden? Der innovative und ideenreiche Nachwuchs wird dringend gesucht-- nur was muss, was soll getan werden, um diese Nachwuchskräfte für das eigene Unternehmen zu begeistern? Welche Randbedingungen sind zu schaffen? In einem studentischen Projekt am Produktionstechnischen Zentrum der Technischen Universität Berlin wurde im Sommersemester 2018 der potentielle Nachwuchs diesbezüglich befragt. Die Ergebnisse sind hier veröffentlicht. „New Work“-- Erwartungen und Realität Der Mangel an Fachkräften ist offensichtlich- - auch für Führungskräfte und für Projektmanager insbesondere. Er betrifft alle Branchen. Vor einigen Jahren las ich in einem Interview mit Personalverantwortlichen eines deutschen Unternehmens, dass Hochschulabsolventen, die sich für eine Position im Unternehmen interessierten, mit eigenen Evaluierungsbögen in Interviews gehen und den potentiellen Arbeitgeber bewerten. Einige Bewerber kommunizieren dann am Schluss des Interviews ihren Standpunkt zum Unternehmen und der angebotenen Position. Gespräche in den letzten Jahren auf diversen Veranstaltungen mit Führungskräften zeigten immer wieder, dass die Wünsche des hochqualifizierten Nachwuchses für diese oft eine „Black Box“ darstellten, sprich: Sie wissen wenig bis nichts darüber. Eine von der Fachgruppe ProjektPersonal der GPM 2011 durchgeführte Erhebung über Anforderungen, Erwartungen und Wünsche von Projektleitern an Firmen und Auftraggeber zu den Attraktivitätsfaktoren von Arbeitgebern (1) zeigten, dass flexible Arbeitszeitregelungen, ein angenehmes Arbeitsumfeld und die Unternehmenskultur wichtige Kriterien darstellen. Aber was erwarten Absolventen von Hochschulen und Universitäten tatsächlich von potentiellen Arbeitgebern? Was steht für sie im Vordergrund, um eine Position anzunehmen? Was macht Arbeitgeber attraktiv für „High Potentials“ und was muss das Management tun, um attraktiv zu sein? Diesen Fragen gingen wir im internationalen Masterstudiengang Global Production Engineering (www.gpe.tu- Wissen „New Work“ - Erwartungen von High Potentials DOI 10.2357/ PM-2020-0011 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 65 PM_aktuell_01_2020.indb 65 20.02.2020 10: 38: 29 20.02.2020 10: 38: 29 Wissen | „New Work“-- Erwartungen von High Potentials 66 DOI 10.2357/ PM-2020-0011 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 berlin.de) an der Technischen Universität Berlin in einem studentischen Projekt außerhalb des Lehrplans im Sommersemester 2018 nach. Mit fünf ausgewählten Studenten, alle Absolventen der Lehrveranstaltungen zum Projektmanagement, wurde unter meiner Supervision ein Fragenkatalog mit insgesamt 20 Fragen zu den fünf ausgewählten Themenfeldern 1. Innovation, Nachhaltigkeit und Kreativität, 2. bevorzugter Arbeitsstil, 3. soziales Umfeld, 4. Motivation und 5. Erwartungen an das (Projekt-)Management entwickelt und mit freundlicher Unterstützung der Studienkoordination online zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurden mit einzelnen Studenten mündliche Interviews zum Thema durchgeführt, um die Antworten zu vertiefen. Der Rücklauf verblüffte: 250 Studenten aus dem gesamten vier-semestrigen Masterstudium schickten den ausgefüllten Online-Fragenkatalog zur Auswertung zurück. Der Altersdurchschnitt der Befragten bewegte sich zwischen 22 -30 Jahren und sie kamen aus insgesamt 24 Ländern. Vom Hintergrund her hatten 60 % einen Bachelorabschluss als Ingenieur, 20 % einen IT-Hintergrund und weitere 20 % Bachelorabschlüsse unterschiedlicher Fachrichtungen (u. a. Medizin, Kunst, Ökonomie etc.). Die Ergebnisse wurden im Juli 2018 auf der manager lounge im Capital Club Berlin vorgestellt und diskutiert. Im Folgenden werden die Ergebnisse dargestellt und erläutert. Projektmanagement als wichtiger Karriereschritt für Innovation, Nachhaltigkeit und Kreativität Im Fokus standen hier Fragen zur Innovationsfähigkeit von Unternehmen sowie zur Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle, zur Arbeitsatmosphäre sowie zu den Karrieremöglichkeiten in Unternehmen. Bei den Fragen zu Innovation und Nachhaltigkeit beantworten 89 % der Studenten, dass die Innovationsfähigkeit von Unternehmen für sie einen sehr wichtigen Faktor darstellt. In diesem Zusammenhang war es überraschend, dass in gleichem Umfang die Position eines General Managers ab dem fünfzigsten Lebensjahr von den Absolventen angestrebt wird und dass als Sprungbrett für das Erreichen dieser Position ein Karriereschritt als Projektmanager zwischen dem fünfunddreißigsten bis fünfundvierzigsten Lebensjahr als entscheidend angesehen wird (Abb. 1). Dieses Ergebnis zeigt die Bedeutung, die Projektarbeit, Projektführung, Führungskultur und darüber hinaus gute Arbeitsbedingungen für die Absolventen haben. Im Ergebnis zeigt dies, dass fast 90 % der Absolventen erwarten, dass eine Position im Projektmanagement über ca. 10 Jahre einen wichtigen und entscheidenden Baustein in Richtung Top-Management darstellt. Dieses Ergebnis korrelierte mit den Erwartungen der Absolventen hinsichtlich der Möglichkeit, die Arbeitsprofile ändern zu können und weitere Rollen innerhalb einer Organisation auszufüllen. Dies ist als ein hoher Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung innerhalb von Organisationen zu werten. Fragen zu Innovation, Nachhaltigkeit und Kreativität Anmerkungen / Empfehlungen f. Management Ziehen Sie es vor, dass Unternehmen Innovationen als Teil der täglichen Arbeit fördern, anstatt sie durch spezialisierte Teams zu kultivieren? Die große Mehrheit der Befragten (89 %) will zu Innovationen Beiträge leisten. Dies wird als Motivationstreiber angesehen. Möchten Sie die Möglichkeit haben, Ihr Stellenprofil in verschiedene Rollen des Unternehmens zu ändern? Bei dieser Frage wurde die Möglichkeit gegeben, die gewünschten Positionen als Karriereweg zu nennen. Glauben Sie, dass ein Unternehmen mit nachhaltigem Geschäftsmodell Sie motiviert und interessiert? Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Motiv. Auch kleine Schritte dorthin werden positiv gesehen. Glauben Sie, dass Unternehmen mit Freiflächen, in denen Begegnungen in entspannter Atmosphäre möglich sind, Ihre Produktivität verbessern würden? Welcher Art sollten diese sein? Sie dienen der Entspannung und dem kollegialen Austausch und sind auch für Meetings interessant. Abbildung 1: Projektmanagement als wichtiger Karrierebaustein wird angestrebt. PM_aktuell_01_2020.indb 66 PM_aktuell_01_2020.indb 66 20.02.2020 10: 38: 29 20.02.2020 10: 38: 29 Wissen | „New Work“-- Erwartungen von High Potentials 67 DOI 10.2357/ PM-2020-0011 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Mit dem gleichen Ergebnis von 89 % Ja-Antworten wurden Fragen nach nachhaltigen Geschäftsmodellen und Arbeitsumgebungen, wie offene Gestaltung von Arbeitsumgebungen, Cafeterias etc., beantwortet. Bevorzugter Arbeitsstil Hat eine Kleiderordnung Einfluss auf die Produktivität zukünftiger Mitarbeiter in den Unternehmen? Welche Rolle spielt die Arbeitszeitgestaltung und die Wahlmöglichkeit des Arbeitsortes? Welchen Einfluss hat die Arbeit in interkulturellen Teams und welche Rolle spielen Start-Ups in diesem Zusammenhang? Für 69 % der Befragten spielt eine freie Gestaltung der Kleiderordnung eine wichtige Rolle. Im Detail wurde dies mit höherer persönlicher Produktivität begründet, wenn die Wahl dafür frei ist. Immerhin 31 % verneinten dies. Als Grund hierfür nannten sie vor allem einen möglichen Verlust an Disziplin. Bei der Frage zur Arbeitszeitgestaltung gaben 77 % an, dass sie eine flexible Arbeitszeit bevorzugen. Dazu wurden z. B. Gründe genannt wie: „Ich möchte gerne zu meinen produktivsten Zeiten am Tag arbeiten und nicht in einer vorbestimmten Zeit am Schreibtisch sitzen. Dadurch wird der Wert, den ich erzeugen kann, eingeschränkt.“ Spannend wurde es bei der Frage nach der Wahl des Arbeitsortes. Nur 9 % der Befragten gaben an, dass sie ausschließlich einen Heimarbeitsplatz bevorzugen, wobei die Verteilung zwischen flexibler und fester Arbeitszeit mit jeweils 50 % hier gleich war. Weitere 40 % bevorzugten grundsätzlich das Unternehmen als Arbeitsort, wobei die Verteilung zwischen fester und flexibler Arbeitszeit hier 21 % bzw. 79 % betrug. Als Gründe wurden genannt, dass die Arbeitsumgebung im Unternehmen dabei hilft, sich auf die Aufgaben zu fokussieren und dass man die Kollegen benötigt, um ausreichend effektiv zu sein. Der Anteil der Befragten, die eine Wahlmöglichkeit zwischen Heimarbeitsplatz und Unternehmensarbeitsplatz bevorzugten, war mit 51 % am Höchsten. Die Verteilung zwischen fester und flexibler Arbeitszeit war hier mit 29 % zu 71 % etwas höher als bei denen, die ausschließlich einen Arbeitsplatz im Unternehmen bevorzugen. Für die Wahlmöglichkeit zwischen Heim- und Unternehmensarbeitsplatz wurden Gründe genannt wie: Verminderung der Fahrzeiten ins Unternehmen bzw. Vermeidung störender Einflüsse sowie eine verbesserte Work-Life-Balance. Für den Arbeitsplatz im Unternehmen wurden Gründe genannt wie: Zugang zu effektiven Arbeitsmitteln sowie Teamarbeit (siehe Abb. 2). Eine Arbeitsumgebung mit interkulturell zusammengesetzten Teams wurde von 84 % der Befragten bevorzugt, wie dies in Projekten bereits oft der Fall ist. Erwartet wird hier, Problemlösungen aus anderen Perspektiven als der gewohnten zu erhalten sowie die Befriedigung, Teil eines globalen Teams zu sein. Weiterhin sehen sie dies als Aufstiegschance, um später die Leitung globaler Teams zu übernehmen. Ein Standpunkt, der für das Projektmanagement wichtig ist und entsprechend berücksichtigt werden sollte. Bei der Frage, ob Start-Ups bevorzugt werden, war die Verteilung mit 53 % für Ja leicht im Vorteil, während 5 % hier weder mit Ja noch mit Nein antworteten. Als Gründe, Start- Up’s zu bevorzugen, wurden genannt: Schnelleres Wachstum des Unternehmens, höhere Flexibilität, Lernchancen, Innovationsfähigkeit und eine wahrscheinlich um den Faktor drei bis vier höhere Erfahrungsdichte, die in kurzer Zeit erreichbar ist. Offensichtlich ist dies ein wichtiges Karrierekriterium. Soziales Umfeld Für 90 % der Befragten spielen soziale Aspekte, die Arbeitgeber berücksichtigen sollten, eine wichtige Rolle. Dazu