PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
713
2020
313
Gesellschaft für Projektmanagementpm313/Zusatzmaterial.html
1 2 Editorial Porträt 3 Das Wissen von Baku Lorenz Schneider: Internationaler Projetmanager Wissen 10 Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext 16 Mindshift im Projektmanagement aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive 21 Agilität einführen mit Appreciative Inquiry Eine agile Methode unter dem Blickwinkel der ICB4 27 Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements Verschwendung vermeiden und Wertschöpfung erhöhen durch Projekttypisierung 36 Mindset als Erfolgsfaktor Digitale Teamarbeit im Projektmanagement 43 Projektmanagement im Dialog Im Interview mit Dr. Jens Reiche GPM Themen 45 Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse- Projektmanagement Agiles Projektmanagement und wissenschaftliches Arbeiten 53 Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor Angebote und Ergebnisse aus fünf Jahren Fachgruppenarbeit Kolumne 60 Der letzte Nutzer Aus den DACH-Verbänden 61 GPM intern 62 PMA Intern 63 Zertifizierung - aber sicher 64 SPM Intern INHALT Inhalt Artikeltitel DOI ? ? .? ? ? ? / PM-2020-0001 31. Jahrgang · 03/ 2020 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Prof. Dr. Helmut Klausing (Geschäftsführender Herausgeber) Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Myriam Conrad, GPM, Nürnberg Christopher Klausnitzer, GPM, Nürnberg (Ressort GPM intern) Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee Wir bedanken uns herzlich beim scheidenden Redaktionsbeirat für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren und freuen uns auf weitere Aktivitäten mit dem neu berufenen, aber noch nicht konstituierten Redaktionsbeirat. G 6010 31. Jahrgang, 3/ 2020 ISSN 0942-1017 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0) 7071 / 9797 - 0 Telefax: +49 (0) 7071 / 9797 - 11 www.projektmanagement.digital © 2020 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Elena Gastring eMail: gastring@narr.de Anzeigenverwaltung: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 85853 - 813 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ Fourleaflover Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum A_01_toc.indd 1 A_01_toc.indd 1 19.06.2020 11: 59: 18 19.06.2020 11: 59: 18 Projektmanagement in unterschiedlichen Kulturen Editorial Projektmanagement in unterschiedlichen Kulturen DOI 10.2357/ PM-2020-0036 1. Jahrgang · 03/ 2020 Liebe Leser, Deutschland ist der größte Exporteur weltweit. Zudem erreicht Deutschland - seit vielen Jahren nahezu unangefochten - den höchsten Leistungsbilanzüberschuss aller Nationen. So auch 2019: Mit 293 Milliarden US-Dollar liegt Deutschland weit vor Japan, das mit 194 Milliarden US-Dollar den zweithöchsten Leistungsbilanzüberschuss erreicht. Der Leistungsbilanzüberschuss zeigt, wie viel mehr ein Land an Waren und Dienstleistungen ausführt, als es selbst an fremden Waren und Dienstleistungen nachfragt. Solch ein Überschuss wird nicht von allen Staaten für gut befunden, ganz im Gegenteil, aus der EU-Kommission sind vermehrt kritische Stimmen zum Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands zu hören. Am anderen Ende der Tabelle stehen die USA. Sie weisen mit 490 Milliarden US-Dollar das weltweit größte Leistungsbilanzdefizit auf. Dies kann - zumindest zum Teil - die protektionistische Handelspolitik Donald Trumps erklären. Diese protektionistischen Tendenzen haben Folgen auch für unsere Wirtschaft. Zusammen mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU und der Corona-Krise wird der Protektionismus die internationalen Handelsströme zumindest kurzfristig verringern. Ein „Gegengewicht“ zu diesem Trend könnte der zunehmend wichtiger werdende Handel mit den Wirtschaftspartnern in Asien bilden, insbesondere mit China, Hongkong, Taiwan und Südkorea. Diese Überlegungen machen eines deutlich: Die deutsche Wirtschaft bezieht nach wie vor einen Großteil ihrer Stärke aus dem internationalen Geschäft. Und das heißt: Nach wie vor spielen internationale Projekte eine große Rolle für den Erfolg der deutschen Unternehmen. Von welchen Faktoren hängt der Erfolg internationaler Projekte ab? Diese Frage beleuchten wir in dieser Ausgabe der PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL. Wir berichten über die Erfahrungen des Projektleiters Lorenz Schneider ; er hat einen großen Teil seines Berufslebens als Projektleiter in internationalen Projekten verbracht. Mit Jens Reiche stellt Ihnen Martina Peuser in einem Kurzinterview einen Projektleiter vor, der ebenfalls im internationalen Forschungsumfeld tätig ist. Internationale Projekte werden zumeist in Ländern mit anderen Kulturen umgesetzt. Häufig setzen sich auch Projektteams multikulturell zusammen. Die UNESCO definiert Kultur so: „Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schliesst nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen“ [1]. Kultur durchdringt somit alle Aspekte menschlichen Handelns. Damit bestimmt Kultur natürlich auch das Handeln in Projekten. Wir wollen uns mit diesem Thema in diesem Heft beschäftigen - und zwar anhand des asiatischen Raums und dessen kulturellen Besonderheiten. Bernd Linder-Hofmann zeigt uns in seinem Beitrag, wie sich aus dem (Zen-) Buddhismus wichtige Impulse für einen möglichen Mindshift im Projektmanagement gewinnen lassen. Vertiefend dazu finden Sie ein Interview von Oliver Steeger mit dem Autor. Zudem lesen Sie in dem Beitrag von Karl Waldkirch über Projektmanagement im chinesischen Kontext. Vor dem Hintergrund des Coronavirus ist digitale Teamarbeit im Projektmanagement ein wichtiges Thema - vor allem in Verbindung mit internationalem Projektmanagement. Niels Kindl hat dazu für uns einen Beitrag verfasst. Wir wissen, wie wichtig die richtige Ausgestaltung des Projektmanagements für den Erfolg eines Projektes ist. Doch was genau erforderlich und welches Design am wirksamsten ist, dies variiert von Einzelprojekt zu Einzelprojekt. Die Erfordernisse sollten in einem spezifischen Projektdesign (vgl. Kompetenzelement „Projektdesign“, ICB 4.0) berücksichtigt werden. Claus Hüsselmann, Sandro Dönges und Stefan Karpf beschreiben in ihrem Beitrag Kriterien, mit denen man Projekte zielgerichtet typisieren kann (anhand eines Netzdiagramms). Auf dieser Basis kann dann das konkrete Projektmanagement-System so gestaltet werden, dass es zu den besonderen Bedürfnissen des Projektes passt. Ergibt sich aus der Projekttypisierung verstärkt Bedarf an agilen Projektmethoden, stehen viele Organisationen vor der Herausforderung von Transformationsprozessen. Wie eine solche Transformation mit einem agilen Prozess „Appreciative Inquiry“ unter möglichst breiter Einbindung der Betroffenen erfolgen kann, zeigt Bernward Clausing in seinem Beitrag. In unserer neuesten Ausgabe lesen Sie zudem Beiträge aus der GPM. Uwe Haass, Marcel Scheideler und Harald Wehnes berichten über ein innovatives Symposium für Wissenschaftler, das unter Federführung von GPM und spm stattgefunden hat. Das Ziel des Symposiums bestand darin, die modernen Projektmanagementmethoden in der Forschungslandschaft breiter und tiefer zu verankern. In einem weiteren Beitrag präsentieren Dorothee Feldmüller, Thomas Hunziker, Gerhard Ortner und Christian Rudischer das Ergebnis von fünf Jahren Arbeit der GPM Fachgruppe „PM goes Boardroom“. Ihr Bericht zeigt: Es wird immer wichtiger, dass die Führungskräfte von Unternehmen das Thema Projektmanagement aktiv begleiten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und hilfreiche Erkenntnisse bei der Lektüre dieses Heftes Ihr Steffen Scheurer [1]: Weltkonferenz über Kulturpolitik. Schlussbericht der von der UNESCO vom 26. Juli bis 6. August 1982 in Mexiko-Stadt veranstalteten internationalen Konferenz. Hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission. München: K. G. Saur 1983. (UNESCO-Konferenzberichte, Nr. 5),- S. 121. 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0036 EDITORIAL A_02_Editorial.indd 2 A_02_Editorial.indd 2 19.06.2020 12: 03: 29 19.06.2020 12: 03: 29 Lorenz Schneider: Internationaler Projektmanager Das Wissen von Baku Oliver Steeger Porträt | Professor Lorenz Schneider ist seit fast zwanzig Jahren internationaler Projektmanager. Sein Wissen hat er in Asien und im Nahen Osten gesammelt. Vielfach „learning by doing“, unter vollem Geschäftsrisiko. Heute teilt er sein Wissen - weil er Projektmanager vor bitteren Erfahrungen schützen will. Der Ölrausch versetzte Aserbaidschan zur Jahrtausendwende in Goldgräberstimmung. Es ging um gewaltige Vorkommen von Öl und Gas. Das Öl lag so dicht unter dem Boden wie anderenorts Wasser. Manchmal lief es aus Böschungen heraus; nachts sah man blaue Flammen in der Landschaft züngeln. Wo Öl ist, da ist Geld. Aserbaidschan lockte Glücksritter aus aller Welt an. Multinationale Energiekonzerne tummelten sich in Baku, der Hauptstadt. Mit ihnen kam ein bunter Tross von Projektteams und Experten aus den USA, Frankreich, Australien oder Italien. Im Gepäck hatten sie schwerstes Gerät. In diesem vielsprachigen Getümmel bezog 1998 Professor Lorenz Schneider Quartier. Damals Mitte Dreißig, suchte er in Baku Projektgeschäft und bot den Ölmultis Entsorgungsprojekte an, etwa für Bohrschlämme oder Asbestabfälle von Bohrinseln. Die Konzerne hatten damals bereits den Umweltschutz im Blick, und sie schätzten Lorenz Schneiders Wissen über Tagebau, Tiefbautechnik und Entsorgungstechnik. „Ich wollte an großen, internationalen Vorhaben mitwirken”, sagt Lorenz Schneider, „und ich wollte in die Ferne. Da war auch etwas Abenteuerlust bei.“ Beim Start nach Baku war ihm grob klar, dass bei internationalen Projekten vieles anders gemanagt und gemacht wurde als in Deutschland. Was genau anders lief, dies wusste er beim Abflug nicht. Zu dieser Zeit gab es dazu in seiner Heimat keinerlei Netzwerke und kaum Lehrangebote, die ihn hätten vorbereiten können, und noch viele Jahre später war das Angebot spärlich. „Ich musste mir das alles selbst erarbeiten”, berichtet er, „vor Ort und learning by doing unter vollem Geschäftsrisiko.” Heute räumt er ein, dass er auch Lehrgeld dafür zahlen musste. Mit vielen Usancen des internationalen Projektmanagements hatte er nicht gerechnet. Seine ersten Projekterfahrungen hatte Lorenz Schneider in der Entsorgungswirtschaft gesammelt. In den frühen 1990er Jahren arbeitete Deutschland daran, „grün“ zu werden. Die Bundesbürger übten sich in Mülltrennung, die Industrie lernte den Inhalt des gelben Sacks als Rohstoff wiederzuverwerten. Anlagen für Recycling und Aufbereitung der Rohstoffe entstanden. Die Entsorgungswirtschaft profitierte von Technologien aus dem Bergbau. Wie man beispielsweise im Bergbau Gestein zerkleinerte und Kohle gewann, so konnte man auch in der Aufarbeitung Müll zerkleinern und Rohstoffe gewinnen. Porträt Das Wissen von Baku DOI 10.2357/ PM-2020-0037 1. Jahrgang · 03/ 2020 Professor Lorenz Schneider bei der Gründung der GPM Fachgruppe Commercial Project Management im Frühjahr 2019. Foto: Oliver Steeger 3 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 3 B_Reportage_01_Schneider.indd 3 19.06.2020 12: 05: 46 19.06.2020 12: 05: 46 Beides hatte Lorenz Schneider studiert, Entsorgungstechnologie und Bergbautechnologie. Als Projektmanager half er, die Anlagen reibungslos ans Laufen zu bringen; erst mit etwas Verzug setzte konsequentes Kostendenken bei den Projekten ein. „Als ich ins Ausland ging, war ich dem im internationalen Projektgeschäft üblichen harten Controlling noch nicht begegnet“, sagte Lorenz Schneider. Dies drohte ihm in Baku auf die Füße zu fallen - zumal er sich auf internationalem Parkett bewegte. Die Projektanfragen der Konzerne fand er (dem ersten Eindruck nach) unglaublich sperrig formuliert. „Sie waren das, was man im Englischen mit dem Begriff ‚cumbersome‘ bezeichnet”, sagt er, „ich kam aus Deutschland, war mit dem deutschen Rechtssystem und der Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure großgeworden. Im Ausland waren Vertragsabwicklungsmodelle und der Aufbau von Ausschreibungen komplett anders, nämlich viel aufwändiger und strukturierter als alles, was ich kannte.” Tagelang arbeitete er sich durch Ausschreibungstexte und versuchte, den Aufbau und die Bezüge zu verstehen. Irgendwann begriff er die Systematik und den Formalismus. Er verstand die Muster hinter den standardisierten Inhaltsverzeichnissen, Leistungsverzeichnissen und Klauseln. „Man muss viele dieser Unterlagen gelesen haben, um diese Struktur zu begreifen“, sagt er, „danach hat man es einfacher.“ Doch was normalerweise drei oder vier Stunden dauert, raubte ihm anfangs Tage. „Beim Kaufmännischen waren die Konzerne unglaublich auf Zack”, sagt Lorenz Schneider, „dies kannte ich so nicht aus Deutschland.” Er begegnete hochqualifizierten Projektkaufleuten, die die Kostenbeträge für jedes Bohrloch aus dem Ärmel schütteln konnten und mit dem spitzen Bleistift rechneten. Auch waren die Vertragsformulierungen weit schärfer gefasst als damals in Deutschland. Selbst das Honorar für Ingenieure und Projektleiter wurde völlig anders berechnet. Vereinfacht gesagt, in Deutschland hing das Salär ab vom Investitionsvolumen und von Gebührentabellen. International kannte kaum jemand diese deutsche Besonderheit. „Da ging es um die Frage, welche und wie viele Fachleute man braucht, wie lange die arbeiten und welche Kosten hinzukommen”, sagt Lorenz Schneider, „daraus hat sich das Honorar ergeben.” Lorenz Schneider lernte schnell in Aserbaidschan. „In manchen Situationen musste ich mich vortasten”, sagt er. Die Auftraggeber verlangten teils völlig andere Tools als in Deutschland, etwa für Terminmanagement und Qualitätsmanagement. Termine mussten auf eine bestimmte Weise gesteuert, das Controlling nach einem vorgegebenen Muster abgewickelt werden. Die Ölfirmen unterstützten ihn. Sie wussten, dass bei Projekten alle in einem Boot sitzen, auch Consultants wie Lorenz Schneider. Doch die Konzerne erwarteten von ihm hartes Arbeiten: sich einlesen in die Vertragsmentalität, die Anforderungen beim Controlling umsetzen, überhaupt: das internationale Projektmanagement in allen Facetten gründlich kennenlernen. „Und bei alledem redeten wir über Investitionssummen, bei denen es mir nur in den Ohren klingelte”, sagt er, „da konnte man schnell Millionenbeträge verlieren.” Lorenz Schneider, hochgewachsen, sportlich, kräftiger Händedruck und sympathische Direktheit, ist Projektmanager durch und durch. Mit bemerkenswerter analytischer Schärfe durchdringt er Sachverhalte, bringt Dinge schnell auf den Punkt und beurteilt sie ebenso nüchtern wie schnell und sprachgewandt. Er hat ein waches Auge für Chancen, Risiken, Lösungen und Timing. Er weiß, wie man im entscheidenden Moment die Dinge „zum Fliegen” bringt. Der 58-jährige hat millionenschwere Formel-1-Rennstrecken in Shanghai, Bahrain und Abu Dhabi gemanagt. Die Flieger von Frankfurt nach Asien oder in den Nahen Osten waren jahrelang für ihn so selbstverständlich wie für seine Kollegen der Regionalzug morgens zur Arbeit. Er kennt die harten Sieben-Tage-Wochen auf Großbaustellen, die schwierigen Verhandlungen mit Kunden und Projektpartnern. Er hat beobachtet, wie arabische Auftraggeber seine stabil geglaubten Projektpläne von heute auf morgen umstürzten und noch Spektakuläres wollten. Er weiß, was es bedeutet, wenn sich mit einem Mal der Wind völlig dreht. Wenn anfangs die Geldschatullen der Auftraggeber weit geöffnet sind, die Rennstrecken nicht prächtig und spektakulär genug sein konnten - und mit einem Mal der üppige Strom von Petrodollars versiegte. Vor rund drei Jahren, Ende 2017, begann sich Lorenz Schneider von dem aufreibenden Geschäft zurückzuziehen. Es war genug, sagt er. Er brach seine Zelte im Ausland ab. Zurück in Deutschland, schloss er eine neue Lebensaufgabe an. Er gibt Wissen über internationales und kaufmännisches Projektmanagement weiter. Nicht nur das Wissen aus Lehrbüchern, sondern auch die Erfahrung, die er selbst in Asien und Arabien geschöpft hat. Er lehrt unter anderem internationales Projektmanagement an der FOM Hochschule, der mit 55.000 Studenten größte privaten Hochschule Deutschlands. Er wirkt in Netzwerken und Fachgruppen mit, hat Aufsätze geschrieben und Vorträge gehalten. „Internationales und kommerzielles Projektmanagement sind für mich unzertrennlich”, sagt er. Er will, dass Deutschland dort aufschließt. Bildungsangebote und Netzwerke sollen das ändern. In der GPM hat er die Special Interest Group „Go international” mitbegründet. Im Frühjahr vergangenen Jahres hob er die GPM Fachgruppe „Commercial Project Management” mit aus der Taufe, an der sich deutsche Industrieschwergewichte wie Siemens, Linde, Jungheinrich, Air Liquide, SMS, Fraport, Kuka, Nordex und ThyssenKrupp beteiligen. In Aserbaidschan auf deutsche Projektmanager gestoßen zu sein, daran kann sich Professor Lorenz Schneider nicht erinnern. „Als Deutscher war ich ziemlich allein in Baku“, sagt er. Daran änderte sich für ihn auch in den nächsten zwan- Die Rennstrecke in Bahrain. Foto: privat Porträt | Das Wissen von Baku 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 4 B_Reportage_01_Schneider.indd 4 19.06.2020 12: 05: 47 19.06.2020 12: 05: 47 zig Jahren wenig. Wo immer er auftauchte, in Bahrain, China, Kuwait oder Abu Dhabi, begegnete er kaum Deutschen. Amerikaner, Briten, Australier, Franzosen, Holländer oder Iren gaben in Projekten den Ton an. Vielleicht war dies Zufall, sagt er. Doch es schien ihm, dass Deutsche im internationalen Projektgeschehen kaum eine Rolle spielten. „Ich war immer eine Art Ausnahme”, sagt er. Dies stellt er sachlich fest, ohne persönlichen Stolz oder Eitelkeit. Vielleicht hört man eine Spur des Bedauerns heraus. Es mag ein Glücksfall sein, dass ausgerechnet einer seiner Bekannten aus der Heimat im internationalen Projektgeschehen Fuß gefasst hatte. Dieser hatte mit seinem Unternehmen Bauprojekte am deutschen Hockenheimring und Nürburgring umgesetzt. Mit seinen Erfolgen machte er im weltweiten Rennzirkus auf sich aufmerksam. In der Formel 1 nahm man seinen Namen wahr - und ließ ihn Rennstrecken bauen. Er entwickelte die Rennstrecke in Malaysia. Als er Lorenz Schneider nach Jahren wieder die Hand schüttelte, stand er vor einem neuen Projekt: Die Rennstrecke in Shanghai, noch komplexer, schwieriger und internationaler als alles, was er in Malaysia kennengelernt hatte. Er suchte händeringend einen international erfahrenen Projektprofi. Er fand ihn in Lorenz Schneider. „Das war ein Projekt mit einem Bauvolumen über viele Millionen Euro”, erinnert sich Lorenz Schneider, „der Kunde in China forderte einen hohen Standard beim Projektmanagement und qualitativem Controlling.” Formel-1-Rennstrecken kannte Lorenz Schneider damals nur aus dem Fernsehen. Ihm war klar, dass dies keine leichte Mission werden würde; er hatte sich tief in das Projekt hineinzuknien und hart zu arbeiten, wie er sagt. Und er sagt auch: „Diese Chance dennoch ergriffen zu haben, war eine der schlauesten Ideen in meinem Leben”. Er war von Projektmanagement überzeugt. Es würde sein fehlendes Branchenwissen wettmachen. Projektmanager, erklärt er, sind Experten für Termine, Kosten, Qualität, Kommunikation, Stakeholder Management, Risikomanagement, Beschaffungsmanagement, Vertragswesen und Controlling. Dieses Können ist universell. Es lässt sich in unterschiedlichen Branchen einsetzen. „Natürlich ist es sinnvoll, wenn Projektmanager auch etwas von ihrem Produkt verstehen”, meint er, „doch dieses Projekt in Shanghai brauchte Unterstützung beim internationalen Projektmanagement - und nicht im Ingenieurwesen.” Hinter den millionenschweren Mega-Projekten der Formel-1-Rennstrecken steht volkswirtschaftliches Kalkül. Die Rennen werden in alle Welt übertragen. Staaten, die über Rennstrecken verfügen, kommen mit ziemlicher Sicherheit jährlich für mehrere Wochen ins globale Rampenlicht. Schlagzeilen und TV-Übertragungen bescheren diesen Ländern eine enorme Publicity, die clever zu Geld gemacht wird. „Solche Rennstrecken werden beispielsweise für das Branding genutzt”, sagt Lorenz Schneider. Sie locken Technologieunternehmen, Investoren und Touristen ins Land. Allein in der unmittelbaren Umgebung von Rennstrecken entstehen häufig Technologie-Hubs, eine Art Silicon Valley für Rennsport und Automobilwesen. Dort tummeln sich Automotive-Unternehmen mit Teststrecken, wo sowohl Rennsport-Technologie als auch das „normale” Autofahren weiterentwickelt wird. Zudem senden die Projekte der Formel-1-Rennstrecken ein starkes Signal in die Staaten selbst hinein. Kuwait, zweimal von Nachbarstaaten überfallen, setzte das Instrument „Motorsport-Rennstrecke” innenpolitisch ein - und bot seiner geschundenen Bevölkerung das spektakuläre Signal eines neuen Selbstbewusstseins. „Araber lieben alles, was schnell ist, Rennkamele und Pferde, Autos, Motorboote”, sagt Lorenz Schneider, „sie sind leidenschaftlich sportbegeistert.” Diese Begeisterung begründet die Formel-1-Gigantomanie aber nur zum Teil (der „Yas Marina”-Komplex in Abu Dhabi mit einer 5,5 Kilometer langen Rennstrecke sowie einem spektakulären Yachthafen mit Hotelkomplex soll viele 100 Millionen Euro verschlungen haben). Wer spektakuläre Rennsport-Bilder in die Welt senden will, muss mit seiner Rennstrecke eine bestimmte Kategorie erreichen. Er muss in bestimmten Dimensionen denken, will er die Arena des Top-Rennzirkus betreten. Sonst bleiben die Vermarktungschancen aus - und damit der volkswirtschaftliche Nutzen für den Standort. Dies diktiert auch die Rahmenbedingungen für das Planen von Formel-1-Rennstrecken und das dafür erforderliche Projektmanagement. Diese Rahmenbedingungen verinnerlicht Lorenz Schneider schnell. Bedingung Nummer 1: Die Projekte unterliegen mörderischem Termindruck. Der Eröffnungstermin - das erste Formel-1-Rennen - steht wie in Stein gemeißelt: meistens an einem bestimmten Sonntagnachmittag um 14 Uhr. Eine verspätete Eröffnung - oder auch nur eine Teileröffnung - sind undenkbar. Es geht um eine präzise Punktlandung. „Wir können ja auch nicht Weihnachten auf den 31. Dezember verschieben, weil wir nicht rechtzeitig fertigwerden mit den Vorbereitungen”, sagt Lorenz Schneider, „wenn es auf den Baustellen eng wurde, haben wir zusätzliche Mitarbeiter eingeflogen und buchstäblich Tag und Nacht durchgearbeitet.” Hinzu kommt: Die Auftraggeber drängen, schnell die Bauarbeiten zu starten - häufig noch bevor die Planung ganz ausgereift ist. „Jeder wusste, ich eingeschlossen, dass dies keine gute Idee ist.” Er riet meistens davon ab. Trotzdem gab man am Ende gegenüber dem Auftraggeber nach. Die manchmal erheblichen Mehrkosten für diesen übereilten Start und den anschließenden Termindruck trägt der Kunde, dies muss dem Kunden (und dem Projektmanager) klar sein. Da muss der Projektmanager schlichtweg sein methodisches Handwerk beherrschen und seine Mehrkosten am Ende durchsetzen. Die Start-Ziel-Gerade der Formel-1-Rennstrecke in Shanghai. Foto: privat Porträt | Das Wissen von Baku 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 5 B_Reportage_01_Schneider.indd 5 19.06.2020 12: 05: 47 19.06.2020 12: 05: 47 Bedingung Nummer 2: Jede Rennstrecke musste noch einen Tick spektakulärer sein als ihre Vorgänger, ein Grundsatz, der zumindest für eine bestimmte Zeit galt. Dies stellt die Architekten und Ingenieure, die die Rennstrecken planen, vor Herausforderungen. Zum Beispiel die Rennstrecke in Abu Dhabi, die pünktlich am 14. November 2010 für das erste Rennen übergeben wurde: Sie ist beleuchtet; der Auftraggeber wollte auch abends Rennen fahren. Die Strecke führt zwischen den beiden Türmen eines Luxushotels durch. Die Türme sind durch eine Glasbrücke verbunden, von denen herab betuchte Zuschauer das Rennen beobachten. Und: Die Zuschauer kommen dem Renngeschehen besonders nahe. Die Tribünen sind dicht an der Rennstrecke, was enormen Aufwand bedeutet. Jede Rennstrecke hat einen Sicherheitsbereich für havarierte Fahrzeuge, bis zu hundert Meter breite Auslaufzonen, auf denen verunglückte Fahrzeuge zum Stehen kommen. Die „Sturzräume” genannten Auslaufzonen wurden unter die Tribünen gebaut - eine Herausforderung für Sicherheitstechnologie und Architektur. „Die Planer und auch wir Projektmanager machen alles, um den Kunden zu unterstützen und seine Pläne zu verwirklichen”, sagt Lorenz Schneider, „sein Erfolg ist auch unser Erfolg.” Bedingung Nummer 3: Diese Projekte waren das, was man heute agil nennt - nämlich hochdynamisch und voller Änderungswünsche. „Die Planer mussten häufig wegen neuer Wünsche umplanen, und es wurden auch einige Fundamente wieder zurückgebaut”, sagt Lorenz Schneider, „die Planer müssen dafür sehr flexibel und leistungsfähig sein. Aber auch der Projektmanager muss unbedingt sein Handwerk des Claim Managements verstehen.” Er muss dem Kunden nachweisen, dass die entstandenen Mehrkosten auf seine Rechnung gehen - und nicht auf die des Auftragnehmers. Hinzu kamen unruhige Märkte für Baumaterial. „Unser Projekt für die Bahn in Abu Dhabi haben wir in der Hochphase des Baubooms gestartet. Die Preise für Glas, Beton und Stahl stiegen um bis zu zwei Prozent monatlich. Dies stellte unsere Kostenmanager und Beschaffungsspezialisten vor enorme Schwierigkeiten.” Bedingung Nummer 4: Die schier überwältigende Komplexität. Formel-1-Rennstrecken haben eine lange Planungsphase, in der dutzende Fachdisziplinen zusammenarbeiten: von Architekten, Tiefbauern und Statikern über Asphalttechniker, Elektroniker, Messtechniker und Gebäudeausrüster bis hin zu Landschaftbauern, Verkehrsplanern und Umweltspezialisten. An den Projekten arbeitet eine hochleistungsfähige Planungsgesellschaft, die über die notwendigen Spezialisten verfügt. Ohne diese Spezialisten, die selbst viel Herzblut in das Vorhaben stecken, läuft nichts. Doch etwas kommt hinzu: Projektmanager. Sie sind erforderlich, um die Planer dabei unterstützen, das Projekt im Gastland zu realisieren - beginnend bei der Genehmigungsphase im Ausland, der Betreuung der Baustelle, der Inbetriebnahme der Großanlage bis hin zur Vorbereitung und Durchführung der Abnahme. Lorenz Schneider brachte sein Projektmanagementteam damals größtenteils aus Deutschland mit (später rekrutierte er sie in aller Welt). „Ich habe es immer wieder als Ehre empfunden, solche Teams zu führen, Ziele zu setzen, Situationen zu analysieren und Entscheidungen zu treffen“, sagt Lorenz Schneider. Solche Großprojekte sind alles andere als eine „One-Man-Show“. Bedingung Nummer 5: Andere Länder, andere Sitten - und Detailvorschriften. „Eine Achillesferse ist häufig das Genehmigungsverfahren”, sagt Lorenz Schneider, „im internationalen Projektmanagement ist diese Phase kritisch.” Im Klartext: Die Pläne müssen mit den lokalen Vorschriften und Baugenehmigungsverfahren übereinstimmen. International erfahrene Planungsgesellschaft orientieren ihre Planungen an internationalen Designcodes. Dennoch, maßgeblich sind die Detailregeln vor Ort im Gastland. Lorenz Schneider brauchte für das deutsche Planungsteam einen lokalen „Gegenpart”, einen Planungsberater, „Architect-Engineer of Record” genannt. Dieser Spezialist überprüft die Pläne hinsichtlich der lokalen Regularien. Das heißt aber auch: Er muss sich vor Ort früh in die Unterlagen einarbeiten können. Er braucht Zeit. „Wird er erst kurz vor der Genehmigungsphase eingesetzt, ist es häufig zu spät”, sagt Lorenz Schneider. Dies ist solch eine Empfehlung, mit denen er heute jüngere Kollegen unterstützt. „Eigentlich logisch, aber man muss dieses Thema kennen und im Blick behalten. Als internationaler Projektmanager muss man so etwas wissen.” Im Gespräch mit Lorenz Schneider fällt dieser Satz häufig: „Als internationaler Projektmanager muss man so etwas wissen.