PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de Projektmanagement-Software Vom Kleinunternehmer über den Mittelstand bis hin zu weltweit agierenden Konzernen: Mit Projektron BCS und Projektron BCS.start bieten wir Ihnen die passende Lösung. Projektron GmbH • Charlottenstraße 68 • 10117 Berlin • Deutschland • Telefon: +49 30 3 47 47 64-0 • www.projektron.de • info@projektron.de auswerten koordinieren planen Projekte projektron.de ISO 27001 zertifiziert Wir suchen Mitarbeiter für: München / Stuttgart Hamburg / Berlin Projektmanagement-Software Projektron BCS Agiles und hybrides Projektmanagement Ausgabe 2/ 2020 | 31. Jahrgang PMaktuell_Umschlag.indd 1-3 PMaktuell_Umschlag.indd 1-3 28.04.2020 16: 55: 23 28.04.2020 16: 55: 23 Mehr Projektmanagement-Wissen für Sie und Ihren Unternehmenserfolg! Aus dem profunden und vielfältigen Know-how des Vereins entstehen die Ideen für das Seminarangebot der GPM. Dank des gemeinnützigen Charakters der GPM können Sie sich dabei auf faire Preise verlassen. Änderungen (auch Online-Durchführung) vorbehalten, aktuelle Termine unter: www.gpm-ipma.de/ seminare Jetzt informieren und anmelden unter: www.gpm-ipma.de/ weiterbildung WEITERBILDUNG Hauptgeschäftsstelle Nürnberg Hauptstadtrepräsentanz Berlin Am Tullnaupark 15 I 90402 Nürnberg Mittelstraße 55 I 10117 Berlin Tel.: +49 911 433369-54 I Fax: +49 911 433369-99 Tel.: +49 30 36403399-0 I Fax: +49 30 36403399-5 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. I seminar@gpm-ipma.de I www.gpm-ipma.de Know-how für Ihren Projekterfolg Profitieren Sie vom Expertenwissen der GPM - dem führenden deutschen Fachverband für Projektmanagement. * 1 Intensivworkshop / * 2 Intensivkurs Agile Führung 4.0 Dr. Alfred Oswald Köln, 01.-02.10.2020 Agiles Projekt Management 4.0 Dr. Alfred Oswald Köln, 14.-15.09.2020 Köln, 12.-13.11.2020 Agile Transformation 4.0 Dr. Alfred Oswald Köln, 30.11.-01.12.2020 Disruptive Innovation und Design Thinking Thor Möller Hannover, 05.-06.11.2020 Erfolgreiches Managen internationaler Projekte Dr. Lorenz Schneider / Steffen Rietz Frankfurt, 16.-17.09.2020 Mehr Projekte in kürzerer Zeit Uwe Techt / Guido Bacharach Heppenheim, 29.-30.09.2020 Professionelles Projektportfolio- Management Prof. Dr. Claus Hüsselmann Frankfurt, 24.-25.09.2020 Projekterfolge sichern, Konflikte lösen Sabine Schnarrenberger Nürnberg, 12.-13.10.2020 Projektleitertraining - Kommunikation und Kooperation im Projekt Johanna Boos-Lomnitz Köln, 30.11.-02.12.2020 Sicheres und überzeugendes Auftreten für Projektleiter* 2 Irene Kayser / Manfred Baumann Frankfurt, 17.-18.09.2020 Strategisches Projektmarketing kompakt Alexander Mereien Stuttgart, 04.09.2020 Zukunft des PM / PL in der digital-agilen Welt? * 1 Dr. Klaus Wagenhals München, 06.-08.10.2020 Projektmanagement - Das Grundlagenseminar Online-Seminar: 06.-08.07.2020 Hamburg: 24.-26.08.2020 Hannover: 07.-09.09.2020 Stuttgart: 28.-30.10.2020 30.11.-02.12.2020 Köln: 14.-16.12.2020 Das GPM Weiterbildungsprogramm - Übersicht der Seminare 2020 Nürnberg: Mit dem MBA Systems and Project Management erwerben Sie das erforderliche fachliche und methodische Rüstzeug, um als Führungskraft von Morgen Unternehmen auf dem Weg der digitalen und agilen Transformation zu führen und zu gestalten. 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Der individuelle Lernprozess führt zum agilen Mindset 25 Vergleich von hybridem Management Weder gut noch schlecht 33 Agil und lean in Bauprojekten 39 Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessen 46 Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten Controlling und Management 4.0 51 Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht Fallen, aufstehen, Krönchen richten-- und es-in Zukunft besser machen GPM Themen 56 Online-Zertifizierungslösungen für Projektmanager Im Home-Office zum IPMA-Zertifikat 59 Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement So viel verdienen Projektmanagerinnen und Projektmanager im Jahr 2019 Aus den DACH-Verbänden 70 GPM intern 72 PMA Intern 73 SPM Intern Kolumne 74 Komplexität in Sicht? Dann nutze sie! INHALT Inhalt Artikeltitel DOI ? ? .? ? ? ? / PM-2020-0001 31. Jahrgang · 01/ 2020 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Prof. Dr. Helmut Klausing (Geschäftsführender Herausgeber) Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Myriam Conrad, GPM, Nürnberg Christopher Klausnitzer, GPM, Nürnberg (Ressort GPM intern) Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee Wir bedanken uns herzlich beim scheidenden Redaktionsbeirat für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren und freuen uns auf weitere Aktivitäten mit dem neu berufenen, aber noch nicht konstituierten Redaktionsbeirat. G 6010 31. Jahrgang, 2/ 2020 ISSN 0942-1017 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0) 7071 / 9797 - 0 Telefax: +49 (0) 7071 / 9797 - 11 www.projektmanagement.digital © 2020 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Elena Gastring eMail: gastring@narr.de Anzeigenverwaltung: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 85853 - 813 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ gradyreese Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum 00_toc.indd 1 28.04.2020 14: 49: 19 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-2020-0001 EDITORIAL Ihr Steffen Scheurer Agiles und hybrides Projektmanagement Editorial Artikeltitel DOI 10.2357/ PM-2020-2020-0001 31. Jahrgang · 02/ 2020 Liebe Leser, Anfang des Jahres schrieb ich in meinem Editorial über die VUCA-Welt (Heft 1/ 2020). Ich skizzierte eine dynamische, sich abrupt ändernde Welt, in der sich gesellschaftliche, technologische und ökonomische Trends immer schneller und kaum noch vorhersehbar entwickeln. Damals - vor wenigen Wochen - war das, mit dem wir uns heute konfrontiert sehen, so nicht vorstellbar. Jeder von uns spürt die durch den Corona Virus ausgelöste globale Disruption in seinem Leben ganz unmittelbar. Nicht nur für uns, sondern auch für die Wirtschaft und für viele Unternehmen bedeutet dies eine unsichere Zukunft. Je nach unterstelltem Szenario rechnet ein erstes Gutachten des ifo Instituts der Universität München damit, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland zwischen 5 und 10 Prozent des BIP schrumpfen wird (bezogen auf das gesamte Jahr 2020). Die Zahl der in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeiter steigt stark an. Zusammen mit den Partnerländern der EU und der „G20“ versucht die Bundesregierung die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren. Was wir heute und mit uns so viele Menschen - auch schmerzlich und unter persönlichen Opfern - erleben, ist eine VUCA-Welt „live“! So fühlt es sich an, wenn Sicherheiten wegbrechen, wenn sich Dinge nicht mehr linear entwickeln, sondern exponentiell. Wenn wechselseitig vernetzte Systeme zu Auswirkungen führen, die wir so nicht bedacht hatten - und die wir vielleicht so auch gar nicht hätten denken können. Disruption und Unsicherheit über die weitere Entwicklung sind auf einen Schlag überall spürbar. Wir müssen mit diesen Disruptionen und Unsicherheiten umgehen lernen und neue, kreative Lösungen erarbeiten. Im Projektmanagement sind uns solche Situationen nicht unbekannt, wenn auch (glücklicherweise) nicht in dieser Tragweite. Schon lange diskutieren wir eine agile Herangehensweise an Projekte, die von starker Unsicherheit gekennzeichnet sind oder bei denen wir davon ausgehen, dass sich die Projektumstände im Zeitablauf des Projektes stark verändern können. Die Idee dabei ist: Ein agiles Projekt wird nicht komplett durchgeplant wie im klassischen Projektmanagement. Wegen der starken Unsicherheiten fährt man eher „auf Sicht“. Was bedeutet dieses „auf Sicht“ fahren? Im Grunde geht es darum, in überschaubaren Zeitabschnitten jeweils Projektteillösungen zu erarbeiten - aber dabei immer wieder auf die sich ändernden Rahmenbedingungen oder neuen Anforderungen des Kunden einzugehen. Im Grunde entsteht die Projektlösung in iterativen Teilschritten. Diese Schritte ermöglichen schnelle Feedback- und Lernzyklen. So kann der sich im Projektverlauf ergebende Erkenntnisfortschritt immer wieder bei der Erarbeitung der Projekt(teil)lösung einbezogen werden. Mit dieser Herangehensweise sind für Unternehmen viele Praxisfragen verbunden. Wie schnell und wie umfangreich kann sich ein Unternehmen vom klassischen auf das agile Projektmanagement umstellen? Müssen Unternehmen ihre Methodik komplett transformieren - oder können hybride Lösungen sinnvoll sein? Gibt es Erfolgsbedingungen für einen solchen Transformationsprozess? In welchen Branchen und in welchen Projekten lassen sich agile Methoden erfolgsversprechend einsetzen? Diesen und weiteren Fragen gehen die Lesen Sie zu einer wesentlichen Erfolgsbedingung des agilen Projektmanagements ein Interview von Oliver Steeger mit Sabine Hennig und Martin Medes . Norbert Schaffitzel und Agnetha Flore beschäftigen sich mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit hybrider Projektmanagementformen. Welche Rolle agile Projektmanagementmethoden in der Bauwirtschaft und im automobilen Produktentstehungsprozess spielen können, zeigen Katharina Lennartz und Rainard Osebold sowie Markus Schmidtner und Holger Timinger . Helge Nuhn und Norbert Schaffitzel beschäftigen sich mit neuen Formen des Controllings in agilen Managementumgebungen. Petra Krug geht auf die Fehlerkultur in agilen Umfeldern ein. Neben diesem Heftschwerpunkt portraitieren wir mit Patrick Fiebeler einen Projektmanager, der nicht ganz alltägliche Projekte leitet. Zudem greifen wir weitere wichtige Themen rund um das Projektmanagement auf. So zeigt Yvonne Schoper am Beispiel der Sanierung der Autobahn A40, welche Bedeutung dem richtigen Projektdesign zukommt und wie wichtig es ist, den Kosten öffentlicher Infrastrukturprojekte auch deren sozialen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Nutzen gegenüberzustellen. Das Autorenteam Christoph Schneider, Yvonne Schoper, Christine Treiber und Andreas Wald gibt einen Einblick in die Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement. Hannes Griebel betreut das Projekt der PM-Zert zur Digitalisierung der IPMA-Zertifikatsprüfungen und zeigt auf, welche Prüfungen bereits heute und in Zukunft in digitaler Form abgelegt werden können. Vielleicht können agile oder hybride Ansätze auch zur Bewältigung der Corona-Pandemie beitragen. „Auf Sicht fahren“, veränderte Rahmenbedingungen schnell über kontinuierliche Feedback- und Lernzyklen antizipieren, Transparenz schaffen, Eigenverantwortung stärken - diese Elemente des agilen Projektmanagements können auch in der Krise weiterhelfen. Wie beim agilen Projektmanagement kommt es bei der Bewältigung der Corona-Pandemie auf jeden Einzelnen und seinen Beitrag an, den er leistet. So können wir beim Meistern dieser Herausforderungen gemeinsam kreative und situationsangepasste Lösungen entwickeln, die vielleicht sogar über diese Krise hinausweisen. Bringen Sie als Projektmanager Ihr Know how ein! Unsere Gesellschaft kann davon nur profitieren. Kommen Sie mit Ihrer Familie gesund durch die schwierige Zeit! Steffen Scheurer Autoren in diesem Heft nach, das sich im Schwerpunkt mit agilem und hybridem Projektmanagement beschäftigt. PLANTA stellt sich seit jeher aktuellen Anforderungen des Marktes und liefert seit 1980 PM-Software mit hohem Innovationsgrad, die ihre Anwender jede Projektsituation meistern lässt. Das Kernprodukt der Multiprojektmanagement-Software, PLANTA project, ist stetig durch neue Bausteine für Customizing, Projektportfoliomanagement, Integration mit anderen Systemen, besondere Datensicherheit und das neue Collaboration-Tool PLANTA pulse für agiles Projektmanagement erweitert worden. Das neue integrierte Hybridsystem bietet einzigartigen Nutzen für die flexible Planung von Projekten oder Teilprojekten je nach Bedarf mit agiler, klassischer oder hybrider Projektmanagement-Methode. Mehr als 600 Kunden aus allen Branchen mit ca. 60.000 Anwendern hat PLANTA bisher auf ihrem Weg zu einer zuverlässigen PM- Software begleitet. Nutzen Sie unsere PM-Expertise - seit 40 Jahren werden Projekte erfolgreich mit PLANTA-Software geplant und gesteuert. Seit 40 Jahren Ihr zuverlässiger Partner In jeder Projektsituation bewährt Lernen Sie uns kennen: www.planta.de 01_Editorial.indd 2 28.04.2020 14: 30: 47 PLANTA stellt sich seit jeher aktuellen Anforderungen des Marktes und liefert seit 1980 PM-Software mit hohem Innovationsgrad, die ihre Anwender jede Projektsituation meistern lässt. Das Kernprodukt der Multiprojektmanagement-Software, PLANTA project, ist stetig durch neue Bausteine für Customizing, Projektportfoliomanagement, Integration mit anderen Systemen, besondere Datensicherheit und das neue Collaboration-Tool PLANTA pulse für agiles Projektmanagement erweitert worden. Das neue integrierte Hybridsystem bietet einzigartigen Nutzen für die flexible Planung von Projekten oder Teilprojekten je nach Bedarf mit agiler, klassischer oder hybrider Projektmanagement-Methode. Mehr als 600 Kunden aus allen Branchen mit ca. 60.000 Anwendern hat PLANTA bisher auf ihrem Weg zu einer zuverlässigen PM- Software begleitet. Nutzen Sie unsere PM-Expertise - seit 40 Jahren werden Projekte erfolgreich mit PLANTA-Software geplant und gesteuert. Seit 40 Jahren Ihr zuverlässiger Partner In jeder Projektsituation bewährt Lernen Sie uns kennen: www.planta.de 01_Editorial.indd 3 28.04.2020 14: 30: 48 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 Patrick Fiebeler: Projektmanager im U-Boot-Bau Das absolut geräuschlose Projekt Oliver Steeger Porträt | Mit rund fünftausend technischen Anforderungen gehören U-Boote zu den wohl komplexesten Projekten, an die sich Menschen heranwagen. Projektmanager Patrick Fiebeler aus Kiel hat solche Vorhaben fest im Griff - und lernt noch nach 17 Jahren in dieser Branche laufend dazu. Über Rekorde in puncto Projektkomplexität gehen die Meinungen auseinander: Viele halten die Vorhaben aus der Luft- und Raumfahrt für die komplexesten Projekte, die Menschen bearbeiten. Eine stille, fast lautlose „Konkurrenz“ kommt indes aus der Tiefe: U-Boote. Bei der Komplexität können U-Boote beispielsweise Raumstationen ohne Weiteres das Wasser reichen. Mit Patrick Fiebeler spreche ich über das Projektmanagement („U-Boote zu bauen gehört zu den schwierigsten Projekten, die wir Menschen bearbeiten“). Eine Kennzahl: Rund fünftausend technische Anforderungen sind bei der Entwicklung von U-Booten zu bewältigen. „Moin“, grüßt Patrick Fiebeler beim ersten Telefonat. Er kommt aus Kiel; seine Stimme wirkt so aufgeräumt, wie man sich die eines Norddeutschen vorstellt. Der 37- Jährige ist Wirtschaftsingenieur, hat bei Hamburg studiert, kam durch sein duales Studium zu thyssenkrupp Marine Systems, dem einzigen deutschen Hersteller von U-Booten. Dort blieb er, und er will dort auch bleiben. Eher eine Seltenheit für Projektmanager; sie gehen häufig „auf die Walz“ und durchkreuzen die Branchen. Nicht so im U-Boot- Bau. „Man braucht fünf Jahre, um sich als Projektmanager in diese Materie einzuarbeiten“, erklärt er, „wir Projektmanager fühlen uns gerade vertraut mit unserem Thema, wenn Kollegen aus anderen Branchen schon wieder ihr Unternehmen verlassen.“ Selbst nach 17 Jahren findet Patrick Fiebeler, dass er laufend dazulernt. „Ich kenne noch nicht jeden Winkel im U-Boot-Bau.“ In U-Booten werden pro laufenden Meter rund siebenhundert Teile verbaut. Man spricht von „Packungsdichte“. Die Packungsdichte von U-Booten vergleicht Patrick Fiebeler in etwa mit der von Weltraumstationen oder Triebwerken. Doch anders als Raumstationen oder Triebwerke müssen U-Boote noch wesentlich mehr sein als technisch „dicht gepackt“: nämlich widerstandsfähig gegen den tödlichen Wasserdruck der Tiefsee, perfekt ausbalanciert wie ein Düsenjet, sicher für Waffensysteme - und absolut geräuschlos. Meine erste Frage: Wie sieht es im U-Boot aus? Mir kommt die klaustrophobische Enge aus dem Film „Das Boot“ in den Sinn, die Hitze und das Dämmerlicht, der Lärm und das Gewirr der Rohre, Leitungen und Ventile. „Nein, da hat es Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten gegeben“, sagt Patrick Fiebeler. Man spürt sein wissendes Lächeln. „Die Operationszentrale der Boote erinnert eher an Raumschiffe aus Science-Fiction-Serien.“ Wir haben uns vorab darauf verständigt, die Technologie der U-Boote wenig anzusprechen. Ein Foto aus dem Innenraum kann man uns nicht geben, nichts von den Maschinen oder Mannschaften. Militärische Vertraulichkeit. Was ich weiß: Patrick Fiebeler leitet bei thyssenkrupp Marine Systems ein binationales Vorhaben im Volumen von mehreren Milliarden Euro. Über fünfzehn bis zwanzig Jahre kann sich ein komplettes Programm mit mehreren U-Booten hinziehen. Allein acht Jahre brauchen Entwicklung und Bau eines einzigen Bootes. Während seines Berufslebens wickelt ein Projektleiter kaum mehr als drei oder vier große Projekte ab. Nicht, dass die Uhren im U-Boot-Bau langsamer ticken. Doch das Zeitgefühl ist anders. Patrick Fiebeler empfindet Leidenschaft für die Komplexität dieser Projekte, für ihre enormen Laufzeiten mit den technischen Anforderungen, die er je Projekt zu bewältigen hat. Das fordert ihn heraus, macht ihm Spaß. Was ebenfalls seine Leidenschaft weckte, ist professionelles Projektmanagement. Projektmanagement ist für ihn ein Leuchtturm - inmitten im Meer der Komplexität. Weiß er nicht weiter, besinnt er sich auf das Projektmanagement. Das hilft. Reportage Das absolut geräuschlose Projekt DOI 10.2357/ PM-2020-0021 31. Jahrgang · 02/ 2020 02_Fiebeler.indd 4 28.04.2020 14: 31: 32 Reportage | Das absolut geräuschlose Projekt 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 Weder U-Boot-Bau noch Projektmanagement waren Patrick Fiebeler in die Wiege gelegt. Auf Projektmanagement ist er erst in der U-Boot-Branche gestoßen (erstaunlicherweise im Vertrieb, nicht bei der Entwicklung selbst). Während des Studiums fühlte er sich kaum zum Meer oder zu Booten hingezogen, jene Neigung, die Norddeutschen fast reflexhaft unterstellt wird. „Ich segele nicht, ich war auch nicht bei der Marine“, sagt er. Sein Weg hätte auch eine andere Richtung nehmen können. Doch er hat Freundschaft mit dem Maritimen geschlossen. Das Meer will er nicht mehr missen. Wie viele U-Boote weltweit durch dieses Meer still, fast spurlos gleiten - darüber gibt es nur Schätzungen. Ein Informationsdienst nennt allein für die USA und Russland eine Zahl von rund 200 Booten insgesamt. „Wir müssen davon ausgehen, dass nahezu jedes Land in Europa U-Boote hat“, ergänzt Patrick Fiebeler, „zumindest, wenn das Land Zugang zum Meer hat.“ Die U-Boote sind extrem langlebig und bleiben bis zu fünfzig Jahre in Betrieb. Trotzdem besteht weltweit ständige Nachfrage nach neuen U-Booten. Großmächte decken ihren Bedarf meistens selbst. Kleinere Nationen indes wenden sich an die weltweit wenigen spezialisierten Unternehmen. Neben der deutschen thyssenkrupp Marine Systems ist eigentlich nur ein weiteres europäisches Unternehmen auf die Entwicklung, den Bau und die internationale Lieferung von U-Booten spezialisiert. Ein überschaubarer Markt mit einer überschaubaren Zahl von Kunden. „U-Boote dienen der Abschreckung“, erklärt mir Patrick Fiebeler. Nach seinem Wissen hat es seit dem zweiten Weltkrieg nur einen einzigen Schuss aus einem U-Boot gegeben - und zwar im Falklandkrieg. U-Boote sind eine Waffe und Rüstungsgut. Doch sie werden militärstrategisch anders eingesetzt als etwa Panzer oder Gewehre. Ihr Vorteil: Sie sind unauffindbar und agieren aus dem Verborgenen. Genau dies macht Angriffe auf See zu einem unkalkulierbaren Wagnis. Im Falklandkrieg musste Großbritannien fast seine gesamte Flotte entsenden - weil Argentinien U-Boote hatte. „Man muss sich auf U-Boote gefasst machen“, sagt Patrick Fiebeler, „dies steigert den Aufwand eines Angriffs ins Exorbitante.“ Dies bedeutet aber auch: Verborgen bleiben ist das Kerngeschäft von U-Booten. Je unauffälliger U-Boote sich bewegen, desto besser können sie eingesetzt werden. Unter Wasser werden Schallwellen weitaus besser übertragen als in der Luft. Leise U-Boote sind von Vorteil; sie werden erst spät geortet. „Wir haben heute sehr feine Mikrofone, sogenannte Hydrofone“, sagt Patrick Fiebeler. Die Herausforderung ist simpel: Das eigene U-Boot muss leiser sein und besser horchen können als das des Gegners. Man muss den anderen hören, bevor man selbst gehört wird. Ein taktischer Vorteil. Im Laufe der Jahrzehnte wurden allerdings nicht nur die Sonare verbessert. Auch andere Ortungsmethoden erschwerten die Missionen der U-Boote. Wer ein U-Boot fährt, bewegt rund 2000 Tonnen Stahl durch das Wasser - und damit auch durch das Magnetfeld der Erde. „Dies erinnert Sie vielleicht an den Physikunterricht“, erklärt mir Patrick Fiebeler. Ich entsinne mich: Ein bewegter Leiter, der durch ein Magnetfeld geführt wird, erzeugt eine elektrische Spannung. „Genau! Und diese feine Spannung, die ein U-Boot bei seiner Fahrt erzeugt, kann man messen - und zur Ortung verwenden.“ Auf ähnliche Weise hinterlassen U-Boote magnetische Spuren durch die Abweichungen, die sie im Erdmagnetfeld erzeugen. Satelliten erspähen zudem kleinste Wellenbewegungen im Meer, die ebenfalls fahrende U-Boote verraten. Zu den Aufgaben der Ingenieure gehört also, ihren U-Booten eine immer bessere Tarnkappe aufzusetzen. Fachleute sprechen von der Signatur eines U-Boots. Je besser die Signatur ist, desto schwieriger ist es, das Boot aufzuspüren. Die Signatur zu optimieren ist eine der großen technischen Herausforderungen im U-Boot-Bau. U-Boote fahren hunderte Meter unter der Wasseroberfläche in einer Sphäre, für die der Mensch nicht gemacht ist. „Diese Sphäre ist ähnlich schwierig wie das Weltall“, sagt Patrick Fiebeler. Doch wer Raumfahrer in den Orbit schickt, braucht sich um Lärm und elektromagnetische Spuren nicht zu kümmern. Im All spielen sie keine Rolle. Wohl aber bei einem U-Boot auf Tauchfahrt. „Wir müssen die unterschiedlichen Anforderungen optimal ausbalancieren“, erklärt er. Ein weiteres Beispiel für diese Anforderungen: die Reichweite und die Dauer, für die U-Boote tauchen können. Die Atemluft wird unter Wasser nicht zum Engpass, wohl aber die Energie. Getaucht wird elektrisch. Die Batterien, die für Vortrieb sorgen, müssen regelmäßig geladen werden. Dafür haben die U-Boote seit jeher Dieselmotoren an Bord, die auf Einblick in die U-Boot-Fertigung (Foto: © thyssenkrupp Marine Systems) 02_Fiebeler.indd 5 28.04.2020 14: 31: 34 Reportage | Das absolut geräuschlose Projekt 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 Außenluft angewiesen sind. Boote müssen auftauchen, um die Akkus zu laden. Dann schnorchelt das Boot knapp unter der Wasseroberfläche - was es aus seiner Deckung bringt. Dieser Punkt machte im Kalten Krieg den Nuklearantrieb für U-Boote strategisch interessant: Sogenannte Atom-U-Boote können fast beliebig lang tauchen. Sie könnten für theoretisch ein Dutzend Jahre buchstäblich von der Oberfläche verschwinden. Fachleute nennen dies „Air Independent Propulsion“, kurz AIP. Solche U-Boote gehören nicht ins Portfolio von thyssenkrupp Marine Systems. Doch der Konzern bietet seit zwanzig Jahren eine nicht-atomare Alternative: Brennstoffzellen. In Brennstoffzellen wird aus Sauerstoff und Wasserstoff Strom gewonnen, ganz ohne Verbrennung und Abgase. „Damit kann man ebenfalls wochenlang tauchen“, erläutert Patrick Fiebeler. Sein Unternehmen gilt als Marktführer bei dieser AIP-Technologie. „Ich denke, dass wir in puncto Brennstoffzelle auch Vorreiter für die nicht-militärische Industrie sind“, sagt er. In anderen Punkten sieht er seine Branche eher Technologietrends folgen, etwa bei der Digitalisierung. Digitalisierung von U-Booten? In der Branche wird über autonom fahrende U-Boote nachgedacht, ähnlich den Drohnen der Luftwaffe. Doch das bleibt vermutlich lange noch Zukunftsmusik. Im Augenblick hat die Digitalisierung die Operationszentralen erreicht. „Die Boote werden heute komplett über Multifunktionskonsolen gesteuert“, ergänzt er, „die Antriebsleistung, Klimaanlage, Einsatzsysteme der Waffen oder die Kommunikation werden über Multi-Touch-Screens bedient. Man kann Applikationen aufrufen, in Anwendungen hineinzoomen, Fenster auf dem Monitor überlappen.“ Wie in Science-Fiction-Raumschiffen. Vor allem: Auch die Digitalisierung trägt dazu bei, dass U-Boote heute von einer nur vierbis sechsköpfigen Crew gesteuert werden. Bei täglich drei Schichten sind in der Regel rund 25 Menschen an Bord. Hinzu kommen Spezialisten etwa für geheimdienstliche Aufklärung oder Missionen, bei denen unter Wasser Taucher ausgeschleust werden. Über Jahre hat Patrick Fiebeler Akquiseprojekte für U-Boote geleitet, in seinem Unternehmen „Kampagnen“ genannt, hinter denen Projektteams von zehn oder mehr Mitarbeitern unter einem „Campaign Leader“ stehen. Verdichten sich Hinweise, dass ein Staat ein U-Boot kaufen will, wird eine Kampagne gestartet. „Solche Kampagnen sind mehrjährige Projekte mit Zielen, Plänen, Meilensteinen, Teams und Budgets“, sagt Patrick Fiebeler. Erster Schritt: der sogenannte „request for information“, den ein Staat an die Hersteller sendet. Man bittet um Informationen. Es kann durchaus zwei bis drei Jahre dauern, bis der anfragende Staat alle erforderlichen Daten gesammelt hat und die Kampagne in die nächste Phase geht. Nächster Schritt: die vertrauliche Ausschreibung verbunden mit der Aufforderung an Hersteller, ihr Angebot zu entwickeln. Die Campaign Leader rechnen mit ihrem Team die Anforderungen durch. „Das ist wie beim Autokauf“, sagt Patrick Fiebeler, „im Konfigurator stellt man sein Wunschauto zusammen - und sieht am Ende, welcher Preis da zusammenkommt. Dann muss man mit dem spitzen Bleistift Varianten und Konfigurationen durchrechnen.“ Für dieses Durchrechnen braucht das Kampagnenteam sechs, manchmal auch zwölf Monate. Dann übergibt das Team dem Auftraggeber ein Angebot in fünfzehn bis zwanzig Aktenordnern. Darin beschrieben ist nicht nur die Technik des Bootes, sondern auch das Management: die Zeitpläne, Managementpläne und das Projektmanagement. Nächster Schritt: Diese Aktenordner werden mit dem Kunden durchgesprochen und Zeile für Zeile verhandelt, häufig parallel in mehreren Teams. Dieser Prozess mündet dann in ein „best and final offer“, das alle Ergebnisse aus den Verhandlungen umfasst. Rund drei Jahre dauert solch eine Kampagne, bis der Auftrag am Ende zur Unterschrift kommt. Was hat Patrick Fiebeler an diesen Kampagnen-Projekten begeistert? „Die Agilität“, sagt er. „Solche Kampagnen sind nur schwer planbar.“ Jeder Campaign Leader setzt alles daran, einen guten Job zu machen. Beeinflussen kann er das Ergebnis aber kaum. Vielleicht kann ein Campaign Leader sein Vertriebsprojekt verderben; vieles hängt von ihm und seinem Team ab. Aber paradoxerweise kann er es nicht direkt zum Erfolg führen. Die Einflüsse und Umstände, die zum Auftrag führen, sind komplex und dynamisch: Stakeholder verändern sich oder ändern ihre Position. Entscheidungswege spielen eine Rolle, auch die politische Großwetterlage oder Ein aufgetauchtes U-Boot (Foto: © thyssenkrupp Marine Systems) 02_Fiebeler.indd 6 28.04.2020 14: 31: 36 Reportage | Das absolut geräuschlose Projekt 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 Parlamentswahlen mit überraschenden Wahlergebnissen. Da sind auch einem erfahrenen Campaign Team die Hände gebunden, wenn der politische Wind beim Kunden plötzlich aus einer anderen Richtung weht. Diese Bescheidenheit muss der Campaign Leader lernen. Er ist ein Wegbereiter, ein Ermöglicher - aber nicht derjenige, der einen Milliardenauftrag an Land zieht. Ein Kunde aus Asien hat Patrick Fiebeler einmal den klugen Satz mitgegeben: Der Gockel denkt, dass die Sonne aufgeht, weil er morgens kräht. „Zu lernen, kein Gockel zu sein und dies immer im Hinterkopf zu halten, war für mich als junger Projektmanager nicht leicht“, sagt Patrick Fiebeler. Früh wurde ihm viel Verantwortung übertragen. Er reiste um den Globus, ging völlig in der Welt auf, die ihm diese Projekte eröffneten. Doch am Ende begriff er: Er kann bestenfalls die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg erhöhen. „Lehrt dies Demut? “, frage ich Patrick Fiebeler. Nach einer Pause antwortet er: „Erstaunlicherweise habe ich mir genau dieses Wort notiert bei der Vorbereitung auf unser Gespräch. Demut ist ein großes Wort. Doch es trifft den Kern.“ Neben Demut lehrte ihn die Zeit im Vertrieb auch etwas anderes: Projektmanagement. Rund 100 Ingenieure gleichzeitig entwickeln und konstruieren bei thyssenkrupp Marine Systems ein einzelnes U-Boot. Sie bewältigen 35.000 Einbauzeichnungen. Noch während die Konstrukteure die Pläne für das U-Boot zeichnen, startet der Bau. Die beiden Phasen überlappen. „Wir müssen sehr konzentriert vorgehen und beispielsweise aufpassen, dass am Ende noch alles hineinpasst“, erklärt Patrick Fiebeler. Buchstäblich hineinpasst: Der engste Punkt ist häufig das Luk. Vor einigen Jahren ging es um einen Plotttisch für die Operationszentrale eines Boots, das ist ein großflächiger Navigations-Kartentisch mit einer Glasscheibe, auf dem ein Punkt immer die aktuelle Position anzeigt. Das Problem: Diese Glasplatte musste damals ins Boot integriert werden, solange das im Bau befindliche Boot noch offen war. Durch das enge, stählerne Luk hätte die Platte später nicht mehr gepasst. Kann eine solche Komplexität einen einzelnen Projektmanager auch erdrücken? „Mit dem Druck der Komplexität musste ich erst umgehen lernen“, räumt Patrick Fiebeler ein. In der Projektspitze ist er nicht allein. Bei thyssenkrupp Marine Systems werden bestimmte Vorhaben von drei Projektmanagern geleitet: einem technischen, einem kaufmännischem und einem Gesamtprojektleiter. Trotzdem, es ist nicht leicht. Man braucht immer wieder Abstand zum Projekt, eine Art innere Distanz. Patrick Fiebeler findet da Ausgleich bei seiner jungen Familie. „Kinder rücken die Dinge schnell wieder zurecht und zeigen, dass es jenseits der Boote Wichtigeres gibt.“ Demut und der innere Respekt vor der Größe des Projekts und seinen Herausforderungen helfen. Aus Büchern kann man dies nicht lernen. Ein leider kürzlich und überraschend verstorbener Mentor stand Patrick Fiebeler zur Seite, als er mit Komplexität Erfahrungen sammelte und verstand, wie man mit ihrer Last zurechtkommen kann. „Er hat mir immer wieder Orientierung und Halt gegeben“, sagt Patrick Fiebeler.- „Etwas, das in der heutigen hektischen Zeit von Größe zeugt, die nur wenige besitzen." In seinem Unternehmen gibt es eine zunehmend starke Projektunterstützung. Kein Projektleiter entscheidet allein im stillen Kämmerchen. Gremien wie Steering Boards stehen ihm zur Seite; Templates, Prozesse und Genehmigungsverfahren stellen die Qualität sicher. Da helfen die Unternehmenskultur, das Qualitätsdenken und das Pflichtbewusstsein aller. Neben dem persönlichem Wachstum und der Unterstützung seines Unternehmens gibt ihm etwas weiteres Halt: Projektmanagement. Das ist für Patrick Fiebeler der Fels in der Brandung. Er ist heute nach IPMA Level B zertifiziert; für sich entdeckt hat er Projektmanagement während seiner Zeit als Campaign Leader und Vertriebsleiter. Als er vor zehn Jahren eine wichtige Kampagne leitete, fühlte er den Impuls, sich zum Projektmanager ausbilden zu lassen. Ihn begeisterte, wie strukturiert man Projekte planen und steuern kann, wenn man die richtigen Werkzeuge zur Hand hat. „Meine Kampagnen haben damals sämtliche Kompetenzelemente des Projektmanagements abgedeckt“, sagt er. „Was ich heute für die Abwicklung von technischen Vorhaben brauche, habe ich in den Kampagnen gelernt.“ Bei thyssenkrupp Marine Systems wechseln Vertriebsmitarbeiter in die technische Abwicklung - also in den Bau der beauftragten U-Boote. Dies ist völlig normal. Aus den etwa U-Boote sind lautlos unterwegs (Foto: © thyssenkrupp Marine Systems) 02_Fiebeler.indd 7 28.04.2020 14: 31: 39 Reportage | Das absolut geräuschlose Projekt 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 15bis 20-köpfigen Vertriebsteams gehen häufig fünf bis zehn Mitarbeiter in den Bau. Naheliegend: Sie sind in das Projekt eingearbeitet und stehen mit dem Kunden in vertrauensvoller Beziehung. Sie kennen die Stakeholder; vor allem sind ihnen die Details aus den 15 Aktenordnern an Angebotsunterlagen geläufig. Patrick Fiebeler schätzt, dass ein komplett neues Team sechs bis zwölf Monate braucht, um sich in solch ein Projekt einzufinden. Patrick Fiebeler blieb dem Vertrieb lange treu. „Bevor ich mein erstes Bauprojekt geleitet habe, habe ich vier große Kampagnen geleitet“, berichtet er. Drei Kampagnen waren erfolgreich, er hat dabei sein Projektmanagement professionalisiert. Es war für ihn eine gute Zeit. Am Ende verließ er den Vertrieb jedoch leichten Herzens. Das Familienleben litt; die Tätigkeit im Vertrieb war kaum zu planen. Außerdem veränderte sich dadurch die Herausforderung. „Beim Vertrieb starteten meine Projekte mit einem weißen Blatt Papier“, sagt Patrick Fiebeler, „bei der technischen Abwicklung fange ich heute mit 15 Aktenordnern an.“ Die Gestaltungsfreiheit des Vertriebs einzutauschen gegen die Herausforderung, Verträge zu erfüllen - dies reizte ihn. Er wurde technischer Projektleiter. Patrick Fiebeler erstellt heute selten selbst Risikoanalysen, Projektpläne oder Budgetübersichten. Vieles wird ihm zugeliefert; er bewertet die Arbeitsergebnisse. Dennoch, bei schwierigen Aufgaben hält er inne; er stellt sich die Frage, wie der weitere Weg in einem Projektmanagementlehrbuch beschrieben würde. „Komme ich nicht weiter, sage ich mir: Du hast Projektmanagement doch gelernt! Denk doch mal darüber nach, wie es nun handwerklich weitergehen kann. Dies gibt mir Rückhalt. Das schätze ich am Werkzeugkasten Projektmanagement. Er funktioniert eben fast immer.“ Die Gründlichkeit, mit der Patrick Fiebeler dieses Handwerkszeug gelernt hat, brachte ihn später zur Lehre. Er lehrt Projektmanagement an Hochschulen- - was ihm ebenso wenig wie U-Boot-Bau oder Projektmanagement selbst in die Wiege gelegt war. Bei der Vorbereitung auf seine Zertifizierungsprüfung wandte er einen alten didaktischen Trick an: Willst du etwas Lernen, erkläre es anderen. Schreibe es so auf, dass du den Lernstoff anderen vermitteln könntest. Patrick Fiebeler verdichtete seinen Lernstoff in Präsentationen, immer bereit, Methoden oder Modelle Fachfremden zu erklären. Nach bestandener Prüfung fand er die Folien zu schade zum Löschen. Also fragte er bei seiner ehemaligen Hochschule an, ob sie jemanden aus der Praxis für Seminare brauchen könnten. Dort griff man dankbar zu. Dem Projektmanager, der unter der Woche Tausende technische Anforderungen ins Gleichgewicht bringt, machen seine Wochenendseminare Spaß. Er zeigt Studenten, wie sie handwerklich Termine, Leistung und Qualität in den Griff bekommen und die Interessen der Stakeholder ausbalancieren. „Ich vermittle ihnen, dass Projektmanager nicht nur richtige oder falsche Entscheidungen treffen können, sondern auch gute oder schlechte - ganz im moralischen Sinn“, erklärt er. Oder nachhaltige und nicht-nachhaltige Entscheidungen. „Solche Betrachtungen gehören heute zum Projektmanagement dazu“, meint er. Bei seinen Lehrveranstaltungen lernt er auch selbst. Die Arbeit mit den Studenten bringt ihn auf neue Gedanken, hilft ihm, das Projektmanagement aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. „Ich habe keine Strichliste geführt, wie viele Ideen ich aus den Veranstaltungen bereits mitgenommen habe“, sagt er, „es sind aber bestimmt Dutzende.“ Auch im eigenen Unternehmen fühlt er sich als Verfechter des Projektmanagements. Zuletzt vor einigen Monaten professionalisierte er die Netzplantechnik, indem er die bis dahin verwendeten Pläne etwa für Termine, Kapazitäten und Kalkulationen zusammenführte und mit dem Wissen seiner Experten anreicherte. „Netzpläne wurden seinerzeit für das Apollo-Raumfahrtprogramm entwickelt“, erklärt er, „sie sind ideal für hochkomplexe Projekte.“ Häufig macht er in Teambesprechungen nicht nur das Projekt zum Inhalt, sondern auch das Projektmanagement. Er erklärt seinen Mitarbeitern beispielsweise, was ein kritischer Pfad ist und was man an ihm ablesen kann. Oder wie man sich in Verhandlungssituationen verhält. Damit will er nicht die Arbeitsweise in seinem Unternehmen auf den Kopf stellen, ganz im Gegenteil. Althergebrachte Arbeitsweisen betrachtet er mit Respekt. „Viele Arbeitsweisen hat man im Laufe unserer Unternehmensgeschichte Die Werft in Kiel (Foto: © thyssenkrupp Marine Systems) 02_Fiebeler.indd 8 28.04.2020 14: 31: 40 Reportage | Das absolut geräuschlose Projekt 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 hundertfach erprobt, hinterfragt, umgedreht und verändert“, sagt er. Es wäre widersinnig, nicht auf diesen Erfahrungen aufzubauen. Doch man muss fein unterscheiden, ob man an solider Erfahrung festhält - oder sich sträubt, Methodik neu zu denken. Zum Know-how muss das „Know-why“ hinzukommen. Warum folgen wir althergebrachten Abläufen? Weshalb tun wir Dinge, wie wir sie tun? „Wir bauen in unserem Unternehmen seit vielen Jahrzehnten U-Boote. Dies ergibt einen enormen Erfahrungsschatz, der für uns ein wichtiger Wettbewerbsvorteil ist.