gehören z. B. eine Work-Life-Balance, Teamevents, Sport und Teamentwicklungsangebote. Von den Befragten würden sich 45 % monatliche Angebote für soziale Aktivitäten wie z. B. Fragen zum bevorzugten Arbeitsstil / Outfit Anmerkungen / Empfehlungen f. Management Hat die Wahl der Kleidung einen Einfluss auf die persönliche Produktivität? Wahlfreiheit mehrheitlich erwünscht (69 %). „Casual Fridays“ auch erwünscht. Arbeitszeit: Wie würden Sie bevorzugt zeitlich arbeiten? Qualität der Arbeit als Maßstab und nicht die Zahl der geleisteten Stunden Arbeitsort: Wo würden Sie bevorzugt arbeiten? Mehrfachnennungen möglich Kernarbeitszeiten und virtuelle Meetings werden empfohlen. Sehen Sie eine Effizienzsteigerung durch interkulturelle Teams? Das Mischen von Teams unterschiedlicher kultureller Zusammensetzungen fördert die Zusammenarbeit. Bevorzugen Sie Start-Up oder Großunternehmen als Arbeitgeber? Der Geist von Start-Ups wird als wünschenswert auch für Großunternehmen genannt. Abbildung 2: Zur Wahl des Arbeitsplatzes PM_aktuell_01_2020.indb 67 PM_aktuell_01_2020.indb 67 20.02.2020 10: 38: 29 20.02.2020 10: 38: 29 Wissen | „New Work“-- Erwartungen von High Potentials 68 DOI 10.2357/ PM-2020-0011 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Teamevents zur Verbesserung der Kreativität usw. wünschen. Etwa 36 % würden dies vierteljährlich erwarten. Auf die Frage, ob das persönliche Umfeld mit in die sozialen Aktivitäten von Unternehmen einbezogen werden sollte, antworteten 57 % mit Ja, während 43 % dies ablehnten. Motivation Hinsichtlich der Fragen zur Motivation, Beschäftigungsangebote anzunehmen, waren Mehrfachnennungen möglich. Von den Befragten bevorzugten fast 85 % ein flexibles System der Organisation, bei der alle Beteiligten an den Entscheidungen partizipieren können, unabhängig von der Position innerhalb der Organisation. Weitere 30 % gaben an, dass Aufstiegsmöglichkeiten einen Motivationsgrund liefern und 24 % gaben an, dass ein hohes Gehalt bei unflexiblen Organisationssystemen ebenfalls ein Motivationsgrund ist. Weitere 20 % gaben an, dass materielle Vorteile (z. B. Tablets für den persönlichen Gebrauch etc.) einen Motivationsgrund darstellen. Bei der Frage nach der Art der vertraglichen Gestaltung eines zukünftigen Arbeitsverhältnisses bevorzugten an die 48 % ein traditionelles Arbeitsverhältnis. Grund ist hier die Arbeitsplatzgarantie, die immer noch eindeutig im Vordergrund steht. Als andere mögliche Arbeitsmodelle wurde mit ca. 37 % ein hybrides System zwischen freiberuflichen Anteilen und Festanstellung genannt sowie zu 31,5 % ein rein freiberufliches Verhältnis zum möglichen Arbeitgeber. Gründe hierfür waren Nennungen wie: „Der eigene Boss sein“, eher seinen Neigungen folgen zu können sowie die Mischung aus sicherem Einkommen mit Teilzeitanstellung. Ein erstaunliches Ergebnis mit weiteren 23 % war die Nennung von Crowd-Sourcing für Projektfinanzierung mit Provisionsanteilen als überraschendes neues Modell. Dies stellt jedoch eher ein Kooperationsmodell auf Zeit dar-- ist also orientiert an einem definierten Projektergebnis, um dann nach einer neuen Herausforderung zu suchen. Hinsichtlich der Hierarchien in Unternehmen bevorzugten 69 % möglichst flache Hierarchien. Bei den Antworten ergab sich hier eine signifikante Aufteilung nach Geschlechtern. Frauen bevorzugten nur zu 63 % flache Hierarchien im Gegensatz zu den männlichen Befragten, die dies zu 72 % bevorzugten. Die Gründe dafür sind nicht klar. Als Gründe für die Bevorzugung flacher Hierarchien wurden u. a. genannt, dass man sich als Eigner der Aufgaben versteht und nicht als jemand, dem Aufgaben zugewiesen werden, dass die Arbeit in fachübergreifenden interkulturellen Teams stattfindet und dass eigene Ideen eingebracht werden können. All diese Gründe sprechen aus meiner Sicht für die Förderung und Unterstützung der Projektarbeit in Unternehmen. Auch in diesem Teil der Befragung waren Mehrfachnennungen möglich. Erwartungen an das (Projekt-)Management Die Frage, zunächst das Team zu befragen, wenn jemand befördert werden soll, wurde zu 65 % mit Ja beantwortet. Als Grund wurde genannt, dass intransparente Entscheidungen demotivierend wirken. Werden Beförderungen aktiv behandelt und kommuniziert, erhöht dies aus der Sicht der Befrag- Fragen zum sozialen Umfeld Anmerkungen / Empfehlungen f. Management Soziale Aspekte des Arbeitsumfeldes Förderung von Zufriedenheit und Verständnis durch das Management Kreative Aspekte des Arbeitgebers Unterstützung bei der Entwicklung der Karriere Unterstützung zur Kreativitätsentfaltung erwünscht Verbindung zu Familien der Arbeitnehmer Vertrauensbildende Maßnahmen Abbildung 3: Gewünschte Beschäftigungsarten PM_aktuell_01_2020.indb 68 PM_aktuell_01_2020.indb 68 20.02.2020 10: 38: 29 20.02.2020 10: 38: 29 Wissen | „New Work“-- Erwartungen von High Potentials 69 DOI 10.2357/ PM-2020-0011 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 ten eher die Motivation und stellt auch Transparenz hinsichtlich der Entscheidungsprozesse durch das Management her. Diese Ergebnisse wurden im Wesentlichen bereits 2017 durch einen Bericht in der Harvard Business Review (2) bestätigt. Die Frage nach der Verwendung sozialer Medien wie z. B. Yammer innerhalb von Organisationen, um die Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitern zu verbessern, wurde zu 56 % mit Nein beantwortet. Im Jahr 2017 berichtete das McKinsey Global Institute, dass bei einer Befragung von 4.200 Unternehmen 72 % angaben, soziale Medien zu nutzen, um die Mitarbeiterkommunikation zu verbessern (3). Hier tut sich offensichtlich ein Widerspruch zumindest bei den befragten Studierenden auf, wenn eine Mehrheit bei dieser Befragung dies ablehnt. Gründe hierfür sind möglicherweise, wie das studentische Team herausfand, falsche Annahmen des Managements über die Millennials, eine mögliche Unterdrückung der informellen Kommunikation (sog. „Buschfunk“), eine Versäumnis, Lerneffekte zu erkennen und eine mögliche Fokussierung auf falsche Daten. Offensichtlich bevorzugen gerade „High Potentials“ die direkte Kommunikation mit dem Management. Aus meiner Sicht und Erfahrung ist gerade die direkte Kommunikation in Projekten insbesondere bei sensiblen Fragen, die Risiken, Qualität, Change Requests usw. betreffen, noch immer die Methode der Wahl, um Klärungen herbeizuführen. Die Projektgruppe der Studierenden schloss als Botschaft an das Management daraus, dass sie sich als Menschen motiviert fühlen möchten und einen Sinn in den Dingen finden, die sie tun (sollen). Dies bedeutet einen Wechsel von einer führungszu einer verantwortungsorientierten Denkweise im Management, Erfahrung und Wissen der Mitarbeiter zu nutzen („Pull-Prinzip“) und eine Reduktion dessen, was als „Mikromanagement“ bezeichnet wird. Fazit Vielleicht ist durch diesen Bericht klarer geworden, was künftige „High Potentials“ unter Begriffen wie New Work verstehen und was sie erwarten. Als mehrere Jahrzehnte im Projektmanagement und in der Lehre Tätiger, ziehe ich das Fazit, dass ein Ende des Projektmanagements eher unwahrscheinlich ist- - auch wenn zunehmend neue agile Methoden „en vogue“ sind. Die Projektwelt wird zunehmend komplex und damit steigen auch die Anforderungen an exzellente Projektmanager-- Dr. Wolfgang Glitscher Dr. Wolfgang Glitscher ist seit 2005 Lehrbeauftragter für Projektmanagement am Produktionstechnischen Zentrum der Technischen Universität Berlin im internationalen Masterstudiengang Global Production Engineering- - GPE. Er hat 25 Jahre Erfahrung im Projektmanagement als Abteilungsleiter, Programmdirektor und Managing Consultant, branchenübergreifend im In- und Ausland. Seit 2016 ist er selbständig als Trainer und Berater zum Thema Stressökonomie für Projektmanager. Er ist Mitglied der Fachgruppe Projektmanagement an Hochschulen der GPM. Beitragseingangsfoto: Autor, Studenten und der Organisator der manager lounge Berlin Manfred Geisler im Capital Club Berlin, Juli 2018 egal, ob sie zukünftig als Product Owner oder anders bezeichnet werden. Gerade für die dafür benötigten „High Potentials“ ist ein hervorragendes Arbeitsumfeld bereitzustellen, insbesondere unter dem Aspekt, den diese Studie zeigte: Erfahrungen als Projektmanager werden als Sprungbrett für zukünftige Top-Positionen angesehen. Das Management von Unternehmen ist damit gefordert, die entsprechenden Randbedingungen hierfür zu schaffen. Literatur (1)GPM-Fachgruppe ProjektPersonal: Anforderungen, Erwartungen und Wünsche von Projektleitern an Firmen und Auftraggeber; GPM 2011 (2)Leonardi, Paul; Neeley Tsedal: What Managers Need to Know About Social Tools, December 2017; www: hbr. org / 2017 / 11 / what-managers-need-to-know-about-social-tools? autocomplete=true (3)McKinsey Global Institute 2017: The Future of Work (https: / / www.mckinsey.com / featured-insights / future-of-work / what-is-the-future-of-work) Fragen zur Motivation Anmerkungen / Empfehlungen f. Management Worin besteht Ihre Hauptmotivation: 1 Aufstiegschancen 2 Flexibilität und flache Hierarchien 3 Hohes Einkommen bei geringer Flexibilität 4 Materielle Vorteile (Tablets etc.) Intrinsische Motivation sollte unterstützt werden. Art der Anstellung: 1 Freiberuflich 2 Crowd-Sourcing und Provisionsbasis 3 Traditionell 4 Mischung freiberuflich / traditionell (Mehrfachnennung möglich) Arbeitsplatzsicherheit ist entkoppelt von Innovationen. Realisierbare Projektideen sollten durch Bonuszahlungen unterstützt werden. Bevorzugung flacher vor traditionellen Hierarchien Vom Command & Control Modell hin zu Eigenverantwortlichkeit. Gewinnung von Wissen, Erfahrung und Verantwortung von den Mitarbeitern beziehen. Eingangsabbildung: Autor, Studenten und der Organisator der manager lounge Berlin Manfred Geisler im Capital Club Berlin, Juli 2018 PM_aktuell_01_2020.indb 69 PM_aktuell_01_2020.indb 69 20.02.2020 10: 38: 30 20.02.2020 10: 38: 30 70 DOI 10.2357/ PM-2020-0012 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Ab jetzt weht ein anderer Wind … Steffen Rietz …-nicht nur in der Energiewirtschaft, sondern auch im positiven und wahrsten Sinne des Wortes in der Fachgruppe PM Windenergie. In über 40 Jahren GPM