“ Solche Dinge gehören für ihn in den „Graubereich” des internationalen Projektmanagements, wie er sagt. Auch dieses Wort „Graubereich“ ist häufig zu hören. Gemeint ist: Beim internationalen Projektmanagement denkt man häufig an die „Hard Facts“ eines Projekts wie Termine, Kosten und Qualität - sowie an weiche, interkulturelle Faktoren, beispielsweise „Dos and Dont’s” im Gastland. Doch dazwischen gibt es noch einen weiteren Bereich von nicht-technischen Fragen. Etwa: Steuerrechtliche oder vertragsrechtliche Bestimmungen, Regeln zum Aufenthaltsrecht und Arbeitsrecht, Dokumentationspflichten, Bestimmungen zum Transport von Gütern oder Arbeitsschutz. Oder die Frage, ob man sich als Projektmanager zwingend bei einem lokalen Ingenieursverband registrieren lassen muss. „Der Graubereich besteht aus vielen Detailfragen“, sagt Lorenz Schneider, „Projektmanagern kann er zum Verhängnis werden, wenn sie diese Fragen nicht beantworten können - oder nicht einmal wissen, dass diese existieren.“ Ein Beispiel: In einigen Ländern des Nahen Ostens oder Asiens gelten unterzeichnete Verträge erst dann, wenn sie von höheren Stellen ratifiziert werden. Erst dann sind sie wirklich rechtskräftig. Manche Verträge gehen hinauf bis in die Staatsspitze, was Wochen oder sogar Monate dauern kann. Lorenz Schneider: „Die Frage ist immer, ab wann die Vertragsfristen im Gastland wirklich laufen.” Ein weiteres Thema ist die Ausfuhr von Gewinnen. In manchen Ländern gelten Restriktionen. Also vorher informieren, wie man Gewinne ausführen kann, möglicherweise bei einem Rechtsexperten vor Ort. Oder: In einigen Ländern sind internationale Auftragnehmer gezwungen, eine Dependance ihres Unternehmens zu gründen. Dies hängt von dem Auftragsvolumen des Projekts ab, von seiner Bedeutung oder Laufzeit. Die Länder wollen sicherstellen, dass Auftragnehmer über ihre Niederlassung haftbar gemacht werden können. Andere Fragen: Wie werden Mitarbeiter mit ihren Familien vor Ort versorgt? Wo wohnen sie im Gastland, wo gibt es Schulen, wie kommen auch Ehepartner an eine Arbeitserlaubnis? Solche ungeklärten persönlichen Fragen können die Motivation im Team spürbar mindern. Nicht, dass solche Dinge unüberwindbare Hürden wären. Internationale Projektmanager müssen allerdings wissen, auf Porträt | Das Wissen von Baku 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 6 B_Reportage_01_Schneider.indd 6 19.06.2020 12: 05: 47 19.06.2020 12: 05: 47 welche Fragen sie stoßen könnten - und wie sie Sorge tragen, dass aus Fragen keine Probleme oder Showstopper im Projekt werden. Lorenz Schneider hat im Laufe der Jahre Neueinsteigern ins internationale Projektgeschäft immer wieder empfohlen: „Beschäftige Dich rechtzeitig damit. Stelle mit kritischem Geist Fragen - und versuche die richtigen Antworten zu finden.” Nach seinem ersten Formel-1-Projekt in Shanghai wirkte Lorenz Schneider als Projektmanager und Projektdirektor an zwei weiteren Formel-1-Rennstrecken mit - und begleitete internationale Baukonsortien, die atemberaubenden Anlagen aus dem Boden zu stampfen. Allein auf der Baustelle in Abu Dhabi waren in Spitzenzeiten 18.000 Arbeiter unterwegs. Tausende LKW-Anfahrten mussten koordiniert werden; die Baustelle lag auf einer Insel, und anfangs hatte Lorenz Schneider nur zwei Brücken, über die sich die Insel erreichen ließ. Dank logistischer Feinplanung vermied das Projektteam kilometerlangen Staus an den Engpässen. Ähnliches galt für Freiflächen für Material und Gerät auf der beengten Baustelle; die Beteiligten wiesen sich die Flächen einander tageweise zu. „Das führte zu einer Vielzahl von Besprechungen in einem Maße, wie es mir bis dahin unbekannt war”, sagt Lorenz Schneider. Auch hinter diesem Projekt standen hochmotivierte Teams, Spezialisten, die die Strecken und die Gebäude planten, den Bau leiteten und das operative Projektmanagement durchführten. „Als internationaler Projektmanager braucht man Unterstützung von vielen Seiten“, erklärt Lorenz Schneider, „das muss man wissen und akzeptieren.“ Und auch diese produktive, hocheffiziente Teamarbeit ermöglichen, wie er ergänzt. Die Kunst besteht für ihn darin, diese Teams zu einem konstruktiven Gesamtteam zu formen und bei der Realisierung zu unterstützen, gegen ungerechtfertigte Fremd-Claims zu schützen und berechtigte eigene Claims zu identifizieren, vertragskonform zu formulieren und erfolgreich zu verhandeln. Projektentscheidungen wurden hemdsärmelig auf der Baustelle getroffen, manchmal zwischen Tür und Angel abgesprochen. Für Protokolle und Papierkram blieb dabei keine Zeit. „Auf solch einer Baustelle und unter solch einem Termindruck muss der Projektmanager zunächst die Entscheidungen umsetzen”, erklärt Lorenz Schneider. Doch unmittelbar danach muss er sehen, dass dies alles dokumentiert wird. Dass, wie er es nennt, „die richtigen Briefe zur richtigen Zeit mit der richtigen Wortwahl an die richtigen Adressaten herausgehen.” Wer schreibt, der bleibt. Im Hintergrund hatte Lorenz Schneider ein Team von Document-Controllern, das für ihn schrieb, damit er bleiben konnte - und für seine nachgelagerten Verhandlungen mit dem Auftraggeber gerüstet war. Jede E-Mail, jeder Brief, überhaupt jedes Schriftstück wurde elektronisch erfasst, verschlagwortet und auf weltweiten Sicherheitsservern wiederauffindbar abgespeichert. Dort fanden sich zu jedem Stichtag während der Bauzeit alle Angaben, wie die Entscheidungen zustande gekommen waren und wer daran beteiligt war. Solche Dokumentationspflichten gelten vielfach als leidige Nebenaufgaben. Lorenz Schneider sagt: „Angesicht der Investitionssummen unseres Projekts hätte ein verlorener Gerichtsprozess weit mehr Leidensdruck erzeugt als das minutiöse Nachhalten der Dokumentation.” Der Auftraggeber schrieb seinem Team die gerichtsfeste Dokumentation als absolut verbindlich vor. Hinzu kam das kaufmännische Projektmanagement - ebenfalls in einem für ihn unbekannten Maß. „In deutschen Bauprojekten wird das Kaufmännische häufig noch von Ingenieuren und Architekten mitbearbeitet”, sagt Lorenz Schneider. In Abu Dhabi hatte er dafür eigene Spezialisten, sogenannte „Quantity Surveyors”, ausgebildet in Betriebswirtschaft und Rechtswesen und zuständig für das kaufmännische Projektmanagement. Indes, auch sein Auftraggeber beschäftigte ein Heer dieser Quantity Surveyors, darunter hochversierte und mit allen Wassern gewaschene Leute. Die Quantity Surveyors der Auftraggeber waren damit befasst, die Arbeit von Lorenz Schneiders Spezialisten zu überwachen. Sie waren, wie es Lorenz Schneider einmal ausgedrückt hat, quasi die „Aufpasser” seiner eigenen Quantity Surveyors. „Dieses strenge Controlling jedes Arbeitsschritts seitens des Auftraggebers ist für Ein Blick auf eine Strecke kurz vor dem Start des Rennens. Foto: privat Porträt | Das Wissen von Baku 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 7 B_Reportage_01_Schneider.indd 7 19.06.2020 12: 05: 50 19.06.2020 12: 05: 50 deutsche Verhältnisse kaum denkbar”, sagt Lorenz Schneider, „da brauchen Generalunternehmer, Projektmanager und Controller ein hohes Maß an Erfahrung, um die Kommunikation auszubalancieren.” Und Transparenz brauchten sie auch. Die Dokumentation musste jederzeit für diese Spezialisten verfügbar sein, lückenlos und laufend „up-to-date”. Trotz aller Vorsicht und Umsicht - es kam auf der Baustelle in Abu Dhabi zu dem, was Lorenz Schneider einen GAU nennt, den größtanzunehmenden Unfall. Auf der Baustelle wurden gewaltige Mengen an Stein, Glas, Stahl und Beton bewegt. Die Konturen der Sportstätte, des Sporthafens und des Luxushotels zeichneten sich immer mehr ab - da schockte 2007 die Weltwirtschaftskrise die Finanzmärkte. Der Ölpreis stürzte ins Bodenlose. Die Auftraggeber, denen vorher kein Superlativ zu groß war, schlossen die Geldschatullen und strichen den Projektumfang zusammen. „Wir mussten während der Bauausführung zurückplanen und alles eine Dimension kleiner gestalten”, sagt Lorenz Schneider. Für die Architekten, Ingenieure, Projektmanager und Kaufleute die Quadratur des Kreises. Sie handelten Verträge neu aus, teilten Bauphasen anders auf, stellten einiges zurück und verzichteten auf vieles. Die Neuerungen mussten in die Dokumente eingefügt und eingepflegt werden. „Das macht man gerne für den Kunden”, sagt Lorenz Schneider. Doch er war als internationaler Projektmanager, Claim Manager und kaufmännischer Projektmanager extrem gefordert. „In solchen Situationen bleibt man professionell und freundlich gegenüber dem Kunden”; sagt er, „man versteht seine Lage, in die er unverschuldet durch die Wirtschaftskrise hineingeraten ist. Man arbeitet ohne Klagen rund um die Uhr für ihn. Aber man bittet ihn auch zur Kenntnis zu nehmen, dass es sich um Mehrarbeit handelt, für die man bezahlt werden muss.” Nach der Weltwirtschaftskrise stabilisierten sich die Projekte schnell wieder, an denen Lorenz Schneider mitwirkte. Er war längst erfahren genug, sie in der Spur zu halten. Die Planung für ein riesiges Krankenhaus folgte - mit einem internationalen Planungskonsortium. Das Team entwickelte über zwei Jahre buchstäblich rund um die Welt die Pläne: in Bahrain, auf den Philippinen, in den USA, in der Schweiz und in Deutschland. Indes, Lorenz Schneider bemerkte, dass sich der Wind in der Region drehte und sich das politische und wirtschaftliche Klima veränderte. Die Prioritäten in den Staaten begannen sich zu verschieben. Die Länder im Nahen Osten setzten nun gänzlich andere Projekte auf, viele zur inneren Sicherheit. Projekte wie Eisenbahnbau und Infrastruktur - häufig im militärischen Zusammenhang - bekamen Priorität und drängten andere Vorhaben an den Rand. Viele Länder verstrickten sich in Kriege; in Syrien begannen die Kämpfe, der Iran war auf dem Vormarsch, die Lage im Irak und Afghanistan entwickelte sich spannungsgeladen. Und Abu Dhabi schritt als kriegsführende Partei im Jemen ein. „Das wurde immer mehr zum Pulverfass”, sagte er, „die Atmosphäre veränderte sich grundlegend! ” Das notwendige Krankenhaus wurde nicht mehr gebaut. Hinzu kam: Lorenz Schneider hatte in China und im Nahen Osten intensiv erfahren, was es für das Projektteam bedeutet, mehr oder minder ganz auf einer Baustelle zu leben. Internationale Projektmanager haben eine besondere Beziehung zur Ferne. Lorenz Schneider erinnert sich, wie er in Aserbaidschan viel reiste und in seinem Gastland die Schönheit der Natur und die Freundlichkeit der Menschen kennenlernte. Nichts Besseres, sagt er, hätte ihm passieren können als dieses faszinierende Land zu erkunden. Ihn, den begeisterten Alpinisten, erinnerte Aserbaidschan mal an den Schwarzwald, mal an die Schweiz. Lorenz Schneider lud Freunde aus Deutschland ein und bestieg mit ihnen als erste internationale westliche Gruppe die beiden höchsten Berge Aserbaidschans im Kaukasus, eine Tour, über die sogar die nationale Tageszeitung berichtete. „Wir sind zuvorkommenden und hilfsbereiten Menschen begegnet”, erzählt er, „das Leben war damals etwas chaotisch, doch das Land war ja im Umbruch und Aufbruch.” Doch gibt es auch Schattenseiten. Etwa der „Lagerkoller“, wie Lorenz Schneider es nennt. Die westlichen Kollegen waren häufig in eigenen Siedlungen untergebracht. Man teilte sich Häuser, Wohnungen - und häufig auch den Feierabend. Ein Projekt schweißt zusammen; er kam mit Kollegen zu englischen oder französischen Abenden zusammen, unternahm Die Rennstrecke in Abu Dhabi mit dem luxuriösen Yas Marina Hotel im Bauzustand. Foto: privat Porträt | Das Wissen von Baku 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 8 B_Reportage_01_Schneider.indd 8 19.06.2020 12: 05: 51 19.06.2020 12: 05: 51 Wüstentouren, besuchte Sportveranstaltungen oder kulturhistorische Stätten. Das diente nicht nur dem Vergnügen und der Entspannung („Man arbeitet dort häufig deutlich länger als in Deutschland”) - sondern als Gegenmittel gegen den Lagerkoller. „Dieser Beruf ist spannend“, sagt Lorenz Schneider, „man hält den Druck auf Wochen aus, auch auf Monate. Irgendwann aber sind die Batterien leer. Dann muss man raus, die ganze Baustelle hinter sich lassen, auch mal ganz weit weg.“ Ende 2015 entschied er, sich aus dem internationalen Geschäft zurückzuziehen. Es war ihm genug. „Ich habe nicht sofort meine Sachen zusammengepackt”, sagt er, „so etwas macht man nicht.” Zwei Jahre blieb er noch. Aber die wirtschaftliche Lage am Arabischen Golf verschlimmerte sich eher, als dass sie sich verbesserte. Zunehmend kamen Fragen über die innere Sicherheit auf. Lorenz Schneider zog den Stecker. „Die zwanzig Jahre Auslandeinsatz habe ich nicht mehr ganz vollgemacht.” Er brach die Zelte nach neunzehneinhalb Jahren Auslandseinsatz ab. Ohne Reue oder Bitterkeit. Er wandte sich völlig neuen Aufgaben zu: dem Teilen und Lehren von Erfahrungen, die er - teils mühsam - im Projektalltag geschöpft hat. Der Abschied von den internationalen Großprojekten - und der spektakulären Formel-1-Welt - fiel ihm leicht. „Ich habe diese Projekte immer als das gesehen, was sie waren - als Projekte”, sagt er. Ein Projektmanager sollte seinen Projektgegenstand kennen. Er sollte ihn mögen, sich von ihm faszinieren lassen. Aber: Er darf ihn nicht zu sehr lieben. Dem, was man baut, zu verfallen - das ist die Gefahr. „Gold plating” wird dies manchmal im internationalen Projektmanagement genannt. Das Projektteam vergoldet das, was es schafft. Es übererfüllt die Kundenerwartungen. Doch kein Kunde zahlt für „gold plating”. „Da spricht der commercial project manager in mir”, sagt er, „der Kunde hat etwas bestellt. Entsprechend der Leistungsspezifikation wird das Projekt realisiert, und da- Prof. Dr. Lorenz Schneider Dr. Lorenz Schneider ist Professor für Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt internationales Projektmanagement an der FOM Hochschule Siegen. Ihm obliegt die fachliche Verantwortung dieser Fachdisziplin für die FOM standortübergreifend deutschlandweit. Zudem lehrt er in Siegen, Köln, Dortmund und Hagen. Er startete seine Laufbahn in der deutschen Abfallwirtschaft und betreute auf Betreiberseite große Investitionsvorhaben im Umweltschutz. Nach neun Jahren Tätigkeit machte er sich selbstständig und verließ Deutschland Richtung Aserbaidschan für sein erstes Auslandsprojekt. In den nächsten 19 Jahren folgten dann weitere Projekte unter anderem in Bahrain, China, Syrien und Abu Dhabi. Er erwarb sein Projektmanagementwissen bei der GPM/ IPMA und hält das Level-Asowie das Level-B-Zertifikat. Darüber hinaus ist er geprüfter Projektkaufmann. Mittlerweile ist er auch Mitglied im Finance Committee der International Project Management Association IPMA. Foto: privat für bezahlt er.” Ein internationaler Projektmanager braucht kritische Distanz, eine professionelle Haltung. Vielleicht auch etwas Demut. Und ein waches Auge für das, was in der internationalen Projektwelt anders läuft als daheim. Eingangsabbildung: Die Rennstrecke mit den illuminierten Hotelfassade während des Rennens © privat Porträt | Das Wissen von Baku 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0037 B_Reportage_01_Schneider.indd 9 B_Reportage_01_Schneider.indd 9 19.06.2020 12: 05: 52 19.06.2020 12: 05: 52 Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext Karl Waldkirch Für eilige Leser | In internationalen Teams kommt es aufgrund von unterschiedlichen Denk-, Sprach- und Verhaltensweisen der Teammitglieder zu Missverständnissen bis hin zu Projektstillständen. Die Überschreitung von Kostenbzw. Zeitbudgets oder gar eine Gefährdung des Projektes sind möglich. Zur Sicherung des Projekterfolges sind Kenntnisse, Sensibilität und Präventionsmaßnahmen angesagt. Der Einfluss des konfuzianischen Wertekodexes auf die Teamfähigkeit, das unterschiedliche Zeitverständnis und gravierende Differenzen in der Vertragsauffassung spielen eine bedeutende Rolle für den Projekterfolg. Der Schlüssel ist ein grundlegendes Verständnis der chinesischen Mentalität, um die Projektarbeit mit chinesischen Managern zielorientiert und erfolgreich zu gestalten. Praxiserprobte Dos & Dont’s beim effizienten Führen von Projektteams im chinesischen Kontext werden in Fallbeispielen vermittelt. Der souveräne Umgang mit unterschiedlichen Vorgehensweisen und Prozessen in der Projektzusammenarbeit mit chinesischen Teammitgliedern ist dabei erfolgsentscheidend. Schlagwörter | Managerdenken- und Verhalten, konfuzianischer Wertekodex, Teambuilding, Teamentwicklung, kulturgeprägtes Zeit- und Vertragsverständnis, Projektarbeit, effektive Team-Kommunikation Als zweitgrößte Volkwirtschaft weltweit hat sich die VR China zur globalen Werkbank entwickelt. Mittlerweile beschafft jedes international tätige Unternehmen im Global Sourcing direkt oder indirekt im Reich der Mitte. Die europäische Staatengemeinschaft (EU) ist inzwischen sein viertgrößter Investitionspartner. Die Bundesrepublik Deutschland ist der größte Investor in China unter den Mitgliedern der EU. Durch internationale Arbeitsteilung und globale Wertschöpfung bilden sich internationale Teams und multinationale Projekte. Besonders hoch sind die Herausforderungen für Teamleiter und Teammitglieder gleichermaßen. In der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern kommt es aufgrund unterschiedlicher Denk-, Verhaltens- und Sprachweisen zu gravierenden Missverständnissen und Fehleinschätzungen. All dies führt ohne Früherkennung und Prävention zu Projektstillständen oder zu einer Überschreitung gesetzter Kostenbudgets. Unterschiedliches Managerdenken- und Verhalten Es bestehen grundsätzlich Unterschiede im Denken und Verhalten zwischen chinesischen und deutschen Managern. Natürlich ist die Schwarz-Weiß-Malerei klischeehaft und stereotyp, sie verdeutlicht jedoch, wie groß diesbezüglich die Unterschiede sein können. Bei dem erfolgreichen Führen von Projetteams sollte der Projektleiter sich dessen immer bewusst sein. Aber auch die Teammitglieder sollten über ein grundlegendes Verständnis ihrer eigenen Mentalität und der ihrer Kollegen verfügen. Der konfuzianische Einfluss von kulturgeprägten Normen und Werten auf die Arbeits- und Entscheidungsprozesse in der Projektzusammenarbeit sollte hierbei Berücksichtigung finden. Persönliche Beziehung versus Sachorientierung Erfolgsentscheidend ist bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Kollegen, eine persönliche Ebene zu schaffen. Der dazu Wissen Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext DOI 10.2357/ PM-2020-0038 1. Jahrgang · 03/ 2020 Deutscher Manager Chinesischer Manager • sachbezogen • teambezogen • Juniorität • personenbezogen • hierarchisch • Seniorität Tab. 1: Gegenüberstellung des Managerdenkens 10 DOI 10.2357/ PM-2020-0038 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 10 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 10 19.06.2020 12: 08: 02 19.06.2020 12: 08: 02 notwendige Zeitbedarf wird gerade von westlichen Projektleitern unterschätzt. Der persönliche Zugang zum Teammitglied wird durch Fragen nach Familie und Hobbys geebnet. Mit-der- Tür-ins-Haus-fallen sollte ein deutscher Projektleiter tunlichst vermeiden. Das Miteinander-warm-werden bildet sozusagen die Grundlage und die Ausgangsvoraussetzung für die anstehende Zusammenarbeit. Für die chinesische Führungskraft mit traditionellen Werten kommt das Persönliche vor dem Sich-Befassen mit den Sachthemen, also der Teamarbeit. Oftmals erschwert geografische Trennung persönliche Treffen. Der Aufbau von sozialen Beziehungen sollte gerade bei der Kick-Off-Veranstaltung gegeben sein. Der Start des Projekts ermöglicht einen ersten persönlichen Kontakt unter den Teammitgliedern. Dieses erste Kennenlernen ist besonders für virtuelle oder geografisch verteilte Teams von hoher Bedeutung, da sich die Teammitglieder im Laufe des Projektes nur noch selten persönlich sehen. Konfuzianische Prägung und Wertekodex Die konfuzianische Ethik-, Staats- und Soziallehre geht auf den gleichnamigen Philosophen Konfuzius-(kǒngjiào-孔教) zurück. Der Gründer des-Konfuzianismus-lebte im 5. Jh. v. Chr. Das zentrale Thema seiner Lehre war die Ordnung einer Gesellschaft, die auf fünf grundlegenden menschlichen Beziehungen (wǔlún-- 五 伦 ) beruht (Quelle: http: / / www.budopedia. de/ wiki/ Konfuzianismus): 1. zwischen Vater und Sohn ( 父子有 亲 ) 2. zwischen Ehemann und Ehefrau ( 夫 妇 有别) 3. zwischen älterem und jüngerem Bruder ( 长 幼有序) 4. zwischen Freunden untereinander ( 朋友有信) 5. zwischen Herrscher und Untertan ( 君臣有 义 ). Die jahrtausendlange Ausstrahlungskraft des Konfuzianismus entspricht unserem Christentum. Mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung richtet sich nach dieser Weltordnung. Auch in den Ländern Asiens wie Vietnam, Korea und Japan und Taiwan dienen die Lehren des Konfuzius als Orientierungsmaßstab für Handel und Wandel, ganz zu schweigen von den Überseechinesen auf den fünf Kontinenten. Durch die konfuzianische Gesellschaftsordnung können Chinesen sehr hierarchiegeprägt und obrigkeitshörig sein, was dieses Praxisbeispiel herausarbeitet: Das Stammhaus eines nordrhein-westfälischen Unternehmens setzte ein Projektteam ein. Die lokale Gesellschaft in Taicang, im Osten der Volksrepublik China rund 48 Kilometer nordwestlich vom Zentrum Shanghais gelegen, verzeichnete eine im internationalen Vergleich zu hohe Fehlproduktion in der Metallverarbeitung. Ein Team zur Ursachenforschung des Ausschusses in der Fertigung sollte gebildet werden. Der Teamleiter war der Qualitätsbeauftragte und die anderen Teammitglieder waren die Leiter der Abteilungen Material und Produktion. Der Projektmisserfolg war vorprogrammiert: Schuld daran sind die auseinanderklaffenden Hierarchiestellungen und die davon abgeleiteten Rollenmuster. Der Projektleiter, hierarchisch