“ Also Know-why. Darunter fällt für Patrick Fiebeler auch professionelles Projektmanagement. Projektmanagement ist für ihn das geronnene Wissen aus unzähligen Projekten. Wer weiß, weshalb er bestimmte Methoden verwendet, der findet im Projektmanagement einen echten Leuchtturm. Querschnittdarstellung eines U-Bootes (Abbildung: © thyssenkrupp Marine Systems) Fragen an Patrick Fiebeler Oliver Steeger Herr Fiebeler, beim Bau von U-Booten befassen Sie sich mit der Tiefe des Meeres. Vor einiger Zeit haben Sie ein PM-Training ausgerechnet in einem Flugsimulator absolviert-- also quasi das Element gewechselt: vom Wasser zur Luft. Wie kommt es dazu, dass Sie Projektmanagement ausgerechnet in einem Flugsimulator trainiert haben? Da hat ein alter Kindheitstraum mitgespielt. Als Kind wollte ich immer Pilot werden … Nicht Kapitän oder U-Boot-Kommandant? Nein, überhaupt nicht. Pilot zu werden war mein Berufstraum als kleiner Junge. Und als mir dieses Training angeboten wurde, kam mir dieser alte Traum in Erinnerung. Ich wollte einmal selbst am Steuerknüppel sitzen - wenn auch am Ende nur im Simulator. Offen gesagt, dies hat stark mitgewirkt an meiner Entscheidung. Am Ende hat das Training am Flughafen Salzburg Ihnen nicht nur Spaß gemacht, sondern auch zu einigen Erkenntnissen und Aha-Erlebnissen verholfen. Was hat Ihnen dieses Training zum Thema Projektmanagement gebracht? Spaß hat es wirklich gemacht! Wir wurden mit so einem typischen Follow-Me-Wagen zum Simulator gebracht. Doch schon während des Briefings habe ich erkannt, dass man einen Flug als Projekt und Teamwork verstehen kann. Im Cockpit sitzen ein Pilot, ein Co-Pilot sowie ein Navigator, der auch die Kommunikation übernimmt. Der Pilot übrigens fliegt meist nicht, sondern der Co-Pilot. Wir mussten im Simulator überlegen, wie wir unser Team optimal aufstellen. Dann haben wir berechnet, wie lange der Flug dauert … Termine … … was er kostet und wieviel Kraftstoff verbraucht wird, also das Budget. Und wie man sicher zum Ziel kommt: Quali- 02_Fiebeler.indd 9 28.04.2020 14: 31: 41 Reportage | Das absolut geräuschlose Projekt 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0021 Patrick Fiebeler Patrick Fiebeler, Jahrgang 1982, ist Projektleiter (IPMA-Zertifizierung Level B) bei thyssenkrupp Marine Systems und hat internationale Programme mit Milliardenbudget verantwortet. Zuvor war er bei dem Kieler Unternehmen unter anderem als Vertriebsleiter tätig. Patrick Fiebeler hat Wirtschaftsingenieurwesen an der FH Nordakademie studiert, ein dualer Studiengang, der ihn mit thyssenkrupp Marine Systems in Verbindung brachte. Nebenbei ist er als Dozent für Projektmanagement an der FH Nordakademie sowie an der FH Kiel tätig. - In seiner Freizeit treibt der Familienvater gerne Sport. Ja, in etwa. Vielleicht kommt dann ein Projekt wirklich mal kurz ins Trudeln. Eine weitere Erfahrung hat mir geholfen: Der Umgang mit Krisen ist im Projektmanagement generell wichtig. Es lohnt sich, klare Muster und Wege für Entscheidungen zu finden - und diese dann zu trainieren. Besonders das Trainieren ist wichtig. Erinnern Sie sich an den Piloten, der vor einigen Jahren den Flieger im Hudson River notgewassert hat? Das war im Januar 2009. Der Pilot habe, so sagt man, ein Kunststück vollbracht. Das hat er wirklich! Ihm blieben drei Minuten Zeit, das Flugzeug für die Notwasserung vorzubereiten. Man hat ihn später gefragt, wann er sich entschieden habe, eine Notwasserung durchzuführen. Er antwortete: vor Jahrzehnten, nämlich bei der Ausbildung, als er das Verhalten in diesem Notfall das erste Mal geübt habe. Von solch einem Krisentraining könnten wir im Projektmanagement profitieren. tät. Das sind Dinge, die wir ja im Projektmanagement bestens kennen. Und Führung? Wir haben nachgedacht, wie wir Entscheidungen treffen oder mit Konfliktsituationen oder Krisen umgehen. Dann sind wir losgeflogen, und nach der Landung haben wir uns gegenseitig Feedback gegeben. Klingt simpel … Es war alles andere als simpel. Ich habe im Simulator viele Kompetenzelemente aus dem Projektmanagement wiedererkannt. Darüber hinaus habe ich viel persönlich gelernt, etwa über den Umgang mit Stress und mit kritischen Situationen … Kritische Situationen - inwiefern? Wenn beispielsweise Triebwerke ausfallen. In der Luftfahrt gilt ein wichtiger Grundsatz. Im Notfall hat der Pilot nur eine Aufgabe: das Flugzeug kontrolliert in der Luft zu halten. Dies nennt sich „maintaining aircraft control“. Also weiterfliegen, den Flug absichern. Man kann ja nicht anhalten, die Abdeckung der Turbine öffnen und das Problem lösen. Während der Pilot weiterfliegt, kümmern sich die anderen Teammitglieder darum, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Für das Projektmanagement habe ich gelernt: Sie brauchen immer jemanden, der sich in Krisen ganz darauf konzentriert, das Projekt „weiterzufliegen“ - derweil die anderen Probleme lösen. Gilt dies nur für Notlagen? Nein, dies gilt generell. Bin ich als Projektmanager etwa auf Dienstreise, arbeiten daheim in Kiel rund 100 Ingenieure an dem U-Boot. Halten Sie als Projektmanager während der Dienstreise nicht gleichzeitig auch die Aufgabe „maintaining aircraft control“ im Blick … … brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Ihr Projekt ins Trudeln kommt? Foto: privat Anzeige Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard-Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. Mit agilen Elementen wie Task Boards, Issues und Activities machen Sie Ihre Teams schneller und produktiver. Bewährte Elemente wie die Planung der Ecktermine liefern zuverlässige Leitplanken. energizing great minds CONTACT Open World 2020 16.-17. September in Bremen https: / / bit.ly/ 2Q3kfh1 Jetzt anmelden! Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way 02_Fiebeler.indd 10 28.04.2020 14: 31: 51 Fallstudie zur Sanierung der Autobahn A40 Erfolgreiches Projektdesign am Beispiel eines öffentlichen Infrastrukturprojekts Yvonne-G. Schoper Für eilige Leser | Große Infrastrukturprojekte stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Sanierung einer chronisch überlasteten Autobahn in einer dichtbesiedelten Region verursacht zusätzlichen Stau, Tausende von Stunden Zeit, zusätzlichen Benzin- und CO 2 -Verbrauch und somit Milliarden Euro. Ist es besser, eine Autobahn für drei Monate komplett zu sperren, was bislang ein Tabu in Deutschland war, als jahrelange Staus durch Fahrbahnsperrungen zu verursachen? Der Fall der Autobahnsanierung der A40 zeigt, dass bisherige Investitionsrechnungen öffentlicher Infrastrukturprojekte den sozialen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Nutzen nicht ausreichend berücksichtigen. Die Gestaltungskompetenz der Projektleiterin führte zu einem innovativen Projektdesign, das große wirtschaftliche und soziale Vorteile beinhaltet, die jedoch bislang nicht ausreichend gewürdigt werden. Schlagwörter | Projektdesign, Kosten-Nutzen-Analyse, Öffentliche Infrastrukturprojekte Autobahnen sind ein Schlüsselfaktor für den privaten und gewerblichen Verkehr im Infrastrukturnetz einer Volkswirtschaft. Die A40 ist eine der meistbefahrenen Autobahnen in Deutschland. Die Sanierung dieser Autobahn war ein Unterfangen, das in traditioneller Vorgehensweise mindestens 24 Monate chronischen Verkehrsstaus im Ruhrgebiet, einer der am dichtesten besiedelten Regionen in Europa, bedeutet hätte. Die innovative Idee, die Autobahn komplett zu sperren und die Bauarbeiten parallel durchzuführen, führte zu einer Verkürzung der Bauzeit auf drei Monate, was allen Stakeholdern viel Zeit, Geld und Umweltbelastungen sparte. Die beiden Projektdesign-Ansätze stellen unterschiedliche Anforderungen an die Beteiligten. Der folgende Aufsatz vergleicht die beiden Projektdesigns anhand der Kosten-Nutzen-Analyse und zeigt, dass es möglich ist, die Kosten der Vermeidung von jahrelangem Stau mit Hilfe einer ganzheitlichen Analyse zu quantifizieren. Allerdings wird diese Methode bisher nicht in den deutschen Baubehörden eingesetzt. Ist es möglich, dass Stau deshalb nicht vermieden wird, weil die resultierenden volkswirtschaftlichen Kosten bislang nicht berechnet werden? Projektdesign am Beispiel einer Autobahn- Sanierung Projektdesign ist eine der neuen Kompetenzen im IPMA-Zertifizierungsstandard ICB4. „Projektdesign definiert, wie die Bedürfnisse, Wünsche und Einflüsse der Organisation(en) vom Einzelnen interpretiert und gewichtet werden und auf das höchste Level des Projektdesigns übertragen werden, um die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit sicherzustellen. Abgeleitet aus diesem externen Kontext erstellt der Projektleiter das Projektdesign, eine ‚Kohleskizze‘ - einen Entwurf oder eine Gesamtarchitektur, wie das Projekt eingerichtet, angelegt und gemanagt werden sollte. Dieser berücksichtigt Ressourcen, Finanzmittel, Ziele der Stakeholder, Nutzen und Veränderungen der Organisation, Risiken und Chancen, Governance, Lieferung sowie Prioritäten und Notfälle. Da sich alle externen Faktoren und Erfolgskriterien (und/ oder die Wahrnehmung für deren Relevanz) im Projektverlauf häufig verändern, muss das Projektdesign in regelmäßigen Abständen neu bewertet und wenn nötig angepasst werden“ [1]. Projektdesign hat die Aufgabe denjenigen Projektansatz zu entwickeln, der den Zielen der Organisation am besten dient und alle Faktoren berücksichtigt, die die Unternehmensziele und den Erfolg des Projekts unterstützen. Projektdesign führt zu einer Projekt- Politik und Gesellschaft Erfolgreiches Projektdesign DOI 10.2357/ PM-2020-0022 31. Jahrgang · 02/ 2020 11 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 11 28.04.2020 14: 32: 44 skizze, die später in konkrete Maßnahmen umgesetzt wird, die zum Erfolg des Projekts führen sollen. „Die Wahl des Ansatzes und der Designaktivitäten muss erfolgen, bevor mit den Planungen, der Organisation und der Durchführung des Projekts begonnen wird.“ […] Der Zweck besteht darin, „den vorteilhaftesten Ansatz für ein Projekt abzuleiten, um Erfolg sicherzustellen“ [1]. Um sich zwischen Projektdesign-Alternativen entscheiden zu können, müssen die verschiedenen Projektszenarien hinsichtlich ihrer Projektausführungsarchitektur entworfen und bewertet werden. Insbesondere öffentliche Projekte, die zu volkwirtschaftlichen, gesellschaftlichen und soziale n Nutzen führen sollen, lassen sich mit der Kosten-Nutzen-Analyse bewerten. Kosten-Nutzen-Analyse von öffentlichen Infrastrukturprojekten Eine Herausforderung von öffentlichen Infrastrukturprojekten ist die Quantifizierung ihres späteren wirtschaftlichen Erfolgs, da es im Vergleich zu Investitionsprojekten in der Industrie in der Regel keine späteren Kosteneinsparungen oder Gewinne gibt. Die Beurteilung seines Beitrags zum gesellschaftlichen Nutzen sollte für jedes öffentliche Projekt erfolgen. Standardbewertungsmethoden, die auf prognostizierten Gewinnen und Investitionsausgaben basieren, können aufgrund des non-profit Charakters von öffentlichen Infrastrukturprojekten nicht angewendet werden. Daher sollte die Kosten-Nutzen- Analyse (KNA) angewendet werden. Das Kosten-Nutzen- Verhältnis sollte Bestandteil jedes Business Cases für öffentliche Investitionsprojekte sein. Ziel der KNA ist es sicherzustellen, dass die Öffentliche Verwaltung die knappen Budgets im Sinn der Gesellschaft auf die miteinander konkurrierenden Projekte verteilt. Grundannahme der KNA ist die Identifizierung des Nutzens, der durch das Projekt geschaffen wird. Dabei ist zwischen den Kosten und dem Nutzen zu unterscheiden, der Nutzen soll die Kosten übersteigen. Die KNA ist besonders für öffentlich finanzierte Projekte relevant, da sie aus einer volkswirtschaftlich-gesellschaftlichen Perspektive bewertet werden [2]. Die Messung des Nutzens ist jedoch nicht einfach. Volden schreibt, dass „der Nutzen im Sinn der Zahlungsbereitschaft der Bürger interpretiert wird“ [2], lässt aber offen, wie der Nutzen im Fall einer kostenlos zur Verfügung stehenden Leistung wie z. B. einer Autobahn zu bewerten ist. Die am häufigsten verwendete Methode zur Bewertung von öffentlichen Infrastrukturprojekten ist die Kapitalwert-Methode (KW-Methode; auch Netto-Barwert, englisch: Net Present Value, NPV) gemäß der Formel: KW=∑(N t -K t )/ (1+i) t wobei N der soziale und wirtschaftliche Nutzen, K die sozialen und wirtschaftlichen Kosten, i der Zinssatz und t der Zeitraum der Analyse ist. Die Entscheidungsregel besagt, ein Projekt dann umzusetzen, wenn der Kapitalwert positiv ist, oder im Fall mehrerer Alternativen dasjenige Projekt mit dem höchsten Kapitalwert auszuwählen. Es gibt jedoch auch Schwächen der KNA bei Infrastrukturprojekten [2, 3]. So wird häufig das Verkehrsaufkommen um 20-60% überschätzt, was das Ergebnis verzerrt. Die Baukosten werden in der Regel unterschätzt, was zu Kosten- Abb. 1: Auf Basis der Rahmenbedingungen konzipiert der Projektleiter mehrere alternative Projektansätze und bewertet diese. Projektdesign ist eine wichtige Voraussetzung für späteren Projekterfolg. (© iStock.com/ utah778) überschreitungen von 50-100% führt. Der zukünftige Zinssatz ist langfristig nicht prognostizierbar. Höhere Zinssätze begünstigen kleinere Investitionen und kurzfristige Vorteile. Eine weitere Schwäche der KNA besteht darin, dass der angenommene Restwert den wahren Restwert nicht korrekt widerspiegelt [3]. Noch schwieriger ist die Bewertung des Wertes von durch Infrastrukturmaßnahmen geretteten Lebens, da es keine Einigung über den Wert für ein menschliches Leben gibt. In Norwegen, wo man diese Form der Projekt Governance bei öffentlichen Infrastrukturprojekten seit Jahren konsequent anwendet, wird der Wert eines menschlichen Lebens mit 30 Mio. NOK (entspricht 3 Mio. EUR) festgelegt. Dasselbe gilt für die Bewertung von Zeitersparnis: Es besteht kein Konsens darüber, welche Variablen für die Bewertung von Zeit relevant sind. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt tragen große Unsicherheiten. Eine Ökobilanz wird in der Regel nicht durchgeführt und somit in keiner KNA berücksichtigt [3]. Trotz ihrer Schwächen ist die KNA die einzige Bewertungsmethode im öffentlichen Verkehrssektor [2]. Auch für von der EU geförderte Infrastrukturprojekte wird sie eingesetzt. Im „Guide to Cost-Benefit Analysis of Investment Projects - Economic appraisal tool for Cohesion Policy 2014-2020“ der EU [4] werden die KNA-Methode sowie eine Fallstudie eines Autobahnprojekts dargestellt. Der wirtschaftliche Nutzen einer Autobahn wird in Form von Zeit-, Betriebskosten-, Unfall- und CO 2 -Einsparungen berechnet [4]. Das nachfolgende Projekt der Autobahnsanierung der A40 zeigt, dass damit nicht alle Kosten- und Nutzenaspekte abgebildet werden. Das Autobahnprojekt A40 Die Autobahn A40 führt von der deutsch-niederländischen Grenze bis Dortmund, von West nach Ost quer durch Nordrhein-Westfalen. Ihre Planung begann bereits 1926, sie ist damit eine der ältesten Autobahnen weltweit. Das Ruhrgebiet ist mit 5 Mio. Einwohnern eines der am dichtesten besiedelten Gebiete Deutschlands, Zehntausende Pendler nutzen die A40 täglich für ihren Weg zur Arbeit. Obwohl sie nur 95 km lang ist, ist sie mit 115.000 Fahrzeugen pro Tag eine der verkehrsreichsten Schnellstraßen Deutschlands. Die A40 verbindet insgesamt 22 Städte miteinander, daher ihr Spitzname „Ruhrschnellweg“. Aufgrund der hohen Verkehrsbelastung Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 12 28.04.2020 14: 32: 46 und der Dichte an Knotenpunkten kommt es in Spitzenzeiten zu vielen Staus. Deshalb wird die A40 im Volksmund auch als „längster Parkplatz des Ruhrgebiets“ bezeichnet. Abb. 2 zeigt die unmittelbare Nähe von der A40 zu Städten im Ruhrgebiet. Das Sanierungsprojekt A40 umfasste die Renovierung von drei Brücken sowie den Neubau einer weiteren Brücke, die Verbesserung der Brandschutzmaßnahmen in einem Tunnel, den Einbau von Flüsterasphalt und neue Lärmschutzwände. Das Budget belief sich auf 22 Mio. EUR und wurde 2012 durchgeführt. Der traditionelle Ansatz der Autobahnsanierung wäre gewesen, die Baumaßnahmen während der weiteren Nutzung der Autobahn durchzuführen. Dies hätte Teilsperrungen der Fahrbahnen für zwei bis drei Jahre bedeutet und zu einem Verkehrschaos in einer der am dichtesten besiedelten und industrialisierten Regionen Europas geführt, die bereits täglich durch chronische Verkehrsstaus belastet ist. Das neue Projektdesign der Projektmanagerin hingegen bestand darin, die Autobahn für einige Monate komplett zu sperren, um zeitgleich an den Baumaßnahmen arbeiten zu können. Dadurch konnte die Dauer der Sanierung von 24 auf 3 Monate reduziert werden. Zusätzlich konnte die Bauqualität durch die simultane Ausführung deutlich verbessert werden. Außerdem führte die Vollsperrung zu höherer Sicherheit für das Baupersonal, da die Risiken durch Bauen unter Verkehr komplett entfielen. In Summe konnten durch die Parallelarbeit 2 Mio. EUR Baukosten eingespart werden. Die innovative, parallele Vorgehensweise führte jedoch zu einer deutlich größeren Komplexität des Infrastrukturprojekts. Die parallele Planung der Prozesse und deren Koordination war deutlich anspruchsvoller. Es gab bisher keine Erfahrungen damit. Wären größere technische Probleme auftreten, wäre der gesamte Erfolg des Projekts gefährdet gewesen und die Autobahn nicht nur für einige Monate, sondern für Jahre komplett gesperrt. Zudem verursacht 3-Schicht-Betrieb höhere Personalkosten. Wenn eine der Spezialbaumaschinen ausgefallen wäre, hätte ein Ersatz Wochen gedauert. Somit war hochprofessionelles Projektmanagement und eine gute Führung aller Beteiligten erforderlich. Zudem musste die Öffentlichkeit, die Öffentliche Verwaltung und die Landespolitiker von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme überzeugt werden. Tabelle 1 fasst die beiden alternativen Projektdesigns für 24 vs. 3 Monate Bauzeit zusammen: Abb. 2: Die Besonderheit der A40 besteht in einer enormen Kapazitätsauslastung und der unmittelbaren Nähe von Industrie und Wohngebiete. Kriterium Reguläre Sanierung in 24 Monaten Neues Projektdesign in 3 Monaten PM Vorgehensweise Sequenzieller Ansatz mit streckenweisen Fahrbahnsperrungen Paralleler Ansatz mit kompletter Autobahnsperrung Erfahrung Übliches Vorgehen, viel Erfahrung Komplett neue Vorgehensweise, keine Erfahrung Planungsdauer 6 Wochen 6 Monate Baukosten 25 Mio. EUR 22 Mio. EUR Auswirkung auf den Verkehr während Sanierung Mind. 24 Monate Stau mit Stop-and-Go-Verkehr Risiko eines Verkehrschaos; Alternativen wie Umgehungsstraßen und ÖPNV wurden 6 Monate vorab kommuniziert. Auswirkung auf Bau Geringere Bauqualität, geringere Sicherheit für Bauarbeiter Höhere Bauqualität, höhere Sicherheit für Bauarbeiter Soziale Auswirkungen Keine Vorteile/ sozialer Nutzen, übliche Vorgehensweise Durch die intensiven PR- Maßnahmen vor und während Baubeginn hohe Akzeptanz in der Bevölkerung Tabelle 1: Vergleich der beiden alternativen Projektdesigns 24 vs. 3 Monate Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 13 28.04.2020 14: 32: 47 Kosten-Nutzen-Analyse der beiden alternativen Projektdesigns Gemäß des EU-Leitfadens zur Kosten-Nutzen-Analyse von Investitionsprojekten hängen „die sozioökonomischen Ziele von Verkehrsprojekten in der Regel mit der Verbesserung der Beförderungsbedingungen für Waren und Personen innerhalb des untersuchten Gebiets, in das Gebiet und aus dem Gebiet (Zugänglichkeit) sowie mit der Verbesserung der Umweltqualität und des Wohlergehens der erfassten Bevölkerung zusammen“ [4]. Die im Leitfaden enthaltene Fallstudie für einen Autobahnbau wurde als Basis für die vorliegende Kosten-Nutzen Berechnung herangezogen. Das Projektteam des A40-Projekts musste keinen Business Case abliefern, um den Nutzen der Bauzeitverkürzung von 24 auf 3 Monate zu argumentieren. Das Team ging davon aus, dass die Kosten nahezu gleich wären. Dies ist zunächst plausibel, da im Dreimonatsansatz die Arbeiten im Dreischichtbetrieb ausgeführt wurden, was Nachtschicht- und Wochenendzuschläge sowie zusätzliche Kosten für die Anmietung von Ersatzspezialbaumaschinen verursachte. Spursperrungen, Umleitungen und sequenzielles Arbeiten verursachen jedoch ebenfalls zusätzliche Kosten, sodass man davon ausgehen kann, dass die Mehrkosten der Bauzeitverkürzung von 21 Monaten marginal sind. Die nachfolgende Kosten-Nutzen-Analyse wird für einen 30-jährigen Referenzzeitraum durchgeführt, der bei Straßenbauprojekten üblich ist. Am Ende des Zeitraums wird ein Restwert prognostiziert. Die Analyse verwendet konstante Preise. Ein Zinssatz von 4 % wird angenommen in Übereinstimmung mit den Rahmenbedingungen, die von der EU-Kommission festgelegt wurden. Für die Kosten-Nutzen-Berechnung der beiden Projektdesigns werden ex post die folgenden, konservativ geschätzten Kosten angenommen: Gemäß dem Projektträger StrassenNRW betragen die Gesamtbaukosten für eine Bauzeit von 3 Monaten 22 Mio. EUR, und für eine Bauzeit von 24 Monaten 25 Mio. EUR. Schwierig ist es, die volkswirtschaftlichen Kosten eines Staus zu ermitteln, da es hierfür keine offiziellen Kennzahlen gibt. Wir gehen von den folgenden Annahmen aus: Stau fällt nur an Arbeitstagen an, wir rechnen bei der dichtbefahrenen A40 morgens und abends mit je 4 Stunden Stau, also mit 8 Stunden pro Arbeitstag, somit an 20 Tagen pro Monat. Aufwendig war die Recherche der volkswirtschaftlichen Kosten von Verkehrsstau in Deutschland. Ein erster Hinweis war in einer US-amerikanischen Studie zu finden: „Auf nationaler Ebene verloren die Deutschen im Jahr 2018 durchschnittlich 120 Stunden durch alle Staus, was das Land 5,1 Mrd. EUR oder 1.052 EUR pro Autofahrer kostete“ [5]. Gemäß dieser Studie betragen die durchschnittlichen Kosten pro Autofahrer durch Stau 8,76 EUR pro Std. Nicht explizit erwähnt ist in der Studie, ob in der Summe bereits die Benzinkosten enthalten sind. Wir gehen von reinem Zeitverlust aus. Der Bericht über Infrastrukturinvestitionen in der EU nimmt ähnliche Werte an: Die Staukosten für Arbeitsfahrten werden hier EU-weit mit 12,90 EUR pro Std. und für Nichtarbeitsfahrten mit 4,30 EUR pro Std. angenommen [4]. Weiterhin zu unterscheiden sind die Kosten eines Staus für Lkw-Fahrer. Die Autorin nimmt an, dass deren durchschnittlicher Stundenlohn 18,75 EUR beträgt. 115.000 Fahrzeuge nutzen täglich die Autobahn A40, davon 15.000 Lkws [6]. Gemäß der EU-Fallstudie nehmen wir LKW-Stau Bild: Stau verursacht hohe zusätzliche Kosten durch das in den Lkws länger gebundene Kapital (© iStock.com/ Apriori1) an, dass die Autobahn zu 60 % für Arbeitsfahrten und zu 40 % für nichtarbeitsbezogene Fahrten genutzt wird. Für das 24-monatige traditionelle Projektdesign mit streckenabschnittsweiser Fahrbahnsperrung gehen wir von lediglich 1 Std. Stau pro Tag aus. Die Staukosten der 60.000 Pkw-Fahrer auf dem Weg zur Arbeit verursachen EUR 774.000 pro Tag, die Kosten der 40.000 Pkw-Fahrer für Privatfahrten verursachen demnach 172.000 EUR pro Tag und die Kosten der 15.000 Lkw-Fahrer 281.250 EUR pro Tag. Da wir annehmen, dass in den vorher genannten Staukosten keine Kraftstoffkosten enthalten sind, sind diese Kosten zu addieren. Das Szenario „24 Monate Bauzeit“ führt zu einem zusätzlichen Kraftstoffverbrauch von 6,9 Mio. Litern (bei einem Kraftstoffverbrauch von 1 Liter/ Std. und einem Benzinpreis von 1,35 EUR/ Liter), was zusätzliche Kosten von 3,1 Mio. EUR pro Monat generiert. Außerdem verursacht der Stau zusätzliche CO 2 -Emissionen. Wir gehen von einem CO 2 -Ausstoß von 25 g CO 2 / Std./ Fzg. (Basis: 1 l Kraftstoffverbrauch/ Std.) und einem Preis von 30 EUR pro Tonne CO 2 aus. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass der einspurige Verkehr Auffahrunfälle verursacht. Wenn man von zwei Unfällen pro Tag mit jeweils 10.000 EUR Reparaturkosten (ohne Personenschäden) ausgeht, würde dies in 24 Monaten zusätzliche Kosten in Höhe von 14,4 Millionen EUR verursachen. Viele große Unternehmen im Ruhrgebiet haben ihren Sitz in der Nähe dieser Autobahn. Dies ist der Grund für 15.000 Lastwagen pro Tag. Geht man davon aus, dass die Lastwagen eine zusätzliche Stunde pro Tag im Stau stehen und der Warenwert in jedem LKW 100.000 EUR ist, dann beträgt das gebundene Kapital für 15.000 LKWs pro Arbeitstag zusätzliche 513.000 EUR in einem Monat. Jahrelange Staus bzw. eine gesperrte Autobahn verursachen große Unsicherheit in der Lieferkette von Produktionsbetrieben. Nordrhein-Westfalen ist eine stark industrialisierte Region, die mit vielen mittleren und großen Unternehmen 22 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet. Die Autorin konnte keine Zahlen über das BIP des Ruhrgebiets in Erfahrung bringen, daher gehen wir von folgenden Annahmen aus: Es gibt 1,75 Millionen Erwerbstätige im Ruhrgebiet, das BIP pro Erwerbstätigem im Ruhrgebiet betrug im Jahr 2017 67.700 EUR, was in Summe einem BIP des Ruhrgebietes von 118 Mrd. EUR (= 323 Mio. EUR pro Tag) entspricht. Dies ist plausibel, da nicht nur drei DAX-Unternehmen, RWE, Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 14 28.04.2020 14: 32: 50 EON und ThyssenKrupp ihre Firmenzentralen im Ruhrgebiet haben, sondern auch mit Schenker und Rhenus zwei der größten deutschen Logistikdienstleister sowie die beiden Lebensmitteldiscounter ALDI und Tengelmann, aber auch der größte deutsche Baukonzern Hochtief sowie viele von deren Zulieferbetrieben. Um die Kapitalbindungskosten der Lagerbestände produzierender Unternehmen und Handelbetriebe zu reduzieren, wurden mit Hilfe von Logistikstrategien wie Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Belieferung in den letzten Jahrzehnten die Lagerbestände der Unternehmen drastisch verkleinert. Die Sperrung einer Fahrspur oder der gesamten Autobahn birgt das Risiko, aufgrund von Versorgungsengpässen nicht mehr plangemäß produzieren oder liefern zu können. Deshalb haben die Unternehmen ihre Lager für die Zeit der Autobahn-Bauarbeiten vergrößert, was die Kapitalbindungskosten deutlich erhöht. Der durchschnittliche Anteil der Lagerkosten an den Gesamtkosten in produzierenden Unternehmen beträgt 6,5-11 % [6], im Groß- und Einzelhandel liegen die Lagerkosten sogar zwischen 60 und 80% der Bilanzsumme [7]. Die durchschnittlichen Lagerhaltungskosten werden daher mit durchschnittlich 15 % angenommen. Wenn die Unternehmen ein Bruttoinlandsprodukt von 323 Mio. EUR pro Tag erwirtschaften, kann man folglich von einem Lagerwert von 48,45 Mio. EUR ausgehen. Als Folge der Autobahnbauarbeiten sind die Anrainer-Unternehmen gezwungen, die Sicherheitsbestände in den Lagern zu erhöhen; gemäß Bauernhansl gehen wir von 30 % Lagersicherheitsbestände-Erhöhung aus [8]. Dies führt zu einem Kostenanstieg von 5 %, der 16,15 Mio. EUR pro Tag verursacht. Bei einem durchschnittlichen Lagerumschlag von 3 Tagen verursacht dies zusätzliche 48,45 Mio. EUR. Wir gehen konservativ geschätzt davon aus, dass 50 % der Unternehmen im Ruhrgebiet diese Lageraufbaumaßnahme ergreifen. Dies führt zu zusätzlichen Kosten bei den Unternehmen von 24.225 Mio. EUR pro Tag. Zudem führt die spurweise Fahrbahnsperrung der Baustelle bei gleichzeitiger Nutzung zu einem höheren Unfallrisiko für die Bauarbeiter. Für die ganzheitliche Nutzenrechnung gehen wir von einem tödlichen Unfall während der 24 Monate Bauzeit aus. Die Kosten für ein gerettetes Leben werden gemäß dem norwegischen Modell mit 3 Mio. EUR angenommen [2]. Der Restwert der Autobahn-, Brücken- und Tunnelbaumaßnahmen nach 30 Jahren wird mit 8 Mio. EUR angenommen. Bei Abzinsung von 30 Jahren und einem Zinssatz von 4 % ergibt sich somit ein aktueller Wert der Investition von 3 Mio. EUR. Spurweise Fahrbahnsperrungen erhöhen das Risiko von Auffahrunfällen und das Unfallrisiko für die Bauarbeiter (© iStock.com/ prill) Nach der Autobahnsanierung gehen wir von folgendem Nutzen aus: Verkehrsinfrastruktur ist ein kritischer Erfolgsfaktor für den Wohlstand einer Volkswirtschaft, die es Unternehmen und Individuen ermöglicht, Güter und Dienstleistungen effizient zu produzieren [10]. Der bessere Zustand der Fahrbahndecke, die neue und die drei sanierten Brücken, der sicherere Tunnel und die Schallschutzmaßnahmen führen zu folgenden sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen für die Beteiligten: Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Autobahnnutzer ist durch die Sanierungsmaßnahmen geringfügig höher, was zu folgenden - zunächst gering erscheinenden - Zeiteinsparungen führt: Vor den Bauarbeiten wird eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 85 km/ h und nach den Baumaßnahmen von 90 km/ h angenommen. Die durchschnittliche Nutzungslänge der A40 wird aufgrund der spezifischen Situation im dichtbesiedelten Ruhrgebiet mit lediglich 20 km angenommen. Somit beträgt die durchschnittliche Nutzungszeit vor der Autobahnsanierung 14,2 min und nach der Sanierung 13,3 min pro Fahrzeug. Die Zeitersparnis pro Tag und Fahrzeug beträgt somit 0,9 min, was bei den 115.000 Fahrzeugen zu 1.725 eingesparten Stunden pro Tag führt. Bei angenommenen Kosten für Arbeitsfahrten von 12,90 EUR pro Stunde und für nicht beruflich bedingte Fahrten von 4,30 EUR pro Stunde ergibt sich eine Kostenersparnis von 11.610 EUR pro Tag für Berufsfahrten, 2.580 EUR für Privatfahrten und 4.218 EUR für Lkw-Fahrten, was einen Kostenvorteil von 18.408 EUR pro Tag und 4.418 Mrd. EUR pro Jahr (bei 240 Arbeitstagen pro Jahr) ergibt. Da der Geschwindigkeitsunterschied nach der Maßnahme nur 5 km/ h beträgt, ist der daraus resultierende höhere Benzinverbrauch aufgrund der höheren Geschwindigkeit und des höheren CO 2 -Verbrauchs gering und wird in der Kostenrechnung vernachlässigt. Innerhalb des Zeitraums von 30 Jahren gehen wir weiterhin von Kosteneinsparungen durch die Verhinderung von Unfällen aus. Wir nehmen 9 verhinderte leichte Auffahrunfälle pro Jahr an, in 30 Jahren somit 261 verhinderte Unfälle mit Kosten von jeweils 10.000 EUR, in Summe 2,61 Mio. EUR. Zusätzlich gehen wir davon aus, dass durch die sichereren Brücken und Tunnel in 30 Jahren 3 Unfälle mit je einem tödlich Verletzten verhindert werden können, was zusätzliche Kosten von 9 Mio. EUR einspart. Insgesamt können somit 11,61 Mio. EUR an Unfallkosten im Referenzzeitraum eingespart werden. Darüber hinaus führen die neuen Schallschutzmaßnahmen zu einer besseren Gesundheit der Anwohner. Schätzungen zufolge sind etwa 160 Mio. Menschen in Europa regelmäßigem Straßenverkehrslärm von mehr als 55 dB(A) ausgesetzt. Oberhalb dieses Grenzwertes geht die Weltgesundheitsorganisation WHO von einem ernsthaften Gesundheitsrisiko aus. Nach Angaben des Umweltbundesamtes müssen in Deutschland rund 13 Mio. Menschen bei diesem oder höherem Lärmpegel arbeiten oder leben. Eine Studie hat gezeigt, dass in Europa 240.000 Menschen an verkehrslärmbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden und etwa 50.000 Menschen vorzeitig an Lärm sterben. Lärm ist das zweithöchste Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung [11]. Nach Angaben des Umweltbundesamtes sind etwa 30 % der Bevölkerung in Deutschland einer Belastung oberhalb des Grenzwertes ausgesetzt. Schallschutzwände haben eine lärmmindernde Wirkung, mit ihnen kann eine Lärmminderung von 5 bis 15 dB(A) erzielt werden. Da keine Kosten vorliegen, müssen die Einsparungen durch den Schallschutz geschätzt werden. Im Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 15 28.04.2020 14: 32: 50 Ruhrgebiet leben 5 Mio. Menschen. Wir gehen davon aus, dass 1 % der Bevölkerung in unmittelbarer Nähe der A40 lebt, also 50.000 Menschen. Wenn 5 % unter dem Lärm leiden, sind dies 2.500 Menschen. Bei sehr konservativ geschätzten Gesundheitskosten pro Erkranktem von 1.000 EUR pro Jahr, beträgt der jährliche Nutzen des Schallschutzes 2,5 Mio. EUR für die Anwohner. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Autobahnsanierung wirtschaftliche Vorteile schafft. Esser und Kurte analysierten die Auswirkungen des Verkehrs auf das Wirtschaftswachstum in der EU und fanden heraus, dass Länder mit einem hohen Verkehrsaufkommen im Allgemeinen wohlhabender sind als Länder mit einem niedrigen Verkehrsaufkommen. Die Beziehung zwischen Wohlstand und Personenverkehr ist stärker als die zwischen Wohlstand und Güterverkehr, was die Bedeutung der persönlichen Mobilität für den Wohlstand einer Volkswirtschaft zeigt. Innerhalb des Personenverkehrs dominiert der Straßenverkehr nicht nur anteilig. Es besteht eine stärkere Korrelation zwischen Straßenverkehr und Wohlstand als zwischen anderen Verkehrsträgern und Wohlstand. Darüber hinaus fanden Esser und Kurte eine starke Korrelation zwischen dem Logistikaufkommen und der Produktivität einer Volkswirtschaft. Sie schließen daraus, dass Straßenverkehr produktivitätssteigernde Effekte hat. Der Einfluss des Straßenverkehrs auf die volkswirtschaftliche Produktivität ist auf die damit verbundene Mobilität zurückzuführen. Durch eine gute Infrastruktur kann der Produktionsfaktor Arbeit an den Produktionsstandorten flexibel eingesetzt werden. Dies gilt auch für Waren und Güter [12]. In ihrer Analyse von 24 EU-Ländern bestätigen Esser und Kurte die Hypothese, dass ein hohes Maß an individueller Mobilität zum Wandel von einer verarbeitenden Industrie zu einer Hightech-Industrie beiträgt. Sie zeigen, dass der Einfluss des Straßenverkehrs größer ist als der der anderen Verkehrsmittel. Dies gilt sowohl für den Personenals auch für den Güterverkehr. Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist ein wesentlicher Standortfaktor und Voraussetzung für Unternehmen, sich in der Nähe anzusiedeln. Die zahlreichen Kohlevorkommen und die gute Infrastruktur waren wesentliche Gründe für die hohe Dichte von Menschen und Unternehmen im Ruhrgebiet. Andererseits ist davon auszugehen, dass der Niedergang der Infrastruktur auch zum wirtschaftlichen Niedergang einer Region führt. Investitionen in neue oder modernisierte Straßen erhöhen die Produktivität, wodurch wiederum Zeit und Ressourcen frei werden, die für die Erzeugung zusätzlicher Wirtschaftsleistung oder für mehr Freizeit genutzt werden können [10]. Viele Forscher versuchten, die komplexen Auswirkungen von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen auf die Wirtschaftsleistung zu bewerten. Hartwig und Armbrecht berechneten die resultierenden Beschäftigungseffekte. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine Infrastrukturinvestition von 1 Mrd. EUR den Produktionswert um 984 Mio. EUR erhöht und 21.544 Arbeitsplätze schafft [13]. Wenn man diese Annahmen für die Sanierung der A40 zugrunde legt, dann führt die Investition von 22 Mio. EUR zu einer Produktivitätssteigerung von 21,6 Mio. EUR. Allerdings gibt es bisher keine Zahlen über die Auswirkungen von Infrastruktur-Sanierungsmaßnahmen. Die periodische Instandhaltung der Autobahn im Referenzzeitraum wird mit zusätzlichen 10 % der Baukosten kalkuliert. Tabelle 2 zeigt die Kosten und den Nutzen der zunächst konventionell geplanten 24-monatigen Autobahnsanierung mit Streckenteilsperrungen: Die Analyse der Kosten zeigt, dass die tatsächlichen Baukosten nur 1,9 % der Gesamtkosten ausmachen und somit marginal sind. 24 Monate Stau produzieren jedoch 45,5 % der Kosten, dabei machen die Kosten für Fahrten zur Arbeit mit 28,7 % den größten Teil aus. Lkws machen 10,4 % der Kosten aus, was bei der stark von Lastwagen befahrenen A40 offensichtlich ist. Eine Überraschung ist jedoch, dass die Kapitalbindungskosten der betroffenen Unternehmen 44,7 % der Gesamtkosten betragen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Kostenfaktor bei allen Kosten-Nutzen-Berechnungen für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen bisher vernachlässigt wurde, da diese nicht ermittelt werden. Es handelt sich dabei jedoch um volkswirtschaftliche Kosten, die eine ganzheitliche Kosten-Nutzen-Analyse einbeziehen muss, um ein vollständiges Bild von den Kosten zu zeichnen. Eine weitere Überraschung ist, wie gering die Treibstoffkosten (5,7 %) und insbesondere wie gering die CO 2 -Kosten (0,02 %) für 24 Monate Verkehrsstau sind. In Zeiten der Klimadebatte kann man festhalten, dass der Preis für die CO 2 -Emissionen im Verhältnis zu den anderen Verkehrskosten als deutlich zu niedrig angesetzt ist. Die Analyse des Nutzens der Autobahnsanierung zeigt, dass die Zeitersparnis mit 99,9 % der einzig relevante Nutzenfaktor ist, obwohl die Autorin bei der Nutzenschätzung mit Rendite für 24 Monate Bauzeit 1 2 3 4 5 10 20 Berechnung der Rendite mEUR 4,0% Projektinvestitionskosten mEUR -25,0 -12,5 -12,5 0 0 0 0 0 Instandhaltungskosten mEUR -3,0 0 0 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 Staukosten für Arbeitsfahrten mEUR -370,0 -185 -185 Staukosten für Privatfahrten mEUR -82,0 -41 -41 Staukosten Lkw Fahrer mEUR -134,4 -67,2 -67,2 Benzinkosten mEUR -74,5 -37,2 -37,2 CO2 Kosten mEUR -0,3 -0,16 -0,16 Unfallkosten mEUR -14,4 -7,2 -7,2 Lkw Kapitalbindungskosten mEUR -12,3 -6,13 -6,13 Lagerkapitalbindungskosten mEUR -576 -288,0 -288,0 Restwert der Investition mEUR 2,3 0 0 0 0 0 0 0 Gesamtkosten mEUR -1.290 -644,4 -644,4 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 Nutzen während der Bauzeit Höhere Bauqualität mEUR 0,00 0 0 Verhinderte Unfälle während Bauzeit mEUR 0,00 0 0 Nutzen nach Bauzeit Zeitersparnis mEUR 123.704 0 0 4.418 4.418 4.418 4.418 4.418 Verhinderte Unfälle mEUR 10,7 0 0 3,06 0,06 0,06 3,06 0,06 Gesundheit durch Lärmreduzierung mEUR 70 0 0 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 Wirtschaftswachstum mEUR 21,7 0,5 0,5 0,74 0,74 Gesamtnutzen mEUR 123.806 0,50 0,50 4.424,3 4.421,3 4.420,6 4.423,6 4.420,6 Abgezinster Nutzen mEUR 68.255 0,48 0,46 3.933,0 3.779,0 3.631,0 2.987,0 2.016,0 Nettonutzen (abgez Nutzen-Kosten) mEUR 66.965 N/ K Verhältnis 52 KW=∑(N t -L t )/ (1+i) t mEUR 24.489 -129 -129 885 884 884 884 884 Nutzung Bauzeit 1 Tabelle 2: Kosten-Nutzen-Analyse des konventionellen 24-monatigen Autobahn-Sanierungsprojekts mit Fahrbahnsperrungen Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper_NEU.indd 16 18.05.2020 15: 30: 05 einer Geschwindigkeitserhöhung von nur 5 km/ h für eine Nutzung von 20 km und einer Zeitersparnis von 0,9 min pro Fahrzeug vorsichtig war. Aufgrund der intensiven Nutzung dieser wichtigen Autobahn führt der zunächst gering erscheinende Effekt jedoch zu einer jährlichen volkswirtschaftlichen Zeitersparnis von 4,4 Mrd. EUR, und somit zu einer Zeitersparnis von 123,7 Mrd. EUR in 30 Jahren. Die anderen Vorteile wie Wirtschaftswachstum, Vermeidung von Unfällen und die Einsparungen im Gesundheitsbereich sind hingegen marginal. Dies könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass es schwierig ist, zuverlässige Kostenaussagen zur Quantifizierung dieser Vorteile zu erhalten. Der Kapitalwert des Sanierungsprojektes in 24 Monaten beträgt 24,5 Mrd. EUR, das Nutzen-Kosten-Verhältnis 52. Wenn es kein alternatives Szenario gäbe, würde das Projekt als vorteilhaft für die Volkswirtschaft bewertet und somit umgesetzt werden. Die Projektleiterin hatte jedoch die Idee, ein alternatives 3-monatiges Projektdesign auf Basis einer Vollsperrung der Autobahn zu entwerfen. Tabelle 3 zeigt die Kosten-Nutzen-Analyse für das neue 3-monatige Sanierungsprojekt: Die Analyse der Kosten für 3 Monate Vollsperrung der Autobahn zeigt ein anderes Bild: Obwohl die Baukosten um 3 Mio. EUR niedriger sind, machen sie nun 12,3 % der Gesamtkosten aus. Auch hier macht der Stau 41 % aller Kosten aus, wobei die Arbeitsfahrten mit 25,9 % die höchsten Kosten sind. Die Kosten für die Kapitalbindung in den Lagern machen 40,2 % der Gesamtkosten aus. Auch hier sind die Treibstoffkosten (5,2 %) und die CO 2 -Kosten (0,02 %) am geringsten. Die Analyse des Nutzens zeigt, dass auch hier die Zeitersparnis mit 99,9 % der einzig relevante Faktor ist. Die weiteren Vorteile wie höhere Bauqualität, höhere Sicherheit auf der Baustelle, Vermeidung von Unfällen, Gesundheitseinsparungen und Wirtschaftswachstum sind wiederum gering. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des neuen parallelen 3-Monats-Ansatzes unterscheidet sich jedoch stark vom konventionellen Ansatz: Mit einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 421 (im Vergleich zu 52 für den 24-Monats-Ansatz) zeigt es die hohe Rentabilität des parallelen Projektdesigns. Auch der Kapitalwert ist mit 26,3 Mrd. EUR höher als beim traditionellen Ansatz mit 24,5 Mrd. EUR. Die Vermeidung von 21 Monaten Stau erzeugt somit einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 1,8 Mrd. EUR. Zusammenfassend zeigt der Kosten-Nutzen-Vergleich der beiden Projektdesign-Alternativen, dass das 3-Monats-Projekt trotz der Vollsperrung einen deutlich positiveren Nutzen von 1,8 Mrd. EUR erzeugt und daher unbedingt durchgeführt werden sollte, was auch so durchgeführt wurde. Die Berechnung der öffentlichen Verkehrsverwaltung in Nordrhein-Westfalen zeigt jedoch ein völlig anderes Ergebnis: Sie geht von einer Kosteneinsparung des 3-Monats-Ansatzes von lediglich 5,5 Mio. EUR aus, die sich aus 2 Mio. EUR für die höhere Bauqualität und 3,5 Mio. EUR für die Vermeidung von 21 Monaten Stau ergeben. Das Projektteam der A40 war der Ansicht, dass die Vorteile der 3-monatigen parallelen Vorgehensweise hoch sind, konnte diese jedoch nicht quantifizieren. Ein Business Case für das Projekt wurde von der Straßenbehörde nicht gefordert. Ihr Projektabschlussbericht zeigt mit der Schätzung von Kosteneinsparungen von 5,5 Millionen Euro, dass sie in ihren Berechnungen den sozialen und wirtschaftlichen Nutzen öffentlicher Infrastrukturprojekte nicht berücksichtigt haben. Das vorliegende Beispiel der Kosten-Nutzen-Analyse unterstützt Projektleiter dabei, den gesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen und ökologischen Nutzen alternativer Projektdesigns objektiv zu quantifizieren. Einschränkungen Die vorliegende Kosten-Nutzen-Analyse basiert auf vielen Annahmen, da der Autorin die meisten Kennzahlen trotz intensiver Recherche nicht zur Verfügung standen. Die realen Projektdaten wurden in die Berechnung einbezogen. Für alle anderen Daten analysierte die Autorin sorgfältig die verfügbaren Informationen, die jedoch unvollständig sein könnten. Außerdem könnten die Annahmen falsch sein. Die Fallstudie über ein Autobahnprojekt im „Leitfaden zur Kosten-Nutzen-Analyse von Investitionsprojekten - Wirtschaftliches Bewertungsinstrument für die Kohäsionspolitik“ der Europäischen Union war hilfreich, ist jedoch konzipiert für den Bau einer neuen und nicht für die Sanierung einer bestehenden Autobahn. Der wirtschaftliche Nutzen einer Autobahnsanierung ist schwer einzuschätzen. Andererseits könnte der volkswirtschaftliche Schaden von verrotteter Infrastruktur geschätzt werden. Der Fall der Autobahn A40 zeigt, dass es bisher keine Methoden zur Berechnung des Rendite für 3 Monate Bauzeit 3 Mo 9 Mo 2 3 4 5 10 20 30 Bauzeit Berechnung der Rendite mEUR 4% Projektinvestitionskosten mEUR -22,0 -22,0 0 0 0 0 0 0 0 Instandhaltungskosten mEUR -2,1 0,0 0,055 0,073 0,073 0,073 0,073 0,073 0,073 0,073 Staukosten für Arbeitsfahrten mEUR -46,4 -46,4 Staukosten für Privatfahrten mEUR -10,3 -10,3 Staukosten Lkw Fahrer mEUR -16,8 -16,8 Benzinkosten mEUR -9,3 -9,3 CO2 Kosten mEUR 0,0 -0,04 Unfallkosten mEUR -1,2 -1,2 Lkw Kapitalbindungskosten mEUR -1,5 -1,54 Lagerkapitalbindungskosten mEUR -72,0 -72 Restwert der Investition mEUR 2,5 0,0 0 0 0 0 0 0 8 Gesamtkosten mEUR -179 -179,6 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 8,1 Nutzen während der Bauzeit Höhere Bauqualität mEUR 1,0 1,0 Verhinderte Unfälle während Bauzeit mEUR 3,0 3,0 Nutzen nach Bauzeit Zeitersparnis mEUR 131.435 0,0 3.313 4.418 4.418 4.418 4.418 4.418 4.418 4.418 Verhinderte Unfälle mEUR 11,6 0,0 0,05 0,06 3,06 0,06 0,06 3,06 0,06 0,06 Gesundheit durch Lärmreduzierung mEUR 74,4 0,0 1,87 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 Wirtschaftswachstum mEUR 21,6 0,0 0,50 0,74 0,74 0,74 0,74 0,74 0,74 0,74 Gesamtnutzen mEUR 0 4,0 3.315,4 4.421,3 4.424,3 4.421,3 4.421,3 4.424,3 4.421,3 4.421,3 Abgezinster Nutzen mEUR 75.533 4,0 3.188,0 4.087,0 3.933,0 3.779,0 3.631,0 2.987,0 2.016,0 1.362,0 Nettonutzen (abgez Nutzen-Kosten) mEUR 75.354 N/ K Verhältnis 421 KW=∑(N t -L t )/ (1+i) t mEUR 26.273 -35 663 884 885 884 884 885 884 886 Nutzung 1 Tabelle 3: Kosten-Nutzen- Analyse für das neue 3-monatige Sanierungsprojekt mit Vollsperrung der Autobahn Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 17 28.04.2020 14: 32: 51 Prof. Dr. Yvonne Schoper Yvonne Schoper ist Professorin für Internationales Management an der HTW Berlin und Gastprofessorin der University of Reykjavik und der Tongji Universität in Shanghai. Sie vertritt seit 2013 die GPM im internationalen Dachverband IPMA, leitet seit 2015 die DACH-Forschungswerkstatt und den Deutschen Studienpreis Projektmanagement und ist seit 2019 Präsidialrätin der GPM. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Projektifizierung, Interkulturelles Projektmanagement und Diversity Management. Sie ist Gastherausgeberin und Autorin von mehreren Aufsätzen im International Journal of Project Management und International Journal of Managing Projects in Business . Anschrift HTW Berlin Hochschule für Technik und Wirtschaft Tel.: +49-30 5019 2646 E-Mail: yvonne.schoper@htw-berlin.de sozialen und wirtschaftlichen Nutzens für die Sanierung bestehender Infrastruktur gibt. Dies ist jedoch zunehmend in Europa der Fall, wo bestehende Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Häfen, Wasserwege, Flughäfen, Stromnetze usw. erneuert und saniert werden müssen. Der Mangel an Instrumenten zur Berechnung des Nutzens von Sanierungsprojekten der öffentlichen Infrastruktur könnte einer der Gründe für den Investitionsstau in der deutschen Wirtschaft sein. Fazit Der Fall der A40-Autobahnsanierung zeigt, dass es die Regel sein sollte, dass Projektmanager alternative Projektdesign-Szenarien entwerfen und bewerten. Diese projektgestaltende Kompetenz ist eine wesentliche Grundlage für Prozessinnovationen, die ebenso wie Produktinnovationen erforderlich sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Fall der A40 zeigt, dass Projektdesign als innovative Change- und Wertschöpfungskompetenz für den gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Nutzen wichtiger ist als nur das Fertigstellen und Abliefern von Projektergebnissen. Der Ansatz der Vollsperrung der Autobahn erhöhte die Komplexität, Geschwindigkeit und Ungewissheit des Projekts und erforderte eine deutlich höhere Management- und Führungskompetenz von der Projektleiterin. Obwohl die Risiken für ein eventuelles Scheitern hoch waren, war der neue Projektansatz am Ende sehr erfolgreich. Aus dem Projektabschlussbericht geht hervor, dass das Straßenbauamt den volkswirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Nutzen des Projekts nicht bewertete. Man ahnte, dass der Nutzen durch Vermeidung von jahrelangem Stau für die Region hoch ist, doch quantifizierte ihn nicht. Die vorliegende Kosten-Nutzen-Analyse zeigt, dass es möglich ist, den ganzheitlichen Nutzen von Infrastrukturmaßnahmen zu bewerten. Selbst bei einer Nutzungsdauer von 30 Jahren sind die Unterschiede zwischen dem 3-monatigen und dem 24-monatigen Projektansatz enorm. 3 Monate Vollsperrung waren für Volkswirtschaft und Gesellschaft in der Region um 1,8 Mrd. EUR profitabler als der klassisch sequenzielle Ansatz. Das Autobahnsanierungsprojekt A40 zeigt eindrucksvoll, wie man öffentliche Infrastruktursanierungsprojekte in Zukunft durch Parallelisierung der Prozesse beschleunigen und so die negativen Folgen von Stau für Gesellschaft und Wirtschaft minimieren kann. Das Projekt zeigt, dass ein Projektmanager alternative Projektdesigns entwickeln und sämtliche Kosten sowie den ganzheitlichen Nutzen im Hinblick auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt quantifizieren können muss. Das Autobahnnetz in Deutschland ist mit 13.100 Kilometern das viertgrößte weltweit. Bis zum Jahr 2030 müssen allein mehr als 10.000 Straßenbrücken erneuert werden. Das Beispiel A40 könnte ein Modell für Projektdesign und die ganzheitliche Bewertung von öffentlichen Infrastrukturprojekten werden. Literaturquellen [1] GPM (2015) Individual Competence Baseline für Projektmanagement, Nürnberg https: / / www.gpm-ipma.de/ fileadmin/ user_upload/ GPM/ Know-How/ programm-icb4/ IPMA_ICB4_PM_deutsch_170213.pdf [2] Volden, G. H. (2019) Assessing public projects’ value for money: An empirical study of the usefulness of cost-benefit analyses in decision-making, in: International Journal of Project Management, Vol. 37 (2019), S. 549-564 [3] Jones, H., Moura, F., Domingos, T. (2014) Transport infrastructure project evaluation using cost-benefit analysis, in: Procedia - Social and Behavioral Sciences Vol. 111, S. 400 - 409 [4] European Union (2015) Guide to Cost-Benefit Analysis of Investment Projects - Economic appraisal tool for Cohesion Policy 2014-2020, Brussels [5] Reed, T., Kidds, J. (2019) INRIX Global Travel Scorecard, Kirkland/ Altrimcham (Quelle: http: / / inrix.com/ scorecard/ ) [6] Sage Advice (2020) (Quelle: https: / / www.sage.com/ dede/ blog/ lexikon/ lagerkosten/ ) [7] Logistik Know-how (2020) (Quelle: https: / / logistikknowhow.com/ planung-und-organisation-eines-lagers/ lagerhaltungskosten-lagerkosten-oder-lagerungskosten/ ) [8] Seher, D. (2017) Wo im Ruhrgebiet täglich tausende LKW die Bundesstraßen belasten (Quelle: https: / / www. waz.de/ wo-in-nrw-taeglich-tausende-lkw-die-bundesstrassen-belasten-id209496363.html) [9] Bauernhansl, T. (2014) Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik [10] Stupak, J.M. (2018) Economic Impact of Infrastructure Investment, CRS report, Congressional Research Service 7-570, R44896 (Quelle: https: / / fas.org/ sgp/ crs/ misc/ R44896.pdf) [11] VCD (2020) https: / / www.vcd.org/ themen/ verkehrslaerm/ strassenlaerm/ [12] Esser, K., Kurte, J. (2009) Einfluss des Straßenverkehrs auf die Volkswirtschaft, ADAC Studie zu Mobilität, (Quelle: https: / / www.adac.de/ _mmm/ pdf/ fi_einfluss_strassenverkehr_ studie_0109_221788.pdf) [13] Hartwig, K.-H., Armbrecht, H. (2005) Volkswirtschaftliche Effekte unterlassener Infrastrukturinvestitionen; Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Zementindustrie, des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und des Verbandes der Automobilindustrie. Düsseldorf: Verlag Bau+Technik Politik und Gesellschaft | Erfolgreiches Projektdesign 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0022 03_schoper.indd 18 28.04.2020 14: 32: 51 Der individuelle Lernprozess führt zum agilen Mindset Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? Im Interview mit Oliver Steeger | Aufgrund sich wandelnder Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit und dem Bedarf auch während einer Projektlaufzeit immer wieder neue Einflussfaktoren und Lösungsansätze integrieren zu können, arbeiten immer mehr Unternehmen mit agilem Projektmanagement. Scrum, Kanban, Design Thinking & Co versprechen schnellere, kundenorientierte Ergebnisse und verbesserte Anpassungsfähigkeit von Unternehmen. Nach der anfänglichen Euphorie stellen viele Unternehmen fest, dass allein neue Methoden Projekte und Unternehmen nicht wirklich agil machen. Irgendetwas fehlt noch, damit die Methoden vollumfänglich wirksam werden können. Die nachhaltige Umsetzung agiler Methoden scheitert häufig am fehlenden „agilen Mindset“, einer inneren Haltung für agiles Arbeiten, Kooperieren und Führen. Die Berater und Trainer Sabine Hennig und Martin Merdes kennen diese Schwierigkeit. Sie unterstützen Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter bei der Transformation zur agilen Organisation. Im Interview erklären sie, weshalb das Mindset essentiell ist für die erfolgreiche agile Transformation, wie es mit agilen Werten, Prinzipien und Methoden zusammenhängt-- und wie sie Menschen begleiten, sich selbst erfolgreich zu verändern. Immer mehr Unternehmen arbeiten mit agilen Methoden. Dann stellen sie fest: Die Mitarbeiter setzen die neuen Methoden nur halbherzig um. Auch dann, wenn sie scheinbar alles richtig machen, greifen die Methoden kaum. Aus Ihrer Sicht- - wo liegt das Problem? Martin Merdes: Das Problem liegt häufig darin, dass man agile Methoden in der Organisation verwendet- - aber das entsprechende agile Mindset bei den Handelnden nicht etabliert ist. Unternehmen führen beispielsweise Scrum, Design Thinking, Kanban oder Dailies ein. Die Beteiligten nehmen die neuen Arbeitsformen anfangs mit Neugier und Experimentierlust auf. Die Mitarbeiter wollen sie ausprobieren. Vielleicht spüren sie auch, dass man mit diesen Arbeitsmethoden besser in einer dynamischen, komplexen Welt arbeiten kann. Wo liegen die Schwierigkeiten genau? M. Merdes: Die Methoden sind nur ein Teil der agilen Transformation. Nehmen wir als Beispiel die iterative Arbeitsweise. Mit dieser Vorgehensweise kommt das innere Bedürfnis vieler Mitarbeiter nach Klarheit in Konflikt. Sie wollen Dinge abschließen. Sie wünschen sich oft, einen vollständigen stabilen Plan bis zum finalen Ziel zu haben. S. Hennig: Mitarbeiter und Führungskräfte müssen lernen, innerlich mit „unklaren Situationen“ klarzukommen, die bei der agilen Transformation vermehrt auf sie zukommen-- auch wenn die agilen Methoden darauf ausgelegt sind, Orientierung durch einen entsprechenden Rahmen zu geben. Aber Agilität bedeutet, die Schein-Sicherheit von langfristigen Plänen aufzugeben, wenn man in einer nicht planbaren Situation ist. Also der Veränderlichkeit der Situation Rechnung zu tragen-- mit der entsprechenden Vorgehensweise! Viele Unternehmen meinen, Mitarbeiter und Führungskräfte müssten bloß den Umgang mit den Methoden besser lernen-... S. Hennig: Das ist eine häufige Schlussfolgerung in den Unternehmen. Das Problem liegt aber sehr oft nicht bei den Methoden und ihrer Anwendung. Ganz im Gegenteil, uns scheinen viele Unternehmen sogar zu fixiert auf die Methodik. Wir sehen die Schwierigkeiten sehr oft bei der Nachhaltigkeit und Konsequenz, mit der die Methoden angewendet werden. Vie- Wissen Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? DOI 10.2357/ PM-2020-0023 31. Jahrgang · 02/ 2020 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0023 04_Neuland.indd 19 28.04.2020 14: 33: 30 le Unternehmen hoffen, dass sie für mehr Agilität nur neue Methoden und Prozesse einzuführen brauchen. Der Wandel zur Agilität muss aber auch in den Köpfen stattfinden. Sonst bleiben die Veränderungen an der Oberfläche. Wo liegt das Problem genau? Weshalb ist die agile Transformation eine so große Herausforderung? M. Merdes: Es geht um eine Verhaltensänderung. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Angenommen, ein Mitarbeiter will seine Kommunikation verbessern. Er- - oder sogar seine Vorgesetzte-- hat erkannt: Er lässt häufig andere nicht ausreden. Er versucht seinen eigenen Standpunkt klarzumachen. Er könnte in dieser Situation versuchen, seine Fähigkeiten zu verbessern. Er könnte Gesprächs- und Fragetechniken lernen. Danach würde er mehr auf den Redeanteil in seinen Gesprächen achten. Er würde üben, eine Pause auszuhalten, ohne sofort weiter zu reden, wenn der andere nicht sofort antwortet. Solche technischen und methodischen Werkzeuge und Verfahren helfen tatsächlich Gespräche besser zu machen-... Aber? M. Merdes: Hinter diesen Methoden und Techniken stecken auch Werte, Prinzipien und ein Mindset. Wenn der Mitarbeiter in Gesprächen bei seinem alten Mindset bleibt, wird er wahrscheinlich immer wieder Mühe mit den Methoden haben. Es fällt ihm schwer, sich zurückzuhalten. Er hat Sorgen, dass er nicht gehört wird oder der Dialog zu langsam ist. Er befürchtet, dass ihn der Gesprächspartner nicht richtig versteht und dass er noch mehr Erklärungen braucht. Was bewirkt das Mindset hier genau? M. Merdes: Der Mitarbeiter kommt zu der Einstellung, dass Gesprächspartner meistens sehr interessante andere Punkte ergänzen können, die dann auch die Lösungen und Vorgehensweisen besser machen. Er erkennt, dass der andere einen anderen Blick auf die Welt hat und es sich lohnt, diesen zu verstehen. Er sieht den anderen als gleichberechtigt-- und behandelt ihn auch als gleichberechtigt. Damit entwickelt er ein neues Mindset. Was ist dann mit den Methoden? M. Merdes: Die Techniken sind dann eine Bereicherung und eine Möglichkeit, wie man andere wirklich besser verstehen kann. Aber: Solange diese Techniken nur Werkzeuge sind und die Einstellung sich nicht ändert, wird ihre Anwendung immer mühsam bleiben. Man wird sie wahrscheinlich irgendwann beiseitelegen. Wie darf ich mir dies beim agilen Mindset genau vorstellen? S. Hennig: Ohne diese agile Haltung, die den Methoden zugrunde liegt, fallen beispielsweise Entscheidungsträger leicht in alte Muster zurück- - häufig direkt bei den ersten Schwierigkeiten. Das beschädigt dann die Glaubwürdigkeit der Veränderung. Bei den Transformationen müssen die Absichtserklärungen und die Einladungen zum Mitdenken von der notwendigen Glaubwürdigkeit getragen sein. Fehlt sie, ist die Einführung und Anwendung der Methoden nicht nachhaltig. M. Merdes: Der Wandel verlangt nicht nur neue Methoden, sondern auch ein neues Rollen- und Selbstverständnis sowie eine veränderte Denk- und Bewertungsweise. Das braucht oft viel mehr Zeit als das reine Verstehen der Methode. Inwiefern? S. Hennig: Agile Methoden werden aktuell viel diskutiert. Hinter diesen Methoden liegen aber bestimmte Prinzipien und Werte. Also Prinzipien für agiles Arbeiten, etwa: Experimentieren, iteratives Vorgehen, kontinuierliches Verbessern, Selbstorganisation, aktive Einbindung der Beteiligten, Verantwortung und Empowerment. Es geht darum, in Unternehmen diese Prinzipien zu realisieren. Darauf kommt es an. Zudem gibt es eine Reihe von agilen Werten, auf denen die Prinzipien beruhen. Zu diesen Werten zählen etwa Offenheit, Selbstverpflichtung, Vertrauen, Transparenz und Kommunikation. Agilität heißt, die Schein- Sicherheit von langfristigen Plänen aufzugeben, wenn man in einer nicht planbaren Situation ist. (Illustration: Leszek Skurski) Wissen | Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0023 04_Neuland.indd 20 28.04.2020 14: 33: 31 Das heißt, wir haben agile Prinzipien und agile Werte. Die Methoden sind ein Ausdruck dieser Prinzipien und Werte. M. Merdes: Richtig! Erst diese agilen Prinzipien und Werte machen den erwünschten Wandel nachhaltig. Sie ermöglichen es, in einem dynamischen, unsicheren und komplexen Umfeld Projekte durchzuführen. Ein Beispiel: In einem dynamischen, innovationsgetriebenen Umfeld ergibt langfristige Planung keinen Sinn. Es ist zielführender, sich im Dialog mit dem Kunden dem Projektziel iterativ, mit kleinen Schritten zu nähern. Die Scrum-Methode definiert eine Umsetzung von Prinzipien wie Iteration, Experimentieren und kontinuierlichem Verbessern in Mini-Schritten. Wo liegt die Herausforderung für Mitarbeiter? M. Merdes: Sie müssen nicht nur die Methoden beherrschen, sondern diese Prinzipien und Werte aktiv und glaubwürdig leben. Die Menschen müssen auf neue Weise kooperieren, kommunizieren und führen. Sie müssen Verantwortung übernehmen, aus Fehlern lernen und unternehmerisch denken. Wie darf ich dies genau verstehen? M. Merdes: Ich erkläre es an einem Beispiel. Denken Sie an die Umsetzung von Projektplänen. Im früheren, klassischen Projektmanagement waren Planabweichungen negativ besetzt. Projektmanager und Mitarbeiter haben alles drangesetzt, um sie zu vermeiden-- oder im schlimmsten Fall zu vertuschen. Mit einem veränderten, agilen Mindset blicken die Beteiligten anders auf solche Abweichungen. Anders-- in welcher Form? M. Merdes: Die Beteiligten versuchen neue Erkenntnisse zu gewinnen und daraus zu lernen. Mögliche Fragen könnten sein: Welche Informationen stecken in den Abweichungen- - etwa über den Kunden und dessen Bedürfnisse oder zu Annahmen über Randbedingungen, die erst jetzt bewusst werden? Welche Fehlannahmen liegen möglicherweise dahinter? Was lehren diese Abweichungen für die Zukunft? Wie kann man schnell und offen darüber mit anderen sprechen und passende Maßnahmen ergreifen? Solche Fragen sind Ausdruck eines agilen Mindsets. Die Methoden sind dann eher die Vorgehensweisen, etwa regelmäßige Meetings oder entsprechend strukturierte Dokumente, mit deren Hilfe die Fragen systematisch beantwortet werden. Sprechen wir näher über das agile Mindset. Was beschreibt diesen Begriff genau? Was ist mit dem Mindset gemeint? S. Hennig: Mindset beschreibt die persönlichen Haltungen, Grundannahmen und Glaubenssätze. Beispielsweise Glaubenssätze, wie professionelles Projektmanagement funktioniert. Zu diesen Grundannahmen und Glaubenssätzen kommen auch persönliche Bedürfnisse, etwa das Bedürfnis nach Planbarkeit, Sicherheit, Perfektion oder Zugehörigkeit. Angenommen, ein Projektmanager hat bisher in einem Umfeld gearbeitet, das die Prinzipien langfristiger Planung und linearer Optimierung fordert und belohnt. Der Projektmanager weiß aus seiner Erfahrung: Er führt ein Projekt dann gut, wenn er alles konsequent kontrolliert und zusammenhält. S. Hennig: Genau! Da ist es doch völlig menschlich, wenn es diesem Projektleiter schwerfällt, etwa iterativ in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden vorzugehen. Er hat Schwierigkeiten, Änderungen wirklich als Beitrag zur Qualität zu betrachten, Selbstorganisation der Mitarbeiter zuzulassen, Experimente zu wagen und Fehler als Lernschritte zu nutzen. Wie wirkt da ein Mindset genau? M. Merdes: Ein Mindset, also eine Brille, durch die er aufs Leben schaut, hat jeder von uns. Das Phänomen „Mindset“ ist also nicht neu. Meistens sind wir uns dessen aber nicht bewusst. Auch das klassische Projektmanagement ist durch Offenheit, Selbstverpflichtung, Vertrauen, Transparenz und Kommunikation-- diese agilen Werte liegen hinter den agilen Methoden. (Illustration: Leszek Skurski) Wissen | Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0023 04_Neuland.indd 21 28.04.2020 14: 33: 31 Die Entwicklung des agilen Mindsets ist ein Lernprozess, der unter anderem Reflektion und Dialog erfordert. (Illustration: Leszek Skurski) ein bestimmtes Mindset geprägt. Nur: Wir haben nie darüber gesprochen. Es war nie ein Thema. Wir haben es immer stillschweigend vorausgesetzt-- auch, weil es für Projekte in weniger dynamischen Kontexten hervorragend funktioniert hat. S. Hennig: Es ist ja auch nicht falsch ... Was, bitte, ist nicht falsch? S. Hennig: Das Mindset, auf dem die klassischen Vorgehensweisen beruhen. Dieses Mindset hat ja lange zu guten Ergebnissen geführt. Es hilft in Situationen, die gut planbar sind- - oder wenn es genügend Reaktionszeit für Plankorrekturen gibt. Aber: In der so genannten VUCA-Welt stößt dieses Mindset an seine Grenzen. Die Frage ist daher nicht, welches Mindset „richtig“ ist, sondern welches Mindset zu dem „Spielfeld“ passt, auf dem man sich gerade bewegt und arbeitet. War das alte Mindset bisher ein Erfolgsgarant, so kann man es natürlich nicht von jetzt auf gleich ändern. Es handelt sich um einen Entwicklungsprozess, der Mut sowie die Bereitschaft für neue Erfahrungen und eigenes Wachstum erfordert. Weshalb halten sich alte Mindsets so zäh? M. Merdes: Hinter einem Mindset stehen tiefgreifende Glaubenssätze, zum Beispiel, dass lineare Optimierung der beste Weg zum Ziel ist. Plant der Projektmanager genug, strengt er sich an- - dann kann er einen guten, zuverlässigen Plan erstellen. Die ganzen Planungsmethoden, die im Projektmanagement entwickelt wurden, fußen auf diesem Glaubenssatz. Sie machen ein Teil dessen aus, was Projektmanager ihre Professionalität nennen. S. Hennig: Neben Glaubenssätzen geht es dabei auch um persönliche Bedürfnisse. Wir haben alle das Bedürfnis, sozial anerkannt zu werden und als professionell zu gelten. Angenommen, ein Projektmanager versteht Kontrolle und Wissensvorsprung als Teil seiner Rolle: Da ist es für ihn eine große Umstellung, dass sich im agilen Umfeld Teams selbst organisieren und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen. Lässt sich ein agiles Mindset überhaupt lernen? Kann jeder Mitarbeiter, jede Führungskraft dieses Mindset entwickeln? M. Merdes: Prinzipiell ja. Unser Gehirn ist ein Leben lang enorm anpassungsfähig. Wir können uns weiterentwickeln, wenn wir neue Erfahrungen machen. Das ist eindeutig durch die Neurobiologie bewiesen und wird Neuroplastizität genannt. Die Frage ist, wie man Menschen dazu einlädt, am Gestaltungsprozess beteiligt und sie dabei begleitet. Wie geht man mit Einwänden und Widerständen um? Wie ernst nimmt man sie? Wie schafft man ein Umfeld, das es leicht macht, sich auf neue Erfahrungen einzulassen? Was ist hilfreich, um ein agiles Mindset zu entwickeln? Was sollten Mitarbeiter und Führungskräfte mitbringen? S. Hennig: Ganz am Anfang steht die persönliche Entscheidung, sich überhaupt auf einen Lernprozess einlassen zu wollen. Dann ist es sehr hilfreich, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte ein dynamisches Selbstbild haben statt eines statischen. Menschen mit einem statischen Selbstbild gehen davon aus, dass sie sich nicht verändern können. Sie denken, dass sie eben sind, wie sie gerade sind. Was machen Menschen mit einem dynamischen Selbstbild anders? S. Hennig: Menschen mit einem dynamischen Selbstbild wissen, dass sie sich auch grundlegend verändern können. Man spricht da von einem Growth Mindset, eine Haltung, die persönliches Wachstum als erstrebenswert und sinnvoll bejaht. Carol Dweck, Psychologieprofessorin an der Stanford Wissen | Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0023 04_Neuland.indd 22 28.04.2020 14: 33: 31 University, hat dieses Konzept des „Growth Mindset“ entwickelt. Menschen mit einem Growth Mindset gehen davon aus, dass die Erfahrung, die sie machen, zu persönlichem Wachstum führt. M. Merdes: Menschen mit einem Growth Mindset haben Freude am Lernen. Sie wollen sich durch jede Art von Erfahrungen weiterentwickeln. Dafür nehmen sie auch Anstrengungen und Rückschläge in Kauf. Sie schätzen auch Fehler und Scheitern als Quelle für neue Erfahrungen, an denen sie wachsen. Auch hilft dieses Mindset mit Mehrdeutigkeiten besser umzugehen. Menschen mit einem Growth Mindset gehen offener auf diese Mehrdeutigkeit zu. Sie sehen diese als Chance. Werfen wir einen Blick in die Praxis. Die Entwicklung eines agilen Mindsets haben Sie vorhin als einen individuellen Prozess des Lernens und des Sammelns von Erfahrungen beschreiben. In Ihren Trainings arbeiten Sie mit Ihren Teilnehmern an ihrem agilen Mindset. Wie darf ich mir dies in der Praxis vorstellen? S. Hennig: Die meisten Teilnehmer haben starke Sympathie für die agile Arbeitsweise. Doch sie sagen häufig, dass sie sich selbst bei einer konsequenten Umsetzung im Wege stehen. Das gewohnte Verhalten gibt Sicherheit. In schwierigen Situationen kann es daher leicht passieren, dass man in altes Fahrwasser gerät. In unseren Trainings schauen wir, welche agilen Stärken und Verhaltensweisen jeder Einzelne bereits mitbringt. Es geht vorrangig darum, diese vorhandenen Ressourcen zu stärken und auch in schwierigen Situationen für den Einzelnen abrufbar zu machen. Dabei knüpfen wir an Situationen an, in denen agiles Arbeiten bereits gelungen ist. M. Merdes: Wir unterstützen unsere Teilnehmer, sich auf die agile Welt zunächst einzulassen. Wir erklären die Bedeutung des Mindsets und reflektieren mit unseren Teilnehmern, was das agile Mindset für sie bedeutet. Dann schaffen wir den Rahmen für Lernen und positive Erfahrungen, die wir dann weiter bestärken. Die Teilnehmer setzen versuchsweise die agile Brille auf und betrachten die Welt aus der agilen Perspektive. Das agile Mindset wird direkt erlebbar und erfahrbar. Wenn die Teilnehmer das agile Mindset auf diese Weise spüren, dann erkennen viele, dass sie damit ihre Ziele und die Ziele des Unternehmens besser erreichen. Dass sie auch mehr Befriedigung in der Arbeit finden und Spaß an der Kooperation haben. Dass alle Seiten davon profitieren. Augenblick! Eben haben Sie von tiefwurzelnden Glaubenssätzen und essentiellen Bedürfnissen gesprochen. Die kann man doch nicht von heute auf morgen ausradieren und ersetzen … S. Hennig: Genau dies wollen wir ja auch nicht! Ich fände es zutiefst respektlos, zu versuchen, Menschen zu verbiegen. Glücklicherweise begegnen die Menschen solchen Versuchen mit starkem Widerstand-- was völlig in Ordnung und gesund ist. Wir bieten an, neue Erfahrungen zu machen. Erleben die Teilnehmer wiederholt, dass sie mit veränderten Bewertungen und Entscheidungen erfolgreich sind-- dann werden neue Denkmuster und Sichtweisen gestärkt. Wir ermöglichen dabei alternative Perspektiven, und wir verstehen uns als Begleiter des individuellen Veränderungsprozesses. Das heißt? S. Hennig: Ich erkläre dies an einem Beispiel. Stellen Sie sich einen stark hierarchieorientierten Manager vor. Er ist es gewohnt, Anweisungen zu geben und Ergebnisse der Mitarbeiter zu kontrollieren. Damit hat er Erfolg gehabt und viel bewegt. Im Laufe der Zeit hat dieser Manager erkannt, dass sich die Welt um ihn herum verändert. Er sieht ein, dass es bei Projekten zu besseren Ergebnissen kommt, wenn er seine Mitarbeiter fördert, wenn er ihnen mehr Verantwortung und Entscheidungsspielräume überträgt. In unseren Trainings hat er Gelegenheit, diese agilen Anteile in seinem Mindset weiter zu stärken. Vielen Mitarbeitern ist die agile Arbeitsweise sympathisch. Sie stellen aber häufig fest, dass sie die Methoden nicht konsequent genug umsetzen können. Eine bewusste Entwicklung des individuellen agilen Mindsets würde sie dabei unterstützen. (Illustration: Leszek Skurski) Wissen | Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0023 04_Neuland.indd 23 28.04.2020 14: 33: 32 Sabine Hennig Sabine Hennig (Neuland Partners for Development & Training GmbH & Co. KG) ist seit 2009 Trainerin, Beraterin, Coach und Moderatorin. Die Diplom-Betriebswirtin (Wirtschaftsinformatik) hat einen Global Executive MBA (University of Toronto) und war über 16 Jahre in internationalen IT- und OE-Projekten tätig, unter anderem als Programm- und Projektmanagerin. Sie hat Führungserfahrung mit verteilten und multinationalen Teams. Heute bildet sie unter anderem Fachleute für Agilität aus und entwickelt dabei mit den Teilnehmern das agile Mindset. Martin Merdes Martin Merdes ist seit 2010 Coach, Trainer, Berater und Moderator. Zuvor hat der Diplom-Ingenieur über zehn Jahre internationale Produktionsoptimierungsprojekte geleitet, war Führungskraft bei der Fraunhofer-Gesellschaft und technischer Consultant in der Automatisierungstechnik. 2016 wurde er von Focus und XING zum Top-Coach des Jahres in den Kategorien „Führungskräfte-Coaching“ und „Work-Life-Balance-Coaching“ ausgezeichnet. Martin Merdes ist geschäftsführender Gesellschafter der Neuland Partners for Development & Training GmbH & Co. KG. Konkret? S. Hennig: Wir würden ihn ermutigen, diese Anteile zunächst in dem geschützten Raum des Trainings auszuprobieren. Er kann schauen, was für ihn funktioniert und wo er dieses im beruflichen Alltag vielleicht bereits umsetzt. Fühlt er sich gut damit, begleiten wir ihn, allmählich neue Gewohnheiten zu festigen. Aber: Das heißt nicht, dass wir das Bedürfnis nach Planbarkeit und Sicherheit ignorieren. Wir überlegen gemeinsam mit dem Teilnehmer, wie er dieses Bedürfnis auch in einer agilen Welt erfüllen kann. Es wird quasi ein agiles Mindset neben das klassische gesetzt? M. Merdes: So kann man dies beschreiben. Nehmen Sie beispielsweise die Glaubenssätze. Wir wollen und können diese nicht verändern. Was unserer Erfahrung nach allerdings möglich ist: Wir können ihnen Alternativen an die Seite stellen. Nehmen wir als Beispiel den verbreiteten Glaubenssatz, dass nur perfekte Planung zu einem guten Ergebnis führt. Wir können Erfahrungen ermöglichen, die zeigen: Unter bestimmten Rahmenbedingungen bringen Minischritte und iterative Vorgehensweise in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden besser voran. S. Hennig: Dies kann man gut erklären anhand von Antreibersätzen, Sätzen, die oft mit „Ich muss“ beginnen. Ein solcher Antreibersatz ist beispielsweise „Ich muss mein Projekt perfekt planen.“ Bei unseren Trainings stellen Teilnehmer diesen Antreibersätzen Erlaubersätze zur Seite, die für sie persönlich stimmig sind. Beispielsweise: „Ich führe das Projekt sicher, indem ich mich oft und eng mit allen Beteiligten abstimme oder wir jederzeit reagieren können.“ M. Merdes: Antreibersätze sind in bestimmten Situationen sinnvoll. Dies ist wichtig zu respektieren. Aber in anderen Situationen brauchen sie einen „Buddy“ an der Seite, der sie ausbalanciert. Indem wir solche Erlaubersätze kultivieren, integrieren wir Vorhandenes wertschätzend. Die Teilnehmer ergänzen ihre Sichtweise. Solche Antreibersätze erzeugen bekanntlich auch Stress. Sie setzen Menschen unter inneren Druck. Wirkt ein agiles Mindset gewissermaßen auch entlastend für Menschen, die bislang ein klassisches Mindset hatten? S. Hennig: Mit Sicherheit! Besonders ein agiles Umfeld kann Menschen mit einem eher klassischen Mindset sehr unter Stress setzen. Für Menschen, die das Erbringen möglichst perfekter Ergebnisse gewohnt sind, sind Experimente und Fehler eine starke Belastung. Das agile Mindset macht es ihnen einfacher zu verstehen, dass Fehler zu neuem Wissen und zu besseren Ergebnissen für den Kunden führen. Mit dieser Stressreduzierung können wir viele Teilnehmer abholen. Das ist für viele ein stichhaltiges Argument, sich dem agilen Mindset zu öffnen. M. Merdes: Für einige Teilnehmer ist die Erkenntnis hilfreich, dass je nach Umfeld ein anderes Mindset erforderlich ist. In einem komplizierten Projektumfeld sind sie mit dem klassischen Mindset erfolgreich. Anders in einem komplexen oder gar chaotischen Umfeld. Dort sind sie besser mit einem agilen Mindset beraten. Wenn sie verstehen, dass das agile Mindset solch eine Erweiterung für sie ist-- dann steht die Tür offen für den persönlichen Entwicklungsprozess. Abbildungsnachweis: Alle Illustrationen in diesem Beitrag wurden erstellt von Leszek Skurski, das Copyright liegt bei der Neuland Partners for Development & Training GmbH & Co. KG. Wissen | Wie sieht die Welt durch die „agile Brille“ aus? 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0023 04_Neuland.indd 24 28.04.2020 14: 33: 32 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 Weder gut noch schlecht Vergleich von hybridem Management Norbert Schaffitzel, Agnetha Flore Für eilige Leser | Im Rahmen der agilen Arbeitsformen wird oft von hybridem Vorgehen gesprochen. In vorliegendedem Artikel gehen die Autoren der Frage nach, was genau als hybrides agiles Management verstanden werden muss und welche Formen hybriden agilen Arbeitens man unterscheiden sollte. Ausgehend von den dabei abgeleiteten drei Szenarien zeigen die Autoren die Möglichkeiten auf, wie diese Szenarien für die Skalierung und Transformation in Organisationen genutzt werden können. Aus dem Vergleich der vorgestellten Szenarien wird es für den Leser möglich, einerseits eine Standortbestimmung seines eigenen Vorgehens zu machen und andererseits darauf aufbauend eine Vorstellung zu entwickeln, wie sich seine Organisation in Richtung selbstorganisatorischem agilen Handeln entwickeln kann. Schlagwörter | Hybride Ansätze, klassische und agile Techniken, Agile Governance, Agiles Mindset, Management 4.0 1 Einleitung Betrachtet man die aktuellen Transformationsprozesse von Unternehmen zu mehr Agilität, so fällt auf, dass es oftmals als hybrid bezeichnete Ansätze gibt, die unserer Ansicht nach in der heutigen Managementpraxis am häufigsten angewendet werden. Deshalb wollen wir anhand der real zu beobachtenden Ansätze zeigen, warum sie zur Anwendung kommen und welche Möglichkeiten und Grenzen sie innerhalb einer organisatorischen Transformation in Richtung agiler Arbeitsweise haben. Die Motivation für unsere Betrachtung basiert auf der folgenden Situation, die mit Sicherheit schon jeder einmal in der ein oder anderen Form in seiner beruflichen Laufbahn erlebt hat: Es ist eine kritische Situation im Unternehmen eingetreten, welche nur mit entschlossenen, zielorientierten und gemeinsamen Anstrengungen angegangen werden kann. Konkret erfordert dies das Zusammenwirken unterschiedlichster Unternehmensbereiche, den gezielten Einsatz aller erforderlichen Kollegen zur Krisenlösung sowie schnelles und unbürokratisches Handeln auf allen Hierarchieebenen. Die gemeinsamen Anstrengungen führen in der Regel zu einem kumulativ sich beschleunigenden Prozess, der alle beteiligten Mitarbeiter erfasst. Die Dringlichkeit der Aufgabe wird vorangetrieben durch entschlossenes Handeln, die eigenverantwortliche Übernahme von Entscheidungen und das Treffen von situativ passenden Maßnahmen. Die Schnelligkeit der Maßnahmen und das Gefühl, eine höhere Verantwortung zu übernehmen, können diese Personen in einen sogenannten „Flow-Zustand“ führen. Unter Flow-Zustand wird ein Zustand verstanden, in dem einfach alles zu gelingen scheint und man selbst über seinen Erfolg entscheiden kann. Es fließt alles und man gibt sich voll und ganz dem aktiven Handeln hin. Es gibt ein klares Ziel. Man arbeitet entsprechend seiner Fähigkeiten und bekommt unmittelbar und kontinuierlich Rückmeldung dazu. Man ist hochkonzentriert und vollkommen motiviert. Dabei entsteht ein Bewusstsein für sich selbst und die Zeit vergeht wie im Flug [1]. Es ist also ein Zustand voller Energie und Produktivität, der sowohl die einzelnen Personen als auch die gesamten Teams erfasst. In den Augen der Beteiligten werden „übermenschliche“ Schwierigkeiten plötzlich gelöst, die Mitarbeiter zögern nicht, das Problem anzugehen und ordnen ihre individuellen Interessen dem gemeinsamen Ziel unter. Am Ende entstehen sehr oft unzerbrechliche Freundschaften und man fragt sich: „Wie haben wir es geschafft? “ Aber kaum ist der Ausnahmezustand, die Krise oder das hoch kritische Projekt beendet, sinkt man in den Normalzustand der bisherigen sperrigen Zusammenarbeit zurück. Plötzlich gewinnen Rollen, Verantwortlichkeiten und Richtlinien die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter zurück, die für die Zeit der Krise ausgeschlossen zu sein schienen. Die daraus resultierenden zentralen Fragen zum organisatorischen Verhalten sind: Wissen Vergleich von hybridem Management DOI 10.2357/ PM-2020-0024 31. Jahrgang · 02/ 2020 05_Schaffitzel.indd 25 28.04.2020 14: 34: 06 Wissen | Vergleich von hybridem Management 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 • In welcher Art und Weise wurde das Problem - welches es zu lösen galt - bekannt und was geschah in der kritischen Situation? • Kann diese Arbeitsweise wiederholt oder sogar langfristig aufrechterhalten werden? • War es nur ein einzigartiger Reflex auf die aktuelle Situation und wurde er für eine begrenzte Zeit geschaffen? • Kann diese Form der Interaktion über Abteilungssilos hinweg organisatorisch für die Zukunft fortgeführt werden? • Kann man den in einem Krisenmodus herrschenden Flow-Zustand auch außerhalb der Krisensituation erreichen und so nutzen, dass es zu einem normalen Organisationszustand wird? Alle diese Fragen treffen die aktuellen Debatten über die Möglichkeiten des agilen Arbeitens und dem daraus resultierenden Wunsch für alle Beteiligten einen erfüllenden Flow-Zustand zu erreichen. Und weil dies in der Praxis durchaus vorkommt oder als organisatorischer Rahmen angestrebt wird, stellt sich die folgende Frage: Inwieweit können agile und klassische Arbeitsformen in einer hybriden Struktur sinnvolle Ergebnisse erzielen und zu einem Organisationsmodell werden? Und welche dieser Arbeitsformen führen zu dem erwünschten Flow-Zustand? Basierend auf unserer aktuellen Praxis wollen wir die folgenden drei hybriden Szenarien unterscheiden, weil sie in unterschiedlicher Weise die notwendigen Fähigkeiten ausbilden können, um in agile Arbeitsformen zu münden. Wir bezeichnen die einzelnen Szenarien wie folgt: Szenario 1: Die agile Insel. Szenario 2: Das auf agile Techniken konzentrierte Unternehmen. Szenario 3: Die agile Organisation eines Managements 4.0. Wir wollen zunächst erläutern, was wir unter diesen drei Szenarien verstehen, arbeiten ihre Stärken und Schwächen heraus und gehen dann darauf ein, welche Transformations- und Skalierungsmöglichkeiten wir für jedes Szenario sehen. 