wurde immer wieder deutlich, dass Projekte und Programme in Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur begleitet, sondern auch aus der GPM heraus mitgestaltet werden. Die Entwicklung und die Ergebnisse der Fachgruppe Windenergie machen dies besonders deutlich. Schaut man sich die Energiewende an, so bleiben primär folgende grobe Meilensteine im Gedächtnis: • Kyoto-Protokoll: 1997 wird das Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der UN-Klimarahmenkonvention beschlossen und tritt 2005 in Kraft. Damit werden erstmals verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen festgeschrieben, ohne jedoch einzelne Staaten konkret in die Pflicht zu nehmen. • Atomkonsens in Deutschland: 2000 wird die grundsätzliche Einigung zum Kernenergieausstieg zwischen der rot-/ grünen Bundesregierung und den AKW-Betreibergesellschaften verhandelt, die 2002 als Atomgesetz verabschiedet wird. • AKW-Laufzeitverlängerung: 2010 wird das Atomgesetz unter der schwarz-/ gelben Bundesregierung novelliert, sodass je nach Alter der AKWs sogar eine Laufzeitverlängerung bzw. eine Erhöhung der Gesamt-Reststrommenge möglich ist. • Reaktorunglück Fukushima: 2011 löst ein Seebeben einen Tsunami aus, der an Japans Küste das Reaktorunglück von Fukushima verursacht. Unabhängig von deutschen Sicherheitsstandards steigt die Angst vor vergleichbaren Vorgängen auch hierzulande sprunghaft, wandelt die zwischenzeitliche AKW-Laufzeitverlängerung in einen terminierten Atomausstieg um und manifestiert die heute als Energiewende bekannte Phase. Es war absehbar, dass in kurzer Zeit zahlreiche Projekte und Programme in Politik und Unternehmen starten würden. Entsprechend viele Projekt- und Programmleiter durchliefen Ausschreibungsprozesse und mehrjährige Projekte unter auch rechtlich stetig wechselnden Rahmenbedingungen. Die Produkt- und Dienstleistungsentwicklung wurde schneller erwartet, als die Technologieentwicklung das unterstützen konnte. Kurz: Eine neue Branche und neue Projekttypen waren geboren. Und nicht zuletzt durften sich die Kardinalfehler der Vergangenheit nicht wiederholen (heute, nach über 60 Jahren Atommüllproduktion, ist nach wie vor keine angemessene Lösung für dessen sichere Endlagerung gefunden.) Zu dieser Zeit (2011 / 12) beschloss der GPM-Vorstand, den Projektmanagern und -beteiligten der Energiewende eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und die branchenspezifische Methodenentwicklung in Form einer GPM-Fachgruppe bereitzustellen. (Titelthema in PMA 2 / 2013: Projektmanagement in der Energiewende). Prof. Steffen Rietz, damals Vorstandsmitglied und hauptberuflich in Schleswig-Holstein tätig, initiierte die Umsetzung dieses Anspruchs. Der Startschuss in das so übermächtige Thema Energiewende fiel mit einem regionalen Schwerpunkt im Norden und einem Technologieschwerpunkt in der Windenergie. (Im Kaiser-Wilhelm- Koog an der Nordsee liegt die Keimzelle der kommerziellen Aus den DACH-Verbänden Ab jetzt weht ein anderer Wind ... DOI 10.2357/ PM-2020-0012 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 1: Errichterschiffe, eine weltweite Engpassressource beim Bau von Offshore-Windparks; hier zwischen Sylt und Helgoland PM_aktuell_01_2020.indb 70 PM_aktuell_01_2020.indb 70 20.02.2020 10: 38: 31 20.02.2020 10: 38: 31 Aus den DACH-Verbänden | Ab jetzt weht ein anderer Wind ... 71 DOI 10.2357/ PM-2020-0012 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Windenergienutzung; dort stand einst Growian, Deutschlands erste Große Windanlage. 1 ) Aus einer Idee entwickelt sich schnell eine ganze Industrie Viele Projektleiter haben schon Produktentwicklungen begleitet, vielleicht selbst initiiert und gesteuert. Auch die Entstehung neuer Technologien oder ganzer Unternehmen ist stets ein ganz besonderer Moment im Berufsleben eines Ingenieurs oder Kaufmanns. Die Energiewende gibt uns nun die Chance-- erstmals am Beispiel der Windenergie-- die Entstehung einer ganzen Branche hautnah zu erleben und mitzugestalten. Der gedankliche Ansatz mit Hilfe von Windenergie nicht Korn zu mahlen, sondern elektrischen Strom zu erzeugen, liegt weit vor der von der Bundesregierung ausgerufenen Energiewende. Jetzt ging es darum, die ersten kommerziell genutzten Windkraft-(Einzel-)anlagen qualitativ zu verbessern und insgesamt zur Serienreife zu bringen. Technische Parameter wie Nabenhöhe, Rotordurchmesser, Effizienz / Ertrag, Wartungsfreundlichkeit und Lebensdauer verbesserten sich mehrfach sprunghaft. Lessons Learned-Prozesse rund um die schnell steigende Anzahl installierter Anlagen ermöglichten kurzzyklische Rückflüsse der Erkenntnisse in die enge Verquickung aus Technologie- und Produktentwicklung. Die Professionalisierung der Planung und Umsetzung ermöglichte bald eine Ausweitung dieses küstennah begonnenen Themas in das Binnenland (inkl. der Anlagenerrichtung an Wald- und Gebirgsstandorten) und Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee in 40 m Wassertiefe und mehr. (Abb. 1) Mit zunehmender Anzahl, insbesondere mit zunehmender Veralterung der Windenergieanlagen (WEA) der ersten Generation wurde die Notwendigkeit neuer Tätigkeitsfelder erkannt, so z. B. das RePowering, d. h. der Rückbau von Altanlagen bzw. deren Ersatz durch neue, leistungsfähigere WEAs in einem bereits erschlossenen Ertragsgebiet (Abb. 3). Parallel entstand das ReFitting, d. h., demontierte, aber noch funktionsfähige Altanlagen werden nicht entsorgt, sondern (ähnlich einem florierenden Gebrauchtwagenhandel) anderenorts weiterverwendet. Das spart Rohstoffe und ermöglicht den WEA-Einsatz auch an weniger ertragsstarken Standorten und in weniger finanzstarken Kommunen im In- und Ausland. Insbesondere die sehr schnelle und mehrfache Änderung der Gesetzgebung untermauert die rasche Entwicklung der Branche in dieser Zeit. Die anfangs einfachen Genehmigungsverfahren und garantierten Stromeinspeisevergütungen machten den sprunghaften Stückzahlanstieg der Energiewende plötzlich zu einem Renditethema. Neben den Umweltaktivisten, den Pionieren der Branche, wurden nicht nur Arbeitsplätze für Ingenieure, Kaufleute, Rechtsberater, Informatiker, Logistiker etc. geschaffen, sondern auch Investoren wurden aufmerksam und halfen, neben den üppig bereitgestellten Fördergeldern die rasche Gesamtentwicklung zu finanzieren. Mit dem Erfolg änderten sich auch die Notwendigkeiten. Professionelle Ausschreibungs- und Vergabeverfahren, qualitätsgesicherte Anlagenzulassungen und Dokumentationen, die Verzahnung von Ökonomie und Ökologie über die zunehmende Sensibilisierung können nicht davon ablenken, dass WEAs nicht nur der Umwelt dienen, sondern als Bauprojekte in unberührter Natur auch selbst eine Umweltbelastung darstellen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG, im März 2000 erstmals verabschiedet) begleitet die rasche Branchenentwicklung und wird bis heute durchschnittlich alle zwei Jahre- - teilweise ganz grundlegend-- geändert. Damit ist es die wichtigste rechtliche Rahmenbedingung und gleichzeitig die langfristig unkalkulierbarste. Im Schatten der bis heute >30.000 installierten WEAs in Deutschland (davon >1.300 offshore) 2 entstehen auch fast 200.000 neue Arbeitsplätze (indirekte noch nicht mitgerechnet) 3 . Die Wachstumsbranche zieht sowohl sehr junge, unerfahrene, engagierte Kollegen an, wie auch branchenfremde Quereinsteiger. Die durch die Windenergie neu geschaffenen Berufsfelder und Studiengänge können gar nicht so schnell qualifiziertes Personal bereitstellen, wie es gebraucht wird. Die Fachgruppe PM Windenergie organisiert daher viele unterschiedliche Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches. Abbildung 3: Systematisches RePowering, die Windkraftanlagen der ersten Generation sind längst neuen, modernen, leistungsfähigeren Anlagen gewichen Organisation der Fachgruppe PM Windenergie: • 15 Erfahrungsaustausche bei Fachgruppentreffen in 6 Jahren bei wechselnden gastgebenden Unternehmen zwischen Husum und München • 2 gemeinsame Besuche der Leit-Messe WindEnergy in Husum und Hamburg • 2 Exkursionsreisen; Standortbesichtigung bei AREVA (Bremen) und Nordex (Rostock) • Wochenendwerkstatt Windenergie (branchenorientierter 2-Tagesworkshop mit 5 teilnehmenden Hochschulen aus Norddeutschland, siehe PMA 5 / 2016) (oft in enger Zusammenarbeit mit dem BWE, Bundesverband Windenergie) Abbildung 2: Organisation der Fachgruppe „PM Windenergie“, auch ideengebend für andere GPM-Fachgruppen PM_aktuell_01_2020.indb 71 PM_aktuell_01_2020.indb 71 20.02.2020 10: 38: 31 20.02.2020 10: 38: 31 Aus den DACH-Verbänden | Ab jetzt weht ein anderer Wind ... 72 DOI 10.2357/ PM-2020-0012 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Die GPM hilft bei Erfahrungssicherung und -austausch Im Mittelpunkt der Gespräche stehen primär die großen branchenspezifischen Herausforderungen der Windenergie: • Mehrjährige Vorprojekte und strategische Projektplanung bei stetig wechselnden rechtlichen Rahmenbedingungen • Starke Wetterabhängigkeit (Regen, Wind, Nebel, Frost,-… bedeuten oft Terminverzug und Kostenerhöhung in der Errichtungsphase der Anlagen (Abb. 7) und eine Renditeverschlechterung in der Betriebsphase) • Stets abgelegene Einsatzorte (Nicht nur die Nordseewindparks, sondern alle WEAs liegen deutlich abseits der Siedlungsgebiete, d. h., Standortsicherung und -erschließung leiten jedes Projekt ein, wobei die schlechte Erreichbarkeit über zeit- und kostenintensive Transportwege stets dauerhaft erhalten bleibt.) • Die Größe des Objektes (Eine WEA ist die größte bewegliche Maschine der Welt, größer als ein A380) erfordert intelligente Lösungen und Höchstleistungen in Produktion und Logistik (Großraum- und Schwerlasttransporte sind keine Ausnahme, sondern die Regel, siehe Abb. 4). • Neue Betriebs- und Hilfsmittel (z. B. Errichterschiffe für Offshore-Anlagen, siehe Abb. 1) sind ihrerseits selbst eine technische Innovation, extrem kostenintensiv und werden damit zu einer weltweiten Engpassressource. • Projektbudgets liegen mindestens im 7-stelligen (onshore) oder auch im 10-stelligen (offshore) Bereich. (Nicht nur die Kostenplanung/ -überwachung und das Risikomanagement sind regelmäßig sensible Themen, auch die Finanzierung inkl. der Gespräche mit Investoren aus dem In- und Ausland. Gescheiterte Projekte bergen das Potential einer Insolvenz der Stammorganisation.) • Aus der Kernenergie gelernt wurde die besondere Bedeutung der Nachhaltigkeit. Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutz und Artenschutz sind regelmäßige und facettenreiche Projektbegleiter. (Zweckgebundene Rückstellungen für den Anlagenrückbau nach 20 Betriebsjahren sind ebenso selbstverständlich, wie die Landschaftsgestaltung in definierten Ausgleichsflächen.) • Das Projektgeschäft sowie die heute üblichen anschließenden Vollwartungsverträge über die Gesamtlaufzeit haben das Risikomanagement und somit Teile der Bankenu. Versicherungswirtschaft geprägt. (Die früher eher aus der Theorie bekannte Monte-Carlo-Analyse hat ihren Exotenstatus verloren.) • Eine insgesamt starke Professionalisierung erlebte mit der Windenergie das Stakeholdermanagement. Vielzahl und Vielfalt der Stakeholder wie auch deren teilweise Unkalkulierbarkeit sind nahezu einmalig. Neue Formen der Kommunikation wie auch nachhaltige Beteiligungsmodelle (z. B. Bürgerwindparks) sind entstanden. Mehrjährige Projekte zur Akzeptanzforschung und -schaffung sind erfolgreich abgeschlossen, von denen die gesamte Projektmanagement-Community auch außerhalb der Windenergie profitiert. Hinzu kommt die zwingende Notwendigkeit der Internationalisierung. Deutschland steht, mehr als die meisten Bundesbürger es wahrnehmen, unter ständiger Beobachtung der Weltöffentlichkeit. 1945 nach Beendigung des Krieges und 1989 nach Beendigung des Kalten Krieges mischte sich in die weltweite Freude auch jeweils hohe Aufmerksamkeit bzgl. der künftigen Entwicklung Deutschlands. Mit der eingeläuteten Energiewende waren wieder alle Augenpaare der Welt auf uns gerichtet: In einem hochindustrialisierten Land ohne Ergebnisse / Publikationen der Fachgruppe PM Windenergie: • regelmäßige fachliche Berichterstattung in der PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL (beginnend in Ausg. 5 / 2013) • 2014: Engl.-sprachiger Fachbuchbeitrag „Project Management-- The success factor for the Energy Transition-…” • 2014: Slot B „Prozess- und Projektmanagement im Windenergiesektor“ mit fünf Vorträgen auf dem Kieler Prozessmanagementforum (> 200 Teilnehmer, siehe PMA 2 / 2015) • 2015: Zwei Studien zum Stakeholdermanagement (in Kooperation mit der gleichnamigen GPM-Fachgruppe) • 2017: Zwei Tagungsbeiträge zum norddeutschen Tag des internationalen Projektmanagements (ca. 100 Teilnehmer, siehe PMA 4 / 2017) • 2018: Recommendation for Schedule Management (branchenspezifische Anforderungen an ein Terminplanungstool, in Kooperation mit dem VDA und ProSTEP iViP e. V.) • seit 2018: Projektmanagementschulungen für den BWE, Bundesverband Windenergie • 2019: Konsolidierung aller Ergebnisse und Erkenntnisse im Springer-Fachbuch „Projektmanagement in der Windenergie-- Strategien und Handlungsempfehlungen für die Praxis“ Abbildung 5: Ergebnisse der Fachgruppe „PM Windenergie“; nach der Neuorientierung und Umbenennung in „PM für die Energiewende“ werden weitere folgen Abbildung 4: Transport und Handling der Rotorblätter sind durch deren Größe und Gewicht eine logistische Herausforderung in jedem Projekt. Inzwischen haben sie auch eine sog. Sägezahnabrisskante zur Senkung der Geräuschemission PM_aktuell_01_2020.indb 72 PM_aktuell_01_2020.indb 72 20.02.2020 10: 38: 32 20.02.2020 10: 38: 32 Aus den DACH-Verbänden | Ab jetzt weht ein anderer Wind ... 73 DOI 10.2357/ PM-2020-0012 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Daniel Meier / Steffen Rietz (Hrsg.) Projektmanagement in der Windenergie ISBN 978-3-658-27364-4 Über 10 Experten und Erfahrungsträger erläutern Strategien und Handlungsempfehlungen für die Praxis, branchenspezifisch und sehr konkret, wie z. B. • Benennung und Strukturierung von >150 Stakeholdern und deren Interessen • >10 realitätsnahe Detail-Termin- und Dokumentationspläne • ca. 130 typische quantifizierte Beispiele für Einzelu. Gemeinkostenpositionen in Windpark-Projekten • 10 Templates zur standardisierten Planung und Überwachung aller Errichtungsaktivitäten (inkl. bebilderter Baustellen Chronologie mit >35 fotodokumentierten Kernaktivitäten Abbildung 6: Die konsolidierten Ergebnisse der bisherigen Fachgruppenarbeit eigene Rohstoffe auch noch die AKWs als zuverlässigen Energielieferanten gänzlich abzuschaffen, ist eine völlig absurde Idee; aber wenn es überhaupt einer schafft, dann die Deutschen-- so die anfängliche Meinung vieler skeptischer Beobachter. Neben vielen messbaren Erfolgen der Energiewende ist das Maß der Internationalisierung leider etwas hinter der Notwendigkeit zurückgeblieben. In der jetzigen Konsolidierungsphase der Branche wird deutlich sichtbar, dass die immer noch erfolgreichen Unternehmen ihre Projekte zu einem wesentlichen Teil im Ausland abwickeln und regionale Player spürbare Rückschläge verkraften lernen müssen. Neue Erkenntnisse führen zu geänderten Herangehensweisen Mit dem sehr fokussierten und gleichsam etwas beschränkten Blick auf die Windenergie ist heute festzustellen, dass die staatliche Einspeisevergütung inzwischen einem starken Kostendruck und ruinösem Konkurrenzkampf gewichen ist. Aus dem strategischen Ziel der Energiewende ist ein Geschäftsmodell geworden, das marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten folgt (Abb. 7) und absehbare Konsequenzen für die ersten Player hervorruft. Die REpower Systems AG konsolidiert mehrfach, erst zur REpower Systems SE (2011), dann zur Senvion SA (2014), und eröffnet dann das Insolvenzverfahren (2019). Siemens Wind Power A / S übernimmt 59 % der Firmenanteile des spanischen WEA-Herstellers Gamesa (2017) und die profitable Service-Sparte aus der Senvion-Insolvenz (Anfang 2019), verkündet aber Ende 2019, dass den 600 gestrichenen Stellen in den nächsten zwei Jahren weitere 600 folgen werden. 4 Während allein 2019 ca. 26.000 (in den letzten zwei Jahren 34.000) Arbeitsplätze in der deutschen Windenergie abgebaut wurden, erfolgt endlich eine komplexe Gesamtbetrachtung des Themas. Ziel ist es nicht, möglichst viele WEAs möglichst schnell zu errichten, sondern durch hochgradig verzahnte Projekte und Programme ressourcenschonend und emissionsarm den Energie- und Mobilitätsbedarf der Menschen grenzüberschreitend zu decken. Zu lange wurden Projektleiter darauf geschult, ihrer Verantwortung (nur) bis zum Projektende gerecht zu werden. Während zunehmend eine Sensibilisierung für eine enge Verbindung der Projektziele mit den Unternehmenszielen erfolgt, wird aus dem schwedischen Skolstrejk för klimatet die weltweite Fridays for Future -Bewegung mit der Forderung, nicht nur unternehmensübergreifend, sondern generationsübergreifend zu denken. Die Fachgruppe PM Windenergie greift diesen Ansatz auf und agiert ab 2020 unter dem neuen Namen „Projektmanagement für die Energiewende“. Die Windenergie wird weiter ein wesentlicher Teil des Energiemixes sein und auch eines der Themen in der Fachgruppe bleiben. Aber die bisher erreichten und dokumentierten Ergebnisse sind bereits eine solide Basis für Windenergieprojekte mit deutlich rückläufigem Neuheitsanspruch. Mit dem GWPPM (German Wind Power Plant Modell) existiert bereits ein gut dokumentiertes und frei zugängliches Prozess- und Rollenmodell, das durch die GPM vielfach mit praxisnahen Beispielen, Templates, Erfahrungswerten untermauert wurde. Nun gilt es, sich den nächsten Herausforderungen auch außerhalb der Windenergie zuzuwenden. Das bedeutet z. B. Energiespeicherung (Power-to-X-Technologien bemühen sich, Energie mehrfach umzuwandeln und / oder zu speichern, sodass sie nicht nur zur Verfügung steht, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht.) Energietransport (Zahlreiche Erzeugungsanlagen stehen küstennah im Norden, während der Energiebedarf eher im bevölkerungsreicheren und stärker industrialisierten Süden zu suchen ist. Stromtrassen sollen es richten. SuedLINK hat bereits 2015 den Deutschen Project Excellence Award gewonnen.) Das Stakeholdermanagement in internationalen oder zumindest überregionalen Projekten wird ein Schwerpunkt bleiben, nicht nur weil Donald Trump mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Nord Stream 2 zu verhindern ver- Abbildung 7: Terminverzug und Kostendruck führen dazu, dass die Arbeit am Fundament der Anlage nachts bei Flutlicht fortgeführt wird; hier in einem Versuchsfeld in der Südermarsch PM_aktuell_01_2020.indb 73 PM_aktuell_01_2020.indb 73 20.02.2020 10: 38: 32 20.02.2020 10: 38: 32 Aus den DACH-Verbänden | Ab jetzt weht ein anderer Wind ... 74 DOI 10.2357/ PM-2020-0012 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Fachgruppenleitung Projektmanagement für die Energiewende: (3. Steffen Rietz, Initiator und langjähriger Wegbegleiter des Themas Windenergie, widmet sich neuen Aufgaben innerhalb und außerhalb der GPM und schied mit dem Jahreswechsel aus) Interessenten und Mitstreiter sind in der Fachgruppe jederzeit sehr willkommen. Anmerkungen 1 Vgl. IHK Wirtschaft Flensburg 02 / 2017 S. 14 2 Vgl. BWE-Statistik (www.wind-energie.de) 3 Vgl. www.erneuerbareenergien.de 4 Vgl. www.handelsblatt.com / unternehmen / energie sucht. Auch innerhalb Deutschlands werden überregionale Projekte weiterhin mit der wahlkreisorientierten Demokratie und Differenzen zwischen Bundes-, Landes- und kommunalen Richtlinien konfrontiert sein. Die Projektbetrachtung und -kalkulation endet nicht mehr mit dem Projektabschluss. Die strategische Komponente in der Projektplanungsphase wird stark an Bedeutung gewinnen und damit selbst zu einem Zeit- und Kostenfaktor. Die Elektromobilität wird die Kraft haben, den Verbrennungsmotor langfristig aus dem Stadtbild zu verbannen. Die Ökobilanz künftiger Fahrzeugbatterien über den gesamten Lebenszyklus zeigt aber auch, dass weiter nach Fahrzeugantriebsalternativen gesucht werden muss. Die herausforderndsten Projekte der Mobilität liegen noch vor uns. Die enge Verzahnung von (oft wirtschaftlichen) Projektzielen, (eher strategischen) Programmzielen, den übergeordneten Unternehmenszielen bis inkl. dem weiter steigenden Einfluss politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen sowie gesellschaftspolitischen und sozialen Gesamtinteressen wird an Komplexität zunehmen. (Wenn München 2025 die vermutlich erste Millionenmetropole der Welt sein wird, die >100 % Anteil erneuerbarer Energie bereitstellt, dann möchte dieses facettenreiche Zielsystem angemessen mit einem Projektportfolio untermauert sein.) Kurz: Für eine erfolgreiche Energiewende müssen Projektmanager künftig noch interdisziplinärer und deutlich strategischer planen und für einen permanenten Perspektivenwechsel geschult sein. Auch bekannte Themen erscheinen dann plötzlich in ganz anderem Licht. Die Elbphilharmonie war für jeden Projektmanager mit Ehrgefühl ein Trauerspiel, das zuletzt fast wie eine Doku-Soap mit einem gewissen Unterhaltungswert verfolgt werden konnte. Seit der Fertigstellung sind der Ärger über den dramatischen Terminverzug und die mehr als zehnfach vergrößerten Kosten aber wie weggeblasen. Die Stadtväter sind stolz auf das überwiegend ausgebuchte und mit Gewinn betriebene Wahrzeichen der Stadt. Was ist passiert? Der Bewertungsmaßstab für den Projekterfolg hat sich mit der Fertigstellung gänzlich geändert. Werden unsere Kinder und Enkel uns nach den Kosten der Energiewende fragen? Oder werden sie einfach glücklich sein, dass wir es geschafft haben? Und ist ein Ja auf die letzte Frage der Freifahrtschein, nicht mehr über Kosten nachdenken zu müssen? Eher nicht. Es bleibt also schwierig für alle Projekt- und Programmmanager, denen die neuorientierte Fachgruppe „Projektmanagement für die Energiewende“ eine Plattform bietet. Eingangsabbildung: © Steffen Rietz 1. Daniel Meier 2. Jan Koschinski PM_aktuell_01_2020.indb 74 PM_aktuell_01_2020.indb 74 20.02.2020 10: 38: 33 20.02.2020 10: 38: 33 75 DOI 10.2357/ PM-2020-0013 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Job Discovery Project-- Berufsorientierung als Projekt Peter Pürckhauer Unseren Schülerinnen und Schülern wird viel abverlangt. Jahrelang werden sie-- mit stets steigender Intensität-- gedrillt, in einzelnen Fächern ihr Wissen wiederzugeben, um dafür gute Noten zu erhalten. Quasi mitten in diesem Prozess sollen / müssen sie sich mit dem realen Leben nach der Schule auseinandersetzen. Und das zwei Jahre vor Schulende. Zwei Jahre-- für 15-Jährige ist dies eine Ewigkeit. „Gute Noten brauche ich erst im Abschlusszeugnis“ ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Bis realisiert wird, dass die Bewerbungen mit dem Zeugnis des Vorjahres zu schreiben sind, ist es teilweise schon zu spät. Die Berufsberater der Arbeitsagentur, die mit ihren Aktivitäten am Anfang des vorletzten Schuljahres starten, können ein Lied davon singen. Oft dauert es Monate und viele Gespräche, bis das Bewusstsein dafür geschärft werden kann. Die GPM Fachgruppe „Projektmanagement macht Schule“ hat dafür nun das Job Discovery Project konzipiert. Ziel dieses Projektes ist es, dass sich die Schülerinnen und Schüler durch selbst erarbeitete Erkenntnisse bewusst werden, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen. Das Konzept basiert auf einem hybriden Ansatz. Der traditionelle Anteil beruht auf dem 10-Schritte-Plan der Fachgruppe, der bereits seit über 15 Jahren erfolgreich an vielen Schulen im Unterricht eingesetzt wird. Dieser wurde etwas abgespeckt und mit einigen agilen Aspekten (Timeboxing, Backlog, Selbstorganisation etc.) angereichert, um mit Schülerinnen und Schülern ohne Vorkenntnisse an einem Tag zu positiven Ergebnissen zu kommen. Der Tag wird in acht Sprints eingeteilt, die vergleichbar dem Scrum-Zyklus ablaufen. Dadurch erhalten die Gruppen ein regelmäßiges Feedback über ihre Zwischenergebnisse und können aus den gesammelten Erfahrungen Erkenntnisse für den nächsten Arbeitsschritt ableiten. Die Arbeit in den Gruppen wird an klaren Leitfragen ausgerichtet: • Welche Berufe gibt es im jeweiligen Berufsfeld? • Welche Voraussetzungen / Anforderungen müssen Bewerbende erfüllen? • Wie sind die Zukunftsaussichten? • Wie sehen Arbeitsalltag und Arbeitsbedingungen aus? • Wie sind die Aufstiegschancen und Verdienstmöglichkeiten? • Wie sieht auf dieser Basis mein persönlicher Fahrplan aus (Fristen, Termine,-…)? Aus den DACH-Verbänden Job Discovery Project - Berufsorientierung als Projekt DOI 10.2357/ PM-2020-0013 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 1: Das Pilotprojekt am 21. Oktober, Foto: Nicklai Pürckhauer Abbildung 2: Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten sich Orientierung für den Berufsstart, Foto: Nicklai Pürckhauer PM_aktuell_01_2020.indb 75 PM_aktuell_01_2020.indb 75 20.02.2020 10: 38: 36 20.02.2020 10: 38: 36 Aus den DACH-Verbänden | Job Discovery Project-- Berufsorientierung als Projekt 76 DOI 10.2357/ PM-2020-0013 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Am Ende werden die Ergebnisse in einer Kurzpräsentation vorgestellt. Pilotversuch am 21. Oktober 2019 in Nürnberg In Kooperation mit dem Berufsinformationszentrum (BIZ) der Arbeitsagentur in Nürnberg konnte ein erster Pilotversuch durchgeführt werden. Unterstützt wurde die Veranstaltung durch die GPM-Young Crew. Hierfür konnten auf Vermittlung des zuständigen Ministerialbeauftragen zwei 9. Klassen der Peter-Henlein-Realschule in Nürnberg gewonnen werden. 48 SchülerInnen bearbeiteten in neun Gruppen ihren Berufswunsch. Ziel war es, dass sich die SchülerInnen selbst eine erste Orientierung für ihren Start ins Berufsleben erarbeiten. Anhand des 10-Schritte-Plans der GPM Fachgruppe analysierten sie die einzelnen Berufsfelder strukturiert und werteten die BIZ-Informationen aus, um gezielte Fragen an die Berufsberater richten zu können. Begleitet wurden die Gruppen von der GPM Fachgruppe (Christian Flach, Monika und Peter Pürckhauer) und der GPM Young Crew (Chiara Hänel, Fenja Gengelazky, Johanna Pürckhauer). Die beteiligten Lehrkräfte und Berufsberater bewerteten die präsentierten Ergebnisse sehr positiv. Sie zeigten sich über die Qualität und Intensität der Fragen und Ergebnisse begeistert. Eingerahmt wurde dieser Tag durch den PMO Tag, bei dem die Bundesagentur für Arbeit als Kooperationspartner auftrat. So konnten im Rahmen des Amuse-Gueule-Parcours erste Eindrücke von unserem Schülerprojekt direkt der PMO Community vorgestellt werden. Abbildung 3: v.l.: Monika Pürckhauer (GPM Fachgruppe), Chiara Hänel (GPM Young Crew), Christian Flach (GPM Fachgruppe), Fenja Gengelazky (GPM Young Crew), Foto: Nicklai Pürckhauer Kontakt: Fachgruppe PM macht Schule, Peter Pürckhauer p.puerckhauer@gpm-ipma.de Eingangsabbildung: © iStock.com/ DutchScenery Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 76 PM_aktuell_01_2020.indb 76 20.02.2020 10: 38: 38 20.02.2020 10: 38: 38 77 DOI 10.2357/ PM-2020-0014 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Project Management Championship 2019 Dóra Slemmer, Patrick Schmeisser 1 Was ist die PM Championship (PMC)? Die PM Championship ist ein dreistufiger Wettbewerb, der aus einer ersten Qualifikationsrunde, einem nationalen sowie einem internationalen Finale besteht. Nach der Qualifikationsrunde, in der die teilnehmenden Teams aus Studierenden ihr Projektmanagement-Wissen online unter Beweis stellen, ziehen die drei besten Teams in das deutsche Finale ein. Dort bearbeiten die Finalisten eine Case Study mit starkem Projektmanagement-Bezug, die in Zusammenarbeit mit einem ausgewählten K ooperationspartner aus der Praxis erstellt wird. Das Siegerteam der deutschen PMC erwartet attraktive Preise und die Einladung zur Teilnahme am internationalen Finale im darauffolgenden Jahr. 1.1 Das Organisationsteam aus der Young Crew Das diesjährige Team hinter der PM Championship bestand aus ehrenamtlichen Young Crew Mitgliedern, die zum ersten Mal in dieser Konstellation das Projekt organisierten. Mehr über den Kick-off im März 2019 in Wiesbaden und das Organisationsteam können Sie in einem bereits veröffentlichten Artikel auf der Young Crew Homepage unter dem Stichwort „PM Championship 2019 Kick-off“ nachlesen. 1.2 Das nationale Finale 2019 bei PAYBACK in München Vom 27. bis zum 29. 11. 2019 fand die fünfte Auflage der PM Championship in Kooperation mit PAYBACK in München statt. Die Teams der Hochschulen aus Dortmund, Hof und Weserbergland konnten sich in der Online-Qualifikationsrunde gegen die Konkurrenz durchsetzen und für das nationale Finale qualifizieren. Die Teilnehmer reisten bereits am Mittwoch, den 27. November an. Beim Abendessen mit lokalen bayerischen Schmankerln und Bier hatten sie die Möglichkeit, das Organisationsteam, das Projektteam des Sponsors und die anderen Teams in einer entspannten Atmosphäre kennenzulernen. Nach dem Frühstück, bei dem die Anspannung der Teilnehmer bereits bemerkbar war, startete der offizielle Teil der PM Championship mit der Vorstellung der GPM durch Claudia Stöhler von der GPM Fachgruppe „Projektmanagement an Hochschulen“ sowie der GPM Young Crew durch Patrick Schmeisser. In den folgenden viereinhalb Stunden sollten die Teilnehmer im Rahmen der Case Study von PAYBACK ein Konzept für ein neues Bewerbermanagement erarbeiten und die erforderlichen Projektmanagement-Methoden zur Umsetzung Aus den DACH-Verbänden Project Management Championship 2019 DOI 10.2357/ PM-2020-0014 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 1: Das Organisationsteam der PM Championship 2019 (v.l.n.r.: Dóra Slemmer, Svenja Räther, Kathrin Häring, Simon Junklewitz, Patrick Schmeisser, Pavel Siebert, Julia Ikkert, David Scherer), Foto: GPM Young Crew Abbildung 2: 1. Platz: Hochschule Weserbergland, v.l.n.r.: Sarah Slomski, Rieke Sophie Kohn, Fabian Brockmann, Nikolaj Tschernischow, Foto: GPM Young Crew PM_aktuell_01_2020.indb 77 PM_aktuell_01_2020.indb 77 20.02.2020 10: 38: 41 20.02.2020 10: 38: 41 Aus den DACH-Verbänden | Project Management Championship 2019 78 DOI 10.2357/ PM-2020-0014 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Abbildung 3: 2. Platz: Hochschule Hof, v.l.n.r.: Sandra Weinhold, Sina Ferfers, Stefanie Drosdek, Sandra Wolf, Foto: GPM Young Crew Abbildung 4: 3. Platz: FH Dortmund, v.l.n.r.: Aleksandra Burimova, Sascha Artelt, Carlos Fontecha, Yelena Dyan, Foto: GPM Young Crew definieren. Dies schafften alle drei Teams trotz der kurzen Zeit mit großem Erfolg. Im Anschluss an die Präsentationen der Ergebnisse stellten sich die Teams noch den Fragen der Jury. Die Expertenjury bestand in diesem Jahr aus Claudia Stöhler (Dozentin an den Hochschulen Augsburg und Ulm), Christian Steinreiber (Lektor bei Fachhochschule des BFI Wien), Mine Kaba (Director of Commercial System & Solutions bei PAYBACK-- Loyalty Partner) und Carolin Schlegtendal (HR Director-- Head of Talent Acquisition & Com ms PAYBACK-- Loyalty Partner). Während sich die Jury zur Besprechung und zum Verteilen der letzten Punkte zurückzog, nutzten die Teilnehmer die Chance und gaben dem Organisationsteam und dem Sponsor wichtiges Feedback für nachfolgende Events. Die Teilnehmer erhielten für ihren Einsatz tolle Preise, die von PAYBACK, TASKWORLD und der GPM gesponsert wurden. 