im Organigramm den anderen Teammitgliedern untergeordnet, kann sich nicht durchsetzen, um das Projekt erfolgreich zu führen. Da die Teammitglieder hierarchisch über dem Teamleiter standen, wurde die Leitung des Teams durch die Einkaufs- und Produktionsleiter absichtlich sabo- Projektteam CFO tiert. Das Ergebnis waren Kostenüberschreitungen und ein starker Gewinneinbruch. Teamarbeit miteinander, ohne sich über- oder unterordnen zu müssen auch bei der Geburt von Eineiigen-Zwillingen in der chinesischen Familie wird der Erstgeborene mit älterer Lin (Laolin -老林) und sein Bruder - nur wenige Minuten jünger - jüngerer Lin (Xiaolin 小林) genannt. Die chinesischen Normen kennen in der Gesellschaft keine Gleichrangigkeit im westlichen Sinne. Dies widerstrebt zuweilen der Teamfähigkeit. Eine an Hierarchie gebundene Vorgehens- und Arbeitsweise der chinesischen Führungskraft werden für den Projekterfolg äußerst kritisch; mehr dazu in dem nächsten Beispiel: Der CFO der Gruppe hat ein Projektteam, bestehend aus den Leitern Rechnungswesen verschiedener Standorte weltweit, installiert. Das Team soll eine Reporting-Struktur für ausländische Tochtergesellschaften inhaltlich gestalten, welche standardisiert auf alle Werke weltweit angewendet werden soll. Die Teammitglieder aus Shanghai, South Carolina und Barcelona sollen anhand eines Meilensteinplans die Struktur der monatlichen Berichterstattung untereinander abstimmen und diskutieren. Das Ergebnis sollte dann dem CFO der Gruppe vorgestellt werden. Der Projektverlauf ist eher schleppend. Diskutieren die amerikanischen und spanischen Kollegen zielstrebig die betriebswirtschaftlichen und technischen Kennziffern nach deren Aussagefähigkeit, kommen aus Shanghai nur zögernd, sehr zeitversetzt Kommentare. Durch die Überschreitung des Zeitbudgets war der Projektleiter gezwungen, sich einzuschalten. Es stellt sich heraus, dass das chinesische Teammitglied seine Äußerungen gegenüber dem Team immer vorher mit seinem Geschäftsführer der chinesischen Tochtergesellschaft abstimmen muss. Dem Älteren stets den Vortritt vor dem Jüngeren lassen, ist der Inbegriff der konfuzianischen Seniorität. Während in Deutschland das Durchschnittsalter der Manager (Junioritätsprinzip) immer weiter sinkt, hat in China immer noch der Dienstälteste das Sagen und das letzte Wort. Im nachfolgenden Beispiel beeinflusst dies negativ den Projektfortschritt drastisch: Wissen | Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext 11 DOI 10.2357/ PM-2020-0038 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 11 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 11 19.06.2020 12: 08: 03 19.06.2020 12: 08: 03 Die Muttergesellschaft in Essen klagte über schwankende Qualität bei den Zulieferungen aus China. Der Schweizer-Geschäftsführer des Zweigwerkes in Changzhou wurde zitiert. Daraufhin setzte er ein Projektteam ein, um der Thematik Qualitätsmängel auf den Grund zu gehen. Dazu berief er den Qualitätsverantwortlichen, den Einkäufer und den Werksleiter ins Team mit genauen Vorgaben und Zielsetzungen. Die Angelegenheit duldete keinen Aufschub. Der Werksleiter war von seinem Alter und Betriebszugehörigkeit unter den Teammitgliedern eindeutig der Senior. Die anderen Teammitglieder ordneten sich der grauen Eminenz unter. Er ließ keine Widerrede zu und hatte das alleinige Sagen. Da die Probleme nicht in den Griff zu bekommen war, stornierten wichtige Großkunden ihre Bestellungen. Gerade beschaffungsseitig kommt es in China häufig aufgrund des unterschiedlichen Zeit- und Vertragsverständnisses zu gravierenden Fehleinschätzungen und gipfelt nicht selten in Konflikten. All dies kann ohne Früherkennung und Prävention zu hohen Lieferengpässen in Europa oder großen Kostenüberschreitungen führen. Verschiedenes Zeitverständnis Es bestehen grundsätzlich Unterschiede in der Zeitauffassung der beiden Kulturen. Auch wenn die nachfolgenden Gegenüberstellungen sehr polarisierend wirken, wirken sich die darin aufgezeigten Unterschiede in der Zusammenarbeit mehr oder weniger drastisch aus. Deutsches Zeitverständnis Chinesisches Zeitverständnis • Monochrom / Klare Prioritäten setzen • Termineinhaltung: streng nach Zeitplan • zeitbewusst • Polychrom / Vieles gleichzeitig machen wollen • Termineinhaltung: flexibel nur Groborientierung • zeitneutral Tab. 2: Gegenüberstellung des Zeitverständnisses Westliches Vertragsverständnis Östliches Vertragsverständnis • Ohne weitere Vertragsabreden • Rahmencharakter häufig mit Nachverhandlungsklauseln • Unterschriebener Vertrag-= Verhandlungsabschluss • Unterschriebener Vertrag-= Verhandlungsgrundlage • Änderungen bedürfen der Schriftform • Mündliche Anpassungen-/ Hohe Flexibilität • Hohe Akzeptanz juristischer Beratung • Niedrige Akzeptanz juristischer Beratung • Unternehmensbezogen • personenbezogen Tab. 4: Gegenüberstellung des Vertragsverständnisses In monochromen Zivilisationen wie Deutschland sehen die meisten Menschen die Zeit als materielles Gut an, als eine Ressource, die es intensiv zu nutzen gilt und deshalb sorgfältig geplant sein will. Gleichbedeutend mit der Zeit ist in der westliche Welt Geld und Pünktlichkeit ebenfalls wichtig. In China dagegen denken und handeln die Menschen primär polychrom, d. h., sie leben in der Zeit. Für Chinesen ist Zeit ein Element der Natur und ist demnach auch nicht beeinflussbar. Zeit ist eben einfach vorhanden, deshalb sind Termine flexibel zu handhaben. Diesem etwas anderen Zeitverständnis tragen die deutschen Einkäufer in China bereits weitgehend Rechnung. So werden Zulieferungen sehr genau überwacht. Dabei kann die genaue Verfolgung der Abläufe und die Erreichung von Teilzielen (s. Tabelle 3: Monitoring des Meilensteinplans) auch bei Vorlieferanten (Sublieferanten) des chinesischen Unternehmens einsetzen. Dies ist besonders wichtig bei nicht substituierbaren Rohstoffen wie Erzen, aber auch bei petrochemischen Verarbeitungsprozessen. Sollten diese nicht termingerecht vom Lieferanten selbst bestellt und fristgerecht bereitgestellt werden, ist ein Lieferverzug vorprogrammiert. Erfolgversprechender erweist sich ein stufenweiser Abgleich der Terminerfüllung im Soll/ Ist-Modus. In manchen Branchen ist es üblich, dass Mitarbeiter des deutschen Unternehmens (Auftraggeber AG) dies auch vor Ort z. B. bereits bei Produktionsbeginn etc. sicherstellen. Vertrauen ist gut, eine ergebnisorientierte Überwachung des Lieferanten besser. Für die Terminüberwachung von Produktion sowie termingerechter Lieferung chinesischer Lieferanten sind folgende Erfolgsfaktoren entscheidend: 1. Vereinbaren von klaren Teilzielen (Milestone Schedule) für Lieferungen. Dieser muss konsequent auf Wahrscheinlichkeiten abgeklopft werden. 2. Der Milestone Schedule muss unbedingt von den Rechtsvertretern (Geschäftsführern) des chinesischen Lieferanten unterschrieben werden. 3. Jeder Meilenstein/ Teilziel muss mit einem verantwortlichen Ansprechpartner incl. Handynummer versehen werden. 4. Das regelmäßige Abfragen von Milestones/ Teilzielen sowie das dazugehörige Soll/ IST-Vergleichen dienen als Frühwarnsystem für Lieferantenverzögerungen. Unterschiedliches Vertragsverständnis bereitet den Investoren nicht selten Kopfzerbrechen. Einerseits scheinen chinesische Unternehmen über unendlich viel Zeit zu verfügen, bis der Vertrag ausgehandelt und endlich unterschrieben ist. Andererseits fordert das chinesische Unternehmen oftmals hohe Flexibilität vom deutschen Auftraggeber. Dabei fungiert der gerade geschlossene Vertrag als Arbeitsbzw. Geschäftsgrundlage. Bei Änderungen im chinesischen Sinne bedarf es nicht der beidseitigen Schriftform. Vielmehr werden sie häufig nach dem Vier-Augen-Prinzip - wenn nötig - sogar per Handschlag, einvernehmlich beschlossen. Die unterschiedliche Herangehensweise birgt bereits Konfliktstoff. Für chinesische Geschäftsleute ist ein Vertrag nur die Fixierung einer mündlichen Aussage von nicht austauschbaren, handelnden Personen. Im Gegensatz zur westlichen Geschäftswelt, in der unabhängig von den handelnden Personen der Geschäftsabschluss nur von Unternehmen zu Unternehmen geschlossen wird. Die Bindung im chinesischen Kontext besteht nicht zwischen Unternehmen, sondern zwischen den handelnden Personen und durch das Vertrauen zueinander. Wissen | Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext 12 DOI 10.2357/ PM-2020-0038 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 12 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 12 19.06.2020 12: 08: 03 19.06.2020 12: 08: 03 Bei einem deutsch-chinesischen Liefergeschäft ist der Weg vor ein Gericht gleichbedeutend mit dem Ende der Geschäftsbeziehung. Dies wird im chinesischen Kulturkontext als diu lian 丢脸 „Gesichtsverlust“ gesehen. Es ist deshalb ratsam, nicht den Rechtsweg zu bestreiten, sondern zuvor eine außergerichtliche Lösung anzustreben. Meistens führt ein solcher Weg eher zu dem gewünschten Ergebnis als ein gerichtliches Urteil, das im Zweifelsfall weder vollstreckt noch letzten Endes durchgesetzt werden kann. Rolle und Akzeptanz der Projektleitung stehen vor dem Hintergrund des Loyalitätskonflikts auf dem Prüfstein. Wie im Praxisbeispiel CFO (s. Abb.) muss der Projektleiter ohne Weisungsbefugnis das chinesische Teammitglied auf das übergeordnete Ziel, die Projektvision, einschwören. Hierbei ist es wichtig, den Stakeholder, den direkten Vorgesetzten des Teammitgliedes, mit ins Boot zu nehmen und für das anstehende Projekt zu gewinnen. Erfahrungsgemäß muss der Projektleiter eine aktivere Rolle ausfüllen als in vergleichbaren Projekten: chinesischen Manager aus der VR China sind in der Regel mehr weisungsgebunden als selbständig. Die sozialistische Plan- und Kommando-Wirtschaft ist die etablierte Organisationsform in China mit rigider Planung von oben nach unten. Dies lässt - ähnlich wie in der fünf Jahrtausende währenden feudalistischen Monarchie - der Eigeninitiative keinen Freiraum. Hinzu kommt, dass die konfuzianische Doktrin meistens stark durch autoritäre Arbeitsstrukturen dominiert ist. Effektive Gestaltung der Kommunikation unter den Teammitgliedern In der VR China besitzen lokale Manager Englischsprachkenntnisse, die bei jedem einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sind. Business-Englisch fließend zu beherrschen, ist auch für studierte Fachkräfte aus dem Reich der Mitte keine Selbstverständlichkeit. Das Team sollte sich darauf einstellen. Meilenstein Ansprechpartner beim chinesischen Lieferanten Unterschrift unter dem Vertrag Handynummern der chinesischen Unternehmensvertreter sowie deren Assistenten abfragen Warenbestellung an Sublieferanten Kontaktierung und Abstimmung mit Disponenten Terminbestätigung des Sublieferanten Abfragen, ob Terminbestätigung beim Disponenten eingegangen ist Eingang der RHBs / CKD/ SKD) beim Lieferanten Wareneingangskontrolle Vorbereitung der Teile (Arbeitsvorbereitung/ AV) Checken, ob Produktionsvorbereitung termingemäß verläuft Beginn der Fertigung Kontaktaufnahme und Abstimmung mit Produktionsleiter (Präsenz des AG sinnvoll) Fertigstellungstermin Abfragen der Fertigstellung (Vorort-Inspektion durch AG unbedingt erforderlich) Warenausgang ab Werk des Lieferanten Empfehlung: Logistik in einer Hand ggf. deutscher Speditionen Verantwortlicher bei der Spedition wegen Terminbestätigung abfragen Transport ab Werk zum Hafen Shanghai s. o. Schiffsbeladung s. o. Ankunft Hafen Hamburg s. o. Tab. 3: Monitoring des Meilensteinplans Wissen | Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext 13 DOI 10.2357/ PM-2020-0038 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 13 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 13 19.06.2020 12: 08: 03 19.06.2020 12: 08: 03 Generell sind entlang der Ostküste Chinas die Sprachkenntnisse besser als in anderen Teilen des Landes, beispielsweise in Westchina. Aus diesem Grunde ist es hilfreich, sich an bestimmte Kommunikationsregel (Dos & Don`ts) zu halten. Organisatorische Fragen sind elementar. Beispielsweise sollten die verschiedenen Zeitzonen bei einer interkontinentalen Teamsitzung beachtet werden. Das auch ein mittelständiges Unternehmen über Produktionsstandorte in den U.S.A und in China verfügt, ist nichts Ungewöhnliches. Eine Telefonkonferenz zwischen drei Kontinenten ist aufgrund der Zeitverschiebung ziemlich schwierig in den Bürostunden anzuberaumen. Fehlinterpretationen und Missverständnisse durch fehlende Körpersprache sind erfahrungsgemäß bei Telefonkonferenzen vorprogrammiert. Da in den Staaten (U.S.A.) die Zeitumstellung von Winterauf Sommerzeit bereits am 09. März 2020 stattfindet (Zeitumstellung in Deutschland erst am 29. März 2020) hat man für ca. zwei Wochen einen Zeitunterschied von nur 5 Stunden. In diesem Zeitraum wäre es optimal, einen Termin zu vereinbaren. Ein Vorschlag wäre 12 Uhr MEZ für das Stammhaus in Stuttgart, in der New Yorker Tochtergesellschaft wäre es dann 7 Uhr morgens und in der Shanghaier Niederlassung 19 Uhr abends. Unterschiedliche Feiertage und Wochenenden sind zu berücksichtigen. Die IT-Infrastruktur an allen Standorten im In- und Ausland und deren Vernetzung ist für eine Videokonferenz oder Skype wesentlich. Die Virtual Private Network (VPN) Verbindung ist die derzeit gängige Lösung, verschiedene private Dos Donʼts • kurze Sätze • Lange Monologe ohne Pausen • langsam und deutlich • schnell und unklar • strukturierte Statements • Contenance, gleichbleibende Stimmlage • von einem Thema zum anderen und zurück springen • Gefühlsausbrüche • Aufgaben werden jeweils mit einer Terminfestsetzung vergeben • Aufgaben ohne Terminsetzung • Priorisierung der Aufgaben • Aufgaben aufreihen, ohne klar und deutlich zu sagen, welche Aufgabe zuerst bearbeitet werden muss • bei E-Mail-Korrespondenz: jeweils zu jedem Thema nur eine E-Mail • bei E-Mail-Korrespondenz: verschiedene Themen in einer E-Mail versenden Tab. 5: Kommunikationsregeln: Dos & Don’ts bei der Projektarbeit Dos Don’ts Der Projektleiter fragt das Teammitglied nach seiner Familie und wie es ihm geht und kommt danach auf die eigentliche Aufgabenstellung. Der Projektleiter spricht sofort die Aufgabe an, ohne auf die persönlichen Dinge des Teammitglieds einzugehen, d. h. er fällt mit der Tür ins Haus. Der Projektleiter nimmt sich Zeit bei der Erläuterung der zu bewerkstelligenden Aufgabe. Der Projektleiter gibt dem Teammitglied zwischen Tür und Angel eine Aufgabe ohne weitere Erklärung. Der Projektleiter fragt nach, wie das Teammitglied bei der Bewältigung der Aufgabe vorgehen will. Der Projektleiter delegiert nur, ohne die Umsetzung detailliert zu besprechen. Der Projektleiter fordert einen Zwischenstand in Form eines Berichtes bei dem Teammitglied an. Der Projektleiter wartet, bis das Endergebnis vorgelegt wird. Der Projektleiter lobt diejenigen, die Fragen stellen, wegen ihrer intelligenten Fragen. Der Projektleiter beantwortet Fragen ungeduldig, als ob sie ihm lästig seien. Komplexe Sachverhalte werden durch sehr viele Grafiken, Charts etc. veranschaulicht. Es wird nur wenig Anschauungsmaterial zur Klärung der Thematik zur Verfügung gestellt. Nach dem Abgabetermin wird ein angemessener Zeitpuffer mit einkalkuliert. Nach dem Abgabetermin wird kein Zeitpuffer eingeplant. Von dem Projektleiter sind systematisch die zu übertragenden Aufgaben gemäß Prioritäten zu besprechen und das Teammitglied soll wiederholen, welche Aufgabe zuerst erledigt werden muss. Der Projektleiter springt von einem Thema zum anderen, sodass das Teammitglied weder die genaue Aufgabenstellung erfährt noch weiß, mit welcher Aufgabe er von ihrer Wichtigkeit her beginnen soll. Tab. 6: Übersicht der Dos & Don’ts bei der Projektarbeit Wissen | Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext 14 DOI 10.2357/ PM-2020-0038 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 14 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 14 19.06.2020 12: 08: 03 19.06.2020 12: 08: 03 sich dergestalt entwickeln, dass Sprachunterschiede (unterschiedliche Sprachen, Dialekte, Muttersprachler vs. Fremdsprachler) mit Toleranz und Geduld wahrgenommen werden. Nachfolgend sind die Kommunikationsregeln für die Projektarbeit gegenübergestellt, und zwar im Dos- & Don‘ts-Modus. Erfahrungsgemäß ist die Beherzigung dieser Regeln bereits der Weg zum Erfolg bei der Projektarbeit mit chinesischen Teammitgliedern. Eingangsabbildung: © iStock.com/ imtmphoto Karl Waldkirch Doppelqualifikation in Sinologie / Volkswirtschaft mit Prädikatsexamina Führungspositionen in internationalen Konzernen Seit 2003 CEO der ASC (auf Asien spezialisiertes Beratungsunternehmen mit Tochtergesellschaften in Fernost) Umfassende Seminartätigkeit und Coaching Maßgebende Buchveröffentlichungen und Fachartikel in der Wirtschaftspresse Kontakt KW@asc-Waldkirch.de Link auf die beiden Unternehmenswebsites: http: / / asc-seminarzentrum.de/ http: / / asc-waldkirch.com/ Netzwerke miteinander zu verbinden. Oft ist die Qualität der Internetverbindung so minderwertig, dass eine einwandfreie Wiedergabe oder Übertragung nur schwerlich möglich ist. Zu klären ist, ob der Hauptsitz per VPN auch mit den beiden Filialen (New York/ Shanghai) problemlos verbunden werden kann. Dabei ist das dazwischen liegende Netz auch das Internet, das dem VPN als Transportweg dient. Wesentliche Erfolgsfaktoren erfolgreicher Projektabwicklung Die großen Unterschiede in den verschiedenen Kulturen, Kontinenten, Ländern und Regionen sind die hohen Herausforderungen bei der internationalen Projektzusammenarbeit. Diese zu meistern, sind die eigentlichen Erfolgsfaktoren. Die Teammitglieder müssen für Akzeptanz und Verständnis dem jeweils „Anderen“ und dessen Kultur gegenüber sensibilisiert werden. Für ethnische Unterschiede in den Mentalitäten und die Verschiedenartigkeit bei den Herangehensweisen müssen alle Teammitglieder sensibilisiert werden. Neben der Toleranz und dem Respekt gegenüber den Unterschieden ist es eine Meisterleistung eine gemeinsame Identität zu schaffen. Dabei sollten trotz der Reisezeiten und -kosten mehrmals persönliche Meetings, bei denen alle Beteiligten anwesend sind, geplant werden. Auch zusätzliche für die Entstehung eines Team-Spirit zu veranstaltende „Social events“ sind während der Projektlaufzeit erfolgsentscheidend. Diese stärken die Gemeinsamkeiten und erhöhen die Teamidentität. Die Bedeutung des Faktors „Zeit“ sollte immer im Auge behalten werden. Das Kommunikationsbewusstsein sollte Wissen | Internationales Projektmanagement im chinesischen Kontext 15 DOI 10.2357/ PM-2020-0038 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 15 D_Wissen_01_Waldkirch.indd 15 19.06.2020 12: 08: 04 19.06.2020 12: 08: 04 Mindshift im Projektmanagement - aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive Bernd Linder-Hofmann Für eilige Leser | Um unter den aktuellen Rahmenbedingungen von VUKA im Projektmanagement weiterhin wirksam zu sein, reichen neue Techniken und Tools alleine nicht aus. Grundlage eines notwendigen Mindshift im Projektmanagement ist die Erweiterung und Ergänzung um östliche Perspektiven und Praktiken. Damit kann ein fundamentaler Wandel hin zu einem integralen Projektmanagement erfolgen. Ein konkreter Schritt ist, die aktuelle Ausbildung der Projektleiter und auch Forschung und Lehre darauf aufbauend neu auszurichten - und zwar Hier und Jetzt. Schlagwörter | Agilität, Mindshift, integrales Projektmanagement, Intuition, Meditation, Perspektivenwechsel, Wirksamkeit, Prozesskompetenz Die Veröffentlichung des Manifesto for Agile Software Development im Jahr 2001 gilt als Meilenstein für die Einführung agiler Werte und Prinzipien im Projektmanagement. Ergänzt durch bis dahin bereits praktizierte Methoden wie Scrum und Kanban und Ansätzen des Lean Management entstanden in den folgenden Jahren Vorgehensmodelle für agiles Projektmanagement (Timinger 2017). Agilität bedeutet dabei intelligente Schnelligkeit, Flexibilität, Dynamik und Kundenorientierung und wird auf Bewusstsein, auf eine Haltung, auf ein Mindset bezogen. Sie entsteht nicht zwangsläufig und automatisch durch die Anwendung von agilen Methoden, sondern erst die nachhaltige Verinnerlichung und Verankerung der agilen Werte und Prinzipien in der gesamten Organisation macht den Einsatz der Methoden wirklich wirksam. Damit wird ein Mindshift, eine Veränderung von Bewusstsein und Haltung zur wesentlichsten Aufgabe der Transformation von Menschen und Organisationen. Die Vernetzung aller Systeme, mit dem Symbol des Internets, mit der Industrie 4.0, der Digitalisierung von Produktion und Logistik in einem globalen Ausmaß und den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz (KI) führt zu einer stetig sich erweiternden und permanent beschleunigenden Veränderung der Rahmenbedingungen, die zusammengefasst als VUKA beschrieben werden: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Als Möglichkeiten des Umgangs mit diesen Herausforderungen der VUKA-Welt ist Agilität einer der häufig genannten Begriffe bzw. das Postulat eines agilen Mindsets. Es macht Sinn, sich damit zu befassen, was ein agiles Mindset bedeuten und wie ein Mindshift verwirklicht werden könnte. Wenn der Mind geshiftet, also verschoben oder verändert werden soll, ist es gut zu wissen, von wo nach wohin er geshiftet werden soll. In diesem Artikel wird für das Feld des (Projekt-)Managements zum einen die Ausgangsperspektive (von wo? ) beleuchtet und zum anderen die Bedingungen und Vorgehensweisen aufgezeigt, die einem Mindset eine Richtungsänderung auf einen neuen Zustand hin (nach wohin? ) geben können. Dieser Zustand des Bewusstseins wäre im westlichen Sinn tatsächlich verändert und neu, aus einer östlichen zen-buddhistischen Perspektive betrachtet basiert er auf einer Tradition von 2.600 Jahren. Die westliche Perspektive Die westliche Perspektive hat eine lange Tradition: auf dem aristotelischen Axiom „wenn A ist, kann B nicht sein“ fußt der Subjekt-Objekt-Dualismus, von den Calvinisten geprägt ist die Priorisierung der linearen vor der zyklischen Zeit sowie die Monetarisierung der Zeit („Zeit ist Geld“); die weiteren wesentlichen Ideen und Gegenstände der westlichen Perspektive sind, alles, was messbar ist, zu messen und zu Wissen Mindshift im Projektmanagement - aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive DOI 10.2357/ PM-2020-0039 1. Jahrgang · 03/ 2020 16 DOI 10.2357/ PM-2020-0039 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard-Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. Mit agilen Elementen wie Task Boards, Issues und Activities machen Sie Ihre Teams schneller und produktiver. Bewährte Elemente wie die Planung der Ecktermine liefern zuverlässige Leitplanken. energizing great minds Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way Jetzt kostenlos testen! https: / / bit.ly/ 3fTCtwZ D_Wissen_02_Linder.indd 16 D_Wissen_02_Linder.indd 16 19.06.2020 12: 13: 50 19.06.2020 12: 13: 50 quantifizieren (Galilei), alles in immer kleinere Teile zu zerlegen (Descartes), immer Ursachen und Erklärungen für die Erscheinungen zu finden (Newton) und dem rationalen und logischen Verstand die Priorität einzuräumen (Kant). Wir haben einen kognitiv-rationalen Wissens- und Kenntnisweg entfaltet und glauben an eine objektive Wahrheit. Die Idee einer sich nach vorne, immer in die Zukunft gerichteten Evolution als historischer Entwicklung, zusammen mit der christlichen Heilslehre des Glaubens an ein zukünftiges Paradies fundiert dann das Primat der linear gerichteten, objektiven, rechenbaren Zeit. Zeitmessung und Zeiteinteilung auf der Basis der „wahren“ Zeit (Newton) wurden Grundlage der Lebensführung und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Unser westliches Managementdenken basiert auf diesen Axiomen, die eine wissenschaftliche Betriebsführung („scientific management“) und die Idee eines in der Zukunft zu erreichenden Ideals („one best way“) im Dort und Später beschreiben. Das Handeln der Akteure im kapitalistischen Wirtschaftssystem wird ausschließlich auf eine imaginierte Zukunft gerichtet, „fiktionale Erwartungen werden zum Treibstoff der Ökonomie“ (Beckert, 2018). Die Grundlagen des „klassischen“ Projektmanagements mit seinen Methoden, Techniken und Tools sind aus diesen Perspektiven heraus entstanden und weiterentwickelt worden. Das ist weder richtig noch falsch, sondern soll hier vor allem auf seine gegenwärtige Wirksamkeit hin betrachtet werden. Unter den bereits oben ausgeführten Rahmenbedingungen von VUKA sind und werden Vorgehensweisen, die auf längerfristigen, stabilen und gefügten Konzepten beruhen, immer weniger wirksam, wenn sich die äußeren Bedingungen weiter dynamisieren, beschleunigen und immer ungewisser werden. Unter einem Konzept verstehen wir die Idee von einem Idealzustand