2 Hybride Szenarien 2.1 Szenario 1: Die agile Insel Das in der Einleitung beschriebene Krisenszenario sollte man als Glücksfall betrachten. Es entwickelt sich in Krisen oder Leuchtturmprojekten und erlaubt es jedem Beteiligten, die Möglichkeiten von Selbstorganisation in einer konkreten Situation bewusst zu erleben. Denn die Besonderheit der Situation führt dazu, 1. dass die wesentlichen Akteure ihre eigenen Interessen dem gemeinsamen Ziel unterordnen, 2. dass alle für die Krisensituation notwendigen Spezialisten und Kompetenzen zusammengeführt und für diese Sonderaufgabe freigestellt werden sowie 3. dass ein oder mehrere hochrangige Promotoren das Sonderprojekt schützen und die notwendigen Priorisierungen von Maßnahmen unterstützen oder deren Hindernisse beseitigen. Wir beschreiben solche Konstellationen der organisatorischen Zusammenarbeit als hybrid, weil sie Menschen befähigt in einem Modus zu interagieren, wo selbstorganisierende Verfahren und Prozesse „emergent“ auftreten können. Sie sind aber meist durch die Dauer des Sonderprojekts begrenzt. Solan- Abbildung 1: Szenario 1 „Agile Insel“, bezogen auf Projekte und Unternehmen ge die äußeren Rahmenbedingungen und das klassisch geformte organisatorische Umfeld unberührt bleiben, existiert das Szenario als agile Insel. Der interessanteste Punkt des agilen Inselszenarios ist die Tatsache, dass sich hier selbstorganisierte Prozesse aus der Situation heraus und „relativ“ ungesteuert entwickeln. Die spezifische kritische Ausgangssituation dient dabei als Katalysator. Für die Ausbildung der Selbstorganisation als einer Reaktion auf die kritische, organisatorische Aufgabe ist das Zusammenwirken der drei Faktoren Mindset, Governance und Techniken entscheidend. - Näheres zur Kombination von Mindset (1000) x Governance (100) x Techniken (1) und der in den Klammern angezeigten Gewichtung ist im Buch Management 4.0 [2] nachzulesen: • Dabei wird mit dem Ziel und der Vision für alle Beteiligten das Big Picture der Aufgabe entworfen. Im Kern bildet sich das Mindset aus, in diesem Fall: Krise lösen (oder um im Verständnis eines Feuerwehreinsatzes zu sprechen, hieße das „Feuer löschen! “) und es prägt sich die Selbstorganisation über die Laufzeit der Aufgabe aus. • Abgestimmt auf die Aufgabensituation definieren sich die Leitplanken für die Lösung im Eingangsszenario, das heißt die Governance (alles was die Krisenlösung voranbringt ist erlaubt.) Persönliche Interessen werden untergeordnet und • es werden Maßnahmen eingeleitet, deren Erfolg sofort bewertet werden kann. Das heißt, man nutzt Techniken zur Lösung der Situation (oder um im Beispiel des Feuerwehreinsatzes zu bleiben - das Löschen des Krisenherdes). Unter diesen Bedingungen erleben wir erfolgreiche hybride Projektlösungen, die wichtige Arbeiten als gekapselte Insel für einen gewissen Zeitraum liefern können. 2.2 Szenario 2: Das auf agile Techniken konzentrierte Unternehmen Die zuvor betrachteten agilen Inseln bilden sich im Unternehmen häufig fallspezifisch in einer konkreten Situation aus. Demgegenüber ist der Ausgangspunkt für das Szenario 2 die Wahrnehmung der Unternehmensführung, das eigene Unternehmen sollte auf die sich schnell verändernden Marktbedingungen angemessener (flexibler und schneller) 05_Schaffitzel.indd 26 28.04.2020 14: 34: 08 Wissen | Vergleich von hybridem Management 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 Einführung der agilen Techniken, Methoden und Artefakte garantieren keine Transformation zu mehr Business Agilität und Selbstorganisation im Unternehmen. Ähnlich wie ein schlechter manueller Prozess durch Einsatz von IT nicht unbedingt zu riesigem Produktivitätszuwachs führt, können einzelne mit agilen Techniken verbesserte Teamergebnisse (lokale Optimierungen der Teamproduktivität) nicht unbedingt das Gesamtergebnis erhöhen (globale Optimierung in Richtung Geschäftserfolg). Aus unserer Perspektive wird bei diesem Ansatz unterstellt, die bloße Nutzung von Praktiken des agilen Arbeitens führt zu einem fundamentalen Wandel von Einstellungen und Haltungen der Mitarbeiter. Wenn sich aber nur die Kontexte verändern, werden die Mitarbeiter schnell ihr Verhalten an die neuen Gegebenheiten anpassen. Da in komplexen Systemen die Wirkungen von Maßnahmen keineswegs zu einem kausalen Effekt führen, ist es völlig ergebnisoffen, ob sich hier wirklich das angestrebte Ergebnis einstellt. Somit wird es den Akteuren selbst überlassen, die notwendige Arbeit an den Werten und an den Veränderungen ihrer eigenen intrinsischen Motive auszugestalten. Aus diesem Grund benennen wir das vorgestellte Szenario 2 als hybride Form „eines auf agile Techniken konzentrierten Unternehmens“. Für uns stellt es eine Art von hybridem Modell dar, weil es zwar agile Techniken in die Unternehmen einführt, dabei aber die notwendige Veränderungsarbeit an den Rahmenbedingungen und am erforderlichen agilen Mindset für eine agile Anpassung nur bedingt einlösen kann oder im schlimmsten Fall gar aus den Augen verliert. Trotzdem ist das Szenario 2 zurzeit im Markt der gängige Ansatz einer agilen Anpassung von Unternehmen. Wir nennen es auch das hybride Marktmodell. Es ist vornehmlich gemeint, wenn man von hybriden Management Ansätzen spricht [4, S. V]. 2.3 Szenario 3: Die agile Organisation von Management 4.0 Auch in diesem Szenario ist die Ausgangslage eine Grundsatzentscheidung im Top-Management. Im Mittelpunkt dieses Szenarios werden hier ebenfalls Umgestaltungsprozesse angestoßen und neue strategische Leitlinien mit neuen Werten und Rahmenbedingungen von der Unternehmensführung definiert. Wichtig für das Unternehmen ist es dabei, sich für eine Zielrichtung festzulegen. Es gilt ein neues Big Picture zu entwerfen sowie dieses mit smarten Zielen zu unterlegen (Ordnungsparameter). Ebenso muss es sich überlegen, wie es diese Ziele auf dem Weg dorthin steuern kann (Kontrollparameter) und wie die Leitplanken für das Arbeiten in der neuen Organisation in diesem Fall aussehen müssen (Rahmenparameter). Diese drei Parametertypen regulieren die Selbstorganisation gem. Oswald et al. [2, S. 55 ff.]. Die Selbstorganisation selbst ist ein universelles Phänomen, welches dazu dienen soll, die Komplexität zu beherrschen und emergentes systemisches Verhalten zu erzeugen. Der Unterschied zu Szenario 2 liegt darin, dass hier der Fokus auf dem Agilen Mindset und der dafür notwendige Governance liegt. Es soll sich ein Agiles Mindset und eine Agile Governance in allen Bereichen etablieren und die Wahl der Techniken tritt in den Hintergrund. Die Wahl der Techniken wird dann situativ aus dem Kanon aller Techniken, klassische wie agile, herangezogen. Die Methodenunabhängigkeit definiert das Hybride eines solchen Szenarios. Also genau im Abbildung 2: Szenario 2 „Das auf agile Techniken konzentrierte Unternehmen-- Das hybride Marktmodell“ reagieren. Dabei dienen als Orientierung für die Veränderung häufig andere sehr erfolgreiche Unternehmen im Markt. So blickt man auf wendige, innovative und mit ganz anderem Managementmethoden ausgestattete Start-Up Unternehmen oder andere erfolgreiche marktbeherrschende Unternehmen wie zum Beispiel die Internetgrößen Google, Amazon und Facebook. Man erkennt bei der Betrachtung der Vorgehensweisen dieser Unternehmen, wie anders sie ihre Wertschöpfung (Marktmodell, Vision, Zusammenarbeit, Fehlerbehandlung, Kultur etc.) gestaltet haben. Und man ist überzeugt, mit einer entsprechenden flexiblen und agilen Anpassung der eigenen Unternehmensorganisation antworten zu können. Im Mittelpunkt der angestrebten Veränderung stehen in den Unternehmen dann die Fragen: a. Was machen diese Unternehmen anders und- b. wie machen sie es anders? - Die Unternehmen starten daraufhin zunächst einen Umgestaltungsprozess, für den die Unternehmensführung neue strategische Leitlinien definiert. Es werden neue Werte für das Unternehmen abgeleitet und neue Rahmenbedingungen geschaffen. So will man die Innovationskraft fördern und richtet dafür zum Beispiel spezifische Innovationslabore in den Unternehmen ein. Den größten Effekt für eine agile Veränderung sieht man hingegen berechtigterweise in der Transformation der bisherigen Linienorganisation. Dabei soll mit dem Aufbau von agilen Teamstrukturen in der bisherigen Organisation eine höhere Business Agilität erreicht werden. Unterstellt wird dabei, dass die Einführung agiler Teams und agiler Techniken automatisch die angestrebte Business Agilität sicherstellt. Doch hier erliegt man einem logischen Irrtum oder wie es Klaus Leopold ausdrückt: man betreibt „die Flucht in einfache Ableitungen“ [3, S. 34]. Denn plötzlich stehen in diesen Unternehmen methodische Fragestellungen und die richtige Anwendung der empfohlenen agilen Techniken im Vordergrund. Aus dem Fokus gerät aber die Frage, aus welchem Business-Interesse das Ganze angestoßen wurde und was damit erreicht werden sollte. Konzentrieren sich die Unternehmen zu sehr auf die agilen Techniken werden Mittel und Zweck der agilen Anstrengungen verwechselt. Die 05_Schaffitzel.indd 27 28.04.2020 14: 34: 10 Wissen | Vergleich von hybridem Management 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 Gegensatz zu den bisherigen als hybrid bezeichneten Anwendungen liegt der Fokus eben nicht allein auf den Techniken und Methoden, sondern auf dem Mindset und der Governance. Mit Hilfe einer Führungsintervention, die eine strategischen Vision zum Inhalt hat, wird die Organisation befähigt aus sich heraus (emergent) diese Vision auszubilden. Mit Hilfe permanenter Überprüfung und durch geeignete Schlüsselparameter zur Ausrichtung der Akteure wird der Erfolg der Intervention überprüft und abgestützt. Wichtig für die Wirkung der Führung ist es zu erkennen, dass es sich um ein emergentes Phänomen handelt, also die Einflussnahme der Führung auf das System begrenzt ist. Daher ist es ihre Aufgabe die Vision so zu bestimmen, dass sich die Akteure mittels geeigneter Rahmenbedingungen und Leitplanken daran ausrichten können. Dies geschieht anhand eines permanenten Rückkopplungsprozesses. Das Unternehmen organisiert sich dafür in Zyklen. Dabei werden sowohl die Kernprozesse, die ganzheitliche Wertschöpfung als auch das Reporting agil in zyklischen Abläufen gestaltet. Auf jeder organisationalen Ebene gibt es abgestimmte Backlogs für die gesamte Wertschöpfungskette, welche das Prinzip des PDCA-Zyklus (Plan-Do- Check-Act) untermauern, wodurch eine permanente Evaluation der Ergebnisse stattfindet. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden permanente Anpassungen und Verbesserungen geplant und organisationales Lernen vorangetrieben. Gestützt auf die Implementierung eines Agilen Mindsets und einer Governance, die Selbstorganisation ermöglicht, ist das Unternehmen in der Lage, kontinuierlich Umfang und Prioritäten seiner zu realisierenden Vorhaben zu bewerten und eventuell umzuplanen. Dabei werden sowohl klassische als auch agile Techniken genutzt, je nachdem, welche Art von Technik in der jeweiligen Situation geeigneter ist. Es besteht folglich kein Zwang zur verpflichtenden Nutzung einiger weniger speziellen Methoden und Techniken. Der praktische Nutzen und ihr Erfolg ist die primäre Leitlinie. Die Teams können ihre agilen Werte und Haltungen für sich definieren oder anpassen und für sich eine evolutionäre organisationale Identität entwickeln, die sich aus dem internen Verständnis des Unternehmens und seiner Mitarbeiter herauskristallisiert. Eine organisationale Transformation ist sehr umfassend und kann dazu führen, dass Mitarbeiter auf diesem Weg nicht mitgenommen werden können. Daher kann es zu erheblichen Veränderungen in der Belegschaft kommen und eine entsprechende organisatorische Unruhe herrschen, die das Management und seine Stake- und Shareholder wiederum in ihren Handlungen berücksichtigen müssen. Diese Form der Implementierung eines ganzheitlichen agilen Organisationsverständnisses im Rahmen von Management 4.0 bewerten wir als hybriden Ansatz, weil er auf der Ebene der Methoden und Techniken gestaltungsoffen ist. Erst mit dem Ausbilden von selbstorganisatorischen Denkweisen und Handlungen und dem Sicherstellen der dafür notwendigen Governance halten wir zielorientierte Ergebnisse sowohl auf organisationspsychologischer Ebene (Identität, Motivation, Kommunikation) als auch auf wertschöpfungsorientierter Sicht für erreichbar. Der Weg dorthin - die Transformation - ist nicht einfach und kann recht viel Zeit kosten und eventuell auch externe Unterstützung durch agile Coaches erforderlich machen. Abbildung 3: Szenario 3 „Die agile Organisation von Management 4.0“ Zwischenfazit Im vorherigen Kapitel haben wir drei verschiedene Szenarien von hybriden Organisationsansätzen vorgestellt. Wir haben dabei alle drei Szenarien voneinander abgegrenzt. Die Unterschiede der drei Szenarien fassen wir wie folgt zusammenfassen: 1. Das Szenario 1, die agile Insel, ist hybrid, weil einzelne Teile im Unternehmen einerseits klassisch und andererseits agil unterwegs sind. Um einen Begriff aus der IT zu übernehmen, ein solches Unternehmen ist dann „bimodal“ aufgestellt. 2. Das Szenario 2, ein auf agile Techniken fokussiertes Unternehmen, ist hybrid, weil neue agile Techniken das alte Methodenset von Management und Führung ersetzen sollen. Der Wechsel der Techniken in einer Organisation bei gleichzeitigem Verharren des Führungs- und Managementverständnisses bei einem klassischem Mindset charakterisiert das Hybride dieses Vorgehens. 3. Das Szenario 3, eines über Management 4.0 geführtes Unternehmen, betrachten wir als hybrid, weil die Wahl der Techniken, agil oder klassisch, unerheblich für den Wandel ist. Das Führungs- und Managementverständnis basiert aber auf der Entwicklung eines Agilen Mindsets, das die Mitarbeiter zu selbstorganisiertem Handeln befähigen soll. Für uns lassen sich daraus die folgenden zwei Fragen ableiten: 1. Inwieweit kann das jeweilige Szenario eine Sackgasse darstellen oder 2. kann man auf der Grundlage des jeweiligen Szenarios eine Organisation vollständig in Richtung von Selbstorganisation weiterentwickeln? Diesen Fragen wollen wir uns in Kapitel 3 widmen und aufzeigen, wie eine Skalierung und Transformation zu einer Agilen Organisation für diese hybriden Szenarien gelingen kann. 3 Skalierung und Transformation Wurden in dem vorstehenden Kapitel die aus unserer Sicht abgrenzbaren, hybriden Szenarien beschrieben, so wollen wir im folgenden Kapitel der Frage nachgehen, inwieweit aus 05_Schaffitzel.indd 28 28.04.2020 14: 34: 12 Wissen | Vergleich von hybridem Management 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 diesen Szenarien Organisationen entstehen können, deren organisationale DNA und Führung auf dem Leitbild der organisationalen Selbstorganisation beruht. In diesem Kapitel gehen wir deshalb darauf ein, welche Skalierungs- und Transformationsmöglichkeiten wir für das jeweilige Szenario sehen. 3.1 Szenario 1: Die agile Insel als Brücke zur agilen Organisation Die Ausbildung von agilen Inseln in Unternehmen muss als große Chance begriffen werden. Denn mit Hilfe von solchen Inseln machen viele Mitarbeiter konkrete Erfahrungen zu den Möglichkeiten von emergenten Prozessen auf der Basis von Selbstorganisation. Dies hat den Vorteil, dass diese positive Resonanz jeden einzelnen zu einem Botschafter des neuen Agilen Mindset werden lässt. Aus dieser Perspektive ist es daher ratsam, das Wissen und die Erfahrungen der agilen Inseln zu dokumentieren und für die Gesamtorganisation aufzubereiten. Aus der Vernetzung der einzelnen Inseln und dem Bau von Brücken zu den jeweiligen Inseln, kann sich der transformatorische Prozess entwickeln, der es ermöglicht, das gesamte Unternehmen zu erfassen. Entscheidend ist es dabei, die Erfahrungen aus den agilen Inseln und die dort gewonnenen Erkenntnisse auf ihre Übertragbarkeit in die Gesamtorganisation zu verifizieren. Dazu braucht es eine Führung, die es ermöglicht auf der Basis der einzelnen Inseln den Rahmen für ein abgestimmtes organisationales Mindset, inklusive der für die Gesamtorganisation verbindenden Vision, zu etablieren. Die Transformation wird gelingen, wenn die agilen Inseln behutsam ausgewählt und die richtigen Personen mit entsprechender Vernetzung innerhalb der Organisation wirksam werden können. Über die Sicherstellung des maßgeblichen Ordnungsparameters im Gesamtunternehmen, der für die Skalierung und Transformation auf der Basis der agilen Inseln die Richtung angibt, kann der relevante Umwandlungsprozess über die effektive Vernetzung für die gesamte Organisation gelingen. 3.2 Szenario 2: Das auf Techniken konzentrierte Unternehmen als Basis zum Aufbau der agilen Organisation Wie im zweiten Kapitel bereits ausgeführt, bildet das hybride Szenario 2, das auf der Einführung von agilen Techniken beruht, das am weitesten verbreitete Modell für eine Transformation von Unternehmen in Richtung Agilität. Die dabei zugrunde liegende Annahme unterstellt, dass sich der Wandel auf die Erweiterung des bisherigen Werkzeugkoffers um agile Methoden und Techniken beschränken kann. Die Transformation und Skalierung der Techniken über alle Einheiten der Organisation garantiert dabei einen homogenen Wandel der Organisation zur Agilität. Die Gefahr, welche in diesem Szenario liegt, ist das Verharren der Organisation an einer nur oberflächlich ausgestalteten Veränderung. Für die Mitarbeiter erschließt sich bei einem solchen Vorgehen nicht automatisch der tiefere Sinn der methodischen Neuerungen. Sobald die Techniken aus arbeitstechnischer Sicht eingeführt und verstanden sind, werden sie uniform angewendet und die Akteure stimmen ihr Verhalten darauf ab. So bleibt der wesentliche Sinn und Zweck der Veränderung im Unklaren und die Frage „warum die Techniken nun eingesetzt werden“ unbeantwortet. Damit fördert es keine tiefergehende Veränderung für die meisten Beteiligten. Oftmals führt es sogar zu einer spürbaren Verunsicherung der Betroffenen, wenn sie im Zuge der Veränderung mit Aufgaben konfrontiert werden, die vorher nicht Bestandteil ihres Arbeitsumfeldes waren. Die Skalierung und Transformation einer auf Techniken konzentrierten agilen Umgestaltung bedarf daher einer professionellen Führung und der Begleitung des Wandels, um die Frage nach Sinn, Zweck und Strategie des Methodeneinsatzes für die Betroffenen zielführend zu beantworten. Damit hängt der Erfolg von Szenario 2 stark davon ab, wie es dem Unternehmen gelingt, seinen von der technischen Abbildung 4: Skalierung und Transformation in Szenario 1 über eine Vernetzung der agilen Inseln 05_Schaffitzel.indd 29 28.04.2020 14: 34: 13 Wissen | Vergleich von hybridem Management 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 Basis getriebenen Ansatz der Agilisierung in eine gesamtunternehmerische Perspektive mit Herausbildung des entsprechenden Agilen Mindsets und der notwendigen Governance zu vereinigen. 3.3 Szenario 3: Die agile Transformation im Management 4.0 Grundsätzlich sehen wir das Szenario 3 schon als eine Form von Zielszenario für eine Agile Organisation an. Das heißt das Szenario 3 zu erreichen, bedarf bereits einer umfangreichen Transformation. Entscheidend dabei ist, dass die Führung auf Selbstorganisation setzt und agil wird. Für ein zukunftsgerichtetes Management 4.0 ist das Wichtigste für die Transformation das Agile Mindset. Und das startet auf der Managementebene und kann von dort aus weiterentwickelt werden. Denn die Managementebene mit dem passenden Agilen Mindset stellt die Weichen für die Governance, die notwendig ist, um das Unternehmen weiter zur Selbstorganisation zu transformieren. Es ist danach eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Erreichten notwendig. Die gesamte Organisation muss dabei nicht zu 100 % agil sein. Es kann hier Organisationsbereiche geben, die eher traditionell aufgestellt sind, während andere wiederum sehr agil organisiert sind. Dies wird im Rahmen der Führungsgrundsätze jedoch akzeptiert. Es ist aber ein umfangreicher und schwieriger Prozess, Szenario 3 zu erreichen. Das Charakteristische in diesem Prozess ist, dass der Ausgangspunkt, die Zukunft und der Weg in die Zukunft im unterschiedlichen Maße unscharf sind. Eine Transformation ist also ein emergenter Prozess und bedarf einer sehr anspruchsvollen Leadership. Im Sinne von Management 4.0 verstehen wir unter Agiler Transformation 4.0, dass ein Individuum, eine Organisation oder eine Gesellschaft ihre Meta-Kompetenzen erweitert bzw. verbessert, um mit der immer größer werdenden Komplexität umzugehen, also agiler zu werden. Dabei ist der Startpunkt ein wenig unscharf und auch der Endpunkt. Der zuerst anvisierte Endpunkt ist auch oft nur vorläufig und letztendlich dann wieder neuer Startpunkt für einen weiteren Transformationsprozess. Auch der Weg vom Startzum Endpunkt ist unscharf und wird i.d.R. von erfahrenen Führungskräften und Coaches begleitet. Abbildung 5: Skalierung und Transformation in Szenario 2 über den homogenen Einsatz von agilen Techniken in einem Gesamtunternehmen Abbildung 6: Skalierung und Transformation in Szenario 3 05_Schaffitzel.indd 30 28.04.2020 14: 34: 14 Wissen | Vergleich von hybridem Management 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 Für den Transformationsprozess kann das Transformationsmodell von Oswald et al. [5] genutzt werden. Zentrale Idee davon ist ein „Plan - Do - Check/ Inspect - Act/ Adapt - Kreislauf“, bei dem folgende vier Schritte durchlaufen werden: 1. Um Druckpunkte ausfindig machen zu können wird ein Transformationsteam aus aufgeschlossenen Personen gegründet, die die Fähigkeit zur Selbstreflexion besitzen und damit beginnen ihre Meta-Kompetenzen zu entwickeln. Ziel ist es ein gemeinsames neues Mindset zu schaffen, unter Berücksichtigung der vorhandenen und auch verschiedenen Mindsets im Unternehmen und dem daraus entstehendem Konfliktpotential. 2. Im nächsten Schritt geht es darum die Selbstorganisationsparameter (Ordnungs-, Kontroll- und Rahmenparameter) zu erarbeiten, die für die avisierte Transformationsaufgabe dienlich sind. Anschließend wird diese Transformationshypothese getestet, geprüft und ggfs. angepasst. 3. Dritter Schritt ist die Erarbeitung eines Interventionskonzepts für die Organisation, für die die Transformationshypothese angewendet werden soll. Dieses wird wiederum getestet, geprüft und ggfs. überarbeitet. 4. Als letzter Schritt wird eine lernende Organisation mittels eines Rolloutkonzepts für das Interventionskonzept eingeführt. Auch dieses wird wieder getestet, geprüft und ggfs. überarbeitet [4, S. 240 ff.]. Das heißt bei diesem Vorgehen findet die Transformation über eine Skalierung der Selbstorganisation statt. Hierzu wird die Skalierung über das Einstellen einer Hierarchie der Systemparameter der Selbstorganisation vorgenommen. Die erfolgt iterativ über validierte Interventionen. Beginnend im Transformationsteam werden diese gemeinsam erarbeitet und ein neuer „Sinn“, neue Formen der Zusammenarbeit (New Work) sowie dazu notwendige räumliche und zeitliche Rahmenbedingungen geschaffen und nach und nach als neue Leitbilder über die gesamte Organisation skaliert. Dieser Ablauf ist in Abbildung 6 dargestellt. 4 Fazit In diesem Beitrag wurden drei Szenarien dargestellt, wie Unternehmen mit dem Thema Agilisierung ihrer Organisationsstruktur umgehen können. Alle drei Szenarien beschreiben verschiedene Ansätze der Agilisierung und benötigen verschiedene Transformationsprozesse, damit die Organisation in einen agilen Zustand münden kann. Alle vorgestellten Szenarien sind Anstrengungen der Unternehmen den neuartigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Sie treten in der Praxis auf, weil sie mögliche Handlungsmodelle innerhalb spezifischer Rahmenbedingungen verkörpern. Wir fassen die wesentlichen Ergebnisse zum Schluss in folgender Tabelle zusammen: Hybrides Szenario Transformationsansatz Skalierung Bewertung möglicher Organisationsveränderung Agile Insel Bildung einzelner agiler abgeschotteter Einheiten unter Obhut von Promotoren Vernetzung über Brücken zwischen den Inseln Kann gelingen, wenn kritische Masse - und zwar mindestens 25% der relevanten Organisation - an agilen Inseln vorliegen Das auf agile Techniken konzentrierte Unternehmen Propagierung spezifischer agiler Techniken als Grundlage im gesamten Unternehmen Homogenisierung von Verhalten aller Akteure durch die Wahl der Techniken Kann gelingen, wenn die Einführung der agilen Techniken durch eine Transformation von Mindset und Gover nance begleitet wird Die agile Organisation eines Managements 4.0 Schaffung eines agilen organisationalen Mindsets und Etablierung von Selbstorganisation Skalierung über Wahl geeigneter Ordnungs-, Kontroll- und Rahmenparameter für die Gesamtorganisation und Förderung von Leitbildern zur Selbstorganisation sowie Erfahrungen von Emergenz (Flow) Kann gelingen, wenn Parameter richtig erarbeitet und im PDCA-Zyklus permanent ausgerichtet werden; Interventionen werden entsprechend vorgenommen und achten dabei auf positive Resonanz in der Organisation In allen drei Szenarien kann es zum Ausbilden des Eingangs erwähnten Flow-Zustands kommen. Während es in Szenario 1 und 2 aber auf einzelne Teams und Teamphasen beschränkt ist, soll mit dem Szenario 3 ein Flow-Zustand für die gesamte Organisation erreicht werden. Als abschließende Bewertung kann festgestellt werden, dass grundsätzlich eine Transformation für jedes Szenario möglich ist. Aber jedes dieser Szenarien wird - wie dargestellt - mit verschiedenen, spezifischen Schwierigkeiten und Herausforderungen verbunden sein. Von daher sollte im Einzelfall genau geprüft werden, wo man gerade im Veränderungsprozess steht und in welche Richtung die Anpassung sinnvollerweise vorzunehmen ist. Referenzen [1] http: / / www.lerntechniken.info/ der-flow-zustand/ (Stand: 24.03.2020) [2] Oswald A, Müller (Hrsg.) (2019) Management 4.0 - Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag, Norderstedt. [3] Leopold, K. (2018). Agilität neu denken: Warum agile Teams nichts mit Business Agilität zu tun haben . Wien: LEANability. [4] Kuster J, Bachmann Ch. et.al (2019), Handbuch Projektmanagement Agil - Klassisch - Hybrid, 4. Auflage, Springer-Gabler doi 10.1007/ 978-3-662-57878-0. 05_Schaffitzel.indd 31 28.04.2020 14: 34: 14 Wissen | Vergleich von hybridem Management 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0024 BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen Kostenloses Info-Webinar 25.05.2020 business-school@tiba.de www.master.jetzt Norbert Schaffitzel Dipl.-Volkswirt und Dipl.-Kfm, Studium von Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Freiburg und Berlin, über 30 Jahre Tätigkeit in der IT-Branche - zuerst als Entwickler und seit 1996 als Projektmanager bei der DB Systel GmbH, seit 2007 zertifiziert nach GPM-Standard, seit 2015 Mitarbeit in der GPM-Fachgruppe Agiles Management. DB Systel GmbH Jürgen-Ponto-Platz 1 60329 Frankfurt am Main +49 69 265 18340 norbert.schaffitzel@deutschebahn.com Agnetha Flore Dipl.-Kff.; BWL-Studium Hagen, über 20 Jahre Tätigkeit Finanzdienstleistungsbranche; 2017 Zertifizierte Projektmanagerin (GPM), 2019 Zusatzzertifikat Hybrid+; 2018 WIMI und Projektleiterin OFFIS; 2018 Doktorandin Universität Oldenburg, 2019 Dozentin IBS Oldenburg für agiles Projektmanagement, 2019 GPM Fachgruppe Agiles Management. OFFIS - Institut für Informatik Escherweg 2 26121 Oldenburg 0441/ 9722 - 102 agnetha.flore@offis.de [5] Oswald, A., Köhler, J. and Schmitt, R. (2017) Projektmanagement am Rande des Chaos , Projektmanagement am Rande des Chaos . Springer Vieweg. doi: 10.1007/ 978-3-662-55756-3. Eingangsabbildung: ©iStock.com/ wildpixel Anzeige BERUFSBEGLEITEND ZUM MASTER OF ARTS (M.A.) PROJEKTMANAGEMENT • Studium in nur 21 Monaten • International anerkannter Abschluss • Zulassung u.U. ohne Erststudium • Sonderkonditionen für Zertifizierungen • Kleine Gruppen Kostenloses Info-Webinar 25.05.2020 business-school@tiba.de www.master.jetzt 05_Schaffitzel.indd 32 28.04.2020 14: 34: 15 Agil und lean in Bauprojekten Katharina Lennartz, Rainard Osebold Für eilige Leser | Das agile Mindset geht davon aus, dass Projekte in einem volatilen Umfeld zu Beginn nicht vollkommen gedanklich durchdrungen und vorhergesagt werden können. Die traditionelle, plangetriebene Vorgehensweise zum Managen von Projekten wird daher aus dieser Perspektive als wenig erfolgsversprechend eingestuft. Auch in Bauprojekten kommt es bei der Einhaltung von Qualitäts-, Kosten- und Terminzielen häufig zu Problemen. Die Adaption agiler Methoden aus der IT-Welt könnte - wie es die erfolgreiche Einführung des Lean Construction in der Bauausführungsphase gezeigt hat - vorrangig in der Planungsphase von Bauprojekten einen Mehrwert für Bauherren und Planungsteams stiften. Schlagwörter | Agile Methoden, Bauprojekte, Design Thinking, Kanban, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, Lean Construction, Projektmanagement, Scrum In einem zunehmend dynamischen und volatilen Umfeld ist auch die Baubranche ständigen Veränderungsprozessen ausgesetzt. Klassische Methoden des Projektmanagements basierend auf dem linearen Wasserfallmodell stoßen hier immer deutlicher an ihre Grenzen, was sich bspw. durch fehlerhafte Planungen, Termin- und Kostenüberschreitungen äußert. Die Kultur und Denkmuster in Bauprojekten sind oft von Misstrauen, Konflikten und streitigen Auseinandersetzungen geprägt. Insbesondere im Kontext des steigenden Fachkräftemangels und Kräfteverschleißes wird der Wunsch nach harmonischen und partnerschaftlichen Geschäftsbeziehungen sowie attraktiven Arbeitsumgebungen in der Baubranche immer lauter. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Anwendung agiler Methoden in einem grundsätzlich durch Kreativität und das Denken in Varianten geprägten Prozess der Bauplanung Antworten auf die beschriebenen Probleme liefern könnte. 1 Agiles Manifest und Grundprinzipien Der Begriff der Agilität ist nicht eindeutig definiert. Als Synonyme werden Begriffe wie Gewandtheit, Vitalität und Wendigkeit angegeben. [1] Allen Definitionen gemein ist die Tatsache, dass es sich um eine Management-Fähigkeit in einem dynami- Wissen Agil und lean in Bauprojekten DOI 10.2357/ PM-2020-0025 31. Jahrgang · 02/ 2020 Abbildung 1: Agiles Manifest [2] 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0025 06_Lennartz.indd 33 28.04.2020 14: 35: 01 schen Umfeld handelt. In der IT-Branche kommen agile Methoden bereits seit einigen Jahren zur Anwendung. Im Jahr-2001 vereinbarten sich Fachleute der IT-Welt auf das sogenannte Agile Manifest, in dem die Grundwerte für ein agiles Projektmanagement niedergeschrieben wurden (siehe Abb. 1). Das Agile Manifest rückt den Menschen in den Fokus der Betrachtungen-- hiermit sind nicht nur Kunden gemeint, mit denen eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit angestrebt werden soll, sondern auch Dienstleistende, die im Rahmen des Projekts einen Mehrwert für ihre Kunden zu generieren versuchen, sowie andere Stakeholder. Die Auslieferung funktionierender Software sowie die Möglichkeit, auf Änderungen während des Projektverlaufs eingehen zu können, werden als weitere Maximen über den Stellenwert einer Dokumentation bzw. das Festhalten eines zu Projektbeginn fixierten Lasten- und Pflichtenhefts konstituiert. [2] Gemäß Verheyen werden daher folgende Attribute als für agile Methoden kennzeichnend beschrieben [3]: • der Mensch im Fokus • dienendes Führen • iterativ-inkrementeller Prozess • messbarer Erfolg • Veränderung 1.1 Der Mensch im Fokus Bei agilen Methoden steht grundsätzlich die kontinuierliche Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Fachdisziplinen, Abteilungen, Herkunft und Prägungen im Fokus. Das vom Gesamtprozess losgelöste Abarbeiten einzelner Aufgabenpakete jeder Abteilung oder Fachdisziplin soll durch eine enge Verzahnung sowie regelmäßige, ritualisierte und professionalisierte Kommunikation zugunsten echter Zusammenarbeit verhindert werden. Das Arbeitspensum der Mitarbeiter soll dabei auf einem Level gehalten werden, das durch diese langfristig leistbar ist, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Dieser Grundsatz wird als Idee der vertretbaren Arbeitsgeschwindigkeit (engl. „sustainable pace“) beschrieben. [3] 1.2 Dienendes Führen Nachdem die Standish Group im Rahmen einer Langzeitstudie über das Projektmanagement in IT-Projekten wiederholt Defizite sowie niedrige Erfolgsraten von nur 10-20- % nachgewiesen hatte und diese als Folge der Verankerung des tayloristischen Menschenbildes aus dem industriellen Zeitalter identifiziert wurden, entwickelte sich in den 1990er Jahren eine neue Weltanschauung basierend auf einem deutlich abweichenden Menschenbild. Dieses Menschenbild geht von intrinsisch motivierten Arbeitnehmern aus, die ihre Fähigkeiten und Kreativität verantwortlich einbringen und dafür Wertschätzung erfahren möchten. In agilen Teams wird auf Grundlage dieses Menschenbildes bewusst auf Befehls- und Kontrollmechanismen durch Vorgesetzte verzichtet. Die managementseitige Führung solcher Teams versteht sich daher als dienende Führung (engl. „servant leadership“), die lediglich einen geeigneten Rahmen für die Selbstorganisation des Teams vorgibt. [3] 1.3 Iterativ-inkrementeller Prozess Agile Prozesse sind durch Iterationen in Form von regelmäßigen Feedback-Schleifen geprägt. Im Rahmen dieser Feedback-Zyklen werden Teile der Gesamtleistung als sogenannte Abbildung 2: Projektverlauf bei Anwendung von Scrum [4] Inkremente mit einem klaren Wert für den Kunden erschaffen, einem Review unterzogen, verändert, optimiert, überarbeitet und erweitert. Ständige Qualitätskontrollen erfolgen durch das Team sowie durch regelmäßiges Feedback von Seiten des Kunden. Eklatante Diskrepanzen zwischen den Vorstellungen des Kunden sowie dem tatsächlichen Output sollen auf diese Weise systemisch und kontinuierlich vermieden werden. [4] 1.4 Messbarer Erfolg Erfolg wird in agilen Projekten nicht durch die bloße Übereinstimmung des Outputs mit Plänen, Meilensteinen, Listen und sonstigen Anforderungsdokumenten, die zu Projektbeginn erstellt wurden, gemessen, sondern in der Funktionsfähigkeit und Nützlichkeit des Produkts sowie in dem für den Kunden entstehenden Mehrwert des Projektergebnisses. [3] Dies macht eine regelmäßige Kommunikation und enge Zusammenarbeit mit dem Kunden während des Erstellungsprozesses unverzichtbar. 1.5 Veränderung Eine zunehmend volatile Projektumgebung, die durch nicht vorhersehbare Änderungen wie die Entwicklung von Märkten und Mitbewerbern, die Verschiebungen von Prioritäten, neue Möglichkeiten durch technische Entwicklungen sowie ständig neue Einblicke zur Folge hat, führt dazu, dass ein professioneller Umgang mit Änderungen im Projektverlauf unverzichtbar ist. Agile Prinzipien setzen ein andersartiges Grundverständnis des Begriffs der Veränderung voraus. Während Veränderungen in klassisch organisierten Projekten als störende Unterbrechung empfunden werden, werden sie in agilen Projekten als natürlicher Teil des Prozesses und Innovationsquelle verstanden. [4] 2 Agile Methoden Es gibt eine Vielzahl agiler Managementmethoden, die sich auf die zuvor beschriebenen Grundwerte berufen. Einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement zufolge wird Scrum als bedeutendstes Vorgehensmodell der agilen Welt bewertet. [5] Zu den weiteren bekannten Methoden gehören Kanban und Design Thinking. 