1.3 Gewinner des deutschen Finales: Das Team aus Hameln Das Team der Hochschule Weserbergland aus Hameln konnte sich in einem knappen Kopf-an-Kopf-Rennen gegen das Team der Hochschule Hof durchsetzen und belegte den 1. Platz. Somit steht auch fest, dass Sarah Slomski, Rieke Sophie Kohn, Fabian Brockmann und Nikolaj Tschernischow das Team Deutschland beim internationalen Finale in Vilnius (Litauen) vom 5. bis zum 7. Juni 2020 vertreten und versuchen werden, den Triumph des Vorgängerteams zu wiederholen. Nach der Siegerehrung ließen die Finalisten, die Juroren, die Unternehmensvertreter von PAYBACK und das Organisationsteam den Tag bei italienischer Pizza und Pasta ausklingen. 1.4 Schnitzeljagd quer durch München mit PAYBACK GO Am Freitagmorgen ging es für die Teilnehmer zurück zu PAY- BACK. Dort stellte Marco Negges (Key Account Manager bei PAYBACK) das Unternehmen vor. Danach wurden die Teilnehmer auf eine Schnitzeljagd quer durch München geschickt, um die PAYBACK App zu erleben und zu testen. Nach langem Knobeln fanden alle Teams die Lösung für das Kreuzworträtsel und kehrten zurück ins Büro, wo sie von den Entwicklern der App einen Einblick in die technischen Aspekte der App erhielten. Im Anschluss daran diskutierten die Teilnehmer im Rahmen eines World Cafés, was ein Bonusprogramm wie PAY- BACK in der Zukunft bieten könnte. 1.5 Wie geht es weiter? Im Jahr 2020 spielt Deutschland eine besondere Rolle in der Internationalen PM Championship. Nachdem das deutsche Team erst 2018 in Serbien und dann 2019 in Deutschland das internationale Finale gewinnen konnte, liegen hohe Erwartungen auf dem diesjährigen Siegerteam aus dem Weserbergland. Wir wünschen ihnen viel Erfolg beim internationalen Finale in Litauen und drücken die Daumen, dass sie den Pokal zum dritten Mal nach Deutschland holen. Besonderer Dank gilt allen Beteiligten für ihren Einsatz. Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen bei den nächsten Veranstaltungen der GPM Young Crew oder im Organisationsteam für die nächste PMC. Möchten Sie die PM Championship als Sponsor oder in einer anderen Rolle unterstützen? Melden Sie sich gerne bei uns: pmc@youngcrew.de Eingangsabbildung: © stock.adobe.com/ fotogestoeber PM_aktuell_01_2020.indb 78 PM_aktuell_01_2020.indb 78 20.02.2020 10: 38: 41 20.02.2020 10: 38: 41 79 DOI 10.2357/ PM-2020-0015 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 #40JahreGPM Ein Jubiläum mit nachhaltig messbarem Erfolg Die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. feierte 2019 ihr 40-jähriges Vereinsbestehen. Ein Ereignis, das die GPM nicht nur am Geburtstag selbst feierte. Über vielfältige Maßnahmen mit einem intelligenten redaktionellen Content erzielte die GPM das gesamte Jahr hinweg eine hohe Sichtbarkeit bei einer breiten internen und externen Öffentlichkeit. So auch bei den Lesern der PROJEKTMANAGE- MENT AKTUELL. 17 Beiträge der Kategorien „Meilensteine“, „Gesicht zeigen“ und „Zukunft gestalten“ boten nicht nur interessante Informationen über den Verein, seine Mitglieder und über die Zukunft des Projektmanagements, sondern forderten auch zum Mitmachen auf. In dieser Ausgabe möchte die Abteilung Marketing und Kommunikation der GPM den Lesern die Zahlen der ersten Erfolgsmessung der Jubiläumskampagne präsentieren, vornehmlich die der Social Media Kanäle. Denn das Team nahm den 40. Geburtstag zum Anlass ein Kommunikationsprojekt aufzusetzen, das vor allem zum Ziel hatte: Aus den DACH-Verbänden 40 Jahre GPM DOI 10.2357/ PM-2020-0015 31. Jahrgang · 01/ 2020 Die Reichweite der Social Media Kanäle des Vereins nachhaltig zu steigern, um mit zukünftigen Content mehr Menschen über die eigenen sozialen Netzwerke zu erreichen und damit ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Als Kommunikationsstrategie wurde eine in die Zukunft gerichtete, partizipative und erlebbare Imagekampagne mit digitaler DNA aufgesetzt. Unter dem Hashtag #40JahreGPM entfaltete diese einen starken nachhaltigen internen und externen Impact. Gelungen ist das vor allem durch einen gut durchdachten und zielgruppengerechten Maßnahmenmix aus Interviews, Videos und schriftlichen Beiträgen mit Bild. Und wie bei so vielen Dingen, die neu entstehen, lag auch hier die Chance des Gelingens im Entstehungsprozess selbst, indem die wichtigsten Akteure von Beginn an aktiv beteiligt und zu Botschaftern werden. Für die GPM sind das in erster Linie ihre Mitglieder- - nur ihre Beteiligung und ihr Content haben die Jubiläumskampagne so erlebbar und erfolgreich gemacht. PM_aktuell_01_2020.indb 79 PM_aktuell_01_2020.indb 79 20.02.2020 10: 38: 46 20.02.2020 10: 38: 46 Aus den DACH-Verbänden | 40 Jahre GPM 80 DOI 10.2357/ PM-2020-0015 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Unter dem Hashtag #40JahreGPM wurden insgesamt 297 Beiträge auf den Print und Online Kanälen der GPM veröffentlicht. Der Content der veröffentlichten Beiträge erzielte eine hohe Reichweite und weckte allein auf den Print und Online Kanälen der GPM das Interesse von 150.000 Menschen. PM_aktuell_01_2020.indb 80 PM_aktuell_01_2020.indb 80 20.02.2020 10: 38: 48 20.02.2020 10: 38: 48 Aus den DACH-Verbänden | 40 Jahre GPM 81 DOI 10.2357/ PM-2020-0015 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Ziel erreicht! Die hohe Reichweite führte mit dazu, dass aktuelle und zukünftige Beiträge auf den GPM Social Media Kanälen inzwischen von über 5.000 Menschen gesehen und wahrgenommen werden können. Das sind über 2.000 Menschen mehr als vor einem Jahr und eine 300-prozentige Steigerung. Der GPM Imagefilm „Die Zukunft braucht gute Projekte“ aus der Kategorie „Zukunft gestalten“ erreichte in nur einem Monat auf den GPM Online Kanälen über 17.600 Menschen und ist somit die erfolgreichste Einzelmaßnahme. PM_aktuell_01_2020.indb 81 PM_aktuell_01_2020.indb 81 20.02.2020 10: 38: 49 20.02.2020 10: 38: 49 Aus den DACH-Verbänden | 40 Jahre GPM 82 DOI 10.2357/ PM-2020-0015 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM EnergieVerbund Dresden GmbH www.evd-dresden.de Regionaler und Städtische Energie- und Wasserversorgung, sowie Telekommunikationsanbieter Projektgeschäft für Innovation, Investition und Umsetzung gesetzlicher und regulatorischer Anforderungen Informationsprovider zum Thema klassisches und agiles PM Sprinkenhof GmbH www.sprinkenhof.de Als zentrale gewerbliche Immobiliengesellschaft der Freien und Hansestadt Hamburg gibt Sprinkenhof der Stadt durch die Neubau- und Sanierungsprojekte ein Gesicht und baut als Investor und Realisierungsträger für die Zukunft Hamburgs. Sprinkenhof sichert Hamburgs Werte durch nachhaltiges Immobilienmanagement und garantiert die professionelle Anmietung für den städtischen Flächenbedarf. Unser Projektmanagement ist für die Projektierung und Durchführung gestellter Flächenanforderungen im Rahmen klassischer Projektentwicklungen sowohl auf städtischen als auch eigenen Grundstücken verantwortlich. Hierbei wird der eigentums- und baurechtliche Rahmen gesteckt, um die wirtschaftliche Darstellbarkeit zu gewährleisten. In der Projektrealisierung erbringen wir Leistungen als Projektsteuerer und Bauherrenkernleistungen nach den klassischen Leistungsphasen der HOAI und AHO. Netzwerkaustausch sowie Zugang zu aktuellen Studien, Umfragen und Forschungsergebnissen. Die Möglichkeit an Seminaren und regionalen Veranstaltungen teilzunehmen. Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Neue persönliche Mitglieder Holger Barth (Villingen-Schwenningen), Andreas Bossert (Oberhaching), Matthias Brandes (Kehl), Lysan Drabon (Gossau), Hans-Jürgen Froelke (Hamm), Karl Geusen (Düsseldorf), Claudia Goschau (Elgersb urg), Klaus Grimm (Sachsenheim), Volker Hische (Binningen), Mathias Hoßmar (Königs Wusterhausen), Matthias Hümmer (Erlangen), Christian Just (Ascheberg), Reinhold Kohler (Ingolstadt), Patrick Lenz (Hagenbach), Hardy Merkel (Berlin), Matthias Michalek (Niedernhausen), Grit Pianka (München), Christine Pokall (Xanten), Matthias Rödl (München), Andreas Rygol (Potsdam), Tobias Schuh (Otzberg), Catrin Schuster (Lübeck), Manuel Stein (Nürnberg), Christian Sturm (Kirchheim), Arne Tönnies (Erkrath), Max Reinhart von Heckel (Berlin), Matthias- Marcus Wanner (Zeil), Andreas Wasner (Leipzig), Andreas Wimmer (Altenmarkt), Alexander Ziebell (Berlin) Neue studentische Mitglieder Constantin Elias Abel (Dresden), Jens Christian Abraham (Berlin), Patrick Blobel (Schackensleben), Benjamin Fleischer (Freiberg), Luca Frorath (Koblenz), Isabel Guillén Cifuentes (Bayreuth), Hanna Kirsch (Dresden), Tim Lukas Kirsch (Dresden), Richard Kramer (Zschorlau), Lukas Kügler (Dresden), Cathrin Sarah Milz (Wuppertal), Ly Pham Hoang (Dresden), Marcel Riemer (Ahrensfelde), Leonie Rössler (Heide), Annika Scholl (Dresden), Marc Schweinsberg (Fuldatal), Fenja Caroline Such (Dresden), Luisa Thieme (Dresden), Michael Voit (Bindlach), Valentin von Hammerstein (Dresden) Weitere Steigerung der Reichweite über Veranstaltungen Eine hohe Reichweite erzielte die GPM auch über die virtuelle Welt hinaus. Denn auch auf Veranstaltungen bekam das Jubiläum durch gezielte Einzelmaßnahmen zusätzliche Sichtbarkeit. Etwa auf dem Berliner Zukunftskongress Staat & Verwaltung, auf dem PM Forum- - Europas führender Fachkongress für das Projektmanagement in Nürnberg-- und auf den vielen GPM internen Veranstaltungen, wie die der Regionen sowie der Fach- und Special-Interest Gruppen. Nachhaltigkeit und Erkenntnisse Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Verein durch das Projekt „40JahreGPM“ viel Wertvolles über seine Zielgruppen und Stakeholder, aber auch über seine digitalen Netzwerke lernen konnte. Vor allem aber konnte die GPM einiges über sich selbst und ihr Selbstverständnis erfahren. Durch diese Erkenntnisse ist die Imagekampagne zukunftsweisend für kommende Kommunikationsprojekte und dadurch ein wichtiger Baustein für die Zukunft der GPM. Über die GPM GPM Mitglieder: 8.000 Davon Firmenmitglieder: 410 Teilnehmer am Lehrgang „Projektmanagement-Fachmann“: 38.200 Durch PM-ZERT vergebene Projektmanagement-Zertifikate insgesamt: 57.394 Stand: 06. 