im Dort und Später (Ziel). Die zu seiner Realisierung notwendigen und damit verbundenen Kompetenzen sind im westlichen Denken die der optimalen und zentralen Steuerung der dafür einzusetzenden Mittel auf der Basis einer zeitlich linear-sequentiellen Strukturierung und Vorgehensweise (Projektstrukturplan). Die Erkenntnisse und Erfahrungen der Nachteile dieser Vorgehensweise bei einer raschen und dann überraschenden Veränderung der Rahmenbedingungen haben folgerichtig zunächst in der IT-Entwicklung zu anderen Ansätzen bis hin zum agilen Manifest geführt (siehe oben). Wenn wir uns nun mit einem anderen Mindset auseinanderzusetzen gezwungen sind, soll es nicht um Entweder-oder und einen Ersatz gehen, sondern um Sowohl-als-auch, d. h. den westlichen Weg zu ergänzen, oder, anders ausgedrückt: es geht um einen Mindshift auf der Basis eines radikalen Perspektivenwechsels, um ein Verschieben der Perspektive von West nach Ost und wieder zurück, um das sehen zu können, was wir die ganze Zeit nicht zu erkennen in der Lage waren und unser „blinder Fleck“ war (Julien, 1999). Die östliche Perspektive Die östliche Perspektive basiert auf den Grundlagen des permanenten Wandels und der Veränderung (I Ging, Lao-tse), des abhängigen, bedingten Entstehens und der Verbundenheit, der harmonischen Einbindung des Menschen in die Gemeinschaft und den Kosmos (Kung-tse), der Leerheit aller Erscheinungen (Nagarjuna) und der tiefen Erfahrung, dass ein Erwachen und „Erleuchtung“ nur in der Gegenwart stattfinden kann (Buddha). Diese Perspektive ist nondual, d. h. ohne Subjekt-/ Objekt-Dualismus und in erster Linie ein Erfahrungsweg, der ein tiefes Verständnis des permanenten Werdens und Vergehens, der zyklischen Zeit beinhaltet. Ausgehend vom Grundsatz: „Es gibt nichts Wichtigeres als die leidenschaftliche Hingabe in einem gegebenen Augenblick“ (Tsunetomo) wurde in dieser östlichen Perspektive ein Weg entwickelt, der die Gegenwart in den Mittelpunkt stellt. Da sich alle Erscheinungen, auch wir als Menschen, im dauernden Wandel befinden, gibt es keine verlässlichen Gewissheiten. Die Gegenwart ist in diesem Verständnis nicht als eine Zeiteinheit zu verstehen, die Gegenwart ist immer gegenwärtig und ohne Zeit. Aus diesem Verständnis heraus gibt es nur ein Handeln in der Gegenwart als einem permanenten Prozess und dem Ideal einer Perfektion im Hier und Jetzt. Die entscheidenden Kompetenzen sind die Aufmerksamkeit und Wissen | Mindshift im Projektmanagement - aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive Anzeige Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard-Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. Mit agilen Elementen wie Task Boards, Issues und Activities machen Sie Ihre Teams schneller und produktiver. Bewährte Elemente wie die Planung der Ecktermine liefern zuverlässige Leitplanken. energizing great minds Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way Jetzt kostenlos testen! https: / / bit.ly/ 3fTCtwZ D_Wissen_02_Linder.indd 17 D_Wissen_02_Linder.indd 17 19.06.2020 12: 13: 53 19.06.2020 12: 13: 53 Achtsamkeit im Augenblick, die intuitive Wahrnehmung dessen, was ist, um bei den permanenten Veränderungen wirksam zu sein, entsprechend der Wahrnehmung zu handeln, d. h. hinderliche Entwicklungen zu mindern und förderliche Entwicklungen zu unterstützen. Es ist ein Verständnis von einem flexiblen, agilen und variablen Vorgehen und einem (Re-)Agieren auf das hin, was der gegenwärtige Augenblick erfordert. Um in diesem Augenblick aber nicht beliebig zu werden und zu sein, sind einige Voraussetzungen notwendig: zum einen eine Orientierung an handlungsleitenden Prinzipien, eine geschulte, intuitive Wahrnehmung als Grundlage für die Präsenz in der Gegenwart, ein perfektes Beherrschen der dann der Situation angemessenen Methoden, Techniken und Tools und ein Bewusstsein, das von der Non-Dualität, der Verbundenheit und dem abhängigen Entstehen aller Erscheinungen ausgeht. Um es plastischer zu machen: Im Jahr 1933 führte Matsushita Konosute, der Gründer von Panasonic, als innovative Managementpraxis seine sieben Führungsprinzipien ein, die nach 86 Jahren auch heute noch gültig sind und mit seinem Bild aktuell auf der Webseite des Unternehmens stehen (siehe auch das Interview). Als Beispiel: ein Prinzip ist „unermüdliche Anstrengung für Verbesserungen“ und eine der Grundlagen von >muda< (keine Verschwendung). Muda wird verstanden als ein handlungsleitendes Prinzip, eine grundlegende innere Form und Haltung und gilt für jeden Mitarbeiter in jedem Augenblick und bei jeder Handlung im Hier und Jetzt. Das Streben nach Perfektion im gegebenen Augenblick ist gleichzeitig ein Dienst an der Gemeinschaft und dem größeren verbundenen Ganzen; es muss nicht durch Führung angewiesen und kontrolliert werden, sondern wird als eine Aufgabe jedes Einzelnen auch im Sinne einer Selbstkontrolle verstanden. Wir im Westen machen aus Muda ein Konzept und versuchen mit zentraler Steuerung und Regelungs- und Sanktionsmaßnahmen keine Verschwendung als Ideal im Dort und Später zu erreichen. Aus der „unermüdlichen Anstrengung um Verbesserungen“ wird im Westen das Konzept des Betrieblichen Vorschlagswesen (BVW). Unsere großen Erfolge im Umgang mit Kompliziertheit haben uns in eine fatale (Denk-) Falle geführt: Wir glauben an eine zentrale Steuerung von Organisationen durch einzelne Menschen aus einem Cockpit heraus (Modell des Flugzeugs/ Kapitäns). Wir versuchen immer wieder als Management-Reflex, diese bewährten Vorgehensweisen auch auf komplexe Systeme anzuwenden. „Immer wieder das Gleiche versuchen, und andere Ergebnisse erwarten, ist eine Variante von Wahnsinn“ ( fälschlicherweise Albert Einstein zugeschrieben). Zusammenfassung und Zwischenfazit Der Westen hat einen Kenntnisweg in der äußeren Form entwickelt, der auf Kognition, auf Wissen und Kenntnissen basiert. Der rational-logische Verstand, das Messen und Bewerten und die Planung und Steuerung für die Zukunft stehen im Vordergrund. Der Weg des Ostens ist ein Erfahrungsweg, der auf der inneren Form, auf der Intuition, dem Wahrnehmen und Erfassen beruht. Die intuitive Wahrnehmung des Augenblicks, das Unterscheiden ohne Bewerten und das Handeln in der Gegenwart stehen im Vordergrund. Um es noch einmal sehr deutlich zu sagen: Es sollen hier nicht weltanschauliche Perspektiven im Sinne von falsch-richtig oder gut-schlecht gegeneinandergestellt werden, sondern die Wirksamkeit eines Perspektivenwechsel soll im Fokus stehen. Perspektivenwechsel als Grundlage eines Mindshift Ein radikaler Wechsel von Perspektiven beginnt immer mit einer Ent-Täuschung, die irritierend sein kann. Ich stelle in einem Augenblick des tiefen Erfassens fest, dass es zu meinem bisherigen Standpunkt und meiner Perspektive noch mindestens eine andere gibt, die gleich gültig ist und eben deshalb nicht gleichgültig sein kann. Ich habe mich also bisher in meiner Weltsicht getäuscht (Poraj, 2016) und muss einen anderen Standpunkt einnehmen. Das kann einen solchen Wechsel der Perspektive herausfordernd machen, stellt er doch bisherige Gewissheiten, Sicherheiten und damit auch Stabilität in Frage. Im Fokus der östlichen Perspektive steht ein Streben nach Perfektion im Hier und Jetzt und • eine Orientierung an handlungsleitenden Prinzipien, • eine intuitive Wahrnehmung und ein Gewahrsein des Augenblicks, • eine Hingabe und ein Einlassen auf einen Prozess im permanenten Wandel, • ein Beherrschen und Anwenden der situativ angemessenen Methoden, Techniken und Tools, • eine entschlossene, mutige und gemeinschaftliche Umsetzung, • ein Handeln, das als Dienst an der Gemeinschaft verstanden wird und • ein Bewusstsein, das von der Non-Dualität, der Verbundenheit aller Erscheinungen, dem abhängigen und bedingten Entstehen ausgeht. Eine konsequente Umsetzung des östlichen Weges in die Praxis soll hier verstanden werden als Ergänzung und Erweiterung unserer westlichen Perspektive ganz im Sinne von Yin und Yang eines multiperspektivischen und integralen Projektmanagements. Einige Grundlagen haben wir im Westen u. a. mit dem agilen Projektmanagement bereits geschaffen, wir müssen hier nicht immer das „Rad neu erfinden“, sondern können auch auf bereits eingeführte Ansätze und Vorgehensweisen zurückgreifen und ihnen aus einem dann umfassenderen Verständnis eine neue Verortung geben. Orientierung an handlungsleitenden Prinzipien Das agile Manifest kann hier sehr gut als ein Beispiel dienen: Neben den vier Grundsätzen umfasst es insgesamt zwölf Prinzipien (die auch tatsächlich so genannt wurden), und die den Verfassern zufolge als Matrix hinter dem Manifest stehen. U. a. mit dem Prinzip „In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an“ gibt es bereits einen ersten Anspruch an Verbesserungen. Wirklich ernst genommen und konsequent praktiziert, sind sie z. B. eine sehr gute Basis für eine Anleitung und Handlungsleitung in der Gegenwart. Wissen | Mindshift im Projektmanagement - aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive 18 DOI 10.2357/ PM-2020-0039 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_02_Linder.indd 18 D_Wissen_02_Linder.indd 18 19.06.2020 12: 13: 54 19.06.2020 12: 13: 54 Intuitive Wahrnehmung und ein Gewahrsein des Augenblicks Eine intuitive Wahrnehmung und ein Gewahrsein des Augenblicks ist im Westen zunächst eine Herausforderung. Zum einen haben wir dem Denken, der Kognition, dem rationalen Erkennen seit Jahrhunderten den Vorrang gegeben, zum anderen haben wir, abgesehen von klösterlichen Nischen keine methodischen Traditionen (mehr), uns die Intuition zu erschließen. Die wissenschaftlichen Beweise allerdings aus den letzten Jahren sind sehr eindeutig: Meditative und kontemplative Praktiken sind der wirksamste Zugang zur Intuition und zur Wahrnehmung (stellvertretend: Ott/ Zeuch, beide 2010). Dass diese Methoden aktuell schon Einzug gehalten haben, zeigt u. a. das Beispiel von SAP, das auf der Grundlage von „Search-Inside-Yourself“ (Chade-Meng Tan/ Google) ein Achtsamkeitstrainings eingeführt hat, an dem inzwischen weltweit mehr als 9.000 Mitarbeiter mit großem Erfolg teilgenommen haben. Erfolg heißt dabei, auch in Bezug auf Achtsamkeit, intuitiver Wahrnehmung und Gewahrsein im beruflichen Alltag aus einer persönlichen Entwicklung heraus mit Gelassenheit noch wirksamer zu werden. Hingabe und ein Einlassen auf einen Prozess im permanenten Wandel Um die Erfahrungen meditativer Praktiken im Alltag überhaupt anwenden zu können, braucht es zuerst ein Anhalten und Innehalten, d. h. eine Entschleunigung und ein In-sichgehen und ein Gewahrsein für das, was ist. Einem radikalen Hinterfragen und Loslassen der bisherigen Sichtweisen kann das Einlassen auf das Neue nur aus einer gefühlten Akzeptanz und nicht nur aus einer rationalen Einsicht folgen. Die vielleicht auftretende empfundene Disruption zuzulassen und ein Sowohl-als-auch auszuhalten, sind Fähigkeiten, die in unserem Kulturkreis nicht selbstverständlich sind, sondern der intensiven Übung bedürfen. Das erfordert neben der Achtsamkeit und der Fokussierung auch Mut zu dieser Hingabe und die Energie, die Kraft und Präsenz, sich unabhängig von gängigen Lehrmeinungen als „Musterbrecher“ (Wüthrich u. a., 2009) gegen den Mainstream zu präsentieren und zu positionieren. Beherrschen und Anwenden der situativ angemessenen Methoden, Techniken und Tools Die Beherrschung und Anwendung der Methoden, Techniken und Tools geht weit über das bloße Verstehen hinaus, es bedarf einer Verinnerlichung aus einer intensiven Erfahrung heraus. Das entspricht eher weniger unserer bisherigen westlichen Vorgehensweise, vor allem bei den beratenden Berufen, die oft Wissen und Kenntnisse nur aus dem Verstehen heraus weitergeben und in Form von Konzepten zur Grundlage ihrer theoretischen Beratungs-„Praxis“ machen. Bei den Methoden, Techniken und Tools könnte es weiterhin zielführend sein, die Unterscheidung in klassisch und agil wie auch hybrid dauerhaft aufzugeben und sie unter dem Kriterium der Wirksamkeit anzuwenden, d. h., es gibt nur Methoden, Techniken und Tools für das Projektmanagement, die nicht mehr etikettiert sein sollten und situativ passend und adäquat angewendet werden. Entschlossene, mutige und gemeinschaftliche Umsetzung Diese Methoden, Techniken und Tools gilt es entschlossen und mutig einzusetzen und umzusetzen und gleichzeitig partnerschaftlich und empathisch zu sein, d. h. auch wahrzunehmen, zu empfinden und mit einzubeziehen, wie es anderen Betroffenen und Beteiligten damit geht. Die gemeinsame verlässliche Umsetzung hängt eng mit dem nächsten Punkt zusammen. Ein Handeln, das als Dienst an der Gemeinschaft verstanden wird Dieser Dienst an der Gemeinschaft ist im Westen nach Jahrzehnten einer bisher beispiellosen kulturellen Individualisierung auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die letzten Jahre und die aktuellen gesellschaftspolitischen Ereignisse gehen allerdings in eine Richtung, die gemeinschaftliche Aktionen und Anstrengungen vor allem im ökologischen Feld wieder stärker in den Fokus rückt. Hier könnte eine Chance auch für den ökonomischen Bereich und eine verantwortliche Unternehmensführung insgesamt liegen, sich dieser Aspekte im Sinne einer umfassenden und universal orientierten Corporate Social Responsibility (CSR) noch weiter und verstärkter anzunehmen. Ein Bewusstsein, das von der Non-Dualität, der Verbundenheit aller Erscheinungen, dem abhängigen und bedingten Entstehen ausgeht Was die Verbundenheit und den inhärenten Zusammenhang der Dinge betrifft, können wir im Westen inzwischen an die seit vielen Jahren etablierten integral-systemischen Ansätze, aber auch auf die quantenphysikalischen, neurophysiologischen und neurobiologischen Forschungsergebnisse, Erkenntnisse und Erfahrungen zurückgreifen. Wir sind keine isolierten Wesen in einer dualen Welt, sondern verschränkt und verbunden, individuell wie kollektiv. Hier rücken gerade in den letzten Jahren die westliche Wissenschaft und die östliche Erfahrungsphilosophie immer enger zusammen und bestätigen sich gegenseitig. Nicht zuletzt hat seine Heiligkeit, der amtierende Dalai Lama durch seine Dialoge mit Wissenschaftlern einen wesentlichen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis geschaffen und er betont immer wieder die fruchtbare Symbiose, die sich für beide Seiten aus einem Austausch und einer intensiveren Zusammenarbeit ergeben kann. Vordenker in der westlichen Hemisphäre haben in der „Großen Begegnung“ zwischen Ost und West eine große Chance für die gemeinsame Zukunft der Menschheit insgesamt gesehen (Gebser, 2018). Gerade die weitere Entwicklung einer integralen und systemisch fundierten Sichtweise auch in einem integralen Projektmanagement als Weg zu einem weiter entwickelten Bewusstsein wird hier sehr vielversprechend sein. Was ist ein nächster konkreter Schritt? Ein erster Anfang und ein konkreter Schritt ist eine entsprechende Ausbildung und Qualifizierung gerade der zukünftigen Projektleiter mit einem Blick auf die Kompetenzelemente der „Individual Competence Baseline“ ICB 4. Unabhängig davon, dass sie auf der Plattform der westlichen Perspektive entstanden ist, sind bereits Kompetenzen definiert, die als Grundlage für eine Entwicklung in Richtung einer östlichen Perspektive Wissen | Mindshift im Projektmanagement - aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive 19 DOI 10.2357/ PM-2020-0039 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_02_Linder.indd 19 D_Wissen_02_Linder.indd 19 19.06.2020 12: 13: 54 19.06.2020 12: 13: 54 dienen können. Hier sind insbesondere zu nennen: Perspektivenwechsel, Offenheit, ganzheitliches Verständnis, Change und Transformation, die als einzelne richtungsweisende Elemente aufgezeigt werden. Für die Fundierung eines dringend notwendigen Mindshift im o. a. Sinne sind sie aber weder an prominenter Stelle noch in einer gleichwertigen Balance. Zielführend wäre eine Ergänzung und Erweiterung der Konzeptkompetenz um Ansätze für eine noch stärkere Prozesskompetenz in dem hier dargestellten Verständnis. Die Einführung einer systemisch fundierten, ergebnisoffenen, prozessualen Methodik könnte dafür eine wirksame Vorgehensweise sein. Als einige Beispiele mögen hier dienen: die Aufnahme meditativer und kontemplativer Praktiken, nicht als theoretischer Inhalt, sondern als praktische Übung, ergänzt um dialogische und reflektierende Elemente, und auch systemisch-integrale Aufstellungsarbeit, die in den letzten Jahren im Business deutlich an Bedeutung gewonnen hat und als Next Practice auch im Projektmanagement Anwendung finden sollte. Kurz: Ein Projektleiter der Zukunft sollte auf ein Methodeninventar zurückgreifen können, das weiter gefasst ist als die aktuell gelehrten Inhalte. Er sollte zu einer integral-systemischen Perspektive fähig sein, er sollte aus der intuitiven Wahrnehmung der Situation auf diejenigen Methoden, Techniken und Tools zurückgreifen können - perfekte und erfahrungsbasierte Beherrschung vorausgesetzt -, die ohne Etikettierung in der jeweiligen Situation und im Kontext am wirksamsten sind, er sollte Ungewissheit und Unsicherheit in sich permanent wandelnden Welten als Normalität aushalten und zulassen können und dabei entschlossen handlungsfähig bleiben. Seine Orientierung in Zeiten von VUKA sind die gemeinschaftlich vereinbarten Prinzipien und der Dienst an der Gemeinschaft in einem ökonomischen und ökologischen Verständnis. Dass es aktuell schon nicht einfach ist und sicher noch herausfordernder wird, bleibt unbestritten. Aber es ist auch angesichts der gesamten Herausforderungen, denen wir uns derzeit gegenübersehen, alternativlos. Gerade im Feld des Projektmanagements, in dem inzwischen ein großer Teil der gesamten Wertschöpfung in den Unternehmen stattfindet, können wir als GPM als Vordenker und Wegbereiter noch deutlicher richtungsweisende Zeichen für die Gestaltung der Zukunft auch zukünftiger Generationen setzen. Literatur Beckert, Jens: Imaginierte Zukunft - fiktionale Erwartungen und die Dynamik des Kapitalismus; Berlin 2018 Gebser, Jean: Asien lächelt anders; in: Vom spielenden Gelingen - Vorträge, Essays und Schriften, Seiten 97 - 260, Zürich 2018 I Ging: Ausgabe von Richard Wilhelm; I Ging - das Buch der Wandlungen, Köln 1984 Individual Competence Baseline für Projektmanagement, Version 4.0, deutsche Fassung, Nürnberg 2017 Jullien, François: Über die Wirksamkeit, Berlin 1999 Linder-Hofmann, Bernd: Gesellschaftliche Konstruktionen der Wirklichkeit und der Wahnsinn der Normalität - Plädoyer für eine integrale Perspektive - Essay als Beitrag zum Kongress für Integrale Führung Management Akademie Weimar 2018 Bernd Linder-Hofmann Autor, Beirat, Berater, Coach, Ehemann, Key-Note-Speaker, Lebensarchitekt, Lehrbeauftragter, Moderator, Netzwerker, Projektleiter, Personal-, Führungskräfte- und Organisationsentwickler, Trainer, Vater, Vorstand, … Das Fundament meines Wirkens in und an der Welt bilden Studien der Betriebswirtschaftslehre, Organisationspsychologie, Pädagogik, intensives Eintauchen in westöstliche Philosophien und ins Weltverständnis mit dem Schwerpunkt (Zen-)Buddhismus, christliche Mystik und integral-systemischer Arbeit, Engagement in der Gemeinwohlökonomie und tiefe meditative Erfahrungen. Gemeinsam mit KollegInnen und Freunden entwickle und gehe ich einen wirksamen mittleren west-östlichen Weg im Feld von Ökonomie und Ökologie. Und letztendlich: „Kein Verdienst - offene Weite! “ Kontakt: blh.network@t-online.de Linder-Hofmann, Bernd, u. a.: Integrale Aufstellungen - Methoden und Modelle der Inneren Form, Wien 2010 Linder-Hofmann, Bernd; Zink, Manfred: Die Innere Form - Zen im Management, Herrsching 2002 Ott, Ulrich: Meditation für Skeptiker - ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst, München 2010 Poraj, Alexander: Enttäuschung - eine besondere Einführung ins Zen, München 2016 Schopper, Yvonne; Huemann, Martina: Ungewissheit in Projekten nutzen - was der Westen vom Osten lernen kann, in: Projektmanagement aktuell, 1/ 2018 Suzuki, Daisetz T.: Die große Befreiung - Einführung in den Zen-Buddhismus, 19. Auflage, Bern, München, Wien 2001 Timinger, Holger: Modernes Projektmanagement - mit traditionellem, agilem und hybridem Vorgehen zum Erfolg, Weinheim 2017 Tsunetomo; Yamamoto: Hagakure - der Weg des Samurai, München 2005 Wüthrich, Hans; u. a.: Musterbrecher - Führung neu leben, Wiesbaden 2009 Zeuch, Andreas: Feel it! So viel Intuition verträgt ihr Unternehmen, Weinheim 2010 Weitere Quellen: https: / / www.panasonic-electric-works.com/ de/ unter nehmenswerte-philosophie.htm [Abruf: 13.05.2020] https: / / kulturwandel.org/ gespraech/ sap-peter-bostel mann/ ? _NL&utm_source=CleverReach&utm_ medium=email&utm_campaign=Kulturwandel_ Mai_2019&utm_content=Mailing_13389853 [Abruf: 13.05.2020] https: / / agilemanifesto.org/ iso/ de/ principles.html [Abruf: 13.05.2020] Eingangsabbildung: © iStock.com/ kieferpix Wissen | Mindshift im Projektmanagement - aus einer östlichen, zen-buddhistischen Perspektive 20 DOI 10.2357/ PM-2020-0039 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_02_Linder.indd 20 D_Wissen_02_Linder.indd 20 19.06.2020 12: 13: 54 19.06.2020 12: 13: 54 Eine Agile Methode unter dem Blickwinkel der ICB4 Agilität einführen mit Appreciative Inquiry Bernward Clausing Für eilige Leser | Agilität oder deren passende Aspekte einzuführen, ist offenbar eine der topaktuellen und zentralen Herausforderungen für viele Organisationen. Der Agile Prozess „Appreciative Inquiry“ kann dabei eine wichtige Stütze sein. Denn er bindet die „Betroffenen“ in positiver Weise in den Change-Prozess ein. Durch die Nutzung einer Agilen Vorgehensweise, die die Agilen Werte und das Agile Mindset bereits beinhaltet, werden wesentliche Grundaspekte von Agilität bereits im Change-Prozess erlebt. Gleichzeitig wird dem Kerngedanken der ICB4 - „Der Mensch im Fokus" - in besonderer Art und Weise Rechnung getragen. Schlagwörter | Agile Werte, Agilität, Appreciative Inquiry, Change-Prozess, ICB4 People, Selbstorganisation, WeQ, Wertschätzung Viele Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, Agilität oder die für sie passenden Aspekte von Agilität in ihrem Unternehmen einzuführen. Einem der wichtigsten, wenn nicht gar dem wichtigsten Satz guten Projekt- und Changemanagements folgend: „Mach Betroffene zu Beteiligten“, ist es für die erfolgreiche Einführung von Agilität notwendig und zielführend, einen dazu passenden Change-Prozess zu nutzen. Beim kritischen Blick in den Methodenkoffer zeigt sich ein Prozess, den man bei näherer Betrachtung guten Gewissens, den Agilen Methoden zuordnen kann. Den AI-Prozess - Appreciative Inquiry -, den Change-Prozess der wertschätzenden Erkundung. Dieser Artikel wirft einen Blick auf den AI-Prozess. Aus dem Blickwinkel der Agilität und der ICB4. Erfreulicherweise stellt die ICB4 in besonderer Weise die „Betroffenen“ unter dem Aspekt „People“ in den Mittelpunkt guten Projektmanagements. Und damit auch Change-Projekte, die zu den Organisationsprojekten zählen. Um die zehn Kompetenzelemente der ICB4 „People“ dem AI-Prozess gegenüberzustellen, im Folgenden zunächst einmal die Beschreibung des AI-Prozesses. 1. Der AI-Prozess Die Methode „Appreciative Inquiry“ wurde Mitte der 80er Jahre von David Cooperrider und Suresh Srivastva an der Case Western Reserve University in Ohio entwickelt. Ihr Ansinnen war es, eine Methode zu entwickeln, die die vorhandenen Potenziale, Qualitäten und Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt (s. Abb.- 1). In dem Wissen, dass sich Personen und Personengruppen immer in die Richtung ihrer Aufmerksamkeit entwickeln. Denn die Energie eines Systems folgt immer auch dessen Aufmerksamkeit. David Cooperrider selbst beschreibt die Methode folgendermaßen: „Appreciative Inquiry ist die kollektive Suche nach dem Besten in Menschen, in Organisationen und in ihrem Umfeld - die Suche nach Wirkfaktoren, die einem System Vitalität verleihen, wenn es humane, ökonomische und ökologische Bedürfnisse optimal in Einklang bringt. Appreciative Inquiry ist auch die Kunst, Fragen so zu stellen, dass die verborgenen Ressourcen eines Systems gestärkt und positive Potenziale aktiviert werden. Die bedingungslos positive, fragende Grundhaltung vermag es nicht selten, Hunderte oder sogar Tausende von Teilnehmenden zu aktivieren. Bei Appreciative Inquiry wird der Blick freigegeben für Visionen und Innovationen anstelle von Negation, Kritik oder Problemversessenheit.