2.1 Scrum Scrum ist ein in den 1990er Jahren entwickeltes agiles Managementframework aus der Softwareentwicklung, das mit drei Rollen, fünf Ereignissen und drei Dokum enten wenig verbindliche Regeln vorgibt. Vielmehr stellt es ein Rahmenwerk Wissen | Agil und lean in Bauprojekten 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0025 06_Lennartz.indd 34 28.04.2020 14: 35: 01 dar, das projektspezifisch ausgestaltet werden kann. Die Bezeichnung „Scrum“ stammt aus dem Rugby Sport und kann mit „Gedränge“ übersetzt werden. Es handelt sich dabei um einen relevanten und komplizierten Spielzug, der nur durch präzise abgestimmte Teamarbeit gelingen kann. [6] Der Projektverlauf bei der Anwendung von Scrum (siehe Abb. 2) beginnt damit, sämtliche Anforderungen aus Sicht des Kunden zu sammeln und im sogenannten Product Backlog zusammenzustellen. Dabei handelt es sich um eine priorisierte Anforderungsliste, die das fertige Produkt erfüllen sollte. Diese Anforderungen werden in zeitlich fixierten und aufeinanderfolgenden Zeitfenstern von maximal 30- Tagen, sogenannten Sprints, umgesetzt. Dazu werden die am höchsten priorisierten Anforderungen in das sogenannte Sprint Backlog übernommen, welches die im kommenden Sprint umzusetzenden Deliverables enthält und somit eine Teilmenge des Product Backlog darstellt. Im Rahmen eines Sprints wird ein funktionierendes sowie möglichst in sich geschlossenes Teilprodukt entwickelt und anschließend ein Feedback des Kunden zu dieser Teilleistung eingeholt. Anhand dieses Feedbacks wird das Product Backlog angepasst und das nächste Sprint Backlog erstellt, bevor die nächste Iteration beginnt. Um eine durchgängige Abstimmung im Team zu gewährleisten, stimmt sich dieses täglich im sogenannten Daily Scrum über den aktuellen Arbeitsstand und etwaige Probleme ab. Am Ende des Sprints gibt es neben dem Sprint Review, in dem der Kunde sein Feedback zu den im letzten Sprint erarbeiteten Leistungen gibt, eine Sprint Retrospektive, in der das Scrum Team die Prozesse des vergangenen Sprints reflektiert und selbstverantwortlich über Änderungen in der Vorgehensweise entscheidet. Das Scrum Team besteht neben dem selbstorganisierten Umsetzungsteam aus dem Product Owner, der das Product Backlog verantwortet, und dem Scrum Master, der als „Servant Leader“ den Beteiligten dabei behilflich ist, sämtliche Scrum Regeln zu verstehen und dafür Sorge trägt, dass das Team ungestört arbeiten kann. [7] 2.2 Kanban Kanban ist eine Change-Management-Methode, mit der durch Anderson 2007 einige Grundgedanken des Lean Management in die Branche der Softwareentwicklung transformiert wurden. Die Methode beruht insbesondere auf verbrauchsgesteuerten Prozessen, dem Pull-Prinzip, der Visualisierung von Arbeitsschritten, sogenannten Workflow Steps, sowie den namensgebenden Signalkarten (jap. „kan-ban“). Am Kanban Board werden einzelne Arbeitspakete, visualisiert durch Karten, je nach dem Status ihrer Bearbeitung in Spalten (bspw. mit den Überschriften ‚To Do‘, ‚Work in Progress‘, ‚Done‘) gegliedert. [8] Gemäß dem Grundgedanken von Kanban wird pro Teammitglied ein Work in Progress Limit (WIP-Limit) vereinbart. Dieses soll ineffizientes Arbeiten oder eine Überforderung der Teammitglieder durch zu viele parallel durchgeführte Tätigkeiten verhindern. [4] Da in Kanban nur wenige Regeln verbindlich definiert sind, kommt es in vielen Fällen in Kombination mit weiteren agilen Managementmethoden zum Einsatz. Insgesamt gaben nur 20- % der Teilnehmenden der oben erwähnten Studie „Status Quo Agile“ an, agile Methoden in Reinform anzuwenden. [5] Hybride Systeme, die die Vorteile von Scrum und Kanban zu vereinen suchen, kommen in der Praxis unter dem Begriff ScrumBan zum Einsatz. Dabei werden die oben beschriebenen Rollen, Ereignisse und Dokumente aus dem Scrum Framework mit Grundprinzipien des Kanban, insbesondere einer Visualisierung der Arbeitspakete sowie der Limitierung angefangener Arbeiten, kombiniert. [9] 2.3 Design Thinking Design Thinking ist eine an der Stanford University entwickelte Methode, die zur Ideenfindung und Unterstützung kreativer Herausforderungen in multidisziplinären Teams eingesetzt wird. Grundsätzlich basiert die Methode auf einem mehrstufigen Vorgehen, das sich auf folgenden Kernprinzipien stützt: • Multiperspektivität • Nutzerzentriertheit • Lernend nach vorne gehen In der Literatur wird der Prozess mit einer unterschiedlichen Anzahl an Phasen dargestellt, denen jedoch allen die Nutzerfokussierung, das Testen von Prototypen sowie das Prinzip der Iteration gemein ist. [10] Gemäß Abb. 3 soll zunächst der Blickwinkel des interdisziplinären Projektteams zu einer 360°-Perspektive erweitert und die Planung des Vorhersehbaren aufgenommen werden. Anschließend wird die Formulierung eines Ziels sowie von Interaktionsregeln angestrebt. Darüber hinaus ist die Anfrage des Kunden bzw. die zu lösende Herausforderung eingehend zu durchdringen und zu verstehen, um ein Ansetzen am falschen Problem zu vermeiden. Es gilt weiterhin, den späteren Anwender oder Nutzer eines Produkts bzw. Objekts mit seinen Wünschen und Bedürfnissen durch eine genaue Beobachtung seiner Gewohnheiten zu erfassen. Als besonders relevant wird hierbei erachtet, dass die Beobachtungen tatsächlich am Ort des Geschehens durchgeführt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zusammengetragen und zu einem stimmigen Gesamtbild synthetisiert, bevor die Phase der Ideengenerierung beginnt. Dabei sollte zunächst unreflektiert eine hohe Anzahl an Ideen fixiert werden, bevor diese hinsichtlich ihrer Tauglichkeit, Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit etc. gewertet und sondiert werden. Im Anschluss werden von den vielversprechendsten Ideen Prototypen entwickelt, um diese erlebbar zu machen und dem Nutzer die Gelegenheit zu interaktiven Tests bieten zu können. Das gewonnene Feedback gibt Input für Optimierungen und etwaige Alternativen, bevor letztlich eine Implementierungsstrategie ausgearbeitet wird. Mit diesem ganzheitlichen Vorgehen soll Abbildung 3: Design Thinking Prozess [10] Wissen | Agil und lean in Bauprojekten 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0025 06_Lennartz.indd 35 28.04.2020 14: 35: 01 ein Kreativraum geschaffen werden, der die Lösung komplexer Probleme ermöglicht. [10] 3 Implementierung in Bauprojekte In einem zunehmend dynamischen und volatilen Umfeld sind Bauprojektteams ständigen Veränderungsprozessen und Unsicherheit ausgesetzt. Klassische Methoden des Projektmanagements basierend auf dem linearen Wasserfallmodell stoßen immer deutlicher an ihre Grenzen, was sich bspw. durch fehlerhafte und sich ändernde Planungen, Termin- und Kostenüberschreitungen äußert. Nachfolgend wird untersucht, ob der Status Quo eine Adaption des agilen Mindsets in die Baubranche sinnvoll erscheinen lässt, welche Methoden in welchen Projektphasen entscheidende Mehrwerte generieren könnten und was bei der Implementierung zu beachten ist. 3.2 Status Quo und aktuelle Herausforderungen Nicht nur medienbekannte Projekte wie bspw. der Berliner Flughafen oder die Hamburger Elbphilharmonie sind von erheblichen Termin- und Kostenüberschreitungen betroffen, die zur Unzufriedenheit des Auftraggebers führen. Nach einer Studie der Hertie School of Governance unter der Leitung von Kostka kommt es bei deutschen Hochbauprojekten durchschnittlich zu Kostensteigerungen von 44- %. [11] Die Kultur und Denkmuster in Bauprojekten sind oft von Misstrauen, Konflikten und streitigen Auseinandersetzungen geprägt. Insbesondere im Kontext des steigenden Fachkräftemangels und Kräfteverschleißes wird der Wunsch nach harmonischen und partnerschaftlichen Geschäftsbeziehungen sowie attraktiven Arbeitsumgebungen in der Baubranche immer lauter. Die Softwareentwicklungsbranche sah sich in einer ähnlich unzufriedenstellenden Situation, bevor dort agile Methoden entwickelt wurden. Im Jahr 2017 sahen 73- % der Anwender deutliche Ergebnis- und Effizienzverbesserungen bei der Anwendung agiler Methoden [5], weshalb diese auch in der Baubranche zu einer Optimierung beitragen könnten. 3.2 Adaption von Methoden auf andere Branchen Bei der Übertragung von Methoden auf eine andere Branche ist allerdings zunächst zu hinterfragen, ob die Rahmenbedingungen der beiden Branchen grundsätzlich Ähnlichkeiten aufweisen bzw. in welchen fundamentalen Punkten Unterschiede vorliegen. In einem zweiten Schritt können folgende Fragen bei der Entscheidung über die geeignete Methode helfen [12]: • Wie hoch ist die Komplexität des Projekts? • Wie groß ist das Team für die Realisierung und wie unterschiedlich sind die Interessen der einzelnen Teammitglieder? • Wie schnell und flexibel muss während der Implementierung auf Veränderungen reagiert werden können? • Wie groß können entsprechende Iterationsschritte gewählt werden? • In welcher Phase befindet sich das Projekt? Ist die Entscheidung für eine Vorgehensmethode getroffen, so sind anschließend die Anwendungsvoraussetzungen der Methoden zu eruieren und es ist zu prüfen, ob diese erfüllt werden können. Darüber hinaus ist zu hinterfragen, wie die betrachteten Prozesse der unterschiedlichen Branchen beschaffen sind und wie sie beschaffen sein sollten, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Abbildung 4: Lean vs. agile Prinzipien [3] 3.3 Lean vs. agil - eine Gegenüberstellung So wie die Grundlagen des Lean Management basierend auf dem Toyota Produktionssystem vor einigen Jahrzehnten als Lean Construction Einzug in die Baubranche hielten (siehe hierzu auch den Artikel „Shopfloormanagement in der Bauausführung“ in Ausgabe 5/ 2019), könnte das Agile Management in den kommenden Jahren aus der IT-Branche adaptiert werden. Bei beiden Ansätzen handelt es sich um „Sammlungen von Denkwerkzeugen und ineinander verwobenen Prinzipien, die Menschen ausbilden, motivieren, wertschätzen und ihnen dabei helfen, ihre Arbeit und Arbeitsweise kontinuierlich zu optimieren.“ [3] Abb. 4 zeigt die durchaus vorhandenen Parallelen der beiden Managementprinzipien, die auf der Achtung des Menschen, der Integration des Kunden sowie ganzheitlicher Optimierung und der Vermeidung von Verschwendung durch hohe Qualitätskriterien beruhen. Sanchez und Nagi legen dennoch großen Wert auf die Unterscheidung der beiden Ansätze Lean und Agil, da sie jeweils aus Antworten auf sehr unterschiedliche Problemstellungen erwachsen sind: „Lean manufacturing is a response to competitive pressures with limited resources. Agile manufacturing, on the other hand, is a response to complexity brought about by constant change.” [13] Auch Timinger ist der Meinung, dass Lean Projektmanagement trotz vieler Gemeinsamkeiten nicht mit agilem Projektmanagement gleichzusetzen ist. [9] In der Literatur sind unterschiedliche Ansichten darüber zu finden, in welcher Beziehung die beiden Managementansätze zueinanderstehen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass beim Lean Ansatz die Optimierung des Entstehungsprozesses, im agilen Vorgehen das zu entwickelnde Produkt im Fokus steht. Gemäß Verheyen sind bei der Anwendung beider Ansätze erhebliche Synergieeffekte zu erwarten. [14] 3.4 Differenzierung zwischen Planung und Ausführung Bei der Anwendung agiler und leaner Methoden in Bauprojekten ist explizit zu hinterfragen, welche Prozesse in welchen Phasen des Projekts typischerweise dem Grundsatz der Stabilität bzw. dem der Agilität folgen sollten. Dabei ist aus Sicht der Autoren aufgrund divergierender Charakteristika eine separate Betrachtung von Planungs- und Ausführungsphase vorzunehmen: Während die anfängliche Konzeptions- und Planungsphase in Bauprojekten von Kreativität und dem Denken in Varianten geprägt ist, wird in der Ausführungs- Wissen | Agil und lean in Bauprojekten 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0025 06_Lennartz.indd 36 28.04.2020 14: 35: 01 phase auf die Stabilität der Prozesse und damit verbunden auf eine äußerst belastbare Ressourcenplanung Wert gelegt. In der Ausführungsphase ist in Anlehnung an die Automobilindustrie eine Tendenz zur Vorfertigung, Modularisierung und Standardisierung zu beobachten, um Ausführungszeiten zu reduzieren, Baumängel zu minimieren und Kosten einzusparen. [15] Folglich ist die Anwendung agiler Methoden in der Planungsphase von Bauprojekten als grundsätzlich naheliegender zu betrachten, während in der Ausführungsphase die Anwendung von Methoden aus dem Lean Management sinnvoll erscheint (siehe Abb. 5). Letztere kommen bspw. in Form des Last Planner Systems nach Ballard [16] oder der Taktplanung bereits auf zahlreichen Baustellen zur Anwendung. Da die Ursprünge des Lean Management in der Serienfertigung der Automobilbranche liegen, können insbesondere in Projekten mit einem hohen Wiederholungscharakter wie Hotels, Bürogebäuden oder Krankenhäuser große Potenziale gehoben werden. Die Anwendung agiler Methoden in der Bauplanung ist nach Recherchen der Autoren zum aktuellen Zeitpunkt noch wenig verbreitet, weshalb an dieser Stelle weiterer Forschungsbedarf besteht. Grundsätzlich können prozessuale Parallelen zwischen der Entwicklung eines Gebäudekonzepts sowie einer Software-Lösung konstatiert werden, was die Adaption agiler Methoden sinnvoll erscheinen lässt. Welche der oben vorgestellten agilen Methoden sich zur Anwendung in der Bauplanung besonders eignet oder ob eine Kombination, also ein sogenanntes hybrides Modell, die größten Potenziale birgt, ist umstritten und bislang wenig erforscht. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass sowohl die Beschaffenheit des Projekts als auch die Kompetenzen des Bauherrn und des Planungsteams sowie unternehmensspezifische Besonderheiten wichtige Kriterien bei der Auswahl der geeigneten Methodik darstellen. Je nach Umfang des Projekts und des Planungsteams kann die Anwendung einer geeigneten Skalierungsmethode erforderlich werden. 3.5 Wertevor Methodenebene Sowohl bei der Implementierung von agilem als auch von Lean Management ist der Verinnerlichung der Grundwerte besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Das zugrunde liegende Wertegerüst sowie die Maxime der Kunden- und Qualitätsorientierung sind Grundsteine beider Managementphilosophien und sollten über den gesamten Projektverlauf phasenübergreifend verankert werden (siehe Abb. 5). Dieser mitunter weitreichende und langandauernde Implementierungsprozess ist vorab sorgfältig zu durchdenken und unternehmensspezifisch auszugestalten. Die Erfahrung zeigt, dass die eigentliche Implementierung auf der Methodenebene vergleichsweise unkompliziert ablaufen kann, sofern die Implementierung auf der Werteebene erfolgreich durchgeführt werden konnte. Je nach Anwendungsfall kann dieser Prozess von Organisationsberatern oder Change Management Experten angestoßen und begleitet werden, insbesondere wenn eine Implementierung für das gesamte Unternehmen und nicht nur für einzelne Projekte angestrebt wird. Die Einführung des agilen Mindsets hat bestenfalls nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitsweisen und die Rollen in Projekten, sondern auch auf die Unternehmens- und Fehlerkultur. Dieser Prozess des Wandels sollte unbedingt von den Mitarbeitern mitgetragen und nicht ausschließlich Top-Down implementiert werden. Junge Mitarbeiter können dabei als Treiber solcher Entwicklungen fungieren, da für sie ein harmonisches und selbstbestimmtes Arbeitsumfeld oftmals eine entscheidende Rolle spielt. [17] 4 Fazit und Ausblick In Zeiten besonders volatiler Projektumgebungen scheint es für die Anwendung agiler Methoden auch in der Baubranche Potenzial zu geben, um bestehenden Herausforderungen zu begegnen. Die Studie „Status Quo Agile“ zeigt, dass agile Methoden zwar nach wie vor am häufigsten in der IT-Branche zur Anwendung kommen, jedoch auch in IT-nahen Bereichen sowie bei Themen ohne direkten IT-Bezug bereits erfolgreich eingesetzt werden und höhere Erfolgsquoten im Vergleich zum klassischen Projektmanagement aufweisen. [18] Durch die regelmäßige Auslieferung funktionierender Teilleistungen, geregelte Kommunikations- und Reflexionstermine, einen engen Kontakt zum Kunden sowie häufige Feedback-Schleifen können Änderungen im Projekt als Mehrwert verstanden und als Innovationsquelle genutzt werden. Dabei scheint die An- Abbildung 5: Methodenwahl in Bauprojekten nach Projektphase Wissen | Agil und lean in Bauprojekten 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0025 06_Lennartz.indd 37 28.04.2020 14: 35: 01 wendung agiler Methoden in der Planungsphase von Bauprojekten als besonders mehrwertstiftend, während diverse Methoden des Lean Management bereits als Lean Construction in der Bauausführungsphase zum Einsatz kommen. Zurzeit wird am Lehrstuhl für Baubetrieb und Projektmanagement der RWTH Aachen University auch anhand von empirischen Studien erforscht, welche agilen Methoden sich für eine Adaption in die Baubranche besonders eignen sowie ob und welche branchenspezifischen Anpassungen erforderlich sind. Literaturverzeichnis [1] Dudenredaktion (Hrsg.): Duden Synonymwörterbuch, 2019 [2] Beck, K. et al.: Manifest für Agile Softwareentwicklung, 2001 [3] Verheyen, G.: Scrum-- Ein Wegweiser für den bewussten Entdecker, 2017 [4] Preußig, J.: Agiles Projektmanagement, 2015 [5] Komus, A./ Kuberg, M.: Status Quo Agile, 2017 [6] Pichler, R.: Scrum - Agiles Projektmanagement erfolgreich einsetzen, 2008 [7] Schwaber, K./ Sutherland, J.: Der Scrum Guide, 2017 [8] Wintersteiger, A.: Scrum Schnelleinstieg, 2012 [9] Timinger, H.: Modernes Projektmanagement, 2017 [10] Kerguenne, A./ Schaefer, H./ Taherivand, A.: Design Thinking, 2017 [11] Kostka, G.: Großprojekte in Deutschland - Factsheet 1, 2015 [12] Willkommer, J.: Modernes (Projekt-) Management, 2017 [13] Sanchez, L. M./ Nagi, R.: Agile Manufacturing, 2001 [14] Verheyen, G.: The Blending Philosophies of Lean and Agile, 2011 [15] Knaack, U./ Chung-Klatte, S./ Hasselbach, R.: Systembau-- Prinzipien der Konstruktion, 2012 [16] Ballard, G.: The Last Planner, 1994 [17] Steeger, O.: Ein Funke, der auf die Organisation überspringt. In: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL, Ausgabe 5/ 2017, S. 19-29 Katharina Lennartz Katharina Lennartz arbeitet seit Januar 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl und Institut für Baubetrieb und Projektmanagement der RWTH Aachen University und promoviert dort zum Thema Agilität im Bauprojektmanagement. Von 2007 bis 2013 studierte sie Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen University sowie der NTNU in Trondheim und war anschließend im Projektmanagement eines Generalplanungsunternehmens tätig. Kontakt: lennartz@ibp.rwth-aachen.de Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rainard Osebold Rainard Osebold ist seit 2003 Universitätsprofessor an der Fakultät für Bauingenieurwesen der RWTH Aachen University sowie Leiter des Lehrstuhls und Instituts für Baubetrieb und Projektmanagement. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der RWTH Aachen University und seiner Promotion war er als Bauleiter, Projektleiter, Prokurist und Geschäftsführer in der Bauindustrie tätig. Kontakt: osebold@ibp.rwth-aachen.de Anschrift: Lehrstuhl und Institut für Baubetrieb und Projektmanagement Mies-van-der-Rohe-Straße 1, 52074 Aachen [18] Komus, A./ Kuberg, M.: Anwendung und Zufriedenheit mit agilen Methoden in der Praxis, 2017 Eingangsabbildung: © iStock.com/ Geber86 Anzeige Wissen | Agil und lean in Bauprojekten 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0025 berufsbegleitend, 8 Wochen-Blockmodule Abschluss mit dem Exec. Master of Business Administration - MBA der Universität Salzburg praxisnah & international E x e c u ti v e MBA Projekt- und Prozessmanagement Kontakt & Information: Mag. Stephanie Lichtenberg, MBA +43 (0) 676 / 88 2222 27 stephanie.lichtenberg@smbs.at Professionelle Projektarbeit und reibungslose Unternehmensprozesse sind Schlüsselfaktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg. www.smbs.at the art of management the art of management the art of the art of the art of management management management the art of management Studienbeginn: 19. Oktober 2020 06_Lennartz.indd 38 28.04.2020 14: 35: 02 Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessen Markus Schmidtner, Holger Timinger Für eilige Leser | Der moderne automobile Produktentstehungsprozess (PEP) findet nicht mehr nur beim Erstausrüster statt, sondern ist zum großen Teil über die gesamte Lieferkette fragmentiert. Daraus resultieren viele Teilprojekte in unterschiedlichen Unternehmen. Bisher wird die Zusammenarbeit und Kommunikation durch planbasierte Vorgehensweisen bestimmt, obwohl die Kontextfaktoren einzelner Teilprojekte für agile oder hybride Vorgehensweisen sprechen. Für die Handhabung der Vielfalt an Vorgehensvarianten und die Integration von alternativen Vorgehensmodellen in den PEP wird hier ein adaptives Referenzmodell vorgeschlagen. Auf Basis der Ausprägung von Kontextfaktoren, passt sich das Modell an die Bedürfnisse des jeweiligen Partners in der Lieferkette an. Schlagwörter | Hybrides Projektmanagement, Referenzmodellierung, Automobilindustrie, Technologie, Innovation, Produktentstehungsprozess Der Produktentstehungsprozess (PEP) in der Automobilindustrie dauert mehrere Jahre und ist entscheidend für den späteren Erfolg des Produkts. Für die Umsetzung des PEP bevorzugen Erstausrüster planbasierte Vorgehensmodelle mit sequenziellen Projektphasen. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Wertschöpfung zu immer größeren Teilen auf die Lieferkette ausgelagert wird. Aufgrund dieser neuen Arbeitsteilung sind Kommunikation und Synchronisation zu einem zentralen Bestandteil geworden. Allerdings eignet sich das von den Erstausrüstern geprägte planbasierte Vorgehen nicht für alle Partner. Oft würden sie agile Arbeitsweisen bevorzugen, sind jedoch an die Vorgaben der Erstausrüster gebunden. Modernes Projektmanagement ist gefragt, um diesen Herausforderungen entgegenzutreten. Die Automobilindustrie ist eines der zentralen Standbeine der deutschen Wirtschaft. Jedoch steht gerade diese Branche vor einem gewaltigen Umbruch. In den letzten Jahren ist der Druck, neue und umweltfreundlichere Antriebsformen zu entwickeln, stetig gestiegen. Zudem drängen weitere Mitbewerber wie Google und Tesla auf den Markt und versuchen mit disruptiven Technologien, wie dem autonomen Fahren, etablierte Erstausrüster herauszufordern. Die Integration dieser neuen Technologien stellt die Branche vor Herausforderungen, welche eine neue Herangehensweise an bestehende Prozesse und Konventionen erfordert [1]. Der bisherige Produktentstehungsprozess in der Automobilindustrie erstreckt sich meist über mehrere Jahre und folgt dabei einer stark plangetriebenen Vorgehensweise. Dies erschwert es den beteiligten Firmen, neue Technologien zu nutzen und in die Fahrzeuge zu integrieren. Ein einfaches Beispiel hierfür lässt sich an der Schnittstelle zwischen Automobil und Mobiltelefon finden. Das Mobiltelefon ist inzwischen zu einem unverzichtbaren Alltagsgegenstand geworden, der für Kommunikation, Information und Unterhaltung genutzt wird. Die Integration im Automobil ist allerdings weit hinter den technischen Möglichkeiten zurück. Ein nicht unerheblicher Grund hierfür sind die unterschiedlichen Entwicklungszyklen dieser beiden Technologien. Während ein Automobil im Schnitt drei oder mehr Jahre Entwicklungszeit benötigt, werden Mobiltelefone meist schon innerhalb eines Jahres von der nächsten Generation abgelöst. Um mit dieser rasanten Entwicklung Schritt halten zu können, müssten die Erstausrüster den Produktentstehungsprozess agiler gestalten und dadurch die Möglichkeit schaffen auf Änderungen während der Entwicklung besser reagieren zu können. Betrachtet man den aktuellen Produktentstehungsprozess mehrerer deutscher Erstausrüster, so erkennt man, dass alle einem ähnlichen Stage-Gate oder Quality-Gate Modell folgen. Jedoch ist die Einteilung der Phasen und Quality Gates sowie deren Bezeichnung jeweils individuell geregelt. So ist in Abbildung 1 beispielsweise erkennbar, dass Erstausrüster 1 und Erstausrüster 3 die Serienentwicklung als Wissen Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent DOI 10.2357/ PM-2020-0026 31. Jahrgang · 02/ 2020 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 07_Schmidtner.indd 39 28.04.2020 14: 36: 02 eine einzige Phase betrachten, während Erstausrüster 2 hier eine Unterteilung in Fahrzeugphase und Anlaufphase vornimmt. Eine weitere Besonderheit des automobilen Produktentstehungsprozesses ist die Ergänzung von Meilensteinen um Quality Gates. Ein Meilenstein repräsentiert ein Datum bis zu dem die vorhergehende Phase abgeschlossen sein muss. Ein Quality Gate enthält zusätzlich eine Liste von Key Performance Indicators (KPIs) die erfüllt sein müssen. Hierbei ist meist auch streng geregelt wie die einzelnen KPI gemessen werden. Erst wenn ein Quality Gate komplett erfüllt ist, kann ein Übergang zur nächsten Phase erfolgen. Bei Meilensteinen dominiert folglich der Aspekt der zeitlichen Fortschrittskontrolle, während Quality-Gates den Inhalt der vorangehenden Phase bewerten und überwachen [3]. Die bisherige Betrachtungsweise des automobilen Produktentstehungsprozesses zeigt nur die Sicht der Erstausrüster. Durch eine zunehmende Globalisierung und Spezialisierung im Bereich der Lieferanten wurden immer mehr Teile vom Erstausrüster auf die Lieferanten ausgelagert, wodurch ein fragmentierter Prozess entstanden ist. In der Praxis bedeutet dies, dass mehr als 80% der Wertschöpfung nicht mehr beim Erstausrüster intern, sondern bei Zulieferern stattfindet. Auch die Entwicklung von neuen Komponenten und Subsystemen findet direkt beim Lieferanten statt. Aufgrund dieser Arbeitsteilung haben die einzelnen Partner entlang der Lieferkette teilweise recht unterschiedliche Perspektiven auf den Produktentstehungsprozess. Wie in Abbildung 2 zu erkennen ist, werden die Lieferanten in sogenannte Tiers aufgeteilt. Ein Tier 1 Lieferant arbeitet direkt mit dem Erstausrüster zusammen und erhält meist einen Entwicklungsauftrag für ganze Module oder Systeme. Ein Tier 2 Lieferant wird vom Tier 1 Lieferanten zur Entwicklung von Komponenten und Subsystemen beauftragt. Eine direkte Zusammenarbeit oder Kommunikation mit dem Erstausrüster findet meist nicht statt. Ein Tier 3 Lieferant wird meistens vom Tier 2 für die Beibringung von Halbfabrikaten oder Standardteilen beauftragt. Auch hier findet nur selten eine Kommunikation mit Partnern aus nicht angrenzenden Schichten statt. Während der Erstausrüster selbst das gesamte Fahrzeug als System of Systems (ein Verbund von komplexen Systemen) im Blick hat und sich primär auf das Zusammenwirken der einzelnen Systeme und Module konzentriert, wird auf Seiten des Tier 1 Lieferanten eines dieser komplexen Systeme für das Gesamtsystem entwickelt. Für die Entwicklung dieses Systems müssen nicht nur Hardware und/ oder Software-Bestandteile konzipiert werden, sondern auch die Schnittstellen extern zum Erstausrüster implementiert werden. Systeme, die an einen Tier 2 Lieferanten ausgelagert wurden, müssen integriert werden. Die Subsysteme und Komponenten eines Tier 2 Lieferanten wiederrum können zwar immer noch komplexe Hard- und Softwareentwicklungen umfassen, sind meist aber nur mit einer Schnittstelle zum Tier 1 System ausgestattet. Ein Tier 3 Lieferant hingegen bringt üblicherweise nur relativ einfache Produkte in den Prozess ein. Die Entwicklung erfolgt größtenteils unter stabilen Anforderungen. Er hat aber ein großes Interesse daran den Entwicklungs- und späteren Fertigungsprozess möglichst effizient zu gestalten. Wie in Abbildung 3 zu sehen, löst der Produktentstehungsprozess des Erstausrüsters mehrere abhängige Produktentstehungsprozesse bei den Tier 1 Zulieferern aus. Dies setzt sich dann ebenso bei den Tier 2 und Tier 3 Lieferanten fort. Um den eigenen Produktentstehungsprozess in der sequenziellen Prozessabfolge abschließen zu können, ist es notwendig dass alle Partner aus darunterliegenden Tiers den jeweiligen Produktentstehungsprozess durchlaufen haben. Hierdurch ergibt sich im Prinzip die Form einer umgedrehten Pyramide, bei dem die Tier 3 Zulieferer die Basis bilden. Da sich die Entwicklungspläne der Zulieferer in den Rahmenplan des Erstausrüsters einfügen müssen, bleibt meist nur ein deutlich verkürzter Zeitrahmen für die Prozesse der Lieferanten, wobei dieser mit jedem Tier weiter abnimmt. Aufgrund der inhärenten Abhängigkeit bedeutet dies jedoch auch, dass Probleme und Verzögerungen aus darunterliegenden Tiers sich direkt auf den Produktentstehungsprozess des Erstausrüsters auswirken können. Aufgrund des verwendeten Quality-Gate Modells tendieren die Partner allerdings dazu, erst beim Erreichen eines Quality Gates zu kommunizieren. Bis also tatsächlich die Information über ein bestehendes Problem beim Erstausrüster ankommt, können bereits erhebliche Kosten entstanden sein. Agile Methoden im Produktentstehungsprozess Wie eine Studie zu interorganisationalen Entwicklungsprozessen belegt [4] führt die oben geschilderte Situation zu großem Frust auf Seiten der Zulieferer. Einerseits entsteht durch die strikten Vorgaben der Erstausrüster auf die Lieferanten Abb. 1: Darstellung der unterschiedlichen Produktentstehungsprozesse von mehreren deutschen Erstausrüstern in Anlehnung an Göpfert und Schulz [2] Wissen | Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 07_Schmidtner.indd 40 28.04.2020 14: 36: 02 ein hoher Kosten- und Zeitdruck für den Produktentstehungsprozess, andererseits behindern diese auch die Fähigkeit der Erstausrüster durch ihre jeweilige Fachexpertise Innovationen in die neuen Produkte einzubringen. Auch die mangelnde Kommunikation bei der Verknüpfung der jeweiligen Unternehmensprozesse wurde von den Zulieferern als negativer Einfluss auf den Entwicklungsprozess angegeben. Diese Aussagen weisen eine große Parallele zu der Situation auf, in der sich die Softwarebranche um die Jahrhundertwende befand. Um diesen Herausforderungen zu begegnen wurden schließlich neuartige Ideen im agilen Manifest zusammengefasst, das • Individuen und Interaktionen über Prozesse und Werkzeuge, • Funktionierende Software über eine umfassende Dokumentation, • Zusammenarbeit mit dem Kunden über Vertragsverhandlungen und • das Reagieren auf Veränderungen über die Befolgung eines Plans stellte [5]. Diese wurden dann schnell in konkrete Vorgehensmodelle, Rollen und Strukturen gefasst, die eine Umsetzung in der Praxis ermöglichten. Obwohl agile Vorgehensmodelle heutzutage einen wichtigen Beitrag zum modernen Projektmanagement leisten, finden diese bislang in der deutschen Automobilindustrie nur wenig Anwendung. Zum einen ist dies in der starken Dominanz der Erstausrüster begründet, die an den bisher verwendeten, strikt plangetriebenen Vorgehensweisen festhalten, zum anderen beinhalten Entwicklungen im Automobilsektor meist auch Hardwarekomponenten. Da agile Vorgehensmodelle meist mit Softwareentwicklung oder Prozessmanagement assoziiert werden und Ingenieure oft von der Arbeit mit planbasierten Vorgehensmodellen geprägt sind, existiert hier eine gewisse Skepsis inwieweit agile Vorgehensmodelle auch auf physische Entwicklungen angewendet werden können. Oft mangelt es am Verständnis für die agilen Rollen, der Änderungsbereitschaft der Mitarbeiter und der Anpassung von organisatorischen Strukturen [6]. Das agile und hybride Vorgehensmodelle jedoch auch einen positiven Effekt auf den Produktentstehungsprozess von physischen Gütern haben können hat sich bereits in ersten Feldversuchen gezeigt [7, 8]. Dabei wurde festgestellt, dass durch die Verwendung agiler Methoden, die Motivation von Mitarbeitern deutlich gesteigert wurde. Dies war vor allem auf die regelmäßigen Projektbesprechungen, die zusammen mit Vertreten des Kunden stattfanden, zurückzuführen. Durch das direkte Feedback fanden sich die Entwickler deutlich stärker in den Prozess eingebunden und betrachteten es als einfacher Innovationen zur Sprache zu bringen. Abb. 2: Unterschiedliche Perspektiven der einzelnen Partner entlang der automobilen Lieferkette. Je höher ein Lieferant in der Pyramide ist, desto komplexer das Produkt, bzw. die Vernetzung im Fahrzeug. Abb. 3: Der fragmentierte Produktentstehungsprozess wie er über Erstausrüster und mehrere Tiers der Lieferkette hinweg abläuft. Während der Prozess zwar ähnliche Phasen durchläuft, ist der Fokus innerhalb jedoch deutlich unterschiedlich. Von links nach rechts sind die sequenziellen Phasen des PEP chronologisch geordnet. Wissen | Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 07_Schmidtner.indd 41 28.04.2020 14: 36: 03 Ein weiterer positiver Effekt fand durch die Einführung von Timeboxing statt. Anstatt großer Aufgaben die einen Abgabetermin erst lange in der Zukunft haben, wurden diese in wöchentliche Sprints heruntergebrochen. Hierdurch war es den Entwicklern möglich sich mehr auf die aktuell anstehenden Aufgaben zu fokussieren und die notwendigen Aktivitäten zu priorisieren. Im Gesamtbild wurde der Produktentstehungsprozess flexibler für Änderungen und die Zeit bis zur Marktreife wurde verkürzt. Da jedoch die Entwicklung von physischen Produkten anderen Anforderungen unterliegt als die Entwicklung von Software mussten bekannte Vorgehensmodelle modifiziert werden. Ein Beispiel hierfür ist die abgeänderte Definition von Sprint-Ergebnissen. Während im Softwarebereich am Ende eines Sprints meist ein auslieferbares Produkt entsteht, ist dies bei einer Hardware-Entwicklung selten möglich. Im vorliegenden Testversuch wurde dies durch Unternehmen so gehandhabt, dass aus auslieferbaren Produktinkrementen „vorzeigbare und bewertbare Ergebnisse“ wurden, wie beispielsweise Konstruktionszeichnungen, 3D-Modelle oder Simulationen. Es existiert also der Wunsch agile und hybride Methoden im automobilen Produktentstehungsprozess anzuwenden. Auch wurden bereits erste Versuche hierzu durchgeführt, die deren positiven Effekt festgestellt haben. Was bisher aber noch fehlt, ist ein Leitfaden, der Unternehmen bei der Einführung dieser Vorgehensmodelle unterstützt und die verschiedenen Möglichkeiten zur Kommunikation mit Partnern in vorhergehenden bzw. nachfolgenden Tiers aufzeigt. Um dieser Herausforderung zu begegnen, soll im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und des Europäischen Sozialfonds geförderten Projektes HyValue ein Geschäftsmodell „Kollaborationsexperte“ entwickelt werden, dass Erstausrüstern und Zulieferern eine engere und flexiblere Zusammenarbeit ermöglicht. Adaptive Referenzmodellierung Ein Teil dieses Geschäftsmodells ist die Entwicklung eines adaptiven Referenzmodells, welches basierend auf den Kontextfaktoren des jeweiligen Partners eine Handlungsempfehlung für die Umsetzung des Produktentstehungsprozesses gibt. Dieses Teilprojekt wird am Institut für Projektmanagement und Informationsmodellierung der Hochschule Landshut erarbeitet. Hierbei ist es zunächst von Bedeutung, die Sichtweise des jeweiligen Partners zu verstehen. Um den unterschiedlichen Perspektiven der am PEP beteiligten Partnern Rechnung zu tragen, ist es zuerst notwendig die Kontextparameter des jeweiligen Partners zu ermitteln. Diese bestimmen maßgeblich die Umsetzung des Prozesses und lassen sich in eine Prozessebene und eine Vorgehensebene aufteilen (siehe Abbildung 4). Die Kontextfaktoren der Prozessebene dienen zur Ermittlung der für den jeweiligen Partner relevanten Prozessschritte. Hierzu muss zunächst nur eine Reihe von einfachen „Ja“ oder „Nein“ Fragen beantwortet werden. Ein Beispiel hierfür ist „Müssen Softwarekomponenten entwickelt werden? “. Intern werden die Antworten dann als boolesche Werte „Wahr“ und „Falsch“ repräsentiert. Der zweite Aspekt, welcher auf den jeweiligen Partner zugeschnitten sein muss, ist die Art wie ein Prozessschritt umgesetzt werden kann. Hierfür werden die Kontextfaktoren der Vorgehensebene bewertet. Basierend auf diesen wird hier ermittelt ob ein planbasiertes, agiles oder hybrides Vorgehensmodell am besten für den Partner geeignet ist. Aufgrund der Thematik können hier keine einfachen „Ja“ oder „Nein“ Fragen angewendet werden. Welche Vorgehensmodelle präferiert werden sollten, wird meist durch einen Mix aus Variablen bestimmt. Erste Beispiele finden sich hier in der Literatur, wie z.B. die von Boehm und Turner [9] oder Špundak [10] ermittelten Faktoren. Eine Veranschaulichung hierfür findet sich in Abbildung 5. Hier werden die Faktoren „Menschen“, „Gefährdungspotenzial“, „Projektteamgröße“, „Kultur“ und „Stabilität der Anforderungen“ betrachtet. Diese Werte können dann jeweils anhand einer Skala vom Partner definiert werden. Ein niedriger Wert favorisiert ein agileres Vorgehensmodell, ein hoher Wert ein plangetriebenes Vorgehensmodell. Verbindet man die Punkte, erhält man eine Fläche, welche ein Indikator dafür ist, welches Vorgehensmodell bevorzugt verwendet werden soll. Je größer die abgedeckte Fläche, desto mehr ist ein plangetriebenes Vorgehensmodell zu favorisieren. Für die Umsetzung im Referenzmodell bedeutet dies, dass ein Term aufgestellt werden muss, der einen Vorschlag für die Umsetzung auf Basis dieser und weiterer Parameter ermittelt. Abb. 4: Aufteilung des Referenzmodells in eine Prozessebene, die bestimmt welche Prozessschritte empfohlen werden, und eine Vorgehensebene, die einen Vorschlag macht nach welchen Vorgehensmodellen die jeweiligen Schritte umgesetzt werden können. Wissen | Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 07_Schmidtner.indd 42 28.04.2020 14: 36: 05 Ein weiterer Punkt, der in das Referenzmodell eingearbeitet wurde, ist die Art der Kommunikation mit vorhergehenden und nachfolgenden Tiers in der Prozesspyramide. Ein anderes Teilprojekt von HyValue beschäftigt sich mit der Ermittlung der Optionen wie diese Kommunikation durchgeführt werden kann und welche Faktoren ausschlaggeben für die Festlegung sind. Erste Ansätze für diese firmenübergreifende Prozesskommunikation finden sich beispielsweise im „Collaborative Projekt Management“ des PROSTEP Verbundes der Automobilindustrie [11]. Diesem Modell folgend könnte ergänzend eine eigene Kommunikationsschicht modelliert werden, welche Regeln für die Zusammenarbeit und Kommunikation enthält. Wie in Abbildung 6 dargestellt, können hierzu Methoden wie Meilensteine, Reifegrade oder Bewertungsmodelle verwendet werden. Betrachtet man Abbildung 7, so kann man die Anwendung der zuvor beschriebenen Funktionalitäten an einem einfachen Beispiel erkennen. Hier werden die Vorteile eines adaptiven Referenzmodells zur Handhabung von Variantenvielfalt nochmals hervorgehoben. Der Prozess beschreibt einen stark abstrahierten Produktentstehungsprozess, der von drei Firmen jeweils unterschiedlich ausgeführt wird. Während Firma-1 den Prozess mit Hard- und Softwareentwicklung durchläuft und hierbei ein V-Modell einsetzt, so führen Firma-2 und Firma-3 lediglich eine Hardware oder Softwareentwicklung durch. Firma-3 setzt im Vergleich zu Firma-1 auf ein agiles Vorgehensmodell zur Softwareentwicklung. Ist eine Änderung am für alle Firmen identischen Prozessschritt „Qualitätssicherung“ notwendig, so muss diese Änderung dreimal separat erfolgen. Um den Verwaltungsaufwand zu minimieren wurden die drei Produktentstehungsprozesse in einen zusammengefasst. Hierbei entscheiden Parameter auf der Prozessebene darüber ob generell Hardwareund/ oder Softwareentwicklung durchgeführt werden. Im Bereich der Softwareentwicklung wird anhand der beiden Parameter „Kritikalität“ und „Teamgröße“ entscheiden ob das V-Modell oder Scrum zum Einsatz kommt. Um abschließend nochmals die gesamte Funktionsweise des Referenzmodells darzustellen ist in Abbildung 8 der Verlauf schematisch dargestellt. Der Partner definiert zunächst die Kontextfaktoren gemäß seiner Sichtweise auf den Pro- Abb. 5: In Abhängigkeit der Kriterien Mensch, Gefährdungspotenzial, Projektteamgröße, Kultur und Stabilität der Anforderungen lässt sich bestimmen, ob eher agile oder traditionelle (plangetriebene) Vorgehensmodelle zum Einsatz kommen sollten in Anlehnung an Boehm und Turner [9]. Abb. 6: Darstellung von möglichen Synchronisationsmechanismen mit denen die Kommunikation entlang der Prozesspyramide realisiert werden kann. Wissen | Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 07_Schmidtner.indd 43 28.04.2020 14: 36: 06 duktentstehungsprozess. Auf Basis der Kontextfaktoren der Prozessebene wird dann im nächsten Schritt der Teil des Referenzmodells ausgewählt, der für den Partner relevant ist. Anschließend werden die Kontextfaktoren der Vorgehensebene verwendet, um eine Handlungsempfehlung zu geben, welches Vorgehensmodell am besten für die Umsetzung geeignet ist. Ausblick Im Moment befindet sich das Referenzmodell noch in der Aufbauphase. Derzeit wird das initiale Modell um Daten von Erstausrüstern und Partnern aus allen Tiers der Prozesspyramide ergänzt. Dabei werden die unterschiedlichen Sichtweisen betrachtet und die verschiedenen Kontextfaktoren und Prozessvarianten in das Referenzmodell einfließen. Die gewonnenen Erkenntnisse darüber, welche Kontextfaktoren ausschlaggebend für die Durchführung des Produktentstehungsprozesses sind, und wie diese die Kommunikation steuern werden über Terme in das Referenzmodell integriert. Die Konstruktion und Implementierung des Referenzmodells erfolgt in der eigens hierfür optimierten Software ADAMO, die am Institut für Projektmanagement und Informationsmodellierung der Hochschule Landshut entwickelt wurde. ADAMO wird auf Basis der im Projekt auftretenden Anforderungen stetig weiterentwickelt. Das am Ende entstehende Referenzmodell kann dann für die Implementierung von agilen und hybriden Vorgehensmodellen im eigenen Produktentstehungsprozess genutzt werden. Förderhinweis Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Literatur 1. Kume, H.: Tesla teardown finds electronics 6 years ahead of Toyota and VW - Nikkei Asian Review, https: / / asia. nikkei.com/ Business/ Automobiles/ Tesla-teardown-findselectronics-6-years-ahead-of-Toyota-and-VW2 2. Göpfert, I. (ed.): Logistik der Zukunft - Logistics for the Future. Springer Gabler, Wiesbaden (2016) Abb. 7: Einfaches Beispiel eines adaptiven Prozesses. Anstatt drei separate Prozesse zu pflegen die nur geringe Abweichung aufweisen, wird nur ein Prozess gepflegt der basierend auf Parametern angepasst wird. Abb. 8: Exemplarisches Beispiel für die Verwendung des Referenzmodells. Zuerst werden Kontextfaktoren für Prozessebene und Vorgehensebene ermittelt. Diese werden dann im Referenzmodell verarbeitet, um eine aus den Kontextfaktoren und dem Referenzmodell resultierende Empfehlung für ein passendes Vorgehensmodell zu generieren. Wissen | Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 3 Agile Heroes im Quadrat Persönlich und aufs Unternehmen bezogen: Mit diesen Büchern auf ein neues Level 07_Schmidtner.indd 44 28.04.2020 14: 36: 12 Markus Schmidtner Markus Schmidtner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Landshut und Lehrbeauftragter für Projektmanagement und Collaborative Business Process Modelling. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Geschäftsprozessmanagement, Informationsmodellierung und agiles Projektmanagement. Kontakt: E-Mail: markus.schmidtner@haw-landshut.de Web: http: / / ipim.institute Prof. Dr. Holger Timinger Holger Timinger ist Professor für Projektmanagement und Leiter des Instituts für Projektmanagement und Informationsmodellierung (IPIM) an der Hochschule Landshut. Dort ist er unter anderem Studiengangsleiter des berufsbegleitenden MBA-Studiengangs Systems and Project Management. Kontakt: E-Mail: holger.timinger@haw-landshut.de Web: http: / / ipim.institute 3. Wuest, T., Liu, A., Lu, S.C.-Y., Thoben, K.-D.: Application of the Stage Gate Model in Production Supporting Quality Management. Procedia CIRP 17, 32-37 (2014) 4. Kalkowski, P., Mickler, Ü.: Kooperation in der Produktentwicklung. Mitteilungen aus dem SOFI 7, 9-19 (2014) 5. Beck, K.e.a.: Manifesto for Agile Software Development, http: / / agilemanifesto.org/ 6. Nuhn, H.F.R., Martini, J.-P., Kostron, A.: Hybride Strukturen in der Automobilindustrie-Studie zu Agilen Praktiken in Forschungs- und Entwicklungsprozessen. 38857965 (2016) 7. Cooper, R.G.: Agile-Stage-Gate Hybrids: The Next Stage for Product Development Blending Agile and Stage- Gate methods can provide flexibility, speed, and improved communication in new-product development. Research-Technology Management 59, 21-29 (2016) 8. Cooper, R.G., Sommer, A.F.: Agile-Stage-Gate for Manufacturers: Changing the Way New Products Are Developed Integrating Agile project management methods into a Stage-Gate system offers both opportunities and challenges. Research-Technology Management 61, 17-26 (2018) 9. Boehm, B.W., Turner, R.: Balancing agility and discipline. A guide for the perplexed. Addison-Wesley, Boston (2004) 10. Špundak, M.: Mixed Agile/ Traditional Project Management Methodology - Reality or Illusion? Procedia - Social and Behavioral Sciences 119, 939-948 (2014) 11. ProSTEP iViP Association: CPM Recommendation Version 3.0. Darmstadt (2010) Eingangsabbildung: © iStock.com/ Sjoerd van der Wal Anzeige Wissen | Automatisiertes Tailoring von Produktentstehungsprozessent 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 Roman Simschek, Fabian Kaiser Roman Simschek, Fabian Kaiser 3 Agile Heroes im Quadrat Persönlich und aufs Unternehmen bezogen: Mit diesen Büchern auf ein neues Level www.uvk.de 07_Schmidtner.indd 45 28.04.2020 14: 36: 16 Controlling und Management 4.0 Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten Helge F. R. Nuhn, Norbert Schaffitzel Für eilige Leser | Controlling-Systeme sind wichtig für Unternehmen, um Steuerung und Ausrichtung sicherzustellen. Diese Denkweise wird jedoch durch die moderne Wahrnehmung herausgefordert, da eine „VUCA-Umwelt“ andere Anforderungen an Steuerung und Ausrichtung stellt. Während bewährte Praktiken in Controlling-Systemen nahezu alle Unternehmensbereiche durchdrungen haben, plädieren wir für die kritische Reflexion einiger, besonders typischer Controlling-Praktiken. Wir argumentieren, welche negativen Seiteneffekte deren Nutzung in agilen Unternehmensformen haben und welche Ordnungsparameter man stattdessen verwenden sollte. Zugleich geht es um die möglichen Schritte in Richtung agiler Selbstorganisation wie in unserem Management 4.0-Ansatz beschrieben, ohne jedoch Controlling als Ganzes zu verpönen. Schlagwörter | Auslastung, Beyond Budgeting, Budgets, Controlling, Management 4.0, ToC, Umsatzsteigerung Die Fachgruppe „Agile Management“ der GPM macht sich Gedanken über die grundsätzlichen Zusammenhänge in Organisationen und inwieweit das Management die Agilität in Organisationen erhöhen kann. Controlling ist eine häufig genannte Herausforderung, wenn es die Agilität einer Organisation zu steigern gilt. Die Autoren des Artikels argumentieren, dass auch agile Organisationen Management und damit Controlling benötigen. Allerdings ein Management 4.0, d.h. ein Management der neuesten Generation, und damit auch ein anders ausgestaltetes Controlling sowie andere Ansätze der Steuerung. 1. Einleitung - Warum wir Controlling haben Mit der Erfindung des Prinzips der arbeitsteiligen Wertschöpfung wurde auch das Management von produktiver Tätigkeit relevanter. In dem Augenblick, in dem das Prinzip geboren war, wurde nämlich der Wert von Koordination von Arbeit, relativ betrachtet wertiger. Wenngleich der Effekt zu Beginn der Arbeitsteilung noch gering war, ist er im Laufe der Zeit und durch Epochen wie dem industriellen Zeitalter und nun dem Zeitalter der Digitalisierung zunächst größer geworden. Controlling-Systeme sind in Unternehmen weitverbreitete Management-Werkzeuge. Sie basieren häufig auf Leistungskennzahlen, oder „Performance Indicators“, und weisen eine Reihe von typischen Prozessen auf. Je agiler Organisationen werden, desto eher wird durch die Beteiligten die Inkompatibilität zwischen bestehenden Steuerungsmodellen einerseits und den Notwendigkeiten der Steuerung für und von selbstorganisiert arbeitenden Projekt-Teams andererseits festgestellt. Das Management produktiver Prozesse in einem Unternehmen hat sich zu einer eigenen Disziplin entwickelt. Seine Bedeutung und sein Wert spiegeln sich auch in der Ausbildung von künftigen Betriebswirten wider, die frühzeitig mit den Mechanismen von fundamentalen Produktionsfunktionen in Ausbildung oder Studium vertraut gemacht werden. Controlling-Systeme sollen die Koordinationsfunktion des Managements unterstützen und beispielsweise Manager von Produktionsprozessen in die Lage versetzen, diese unter Kontrolle zu behalten. Das Prinzip hinter Controlling-, oder Steuerungs-Systemen hat sich in viele Querschnittsbereiche von Unternehmen ausgeweitet. So sieht man vergleichbare Ansätze, Methoden und Kennzahlen auch in funktionalen Teilbereichen, wie beispielsweise dem Qualitätsmanagement, Wissen Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten DOI 10.2357/ PM-2020-0027 31. Jahrgang · 02/ 2020 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0027 08_Nuhn.indd 46 28.04.2020 14: 37: 03 Value Chain Management, Finanzen & Controlling, Vertrieb, HR/ Personalwesen, Marketing, Beteiligungsmanagement und vielen mehr. Auch in produktiven Fachabteilungen werden selbst gestaltete Controlling-Systeme verwendet, um die Produktion an sich zu steigern. Hinter allen diesen genannten Bereichen lässt sich ein „-controlling“ anhängen, und schon wird der Anspruch deutlich, dass etwas irgendwo begrenzt systematisch gesteuert werden soll. Wo ein Steuerungsanspruch im Großen („global“) besteht, da besteht mitunter auch einer im Kleinen („lokal“). Schließlich sind es auch Projektmanager und -controller die typischerweise eigene Controlling-Systeme entwickeln, um Planungs-, Kontroll- und Steuerungsunterstützung im Projekt zu erlangen. Dabei greifen sie auf bewährte Praktiken zurück. Aufgrund der Anforderungen des Unternehmenscontrollings bestehen jedoch häufig schon Strukturen außerhalb des Projektes, die zu bedienen sind. Wo Management ist, ist also auch Controlling. Fraglich ist, ob diese Ansätze, wenngleich altbewährt und „proven practice“, auch nach wie vor sinnhaltig und geeignet sind. In „VUCA-Zeiten“ ist dies nicht immer unmittelbar gegeben, weil Exploration wichtiger wird als Exploitation. Entwickelt sich ein neues Management, muss sich auch ein anderes Controlling entwickeln. Es stellen sich daher die zentralen Fragen: • Was sind die bedeutsamsten Probleme konventioneller Controlling-Systeme in einer neuen Management-Welt? • Wie sehen Controlling-Systeme im Management 4.0, also einer Führung zu Selbstorganisation, aus? • Wie werden Controller in Management 4.0-Umgebungen arbeiten? 2. Controlling im Kontext aktueller Herausforderungen Controlling ist nicht wertschöpfend per se, sondern zeigt seine wertschöpfende Wirkung nur indirekt. Daher ist nachvollziehbar, dass von Controlling-Prozessen hohe Grade der Effizienz abverlangt werden. Benchmarks über sämtliche Industrien beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern Controlling-Strukturen zu groß oder angemessen ausgestaltet sind. Akteure, die in irgendeiner Weise „Controlling“ ausführen, kennen die Notwendigkeit der permanenten Rechtfertigung von Aufwand und Nutzen. Praktisch orientiert Handelnde machen sich in einem solchen Fall ein universell beobachtbares Muster zu eigen: Sie bringen Konzepte, Ansätze und Prozesse zur Anwendung, die nachgewiesenermaßen gut funktionieren. Da der Bedarf an solchen Mustern in ihrer Summe hinreichend groß ist, bilden sich Gemeinschaften, die diese Konzepte, Ansätze und Prozesse definieren, verwalten und vorhalten. Sie sind meist lange, intensiv, wohldurchdacht und von Experten gestaltet. Im Fall des Controllings gibt es beispielsweise das Prozessmodell des Internationalen Controller Vereins (ICV). Nicht nur „wie“ controlled wird, ist Gegenstand von Standardisierung, sondern auch „was“ und „mit welchen Mitteln“. Dies zeigt sich in der Ausgestaltung von Controlling-Systemen, die ebenfalls gut funktionierende Muster übernehmen: Prozesse, Kennzahlen, Industrie- oder Funktionen-individuelle Key Performance Indicators (z.B. Marketing- oder eCommerce-spezifische Kennzahlen) und unterschiedliche Analyseansätze haben lange Zeit die gewünschten Wirkungen gebracht und konnten im Zeitverlauf immer weiter optimiert werden. Sie haben vermeintlich ganz genau die gewünschten Effekte auf das zugrundeliegende System ausgeübt. Die Realität wurde abzubilden versucht, konzeptionelle Rahmen für Pläne und Forecasts entwickelt, die wiederum Grundlage von Abweichungsanalysen und Steuerungsimpulse sind. Durch ihre Ausgestaltungen bieten Controlling-Systeme einen modellhaften Überblick über den zugrundeliegenden realen Steuerungsgegenstand an. Sie helfen dem Betrachter vom Gesamtbild her zu beurteilen, welche Teilaspekte gerade von besonderem Interesse sind. Problematisch wird dieser Ansatz, bewährte Praktiken wiederzuverwenden und fortzuführen, wenn die Grundannahmen sich verändern. Dies ist jedoch das Paradigma unserer Zeit: Wir leben in einer vermeintlich komplexeren, unsichereren, schnelllebigeren und vor allem uneindeutigeren Welt, der derzeit vielbeschworenen „VUCA-Welt“. Konventionelle Controlling-Systeme haben sich nicht auf einen solchen Kontext einstellen müssen, da es maßgeblich bedeuten würde, dass vormals statische Ziele zu beweglichen Zielen werden. Die erwünschten einfachen, linearen Wirkungszusammenhänge, die man postulierte, stellen sich heute zunehmend als nicht mehr haltbar heraus. Je uneindeutiger die Ziele dazu werden, desto schwieriger werden die Ausgestaltungen von Controlling-Systemen, die eine Organisation heute benötigt. Obendrein kommt die Erkenntnis, dass Organisationen grundsätzlich komplexe, selbstorganisierte Systeme sind. Sie absolut kontrollieren zu können, würde bedeuten, ein mindestens ebenso komplexes System aufzubauen, das die Kontrolle ausübt. Der Manager, der gesehen hat, dass agile Organisationen oder zumindest Teile von Organisationen selbstorganisiert in bisher unvorstellbaren Geschwindigkeiten Erfolge produzieren, sehen sich in einem Dilemma: sie müssen offensichtlich den Herausforderungen des Kontextes an Geschwindigkeit, Flexibilität und Reagibilität Rechnung tragen. Die Frage ist für sie daher, wie kann ich Selbstorganisation fördern, gleichzeitig aber Kontrolle ausüben, so dass die Richtung weiter die Gewünschte bleibt? Standardisierte Prozesse, die auf maximale Effizienz ausgelegt sind, scheitern regelmäßig, wenn sie mit gesteigerter Komplexität, Geschwindigkeit, Unsicherheit und Uneindeutigkeit konfrontiert werden. Standardisierung zum Zweck der Effizienzerhöhung steht dann im Konflikt mit der Zielsetzung von Adaptivität und Agilität. Ein Management der neuesten Generation muss auch ein entsprechendes Controlling aufweisen. Dabei sei nicht behauptet, dass die bisher erarbeiteten Strukturen, Prozesse, Ansätze und Kennzahlen allesamt schlecht seien. Sie sind lediglich in anderen Kontexten nicht mehr so hilfreich wie zuvor. 3. Übliche Muster Die heutigen betriebswirtschaftlichen Ansätze der Kostenrechnung und des Controllings sind schon seit längerem in der Kritik in Bezug auf Ihre Qualitäten als Führungs- und Steuerungsinstrumente für die Unternehmen geraten. Die Kritikpunkte setzen an einer Vielzahl von verschiedenen Punkten an.Im vorliegenden Kontext eines Management 4.0 genügt es jedoch, wenn wir uns mit den folgenden Themenstellungen befassen: Wissen | Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0027 08_Nuhn.indd 47 28.04.2020 14: 37: 04 1. Budgets - mit Fokus auf die Vorgehensweisen bei Budgetierung und Budgetplanung 2. Umsatzsteigerung - mit Fokus auf steigende Grenzkosten bei einseitiger Betonung von Umsatzzielen 3. Auslastung sowohl von Maschinen als auch von Menschen Budgets Budgetierung und die betriebswirtschaftliche Steuerung über Budgets kann ziemlich genau 100 Jahre zurückverfolgt werden [1]. Sie ist ein weitverbreitetes Management-Paradigma geworden, das auch aus keiner betriebswirtschaftlichen Ausbildung wegzudenken ist. Die Betrachtung der Planung und Steuerung über Budgets und deren Kritik, mündet heute in den verschiedenen Ansätzen eines „Beyond Budgeting“ (siehe hier vor allem [2]; aber zum Beispiel auch die entsprechende Themen-Seite der Fachplattform controllingportal.de/ Fachinfo/ Budgetierung). Die „Budgetproblematik“ tangiert vielfältige Bereiche des Führungs- und Planungsprozesses im Unternehmen. Aus der Perspektive eines Management 4.0 fokussiert sich die Betrachtung auf die folgenden Aspekte. Budgets und die damit verbundene Planungssystematik verfestigen unter anderem Zustände, weil sie als Planvorgaben in mehrerer Hinsicht gelten. Zum einen als Maximal-Begrenzung („Budgetdeckel“), zum anderen als Nachweis des Bedarfs („Aufbraucheritis am Jahresende“). Änderungen im Zeitablauf, die zwangsläufig auftreten, werden in rollierenden Ex-Post-Betrachtungen versuchsweise eingepflegt. Der mittlerweile sehr hohen Dynamik eines Marktgeschehens bzw. der Nachfrage wird das in vielen Fällen nicht mehr gerecht, wenn die Bedarfslage ex ante gar nicht mehr valide antizipiert werden konnte. Eine oft leidliche Diskussion zwischen Controlling und Fachbereich ist an dieser Stelle vorprogrammiert, wenn das Controlling ein konventionelles Mindset besitzt. Budgets sind grundsätzlich interessensgesteuert und scheinbar ein großes Hemmnis für Kollaboration über Budget-Grenzen hinweg. In ihnen sind häufig Puffer enthalten, die den Budgetplanern einerseits den Budgetdruck nehmen aber andererseits auch Handlungsspielraum für unvorhergesehene Aufgaben eröffnen. Obzwar Pufferung ein vernünftiges Element des Umgangs mit Unsicherheiten ist, werden sie im Budgetplanungsprozess nicht offengelegt. Ein offener, vertrauensvoller Umgang mit möglichen Investitionsressourcen wird so beträchtlich behindert. Budgetierung hilft daher eher in stabilen Verhältnissen. Sie passen damit in komplexeren Umwelten nicht mehr recht ins Bild. Fokus auf Umsatzsteigerung Typische Controlling-Systeme vereinfachen Abhängigkeiten ihrer Kennzahlen untereinander, manchmal in unzulässiger Art und Weise. So wird beispielsweise unterstellt, dass eine Steigerung des Umsatzes typischerweise eine lineare Abhängigkeit zum Deckungsbeitrag bewirkt. Entsprechend werden häufig Planungen zu Umsatzsteigerungen und die benötigten produktiven Faktoren einfach unabhängig voneinander betrachtet, oder unzulässig vereinfacht. Die implizit oder explizit zugrundeliegenden Annahmen dürften dann jedoch in den seltensten Fällen halten, wenn die Leistungserstellung dabei komplex ist. Wird Umsatz durch ein Projekt verursacht, sind zwangsläufig mehrere Beteiligte Ressourcen mit wechselseitigen Interdependenzen an der Leistungserbringung beteiligt. Dies führt regelmäßig zu Engpässen, Wartezeiten, Verzögerungen oder sogar Nacharbeiten. Und wenn es stimmt, dass unsere Welt immer mehr „VUCA“ wird, dann wird dieser Effekt eher größer als kleiner. Sofern die Projekte Pufferzeiten in ihren Plänen aufweisen, deren Ausnutzung sich nicht negativ auf den jeweiligen Deckungsbeitrag auswirkt, mag dies noch kein Problem darstellen - in der Realität ist dies jedoch selten der Fall. Jede Stunde, die auf ein Projekt geschrieben wird und nicht mit maximaler Effizienz einer Ressource verbracht wurde, ist aus der Perspektive der Steuerungslogik „nicht gut“. Die Umsatzsteigerung, die beabsichtigt wurde, ist zwar am Ende möglicherweise eingetreten, die Grenzkosten sind jedoch nicht gefallen oder gleichgeblieben, sondern möglicherweise gestiegen. Wissen | Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0027 ibo Beratung und Training GmbH Im Westpark 8 • 35435 Wettenberg T: +49 641 98210-300 • www.ibo.de Wir organisieren Souveränität. Neue Herausforderungen selbstbewusst lösen. Schaffen Sie die Projektorganisation der Zukunft. Wir unterstützen Sie dabei mit Weiterbildung offen* und inhouse, Impulsen, Beratung, Coaching und pragmatischen Software-Lösungen. ibo: Wir organisieren Zukunft. *Alle Seminare finden wie geplant statt und werden als Live-Online-Kurs gehalten. Anzeige 08_Nuhn.indd 48 28.04.2020 14: 37: 04 Kapazitäts- und Auslastungsorientierung Im üblichen betriebswirtschaftlichen Kontext von Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung ist der Ausweis von Minderauslastungen negativ belegt. Kapazitäten wie auch „Humanressourcen“ haben vermeintlich einen Mindestumfang an Leistungsverbräuchen auszuweisen. Freie Kapazitäten werden als brachliegende, nicht verwertete Ressourcen betrachtet, die vom Controlling ermittelt und folglich entsprechend einer Verwertung zugeführt werden sollen. In einer möglichen negativen Folge werden Humanressourcen angewiesen, ihre Stunden auf jeweils passenden Kostenträgern zu erfassen, um letztlich deren Beschäftigung ausweisen zu können. Einer vollbeschäftigten Ressource kann jedoch kein weiterer Auftrag zugewiesen werden, ohne dass Priorisierungserfordernisse entstehen. Und im heutigen betriebswirtschaftlichen Alltag kennt jeder das Problem der eigenen Priorisierung der Aufgaben. Diese Priorisierung selbst kostet bereits wiederum Aufwand. So erkennt man auch schnell das Dilemma der Auslastung als Kennzahl, sie sagt nichts über die Qualität der zugrundeliegenden Arbeit aus. Und des Weiteren ist jene Qualität auch gar nicht unmittelbar messbar. Ein Meeting mehr „passt in der Regel“ schon noch in den Arbeitsalltag, aber wird das bis Freitag zu liefernde Konzept dann nicht ein Quäntchen schlechter? Das ist unheimlich schwierig vorherzusagen. So kann es also durchaus möglich sein, dass bei einer Ressource noch Kapazitäten vorhanden sind, aber diese „qualitativen Kapazitäten“ berücksichtigt kein Controlling-System der Welt, indem es zum Beispiel noch „freie Belastbarkeiten“ ausweist. Die Crux dieser Auslastungserfassung ist es folglich, dass es zweierlei Dinge nicht angemessen zu erfassen hilft: Zum einen sind die verborgenen Potentiale noch immer vorhanden, werden aber aus controllingtechnischen Gründen nicht ausgewiesen. Damit wird letztlich nur eine Scheintransparenz über Kapazitäten erzeugt - welche möglicherweise hilft, die oben angesprochenen Budgets zu rechtfertigen. Zum anderen kann keine sinnvolle Verbindung zwischen der beschäftigten Ressource und dem erreichten Ertrag (Achtung! Nicht: Umsatz) hergestellt werden. Die wirklichen Stellhebel zur Ertragsgenerierung werden folglich nicht systematisiert, geschweige denn deren Ursachen identifiziert - und das alles, obwohl alle Organisationsmitglieder ausgelastet und „beschäftigt“ sind. 4. Ideen für die Ausgestaltung des Controllings Es gibt eine Reihe von Ansätzen, die helfen können, das Controlling positiv zu beeinflussen und es hinsichtlich steigender Komplexität und Geschwindigkeit hilfreich bleiben zu lassen. Wir greifen an dieser Stelle wieder drei besondere Ansätze heraus. Es sind jene, die am ehesten den oben skizzierten Problemen begegnen helfen. Eine neue Sichtweise auf Budgetierung Budgetierungsprozesse erscheinen vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „gottgegeben“. Im Diskurs speziell mit jüngeren Menschen wird häufig Unverständnis darüber geäußert, wieso jährlich budgetiert werden müsse und wieso so ein Prozess überhaupt so lange dauern kann. Es gibt zwar Argumente für alles, oft erschöpfen sie sich jedoch in einem „weil wir das schon immer / letztes Jahr / … so gemacht haben“ [3]. Unserer Auffassung nach ist wichtig, sich das Warum und daher die Funktionen der Planung in Erinnerung zu rufen, bzw. auch überhaupt erst einmal zu verstehen und zu erklären. Budgets wurden genutzt, um eine Koordinations- und Zielsetzungsfunktion zu erfüllen. Da Budgets jedoch typischerweise als Zahlen dargestellt werden, sind sie tendenziell weniger geeignet, unklare Ziele qualitativ angemessen abzubilden. Da kann selbst die Herleitung der Budgetzahl, so sinnstiftend und agil sie auch verlaufen mag, nicht überzeugen. Eine Zahl wirkt nicht wie ein Narrativ einer Vision, sondern viel nüchterner. Eine qualitative (Budget-)Planung sollte also höher gewertschätzt werden als eine quantitative. Sie sollte einen Ordnungsparameter für das Team darstellen, dessen Sinn erkennbar ist und an dem sich ein Team ausrichten kann. Dies kann flankiert werden durch eine systematische Betrachtung des benötigten Grades an Agilität in Relation zur Kleinteiligkeit der Planung. Als Daumenregel sollte gelten: Je höher der angestrebte Grad der Agilität, desto weniger kleinteilig sollte geplant werden. Die Planungseinheiten sollten also gröber werden, je mehr Unsicherheit das Umfeld des Teams prägt. Dies erhöht den Spielraum, schafft Freiräume und verringert sinnlos getätigten Aufwand. Denn mit steigender Unsicherheit werden auch Budgets unzuverlässiger. Wem ist dann am Ende noch geholfen? Wenn jedoch Budgetpläne schon unantastbare Rahmenparameter sind, weil im Kontext eines Teams die oben genannten Argumente nicht verfangen oder verstanden werden, so hat man als Führungskraft einen Übersetzungsakt zu leisten. Am Ende dieses Übersetzungsprozesses sollten Begrifflichkeiten wie „Durchfluss“ und „Kundenwertschöpfung“ im Vordergrund stehen, statt Kostenrahmen und Plan-Umsätze. Ein denkbarer weiterer Ansatz wäre, statt kleinteiliger Kostenplanung, diejenigen Investitionen zu budgetieren und zu betrachten, die der Erweiterung des identifizierten Engpasses dienen. Weiter fortgeschrittene Ansätze ändern gar gänzlich die Perspektive auf die Steuerung, indem z.B. das „Throughput Accounting“ voll auf die Betrachtung des Durchsatzes der Wertschöpfung fokussiert. Umsatzsteigerung Werden Umsatzsteigerungen gefordert und beispielsweise durch Budgetausweitungen „mitgemeint“, so ist es die Pflicht des jeweiligen Budgetempfängers diese Pläne auf Umsetzbarkeit hin zu prüfen. Sinnvoller Ansatz ist das Durchspielen der Operationalisierung mit besonderem Fokus auf die identifizierte Engpassressource. Bei der Betrachtung wendet man sich weg von der Kennzahl Umsatz, und hin zur Kennzahl „Oktanzahl“. Sie betrachtet den Engpassfaktor in einem Prozess und reflektiert, wie viel „Wert“ gerade in diesem Engpass bearbeitet wird. Ist sie niedrig, arbeitet der Engpass nicht am profitabelsten und beschränkt damit die Profitabilität der gesamten Organisation. Das zu Grunde liegende Konzept erläutert Goldratt in seinen Ausführungen zur Theory of Constraints und des Throughput Accountings [3]. Aus Gründen des Verhältnisses von Leistungsverflechtungen zu Profitabilitätsbetrachtungen sollten Argumente sinkender Grenzkosten bei Umsatzsteigerung zurückgewiesen werden, wenn es sich nicht um reelle Kostensenkungen handelt. Sofern also eine Organisation eine Umsatzsteigerung incentiviert, und falls aus dieser Logik heraus mehr Projekte in einem Zeitraum gestartet werden, sollte zeitgleich nicht die Fähigkeit der Organisation ignoriert werden, die zusätzliche Wissen | Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0027 ibo Beratung und Training GmbH Im Westpark 8 • 35435 Wettenberg T: +49 641 98210-300 • www.ibo.de Wir organisieren Souveränität. Neue Herausforderungen selbstbewusst lösen. Schaffen Sie die Projektorganisation der Zukunft. Wir unterstützen Sie dabei mit Weiterbildung offen* und inhouse, Impulsen, Beratung, Coaching und pragmatischen Software-Lösungen. ibo: Wir organisieren Zukunft. *Alle Seminare finden wie geplant statt und werden als Live-Online-Kurs gehalten. 08_Nuhn.indd 49 28.04.2020 14: 37: 05 Norbert Schaffitzel Dipl.-Volkswirt und Dipl.-Kfm, Studium von Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Freiburg und Berlin, über 30 Jahre Tätigkeit in der IT-Branche - zuerst als Entwickler und seit 1996 als Projektmanager bei der DB Systel GmbH, seit 2007 zertifiziert nach GPM-Standard, seit 2015 Mitarbeit in der GPM-Fachgruppe Agiles Management. DB Systel GmbH Jürgen-Ponto-Platz 1 60329 Frankfurt am Main +49 69 265 18340 norbert.schaffitzel@deutschebahn.com Prof. Dr. Helge Nuhn Helge Nuhn ist Professor für Digital Business Engineering am Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen und Technologiemanagement der Wilhelm Büchner Hochschule in Darmstadt. Wilhelm Büchner Hochschule Darmstadt Hilpertstr. 31 64295 Darmstadt +49 6151 / 3842 - 315 helge.nuhn@wb-fernstudium.de Arbeit auch tatsächlich zu sinkenden Grenzkosten durchzuführen. Auslastungsfokussierung Auslastungsfokussierung ist nur sinnvoll bei direkter Umsetzung von Auslastung in Profit. Andernfalls sollte es lediglich eine sekundäre Kennzahl bleiben. Stattdessen: work-in-process (WIP). Aus einer Perspektive der just-in-time-Produktion und der zunehmenden Individualisierung von Endprodukten im Zuge der Digitalisierung des Handels sind ohnehin kleinere Losgrößen gefordert, um profitabel operieren zu können. Und ohnehin gilt ja eigentlich auch in konventioneller Management-Schule, dass WIP, d.h. Lagerbestände, ein zu minimierender Faktor ist, da hierdurch Kapital gebunden wird. Sehr häufig werden aber Controlling-Systeme nicht derart konstruiert, dass sie Auslastungssteuerung gegen Durchsatz/ Profitabilitätsströme abzugleichen helfen. Möglicherweise ist dies Ausdruck einer lokal optimierenden Haltung (siehe: Budgetierung). Aber möglicherweise sind die technischen Ansätze aktuell noch nicht hinreichend gut geeignet, effizient die Überleitung von Auslastung zu Produktivität und Qualität, zu Anforderungen und zu Kundennutzen anzustellen [4]. Es drängt sich die Frage auf: Was müsste geschehen, damit Durchsatz, WIP und Gesamtprofitabilität zu neuen Ordnungsparametern von Controlling-Systemen werden? Schätzungsweise müsste ein wesentlich umfassenderer Dialog über das Verhältnis eigener Aktivitäten, des eigenen Wertbeitrags zur Profitabilität des Gesamtunternehmens geführt werden. Vielleicht ist gerade dies eine der neuen Herausforderungen, denen sich ein Controlling mit Selbstanspruch im Kontext von Management 4.0 stellen könnte: Mehr Transparenz zum „großen Ganzen“ in den Dialog einfließen lassen, den es im Sinne einer zentralen Steuerung zu führen sucht. Betrachtet man Transitionen von traditionellen hin zu agilen Organisationen, ist mittlerweile die Erkenntnis gereift, dass das Mindset um Größenordnungen wichtiger ist als die Governance (d.h. auch: Controlling) und nochmal um weitere Größenordnungen wichtiger als die eingesetzten Techniken. Dadurch wird auch deutlich, dass das Mindset das verbindende Element sein kann zwischen operativen Einheiten und dem steuernden Controlling. Denn nur wenn die Perspektiven auf Vision, Werte und Glaubenssätze, Organisations-Identität und Fähigkeiten vereinbar sind, kann das darunterliegende Verhalten adäquat aufeinander angepasst werden. Am Ende des Anpassungsprozesses stehen im Optimalfall dann operative Einheiten die Höchstleistungen erbringen und ein Controlling, das den Organisatoren der Organisation die richtigen Informationen zur Verfügung stellt, um dies zu steuern. Und damit ist nicht notwendigerweise „zentral steuern“ gemeint, sondern „selbstorganisierend steuern“. Das muss auch bedeuten, dass das Controlling nicht mehr unidirektionaler Informationsweiterleiter ist, sondern viel mehr Adressaten gleichberechtigt anspricht. Fazit Wir haben im vorliegenden Artikel gezeigt, dass Controlling-Systeme historisch begründet sind und auch ihren Nutzen erbringen. Wir haben argumentiert, dass der Nutzen sich in VUCA-Welt-Zeiten anders darstellt. Dies liegt an den Eigenschaften der VUCA-Welt begründet und wir haben aufgezeigt, welche gängigen Praktiken vor diesem Hintergrund nicht mehr optimal funktionieren. Budgetierung, Umsatz- und Auslastungsfokussierung sind Beispiele dazu, denen wir Konzepte wie Engpass-Investitionen, Oktanzahl und limitiertes WIP gegenübergestellt haben. Auch wenn diese drei Konzepte alleine nicht das Controlling vor allen notwendigen Veränderungen der VUCA-Welt retten wird, so eröffnen sie jedoch gedankliche Wege der Anpassung von Steuerungssystemen, die dort benötigt werden, wo maximale Dezentralisierung und Selbstorganisation (noch) nicht funktionieren. Weitere gedankliche Ansätze beschreiben wir im Buch Management 4.0 [5]. Literatur [1] McKinsey, J. O.: Accounting as an Administrative Aid. In: Journal of Political Economy November, 1919, Seiten 759-781. [2] Pfläging, N.: Beyond Budgeting, Better Budgeting: Ohne feste Budgets zielorientiert führen und erfolgreich steuern. Haufe 2003. [3] Goldratt, E.M., Cox, J.: The Goal. Croton-on-Hudson,The North River Press, NY, 1984. [4] Nuhn, H. F. R., Schulze, M., Wallraff, B.: Künstliche Intelligenz im Controlling: Bedeutung, Anwendungsgebiete und Reifegradmodell. In: Gleisch, R., Tschandl, M. (Hrsg.), Digitalisierung & Controlling. Haufe, 2018. [5] Oswald A, Müller (Hrsg.) Management 4.0 - Handbook for Agile Practices, Release 3, BoD Verlag, Norderstedt, 2019. Eingangsabbildung: © iStock.com/ ipopba Wissen | Neue Perspektiven auf das Controlling in VUCA-Zeiten 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0027 08_Nuhn.indd 50 28.04.2020 14: 37: 05 Fallen, aufstehen, Krönchen richten-- und es-in Zukunft besser machen Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht Petra Krug Für eilige Leser | Nur wer nichts macht, macht keine Fehler-- so viel steht fest. Wenn es uns gelingt, konstruktiv mit ihnen umzugehen,-können wahre Chancen daraus werden. Dieser Fachbeitrag möchte einen Einblick in eine konstruktive Fehlerkultur geben und deutlich machen, wie und warum diese wichtig ist - auch und insbesondere in einem agilen Projektumfeld. „Fehler passieren“ - das sagt sich so-leicht. In der Praxis aber zeigt sich, dass der Umgang mit Fehlern ein Minenfeld-sein kann. Dieses ist mit allerhand Sprengsätzen bestückt: von der Verleugnung-der Tatsachen über das klassische Blame Game bis hin zu-teuren Rechtsstreitigkeiten ist jeder einzelne von-ihnen eine Heimsuchung für den Projekterfolg. Schlagwörter | Unternehmenspraxis, Werte, Potenzialkultur, Reflexion, Beurteilung Fehlerkultur: Eine Geschichte von Schuld und Sühne Fehler galten lange und gelten vielerorts auch heute noch als Sündenfall. Wem ein Fehler unterläuft, muss mit Konsequenzen rechnen. Das zugrundeliegende Rechtsverständnis ist so alt wie die Menschheit: das Verursacherprinzip. Es beruht auf dem Bedürfnis, den Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen, für Vergeltung zu sorgen und Wiedergutmachung herbeizuführen. Gespeist wird dieses Bedürfnis aus etwas eigentlich Gutem: dem allgemeinen und individuellen Wunsch nach Gerechtigkeit. Und der ist ein wichtiger Baustein unserer Gesellschaft - sein Motto lautet: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Wer gegen diesen Grundsatz verstößt, muss mit einem Echo rechnen. Problematisch wird es dann, wenn das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht von weiteren rechtsstaatlichen Prinzipien begleitet wird - wie z. B. der Beweispflicht, dem Recht auf Verteidigung oder dem Prinzip von Versöhnlichkeit und Rehabilitation. Im Kontext unseres Berufsalltags im Projektgeschäft mag das vielleicht zu hochtrabend klingen, dennoch ist es wichtig, auf solche Prinzipien hinzuweisen - einfach, weil sie als Teil unseres Wertesystems, bewusst oder unbewusst, für unseren Umgang miteinander bestimmend sind. Und auch im Projektgeschäft ist eine rein strafende Fehlerkultur bedenklich, weil sie Ängste schürt. Schon in der Schule lernen wir sehr klar, was richtig und was falsch ist - und dass schlechte Leistungen mit schlechten Noten bestraft werden. Zwar kann man argumentieren, dass schlechte Noten zu besseren Leistungen anspornen sollen - in der Realität begünstigen sie aber oft das Gegenteil: Selbstzweifel, Angst und Demotivation. Was wir also eigentlich brauchen, ist ein Umfeld, das Fehler nicht als persönliches Versagen brandmarkt, sondern als Ermutigung sieht, es künftig besser zu machen. Im Folgenden beleuchten wir zunächst, wo die Gefahren einer toxischen Fehlerkultur liegen, um dann für den Projektalltag alternative Wege aufzuzeigen. Toxische Fehlerkultur und ihre Folgen Der Kern des Problems: Eine in erster Linie strafende Fehlerkultur führt dazu, dass viele Menschen nicht mehr zu ihren Fehlern stehen. Sei es, dass sie versuchen, sie zu vertuschen oder auch die Verantwortung dafür auf andere abzuwälzen. Wissen Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht DOI 10.2357/ PM-2020-0028 31. Jahrgang · 02/ 2020 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0028 09_Krug.indd 51 28.04.2020 14: 37: 48 Richtig und Falsch. Motivation oder Frustration? (Foto: privat) Eine fatale Fehlentwicklung. Denn sie fordert gleich vier Todesopfer: a.) gegenseitiges Vertrauen und ein positives Arbeitsklima b.) intrinsische Motivation und Eigenverantwortung c.) kritisches Denken und individuelle Kritikfähigkeit d.) Kreativität und Innovation a.) Sind Arbeitsklima und gegenseitiges Vertrauen schlecht, bauen die Mitarbeiter keine positive Bindung an das Unternehmen auf. In einem Umfeld, das als Schlangengrube oder Haifischbecken erlebt wird, hält es keiner lange aus. Die Folge sind hohe Fluktuation, wenig Loyalität, Talentflucht. b.) Klar kann man fehlende intrinsische Motivation durch externe Anreize ersetzen: Geld, Privilegien, Vergünstigungen. Die Folge sind Strukturen, in denen die Ambitionierten den eigenen Status höher gewichten als den Erfolg des großen Ganzen und die Genügsamen Dienst nach Vorschrift tun. Die Eigenverantwortung ist je nach Typ dann nur noch auf das eigene Fortkommen oder das eigene Überleben beschränkt, bleibt also auf persönliche Interessen begrenzt. c.) Dieser dritte Punkt ist insofern der heikelste, als er insbesondere auch Führungskräfte betrifft. Ist hier die Kritikfähigkeit schlecht ausgeprägt, wird Kritik eher unterbunden als gefördert. Kritiker werden als Querulanten deklassiert, kritisches Denken als Quertreiberei gebrandmarkt. Und Kritik ist in gewisser Weise wie Wasser: Wenn der direkte Weg zum Empfänger verstellt ist, bahnt sie sich einen anderen: Flurfunk, üble Nachrede, Lästerei. Und auch Führungskräfte, die offene Kritik scheuen, sind im Konfliktfall selbst auf toxische Führungsinstrumente angewiesen: Günstlingspolitik, Hinterzimmerabsprachen, Manipulation, Mikroaggressionen, Mobbing/ Bossing. Eine schlechte Führungskultur wirkt sich messbar negativ auf den Erfolg von Unternehmen aus (Foto: Pixabay) All das sind schwerwiegende Risiken für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Die Gallup-Studie von 2018 beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden dieses toxischen Gemischs auf mehrere Milliarden Euro [1] und weist im Gallup Engagement Index 2019 insbesondere auf die Gefahren von „Dienst nach Vorschrift“ und innerer Kündigung hin [2]. d.) Die digitale Transformation lebt davon, dass ihre Akteure innovativ sind. Grundvoraussetzung für Innovationskraft ist Kreativität. Grundvoraussetzung für Kreativität wiederum ist gedankliche Freiheit. Gedankliche Freiheit gedeiht derweil nur auf dem Boden von Vertrauen - und Vertrauen ist nichts anderes als die Abwesenheit von Angst. Und weil eine toxische Fehlerkultur der beste Nährboden für Angst ist, ist sie einer der stärksten Widersacher von Innovation. Von einer Fehlerkultur zu einer Lern- und Potenzialkultur Das Konzept der lernenden Organisation gibt wichtige Impulse für eine konstruktive Fehlerkultur; und zwar in Form folgender Kausalkette: • Menschen lernen aus Erfahrung • Grau ist alle Theorie. Echtes Wissen generieren wir nicht aus Büchern allein, sondern aus unserem praktischen Erleben. Wenn wir also dazulernen wollen, brauchen wir Raum für neue Erfahrungen: Experimentierfelder, Spielräume, Risikobereitschaft. • Menschen lernen aus Fehlern • Versuch und Irrtum sind legitime Lehrmeister beim explorativen Lernen. Erlauben wir uns also ein gewisses Maß an Risikofreude! Denn Fehler sind eine wichtige Ursache dafür, dass wir uns überhaupt weiterentwickeln. • Menschen lernen durch Reflexion • Voraussetzung für das Lernen aus Fehlern ist die menschliche Selbstreflexion und die Bereitschaft, das eigene Denken und Handeln kritisch zu hinterfragen. Manche Menschen können das von sich aus gut, andere können es lernen. Gehen wir ihnen mit gutem Beispiel voran! • Menschen lernen, wenn sie vertrauen • Selbstreflexion basiert auf Vertrauen: zu anderen und zu uns selbst. Unterstützen wir uns gegenseitig, wächst das Vertrauen - zum Beispiel dadurch, dass wir Kritik an uns selbst zulassen und andere so ermutigen, das gleiche zu tun. Letztlich machen es uns kleine Kinder vor: Egal, wie oft sie hinfallen - stets stehen sie wieder auf und versuchen es erneut. Mit destruktiven Gefühlen wie Selbstzweifeln oder schlechtem Gewissen halten sie sich gar nicht erst auf, vielmehr besteht hier ein Urvertrauen, dass es irgendwann schon klappen wird, folglich ist hier Trial-and-Error die Devise. Die unbegrenzte Freiheit von Kindern haben wir im Projektgeschäft natürlich nicht. Da viele Fehler aber auch für uns unvermeidbar sind, trennen wir uns doch zumindest von den Selbstzweifeln und Schuldgefühlen! Dann lernen wir auch viel befreiter. Zum Beispiel, wie wir die vermeidbaren Fehlerursachen unschädlich machen können, um mehr Energie für die Lösung der unvermeidbaren zur Verfügung zu haben. Typische, vermeidbare Fehlerquellen sind zum Beispiel: mangelnde Kommunikation, Überheblich- Wissen | Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0028 09_Krug.indd 52 28.04.2020 14: 37: 50 keit, fehlende Standards, Personalmangel bzw. falsche Qualifizierung von Mitarbeitern. Die Fehlerursachen liegen also nicht nur im Menschen selbst, sondern auch im Management bzw. in den Rahmenbedingungen. Nur selten können wir folglich Projekte an einem fehlerhaften Gantt-Diagramm scheitern sehen, aber an einer schlechten Kommunikation und ungelösten Konflikten durchaus. Doch wie kann ein konstruktiver Umgang mit Fehlern aussehen? Die Kunst der konstruktiven Kritik Zu den Aufgaben- moderner Projektleitung sollte es deshalb gehören, destruktiven Reflexen Einhalt-zu gebieten und eine Fehlerkultur zu etablieren, welche die Tragweite von- Irrtümern oder Versehen minimiert und stattdessen ihre geheime Kraft als Fortschrittstreiber freisetzt. Dazu wollen wir hier der Frage nachgehen, welche methodischen Ansätze und Best Practices es- gibt, die Risiken von Fehlern in Potenziale umzumünzen. Wir fragen uns, was es- braucht, um eine gute Fehlerkommunikation zu ermöglichen - und welche- Werkzeuge Führungskräften- helfen können, eine Kritikkultur zu pflegen, die nicht noch mehr Schaden- anrichtet als der Fehler selbst. Denn wir brauchen eine Fehlerkultur, die 1. Ross und Reiter offen- nennt, ohne das Gegenüber in die Abwehr zu treiben, 2. sachliche Ursachenforschung- zulässt, ohne Schuldige an den Pranger zu stellen, Von Kindern lernen heißt: Hinfallen, aufstehen, Helmchen richten … und es in Zukunft besser machen (Foto: Pixabay) 3. klare Lektionen-für die Zukunft ableitet und diese auch in der Praxis beherzigt, 4. Zersetzungskräfte-bannt und alle Beteiligten neu auf das gemeinsame Ziel einschwört, 5. die Eigenverantwortung- und den Teamgeist gleichermaßen stärkt, 6. kurz: aus-Kryptonit positive Energie zu machen versteht. Die Punkte 1. und 2. sind entscheidende Grundvoraussetzungen für das Gelingen konstruktiver Kritik und für viele Führungskräfte hoffentlich längst eine Binsenweisheit: Poltern Sie niemals einfach drauflos! Stellen Sie erst einmal sicher, dass Ihre Kritik berechtigt ist. Verlassen Sie sich dabei nicht auf das Hörensagen Dritter, sondern prüfen Sie den Wahrheitsgehalt dessen, was Ihnen so erzählt wird - durch eigene Anschauung oder gezieltes, sachorientiertes Nachfragen. Mindestens genauso wichtig: Begegnen Sie Ihrem Gegenüber mit Respekt - in Wortwahl, Ton und innerer Haltung. Nutzen Sie dabei erprobte Kommunikationstechniken, die Ihnen die Sache erleichtern werden. Als hilfreich erweisen sich dabei zum Beispiel die Faustregeln des Standardwerks „Getting To Yes“ [3]. Eigentlich als Anleitung für Verhandlungen gedacht, sind die Kernthesen leicht abgewandelt auch auf ein konstruktives Fehlergespräch übertragbar: 1. Sachlichkeit: Trennen Sie Person und Sachverhalt. • Beschreiben Sie ausschließlich den Sachverhalt. Beschränken Sie sich dabei auf das, was Sie sehen (Ich-Botschaft) und verzichten Sie auf Praktiken der schwarzen Pädagogik, als da wären: Unterstellungen, Suggestionen, Doppelbotschaften oder (versteckte) Drohungen. 