02. 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 82 PM_aktuell_01_2020.indb 82 20.02.2020 10: 38: 49 20.02.2020 10: 38: 49 Aus den DACH-Verbände | PMA Intern 83 DOI 10.2357/ PM-2020-0016 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Was tut sich? pma Aktivitäten • 20. 04. 2020, 2. pma quarterly, Billrothaus Wien • 14. 05. 2020, pma young crew get2gether, Wien • 14. 10. 2020, pma focus BACK TO THE ROOTS, Wien Infos & Anmeldung: pma.at Aus den DACH-Verbände PMA Intern DOI 10.2357/ PM-2020-0016 31. Jahrgang · 01/ 2020 Standpunkt Mag. Brigitte Schaden, Präsidentin Projekt Management Austria (pma): Back to the Roots In Zeiten von allgegenwärtigen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Um- und Aufbrüchen stellt sich auch für erfahrene PM-Expert*innen mehr denn je die Frage nach einer Standortbestimmung. Projektmanagement befindet sich heute zwischen den Spannungspolen Agilität und Stabilität. Es ist vielfältig wie nie, Projektmanager*innen sind vermutlich gefragt wie nie. Und dennoch: der Ruf nach einer Neuorientierung wird vielerorts laut. Dabei wird vor lauter Zukunftsorientierung oft vergessen, was das Projektmanagement zeitlos macht, welche Werte nach wie vor gültig sind und es auch in Zukunft sein werden. Besinnen wir uns also gerade in einer überaus volatilen Zeit auf die Kernkompetenzen im PM wie Wertschätzung, Selbstreflexion, Vertrauen, Kommunikation auf Augenhöhe. Besinnen wir uns auf die Wurzeln des Projektmanagements, um weiter zu wachsen. Foto: pma/ L. Schedl Ausgezeichnet: Das Projektteam von ‚Kinderuni Wien 2019’ Foto: pma / M. Hörmandinger pma Präsidentin Brigitte Schaden eröffnete feierlich die Gala im Studio 44 pma award gala dinner: Exzellente Projektmanager*innen und gute Unterhaltung Bei der pma award gala im November 2019 in Wien wurden bereits zum 14. Mal herausragende Projektmanager*innen, Projektteams und Nachwuchsprojekte für ihre Leistungen im Projektmanagement geehrt. Den pma project excellence award 2019 gewann das Projektteam von ‚Kinderuni Wien 2019‘, das mit dem Programm „nachhaltig, sozial“ Kindern unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen Freude am Forschen vermittelt. Project manager of the year 2019 wurde Heide Schicht, zSPM (value one development). Erstmals vergeben wurde heuer auch der Preis „project owner of the year 2019“: Er ging an Michael Sommer (ELIN Gmbh). Auch Österreichs Nachwuchs-Projektmanager*innen haben ihr Können unter Beweis gestellt. Die Studierenden der FH Gesundheitsberufe OÖ gewannen mit ihrem Projekt „BEZ- Beratungszentren für das Klinikum Linz“ den pma junior award 2019. Mit rund 160 Gästen war der Abend ein Beispiel dafür, dass gelungenes Projektmanagement nicht nur smart ist, sondern ebenso Anlass zum Feiern bietet. Vor den Vorhang! pma Mitglieder Mit knapp 1.200 Mitgliedern ist pma die größte PM-Vereinigung Österreichs. Wir stellen vor: ZKW Group GmbH Rottenhauser Straße 8 3250 Wieselburg www-zkw-group.com Hauptgeschäftsgebiet ZKW ist als Spezialist für innovative Premium-Lichtsysteme und Elektronik ein weltweit präsenter Partner der Automobilindustrie, der komplexe Premium-Beleuchtungen und Elektronikmodule für internationale Automobilhersteller entwickelt und produziert. PM-Aufgaben und Bedeutung ZKW lebt von Kundenprojekten, die immer komplexer werden und dennoch unter steigendem Kostendruck erfolgreich durchgeführt werden müssen. Entsprechend wichtig sind professionelles Projektmanagement und dessen strategische und methodische Weiterentwicklung! Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Projektmanagement liegt in einer ganzheitlichen Betrachtung und Kostentransparenz! PM_aktuell_01_2020.indb 83 PM_aktuell_01_2020.indb 83 20.02.2020 10: 38: 52 20.02.2020 10: 38: 52 Aus den DACH-Verbänden | SPM intern 84 DOI 10.2357/ PM-2020-0017 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Frühjahrstagung 2020 in der Schweiz widmet sich der Vernetzung Neue Wege der Zusammenarbeit sind im heutigen Projektmanagement gefragt Menschen, Maschinen, Systeme und Prozesse sind schon lange vernetzt, seit den vielfältigen digitalen Möglichkeiten jedoch in weit grösserem Maßstab, sowohl quantitativ als auch zeitlich und räumlich, denn vernetzt sind wir heute global, 24 / 7. Agile Projektteams organisieren sich untereinander, arbeiten analog und digital miteinander. Da stellt sich die Frage, wie digitale Kollaboration gelingt und wann und wo analoger Austausch gefordert ist. Tools und Rollen zu definieren genügt aber bei Weitem nicht, Selbstverantwortung, Kommunikations- und Entscheidungskompetenzen müssen eingeübt und gelebt werden. Dr. Joana Breidenbach wird darüber berichten, wie digitale Prinzipien die Zusammenarbeit und Führung verändert haben und wie im von ihr gegründeten betterplace lab erforscht und gefördert wird, was das Digitale sozial macht. Ohne Vernetzung ist die moderne Arbeitsform des digitalen Nomadentums nicht denkbar- - welche Erfahrungen die digitale Nomadin Daniela Christen gemacht hat, wird sie an der spm Frühjahrstagung berichten. Insgesamt 6 Referentinnen und Referenten aus Praxis und Wissenschaft werden die verschiedenen Aspekte von Ver- Aus den DACH-Verbänden SPM intern DOI 10.2357/ PM-2020-0017 31. Jahrgang · 01/ 2020 Bild „Projektmanagement vernetzt“, Autor Michael Meier netzung und neuen Wegen der Zusammenarbeit im Projektmanagement beleuchten und mit den Tagungsteilnehmern diskutieren. Für Austausch und Vernetzung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist ebenfalls gesorgt, während der Tagung und beim abschliessenden Apéro. Die Tagung findet am 14. Mai 2020 ab 9: 00 Uhr im Careum Auditorium in Zürich statt. Anmeldungen unter https: / / spm.ch / fruehjahrstagung-14mai-2020/ Margarete Nuber, spm Mitglied und Trendscout Nach dem Projekt ist vor dem Projekt? Aus der Sicht eines Projektmanagers folgt auf das Projektende oder Phasenende, manchmal einige Zeit davor, der Wechsel zu einem neuen Projekt. Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Doch aus der Sicht des Projektauftraggebers (Project Owner) sieht die ausschlaggebende Zeitfolge in der Regel anders aus. Projekte sind Investitionen, die durch den erzeugten Nutzen der Projektergebnisse zu rechtfertigen sind. Die Erfüllung des eigentlichen Projektziels erfolgt hier erst während der Nutzung. Aus finanzieller Sicht des Investors geht es darum, wieder Geld zu verdienen, um Schulden zurückzuzahlen bzw. Finanzmittel für weitere Investitionen zu erarbeiten. Aus zeitlicher Sicht dauert z. B. ein Bauprojekt einige Jahre; Betrieb und Nutzung dauern oft viele Jahrzehnte. Nach dem Projekt kommt also die erste Periode von Betrieb und Nutzung, dann folgen weitere Perioden, in denen der volle Projektnutzen zu realisieren ist. Statt der Frage „Was ist Ihr nächstes Projekt? “ wird sich der Auftraggeber die Gegenfrage „Wie realisiere ich den Nutzen? “ stellen. „Projekt, Projekt, Projekt“ ist eine einseitige Betrachtungsweise, die zur ‚Projektitis‘ führt, z. B. angestachelt durch die Rufe „VUCA-VUCA“ und „ständige Veränderung“! Das Projektmanagement und das Management der investierenden Organisation (Produkte, Nutzung, Unterhalt, Erneuerung, Anpassung, Finanzen, Personal etc.) müssen sich ergänzen, zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit beginnt in den ersten Projektphasen. Bereits zu dieser Zeit ist zu überlegen, ob sich die Investition lohnt. Investiert werden nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Stunden, Bemühungen, Ideen etc. Das Projektmanagement ist an einer soliden Grundlage für das Projekt interessiert. Auch während dem weiteren Projektablauf sind die Interessen der investierenden Organisation prioritär zu beachten. Intensiv wird die Zusammenarbeit in der Inbetriebsetzungs- und Abschlussphase, in der die Betreiber und Nutzer der Lieferobjekte eingeführt, ausgebildet und dokumentiert werden. Es ist zwar nicht die Regel, dass Projektleitende ideale Manager für Betrieb und Nutzung ihrer Lieferobjekte werden, aber ihr Wissen und ihre Erfahrung aus der Projektleitung, ihre Projektbegeisterung und ihr Verantwortungsbewusstsein können für die Nutzenrealisierung hilfreich sein. Sie sollen jedoch kein Hindernis für die optimale Verwendung der Projektergebnisse sein. Die Durchlaufzeit (Lebensdauer) kann je nach Projektart sehr unterschiedlich sein. Bei agil bearbeiteten Projekten kann die Nutzenrealisierung der Lieferobjekte schon in einigen Monaten erreicht sein, während sie bei großen Infrastrukturprojekten viele Jahrzehnte dauert. Im Zusammenhang mit der kurzfristigen Nutzenrealisierung kann auch der Übergang zwischen laufenden Arbeiten und Projekten überlegt werden. Dr. Hans Knöpfel, spm PM_aktuell_01_2020.indb 84 PM_aktuell_01_2020.indb 84 20.02.2020 10: 38: 52 20.02.2020 10: 38: 52 85 DOI 10.2357/ PM-2020-0018 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Selbstgesprächige Organisationen Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg betritt hastig Ehrlichs Büro. „Ich bin ganz aufgeregt und in großer Sorge. Ich frage mich: Machen viele von uns nicht einen Bullshit-Job oder Non-Job? “ Ehrlich sieht ihn kurz gelangweilt an, beißt in seinen Apfel und schaut dann aus dem Fenster. Priesberg ist irritiert: „Ich glaube, du hast mich nicht verstanden: Es kann sein, dass es viele Menschen gibt, vielleicht auch wir beide, deren Arbeit überflüssig ist.