“ [1] Wissen Agilität einführen mit Appreciative Inquiry DOI 10.2357/ PM-2020-0040 1. Jahrgang · 03/ 2020 21 DOI 10.2357/ PM-2020-0040 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_03_Clausing.indd 21 D_Wissen_03_Clausing.indd 21 19.06.2020 12: 18: 41 19.06.2020 12: 18: 41 Der typisch deutsche Blick wird hier sofort den Einwand erheben, man könne ja nicht einfach so alles positiv sehen. Warum nicht? Denn das bedeutet nicht, dass kritische Themen nicht gesehen werden. Sondern dass sie als Herausforderungen in die Betrachtung integriert werden. Der Fokus im Prozess liegt allerdings in der Potenzialentfaltung, nicht in der Problembewältigung. Es geht also um eine konsequente Änderung des Blickwinkels (s.-Abb.-2). Die Einsatzmöglichkeiten des AI-Prozesses sind vielfältig: z. B. in Veränderungsprozessen, bei der Einführung neuer Strukturen, um Innovationspotenziale zu fördern, in der Teamentwicklung, bei der Führungskräfte-Entwicklung, um konstruktive Kommunikation zu ermöglichen, im Umgang mit Konflikten, für die Stärkung von Kundengewinnung/ Kundenbeziehungen, … 2. Der Ablauf Der AI-Prozess besteht aus mehreren Phasen: Der Vorbereitungsphase schließen sich die 4-D-Phasen an: Discovery (Erforschen), Dream (Visionieren), Design (Gestalten) und Destiny (Umsetzungsplanung) [2]. Eine Nachbereitungsphase begleitet die Umsetzung (vgl.-Abb.-9). 2.1 Die Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase des AI-Prozesses wird das Thema bzw. der Inhalt des Projektes definiert. Konventioneller Ansatz Probleme lösen AI-Ansatz Vorhandene Potenziale erkennen • Probleme identifizieren • Das erkunden, verstehen und wertschätzen, was an Gutem da ist • Ursachen analysieren • Entwerfen, was im besten Fall sein könnte • Mögliche Lösungen erarbeiten • Gestalten und vereinbaren, was sein soll • Maßnahmen planen • Planen, was zukünftig sein wird Grundannahme: Organisationen haben Mängel, die beseitigt werden müssen. Grundannahme: Organisationen haben ungeahntes Potenzial, das manchmal schon aufblitzt. Abb. 1: Konventioneller Ansatz und AI-Ansatz [2] Vorbereitungsphase Projekt definieren • Change-Projekt Thema und Ziele definieren • Grundlagen Agilität in Workinaren* vermitteln • Check der Organisation: Ready 4 Agile? * Workinar = Kombination aus Workshop und Seminar zur Erhöhung der Transferleistung Abb. 3: Vorbereitungsphase Abb. 2: Potenzial- und Defizitorientierung © Helmut Michel Was ist der Auslöser für die anstehende Veränderung? Wie ist der Stand heute? Was soll mit dem Change-Prozess erreicht werden? Schon in der Vorbereitungsphase werden die wesentlichen Stakeholder integriert. Es sollte immer ein repräsentativer Querschnitt der Betroffenen beteiligt sein. Bei einer Firma könnten das sein: Mitarbeiter aller Ebenen und Bereiche, inklusive Vorstand, kooperierende Betriebe, bis hin zu Lieferanten und Kunden. Idealerweise sind möglichst alle Personen eines Systems vertreten, z. B. in einem Team alle Teammitglieder, inkl. Teamleiter, oder Vertreter aus jedem relevanten Bereich. Häufig macht es Sinn, in der Vorbereitungsphase einen Planungsworkshop mit Vertretern der betroffenen Bereiche durchzuführen. Schauen wir durch die „Agile Brille“ auf die Vorbereitungsphase, braucht es dazu vor allem die Agilen Werte Mut, um neue Wege zu gehen, Offenheit gegenüber Veränderung und allen Betroffenen, Respekt vor den Errungenschaften der Vergangenheit und der herausfordernden Zukunft und nicht zuletzt sehr gute Kommunikation als die wesentlichste Komponente gelingender Change-Prozesse. Zudem ist der Prozess als solcher relativ einfach (Einfachheit) und überschaubar. Durch die Einbindung von Kunden und Lieferanten werden diese mit auf die kooperative Reise in die Agile Welt genommen und gleichzeitig wird genau durch deren Einbindung, die Kundenausrichtung von Agilität sichtbar. Um ein gemeinsames Verständnis von „Agilität“ zu erzeugen, macht es Sinn, dazu in der Vorbereitungsphase Workinare* (vgl. Abb.-3) mit den Betroffenen durchzuführen. Und dabei einen Blick auf den Zustand der Organisation (Ready 4 Agile? ) in Bezug auf die Voraussetzungen für die Einführung von Agilität zu werfen. Wissen | Agilität einführen mit Appreciative Inquiry 22 DOI 10.2357/ PM-2020-0040 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_03_Clausing.indd 22 D_Wissen_03_Clausing.indd 22 19.06.2020 12: 18: 41 19.06.2020 12: 18: 41 2.2 Discovery - Stärken und Qualitäten erforschen Abb. 4: Die 4-D-Phasen des AI-Prozesses Discovery Stärken erkunden & verstehen • Wertschätzende Interviews führen • Stärken & Qualitäten der bestehenden Organisation herausarbeiten • Stärken & Qualitäten von Agilität herausarbeiten Abb. 5: Discovery Auf Basis der während der Discovery-Phase ermittelten Stärken und Qualitäten wird nun die Zukunft neu gedacht. Dabei werden das Thema des Gesamtprozesses und die in der Discovery-Phase sichtbar gewordenen Themen als Schwerpunkte definiert und in den Mittelpunkt gestellt. In einem nun folgenden Kreativprozess entsteht ein Bild der eigenen Zukunft. Das kann in Form von Bildern, kreativen Collagen oder auch dreidimensional z. B. mit Lego®-Bausteinen erfolgen. Das Ergebnis ist ein positives, herausforderndes, attraktives und gleichzeitig auch erreichbares Zukunftsbild. Denn die Zukunft, die hier entworfen wird, ist sowohl bodenständig und realistisch als auch visionär. Sie gründet auf Beispielen aus der Vergangenheit und zeigt gleichzeitig neue Wege auf. Für dieses Zukunftsbild wird gemeinsam ein Titel formuliert, das „Collective Verbal Picture”. Der Titel beschreibt anschaulich und inspirierend die gewünschte Zukunft. Auch in diesem Prozess stehen die Agilen Werte Mut, Fokus, Weiterentwicklung und Selbstorganisation im Vordergrund. Denn die Gruppe folgt zwar einem Prozess und bleibt dabei fokussiert, die Ergebnisse des Prozesses sind aber völlig offen. 2.4 Design - Entwerfen einer Brücke in die gewünschte Zukunft In dieser Phase werden verschiedene Zukunftsaussagen erarbeitet, die sich auf das Thema des Gesamtprozesses und das „Collective Verbal Picture” beziehen (vgl. Abb.-7). Es geht darum, die einzelnen Themengebiete so zu formulieren, als seien sie schon erreicht. Dabei werden die Zukunftsaussagen, bodenständig, aber auch provokativ und herausfordernd formuliert. Sie beziehen sich auf ein bestimmtes Thema und beschreiben klar, was sein soll. Sie sind motivierend formuliert und stellen eine attraktive Zukunft dar. Sie bilden die Brücke aus der Vergangenheit in die gewünschte Zukunft. Dream Visionen entwickeln • Wie und was wären wir, wenn wir die Stärken und Qualitäten des Bestehenden mit den Vorteilen der Agilen Welt kombinieren? Abb. 6: Dream In dieser Phase werden alle Faktoren und Qualitäten, die dem System Stärke und Exzellenz verleihen, herausgearbeitet. Schwächen werden dabei gesehen und als Entwicklungsfelder in den Prozess integriert. Ausgangspunkt für diese Forschungsreise in die bestehende Organisation sind „Wertschätzende Interviews“. Dabei gehen jeweils zwei Teilnehmer in einen sehr intensiven Austausch und erkunden die Stärken und Qualitäten eines jeden Teilnehmers und der von ihnen gebildeten Organisation. Während dieser Erkundung der vorhandenen Potenziale werden auch schon erste Ideen auf dem Weg zur Lösung sichtbar. Und gleichzeitig werden auch hier die Agilen Werte Offenheit, Respekt und Kommunikation gelebt. Das gemeinsame Erleben und das Erarbeiten von Stärken und Qualitäten des Bestehenden erzeugt eine stabile Basis für den anstehenden Veränderungsprozess. Denn dieser basiert gleichermaßen auf dem wertschätzenden Blick auf das Vorhandene und Erreichte als auch auf die von der Veränderung betroffenen Menschen und deren einzigartigen Qualitäten. So wird das Erforschen der Vergangenheit und Gegenwart zu einer positiven und inspirierenden Quelle für die Zukunft. 2.3 Dream - Die eigene Zukunft neu denken. Eine Vision entwickeln In dieser Phase steht die Zukunft im Mittelpunkt. Design Zukunft gestalten • Präsentation der Entwürfe der zukünftigen Organisation • Auswahl der wichtigsten Bausteine • Erarbeiten von Zukunftsaussagen Abb. 7: Design Wissen | Agilität einführen mit Appreciative Inquiry 23 DOI 10.2357/ PM-2020-0040 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_03_Clausing.indd 23 D_Wissen_03_Clausing.indd 23 19.06.2020 12: 18: 42 19.06.2020 12: 18: 42 Solche Zukunftsaussagen könnten in Bezug auf das Thema Einführung Agiler Strukturen zum Beispiel sein: • Unsere Organisation ist in der Lage, sich schneller an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen als unser Wettbewerb. Dadurch sichern wir unsere eigene Zukunft. • Agilität drückt sich für uns in wertschätzendem Umgang aller Stakeholder aus. • Agile Werte wie Respekt Offenheit, Mut, Fokus und Neugier bestimmen unseren täglichen Umgang. Sowohl untereinander als auch mit unseren Kunden und Lieferanten. Destiny Umsetzung planen • Präsentation der Entwürfe der zukünftigen Organisation • Auswahl der wichtigsten Bausteine • Erarbeiten von Zukunftsaussagen Abb. 8: Destiny Nachbereitung Umsetzung begleiten • Projekt feinplanen • Review der Projektplanung • Umsetzung begleiten Abb. 9: Nachbereitungsphase einem externen, zertifizierten Projektmanager zumindest reviewen zu lassen, bevor sie in die Umsetzung gehen. Die Umsetzung muss professionell begleitet werden, um einen nachhaltigen Projekterfolg sicherzustellen. Denn nichts macht ein System, gleich welcher Größe, lieber als in alte Muster zurückzufallen. 3. Der AI-Prozess und die ICB4 - „People“ Werfen wir nun einen Blick auf die 10 Kompetenzelemente der ICB4 „People“ und deren Erscheinungsformen im AI-Prozess (vgl. Abb.-11). 3.1 Selbstreflexion und Selbstmanagement (People 1) Durch die Wertschätzenden Interviews in der Discovery-Phase werden die Teilnehmer und die gesamte Organisation in die Selbstreflexion gebracht. Stärken und Schwächen werden sichtbar und zum Fundament für die gewünschte Zukunft. Selbstmanagement wird in diesem Prozess dadurch angeregt, dass „ein jeder gut für sich und die anderen sorgt“. 3.2 Persönliche Integrität und Verlässlichkeit (People 2) Der gesamte Prozessablauf fordert und fördert Mut, Offenheit, Respekt und Selbstverpflichtung als wesentliche Werte, die wir auch im agilen Bereich finden. Dadurch werden die Kompetenzen, persönliche Integrität und Verlässlichkeit gefordert und unterstützt. 3.3 Persönliche Kommunikation (People 3) Der gesamte Prozess basiert, gerade in Form des „Wertschätzenden Interviews“, auf guter persönlicher Kommunikation und Austausch auf Augenhöhe. Dabei ist es notwendig, sich voll und ganz auf den Gesprächspartner einzulassen, um seine besonderen Qualitäten zu erfassen und formulieren zu können. Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber seinem Interviewpartner werden so geschult. 3.4 Beziehungen und Engagement (People 4) Durch die Form des Prozesses und seine positive Ausrichtung werden Beziehungen zwischen den Menschen aufgebaut und gestärkt. Der Wille, sich an einer Zukunft zu beteiligen und sich für sie zu engagieren, wird durch den hohen Grad des Eingebundenseins der Teilnehmer gefördert. 3.5 Führung (People 5) Führung erfolgt in diesem Prozess zunächst durch das Moderatorenteam, das durch den Prozess begleitet. Während des Prozesses werden einzelne Schritte, unter Berücksichtigung von „Leitplanken“, der Selbstführung überlassen. Die Führung unterstützt den Prozess im Sinne von „Servant Leadership“ und gemeinsam wird dabei das WeQ als wertvoll und bereichernd erlebt. 3.6 Teamarbeit (People 6) Alle Phasen des Prozesses setzen sehr stark auf Teamarbeit. Beginnend mit der Vorbereitungsphase, in der ein interdisziplinäres Team das Kernthema definiert, über die Interviews, die Gestaltung einer visionären Sicht auf die Zukunft, das Ausarbeiten von Zukunftsaussagen, das Aufsetzen von kon- 2.5 Destiny - Die Projektplanung In der finalen Phase werden nun Projekte aufgesetzt, um die Zukunftsaussagen Wirklichkeit werden zu lassen. Jeder Teilnehmer kann sich zu einem konkreten Themenfeld aus der vorangegangenen Phase bekennen, an dem er mitwirken möchte. So entstehen Gruppen zu den einzelnen Themenfeldern. Diese Gruppen bestehen aus genau den Teilnehmern, die sich und ihre besonderen Qualitäten zu genau den, zu ihnen am besten passenden Themen einbringen möchten. Die einzelnen Gruppen erarbeiten dann die nächsten konkreten Schritte. Wer macht was, wie, mit wem und bis wann. Das bedeutet nicht unbedingt, dass in dieser Phase schon komplette Projekte durchgeplant werden, aber zumindest ist der konkrete nächste Schritt klar und verbindlich vereinbart. Und allen Beteiligten ist bewusst, dass das nur der Auftakt zu einem iterativen Prozess ist. Dem dann sowohl klassisches, agiles wie auch hybrides Vorgehen folgen kann. In dieser Phase werden vor allem die Agilen Werte Fokus, Selbstorganisation, Selbstverpflichtung und Iteratives Denken sichtbar. 2.6 Die Nachbereitungsphase / Umsetzungsbegleitung Sind die nächsten Schritte geplant, geht es in die Umsetzung. In der Umsetzungsphase werden zunächst die einzelnen Projekte durchgeplant. Idealerweise von entsprechend ausgebildeten und zertifizierten GPM-Projektmanagern. Falls solche im Unternehmen nicht vorhanden sind, empfiehlt es sich, die Projektplanungen von Wissen | Agilität einführen mit Appreciative Inquiry 24 DOI 10.2357/ PM-2020-0040 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_03_Clausing.indd 24 D_Wissen_03_Clausing.indd 24 19.06.2020 12: 18: 42 19.06.2020 12: 18: 42 kreten Umsetzungsprojekten, bis hin zur Nachbereitungs- und Umsetzungsphase. 3.7 Konflikte und Krisen (People 7) Während eines AI-Prozesses werden immer auch Konflikte sichtbar. Sei es, dass schon in der Vorbereitung einzelne Mitarbeiter oder Abteilungen nicht zusammenwirken wollen, über die Aussagen von Teilnehmern, dass sie sich außerstande sehen, irgendetwas Positives über ihren Interviewpartner zu sagen, bis hin zu „auffälligen“ Verhaltensweisen während des Kreativprozesses. All das wird gesehen und bekommt seinen Raum, indem es als Potenzial für eine andere Zukunft in die Zukunftsaussagen integriert wird. Zum Bespiel, indem eine Zukunftsaussage zu dem Thema „Wertschätzende Konfliktlösung“ formuliert wird. Denn wenn Konflikte frühzeitig und angemessen angegangen werden, kann die dem Konflikt innewohnende Energie positiv transformiert werden und es kommt gar nicht erst zu Krisen. 3.8 Vielseitigkeit (People 8) Im AI-Prozess werden immer wieder konzeptionelle und ganzheitliche Denkweisen genutzt, gefordert und gefördert. Kreative Phasen (Dream & Design) und analytische Phasen (Discovery und Destiny) wechseln sich ab. Am Ende des Abb. 10: Konflikte und Krisen © Helmut Michel Kompetenzfelder der ICB4 - People Im AI - Prozess erlebbar Agile Werte & Agiles Mindset 1 Selbstreflexion und Selbstmanagement Discovery, Dream Mut, Offenheit, Respekt, Neugier 2 Persönliche Integrität und Verlässlichkeit In allen Phasen Mut, Offenheit, Respekt und Selbstverpflichtung 3 Persönliche Kommunikation 4-D-Phasen Kommunikation, Feedback, Respekt, Offenheit 4 Beziehungen und Engagement 4-D-Phasen Kommunikation, Feedback, Respekt, Offenheit 5 Führung Dream Selbstführung, Selbstorganisation 6 Teamarbeit Dream, Design Kommunikation, Feedback, Respekt, Offenheit 7 Konflikte und Krisen In allen Phasen Kommunikation, Feedback, Mut, Respekt, Offenheit 8 Vielseitigkeit Wechsel in den 4-D-Phasen Einfachheit, Offenheit, Neugier, Wachstum 9 Verhandlungen In allen Phasen Kommunikation, Wachstum, Selbstverpflichtung 10 Ergebnisorientierung In allen Phasen Kundenorientierung, Wachstum, Weiterentwicklung Abb. 11 - Abgleich ICB4 People mit dem AI-Prozess, Agilen Werten und Agiles Mindset Prozesses ist jeder Teilnehmer gefordert, sich mit seinen individuellen Stärken und Qualitäten einzubringen und mitzuwirken. 3.9 Verhandlungen (People 9) Der Kompetenz „Verhandlungen“ wird im AI-Prozess in besonderer Weise Rechnung getragen. Ist er doch genau dazu ausgelegt, ein Gleichgewicht zwischen humanen, ökologischen und ökonomischen Bedürfnissen aller Stakeholder zu erzeugen. Um damit gleichzeitig Einigung und Verpflichtung, unter Aufrechterhaltung und in der Regel sogar Verbesserung der Arbeitsbeziehungen zu erzielen. 3.10 Ergebnisorientierung (People 10) Der AI-Prozess beschreibt eine Vorgehensweise, die es ermöglicht, exzellente Ergebnisse im Sinne der Stakeholder und damit des Projektes zu erreichen. Das Ergebnis wird zunächst als Vision, basierend auf vorhandenen Qualitäten und Erfolgsfaktoren formuliert. Und ist damit gleichermaßen realistisch wie attraktiv. An der Vision richten sich alle nachfolgenden Phasen und Prozessschritte aus. Effizienz und Effektivität, also die Produktivität, entstehen gerade dadurch, dass alle Meinungen und Gesichtspunkte der Teilnehmer in die Ergebnisorientierung einfließen. Wissen | Agilität einführen mit Appreciative Inquiry 25 DOI 10.2357/ PM-2020-0040 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_03_Clausing.indd 25 D_Wissen_03_Clausing.indd 25 19.06.2020 12: 18: 43 19.06.2020 12: 18: 43 Werfen wir der Vollständigkeit halber noch einen Blick auf die ICB4 Kompetenzfelder „Perspective“ und „Practice“. 4. Perspective Jeder Change-Prozess - so auch der AI-Prozess folgt einer Strategie (Perspective1). Das Vermitteln des Zusammenhanges zwischen einem spezifischen AI-Prozess und der Strategie ist wichtiger Bestandteil der Kommunikation. Die Teilnehmer möchten sinnvolle Antworten auf Fragen wie: „Wozu soll das gut sein? “ oder „Warum sollte ich hier mitmachen? “. Gerade der AI-Prozess eignet sich aus Sicht des Autors in besonderer Weise, um organisationale und externe Governance, Strukturen und Prozesse (Perspective 2) auf den Prüfstand zu stellen oder zu verändern. Gleiches gilt für Compliance, Standards und Regularien (Perspective 3). Denn, wer weiß besser über diese Themenfelder Bescheid als die davon Betroffenen. Diese Themenfelder in den Veränderungsprozess einzubinden, ihn mitzugestalten, ja geradezu neu kreieren zu lassen, macht die Veränderung wesentlich leichter umsetzbar und nachhaltiger. Informelle Macht und Interessen (Perspective 4) haben enormen Einfluss auf das Gelingen oder Scheitern von Projekten. Indem die Betroffenen sich im AI-Prozess einbringen und zum Ausdruck bringen können, dürfen und sollen, kommen verschiedenste Blickwinkel und Interessen zum Vorschein und zur Wirkung. Der AI-Prozess unterstützt in besonderer Weise die Bildung einer positiven Kultur und Werte - Landschaft (Perspective 5). Denn Leitbilder und Zukunftsaussagen werden nicht von einer Hierarchie vorgegeben, sondern von allen Stakeholdern in Kooperation gestaltet und formuliert. Durch die konsequente Ausrichtung und Orientierung am Positiven unter Berücksichtigung des Negativen und dessen Formulierung als Herausforderung entsteht während des AI-Prozesses, dem Prozess der „Wertschätzenden Erkundung“ nicht selten der Wunsch danach, genau dieses Fundament des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung zu stärken und zu festigen. 5. Practice Bei der Umsetzung der zum Abschluss des Workshops definierten Projekte können alle methodischen Kompetenzen (1 bis 13) zum Tragen kommen. Das richtet sich ganz nach den individuellen Erfordernissen der jeweiligen Projekte. Es sind gleichermaßen klassische, wie agile und hybride Vorgehensweisen denkbar. Daher wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen. 6. Zeitrahmen des AI Prozesses Der Zeitrahmen des Prozesses richtet sich nach dessen Umfang. Eine Teambuilding-Maßnahme braucht einige Tage Vorbereitungszeit. Darauf folgt ein 2-3 Tages-Workshop (für die 4-D’s) und geht dann in einige Tage begleitete Umsetzungsphase über. Der Aufwand richtet sich unter anderem nach der Anzahl der Teilnehmer. Bei der Einbindung einer ganzen Organisation und deren Stakeholder kann der Prozess skaliert werden. Je nach Umfang kann er sich über mehrere Monate Bernward Clausing Der Autor ist Ingenieur, Berater, Trainer und Coach. Dabei verbindet er die Faszination für Technik mit seiner Leidenschaft für Achtsamkeit und Wertschätzung. Er berät und begleitet Menschen und Organisationen bei deren Entfaltung und Entwicklung, hin zu gelingender Zusammenarbeit. bc-quadrat, Bernward Clausing, Am Wald 22, D-91809 Wellheim, Tel.: +49 (0)8427/ 98 58 317, email: clausing@bc-quadrat.de erstrecken. Der damit verbundene zeitliche Aufwand ist damit nur höchst individuell abschätzbar. Fazit Aus Sicht des Autors ist der AI-Prozess als zentrales Element für die Einführung von Agilität sehr gut geeignet. Allerdings stellt diese Vorgehensweise hohe Anforderungen an die Unternehmenskultur und fordert Mut bei den Entscheidern. Denn das Fundament, auf dem Agilität und auch der AI-Prozess stehen, ist Vertrauen. Der AI-Prozess macht alle Betroffenen und Stakeholder, inklusive der Kunden, zu Beteiligten und verfolgt damit einen klaren Bottom-Up-Ansatz, der sich an der Unternehmensstrategie und dem damit verbundenen Top-Down-Ansatz spiegelt. Die Teilnehmer werden in die Gestaltung des Change-Prozesses einbezogen und verlangt ihnen ab, Verantwortung zu übernehmen. Die Führungskräfte können sich im Loslassen üben, indem sie dem, was sich während des Workshops zeigt, Raum geben, um sich zu entfalten. Die Führungskräfte erleben sich selbst als Wegbereiter und Wegbegleiter im Sinne des Servant-Leadership-Gedanken. Im kreativen Teil des Workshops (Dream) erfahren die Teilnehmer zudem Selbstorganisation und das Sich-aufeinander-einlassen. Silodenken und starre Strukturen werden überwunden, da alle Betroffenen die Möglichkeit haben, sich neu kennenzulernen und an einer gemeinsamen Zukunft auszurichten. Damit wird auch gleichzeitig die Schaffung einer hierarchieübergreifenden offenen Kommunikation gefördert. Mit kritischen Themen wird offensiv umgegangen. Damit wird eine gute Basis für eine tragfähige Feedback- und Konfliktlösungskultur angestoßen. Der AI-Prozess ermöglicht ganz konkret das Erleben von WeQ als Ausdruck von Selbstorganisation. Literaturverweise [1] www.wertschaetzer.com/ wiki/ appreciative-inquiry Stand: 24.02.2020 [2] Matthias zur Bonsen, Carole Maleh: Appreciative Inquiry (AI). Der Weg zu Spitzenleistungen. 2. Auflage, Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 2012 Eingangsabbildung: © iStock.com/ jacoblund Wissen | Agilität einführen mit Appreciative Inquiry 26 DOI 10.2357/ PM-2020-0040 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_03_Clausing.indd 26 D_Wissen_03_Clausing.indd 26 19.06.2020 12: 18: 43 19.06.2020 12: 18: 43 Verschwendung vermeiden und Wertschöpfung erhöhen durch Projekttypisierung Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements Claus Hüsselmann, Sandro Dönges, Stefan Karpf Für eilige Leser | Die empirische Analyse von Projekten deutet darauf hin, dass deren kontextuelle Gegebenheiten vielfach nicht im Sinne einer spezifischen Ausgestaltung des Projektmanagement-Systems berücksichtigt werden. Die Management-Erfordernisse von Projekten schwanken jedoch einzelfallbezogen und sollten sich in einer adaptiven Ausgestaltung des Projektmanagements widerspiegeln. Mit Hilfe identifizierter Kriterien zur Projektcharakterisierung und einem daraus abgeleiteten Netzdiagramm wurde eine zielgerichtete Möglichkeit der Projekttypisierung geschaffen. Auf dieser Basis kann das Profil eines Projektes herausgearbeitet, visualisiert und im konkreten Projektmanagement-System berücksichtigt werden. Schlagwörter | Adaption, Lean Project Management, Projekttypisierung, Tailoring In den letzten Jahren ist der Anteil von Projektarbeit angestiegen und wird auch künftig weiter zunehmen. [1, S.-4]. Neben der stetig wachsenden Anzahl von Projekten nimmt auch deren Komplexität zu. Diese entsteht unter anderem durch die sich immer dynamischer und rasanter verändernden Märkte, die von Unternehmen zunehmend schwerer zu interpretieren sind, und damit einhergehende kürzere Produktlebenszyklen [2, S.- 11]. Zahlreiche Studien und Praxisbeispiele belegen, dass die Erfolgsquote von Projekten nach wie vor unzureichend ist. So berichtet der vielzitierte CHAOS-Report, dass ca. 64 % der (IT-)Projekte nicht wie ursprünglich geplant zu Ende gebracht werden [3]. Eine Reihe von großen Bauprojekten im öffentlichen Interesse zeugen ebenfalls von der Problematik [4]. 1. Einleitung Obwohl Common Practices im Projektmanagement (PM) seit Jahrzehnten verbreitet sind und weiterentwickelt wurden, besteht die eingangs beschriebene Problematik bei der Realisierung von Projekten. Ein aktueller Trend in der Projektdurchführung fokussiert agile Vorgehensweisen, allen voran Scrum. Vielfach zeigt sich aber auch, dass Organisationen sogenannte hybride Vorgehensweisen anwenden, um von den Vorteilen jeweiliger PM-Ansätze situativ zu profitieren [5]. Es stellt sich die Frage, wieso es dennoch zu den bekannten Problemen in der Durchführung von Projekten kommt. Neben der immanenten Herausforderung von Projekten, einzig- und neuartige Vorhaben zu sein, die von daher genuin mit Unsicherheiten und Risiken behaftet sind, deutet die empirische Analyse darauf hin, dass die kontextuellen Gegebenheiten eines konkreten Projekts vielfach nicht im Sinne einer spezifischen Ausgestaltung des PM-Systems des Projekts berücksichtigt werden [6, S.