2. Versöhnlichkeit: Beharren Sie nicht auf Positionen, betonen Sie stattdessen gemeinsame Interessen. • Stellen Sie Verbindendes in den Vordergrund. Heben Sie hervor, warum Sie Ihr Gegenüber schätzen und signalisieren Sie bei aller berechtigter Kritik auch Fairness und Wertschätzung. 3. Flexibilität: Erarbeiten Sie verschiedene Handlungsoptionen, bevor Sie eine Lösung festlegen. • Bereiten Sie sich auf den Dialog vor, indem Sie verschiedene Lösungsansätze erwägen und nur die besten mit Ihrem Gegenüber besprechen. 4. Messbarkeit: Stellen Sie sicher, dass die gefundene Lösung auf objektiven Kriterien basiert. • Je solider das Fundament, desto tragfähiger die Lösung. Tragen Sie deshalb Sorge, dass die gefundene Lösung auf Fakten basiert, anhand derer ihre Wirksamkeit auch evaluiert werden kann. Fehlerkultur vs. Fehlermanagement Ein Fehler ist immer etwas, das von einem definierten Zustand abweicht. Auch komplexe Softwareprojekte verlaufen zumeist nicht linear, sondern sind häufig von Kurven oder auch Umleitungen geprägt. Im Kontext einer iterativen und agilen Entwicklung ist ein Spurwechsel unproblematisch - aber es liegt in unserer Verantwortung, dass daraus keine kompletten Irrfahrten werden. Und: auf einer gut ausgebauten Autobahn mag ein Spurwechsel kein Problem sein, auf einem Drahtseil können Millimeter fatal sein. Die Schadenshöhe eines Fehlers ist also immer abhängig vom Inhalt der Tätigkeit und den potenziellen Folgen: Bei ei- Wissen | Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0028 09_Krug.indd 53 28.04.2020 14: 37: 51 ner falschen Regalbestückung ist sie zum Beispiel gering und ohne große Auswirkungen leicht zu beheben. Bei einem fehlerhaften Tattoo sieht die Sache dann schon anders aus, ganz zu schweigen von einer Herz-OP oder einem Flugzeugabsturz (z. B. der Softwarefehler bei Boeing im Jahr 2019). Und wie überall gilt Murphy’s Law: Es tritt immer das ein, was NICHT von der Risikobewertung erfasst wurde. Eintrittswahrscheinlichkeiten von Fehlern sind einfach schwer zu berechnen. Insbesondere, wenn wir Neuland betreten und Routinen und Gewissheiten keine Sicherheit geben können. Bei Innovationen zum Beispiel wird die Fehlerwahrscheinlichkeit deutlich höher sein. Dem Kunden aber einen „Puffer“ für potenzielle Fehler in Rechnung zu stellen, ist indes eine schwierige Angelegenheit. Das heißt: Auch wenn wir Fehler enttabuisieren, wollen und müssen wir ihre schadhaften Folgen reduzieren - das gebietet allein der ökonomische Sachverstand. Fehlerkultur und Fehlermanagement sind folglich nicht das Gleiche - eine konstruktive Fehlerkultur entlässt uns nämlich nicht aus der Verantwortung, die negativen Folgen unserer Fehler so gering wie möglich zu halten. Fehlermanagement in der agilen Entwicklung Im Umfeld der agilen Entwicklung zeichnet sich insbesondere Scrum durch ein pragmatisches Fehlermanagement aus. Hier drei wesentliche Eckpunkte dafür, warum das so ist: • Fehlertoleranz • Scrum ist ausgesprochen fehlertolerant und lässt kleinere Fehler und Bugs im Laufe der Produktentwicklung zunächst zu. Wer jetzt glaubt, dass das zu einer höheren Fehlerquote im Endprodukt führt, muss sich sagen lassen: Das Gegenteil ist der Fall. Die Erfahrung zeigt vielmehr: Wer Fehler zunächst machen darf, geht auch offener mit ihnen um und trägt konstruktiv zu ihrer Lösung bei. • Zyklisches Testen • Die agile Entwicklung schreibt zwar keine konkreten Testprozesse vor, folgt aber prinzipiell der iterativen Idee von Continuous Integration und Test Driven Development, zum Beispiel in dieser Form: • Entwicklertest: findet während der täglichen Entwicklungsarbeit statt. Ziel ist die Validierung der täglichen Entwicklungsergebnisse gegen die Sprint Tasks. • Inkrement-Test: wird gegen Ende eines Sprints durchgeführt. Er dient a.) der Kontrolle über das ideale Zusammenspiel mit früher entwickelten Inkrementen und b.) zur Prüfung, ob nicht aus Versehen Kooperation statt Konfrontation (Foto: Pixabay) ein anderes Inkrement verändert wurde. Getestet wird dabei das komplette Sprint-Backlog. • Release-Test: ist bei Scrum nicht zwangsweise vorgesehen, empfiehlt sich aber laut Geisen und Güldali unbedingt, um das Produkt in seiner Gesamtheit final zu testen [4]. - Entlang des gesamten Entwicklungsverlaufs wird getestet, die zu testenden Einheiten sind kleiner, die Tests häufiger, die Testabdeckung höher. Auch das minimiert die Fehlerquote. • Kosten-Nutzen-Orientierung • Agiles Fehlermanagement mit Scrum basiert auf der Erfahrung, dass der Aufwand für die Korrektur kleinerer Fehler inkl. der nötigen Tests wesentlich geringer ist als der Aufwand, der in ihre Vermeidung investiert werden müsste. Zum einen, weil Fehler schlicht nicht vermeidbar sind, zum anderen, weil viele Fehler gar nicht antizipiert werden können und eine Vermeidungsstrategie sie folglich gar nicht abdeckt. Oops … Fehler haben immer zwei Seiten: auf der einen Seite Gefahren wie z. B. Kosten oder Vertragsverstöße. Auf der anderen Seite Potenziale, die teils große Zukunftschancen in sich bergen. Die folgenden Beispiele sind nicht als Einladung zu verstehen, mehr Fehler zu machen. Sie sollen uns vielmehr verstehen helfen, dass Fehler nicht immer von Übel sind und uns so zu einem konstruktiveren Umgang mit ihnen verhelfen. • Kolumbus wollte den Seeweg nach Indien finden - und entdeckte Amerika. Das hat nicht nur den Lauf der Geschichte, sondern unser Weltbild insgesamt radikal verändert. • Pfizer wollte ein Mittel gegen Bluthochdruck und Angina Pectoris auf den Markt bringen. Und erfand mit Viagra aus Versehen das erfolgreichste Mittel gegen erektile Dysfunktion. • Alexander Fleming vergaß, vor dem Urlaub ein paar Petrischalen zu reinigen. Das auf diese Weise entstandene Penicillin wurde zum Durchbruch in der Medizingeschichte. • Dr. Spencer Silver suchte einen starken Klebstoff mit rückstandsloser Ablösung. Das Post-it, eigentlich ein Abfallprodukt dieser Versuchsreihe, ist heute ein Klassiker - insbesondere für Scrum-Enthusiasten. • Charles Goodyear verzweifelte 1839 fast bei dem Versuch, Kautschuk elastisch und dehnbar zu machen. Bis ihm der Rohstoff ungewollt auf die heiße Herdplatte fiel und er so Scrum. Pragmatismus - auch im Fehlermanagement (Foto: Nina Skripietz für Micromata) Wissen | Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0028 09_Krug.indd 54 28.04.2020 14: 37: 54 Quellennachweis [1] Gallup-Studie (2018): https: / / interne-kommunikation. net/ gallup-studie-2018/ , Abruf am 17.03.2020 [2 Gallup Engagement Index 2019: https: / / www.haufe.de/ arbeitsschutz/ gesundheit-umwelt/ arbeitsklima-fast-6-millionen-haben-innerlich-gekuendigt_94_501446.html, Abruf am 17.03.2020 [3] Fisher, Roger / Ury, William / Patton, Bruce: Das Harvard-Konzept (Originaltitel: Getting To Yes), jüngste und erweiterte Ausgabe bei DVA, Stuttgart 2018. [4] Geisen, Silke / Güldali, Baris: Agiles Testen in Scrum - Testtypen und Abläufe, in: OBJEKTSpektrum, Ausgabe Agility/ 2012. Eingangsabbildung: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen - so entfalten Fehler verheerende Kraft (Foto: Pixabay) versehentlich die Vulkanisierung entdeckte und damit das Rad praktisch völlig neu erfand: das Gummi war geboren. So gelingt der Wandel zu einer Potenzialkultur Aber wie schaffen wir es, eine konstruktive Fehlerkultur bzw. eine Potenzialkultur in einem Umfeld zu etablieren, das von großem- Leistungsdruck und hohen Qualitätsansprüchen geprägt ist und wo starre-Zielsysteme-und Leistungsbeurteilungen eher ein autokratisches Regime von Angst und Unsicherheit begünstigen? Hier einige Vorschläge, wie das gelingen kann: • Vertrauen schaffen - z. B. durch kleine unterhaltsame Formate wie „Der Bock des Monats“: Hier stellt reihum jedes Team einen Fehler vor, der ihm unterlaufen ist und der konstruktiv gelöst werden konnte. Das baut Vertrauen auf und Ängste ab und sorgt zugleich für organisationales Lernen. • Vorbild Führungskräfte: Wir schaffen keinen Kulturwechsel, wenn wir die Verantwortung auf den einzelnen Mitarbeiter „abwälzen“. Vielmehr sind die Führungskräfte hier in der Pflicht, die gewünschte Kultur exemplarisch vorzuleben. Und zu eigenen Fehlern zu stehen. • „Wir“ statt „Du“ sagen: Die „Wir“-Perspektive hilft nicht nur dem Einzelnen, über seinen Schatten zu springen, sondern stärkt den Teamgeist insgesamt. • „Was und wie? “ statt „Wer und warum? “ fragen: Machen wir uns immer wieder bewusst, dass wir nicht den Schuldigen suchen, sondern die Lösung. Und hören wir auf zu rechtfertigen, „warum“ etwas passiert ist, sondern fragen wir uns stattdessen „wie“ es passieren konnte - damit wir ableiten können, „wie“ wir es folglich besser machen können. • Rollen im Team: Je nach Projekt kann es hilfreich sein, die Rolle eines Feuermelders zu vergeben, der ausdrücklich beauftragt ist, auf Gefahren hinzuweisen, ohne dafür als Meckerpott hingestellt zu werden. • Prozesse und Standards: sind nicht prinzipiell schlecht. Im Kontext einer Potenzialkultur erweisen sich z. B. Reviews oder das Vier-Augen-Prinzip als nützliche Freunde und Helfer. Fazit Fehler passieren. Zwar müssen wir sie ja nicht ausdrücklich einladen. Aber wo sie schon mal da sind, sollten wir sie nutzen, daran zu wachsen und besser zu werden. Gemeinsam und im Team gelingt der Wandel von der Fehlerkultur zur Potenzialkultur (Bild: Pixabay) Petra Krug Petra Krug arbeitet als Projektleiterin und interner Coach bei der Micromata GmbH. Als Senior Project Manager- (GPM) und PSPO verbindet sie Methoden und Kenntnisse aus der klassischen und der agilen Welt. Sie verfügt über einen- betriebswirtschaftlichen Hintergrund und umfassende systemische Weiterbildungen in Organisationsentwicklung und Change- Management. Ihr Fokus liegt auf den Schwerpunkten Kommunikation und Führung. Sie ist zudem freiberuflich als Beraterin, Moderatorin und Coach tätig. Ihr Ziel ist es, die Gratwanderung zwischen- betriebswirtschaftlich Notwendigem und menschlich Sinnvollem zu meistern. Wissen | Von einer Fehlerkultur, die uns stark und agil macht 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0028 09_Krug.indd 55 28.04.2020 14: 37: 57 Im Home-Office zum IPMA-Zertifikat Online-Zertifizierungslösungen für Projektmanager Hannes S. Griebel Für eilige Leser | Die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Gesundheitsrisiken bei Präsenzveranstaltungen führen derzeit zu einem starken Anstieg der Nachfrage von web-basierten Prüfungslösungen in den IPMA-Zertifizierungsverfahren. Die PM-ZERT plant, dieser Nachfrage zu entsprechen, und beabsichtigt, bis Ende April 2020 eine Online-Prüfungsoption für Basis- und Level-D-Zertifikate anbieten zu können. Im Erfolgsfall sollen im Anschluss bis Ende Mai 2020 Online-Optionen auch für Level C und B folgen. Um Kandidaten zu helfen, welche bereits jetzt auf eine Prüfung vorbereitet sind und auf eine möglichst zeitnahe Zertifizierung drängen, soll zunächst nur eine minimale, jedoch ansprechende, transparente und nach dem Stand der Technik abgesicherte Lösung zeitnah implementiert werden. Ein wesentliches Ziel ist es dabei, die hohe Qualität der PM-ZERT-Prüfungen zu erhalten und damit eine echte, vollwertige Alternative zur Verfügung zu stellen. Schlagwörter | PM-ZERT, Zertifizierung, Basis-Zertifikat, Level-D-Zertifizierung, Level-C-Zertifizierung, Level-B-Zertifizierung, Online-Prüfungen Einleitung Aufgrund der globalen Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 und der hohen Letalitätsrate der dadurch verursachten Krankheit COVID-19 ist die Durchführung von Präsenzveranstaltungen seit Mitte März 2020 nicht mehr nach vertretbaren Gesundheitsschutzstandards zu gewährleisten und seit Ende März 2020 in den meisten Ländern gesetzlich bis auf weiteres verboten. Aufgrund moderner Telekommunikationsmöglichkeiten werden die meisten bürogebundenen Tätigkeiten schon seit einiger Zeit von zu Hause aus fortgeführt, einschließlich der damit verbundenen Aus- und Weiterbildungsprogramme. Hierdurch erhöht sich auch die Nachfrage nach web-basierten Prüfungslösungen für die Zertifizierung nach dem IPMA-4LC-System. Denn für viele Arbeitnehmer ist gerade die Zeit der häuslichen Quarantäne der ideale Zeitpunkt, sich auf eine Zertifizierung vorzubereiten, um dann am Ende dieser schwierigen Zeit bestens auf einen fliegenden Start in den normalen Berufsalltag vorbereitet zu sein. Aber nicht nur die gegenwärtigen, zeitlich begrenzten Einschränkungen der Reise- und Veranstaltungstätigkeit sind Auslöser für den Wunsch nach Online-Prüfungsverfahren. Viele international aufgestellte Unternehmen entsenden ihre Mitarbeiter zunehmend auf Auslandseinsätze, und diesen Mitarbeitern entgeht somit häufig die Chance, an den im Heimatland veranstalteten Zertifizierungskursen teilzunehmen. Um ihren Mitarbeitern im In- und Ausland die gleichen Chancen bieten zu können, haben viele Firmen und Arbeitnehmer ein nachvollziehbares Interesse an einer Online-Prüfungsoption. Die PM-ZERT hat mit Ausnahme des Re-Zert-Interviews derzeit keine web-basierten Prüfungslösungen im Angebot. Allerdings konnten durch dieses seit 2019 eingesetzte Verfahren bereits wichtige Erfahrungen im Umgang mit Online-Prüfungslösungen gesammelt werden. Hierauf aufbauend wird nun eine neue, web-basierte Prüfungsoption angestrebt. GPM-Themen Online-Zertifizierungslösungen für Projektmanager DOI 10.2357/ PM-2020-0030 31. Jahrgang · 02/ 2020 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0030 Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch 10_Griebel.indd 56 28.04.2020 14: 39: 26 Einführungs-Strategie für Online-Prüfungsoptionen Aufgrund der unterschiedlichen Prozesse für Basis-, Level-D- und Level-C/ B-Zertifizierungen wird die Produktoption „web-basierte Prüfungen“ (WBP) in zwei Phasen ausgerollt: 1. Die Einführung von web-basierten Prüfungsoptionen im Basis-Zertifikat und zum Level D und 2. die Einführung von web-basierten Prüfungsoptionen im Zertifizierungsverfahren zu Level C und B. Jede Produkteinführung besteht aus einer Design Phase (DP) und einer darauf folgenden Regelbetriebsphase. In der Design Phase 1 (DP1) wird die WBP Produktoption für Basis- und Level-D-Zertifizierungen erstellt und eingeführt, und in der Design Phase 2 (DP2) die entsprechenden Optionen für die Level-C/ B-Zertifizierungen. Die Anzahl der Kandidaten, welche WBP-Optionen anfragen, ist im Bereich Basis-Zertifikat und Level-D-Zertifizierung deutlich höher als in den anderen Leveln. Daher wurde die Entscheidung getroffen, zunächst die Umsetzung von WBP in den Basis-Zertifizierungen und im Level-D-Verfahren zu priorisieren, sodass in diesen Zertifizierungsverfahren bis Ende April 2020 web-basierte Prüfungsoptionen angeboten werden können. Die Umsetzung der DP2 für die Level C und B ist bis Ende Mai 2020 geplant, eine Entscheidung hierüber wird aber auch basierend auf der Erfahrung mit DP1 zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden. Projektbeschreibung Um entsprechende Produktoptionen anbieten zu können, müssen die dafür notwendigen Prüfungsverfahren entwickelt werden. Dabei ist eine wichtige Vorgabe, dass der hohe, in der Industrie sehr geschätzte Qualitätsanspruch der PM-ZERT erhalten bleibt. Um dies sicherzustellen, wurde das Projekt „Entwicklung web-basierter Prüfungen“ ins Leben gerufen. Entsprechend der oben beschriebenen Ausrollphasen der Online-Optionen wurde das Projekt in zwei sequenziell abzuarbeitende Teilprojekte unterteilt. Ein Teilprojekt beschäftigt sich mit der Entwicklung von Online-Verfahren für Prüfungen im Basis-Zertifikat und der Level-D-Zertifizierung, und ein weiteres Teilprojekt mit der Entwicklung von Online-Verfahren für Prüfungen in den Level-C/ B-Zertifizierungsverfahren: 1. Das Entwicklungsprojekt zur Umsetzung der WBP-Basis/ Level-D-Anforderungen entspricht der Produkt-Design-Phase 1 und heißt dementsprechend WBP-DP1. 2. Das Entwicklungsprojekt zur Umsetzung der WBP-Level-C/ B-Anforderungen entspricht der Produkt-Design-Phase 2 und heißt dementsprechend WBP-DP2. Auf jede Design Phase folgen eine entsprechende Regelbetriebsphase und eine Optimierungsphase. Diese sind derzeit nicht Teil der jeweiligen Entwicklungsprojekte. Jedes der beiden Teilprojekte endet mit Übergabe nach dem Abschluss der Pilotierung. Das Gesamtprojekt „Entwicklung web-basierter Prüfungen“ wird derzeit von mir geleitet und zusammen mit einem Team aus Assessoren, Trainern und der PM-ZERT-Geschäftsstelle umgesetzt. Aufgrund der Priorisierung der Verfahren Basis und Level D wird zunächst nur das Projekt WBP-DP1 durchgeführt. Aus dem für die Produkteinführung festgelegten Zeitplan ergibt sich für das Teilprojekt WBP-DP1 das Zeitziel, bis Ende April 2020 die Pilotierung abgeschlossen zu haben. Die Umsetzung des Teilprojekts WBP-DP2 für Online-Prüfungen in den Zertifizierungsverfahren zu den Leveln C und B wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden, wenn bereits Erfahrung mit dem ersten Teilprojekt vorliegt und Abschätzungen zu dem zusätzlich anfallenden Aufwand getroffen werden können. Allerdings sind Auswahlkriterien für die besonderen Anforderungen an Level-C/ B-Prüfungen bereits definiert und werden in WBP-DP1 berücksichtigt. Damit soll gewährleistet werden, dass die ausgewählte Softwarelösung und die dafür entwickelten Prozesse um die in den Level-C/ B-Zertifizierungen geforderte Funktionalität erweitert werden können. Projektinhalte Neben der hohen Qualitätsanforderung an die Prüfung selbst spielt auch die Zeit eine wichtige Rolle. Viele Kandidaten haben bereits ihr Projektmanagementtraining abgeschlossen und möchten verständlicherweise möglichst bald die Zertifizierung durchlaufen. Andere Kandidaten wiederum nehmen das Online-Angebot einiger PM Trainer in Anspruch, um die Zeit im Home-Office zur Vorbereitung auf die PM-ZERT-Prüfung zu nutzen. Auch diese Kandidaten fragen im Anschluss an ihr Online-Training folgerichtig Online-Optionen für Ihre Zertifizierungen an. Um diesen Kandidaten bestmöglich entgegenzukommen, beschränkt sich das Projekt WBP zunächst GPM-Themen | Online-Zertifizierungslösungen für Projektmanager 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0030 Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch 10_Griebel.indd 57 28.04.2020 14: 39: 28 auf die minimalen Anforderungen, eine funktionsfähige, attraktive und qualitativ hochwertige Prüfungslösung anbieten zu können. Hierzu wurde das „Minimum Viable Product“ (MVP) definiert. Demnach bleibt der existierende Prozess von Anmeldung, Bewertung durch die Assessoren und Verwaltung mit Hilfe der bereits existierenden Elemente erhalten. Der schriftliche Prüfungsteil soll durch ein optionales Online-Verfahren ersetzt werden können, wobei der Kandidat die Fragen in einer gesicherten, plattformunabhängigen Web-Applikation beantworten kann. Die Auswertung der Prüfungsantworten erfolgt wie in der etablierten Präsenzvariante durch kompetente und hierfür speziell ausgebildete Assessoren. Die Verwaltung erfolgt durch die Geschäftsstelle analog zu den bestehenden Verfahren. Dies bedeutet, dass sich sowohl für Kandidaten als auch Assessoren lediglich die Darreichungsform des Wissenstests ändert, und die Anreise zum Prüfungsort entfällt. Folgende Liefergegenstände sollen bis Ende April vorliegen: 1. Ein erprobter und pilotierter Prozess zur Durchführung von web-basierten schriftlichen Prüfungen in der Basis-Zertifizierung und der Zertifizierung zum Level D 2. Die Dokumentation des Prozesses in Form eines Betriebs- und Benutzerhandbuchs 3. Die hierfür notwendige Softwarelösung 4. Alle Dateien, Formulare und Dokumente, welche mindestens zum Betrieb des Prozesses notwendig sind Folgende Punkte gehören nicht zum Projekt (Nicht-Ziele): 1. Durchführung des Regelbetriebs 2. Optimierung des Prozesses 3. Anpassung der Prozesse an Neuentwicklungen Funktionalitäten, welche über das MVP hinaus gehen, werden in einer Optimierungsphase während des Regelbetriebs eingepflegt. Entsprechende Projekte können nach Auswertung der Erfahrung und der Kandidatenrückmeldung nach Bedarf beantragt und durch den normalen Auswahlprozess der GPM/ PM-ZERT priorisiert und beauftragt werden. Umsetzung Erste Sondierungsgespräche mit externen Institutionen haben bereits stattgefunden und wertvolle Erkenntnisse geliefert. So fand ich mich kürzlich in einem langen Meeting mit einem gut befreundeten Institut in Taipeh, Taiwan, welches vor wenigen Monaten mit einer eigenen Online-Lösung für Prüfungen an den Markt gegangen ist. Obschon es sich hierbei nicht um Projektmanagement-Zertifizierungen handelt, sondern um Sprachausbildung, sind die Anforderungen an Online-Prüfungen durchaus vergleichbar: Es gibt verschiedene Level mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden, Assessoren und Institutspersonal müssen spezielles Fachwissen zur Durchführung und Beaufsichtigung der Prüfung mitbringen, Betrugsversuche durch Kandidaten müssen nach dem Stand der Technik verhindert werden und der Umfang der Abschlussprüfung entspricht in etwa dem einer schriftlichen Prüfung der PM-ZERT. Darüber hinaus sind die Anforderungen an Datenschutz in Taiwan ebenso streng wie in Europa. Das Gespräch hat gezeigt, dass es mehrere mögliche Lösungen zu Prozessen und geeigneter Software gibt. Meine so wunderbar hilfsbereiten und hochprofessionellen Freunde aus Taipeh Dr. Hannes S. Griebel Luft- und Raumfahrtingenieur London, UK Als Ingenieur für Raumfahrttechnik und Experte für Planetenerkundung hat Dr. Griebel lange Jahre die Entwicklung und den Betrieb von Raumsonden und Hyperschall Flugkörpern geleitet. Darüber hinaus ist Dr. Griebel ein international anerkannter Experte für Flugbetrieb und Sicherheit in der Zivil-Luftfahrt. Mit Hauptsitz in London ist Dr. Griebel weltweit als Berater für Luftfahrt, Raumfahrt, Projekt- und Produktmanagement im Einsatz. Hannes Griebel ist Assessor im Auftrag der PM-ZERT, Key Account Manager für die IPMA Global Company Infineon und seit 2012 zertifizierter Level B Senior Projektmanager. E-Mail: hsg@griebelaerospace.com Website: www.griebelaerospace.com Kontakt zur PM-ZERT Website: www.gpm-ipma.de/ zertifizierung.html haben dabei auch ihre Erfahrung mit der Einführung und der Umsetzung des Vorhabens mit uns geteilt, sodass wir nun in der Lage sind, bestimmte Lessons Learned bereits mitzunehmen. Weitere Gespräche dieser Art, unter anderem mit Firmen und anderen IPMA-Mitgliedsorganisationen, sind bereits für die kommende Woche geplant, sodass wir wie erwartet Mitte April eine Entscheidung hinsichtlich der engeren Auswahl der technischen Lösung treffen können. Läuft alles weiter wie geplant, soll mit diesen Ergebnissen bis Mitte April eine Entscheidung über die zu implementierende Lösung getroffen werden, womit die Test- und Pilotierungsphase pünktlich Ende April zum Abschluss kommen kann. Zusammenfassung Mit der Entwicklung von Online-Prüfungsoptionen für IP- MA-4LC-Zertifizierungen, welche in Anspruch und Qualität den Papier-basierten Standard-Optionen entsprechen, bedient die PM-ZERT gleich zwei Zielgruppen: zum einen Kandidaten, welche aufgrund der aktuellen globalen Quarantänesituation ihre PM Zertifizierung nicht wie geplant durchführen oder beenden können. Und zum anderen bedient die PM- ZERT diejenigen Kandidaten, welche aufgrund ihrer beruflichen oder gesundheitlichen Situation ohnehin nicht an einer Präsenzveranstaltung in Deutschland teilnehmen können. Somit reagiert die PM-ZERT zügig und zeitgemäß auf die Bedürfnisse einer drastisch veränderten Situation, und schafft gleichzeitig eine nachhaltige und zukunftsfähige Zertifizierungsoption für alle Kandidaten weit über die gegenwärtige Krise hinaus. Die Analyse von technischen und prozessualen Lösungsoptionen mit Hilfe von erfahrenen und befreundeten Instituten hat gezeigt, dass der angestrebte Zeitplan realistisch ist und dass geeignete Lösungen am Markt bereits existieren. Somit steht der erfolgreichen Implementierung nun nichts mehr im Wege. Eingangsabbildung: ©iStock.com/ SvetaZi GPM-Themen | Online-Zertifizierungslösungen für Projektmanager 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0030 10_Griebel.indd 58 28.04.2020 14: 39: 29 So viel verdienen Projektmanagerinnen und Projektmanager im Jahr 2019 Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement Christoph Schneider, Yvonne Schoper, Christine Treiber, Andreas Wald Für eilige Leser | An der aktuellen Gehaltsstudie 2019 beteiligten sich 1.650 Personen, so viele wie noch nie seit Beginn der Studienreihe. Auch der Anteil der Frauen erreichte mit 23 % den höchsten Wert seit Beginn der Studienreihe. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt lag 2019 in Deutschland einschließlich aller leistungsorientierter Bezüge bei 87-TEUR, was im Vergleich zu 2017 einer Steigerung von 9-% entspricht. Dabei entfallen 91-% auf das Fixgehalt und 9-% auf flexible Bezüge. Die besten Verdienstmöglichkeiten bestehen in der Automobilindustrie und in Großunternehmen, den stärksten Einfluss auf das Gehalt haben die Hierarchiestufe und die Berufserfahrung. In der aktuellen Studie lässt sich wie zuvor ein deutlicher Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen feststellen, der aktuell bei 11,3-% zum Nachteil der Frauen liegt. Erstmals wurden agile Vorgehensmodelle abgefragt, die inzwischen in vielen Unternehmen Anwendung finden. Dabei können wir nachweisen, dass unter volatilen Projektrahmenbedingungen der Einsatz agiler Ansätze einen positiven Einfluss auf den Erfolg von Projekten hat. Schlagwörter | Gehaltsstudie, Gerechtigkeitsdefizit, Jahresgesamtgehalt, Einkommensunterschied Zielsetzung, Vorgehensweise und Stichprobe Wie viel verdienen Projektmanagerinnen und Projektmanager unter Berücksichtigung ihrer Position, ihrer Qualifikation sowie ihrer Branchen- und Unternehmenszugehörigkeit? Die Beantwortung dieser Fragen ist Kern der seit 2005 im zweijährigen Rhythmus durchgeführten Gehalts- und Karrierestudie. Die Ergebnisse sollen gleichermaßen für im Projektmanagement tätige Personen und Unternehmen zur Orientierung dienen. Die stetig steigende Teilnehmerzahl und das große Interesse an den Ergebnissen belegen die hohe Bedeutung dieser Studienreihe: Bei der ersten Studie 2005 hatten sich 213 Personen an der Online-Befragung beteiligt, in der aktuellen Studie sind es 1.650, davon 1.199 aus Deutschland. Die restlichen Teilnehmer stammten aus Österreich (346), der Schweiz (65) und einigen weiteren Ländern (11). In den folgenden Ausführungen wird der Fokus ausschließlich auf die Antworten aus Deutschland gelegt. An der Studie beteiligten sich in Deutschland 23,5- % Frauen, so viele wie noch nie seit Beginn der Studienreihe. Das durchschnittliche Alter lag bei 41 Jahren, dieser Altersdurchschnitt ist in allen Studien annähernd konstant geblieben. Der Akademikeranteil in der Stichprobe ist sehr hoch. Der überwiegende Teil der Befragten verfügt über einen Studienabschluss (82- %), der primär im Ingenieurswesen (37-%) und in den Wirtschaftswissenschaften (32-%) absolviert wurde. Weitere 13- % haben Mathematik beziehungsweise Informatik studiert, 9-% stammen aus den Naturwissenschaften und 6- % aus den Sozialwissenschaften. Der Branchenschwerpunkt der Befragten liegt in der Dienstleistungsindustrie (27- %), gefolgt vom IT-/ Telekommunikationssektor (17- %), dem produzierenden Gewerbe (10- %), der Automobilindustrie (9- %) und dem Anlagen-/ Maschinenbau (6-%). Alle anderen Wirtschaftszweige sind mit 6-% oder einem geringeren Anteil vertreten. Über die Hälfte der Studienteilnehmer sind in Großunternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern oder einem Umsatz von über 100 Millionen Euro beschäftigt. In Kleinunternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern oder einem Umsatz von höchstens zehn Millionen Euro sind 16-% beschäftigt. GPM-Themen Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0026 31. Jahrgang · 02/ 2020 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 59 28.04.2020 14: 40: 15 Gehaltsstrukturen im Projektmanagement Die Höhe des Gehalts wird von einer Vielzahl verschiedener Faktoren bestimmt. Diese Faktoren sind teilweise individuell beeinflussbar wie zum Beispiel die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, die Übernahme von Verantwortung oder die Entwicklung spezifischer Berufserfahrung. Teilweise handelt es sich um strukturelle Rahmenbedingungen wie die Unternehmensgröße oder die Branche. Schließlich spielen auch nicht beeinflussbare persönliche Merkmale eine Rolle wie Geschlecht, Berufserfahrung oder Alter. In den folgenden Ausführungen wird das Alter aufgrund einer hohen statistischen Übereinstimmung über die Berufserfahrung moderiert. Das Jahresgesamtgehalt wurde aus dem festen monatlichen Grundgehalt (brutto), flexiblen Bezügen wie leistungsbezogenen Gehaltsanteilen, Sonderzahlungen, Prämien, vermögenswirksamen Leistungen sowie sonstigen Leistungen wie Dienstfahrzeug, Diensthandy oder sonstige Sachbezüge berechnet. Die Angaben von Teilzeitbeschäftigten wurden auf Angaben für Vollzeitbeschäftigte hochgerechnet. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt (brutto) inklusive aller flexiblen Bezüge und Sonderzahlungen lag 2019 in Deutschland im Durchschnitt bei 87- TEUR. Davon entfielen 91- % auf das Grundgehalt und 9- % auf die flexiblen Entlohnungsanteile (vgl. Tab. 1). Gegenüber 2017 verdienen Projektmanager in Deutschland etwa 7.000 Euro mehr, was einer Steigerung um ca. 9-% entspricht. Ein Blick auf die Standardabweichung zeigt eine ausgeprägte Spreizung zwischen den unteren und den oberen Einkommen. Welche Faktoren für diese Unterschiede verantwortlich sind, werden wir in den folgenden Analysen aufzeigen. Abbildung 1: Einflussfaktoren auf das Gehalt Abbildung 2: Zusammensetzung des Jahresgesamtgehalts Tabelle 1: Grundgehalt und leistungsbezogene Entlohnungsanteile 2019 GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 60 28.04.2020 14: 40: 16 Strukturelle Einflussfaktoren: Branche und Unternehmensgröße Zu den individuell wenig beeinflussbaren Rahmenbedingungen, die einen Einfluss auf das Gehalt haben können, gehören Branche und Unternehmensgröße. Die Daten zeigen, dass in Deutschland die Branche starke Auswirkungen auf die Höhe des Gehalts hat. Zwischen der Automobilindustrie, in der die höchsten Gehälter erzielt werden können (107- TEUR), und dem IT-/ Telekommunikationssektor (73-TEUR), in der die geringsten Gehälter zu verzeichnen sind, liegen 34- TEUR Differenz. Grundsätzlich scheinen die Verdienstmöglichkeiten in Unternehmen des produzieren- Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Gehalt und Unternehmensgröße Abbildung 3: Gehaltsstruktur nach Branchen den Gewerbes wie Pharma/ Chemie, Elektrotechnik oder Maschinen- und Anlagenbau sowie im Finanzdienstleistungssektor besser zu sein als im Transportwesen, der Logistik, im Baugewerbe oder dem Dienstleistungssektor außerhalb der Finanzindustrie. Ein weiterer Einflussfaktor für die Höhe des Gehalts ist die Unternehmensgröße. Im Durchschnitt verdienen Projektmitarbeiter mit zunehmender Unternehmensgröße mehr: Während Projektmanagerinnen und Projektmanager in Unternehmen mit maximal 100 Mitarbeitern oder einem Umsatz von bis zu 50 Mio. Euro durchschnittlich etwa 77 TEUR verdienen, beläuft sich dieser Betrag in Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern oder mehr als einer Milliarde Umsatz auf etwa 100-TEUR. Zusammenhang von Geschlecht und Gehalt In den vorangegangenen Gehaltsstudien hatten wir im Berufsfeld Projektmanagement einen eklatanten Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen festgestellt, der in der Spitze im Jahr 2015 fast 24- % in Deutschland [GPM 2015] und 2017 14- % betrug [GPM 2017]. Auch in der aktuellen Befragung lässt sich diese geschlechtsspezifische Gehaltslücke nachweisen: Im Durchschnitt verdienen Frauen in Deutschland (um Teilzeitanteile bereinigt) mehr als 11-% weniger als Männer. Beim Fixgehalt liegt der Unterschied bei 9-%, bei den variablen Gehaltsbestandteilen beträgt er sogar 37-% (vgl. Tab. 3). Um auszuschließen, dass dieser Gender Pay Gap auf eine zufällige Ungleichverteilung verschiedener Einflussfaktoren zurückzuführen ist, wurde der geschlechtsspezifische Gehaltsunterschied nach verschiedenen Kriterien wie beispielsweise Projektmanagement-Hierarchiestufe, Verantwortungsbereich und Berufserfahrung analysiert. GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 61 28.04.2020 14: 40: 17 Tabelle 2: Gehaltsstruktur nach Geschlecht Tabelle 3: Gehaltsstruktur nach Geschlecht und PM-Stufe Abbildung 5: Berufserfahrung, Geschlecht und Einkommen Auch diese differenzierten Analysen bestätigen die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen. Eine nach Projektmanagementstufe (PM-Stufe) differenzierte Analyse zeigt, dass Männer in fast jeder PM-Stufe mehr verdienen als Frauen. Am stärksten ist der Unterschied auf der höchsten Stufe, der der Partner, Projekt-Direktoren oder Leiter eines PMO: Hier beträgt der Unterschied 26,3- % (vgl. Tab. 3). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Analyse nach Berufserfahrung im Projektmanagement. Grundsätzlich wirkt sich der Aufbau spezifischer Berufserfahrung im Projektmanagement stark positiv auf die Höhe des Gehalts aus. Ein differenzierter Blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede zeigt aber, dass Frauen in Deutschland in nahezu allen Jahreskohorten weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen-- bis auf zwei Ausnahmen: In der Einstiegskohorte bis zwei Jahre Berufserfahrung liegen beide Geschlechter in Deutschland nahezu gleichauf. Die zweite Ausnahme ist die Kohorte mit 16 bis 20 Jahren Berufserfahrung, hier verdienen die Studienteilnehmerinnen sogar signifikant mehr als die Studienteilnehmer. Am stärksten geht die Gehaltsschere in der Kohorte zwischen 11 und 15 Jahren Berufserfahrung auseinander, hier beträgt der Gehaltsunterschied 16,7- % (vgl. Abb. 5). GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 62 28.04.2020 14: 40: 19 Beeinflussbare Einflussfaktoren: PM-Stufe, Verantwortung, PM-Ebene, Berufserfahrung, Zertifizierung Neben den strukturellen Rahmenbedingungen wie Branche oder Unternehmensgröße und den persönlichen Merkmalen wie Berufserfahrung und Geschlecht ist das Gehalt in nicht unerheblichem Maße durch eigene Maßnahmen bestimmt, wie den Weiterbildungsaktivitäten, der Übernahme von Verantwortung, der Wahl der Projektebene (Einzelprojekte, Multiprojektmanagement, Programmmanagement, Projektportfolioebene), der Weiterentwicklung von Methodenkompetenzen oder dem Aufstieg auf eine höhere Projektmanagementstufe. Das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt ist- - wie auch später noch zu sehen sein wird-- in maßgeblicher Weise von der Projektmanagementstufe abhängig. Nach GPM/ IPMA gibt es fünf Projektmanagementstufen. Während das Jahresgehalt in der Einstiegsstufe (5. Stufe, Projektassistenz) inklusive aller Zusatzleistungen 61- TEUR beträgt, verfügen Projektdirektoren (1. Stufe) über ein jährliches Einkommen von 124- TEUR (vgl. Tab. 4). Der größte Sprung von ca. 28- TEUR ist zwischen Stufe 3 (Projektleiter) Tabelle 4: Gehaltsstruktur nach Projektmanagementstufe Abbildung 6: Jahresgesamtgehalt nach Verantwortung GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 63 28.04.2020 14: 40: 20 Abbildung 7: Jahresgesamtgehalt nach Projektebene und Stufe- 2 (Senior-Projektleiter) zu verzeichnen. Der variable Anteil („sonstige Leistungen“) steigt mit zunehmender PM-Stufe kontinuierlich an. Während dieser Anteil auf der 5. Stufe 5 % beträgt, liegt er bei PM-Direktoren bei 13-%. Auch hier ist der Sprung von der 3. Stufe auf die 2. Stufe am stärksten ausgeprägt. Mit zunehmender Übernahme von Verantwortung steigt das durchschnittliche Jahresgehalt der Mitarbeiter im Projektmanagement kontinuierlich an (vgl. Abb. 6). Während Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung durchschnittlich 60- TEUR im Jahr verdienen, liegt das Durchschnittsgehalt bei Mitarbeitern mit vollumfänglicher Verantwortung bei 121-TEUR pro Jahr. Insbesondere der Sprung von keiner Führungsverantwortung in die Verantwortlichkeit und hier vor allem in die disziplinarische Führungsverantwortung führt zu deutlich höheren Gehältern. Auch die Projektebene, das heißt ob Projektmanagerinnen und Projektmanager auf der Ebene von Einzelprojekten, im Multiprojektmanagement, im Programmmanagement oder auf Projektportfolioebene aktiv sind, hat einen deutlichen Einfluss auf die Höhe des Gehalts. Die höchsten Gehälter können im Programmmanagement erzielt werden, dort liegen Abbildung 8: Zusammenhang zwischen Gehalt und Zertifizierungsstand GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 64 28.04.2020 14: 40: 21 Abbildung 10: Regressionsanalyse: Stärke verschiedener Einflussfaktoren auf das Gehalt Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Gehalt und Kompetenzen in agilen Methoden die durchschnittlichen Jahresgesamtgehälter bei 108- TEUR, auf Projektportfolioebene bei 105-TEUR und im Multiprojektmanagement bei 85- TEUR, während die durchschnittlichen Gehälter auf Einzelprojektebene bei 80-TEUR liegen. Ein nicht eindeutiges Bild ergibt eine Analyse des Gehalts nach dem persönlichen Zertifizierungsstand (vgl. Abb. 8). Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Zertifizierung und der Höhe des Gehalts gibt es bei den beiden höchsten IPMA-Zertifizierungen (Level A und B), dem Zertifikat Project Management Professional (PMP) und den Scrum-Zertifikaten. Ohne Zertifikat liegt das durchschnittliche Gehalt bei über 88- TEUR, was darauf hindeutet, dass die Höhe des Gehalts im Wesentlichen durch andere Faktoren bedingt ist. Zwei Zertifikate deuten darauf hin, dass es lohnenswert ist, sich mit agilen Methoden auseinanderzusetzen: Certified ScrumMaster und Certified Scrum Product Owner. Die Inhaber dieser Zertifikate und insbesondere des Certified Scrum- Masters können überdurchschnittliche Gehälter vorweisen. Dass dieser Zusammenhang nicht durch andere Faktoren überlagert ist, zeigt eine andere Berechnung: In der Onlinebefragung zur aktuellen Studie fragten wir konkret danach, ob agile Methoden (Kanban, Design Thinking, Lean Startup) angewendet werden können. Aus der subjektiven Selbstzuschreibung wurden drei Gruppen gebildet, wobei eine Gruppe geringe bis keine Kompetenzen aufweist, eine Gruppe zumindest über Basiskenntnisse verfügt und eine Gruppe über hohe GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 65 28.04.2020 14: 40: 21 bis sehr hohe Fähigkeiten verfügt, diese agilen Methoden fundiert anzuwenden. Berechnet man für diese drei Gruppen das durchschnittliche Jahresgehalt, erhält man folgendes Ergebnis: Insbesondere die Gruppe mit fundierten Kenntnissen in agilen Methoden kann signifikant höhere Gehälter vorweisen als die Gruppe ohne agile Fähigkeiten (vgl. Abb. 9). Kausalanalyse der Einflussfaktoren auf das Gehalt Wie in den vorangegangenen Ausführungen beschrieben, sind verschiedene Faktoren für die Höhe des Gehaltes verantwortlich, die struktureller, persönlicher oder individueller Art sein können. Um zu überprüfen, welcher dieser Faktoren den stärksten Einfluss auf das Jahresgesamtgehalt hat, wurde eine lineare Regression durchgeführt. Folgende Variablen wurden dabei in der Analyse berücksichtigt: PM-Hierarchiestufe, PM-Bereich, Verantwortungsbereich, Projektgröße, Zertifizierung, Weiterbildung, PM-Berufserfahrung, Unternehmensgröße (nach Umsatzvolumen und Mitarbeiterzahl) und Geschlecht. Aufgrund einer hohen Autokorrelation der Variablen Unternehmensgröße nach Umsatzvolumen und Anzahl der Mitarbeiter wurde letztere Variable aus dem Modell entfernt, diese hatte in den Berechnungen zudem geringere Werte (Beta-Werte). Die Variablen Weiterbildung, PM-Stufe, Projektumfang und Zertifizierung wiesen geringe Werte (Beta-Werte) auf und waren nicht signifikant, sodass auch diese ausgeschlossen wurden. Aus den verbliebenen Variablen wurde schließlich das in Abb. 10 dargestellte Modell berechnet, an dem sich erkennen lässt, wie stark die einzelnen Faktoren die Höhe des Gehalts im Projektmanagement beeinflussen. Insgesamt erklären die in dem Modell berücksichtigten Variablen bei einem hohen Signifikanzniveau (p-≤-0,01) 23-% der Varianz. Das größte Gewicht hat die Projektmanagement-Hierarchiestufe, die unter den Variablen einen Einfluss von 32- % aufweist. Auch die PM-Berufserfahrung mit 28- % und die Unternehmensgröße (21- %) haben einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Gehalts. Agilität in Unternehmen und Projekten Vor dem Hintergrund einer zunehmend volatilen, unsicheren und komplexen Arbeitswelt gewinnt das agile Management zunehmend an Bedeutung. Ursprünglich wurden agile Vorgehensweisen bei der Entwicklung von Softwareentwicklungsprojekten eingesetzt [Sheffield 2012]; sie gewinnen inzwischen auch in anderen Bereichen, insbesondere in Innovationsprojekten an Bedeutung [Lill 2019]. Agile Methoden und Prinzipien beschränken sich nicht auf den Einsatz in Projekten, sondern können auch auf Ebene des gesamten Unternehmens Verwendung finden [Moreira 2017]. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung wurde Agilität in dieser Gehaltsstudie als Schwerpunktthema aufgegriffen. Im Erkenntnisinteresse stand, inwieweit agile Prinzipien mit welchem Ergebnis in den Organisationen zum Einsatz kommen. Dabei wurde darauf geachtet, die Einflussfaktoren- - agiles Mindset und agile Methoden-- vom Ergebnis, der Agilität auf Projektebene, zu trennen. Ebenso separat betrachtet wurden die Volatilität des Projektumfeldes sowie die agilen Kompetenzen der Mitarbeiter (vgl. Abb. 11). Ob und wie sich die einzelnen Faktoren gegenseitig beeinflussen, untersuchten wir als empirische Frage. Dem Model liegt die Annahme zugrunde, dass das agile Mindset und der Einsatz agiler Methoden die Agilität auf Projektebene beeinflussen [Cannon 2017]. Die Agilität auf Projektebene hat insbesondere bei einem volatilen Projektumfeld einen positiven Einfluss auf den Projekterfolg. Zudem wird vermutet, dass die Agilität auf Projektebene auch Auswirkungen auf die Entwicklung agiler Kompetenzen der Mitarbeiter hat. Abbildung 11: Modell von Agilität GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 66 28.04.2020 14: 40: 22 Die Konstrukte wurden-- wie in Abb. 12 dargestellt-- operationalisiert und faktoranalytisch überprüft. Um der Frage nachgehen zu können, in welchem Umfang agile Ansätze bereits eingesetzt werden, wurde aus den drei Konstrukten „Agiles Mindset“, „Agile Methoden“ und „Agilität auf Projektebene“ ein Index Agilität erzeugt und von 0 (keine agilen Ansätze vorhanden) bis 100 (umfassende agile Ausrichtung) standardisiert. Wie die Häufigkeitsverteilung in Abb. 12 zeigt, lassen sich in den meisten Unternehmen zumindest rudimentäre agile Ansätze beobachten. Andererseits erreichen nur 6- % der Unternehmen einen Agilitätsindex von mehr als 70 Punkten, was bedeutet, dass eine stark agile Ausrichtung in Unternehmen eher der Einzelals der Regelfall ist. Agile Ansätze sind dabei einerseits in kleineren Unternehmen und andererseits in Großunternehmen zu beobachten Abbildung 12: Operationalisierung der Konstrukte Abbildung 13: Verbreitung agiler Ansätze GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 67 28.04.2020 14: 40: 22 Abbildung 14: Pfadmodell und Projekterfolg und finden sich am häufigsten in der IT-/ Telekommunikations-Branche wieder (ohne Abbildung) [GPM 2019]. Die aufgestellten Annahmen wurden mittels Kausalanalysen geprüft und konnten alle signifikant bestätigt werden: Das agile Mindset des Managements und der Einsatz agiler Methoden beeinflussen signifikant die Agilität auf Projektebene. Diese hat wiederum-- insbesondere bei volatilen Projektbedingungen-- einen positiven, signifikanten Einfluss auf den Projekterfolg. Zudem konnte die Vermutung bestätigt werden, dass die Agilität auf Projektebene Auswirkungen auf die Entwicklung agiler Kompetenzen der Mitarbeiter hat. Den Ergebnissen zufolge scheinen agile Prinzipien und Methoden eine mögliche Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen einer unsicheren, komplexen und volatilen Arbeitswelt zu sein. Was in der Analyse nicht berücksichtigt wurde und in der weiteren Forschung untersucht werden sollte, ist, bei welchen Projektaufgaben und -bedingungen sich agile Methoden besonders eignen. Resümee Noch nie beteiligten sich so viele Projektmanagerinnen und Projektmanager an der Gehaltsstudie, die im zweijährigen Rhythmus durchgeführt wird. Das ist eine Bestätigung unserer Arbeit und zeigt, dass das Thema Projektmanagement zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Studie kann mit guten und weniger guten Nachrichten aufwarten: Einerseits sind die Gehälter im Projektmanagement seit der letzten Messung 2017 deutlich gestiegen. Andererseits ist-- auch wenn die Differenz nicht mehr ganz so ausgeprägt ist-- der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen nach wie vor gravierend. Es sind weitere Anstrengungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nötig, um dieses Gerechtigkeitsdefizit abzubauen. Neben den Einflussfaktoren auf das Gehalt, wie Branche, Unternehmensgröße, eingenommene Hierarchiestufe, Übernahme von Verantwortung und anderen, fragten wir dieses Mal nach den persönlichen Kompetenzen in agilen Methoden und konnten feststellen, dass Projektmanagerinnen und Projektmanager, die diese Methoden fundiert anwenden können, signifikant mehr verdienen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass agile Herangehensweisen immer stärker an Bedeutung gewinnen und ein persönlicher Kompetenzaufbau darin entsprechend honoriert wird. Darüber hinaus konnten wir auf Unternehmensebene nachweisen, dass die Anwendung agiler Vorgehensweisen insbesondere bei volatilen Projektbedingungen zu höheren Projekterfolgen führt. Quellenverzeichnis [Cannon 2017] Cannon, F.; Elford, N. (2017): The Agility Mindset. How reframing flexible working delivers competitive advantage. Basingstoke: Palgrave Macmillan. [GPM 2019] Schneider, C.; Schoper, Y; Treiber, C.; Wald, A. (2020): Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2019. 7. GPM Gehaltsstudie. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [GPM 2017] Gröber, M.; Scheurer, S.; Schneider, C.; Wald, A. (2017): Gehalt und Karriere im Projektmanagement in Deutschland und Österreich. 6. GPM Gehaltsstudie 2017. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [GPM 2015] Futterer, F.; Schneider, C.; Schoper, Y.; Spannuth, T.; Wald, A. (2015): Gehalt und Karriere im Projektma- GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 68 28.04.2020 14: 40: 22 Christoph Schneider Christoph Schneider studierte Soziologie und Politische Wissenschaften an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg. Seit 2007 ist er als Forschungsdirektor am Strascheg Institute for Innovation and Entrepreneurship (SIIE) der EBS Universität für Wirtschaft und Recht tätig. In Kooperation mit der GPM leitete er viele Studien zum Thema Projektmanagement wie z.B. die Makroökonomische Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland (2015), die Gehalts- und Karrierestudie im Projektmanagement (2013, 2015, 2017), Mit Projekten Unternehmen erfolgreich führen (2012), Global Project Management Survey (2010), Potentiale und Bedeutung des Projektmanagements aus der Perspektive des Topmanagements (2009). Anschrift EBS Business School, Rheingaustraße 1, 65375 Oestrich- Winkel Tel.: +49 (0) 611 7102 13 67 E-Mail: ch.schneider@ebs.edu Prof. Dr. Yvonne Schoper Yvonne Schoper ist Professorin für Internationales Management an der HTW Berlin und Gastprofessorin der University of Reykjavik und der Tongji Universität in Shanghai. Sie vertritt seit 2013 die GPM im internationalen Dachverband IPMA, leitet seit 2015 die DACH-Forschungswerkstatt und den Deutschen Studienpreis Projektmanagement und ist seit 2019 Präsidialrätin der GPM. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Projektifizierung, Interkulturelles Projektmanagement und Diversity Management. Sie ist Gastherausgeberin und Autorin von mehreren Aufsätzen im International Journal of Project Management und im International Journal of Managing Projects in Business. HTW Berlin Hochschule für Technik und Wirtschaft Tel.: +49 (0)-30 5019 2646 E-Mail: yvonne.schoper@htw-berlin.de Christine Treiber Christine Treiber studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg. Seit 2019 ist sie als Projektmanagerin im Projekt Management Office der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. tätig. Hier leitet sie Projekte des Portfolios, so auch die Umsetzung der Gehaltsstudie 2019. Darüber hinaus unterstützt Christine Treiber Projektmanagerinnen und Projektmanager in der Linienorganisation der GPM methodisch und das PMO bei der Portfolio-Planung und -Steuerung. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Tel.: +49 (0) 911 4333 69-73 E-Mail: c.treiber@gpm-ipma.de Prof. Dr. Andreas Wald Andreas Wald ist Professor für Strategie an der School of Business and Law der University of Agder (Norwegen) und Adjunct Professor and EBS Business School der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Temporäre Organisationen, Organisatorische Netzwerke und Innovation. Er ist Mitherausgeber der Buchreihe Advanced Project Management sowie Autor einer Vielzahl von Aufsätzen zum Projektmanagement. Seine Arbeiten erscheinen unter anderem in wissenschaftlichen Zeitschriften wie Project Management Journal , International Journal of Project Management, International Journal of Project Organisation and Management und International Journal of Managing Projects in Business . School of Business and Law, University of Agder, Universitetsveien 25, 4630 Kristiansand, Norway Tel.: +47-957 32342 E-Mail: andreas.wald@uia.no nagement in Deutschland und Österreich. 5. GPM Gehaltsstudie 2015. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [Lill 2019] Lill, P. A.; Wald, A.; Gleich, R. (2019): Agility and the Role of Project-Internal Control Systems for Innovation Project Performance. International Journal of Innovation Management , https: / / doi.org/ 10.1142/ S1363919620500644. [Moreira 2017] Moreira, M. E. (2017): The Agile Enterprise: Building and Running Agile Organizations (1st ed.). Berkeley, CA, USA: Apress. [Sheffield 2013] Sheffield, J.; Lemétayer, J. (2013): Factors associated with the software development agility of successful projects. International Journal of Project Management , Vol. 31, No. 3, pp. 459-472. Eingangsabbildung: © iStockphoto/ MicroStockHub GPM-Themen | Ergebnisse der 7. GPM Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0026 11_Schneider.indd 69 28.04.2020 14: 40: 23 GPM und VDE schließen Kooperationsvereinbarung - und bieten Doppelmitgliedschaft an Die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V und der VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. haben ihren Wunsch nach einer strategischen Partnerschaft offiziell besiegelt. Die beiden Verbände unterstreichen mit ihrer Kooperation die große und ständig wachsende Bedeutung professionellen Projektmanagements für die Elektro- und Informationstechnik, insbesondere in zentralen Themenfeldern wie beispielsweise Digitalisierung, Energie und Mobilität, Industrie 4.0 oder Smart Cities. Zahlreiche gemeinsame Aktivitäten - die Durchführung von Veranstaltungen und Konferenzen, gemeinsame Veröffentlichungen, die Erstellung von Bildungsmaterialien, aber auch die gemeinsame Mitgliederwerbung - sind im Rahmen der Zusammenarbeit geplant. So ist ein zentraler Bestandteil der Kooperation die Einführung einer Doppelmitgliedschaft: Persönliche Mitglieder der GPM beziehungsweise des VDE können beim jeweils anderen Verein zu einem Sonderbeitragssatz Mitglied werden. Hierdurch wollen die beiden Verbände einen Anreiz schaffen, das gemeinsame Kompetenznetzwerk und den fachlichen Austausch von Elektrotechnikern und Projektmanagern zu stärken. Bei der Unterzeichnung der Kooperation erklärten Ansgar Hinz, CEO des VDE, und GPM Präsident Prof. Dr. Helmut Klausing: „Unsere Mitglieder profitieren künftig von den Vorteilen beider Organisationen. Im Netzwerk des VDE engagieren sich über 100.000, im Netzwerk der GPM über 8.000 Expertinnen und Experten. Sie alle eint ein Ziel: Zukunft verantwortungsbewusst zu gestalten. Dazu zählen auch der Wissenstransfer und die Weiterbildung, denn wir lernen ein Leben lang. Wir freuen uns, unser Netzwerk zu vergrößern und zu stärken.“ Die Vereinbarung tritt mit Wirkung zum 01. April in Kraft und läuft auf unbestimmte Zeit. Aus den DACH-Verbänden GPM intern DOI 10.2357/ PM-2020-0030 31. Jahrgang · 02/ 2020 GPM Fachgruppen Die Fachgruppen der GPM bearbeiten spezifische Aspekte des Projektmanagements. Sie greifen aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement auf, systematisieren diese und entwickeln sie kontinuierlich weiter. Je nach Thema verfolgen die Gruppen einen branchen- oder fachspezifischen Ansatz. Fachleute bringen ihr Know-how und ihre Erfahrungen in die Fachgruppenarbeit ein, tauschen sich bei Veranstaltungen regelmäßig aus und entwickeln so neues Know-how (u.a. Analysen, Konzepte, Standards, Produkte, Fachartikel und -bücher). Weitere Informationen sowie Ansprechpartner der einzelnen Fachgruppen finden Sie unter https: / / www.gpm-ipma.de/ know_how/ fachgruppen.html GPM Regionalgruppen Die derzeit 39 GPM Regionen vertreten den Verband lokal, bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch und ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Die GPM Regionen leisten damit wichtige Projektmanagement-Basisarbeit. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Regionalgruppen finden Sie unter https: / / www.gpmipma.de/ ueber_uns/ regionen.html Aus den DACH-Verbänden | GPM intern 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0030 11a_NEU.indd 70 28.04.2020 14: 41: 57 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern 71 DOI 10.2357/ PM-2020-0030 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM Hochschule Niederrhein www.hsnr.de Hochschule für angewandte Wissenschaften: Bildung und Weiterbildung in mehr als 80 Bachelor- und Masterstudiengängen in 10 Fachbereichen an den Standorten Mönchengladbach und Krefeld Projektmanagement als Pflichtfach und Wahlpflichtfach in grundständigen Studiengängen (z.B. Informatik, Wirtschaftsinformatik) Informationsaustausch / Bereitstellung von Unterlagen / Möglichkeit zum Erwerb von Zertifikaten durch die Studierenden Duale Hochschule Gera-Eisenach www.dhge.de Die Duale Hochschule Gera-Eisenach (DHGE) ist eine staatliche Hochschule des Freistaates Thüringen, die auf duale praxisintegrierende Studiengänge spezialisiert ist. An ihren beiden Standorten bietet die DHGE in Kooperation mit über 1.600 Unternehmen und Einrichtungen eine Vielzahl von akkreditierten Bachelor-Studiengängen in den Bereichen Wirtschaft, Technik und Soziales an. Projektmanagement ist in ausgeprägter Form in der Mehrzahl der Studienangebote integriert. In den Praxisphasen werden während eines Studiums mehrere Vorhaben des jeweiligen Praxispartners in Projektform durch die Studierenden betreut bzw. realisiert. Somit wird theoretisch erworbenes Wissen unmittelbar praktisch genutzt. Das Basiszertifikat wird seit 2014 regelmäßig in das Studium integriert. Besonderes Interesse besteht an Impulsen und Erfahrungen für das Lehrgebiet Projektmanagement sowie die fachbezogene Vernetzung mit anderen Einrichtungen / Unternehmen. Wichert Management und Unternehmensbeteiligung GmbH Wir haben uns auf das Thema Projekt- und Unternehmensmanagement spezialisiert und sehen uns als Businesspartner an Ihrer Seite. Wir planen, steuern und begleiten Veränderungen oder Realisierungen in Unternehmen. Das Planen, Steuern und Koordinieren sind unsere größten Themen für unsere Kunden. Hier sehen wir den Austausch von Themen und Vorhaben im Bereich Projektmanagement sowie den Bereich Training bzw. Schulung. Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Über die GPM GPM Mitglieder: 8.000 Davon Firmenmitglieder: 415 Aus den DACH-Verbänden GPM intern DOI 10.2357/ PM-2020-0030 31. Jahrgang · 02/ 2020 Teilnehmer am Lehrgang „Projektmanagement-Fachmann“: 39.200 Durch PM-ZERT vergebene Projektmanagement-Zertifikate insgesamt: 58.534 Stand: 16. 04. 2020 11b_GPM_intern.indd 71 28.04.2020 14: 42: 29 Was tut sich? pma Aktivitäten NEU: pma / IPMA® Zertifizierungen ab sofort online Nach dem Motto: „Zertifizierung - aber sicher! “ finden bei pma bis auf Weiteres alle Zertifizierungen nach IPMA® (Level D, C, B und Level A) ausschließlich im Online-Modus statt. Nutzen Sie die Krise als Chance. Alle Informationen finden Sie unter pma.at/ zertifizierung Aus den DACH-Verbänden PMA intern DOI 10.2357/ PM-2020-0031 31. Jahrgang · 02/ 2020 Parlamentsvizedirektor Alexis Wintoniak (li) und Projektleiter Erich Schöfbeck (re) mit Alexander Vollnhofer, pma- Geschäftsstellenleiter Foto: © pma Projekt mit Geschichte - pma quarterly auf Zeitreise Den Auftakt der Veranstaltungsreihe 2020 machte pma mit einem besonderen Event: Im Jugendstil-Ambiente erhielten pma Mitglieder aus erster Hand Einblick in die komplexe-Sanierung des Österreichischen Parlaments. Der informative und anekdotenreiche Vortrag verdeutlichte, wie wichtig neben der Projektorganisation der Faktor Mensch ist. Werte wie Vertrauen oder wertschätzende Kommunikation sind gerade angesichts der Vielzahl involvierter Stakeholder substanziell und haben auch bei der Sanierung des historischen Gebäudes einen besonderen Stellenwert. Schließlich zählen neben Auflagen für den Denkmalschutz, Brandschutzbestimmungen oder die Sicherstellung von Barrierefreiheit das große öffentliche und politische Interesse zu den besonderen Herausforderungen, die es mit fachlicher Kompetenz und Feingefühl zu meistern gilt. Die Gäste des pma quarterly hatten jedenfalls keinen Zweifel am Erfolg des Großprojekts und daran, dass der historische Bau am Ring auch weiterhin Geschichte schreiben wird. Standpunkt Mag. Brigitte Schaden, Präsidentin Projekt Management Austria (pma) „Get stuff done“ - von PM lernen Projekte sind vielfach integraler Bestandteil für die Umsetzung der Unternehmensstrategie. Vergessen wir dabei nicht: umgesetzt werden sie von und mit Menschen. Damit werden Kompetenzen von Projektmanager*innen zur entscheidenden Ressource für den Unternehmenserfolg. Doch was umfassen diese Kompetenzen? Sie stehen für Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen. Ob fachliche Expertise oder soziale Kompetenz - am Schluss geht es darum, gewünschte Unternehmensziele zu realisieren. „Get stuff done“ - lautet die Botschaft. Sie richtet sich an Projektmanager*innen genauso wie an Expert*innen, Führungskräfte und Mitarbeiter*innen in der Linie. Die VUCA Welt erlaubt längst kein Schubladendenken mehr. Sie verlangt nach einem breiten Methodenkoffer und Bereitschaft zu lernen. Sie erfordert Resilienz und fordert von uns als Individuen ein, was seit jeher zentraler Bestandteil erfolgreichen Projektmanagements ist: Lösungskompetenz, Selbstreflexion und der Wille, Veränderung aktiv zu gestalten. Foto: ©pma/ L. Schedl Vor den Vorhang! pma Mitglieder Mit knapp 1.200 Mitgliedern ist pma die größte PM-Vereinigung Österreichs. Wir stellen vor: adesso Austria GmbH Businesspark MARXIMUM Modecenterstraße 17, 1110 Wien www.adesso.at Hauptgeschäft Als Digitalisierungspartner verbindet adesso moderne Methodik und Technologie mit Branchen-Know-how. Die Konzeption und Umsetzung unserer Softwareprojekte erfolgen mit Leidenschaft, ausgeprägter Kundenorientierung und hoher Flexibilität. PM-Aufgaben & Bedeutung Kunden wollen Projekte „in budget, time and quality“. Agiles Vorgehen und zuverlässige Planung bei unklaren Anforderungen sind ebenso gefordert. adesso setzt auf langjährige PM-Erfahrung, bietet ihren Kunden den passenden Methodenmix und den Mitarbeitenden die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt. Aus den DACH-Verbänden | PMA intern 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0031 12_PMA.indd 72 28.04.2020 14: 43: 10 Projektmanagement in der Forschung - GPM und spm testen innovative Methoden Obwohl über 90% wissenschaftlicher Arbeit in Form von Projekten erfolgt, ist deren Durchführung doch vorwiegend von Tradition und Intuition geprägt. Mit einem „Exploratory Symposium“ der GPM und spm konnten Referenten den Nutzen innovativer PM-Verfahren mit 55 Wissenschaftlern am Helmholtz Zentrum München erfolgreich testen. Laut GPM-Präsident Prof. Klausing ermutigen die Ergebnisse zu weiteren Vereinstätigkeiten in diesem Bereich hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Ohne Forschung und Innovation können die Herausforderungen unserer Gesellschaft nicht gelöst werden, so Prof. Klausing in seiner Eröffnungsrede. Bisherige Versuche, traditionelle Verfahren des Projektmanagements in der Wissenschaft einzusetzen, haben oft abweisende Reaktionen ausgelöst. Die Initiatoren des Symposiums schauten sich den in der Forschung typischen Mix von Agilität und Struktur genauer an. Ziel des Symposiums war es, einen Werkzeugkasten an modernen Methoden anzubieten, die sowohl die Effizienz der Forschung als auch die Zufriedenheit der Forscher steigern. Für das zweitägige Symposium wurden fünf bewährte Methoden ausgewählt und in Gruppenarbeit ausführlich auf Praxistauglichkeit getestet. Die Methoden umfassten am ersten Tag Design Thinking, Project Canvas, Lean Start-up, und am zweiten Tag Scrum sowie Kanban und deren Anwendung für die Forschung. Zuerst wurde die jeweilige Methode von verschiedenen Referenten aus Wissenschaft (Prof. Dr. Holger Timinger und Martina Blust, HAW Landshut; Dr. Wolfgang Glitscher, TU Berlin; Prof. Dr. Harald Wehnes, JMU Würzburg; Bettina Mueller, RISE Research Institutes of Sweden ) und zum Teil der Wirtschaft (Christoph Schmaltz, thinknext, München; Dr. Sandra Dierig, einszeit managementberatung & coaching; Ellen Hermens, Pentasys AG) ausführlich vorgestellt und im Aus den DACH-Verbänden SPM intern DOI 10.2357/ PM-2020-0032 31. Jahrgang · 02/ 2020 Fishbowl, Autor Uwe Haass, RoboConsult Anschluss auf aktuelle bzw. geplante Forschungsprojekte der Teilnehmer explorativ angewandt. In der abschliessenden Fishbowl, geleitet von Ellen Hermes, hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, das Erlebte zu reflektieren. Hierbei wurde hervorgehoben, dass zum Beispiel das Project Canvas helfen kann, mit den Partnern das Projekt besser zu verstehen, oder dass Kanban bei der Strukturierung der Teamarbeit wertvolle Hilfe bietet. Das Symposium wurde durch GPM, spm und Helmholtz Zentrum München veranstaltet und von Prof. Dr. Harald Wehnes (GPM), Katrin Reschwamm (spm), Dr. Marcel Scheideler (Helmholtz Zentrum München), Dr. Sandra Dierig (einszeit) und Uwe Haass (RoboConsult) organisiert. Mit den Ergebnissen des Symposiums werben die Initiatoren sowohl für die Erweiterung des Werkzeugkastens als auch deren breitenwirksame Anwendung. Wir danken allen Beteiligten für die erfolgreiche Veranstaltung, besonders Dr. Marcel Scheideler, Helmholtz Zentrum München für die lokale Organisation und Durchführung. Katrin Reschwamm, spm Vorstand Neue Zertifizierungen Die Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement (spm) gratuliert den neuen Zertifizierten: 22 (22 publiziert) IPMA Level B® spm/ VZPM 2019- 02: Beatrice Scarpelli-Oberholzer, Silvia Kaden-Vagt, Reto Schaardt, Omar Ciprietti, Sebastian Goodrick, Martina Hänzi, Thomas Zeder, Hannes Dorfmaier, Alexander Marti, Christoph Mauchle, Gabor Zambo, Herry Steffans, Kevin Kägi, Serena Filgueira, Roberto Compagnino, Stephan Gasser, Claudio Martelli, Thomas Hürlimann, Mirjam Jaun, Nicole Grundmann, Dimitri Gehrig, Marc Henry. 46 (31 publiziert) IPMA Level C® spm/ VZPM 2019-02: Zarina Mehmedagic, Armend Mustafi, Christian Mogus, Alexia Michalon Machorro, Roland Kimmerle, Marco Pfiffner, Bernadette Gaus, Pascal Benz, Ivo Rüegg, Adrian Leuzinger, Besmir Kamberi, Adrian Schweizer, Daniel Neuschel, Martin Esser, Robert Rudolf, Stephan Gelfert, Daniel Rosatti, Guido Kathriner, Albert Carbonell Garcia, Tina Chieregato, Michel Mäusli, Christian Amstalden, Konrad Rudin, Michael Spring, Patrick Hug, Silvan Rytz, Martina Hierle, Manuel Ullrich, Elio Annese, Yves Beytrison, Mario Bopp 976 IPMA Level D® spm/ VZPM 2019-02 Rezertifizierungen Die Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement (spm) gratuliert den Zertifikatsinhabern zur Erneuerung ihres Zertifikats: 1 IPMA Level A® spm/ VZPM 2019-02 37 IPMA Level B® spm/ VZPM 2019-02 23 IPMA Level C® spm/ VZPM 2019-02 66 IPMA Level D® spm/ VZPM 2019-02 Maja Schütz, vzpm Aus den DACH-Verbänden | SPM intern 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0032 13_spm.indd 73 28.04.2020 14: 43: 35 Komplexität in Sicht? Dann nutze sie! Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg trifft Ehrlich nach einer Besprechung. „Es freut mich, wie einfach doch Lösungen in unserer komplexen Zeit sind. Dieselfahrverbote jetzt! Und das ist nur ein Beispiel.“ „So tragen wir nicht zur Lösung aktueller Probleme bei - da wir die Komplexität ignorieren“, entgegnet Ehrlich spöttisch. Priesberg gibt nicht auf. „Nehmen wir doch die Digitalisierung als Beispiel. Ganz wichtig ist es, die Bedeutung und Verwendung von Fachbegriffen zu standardisieren. Und wir haben hier eine ganz einfache Lösung.“ Er holt tief Luft: „Vor einiger Zeit wurde ein simples workflowbasiertes IT-Tool angeschafft, mit dem nun alle Fachbegriffe freizugeben sind. Für jeden neuen Term werden alle Mitglieder der Community per Workflow aufgefordert, diesen zu genehmigen, abzulehnen oder zu ergänzen. Und schon haben wir konsistente Terme. Völlig selbstorganisiert! “ Ehrlich beeindruckt das nicht besonders: „Von solchen Workflows gibt es viele. ‚A fool with a tool is still a fool’. Das gilt auch für Communities.“ Priesberg unterbricht: „Was willst du mir denn damit sagen? Etwa, dass wir uns nicht genügend Gedanken gemacht haben? Das Tool wurde sorgfältig ausgewählt und alle Benutzer geschult. Das war kostenintensiv. Natürlich sind die Erwartungen hoch.“ „Immer schön dran glauben … dann klappt’s schon“, stichelt Ehrlich und fährt fort: „Ich kann dir von einer Datenbank erzählen, bei der wir es auch so gemacht haben. Das Ergebnis war eine Katastrophe, denn die Komplexität war unser Gegner: Nach kurzer Zeit existierte eine Sammlung inkonsistenter und redundanter Begriffe. Es bedurfte viel Zeit, dies zu korrigieren. Den Workflow hatten wir dann gestoppt und ein zentrales Gremium definiert, das bis heute über die Begriffe wacht.“ „Also zurück auf Los“, entgegnet Priesberg ernüchtert, „wir müssen zuerst die Komplexität beseitigen.“ „Sei neugierig auf Komplexität und nutze sie! “ grinst Ehrlich. Er fährt fort: „Sie steckt hier in der Kommunikation: Wer ist diese Community und warum hat sie die Fachbegriffe zu entscheiden? “ Priesberg erwidert: „Wenn wir unsere Computer mit Daten füttern, dann muss festgelegt sein, was diese Daten inhaltlich bedeuten. Und das muss unabhängig von den Personen sein, welche die Daten erzeugen und eingeben. Also müssen Fachexperten - die Community - die Begriffe gemeinsam festlegen. Um den Daten eine Bedeutung zu geben.“ „Wie wirkt sich ein Workflow auf die Community aus? Wird damit die Zusammenarbeit gefördert oder eher individuelle Sichtweisen gefestigt? “, fragt Ehrlich. Priesberg ist ernüchtert: „Wenn du so fragst: Die Community existiert virtuell und hat sich einmal persönlich getroffen, das war’s aber auch schon. Die individuelle Sichtweise wird wahrscheinlich gefestigt, daher erwarte ich uneinheitliche Fachbegriffe.“ Jetzt hat ihn Ehrlich so weit: „Was könnte die Community stärken? “ Priesberg überlegt: „Mit jedem einheitlichen Fachbegriffwird die Firma ein Stück weit digitaler und die Community erreicht Schritt für Schritt ihr Digitalisierungsziel. Aber wo hilft uns jetzt die Komplexität? “ Ehrlich fragt: „Nicht so ungeduldig, das kommt schon noch. Denk’ immer daran: Komplexität ist ein Hebel, den wir verwenden sollten. Welche Hebel gibt es denn? “ Priesberg grübelt laut: „Das Unternehmen will digital werden …“, Ehrlich fällt ihm ins Wort, „also haben wir schon einen Rahmenparameter - ‚Digital werden‘ ist damit positiv besetzt und zudem priorisiert.“ Priesberg überlegt weiter: „Die nächsten Hürden sind die zähen Diskussionen über die Fachbegriffe. Davor graut es mir.“ Er stockt kurz: „Wenn wir aber ein paar Begriffe gefunden haben, die zeigen, wie Digitalisierung wirkt, dann wird dies in der Community für Schwung sorgen, oder? “ Ehrlich nickt: „Ja, so ist es, ein selbstverstärkender Mechanismus setzt ein: Die nächsten Begriffe werden schneller gefunden und irgendwann spricht die Community mit einer Kolumne Komplexität in Sicht? Dann nutze sie! DOI 10.2357/ PM-2020-0029 31. Jahrgang · 02/ 2020 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0029 Zielgerichtet. Effizient. Klar. Die 2. Auflage ist da! Zielgerichtet. Effizient. Klar. Die 2. Auflage ist da! 14_Koehler.indd 74 28.04.2020 14: 44: 27 Stimme. Man spürt dann: ‚Wir tragen als Ganzes zur Digitalisierung bei‘.“ Priesberg übernimmt: „Wir nutzen also den Rahmenparameter ‚digitales Unternehmen‘ und den Kontrollparameter ‚gemeinsam einheitliche Fachbegriffe finden‘ konsequent aus? “ Ehrlich fasst zusammen: „Genau so ist es. Und durch das gemeinsame Erfolgserlebnis sichern wir das Ergebnis ab und erhalten somit saubere Terme - unseren Ordnungsparameter. Es wird einfach, wenn mit der Komplexität und nicht gegen sie gearbeitet wird - wie das bei vermeintlich simplen Lösungen der Fall ist. Dann muss man auch nicht wieder zurück auf Los.“ Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com Eingangsabbildung: © iStock.com/ ComebackImages Anzeige Kolumne | Komplexität in Sicht? Dann nutze sie! 75 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 31. Jahrgang · 02/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0029 Zielgerichtet. Effizient. Klar. Die 2. Auflage ist da! Marcus Schulz Projektmanagement Projektmanagement Zielgerichtet. Effizient. Klar. Die 2. Auflage ist da! uvk.de 14_Koehler_NEU.indd 75 18.05.2020 15: 29: 37 Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Anzeige 15_werbe.indd 76 28.04.2020 14: 44: 56 Mehr Projektmanagement-Wissen für Sie und Ihren Unternehmenserfolg! Aus dem profunden und vielfältigen Know-how des Vereins entstehen die Ideen für das Seminarangebot der GPM. Dank des gemeinnützigen Charakters der GPM können Sie sich dabei auf faire Preise verlassen. Änderungen (auch Online-Durchführung) vorbehalten, aktuelle Termine unter: www.gpm-ipma.de/ seminare Jetzt informieren und anmelden unter: www.gpm-ipma.de/ weiterbildung WEITERBILDUNG Hauptgeschäftsstelle Nürnberg Hauptstadtrepräsentanz Berlin Am Tullnaupark 15 I 90402 Nürnberg Mittelstraße 55 I 10117 Berlin Tel.: +49 911 433369-54 I Fax: +49 911 433369-99 Tel.: +49 30 36403399-0 I Fax: +49 30 36403399-5 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. I seminar@gpm-ipma.de I www.gpm-ipma.de Know-how für Ihren Projekterfolg Profitieren Sie vom Expertenwissen der GPM - dem führenden deutschen Fachverband für Projektmanagement. * 1 Intensivworkshop / * 2 Intensivkurs Agile Führung 4.0 Dr. Alfred Oswald Köln, 01.-02.10.2020 Agiles Projekt Management 4.0 Dr. Alfred Oswald Köln, 14.-15.09.2020 Köln, 12.-13.11.2020 Agile Transformation 4.0 Dr. Alfred Oswald Köln, 30.11.-01.12.2020 Disruptive Innovation und Design Thinking Thor Möller Hannover, 05.-06.11.2020 Erfolgreiches Managen internationaler Projekte Dr. Lorenz Schneider / Steffen Rietz Frankfurt, 16.-17.09.2020 Mehr Projekte in kürzerer Zeit Uwe Techt / Guido Bacharach Heppenheim, 29.-30.09.2020 Professionelles Projektportfolio- Management Prof. Dr. Claus Hüsselmann Frankfurt, 24.-25.09.2020 Projekterfolge sichern, Konflikte lösen Sabine Schnarrenberger Nürnberg, 12.-13.10.2020 Projektleitertraining - Kommunikation und Kooperation im Projekt Johanna Boos-Lomnitz Köln, 30.11.-02.12.2020 Sicheres und überzeugendes Auftreten für Projektleiter* 2 Irene Kayser / Manfred Baumann Frankfurt, 17.-18.09.2020 Strategisches Projektmarketing kompakt Alexander Mereien Stuttgart, 04.09.2020 Zukunft des PM / PL in der digital-agilen Welt? * 1 Dr. Klaus Wagenhals München, 06.-08.10.2020 Projektmanagement - Das Grundlagenseminar Online-Seminar: 06.-08.07.2020 Hamburg: 24.-26.08.2020 Hannover: 07.-09.09.2020 Stuttgart: 28.-30.10.2020 30.11.-02.12.2020 Köln: 14.-16.12.2020 Das GPM Weiterbildungsprogramm - Übersicht der Seminare 2020 Nürnberg: Mit dem MBA Systems and Project Management erwerben Sie das erforderliche fachliche und methodische Rüstzeug, um als Führungskraft von Morgen Unternehmen auf dem Weg der digitalen und agilen Transformation zu führen und zu gestalten. 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