“ „Ja, ja, so ist die kleine Welt. Es gibt die, die arbeiten, wie Friseure, Ärzte oder Lokführer, und dann gibt es die, die nicht arbeiten und sich gegenseitig Folien zeigen oder Strategien machen und nur darüber sprechen, ohne irgendetwas zu bewegen“, fasst Ehrlich zusammen, nachdem er seinen Apfel gegessen hat. Priesberg ist genervt und entgegnet: „Ja, endlich hast du es verstanden. Weg mit den Folienmalern, den Controllern und den Strategen- … ups- … vielleicht auch den Projektleitern? “ Ehrlichs Gesichtsausdruck ist immer noch gelangweilt. „Fangen wir mal ganz langsam an. Friseure, Ärzte, Lokführer: Wo arbeiten die? “ Priesberg überlegt ein wenig und antwortet: „Ärzte behandeln Patienten, Friseure schneiden Haare und Lokführer fahren Loks. Ich würde sagen: in einem definierten Arbeitsumfeld, klar zum Kunden ausgerichtet.“ Ehrlich bohrt weiter: „Können die das alleine erledigen oder sagen wir mal maximal in kleinen Teams abarbeiten? “ „Ja, natürlich. Da ist die Arbeit, sie wird getan und schwupp sieht die Welt wieder etwas besser aus“, ruft Priesberg mit fester Überzeugung aus. Ehrlich holt sich den nächsten Apfel, einen kleinen, schaut wieder aus dem Fenster und isst ihn betont langsam auf. Nachdem er damit fertig ist, fragt Ehrlich erneut: „Und die ‚Bullshit-Jobber‘, wo arbeiten die? Wo arbeitet der Stratege, wo der Controller, wo der ‚Folienmaler‘? “ Priesberg zögert und erwidert: „In Organisationen. Da sind sie geschützt, sind unter sich, keiner kontrolliert sie.“ Ehrlich schaut Priesberg an: „Du vergleichst Äpfel mit Birnen. Hier probier’ mal eine.“ Ehrlich wirft dem verdutzten Priesberg eine Birne zu und fährt fort: „Um das Ganze mal zu beschleunigen: Ich glaube, dass deine ‚Bullshit- Jobber‘ emergente Phänomene sind, die nur in Organisationen einer bestimmten Größe auftreten und ich behaupte sogar: auftreten müssen. Und damit kann man den ‚kundenorientierten Arbeiter‘ nicht direkt mit Strategen oder Controllern vergleichen. Wir müssen erst ein geeignetes Koordinatensystem finden.“ Priesberg ignoriert Ehrlichs Ausführungen zum Teil und fasst zusammen: „Du meinst: kleine Organisation- - keine ‚Bullshit-Jobber‘, große Organisation-- viele ‚Bullshit-Jobber‘.“ Ehrlich wundert sich über Priesberg, dass er sich nicht über dessen theoretische Herangehensweise beschwert hat und ergänzt: „Ja, so kann man es vereinfacht ausdrücken. Und jetzt habe ich eine Bitte: Deine ‚Bullshit-Jobber‘ sind keine ‚Bullshit-Jobber‘. Nennen wir sie lieber Fokalpunkte. Sie beobachten, bündeln die Kommunikation, die Gedanken, die Ideen. Sie wägen ab, wählen aus, verwerfen. Sie zählen Geld, weisen es Projekten zu, schaffen damit Raum für Opportunitäten. Es ist hier so, als ob eine Organisation ständig mit sich im Dialog ist.“ Priesberg will heftig protestieren, aber Ehrlich ist schneller: „Organisationen bestehen aus Kommunikation. Kommunikation wird durch die Menschen transportiert, gebündelt, interpretiert, verdichtet und verbreitet. Und genau das machen die Fokalpunkte: Ein Stratege beispielsweise entwirft Szenarien- - aus den vielen Möglichkeiten werden im Diskurs die wenigen herauskristallisiert, die eine Organisation schließlich voranbringen, und zwar dann unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte.“ Priesberg überlegt: „Okay, in Organisationen gibt es natürlich keine Ärzte und Friseure, die für sich arbeiten. Aber es gibt dort sehr viele Ingenieure, Techniker und Menschen, die konkret arbeiten. Nennen wir sie ‚Umsetzer‘-…“ Ehrlich fällt ihm ins Wort: „Wenn die Fokalpunkte richtig funktionieren, dann weiß der Umsetzer letztendlich, was bis Aus den DACH-Verbänden Selbstgesprächige Organisationen DOI 10.2357/ PM-2020-0018 31. Jahrgang · 01/ 2020 PM_aktuell_01_2020.indb 85 PM_aktuell_01_2020.indb 85 20.02.2020 10: 38: 53 20.02.2020 10: 38: 53 Aus den DACH-Verbänden | Selbstgesprächige Organisationen 86 DOI 10.2357/ PM-2020-0018 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com wann umzusetzen ist und kann sich vollständig auf seine Arbeit konzentrieren. Die Organisation wirkt und kann ihre ganze Kraft einsetzen.“ Priesberg schließt versöhnt: „Und wenn die Fokalpunkte einen schlechten Job machen, dann machen die Umsetzer zwar was sie wollen, auf die eigene Art vielleicht sogar perfekt und ungestört, allerdings in der Summe unkoordiniert. Die Kraft einer Organisation schwindet. Also lassen wir doch organisationale Selbstgespräche zu. Sie sollten nur sinnhaft sein! “ Eingangsabbildung: © iStock.com/ ComebackImages BEA | SCHEURER | HESSELMANN Projektmanagement Der Klassiker endlich neu aufgelegt. uvk.de Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 86 PM_aktuell_01_2020.indb 86 20.02.2020 10: 38: 54 20.02.2020 10: 38: 54 87 DOI 10.2357/ PM-2020-0019 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Buchbesprechung Trainingskonzept „Hybrides Projektmanagement, Projekte erfolgreich planen und in Iterationen umsetzen“ von Sabine Niodusch Thor Möller Neben ihrem bekannten Projektmanagement-Roman hat Sabine Niodusch in den letzten Jahren bereits zwei erfolgreiche Trainingskonzepte zum Projektmanagement veröffentlicht: „Projekte erfolgreich starten und steuern“ und „Projekt-Teams erfolgreich führen.“ Der starke Wandel im Projektmanagement zu den agilen Ansätzen und die verstärkt auftretenden hybriden Ansätze im Projektmanagement haben sie dazu veranlasst, ein weiteres Trainingskonzept zu publizieren, das sich intensiv mit dem hybriden Projektmanagement auseinandersetzt. Wie bereits bei den bisherigen Trainingskonzepten bietet „Hybrides Projektmanagement, Projekte erfolgreich planen und in Iterationen umsetzen“ ein sehr umfangreiches, pragmatisches und flexibles Konzept, das jedem Trainer eine Menge an Informationen und Services bei der Konzeption eines entsprechenden Trainings bietet. Innerhalb kürzester Zeit kann man damit ein Seminar mit allen erforderlichen Präsentations- und Teilnehmerunterlagen zusammenstellen. Auf diese Weise können professionelle und erprobte Konzepte verwendet und vor allem einige Tage Aufwand zur Selbsterstellung eingespart werden. Die Trainingsinhalte richten sich an künftige Projekt- oder Teilprojektleiter. Sie lernen darin, wie sie Projekte professioneller leiten und dabei die Vorteile agiler Elemente nutzen können. Das Trainingskonzept liefert einen strukturierten Ablauf für ein dreitägiges Projektmanagement-Seminar mit einer umfangreichen Sammlung frei anpassbarer digitaler Materialien. Ein praxiserprobter, minutengenauer Trainerleitfaden gibt dem Trainer zu jeder Zeit eine solide Orientierung mit vielen Vorschlägen zum Vorgehen. Im Zentrum steht der Ansatz des hybriden Projektmanagements als Kombination von klassischen Projektmanagement- Methoden mit agilen Projektmanagement-Techniken. Den Seminarteilnehmern wird ein ganzheitliches Grundverständnis über hybrides PM und dessen Methodenkanon vermittelt. Konkret bedeutet dies bei dieser Vorlage, dass das Training den klassischen Ansatz des Projektmanagements enthält, der in der Projektdurchführungsphase durch die Arbeit mit Iterationen als agilen Elementen erweitert wird. Zu diesen agilen Elementen gehören u. a. das Lernen im Team und das Feedback von Kunden zu den Zwischenergebnissen, das umgehend berücksichtigt werden kann und Entwicklungen damit sukzessive an die Kundenerwartungen anpasst. Buchbesprechung Trainingskonzept „Hybrides Projektmanagement“ DOI 10.2357/ PM-2020-0019 31. Jahrgang · 01/ 2020 Sabine Niodusch. Hybrides Projektmanagement (Digitales Trainingskonzept) Projekte erfolgreich planen und in Iterationen umsetzen. managerSeminare, Bonn 2019. Digitales Trainingskonzept zum Download oder als USB-Stick mit Trainer-Einzellizenz. Enthält 380 PPT-Folien mit Traineranleitungen, Handouts, Inputs, Impulse, Übungen, Online- Ressourcen, für drei Trainingstage plus Follow-up. 248,00 EUR, ISBN: 978-3-95 891-063-8. PM_aktuell_01_2020.indb 87 PM_aktuell_01_2020.indb 87 20.02.2020 10: 38: 55 20.02.2020 10: 38: 55 Buchbesprechung | Trainingskonzept „Hybrides Projektmanagement“ 88 DOI 10.2357/ PM-2020-0019 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 01/ 2020 Projektmanagement-Trainer können hier auf ein anwendungsfertiges Konzept mit flexibel anpassbaren digitalen Lerninhalten und Materialien für ein dreitägiges Training zurückgreifen und ein ebenso vorgegebenes Follow-up anbieten. Weiterhin stehen den Teilnehmenden eine ganze Reihe an vorformulierten Anträgen, Planungs- und Analyse-Tools und Berichtsvorlagen zur Verfügung, die leicht individuell anpassbar sind. Nach dem Absolvieren des Seminars wissen die Teilnehmenden, wie sie mithilfe formaler Methoden Projekte starten und planen und in der Durchführungsphase wirksam in Iterationen arbeiten können. Sie kennen die notwendigen Aspekte des Projekt-Controllings und des Projektabschlusses. Während eines anschließenden Follow-up-Tages reflektieren die Teilnehmer ihre gewonnenen Praxiserfahrungen und vertiefen ihre Kenntnisse für die Projektdurchführung in den Iterationen. Das digitale Trainingskonzept kann entweder direkt digital geladen oder auf USB-Stick bezogen werden. Dank der offenen Dateiformate können die digitalen Inhalte frei angepasst, ergänzt, gekürzt oder etwa mit dem Logo des Kunden belegt werden. Trainer und Seminarleiter können je nach Kenntnisstand ihrer Teilnehmer sehr flexibel auf über 380 PowerPoint-Charts sowie auf weitere Inputs, Übungen, Vorlagen und Flipchart-Vorschläge zurückgreifen. Das minutiöse Ablaufschema ist erprobt, es kann originalgetreu übernommen werden oder lediglich als Blaupause für die Themenbearbeitung dienen. Ein Trainerleitfaden gibt Überblick über Ansatz, Inhalte und eingesetzte Methoden. Ausführliche Arbeitshilfen führen durch die Übungen und dokumentieren die persönlichen Arbeitsergebnisse der Teilnehmer. Eingangsabbildung: © iStock.com/ nicolamargaret DER FÜHRENDE FACHKONGRESS FÜR PROJEKTMANAGEMENT IN EUROPA I Netzwerken, Trends und Innovationen I Rund 60 Praxisbeiträge I Hochkarätige Keynote Speaker I 40 Aussteller & Sponsoren Der Treffpunkt für PMO-Experten aus allen Branchen! www.pmo-tag.de www.pm-forum.de Anzeige PM_aktuell_01_2020.indb 88 PM_aktuell_01_2020.indb 88 20.02.2020 10: 38: 56 20.02.2020 10: 38: 56