- 21 ff.]. Mit anderen Worten: Die Management-Erfordernisse von Projekten schwanken einzelfallbezogen und sollten sich in einer adaptiven Ausgestaltung widerspiegeln [7, S.-51; 8, S.-106]. Entscheidend für einen erfolgreichen Projektverlauf kann daher eine Typisierung in der frühen Initiierungsphase sein, da somit für das PM die ersten grundlegenden Informationen zur Ausarbeitung des Projektdesigns gegeben sind [9, S.- 1006]. Dies soll insbes. verhindern, dass Projekte höhere finanzielle und zeitliche Ressourcen benötigen als ursprünglich geplant. Praxisbeispiele, wie der Bau des Denver International Airport (1989), untermauern die hohe Bedeutung von Analysen hinsichtlich der Projekttypisierung vor Projektstart: Da eine Fluggesellschaft ein fortschrittliches, automatisiertes Ge- Wissen Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements DOI 10.2357/ PM-2020-0041 1. Jahrgang · 03/ 2020 27 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 27 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 27 19.06.2020 14: 01: 24 19.06.2020 14: 01: 24 päcktransportsystem konstruierte, dessen Errichtung weit komplexer und zeitlich aufwendiger war, als in der Projektplanung vorgesehen, wurde aus einem standardmäßigen Großprojekt zusätzlich ein Innovationsprojekt. Dies resultierte in Verzögerungen des Projektablaufs und ständigen Anforderungsänderungen, wodurch sich die Kosten (+118 Mio.$) und Dauer (+1,5 Jahre) des Projekts erhöhten [21]. Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Erstellung einer Handlungsempfehlung zur Typisierung von Projekten. Mit dieser Empfehlung sollen potenzielle Anwender in der Lage sein, gegebene Merkmalsausprägungen des Projektprofils zu identifizieren, um anschließend spezifische Anforderungen des individuellen Projekts eruieren zu können. 2. Kontextspezifisches Projektmanagement- System 2.1 Bedeutung von Projekttypisierungen Klassifizierung und Typisierung von Projekten sollen mithilfe verschiedener Kriterien und Ausprägungsmerkmalen den Fokus bei Projektinitialisierung, -definition, -planung, -steuerung und -abschluss gezielt ausrichten. Da verschiedene PM-Aufgaben innerhalb eines Projekts unterschiedlich hohe Bedeutung besitzen, müssen diese dementsprechend unterschiedlich (hoch) gewichtet und (umfassend) bearbeitet werden [11, S.-395 ff.; 12, S.-5]. Die Bildung der unterschiedlichen Typen richtet sich dabei u. a. nach „Kategorien von Stakeholdern (z. B. Auftraggeber), von Projektaufgaben (z. B. Produktentwicklungs-, IT-Implementierungs-, Bau-, Change- oder M&A-Projekte) und/ oder Komplexitätsmerkmalen (z. B. Budgetvolumen, Heterogenität der Stakeholder)“ [13, S.-44] sowie dem Innovationsgrad des Projekts [6, S.-63 ff.]. 2.2 Adaption des Projektmanagement-Systems Viele der bekannten Frameworks beinhalten die Forderung nach einer spezifischen Ausgestaltung des PM-Systems. Beispielhaft seien hier PRINCE2 und das V-Modell XT genannt. PRINCE2 fordert innerhalb seiner sieben Grundprinzipien die „Anpassung an die Projektumgebung“. Einflussfaktoren stellen dabei Branche, existierende Unternehmensstandards, PM-Reife der Organisation sowie Faktoren wie Größe, Komplexität, Wichtigkeit, Kapazität und Risiken dar [14, S.-64 ff.]. Abbildung 2: PM-Prozessgruppen des UPMF Abbildung 1: Begriffsklärung zur Adaption eines PM-Systems Letztere Einflussfaktoren finden auch im V-Modell XT Eingang. Es bezeichnet die Anpassung des Standards an projektspezifische Belange als Tailoring . Dabei werden im Schwerpunkt die Produkte, Aktivitäten und generell Elemente weggelassen, die im Projekt anhand dessen Typisierung nicht benötigt werden. Grundsätzlich wird aber auch die Hinzunahme zusätzlich erforderlicher Elemente zugestanden. Zur Typisierung wird neben den oben genannten Faktoren insbes. der Projektgegenstand (z. B. Systementwicklung vs. -adaption) herangezogen [15]. In diesem Beitrag wird das in Abb. 1 dargestellte Verständnis der Adaption eines PM-Systems verwendet. Unter PM-System wird in diesem Zusammenhang das Management eines konkreten Projekts bezeichnet, im Gegensatz zum PM-System einer Organisation ( Enterprise PM-System, EPMS ). Eine konkrete Hilfestellung, wie die Anpassungen operativ vorzunehmen sind, liefern die bekannten Frameworks tendenziell nicht. Einig sind sie sich darin, dass die Anpassung in einer frühen Phase des Projekts vorzunehmen ist. Im Folgenden wird als Prozessbasis das Unified PM-Framework , UPMF, verwendet [16]. Die PM-Prozessgruppen des UPMF werden wie in Abb. 2 dargestellt definiert. Die Initiierung & Vorbereitung bezeichnet dabei die Vorprojektphase und endet mit dem Projektauftrag. Auf dessen Basis erfolgt nun - in einem zyklischen, rollierenden Prozess - die Ausplanung & Operationalisierung . Diese endet in der ersten Iteration mit der Dokumentation des PM-Systems (Pro- Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 28 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 28 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 28 19.06.2020 14: 01: 24 19.06.2020 14: 01: 24 jekthandbuch). Die Adaption des PM-Systems lässt sich wie in Abb. 3 dargestellt umsetzen und einordnen. Innerhalb der Prozessgruppen werden die verschiedenen PM- Disziplinen angewendet und ausgeübt, wie auf der linken Seite von Abb. 4 dargestellt [16, S.-9]. Im Zuge der Adaption sind die PM-Disziplinen zu (1) vernachlässigen, (2) stärken, (3) alternativ zu gestalten oder gegenüber üblicher Vorgehensweisen zu (4) ergänzen. Beispiele hierfür sind: (1) Der Bau einer neuen Lagerhalle ist ein Investitionsprojekt. Das Change Management kann tendenziell vernachlässigt werden. (2) Der Merger zweier Unternehmen ist ein Organisationsprojekt. Das Change Management muss besonders betont werden. (3) Die neuartige Gestaltung der Customer Journey mit Hilfe eines Kundenportals ist ein Marketing-Innovationsprojekt. Die Vorgehensweise sollte inkrementell (agil) erfolgen. (4) Der Rollout eines Rechnungswesen-IT-Systems nach China erfordert die Einhaltung spezieller, in keinem Standard vorgesehener Regulatorien. Diese sind entsprechend im Vorgehensmodell zu ergänzen. 2.3 Ausgewählte Ansätze der Projekttypisierung Als beispielhafter Ansatz für eine Typisierung von Projekten sei der Diamond Approach (Abb. 7) von SHENHAR und DVIR beschrieben. Es handelt sich um ein Modell in der Form eines Diamanten, bei dem Projekte anhand von vier Dimensionen betrachtet werden. Der Ansatz beruht ebenso auf der Annahme, dass Projekte ein erfolgsorientiertes, flexibles und adaptierbares Framework benötigen. Dabei soll der Diamond Approach ein Werkzeug darstellen, aus dem sich ein dem Projekttyp entsprechend adäquater Führungsstil ableiten lässt. Dazu soll jede der vier Dimensionen bei der Projektplanung berücksichtigt werden, da diese einen unterschiedlichen Einfluss auf das PM ausüben. Das Projekt wird anhand der Ausprägungen der Kriterien Novelty (Neuartigkeit), Complexity (Komplexität), Technology (Technologie) und Pace (Geschwindigkeit) bewertet. Jedes dieser Kriterien kann in drei oder vier Ausprägungen eingestuft werden [6, S.-11 ff.]. Bei der Projekteinstufung nach JENNY handelt es sich um eine unternehmensinterne Bewertung, bei der die Wirkungs- und die Abwicklungsdimensionen mit unterschiedlichen Kriterien berücksichtigt werden [17, S.-46 f.]. Dazu gehören etwa Strategiebeitrag, Wirtschaftlichkeit, Risikograd etc. Letztlich hilft eine A/ B/ C/ D-Klassifizierung bei der Auswahl von Projektkomponenten bzw. bei der Festlegung der Bearbeitungstiefe einzelner Bestandteile. Des Weiteren können Projekte mit Hinblick auf deren externe und interne Komplexität kategorisiert werden. Diese Abgrenzung ist insbesondere für Zwecke einer gezielten Ressourcenallokation, die Auswahl der Instrumente für die Projektsteuerung und für die Definition des Projektteams (insb. der Projektleitung) in Bezug auf die benötigte Erfahrung sinnvoll [18, S.- 18]. Bezüglich der Komplexität des Projektinhalts kann dabei zwischen fluid und kristallin unterschieden werden. Kristalline Projekte zeichnen sich bspw. durch eine klare Zielvorstellung und einen Lösungsansatz aus, der auf bereits erlangten Erkenntnissen vorheriger Projekte aufbaut. Bei fluiden Projekten ist der Lösungsweg zur Realisierung des Projekts noch ungewiss. Demgegenüber beschriebt die Komplexität der Projektumwelt dessen externe Wirkungszusammenhänge [17, S. 49 und 18, S. 18]. Zudem kann bei Unternehmensprojekten zwischen externen und internen Vorhaben differenziert werden. Diese weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Interne Projekte Abbildung 3: Adaption des PM-Systems im PM-LifeCycle Abbildung 4: Adaption des PM-Systems im UPMF Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 29 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 29 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 29 19.06.2020 14: 01: 25 19.06.2020 14: 01: 25 können anhand ihrer Zielsetzung noch weitergehend klassifiziert werden. Beispiele stellen Investitions-, Organisationssowie F&E-Projekte dar [19, S.- 36]. Mitarbeiter empfinden das resultierende Projektergebnis eines Organisationsprojekts (z. B. geänderte Arbeitsabläufe) häufig als bedrohlich und widersetzen sich gegen diese Art von Projekt [19, S.- 36]. Diese Charakteristik zeigt, dass ein verstärkter Fokus auf das Change Management gelegt werden sollte. Neben den dargestellten Ansätzen existieren noch viele weitere Konzepte. Es wird deutlich, dass für die Projektklassifizierung und -typisierung weder Standardvorgehen noch Standardkategorien existieren. Aus allen Ansätzen lassen sich anhand der Projekteigenschaften Erkenntnisse für das PM gewinnen. 3. Handlungsempfehlung zur Projekttypisierung 3.1 Kriterien der Projektcharakterisierung Nachfolgend wird die Handlungsempfehlung dargestellt, mit der potenzielle Anwender ein Projektprofil erstellen können. Auf Basis des erarbeiteten Profils sollen Schwerpunkte des Projekts erkannt und im PM berücksichtigt werden. Anschließend können gewonnene Erkenntnisse in die notwendige Planung und künftige Steuerung einfließen. Folgende relevante Kriterien mit zugehörigen Ausprägungen werden für die Profilerstellung und -analyse identifiziert [6, S.-13; 7, S.-46 ff.; 9, S.-1015; 10, S.-32, 47; 20, S.-6]: Komplexität, fachlich-inhaltlich: Grad der Vernetzung unterschiedlicher Systeme. Bspw. kann sich die Komplexität von technischen Systemen mit der Komplexität des Managements zu einer komplexen Struktur mit hoher Eigendynamik verschmelzen. Die Komplexität lässt sich nicht exakt messen, allerdings durch Experten einschätzen. Commitment: Zu erwartende Einstellung und Bereitschaft zum Projekt (Motivation) - sowohl bei Auftraggebern als auch bei den Mitarbeitern. Mit verbessertem Commitment sind weniger Konflikte zu erwarten. Erfahrung: Verfügbarkeit des notwendigen Wissens zur Erbringung des Projektziels.- Mit steigender Erfahrung sind Abbildung 5: Der NTCP-Diamond [6, S.-50] idealerweise Standards vorhanden und können angewendet werden. Mit sinkender Erfahrung sind personelle Maßnahmen wie Schulungen notwendig. Interdisziplinarität: Anzahl mitwirkender Fachdisziplinen bzw. Organisationseinheiten. Mit steigender Ausprägung entstehen mehr Schnittstellen und somit mehr potenzielle Kommunikationskonflikte. Geografische Verteilung des Projektteams: Beschreibt, an wie vielen Orten sich die einzelnen Mitglieder des Projektteams befinden. Mit steigender Ausprägung ist das Team dezentralisierter verteilt und räumliche Abstände sowie zeitliche Verschiebungen steigen an. Komplexität, sozial-kommunikativ: Personeller Umfang des am Projekt beteiligten Teams. Mit steigender Größe des Projektteams und Anzahl der Stakeholder entstehen zunehmend Abstimmungsschwierigkeiten und ein erhöhter administrativer Aufwand. Aufwand, personell/ zeitlich/ finanziell: Der personelle und zeitliche Aufwand beschreibt den Einfluss auf das Tagesgeschäft und die benötigten Ressourcen. Der finanzielle Aufwand beschreibt die Investitionshöhe des Projekts und eine mögliche finanzielle Belastung. Mit steigender Investitionshöhe müssen bspw. Soll-Ist-Vergleiche häufiger durchgeführt werden, um rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können. Auftraggeberschaft: Position des Auftragsgebers im Projekt. Je nach Ausprägung sind die Stakeholder im Projekt unterschiedlich zu betrachten, sodass abgeleitete Vorkehrungen und Maßnahmen dem jeweiligen Auftraggeber und Stakeholdern entsprechen. Leistungserstellung, materiell/ immateriell: Beschreiben den jeweiligen Anteil an der gesamten Leistungserstellung. Mit zunehmender Ausprägung wird der Einfluss auf das Projektergebnis größer. Ein steigender immaterieller Anteil kann bspw. eine erhöhte Dokumentation mit sich führen. Ein steigender materieller Anteil führt bspw. zu erhöhtem logistischen Aufwand. Qualitätsanforderungen: Geben die mit der Fehlertoleranz einhergehende Kritikalität bezogen auf das Projektergebnis an. Bei steigender Ausprägung muss mit zusätzlichen zeitlichen und monetären Ressourcen gerechnet werden. Darüber hinaus steigt das mit dem Projekt zusammenhängende Risiko. Dringlichkeit: Beschreibt den zeitlichen Druck im Projekt. Liegt eine hohe Dringlichkeit vor, sind weitere Maßnahmen einzuplanen, um das Ergebnis zu erreichen. Dies ist i. d. R. mit hohem finanziellen und/ oder personellen Aufwand verbunden. Strategische Bedeutung: Beschreibt die übergeordnete Wichtigkeit des Projekts.-Mit steigender strategischer Bedeutung nimmt der Einfluss der Projektergebnisse auf die Unternehmensentwicklung zu. Innovationsgrad: Beschreibt die im Projekt zu erwartenden oder auftretenden Umstände, Instrumente und Tätigkeiten, die neuartig sind. Je nach neuartigen Elementen sind gewisse Maßnahmen zu treffen, um Risiken zu senken, die durch Neuartigkeit entstehen. Planbarkeit: Beschreibt die Möglichkeit, den Projektverlauf in konkret definierten Teilschritten planen/ untergliedern zu können. Mit steigender Ausprägung lässt sich eine genauere Planung realisieren. Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 30 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 30 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 30 19.06.2020 14: 01: 25 19.06.2020 14: 01: 25 Kriterium Zuordnung = 1 Zuordnung = 2 Zuordnung = 3 Komplexität, fachlichinhaltlich Klar, geringe Anzahl/ Vernetzung der Elemente mit wenig Dynamik Mittel, überschaubar Hoch, nicht überschaubar, starke Vernetzung der Elemente mit viel Dynamik Komplexität, sozialkommunikativ Wenige Beteiligte, geringer Administrations-/ Koordinationsaufwand Mittlere Anzahl Beteiligte, erhöhter Administrations-/ Koordinationsaufwand Viele Beteiligte, hoher Administrations-/ Koordinationsaufwand, große Dynamik Geografische Verteilung des Teams Gesamtes Projektteam in räumlicher Nähe, lokal An mehreren Standorten verteilt, regional An vielen Standorten verteilt, überregional, ggf. international/ global Commitment Gut, wenig Konflikte zu erwarten Unterschiedlich, benötigt Führungsaufmerksamkeit Kritisch, Krisen und Widerstand zu erwarten Erfahrung Vorhanden (Routineprojekt), Standards vorhanden Teilweise bei Schlüsselpersonen vorhanden, wenige Standards Nicht vorhanden, muss aufgebaut werden, keine Standards Interdisziplinarität Ein Fachbereich Wenige Fachbereiche Viele Fachbereiche Aufwand, personell Gering, beeinflusst das Tagesgeschäft nicht Mittel, mit bestehenden Ressourcen umsetzbar, beeinflusst Tagesgeschäft Hoch, erfordert zusätzliche Ressourcen, Tagesgeschäft wird unterbrochen Aufwand, zeitlich Gering, beeinflusst das Tagesgeschäft nicht Mittel, mit bestehenden Ressourcen umsetzbar, beeinflusst Tagesgeschäft Hoch, erfordert zusätzliche Ressourcen, Tagesgeschäft wird unterbrochen Aufwand, finanziell Investitionssumme gering, unbedeutend Investitionssumme mittel, benötigt gewisse Vorkehrungen Investitionssumme hoch, benötigt ausgeprägte Vorkehrungen Auftraggeberschaft Interner Auftraggeber Auftraggeber in verbundenem Unternehmen, z. B. innerhalb eines Konzerns Externer Auftraggeber Leistungserstellung, materiell Kein/ geringer Anteil, unbedeutend Mittlerer Anteil, benötigt Vorkehrungen Hoher Anteil, Projektergebnis stark abhängig Leistungserstellung, immateriell Kein/ geringer Anteil, unbedeutend Mittlerer Anteil, benötigt Vorkehrungen Hoher Anteil, Projektergebnis stark abhängig Qualitätsanforderungen Geringe Kritikalität, wenig zusätzlicher Ressourcenverzehr, geringes Risiko Erhöhte Kritikalität, moderater zusätzlicher Ressourcenverzehr, mittleres Risiko Maximale Kritikalität, ausgeprägter zusätzlicher Ressourcenverzehr, hohes Risiko Dringlichkeit Gering, Termineinhaltung unkritisch Mittel, Termin fixiert, ausreichend Zeit vorhanden Hoch, Termin fixiert, zeitkritisch Strategische Bedeutung Gering, strategisch nicht bedeutsam Mittel, strategisch bedeutsam für einzelne Unternehmensbereiche Hoch, strategisch bedeutsam für gesamtes Unternehmen Innovationsgrad Gering, referenzbasiert, Routinen und Standards vorhanden, Risiko gering Mittel, aufbauend, neuartige Elemente, Risiko mittel Hoch, radikal, keine Standards vorhanden, Risiko hoch Planbarkeit Gut, klar planbar Mäßig, schwierig planbar Schlecht, beinahe nicht planbar Technologielevel Low-Tech, keine Unsicherheiten oder Schwierigkeiten zu erwarten Medium-Tech, mäßige Unsicherheiten oder Schwierigkeiten zu erwarten High-Tech, stark ausgeprägte Unsicherheiten oder Schwierigkeiten zu erwarten Tabelle 1: Übersicht der Kriterien und deren Ausprägungen Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 31 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 31 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 31 19.06.2020 14: 01: 25 19.06.2020 14: 01: 25 Technologielevel: Beschreibt Unsicherheiten und zu erwartende Schwierigkeiten im Kontext der zu nutzenden Technologien. Im engeren Sinne ist das Kriterium dadurch geprägt, auf welchem Technologielevel sich der der Leistungserstellungsprozess bewegt. Je höher das Level, desto höher sind auch verbundene Unsicherheiten oder Schwierigkeiten. Die beschriebenen Kriterien sind in Tab. 1 in einer verdichteten Übersicht dargestellt. 3.2 Erstellung des Projektprofils Die zuvor betrachteten Kriterien werden in ein Netzdiagramm übertragen. Durch die Festlegung der Ausprägungen der Kriterien (Punktevergabe) lässt sich ein Profil des Projekts visualisieren. Abb. 6 stellt das Netzdiagramm mit beispielhafter Zuordnung von Implikationen für das PM dar. Nun können einzelne Projekte in das Netzdiagramm eingefügt und analysiert werden. Das daraus hervorgehende Projektprofil dient als Grundlage für die Ausgestaltung des PM und kann phasenübergreifend verwendet werden. Anschließend können kritische Bereiche identifiziert und daraus hervorgehende Maßnahmen abgeleitet werden. Diese Maßnahmen können gegenüber einem starr definierten Projektablauf in frühere oder spätere Projektphasen verlagert werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, eine domänenspezifische Adaption des Modells durchzuführen. Das entwickelte Charakterisierungsschema kann insofern eine Anpassung erfahren, dass es Gegenstand von Tailoring wird. Wenn bspw. ein Unternehmen stets einen bestimmten Projettyp abwickelt, können Kriterien entfallen, die für diesen irrelevant sind, und das Schema kann dadurch vereinfacht werden. 3.3 Ableitung von Handlungskonsequenzen Nachfolgend werden beispielhaft sinnvolle Handlungskonsequenzen aufgezeigt, die ein Unternehmen bei Maximalausprägung der Modellkriterien als Konsequenz in Betracht ziehen kann. Dabei wird nur auf ausgewählte Kriterien eingegangen. Komplexität, fachlich-inhaltlich: (Maximalausprägung: Hoch, nicht überschaubar, starke Vernetzung der Elemente mit viel Dynamik.) Es sollte ein iteratives und/ oder inkrementelles Vorgehen in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus können eine High-Level-Planung, eine sinnvolle Reduktion des Scopes, eine Untergliederung in Teilprojekte und ein gezieltes Integrations- und Architekturmanagement Vorteile für das Projekt mit sich führen. Commitment: (Maximalausprägung: Kritisch, Krisen und Widerstand zu erwarten) Der Bereich Change Management sollte besonders gewürdigt werden. Darüber hinaus kann das Kriterium vorteilhaft durch Mitarbeiterschulungen, eine ausgeprägte Top-Management-Beteiligung und die gezielte Ausrichtung auf Visionen beeinflusst werden. Erfahrung : (Maximalausprägung: Nicht vorhanden, muss aufgebaut werden, keine Standards) Auch bei diesem Kriterium erscheint ein iteratives Vorgehen (Lernkurve) vorteilhaft. Durch das Einbeziehen von Experten, die Etablierung eines Lessons-Learned-Prozesses (Ausarbeitung von Standards) und ein zielgerichtetes Wissensmanagement kann ein wertvoller Erfahrungsschatz für Folgeprojekte aufgebaut werden. Aufwand, personell: (Maximalausprägung: Hoch, erfordert zusätzliche Ressourcen, Tagesgeschäft wird unterbrochen) Die Kapselung des Projekts (keine Matrixorganisation), der Ausschluss von Multi-Tasking-Tätigkeiten, die Einbeziehung der Linienverantwortlichen, ein effizientes und organisiertes Ressourcenmanagement sowie das Einbinden von weiterem Personal (z. B. Freelancer) hilft dabei, negative Auswirkungen des Kriteriums zu unterbinden. Strategische Bedeutung : (Maximalausprägung: Hoch, strategisch bedeutsam für gesamtes Unternehmen) Bei dieser Maximalausprägung dieses Kriteriums sollte auf eine starke Top-Management-Beteiligung, eine erfahrungsbasierte Besetzung des Projektteams, Fokussierung des Change Managements, eine Sensibilisierung der Stakeholder, verstärktes Projektcontrolling (häufigere Prüfzyklen) und ein verstärktes Risikomanagement besonderer Wert gelegt werden. Abbildung 6: Netzdiagramm zur Projekttypisierung Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 32 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 32 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 32 19.06.2020 14: 01: 25 19.06.2020 14: 01: 25 Innovationsgrad: (Maximalausprägung: Hoch, radikal, keine Standards vorhanden, Risiko hoch) Ein iteratives und/ oder inkrementelles Vorgehen, ein Prototyping mit verstärkter Kunden-/ Nutzerbeteiligung, eine Herangehensweise über ein Minimum Viable Product, stärkere Ausarbeitung von Produkt-Visionen, das Einbeziehen von Experten, Joint-Ventures mit anderen Unternehmen sowie die Untergliederung (Teilprojekte) können dabei helfen, mit dem hohen Innovationsgrad umzugehen. Technologielevel: (Maximalausprägung: High Tech, stark ausgeprägte Unsicherheiten oder Schwierigkeiten zu erwarten) Mögliche Maßnahmen zum Umgang mit der Maximalausprägung dieses Kriteriums bestehen durch eine erfahrungsbasierte Besetzung des Projektteams, das Integrationsmanagement, das gezielten Prototyping und Testing, das Risikomanagement, eine intensive Zusammenarbeit mit dem Kunden, das Einbeziehen von Experten und Joint-Ventures mit anderen Unternehmen. Zum weiteren Verständnis und zur Veranschaulichung der Anwendung des Modells wird im Folgenden ein Netzdiagramm eines fiktiven Projekts aufgezeigt. 3.4 Fallbeispiel Ein Anbieter für Lagerlogistik und Robotikanwendungen hat den Auftrag eines Automobilzulieferers erhalten, eine Neugestaltung seines Warenlagers durchzuführen. Die Effizienz soll durch Automatisierung gesteigert werden. Ziel ist es, ein Lagerkonzept mithilfe mobiler und autonomer Roboter für die automatisierte Einlagerung, Lagerhaltung, das Bestandsmanagement sowie die Kommissionierung und den Versand zu entwickeln. Nun müssen die Produkte des Unternehmens genau auf Anforderungen des Neukunden angepasst werden. Für das Projekt wird das Projektprofil aus Abb. 7 ermittelt. Das Profil zeigt mehrere Besonderheiten, die den Projektablauf beeinflussen. Bisher kann das Unternehmen auf wenige Erfahrungen aus der Vergangenheit zurückgreifen. Darüber hinaus ist die Thematik als sehr komplex und innovativ einzustufen. Es sind viele unterschiedliche Disziplinen zu vereinen, bei einer gleichzeitig moderaten Teamgröße. Der Anbieter geht daher davon aus, dass das Projekt als zeitintensiv gilt und einen hohen monetären Aufwand für ihn darstellt. Der materielle Anteil der Leistungserstellung überwiegt mit der physischen Anpassung der vorhandenen Roboter. Softwareprodukte sorgen daneben aber auch für einen geringen immateriellen Anteil. Die Qualitätsanforderungen sind hoch, von einer Null-Fehler-Toleranz aber noch entfernt. Da das Unternehmen noch keinen Kundenstamm in der Branche vorweisen kann, sich aber mittelfristig in diese Richtung orientieren möchte, ist die strategische Bedeutung äußerst stark ausgeprägt. Die ableitbaren Handlungsempfehlungen sind in Tabelle 2 dargestellt. So empfiehlt es sich für den Anbieter der Robotikanwendungen den Ablauf des Projekts iterativ zu gestalten. Da es sich um ein Projekt mit einem hohen Innovationsgrad und einer modernen Technologie handelt, sollten zusätzliche Experten zur Rate gezogen werden. Daneben ist der hohe finanzielle und zeitliche Aufwand zu beachten. Es empfiehlt sich, den Fokus verstärkt auf das Projektcontrolling zu legen, um finanzielle Engpässe zu verhindern. Nicht zuletzt ist die strategische Bedeutung des Projekts besonders hoch. Daher sollte das Projekt mit Hilfe eines ausgeprägten Risikomanagements begleitend überwacht werden. 4. Fazit Das Grundproblem, dem sich in diesem Beitrag gewidmet wurde, ist die fortlaufend ansteigende Komplexität von Projekten. Es wird ein immer stärkeres Erfordernis, Projekte sehr spezifisch zu typisieren, um Planungen und Tätigkeiten in den einzelnen Phasen des Projekts gezielt an dessen Individualität anzupassen. Eine frühzeitige Analyse der Projektmerkmale und deren Ausprägungen kann somit die gesamte Ausrichtung des PMs positiv beeinflussen. Mithilfe des aus den ausgearbeiteten Kriterien abgeleiteten Netzdiagramms wurde eine weitreichende Möglichkeit der Projekttypisierung für eine Vielzahl von Anwendern geschaffen. Das Diagramm kann genutzt werden, um ein Projektprofil zu Abbildung 7: Projektprofil - Entwicklung von Logistikrobotern Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 33 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 33 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 33 19.06.2020 14: 01: 26 19.06.2020 14: 01: 26 erstellen. Auf dessen Basis können Schwerpunkte eines Projekts erkannt und im PM berücksichtigt werden. Anschließend können gewonnene Erkenntnisse in die Vorgehensweise, die notwendige Planung und die zukünftige Steuerung einfließen. Dadurch ist das PM in der Lage, gezielt den Fokus auf identifizierte Problembereiche und notwendige Aufgaben zu legen. Durch eine frühzeitige Erstellung und Analyse des Projektprofils und eine kritische Auseinandersetzung mit den daraus resultierenden Maßnahmen können Risiken identifiziert und bestenfalls eliminiert bzw. kontrolliert werden. Das dargestellte Fallbeispiel konnte einerseits die Funktionalität der Typisierungsmethode demonstrieren. Andererseits geben sie möglichen Anwendern einen Leitfaden zur Vorgehensweise. Um den vorliegenden Beitrag kritisch zu würdigen, wird auf einen wichtigen Aspekt eingegangen. Jedes Projekt weist sehr individuelle Ausprägungen auf. Hinsichtlich der ausgearbeiteten Kriterien können noch eine Reihe weiterer oder anderer Kriterien genutzt werden, um Projekte zu typisieren und das Modell zu erweitern - abhängig von den Anforderungen des jeweiligen Projekts [9, S.-1008 f.]. In diesem Bereich gibt es keine Restriktionen - viele unterschiedliche Modelle können geschaffen werden. In diesem Zusammenhang wird auch explizit darauf hingewiesen, dass branchenspezifische Aspekte in dieser Ausarbeitung nicht betrachtet wurden. Die vollständige systematische Ableitung der Implikationen für das PM eines konkreten Projekts ist zudem Gegenstand weiterer Untersuchungen. Literatur- und Quellenverzeichnis [1] GPM (Hrsg.): Makroökonomische Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland, Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V., Nürnberg 2015, online https: / / www.gpm-ipma.de/ fileadmin/ user_upload/ GPM/ Know- How/ GPM_Studie_Vermessung_der_Projekttaetigkeit. pdf, Stand: 10.03.2019 [2] Peipe, S.: Crashkurs Projektmanagement, 6. Auflage, Freiburg 2015 [3] Standish Group (Hrsg.): CHAOS Report 2015, The Standish Group International, Inc., o.O. 2015 [4] Decker, H.: Großprojekte sind zum Scheitern verurteilt, FAZ vom 29.09.2015, online: https: / / www.faz. net/ aktuell/ wirtschaft/ unternehmen/ studie-grossprojekte-wie-der-ber-zum-scheitern-verurteilt-13827732.html, Stand: 29.04.2019 [5] Komus, A./ Kuberg, M.: Status Quo Agile, HS Koblenz 2017, online https: / / www.gpm-ipma.de/ fileadmin/ user_ upload/ GPM/ Know-How/ Studie_Status_Quo_Agile_2017. pdf, Stand: 18.12.2018 [6] Shenhar, A. J./ Dvir, D.: Reinventing Project Management. The Diamond Approach To Successful Growth And Innovation, Boston 2007 [7] Gessler, M.: Projektarten. In: GPM/ Gessler: Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3). Handbuch für Projektarbeit, Qualifizierung und Zertifizierung, 5. Auflage, Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V., Nürnberg 2012, S.-43-51 [8] GPM (Hrsg.): Individual Competence Baseline für Projektmanagement, Version 4.0, Deutsche Fassung, Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V., Nürnberg 2017 [9] Frick, A./ Schoper, Y./ Röschlein, R./ Seidl, J.: Projektdesign, in GPM, 2019, S.-1004-1037 [10] Kuster, J./ Huber, E./ Lippmann, R./ Schmid, A./ Schneider, E./ Witschi, U./ Wüst, R.: Handbuch Projektmanagement, 3., erweiterte Auflage, Berlin Heidelberg 2011 Tabelle 2: Übersicht von Handlungsempfehlungen - Entwicklung von Logistikrobotern Anzeige Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 34 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Planung nach IPMA Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen projektron.de ISO 27001 zertifiziert Wir suchen Mitarbeiter für: München / Stuttgart Hamburg / Berlin Projektmanagement-Software Projektron BCS D_Wissen_04_Huesselmann.indd 34 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 34 19.06.2020 14: 01: 28 19.06.2020 14: 01: 28 [11] PMI: A Guide to the Project Management Body of Knowledge. PMBOK® Guide. 6th ed., Project Management Institute, Newtown Square, PA 2017 [12] Zell, H.: Projektmanagement - lernen, lehren und für die Praxis, 7., neu bearb. Auflage, Norderstedt 2017 [13] Reiss, M.: Simplexity - Strategien für das Projektmanagement, in: Projektmanagement aktuell, 2018, Nr. 3, S.-40-46 [14] AXELOS (Hrsg.): Managing successful projects with PRINCE 2, 6. Auflage, Norwich 2017 [15] Höhn, R./ Höppner, S./ Rausch, A.: Das V-Modell XT. Anwendungen, Werkzeuge, Standards, Berlin Heidelberg 2008 [16] Hüsselmann, C.: Das Unified Project Management Framework. Ein generischer Prozessrahmen für Projekte, WI-[Report] Nr. 010, Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen/ Friedberg 2020 [17] Jenny, B.: Projektmanagement: Das Wissen für eine erfolgreiche Karriere, 4., vollständig Überarbeitete und aktualisierte Auflage, Zürich 2014 [18] Pommeranz, I.: Komplexitätsbewältigung im Multiprojektmanagement: Die Handlungsperspektive der Multiprojektleiter, Augsburg, Universität Augsburg 2011 [19] Ottmann, R./ Pfeiffer, A./ Schelle, H.: Projektmanager, 3. Auflage, Nürnberg 2008 [20] Felkai, R./ Beiderwieden, A.: Projektmanagement für technische Projekte: Ein prozessorientierter Leitfaden für die Praxis, Wiesbaden 2011 [21] Drexl, N./ Hans, S./ Käck, S.: Hauptseminar Analyse von Softwarefehlern - Softwarefehler in der Logistik am Beispiel des Denver International Airport Gepäcktransportsystems, Technische Universität München 2002/ 2003, online: https: / / www5.in.tum.de/ lehre/ seminare/ semsoft/ unterlagen_02/ denver/ website/ , Stand: 05.12.2018 Claus Hüsselmann, Dr. rer. oec. Claus Hüsselmann, Dr. rer. oec., ist Professor für Industriebetriebslehre mit Schwerpunkt Prozess- und Projektmanagement an der TH Mittelhessen. Sandro Dönges, M. Sc., Stefan Karpf, M. Sc. Sandro Dönges, M. Sc., und Stefan Karpf, M. Sc., haben Wirtschaftsingenieurwesen an der TH Mittelhessen studiert. Sie sind nun in Unternehmen der optischen Industrie bzw. Maschinenbau und Betriebstechnik tätig. THM, FB Wirtschaftsingenieurwesen, Wilhelm-Leuschner-Str. 13, D-61169 Friedberg, Tel.: +49 6031 604 5763, E-Mail: PPMLabor@wi.thm.de Eingangsabbildung: © iStock.com/ sergeyryzhov Anzeige Wissen | Zielgerichtete Adaption des Projektmanagements 35 DOI 10.2357/ PM-2020-0041 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Planung nach IPMA Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen projektron.de ISO 27001 zertifiziert Wir suchen Mitarbeiter für: München / Stuttgart Hamburg / Berlin Projektmanagement-Software Projektron BCS D_Wissen_04_Huesselmann.indd 35 D_Wissen_04_Huesselmann.indd 35 19.06.2020 14: 01: 32 19.06.2020 14: 01: 32 Digitale Teamarbeit im Projektmanagement Mindset als Erfolgsfaktor Niels Kindl, Mahir Kulalic Für eilige Leser | Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit in einem rasanten Tempo-- das verlangt auch Unterne hmen einiges ab. Sie benötigen Lösungen für die sich kontinuierlich verändernden Rahmenbedingungen und Anforderungen, um langfristig bestehen zu können. Mit diesen Herausforderungen gehen allerdings auch technische Möglichkeiten einher, um Prozesse im Unternehmen nachhaltig zu vereinfachen. Vor allem in der Projekt-Abwicklung haben viele Unternehmen Probleme mit Übersicht, Kommunikation und Koordination. Die Lösung: Projektmanagement-Tools, die die Organisation und Kommunikation vereinfachen, optimieren und standardisieren. Schlagwörter | Methoden, Tools, Organisation, Unternehmensprozesse, Workflow, Austausch, Transparenz, Projektüberblick, Zusammenarbeit, Teamarbeit, Software, Digitalisierung Eine Umwandlung von analoge in digitale Formate: Das passiert mit unserer Welt spätestens, seit Konrad Zuse den Z1 1937 entwickelte, der als erster „Computer“ mit binären Zahlen-- 1 und 0-- rechnen konnte. Unter der Digitalisierung, die damals zweifelsfrei begann, verstehen wir heute eher einen ökonomischen und soziologischen Prozess, der den Einzug der digitalen Technologien in unseren Alltag beschreibt. Im gleichen Atemzug führt dieser Prozess zu einem grundlegenden Wandel von Gesellschaft, Arbeit und Wirtschaft. Vor allem Letztere steht nun vor einer großen Herausforderung, denn Jahrzehnte lang gelernte, bekannte und etablierte Prozesse sind plötzlich nicht mehr zielführend. Zusätzlich übt auch noch die Öffentlichkeit enormen Druck aus. Trends wie Blockchain, Künstliche Intelligenz, Virtual Reality oder Big Data beherrschen die öffentlichen Debatten und stehen nicht nur bei Konzernen, sondern auch im Mittelstand hoch im Kurs. Geschäfts- und Produktionsprozesse werden überarbeitet, vereinfacht und automatisiert. Nicht selten fallen Begriffe wie Industrie 4.0 und New Work. Doch das wichtigste Asset, nämlich die Mitarbeiter bzw. die Zusammenarbeit im Team, bleiben dabei oft auf der Strecke. Der Status Quo - Excel und Mails Die fehlende Digitalisierung in der Zusammenarbeit von Mitarbeitern zeigt sich besonders deutlich im Projektmanagement. Hier läuft alles noch gefühlt wie vor 20 Jahren ab: mit zig Excel-Tabellen, Outlook-Terminen und Chaos im E-Mail- Postfach. Die Folgen machen keinen Spaß: E-Mails mit dem Betreff „ Re: Re: FYI: FWD: Re: Re: “, bei denen der größte inhaltliche Teil aus automatischen Signaturen besteht. Excel-Tabellen, bei denen nicht klar ist, ob „ projekt_neu_v1.xls “, „ projekt_neu_neu_v1.xls “ oder doch „ projekt_neu_v2_endgültig. xls “ die aktuellste Version ist. Dicht gefolgt von Post-its, die am Monitor kleben oder schon heruntergefallen sind. Und nicht zu vergessen endlose Meetings und Besprechungen- - natürlich ohne Ergebnis. Von Digitalisierung, Organisation 4.0, New Work und Agilität keine Spur. Die Folgen sind Mitarbeiter, die Informationen suchen, zeitaufwändig zusammenstellen und endlos diskutieren. Ungenaue Zuständigkeiten, verspätete Timings und falsche Prioritäten- - alles scheint erst einmal wichtig und dringend. Zwischen Mitarbeitern herrschen ungleiche Wissensstände, Informationen und Vorgänge sind meist nicht transparent und schon gar nicht zentral für alle verfügbar. Man hat das Gefühl, Zeit zu verlieren und nicht schnell genug vorwärts zu kommen. Und genauso ist es: Das Ergebnis sind zu späte Erkenntnisse und Entscheidungen. Professionelle Tools Dem Chaos entkommen - das wünschen sich viele Unternehmen. Denn oft halten mit der fehlenden Übersicht und Struktur auch Frustration und schlechte Laune Einzug ins Büro. Wissen Mindset als Erfolgsfaktor DOI 10.2357/ PM-2020-0042 1. Jahrgang · 03/ 2020 36 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 36 D_Wissen_05_Kindl.indd 36 19.06.2020 12: 26: 51 19.06.2020 12: 26: 51 Darunter leiden nicht nur Effektivität und qualitative Leistungen, sondern auch die allgemeine Arbeitsatmosphäre. Der erste Schritt zur Lösung ist vergleichsweise einfach. Inzwischen gibt es viele Management-Tools, die genau in solchen organisatorischen Situationen im wahrsten Sinne des Wortes aufräumen bzw. für Übersicht und Ordnung sorgen. Die Anzahl der Anbieter- - mittlerweile über 750 (! ) [1]- - spricht schon fast für sich, denn immer mehr Unternehmen greifen auf Projektmanagement-Tools zurück, um Ordnung in ihre Arbeitsprozesse zu bringen. Die technischen Möglichkeiten sind da. Wieso Vorteile und digitale Weiterentwicklung verpassen? Es gibt eine Vielzahl von Experten, die den Einsatz von Management-Software für Teams und Unternehmen aller Größen und Branchen empfiehlt. Gründe hierfür sind nicht neu, sondern zum Teil schon jahrelang bekannt und belegt: • Schon 2012 ermittelte PwC im „ Global Project Management Report “, dass 97 % aller Unternehmen glauben, Projektmanagement sei ein kritischer Faktor, der den Er- Abb. 1: Der factro Newsfeed auf dem Smartphone folg des gesamten Unternehmens signifikant beeinflussen kann. [2] • 2013 fand die Standish Group in ihrem „ CHAOS Manifesto “ heraus, dass weniger als ein Drittel aller Projekte innerhalb von Zeit- und Budget-Vorgaben abgeschlossen wurden. [3] • 2016 stellte das Project Management Institute in der Management Survey „ The High Cost of Low Performance “ fest, dass Unternehmen ca. 122 Millionen US$ bei einem Projektwert von ca. 1 Milliarde US$ verschwenden. [4] • Laut Wellingtone Studie „ The State of Project Management “ aus 2016 wurde jedes dritte Projekt (34 %) ohne ein Fälligkeitsdatum gestartet. [5] • Die Geneca Studie „ Why up zo 75 % of software projects will fail “ im Jahr 2017 zeigte schließlich, dass 75 % aller Manager und IT-Executives ein Scheitern ihrer Software-Projekte sogar erwarten. [6] Projektmanagement in der Praxis war und ist also ein risikoreiches Feld, in dem digitale Unterstützung nicht nur hilfreich, sondern sogar notwendig ist, um erfolgreich zu sein und am Markt bestehen zu können. Das hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Will ein Unternehmen sein Projektmanagement optimieren, gibt es allerdings zunächst viele „Baustellen“ und Ansatzpunkte. In den meisten Fällen ist es sinnvoll, mit der ausführenden Basis im Projektmanagement zu beginnen: den Mitarbeitern. Vor allem im Bereich digitales Teamwork gibt es Potential nach oben. Denn die Arbeit im Team funktioniert nicht von selbst. Klare Aufgabenstellungen, eindeutige Verantwortlichkeiten und eine transparente Kommunikation sind essenziell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Projektmanagementbzw. Collaboration-Tools bündeln das Teamwork und können es nachhaltig verbessern. Eine gute Basis für überlegtes Handeln, schnellere Entscheidungen, bessere Zusammenarbeit und eigenverantwortliche, zufriedene, ja glückliche Mitarbeiter - egal in welchem Projekt. Wissensaustausch Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass jeder an seiner eigenen Aufgabe arbeitet. In vielen Fällen ist ein Miteinander unverzichtbar: z. B. bei kreativen Prozessen, in denen es um Ideenentwicklung und gemeinsames Brainstorming geht. Eine (gewinnbringende) Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn alle Mitarbeiter den Überblick haben, wo das Projekt aktuell steht. In vielen Unternehmen schreiten Vorhaben schnell voran, ohne dass Erkenntnisse und Fortschritte jedem bekannt gemacht werden. Ein Projektmanagement-Tool ermöglicht hier Transparenz, in dem alle relevanten Informationen, Dokumente und Nachrichten zentral an einem Ort zugänglich werden. Es entsteht ein virtueller Arbeitsplatz, an dem alle Mitarbeiter auf einem gemeinsamen (aktuellen) Stand sind und gemeinsam arbeiten können. Keine Fragerei, kein Suchen nach Informationen - alles ist an einem Ort zu finden. Das spart nicht nur Nerven, sondern auch enorm viel Zeit. Die Vorbereitung für ein Meeting muss nicht mehr aus einer schier endlosen Suche nach relevanten Neuigkeiten in Präsentationen, White-Papers oder sonstigen Notizen bestehen: weniger Aufwand und mehr Zeit für das wirkliche Kerngeschäft. Wissen | Mindset als Erfolgsfaktor 37 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 37 D_Wissen_05_Kindl.indd 37 19.06.2020 12: 26: 52 19.06.2020 12: 26: 52 Nachverfolgung Um beim Thema Transparenz zu bleiben: Für viele Mitarbeiter - insbesondere Projektleiter - ist das Tracking des Fortschritts von elementarer Wichtigkeit. Nur bei einer umfassenden Übersicht können Probleme und Fehler frühzeitig erkannt oder sogar vermieden werden. Ein Projektmanagement-Tool ermöglicht eine übersichtliche Nachverfolgung aller Vorgänge und Fortschritte. Da ein Projekt in der Praxis immer in verschiedene Teilbereiche, Aufgabenpakete und Teilaufgaben eingeteilt wird, haben auch die meisten PM-Tools diese Struktur angenommen. Die Aufgaben in einer Projektmanagement-Software sind mit vielen hilfreichen Informationen bestückt. So gibt es beispielsweise eine Aufgabenhistorie, in der transparent und automatisch notiert wird, was wann wie und von wem an der Aufgabe und ihrem Inhalt verändert wurde. Kommentare ermöglichen Feedback und aufgabenbezogene Absprachen - und zwar genau dort, wo sie in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Kommunikation E-Mails sind in der Arbeitswelt immer noch eines der meist genutzten Kommunikationswerkzeuge. Doch selbst, wenn sie nur zwischen zwei Personen benutzt werden, ist es schwer, über einen längeren Zeitraum den Überblick zu behalten. Denn spätestens, wenn bereits der Betreff einer E-Mail mit „Re: Re: FYI: FWD: Re: Re: “ beginnt, wird es unmöglich zu identifizieren, worum es eigentlich geht. Das Problem steigert sich exponentiell mit Anzahl der in „Cc“ genommenen Personen. Die Kommunikation wird unübersichtlich und alles andere als zielgerichtet. Sobald jetzt auch nur eine Person aus der Gruppe nicht „An alle antworten“ auswählt, ist das Chaos perfekt. Eine Software ermöglicht - durch eine klare Struktur mit einzelnen Aufgaben - eine übersichtliche aufgabenbezogene Kommunikation. In Kommentaren können Absprachen getroffen oder Fragen geklärt werden - für alle relevanten Personen einsehbar und themenbezogen. Sogenannte @-Mentions ermöglichen es, bestimmte Mitarbeiter direkt ohne E-Mail-Ping- Pong anzusprechen. Ein Benachrichtigungssystem, wie in der PM-Software factro (s. Abb. 1), informiert über neue Kommentare oder Veränderungen in Aufgaben und warnt, wenn Fristen zu reißen drohen. So können Neuigkeiten praktisch nie wieder übersehen werden, alle Mitarbeiter bleiben auf Stand und unnötige persönliche Gespräche über Kleinigkeiten werden abgeschafft. Das gilt auch für die organisatorische Planung im Zusammenhang mit Verantwortlichkeiten, Fristen und Prioritäten. Auch diese Informationen können in einem Projektmanagement-Tool festgelegt werden, um allgemeine Fragen zu minimieren. Überblick Die wertvollste Eigenschaft für das Gelingen eines Projektes ist die Fähigkeit, den Überblick zu behalten. Denn genau das ist oft der Knackpunkt. Wer macht gerade was? Werden die Pläne eingehalten oder gibt es irgendwo Probleme. Besonders der Projektleiter muss diese Fragen zu jeder Zeit beantworten können, um den Erfolg des Projektes zu sichern. Da in einem Projektmanagement-Tool alle Beteiligten eines Projektes zusammenarbeiten sowie ihre Fortschritte oder Fragen dokumentieren, findet der Projektmanager alle Informationen übersichtlich an einem Ort. Das können Zeitaufwände pro Aufgabe sein, die Fortschrittsanzeigen einzelner Aufgaben oder angehängte Dokumente. Abb. 2: Projektstrukturbaum von factro Wissen | Mindset als Erfolgsfaktor 38 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 38 D_Wissen_05_Kindl.indd 38 19.06.2020 12: 26: 52 19.06.2020 12: 26: 52 Durch strukturiert gesammelte Informationen zum einen sowie durch übersichtliche Ansichten zum anderen kann man sich auch in umfangreichen Projekten gut zurechtfinden. Einige Projektmanagement-Tools bieten professionelle Methoden zur Projektplanung und -durchführung an. Eine sehr übersichtliche Technik, die zum Handwerkskoffer jedes Projektmanagements gehören sollte, ist die Projektstrukturplanung, wie man sie u. a. in factro findet (s. Abb. 2). In Form einer visuellen Darstellung wird ein ganzes Projekt mit seinen Paketen und Aufgaben abgebildet. Ein weiteres Beispiel ist das Gantt Chart, das vor allem bei der detaillierten zeitlichen Planung mit Meilensteinen und Abhängigkeiten zum Einsatz kommt. Damit lassen sich ihre Aufgaben perfekt verzahnen. (s. Abb. 3) Natürlich deckt nicht jede Projektmanagement-Software die gleichen Funktionen oder Einsatzgebiete ab. Von einfachem Listen- und Aufgabenmanagement über Collaboration bis hin zu professionellem Controlling sind Management-Tools ein echter Mehrwert im Projektmanagement und Tagesgeschäft. Laut der Capterra Studie „Wie Projektmanagement- Software in Deutschland genutzt wird“ aus dem Jahr 2018 sind die häufigsten Probleme bei Projekten das Einhalten von Terminen (18 %), das schnelle Reagieren auf Veränderungen (13 %), das Organisieren und Umsetzen von Aufgaben (12 %) und das Einhalten des Budgets (9 %). [7] Genau in diesen Bereichen setzt eine Projektmanagement-Software an: Projektplanung, -steuerung und -verfolgung, Zeitmanagement und Terminplanung, Aufgaben- und Budgetverwaltung, Team-Kommunikation und Kollaboration. Doch obwohl es diese Möglichkeiten und Vorteile für Unternehmen gibt, ist das Thema „Projektmanagement-Software“ immer noch nicht in allen Köpfen angekommen. So wären viele kleine und mittelständische Unternehmen zwar bereit in eine neue Projektmanagement-Software zu investieren, doch aktuell verwendet der Großteil (54 %) keine Softwareanwendungen außer Excel oder Outlook. [7] Das liegt u. a. auch an der hohen Anzahl an Anbietern und der dadurch entstehenden Orientierungslosigkeit vieler Unternehmen. Außerdem ist die Auswahl eines geeigneten Tools keine „Paar Stunden“-Aufgabe. Bei der Auswahl sind nicht nur die reinen Funktionalitäten, sondern auch die Rahmenbedingungen der Anbieter von Bedeutung. Kosten, Datensicherheit oder Kundenservice sind ebenso wichtig wie bestimmte Features, die benötigt werden. Cloud-Lösungen Mit dem Fortschritt digitaler Techniken ist auch der Trend von Cloud-Software aufgekommen und mittlerweile weit verbreitet. Mit einer durch das Internet verfügbar gemachten IT-Infrastruktur wird durch Cloud-Computing Speicherplatz oder Anwendungs-Software als Dienstleistung angeboten. Auch im Bereich der Projektmanagement-Tools sind Cloud-Anwendungen zu finden, die eindeutige Vorteile im Vergleich zu regulären Programmen haben. Durch leistungsstarke IT-Kapazitäten zu geringeren Kosten pro Nutzer verringern Unternehmen ihre Risiken, die z. B. durch Kapitalbedarf, Implementierung, Betrieb und Wartung entstehen. Da keine Installation nötig ist, können solche Lösungen schneller in die Praxis eingeführt werden und ermöglichen orts- und zeitunabhängiges Arbeiten sowie andere Arbeitsmodelle wie Home-Office, Remote- Teams oder das Arbeiten mit eigenen Geräten. Im Zusammenhang mit Teamarbeit - unabhängig von Zeit und Ort - sind Projektmanagements-Tools oft auch mit einer App für das Smartphone verbunden. So wird das Arbeiten von unterwegs noch komfortabler. Für einige Unternehmen ist der Einsatz einer Projektmanagement-Software nur dann sinnvoll, wenn sie in einer App verwendet werden kann. Auf Abb. 3: Gantt Chart von factro Wissen | Mindset als Erfolgsfaktor 39 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 39 D_Wissen_05_Kindl.indd 39 19.06.2020 12: 26: 53 19.06.2020 12: 26: 53 einer Geschäftsreise, im Außendienst, als Service-Mitarbeiter oder auf der Baustelle. Zurück zum Thema der Cloud: Eine solche Lösung bietet noch weitere Vorteile. So ist sie auch mit vielen anderen Digitalisierungstrends - wie Künstliche Intelligenz - eng verknüpft, da diese Cloud-Software oftmals voraussetzen. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen können von SaaS-Produkten profitieren, da an dieser Stelle oft nötiges Fachpersonal und -wissen fehlt, dass durch den SaaS-Anbieter abgedeckt wird. Trotzdem ist der Anteil an Unternehmen, die mit Cloud- Software arbeiten, sehr gering. Deutsche Unternehmen liegen hier deutlich hinter Firmen aus anderen europäischen Ländern und lassen sich demnach wichtige Vorteile im Wettbewerb entgehen. Woran liegt das? Laut einer Umfrage der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der forcont business technology GmbH haben 88 % der Unternehmen Bedenken bei der Datensicherheit und verzichten daher auf die Nutzung von Cloud-Software. [8] Abb. 4: Herausforderungen im Projektmanagement sind auf fehlende Software zurückzuführen Abb. 5: Mobile App von factro Wissen | Mindset als Erfolgsfaktor 40 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 40 D_Wissen_05_Kindl.indd 40 19.06.2020 12: 26: 55 19.06.2020 12: 26: 55 Datensicherheit Die Datensicherheit ist ein wichtiges Thema, das gerade seit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 präsent ist. Das ist besonders für Unternehmen von Bedeutung, die mit großen Mengen personenbezogener Daten arbeiten. Im Projektmanagement kommt man an der Verarbeitung von sensiblen Daten nicht vorbei - ob von Mitarbeitern, interne Inhalte, Firmenwissen der eigenen Organisation oder das von Kunden, externen Partnern und Dienstleistern. Die Frage nach den Datenschutzbestimmungen kommt vor allem bei der Auswahl eines Projektmanagement-Tools auf, denn viele Anbieter - die großen und bekanntesten - kommen aus den USA und hosten auf Servern außerhalb der Europäischen Union. Oft herrscht in dem Bereich viel Unsicherheit. Wann dürfen Anbieter meine Daten verarbeiten? Alexander Kretschmar vom Berufsverband der Rechtsjournalisten sagt: „ Grundsätzlich gilt nach den aktuellen Bestimmungen, dass die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig sind, wenn der Dateninhaber ausdrücklich hierin eingewilligt hat. “ [9] Entscheidend dabei ist jedoch die Absicht hinter der Datenerhebung. Personenbezogene Daten dürfen nur zu einem eindeutigen, rechtmäßigen und klar definierten Zweck und Umfang erhoben werden. Die große Frage bei der Auswahl eines Projektmanagement-Tools liegt beim Server-Standort. Sind Anbieter, die außerhalb der EU hosten überhaupt DSGVO-konform? Grundsätzlich sind Anbieter mit US-Servern nicht unmittelbar den europäischen Bestimmungen unterlegen. Obwohl bei EU-Bürgern in einem solchen Fall die Datenschutzverordnung zum Einsatz kommt, können die Bestimmungen juristisch nicht auf der gleichen Ebene durchgesetzt werden. Kretschmar weiter: „ Ein Nachteil von PM-Tools wie Trello und Asana ist, dass diese die personenbezogenen Daten auf US-amerikanischen Servern hosten. Sie unterliegen damit nicht mittelbar der europäischen DSGVO. In den letzten Jahren haben sich daher Alternativen wie factro etabliert, die die Daten auf deutschen Servern speichern - und die Einhaltung der DSGVO als ihre Geschäftsbasis garantieren. “ [9] Das bestätigt auch Capterra-Expertin Ines Bahr: „ Die Vorteile deutscher Softwareprodukte liegen […] in der Sprache, der Lokalisierung und der Datensicherheit. Nur die wenigsten internationalen Anbieter stellen ihre Software, Kundensupport und zusätzliche Services wie beispielsweise Schulungen und Kurse in deutscher Sprache bzw. in Deutschland bereit. Weiterhin unterliegen deutsche Softwarehersteller auch deutschen Rechtnormen und die Rechenzentren befinden sich meist im Land oder in Europa. “ [8] Während der Suche nach einem Projektmanagement-Tool sollten sich Unternehmen ihrer Anforderungen an die Sicherheitsstandards klar werden und vor allem den Standort des Servers im Hinterkopf behalten. Software-Produkte, wie factro, bieten hier nicht nur volle DSGVO- und BDSG-neu-Konformität, sondern zudem auch einen deutschsprachigen Kundenservice. Mindset als Erfolgsfaktor Bei der Auswahl und Einführung einer Projektmanagement-Software sind Aspekte wie Funktionen, Datenschutz, Kosten oder Benutzerfreundlichkeit am naheliegendsten. Das allerwichtigste - besonders bei der Implementierung und dauerhaften Nutzung der Software - ist jedoch das Mindset im Unternehmen. So spielen Gewohnheiten, Überzeugungen, Mentalitäten, Leidenschaften und Einstellungen eine zentrale Rolle. Man kann in seinem Unternehmen viel verändern, aber wenn keiner mitmacht, kann keine erfolgreiche Veränderung erreicht werden. Die Einführung einer neuen Software ist daher ein Change- und kein reines IT-Projekt. Oft werden in bestehende Arbeitsprozesse und -weisen eingegriffen und diese verändert. Das Unternehmen befindet sich in einem Change-Prozess, der auch mit einem Change-Management betreut werden sollte. Dieses ist für die Effektivität und Effizienz des Veränderungsprozess sowie - und das ist die wichtigste Aufgabe - für die Akzeptanz bei Mitarbeitern verantwortlich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das Sekretariat hat schon immer mit Excel-Listen gearbeitet und soll sich jetzt plötzlich komplett umstellen? Mitarbeiter sehen vielleicht nicht direkt die Vorteile einer Software. Um solchen Problemen zu begegnen, ist die interne Kommunikation das wichtigste Werkzeug. Durch eine kontinuierliche, verständliche und glaubwürdige Kommunikation im Unternehmen können grundlegende Informationen übermittelt werden, um das Engagement zu fördern und Vertrauen zu schaffen. Auch ist es sinnvoll, die Mitarbeiter in den Auswahlprozess der Software mit einzubeziehen. Immerhin sind sie es, die später mit dem Programm zurechtkommen müssen. Außerdem kann so Wertschätzung vermittelt und die Motivation erhöht werden. Fazit Die Einführung einer Projektmanagement-Software ist erst die halbe Miete und bringt das Unternehmen noch lange nicht auf Erfolgskurs. Es ist die Einstellung der Mitarbeiter, die sicherstellt, dass es funktioniert. Kontinuierliche Verbesserung, Infragestellen des Bestehenden, sich täglich neu und nachhaltig erfinden. Durch PM-Tools kann das Projektmanagement digitalisiert, vereinfacht, standardisiert und langfristig erfolgreicher werden. Die Kommunikation wird schneller und zielgerichteter. Mehr Ordnung, Struktur und Übersicht. Denn nur, wenn das gesamte Unternehmen bereit ist, den Fortschritt der Technik proaktiv anzugehen, ist es auch zukunftsfähig. Die Digitalisierung wird sich morgen nämlich nicht in Luft auflösen. Der Nutzen einer Projektmanagement-Software zeigt sich erst dann, wenn sich jeder im Unternehmen traut, damit zu arbeiten und vor allem auch Spaß beim Umgang hat. Gute Tools unterstützen den persönlichen Austausch, so wie es jeder aus sozialen Netzwerken kennt. Interaktion fördert Zusammenarbeit und Team-Geist. Außerdem muss ein solches Tool von überall bedienbar sein, um auch zeitgemäßen und flexiblen Arbeitsformen gerecht zu werden. Hierzu eignen sich webbasierte Lösungen am besten. Literatur [1] https: / / www.capterra.com.de/ blog/ 384/ top-10kostenlose-projektmanagement-tools (Stand: 28.05.2020) [2] https: / / issuu.com/ matteo.bonente/ docs/ pwc-globalproject-management-report-2012 (Stand: 28.05.2020) Wissen | Mindset als Erfolgsfaktor 41 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 41 D_Wissen_05_Kindl.indd 41 19.06.2020 12: 26: 55 19.06.2020 12: 26: 55 Niels Kindl Niels Kindl verantwortet bei der SCHUCHERT MANAGEMENTBERA- TUNG den Bereich Marketing und Kommunikation. In seinen bisherigen beruflichen Stationen als Experte für Online-Marketing, Research und Data Analytics - u.- a. bei ElectronicPartner, MEDIMAX, METRO Deutschland und IBM iX - hat er Projektmanagement und Collaboration in all seinen Facetten kennengelernt. Mahir Kulalic Mahir Kulalic ist Redakteur bei der SCHUCHERT MANAGEMENTBERA- TUNG - aus Leidenschaft und mit Leidenschaft für Technik, Tools und Trends. Nach seinem Masterstudium und vielen Jahren Erfahrung als IT-Redakteur bei ComputerBase begeistert er sich zunehmend für professionelle Projektmanagement- & Collaboration-Software und teilt sein Know-how u.a. im Blog bei factro. [3] https: / / www.standishgroup.com/ sample_research_files/ CM2013.pdf (Stand: 28.05.2020) [4] https: / / www.pmi.org/ -/ media/ pmi/ documents/ public/ pdf/ learning/ thought-leadership/ pulse/ pulse-of-theprofession-2016.pdf (Stand: 28.05.2020) [5] http: / / www.wellingtone.co.uk/ wp-content/ uploads/ 2016/ 01/ The-State-of-Project-Management- Survey-2016.pdf (Stand: 28.05.2020) [6] https: / / www.geneca.com/ why-up-to-75-of-softwareprojects-will-fail/ (Stand: 28.05.2020) [7] https: / / www.capterra.com.de/ blog/ 407/ nutzerstudiewie-wird-projektmanagement-software-indeutschland-genutzt (Stand: 28.05.2020) [8] https: / / www.forcont.de/ files/ user_upload/ umfragen/ cloud_computing_2017/ forcont_hwr_ergebnisbericht_ cloudumfrage_2017.pdf (Stand: 28.05.2020) [9] https: / / www.ingenieur.de/ karriere/ arbeitsrecht/ sindprojektmanagement-tools-noch-dsgvo-konform/ (Stand: 28.05.2020) Eingangsabbildung: unsplash.com/ youxventures Anzeige Wissen | Mindset als Erfolgsfaktor 42 DOI 10.2357/ PM-2020-0042 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 berufsbegleitend, 8 Wochen-Blockmodule Abschluss mit dem Exec. Master of Business Administration - MBA der Universität Salzburg praxisnah & international E x e c u ti v e MBA Projekt- und Prozessmanagement Kontakt & Information: Mag. Stephanie Lichtenberg, MBA +43 (0) 676 / 88 2222 27 stephanie.lichtenberg@smbs.at Professionelle Projektarbeit und reibungslose Unternehmensprozesse sind Schlüsselfaktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg. www.smbs.at the art of management the art of management the art of the art of the art of management management management the art of management Studienbeginn: 19. Oktober 2020 D_Wissen_05_Kindl.indd 42 D_Wissen_05_Kindl.indd 42 22.06.2020 09: 51: 25 22.06.2020 09: 51: 25 Im Interview mir Dr. Jens Reiche Projektmanagement im Dialog Martina Peuser Über die Interviewerin | Prof. Dr. Martina Peuser, Professorin für allgemeine BWL, insbesondere Organisation und Projektmanagement an der Leibniz Fachhochschule in Hannover. Sie ist Inhaberin des Instituts Prof. Peuser. In Ihrem Beitrag interviewt sie Experten aus Wissenschaft und Praxis zu Herausforderungen im Projektmanagement und gibt Einblicke in spannende Fragestellungen und Projekte. Vorstellung des Interviewten | Mein Name ist Dr. Jens Reiche und ich bin Physiker, Projektleiter am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) Hannover in der Abteilung Interferometry in Space von Prof. Karsten Danzmann. An Projekten arbeite ich seit 1997 und habe aufgrund vielseitiger Interessen diverse Projektarten durchgeführt. Das größte und aktuelle von diesen Projekten ist die internationale Weltraummission LISA. LISA ist das größte jemals geplante astronomische Observatorium und soll Gravitationswellen im All messen. Das Projekt wird von der ESA geleitet. Die USA sind mit der NASA als Juniorpartner zusammen mit weiteren Nationen beteiligt. Diese Länder leisten wesentliche Beiträge für die Mission. So wird z. B. der deutsche Beitrag im Wesentlichen vom DLR finanziert, das auch die sogenannte Leitungsagentur stellt. Der Start der Mission ist für 2034 geplant. Momentan befinden wir uns in der sogenannten Phase A (Konzeption und hier bereits auch frühe Definition). Prof. Karsten Danzmann, der Direktor unseres Instituts leitet das wissenschaftliche Konsortium. Darüber hinaus leiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Instituts die Entwicklung der komplexen Nutzlast und koordinieren deren einzelne Beiträge, beauftragen und steuern Airbus Defense and Space GmbH in Friedrichshafen als Systemintegrator und entwickeln gemeinsam mit der Dänisch Technischen Universität die Messeinheit zur Phasenauslesung - einem Herzstück der Mission - sowie diverse weitere Technologien und Testausrüstung. Wie sind Sie überhaupt zum Projektmanagement gekommen? Meine erste Berührung mit Projekten war in der Forschung. Während meiner Promotion habe ich an einem Forschungsprojekt zu Grundlagenuntersuchungen an Lichtbogenlampen gearbeitet, die unter anderem für Fahrzeuglampen eingesetzt werden. Später habe ich an Entwicklungsprojekten in der IT, Vertriebs- und Marketingprojekten in einem Start-up- Unternehmen aus dem Bereich der Machine to Machine Communication und dem Internet of Things und dann an Organisationsprojekten in einer Beratung gearbeitet. Von dort bin ich dann zurück in die Forschung und damit zu Weltraumprojekten wie LISA Pathfinder, LISA, GRACE Follow-On sowie zu diversen Technologie-Entwicklungsprojekten mit der ESA und der Raumfahrtindustrie in diesem Rahmen gegangen. An LISA Pathfinder und LISA arbeite ich als nationaler Projektmanager des deutschen Beitrags. Warum haben Sie eine Projektmanagement- Karriere statt Fachkarriere gewählt? War dies Zufall oder geplante Karriere? Ich habe Spaß an vielfältigen Herausforderungen, der Arbeit mit Menschen, Technik, Organisation und Finanzen. Hierzu zählen die Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsinstitutionen, Raumfahrtagenturen wie DLR, ESA und NASA sowie verschiedenen Raumfahrtunternehmen. Welche Projekte haben Sie besonders geprägt oder waren für Sie besonders wichtig? Das größte Projekt, an dem ich vor LISA gearbeitet habe, ist die Mission LISA Pathfinder, bei der die kritischen Schlüssel- Wissen Projektmanagement im Dialog DOI 10.2357/ PM-2020-0043 1. Jahrgang · 03/ 2020 43 DOI 10.2357/ PM-2020-0043 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 D-Wissen_06_Peuser.indd 43 D-Wissen_06_Peuser.indd 43 19.06.2020 12: 28: 19 19.06.2020 12: 28: 19 technologien von LISA entwickelt und im All sehr erfolgreich getestet wurden. Das Projekt fing 2004 an und ich bin 2005 dazu gestoßen. Der formale Projektabschluss findet 2020 statt, während die wissenschaftliche Datenauswertung voraussichtlich auch in den Folgejahren weiterläuft. Hinzu kommen diverse kleinere überschaubarere Projekte sowie weitere größere Raumfahrtprojekte, bei denen unser Institut und die deutsche Raumfahrtindustrie in unserem Unterauftrag bzw. in enger Kooperation eine führende Rolle gespielt haben. Von daher war der Wechsel in das jetzige Institut ein großer Schritt in meiner persönlichen Projektmanager-Karriere. Das Thema „Work-Life-Balance“ wird nicht zuletzt durch die Generation der Millennials auch im Projektmanagement stark diskutiert. Wie verschaffen Sie sich einen Ausgleich zwischen beruflichem und privatem Bereich? Zum Ausgleich treibe ich gerne Sport und kümmere mich um meine Familie mit Frau, Sohn und Hund mit insgesamt zu wenig Zeit für den „Balance“-Teil. Welche Projektmanagement-Standards gelten in Ihrem Bereich? Sind bestimmte Methoden bei Ihnen besonders wichtig? Wichtig sind für uns die ECSS (European Committee for Space Standards), und bei den kleineren Projekten klassische und agile Projektmanagement-Methoden, die wir situativ einsetzen. Welche Tipps haben Sie für Projektmanagement- Newcomer? Haben Sie zudem Wünsche an Projektmanagement-Kurse an Hochschulen und Universitäten? Neben einer guten Fachausbildung haben mir einige Zusatzkurse aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften und Fortbildungen geholfen, Methodenkenntnisse zu erlernen und zu vertiefen. Wo sehen Sie die Zukunft von Projektmanagement? Wo geht die Reise hin, setzen Sie agile Methoden ein? Bei kleineren Projekten ist der Einstieg in agile Methoden wie z. B. Scrum leichter und sehr effizient, was beides die Akzeptanz erhöht. Bei größeren Projekten erscheint mir aufgrund der Vergabeverfahren und üblicherweise verwendeten Standards ein klassischer Ansatz nach wie vor gefordert. Hinzu kommt, dass im Raumfahrtbereich die meisten Personen klassische Methoden verinnerlicht haben. Demgegenüber werden bei unseren Softwareentwicklungsprojekten gerne agile Methoden benutzt. Hilfreich sind für den Übergang zwischen agilen und klassischen Methoden hybride Ansätze. Ich gehe davon aus, dass sich die Projektmanagement-Methoden dynamisch weiterentwickeln werden und agile Methoden auch immer mehr im klassischen Umfeld Einzug halten werden. Projektmanager werden die unterschiedlichen Methoden kennen müssen und dann angepasst je nach Projektart und -Umfeld situativ einsetzen. Das erhöht die Anforderungen an die Projektmitarbeiter und -Leiter in Bezug auf kontinuierliche Weiterbildung. Und wie werden junge Leute an Projektmanagement bei Ihnen herangeführt? Die Ausbildung könnte auch bei naturwissenschaftlich geprägten Studiengängen in das Studium oder auch in der Ausbildung integriert werden. Hierzu versuche ich regelmäßig Trainings für unsere Teams anzubieten. Über was würden Sie in Bezug auf Projektmanagement gerne noch sprechen, was würden Sie den Lesern gerne noch mit auf den Weg geben? Mir hat über die letzten Jahre immer wieder der Austausch mit anderen Projektmanagern und Trainern geholfen. Hierzu gefällt mir das Angebot der Projektmanagement-Organisation GPM und auch der Agilen Community von VW. Hier gilt mein Dank an die Personen, die das mit großem Engagement ermöglichen! Herzlichen Dank für das Interview! Eingangsabbildung: © iStock.com/ piranka Wissen | Projektmanagement im Dialog 44 DOI 10.2357/ PM-2020-0043 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige D-Wissen_06_Peuser.indd 44 D-Wissen_06_Peuser.indd 44 19.06.2020 12: 28: 19 19.06.2020 12: 28: 19 Agiles Projektmanagement und wissenschaftliches Arbeiten Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse- Projektmanagement Uwe Haass, Marcel Scheideler, Harald Wehnes Für eilige Leser | In Wirtschaft und Verwaltung hat sich durchgesetzt, dass moderne Verfahren des Projektmanagements (PM) die Effektivität und Effizienz steigern. Diese Erkenntnis ist aber noch nicht in Wissenschaft und Forschung angekommen, obwohl dort fast alle Tätigkeiten in Form von Projekten durchgeführt werden. GPM und spm haben mit einem innovativen Symposium für Wissenschaftler den Vorstoß unternommen, eine Symbiose zwischen Forschung und PM herzustellen. Im Rahmen der Veranstaltung wurden 55 Wissenschaftler für den Einsatz von agilen und hybriden Methoden begeistert, die Vorgehensweisen aus der Wissenschaftshistorie ähneln. Die Initiatoren des Symposiums planen, die modernen PM-Methoden in der Forschungslandschaft breiter und tiefer zu verankern, um Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen in der Forschung zu erzielen. Schlagwörter | Forschung, Projektmanagement, Design Thinking, Project Canvas, Lean Startup, Scrum, Kanban 1 Wissenschaft ist neugierig Wenn eine Hypothese bestätigt werden kann, sprechen Wissenschaftler von Verifizierung. In diesem Fall war die Hypothese aber nicht von Wissenschaftlern aufgestellt worden, sondern von einem Dutzend engagierter Projektmanager und -managerinnen. Die Verifizierung kam hingegen von über 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Die Hypothese lautete: Mit modernen, agilen Methoden des Projektmanagements haben die Wissenschaftler mehr Zeit für ihre Wissenschaft und sind auch erfolgreicher und zufriedener mit ihren Ergebnissen. In Wirtschaft und Verwaltung hat sich durchgesetzt, dass moderne Verfahren des PM Effizienz und Effektivität steigern können. Diese Erkenntnis ist noch nicht in Wissenschaft und Forschung angekommen, obwohl dort 90 % aller Tätigkeiten in Form von Projekten ablaufen. Dabei sind alle Beteiligten und nicht nur Geldgeber, zu denen auch die Steuerzahler gehören, davon überzeugt, dass Wissenschaft und Forschung Garant für unseren Wohlstand und die Lösung globaler Herausforderungen sind. Viele Insider berichten, dass Wissenschafter und Forscher ihrer Arbeit oft nur widerwillig und oberflächlich auf Druck der Geldgeber eine Projektstruktur geben. 1 Die ineffiziente Durchführung von Forschungsprojekten ist die Folge. Die Gründe dafür sind mangelnde Zielsetzung und Fokussierung, fehlende Aufmerksamkeit für die Mechanismen, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in multidisziplinären Projekten erforderlich sind, und verpasste Gelegenheiten, die relevante Forschungsgemeinschaft in Verbundprojekte einzubinden. Die relative Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse, die Komplexität des Gegenstandes sowie traditionelles Verhalten in den Disziplinen und bei Stakeholdern haben eine Entwicklung angepasster PM-Verfahren und moderner Führungskonzepte bisher verhindert. Die Autoren haben gemeinsam mit den Referenten die Hypothese aufgestellt, dass moderne PM-Methoden, insbesondere agile Werkzeuge, ein großes Potenzial zur Förderung effizienter und effektiver Forschungsarbeit bergen. Für die Überprüfung dieser Hypothese wurde ein Symposium konzipiert, das mit Unterstützung der Geschäftsführung des Helmholtz Zentrums München am 13. und 14. Februar GPM-Themen Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement DOI 10.2357/ PM-2020-0045 1. Jahrgang · 03/ 2020 45 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 45 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 45 22.06.2020 12: 09: 42 22.06.2020 12: 09: 42 2020 unter dem Titel „Re-inventing Project Management in Research“ stattfand. 2 Den Referenten gelang es, die 55 Teilnehmer aus 14 Großforschungseinrichtungen und Universitäten zu begeistern. Theorie und praktische Übungen überzeugten die Wissenschaftler, dass moderne PM-Methoden helfen können, nicht nur Wissenschaft und Forschung effektiver und effizienter zu gestalten, sondern auch die Zufriedenheit in Projekten zu verbessern. Wie konnte das gelingen? 2 Wissenschaft ja, aber Projektmanagement? Zunächst bestätigte GPM Präsident Prof. Helmut Klausing den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie bedeutend die Forschung für unseren Wohlstand und das Überleben des Planeten ist. Nicht Bodenschätze, sondern Innovationen werden uns dazu befähigen. Diese entwickeln sich fast immer in einer dynamischen Mischung von Planung und Anpassung. Wissenschaftler haben oft ein gespaltenes Verhältnis zum Projektmanagement, weil sie dieses oft wie ein Korsett für ihre wissenschaftliche Arbeit empfinden. Zudem gibt es, gerade bei jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, viele weitere, zumeist strukturelle Randprobleme, die Begeisterung und Innovationsschub hemmen. Die GPM schöpfe aus den Erfahrungen von rund 8.000 Mitgliedern in den unterschiedlichsten Bereichen von Innovationen und Kreationen und ist dadurch ein Spiegelbild der Gesellschaft geworden. Sie will dazu beitragen, dass auch die Forschung von diesen Erfahrungen profitiert. Prof. Klausing unterstrich den Charakter des Symposiums als „Exploratory Symposium“- - ginge es doch darum, PM-Methoden für Wissenschaft und Forschung nicht „von oben“ aufzuzwingen, sondern gemeinsam mit Wissenschaftlern PM-Methodik zu testen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Geplant sei die Entwicklung einer Toolbox für möglichst alle Disziplinen. Prof. Stephan Herzig, Leiter des Institutes für Diabetes und Krebs, Gastgeber und Promoter agilen Forschungsmanagements, arbeitet an der Realisierung seines wissenschaftlichen Traums, dass auf Basis der Grundlagenforschung eine wirksame Prävention oder Therapie für Diabetiker entwickelt wird. „Themen, Technologie und Translation, diese drei Ts sind hier in einer Kombination und Qualität vorhanden, die es uns ermöglichen, Diabetes umfassend zu erforschen und neue Erkenntnisse gezielt in Therapien zu überführen“, begründete Herzig sein Interesse an modernen, agilen Methoden des Projektmanagements. In seinen Einführungsworten sah er „die Chance, dass sich dank der Initiative für das Symposium Weltklasse-Forschung in Deutschland und ein Weltklasse-Projektmanagement gegenseitig befruchten werden“. 3 Das Eis ist gebrochen: endlich mehr Zeit für Forschung Auch wenn sich Wissenschaftler durch die Grußworte in ihrer Bedeutung bestätigt sahen, so war zwar die Erwartungshaltung gewachsen, eine wirkliche Erkenntnis aus eigener Überzeugung fehlte jedoch noch. Dies wurde schlagartig anders mit der Keynote von Prof. Holger Timinger, Vizepräsident für Forschung und Transfer der Hochschule Landshut sowie Leiter des dortigen Instituts für Projektmanagement und Informationsmodellierung. Mit einer glasklaren Analyse der typischen Aufgaben und Randbedingungen von Forschung einschließlich kultureller Aspekte brachte er die Zuhörer auf seine Seite. Sein Plädoyer für angepasstes, sowohl agiles als auch traditionelles Projektmanagement überzeugte. Aber insbesondere mit seiner Grafik dazu (in Abb. 1 wiedergegeben) war das Eis gebrochen. Hier wird gezeigt, dass vor der finalen Lösung der Planungsprozess noch einmal oder mehrmals iterativ angepasst wird. Denn was Wissenschaftler hier sahen, war das ihnen sehr bekannte Verfahrensmuster einer Schleifenbildung, das in der Regelungstechnik oder Nachrichtentechnik als Rückkopplung bezeichnet wird, und auch in vielen anderen Bereichen zur Optimierung eines Prozesses oder Produktes beiträgt. Es ist jedem Wissenschaftler geläufig. Selbst in den Geisteswissenschaften werden die damit zum Ausdruck gebrachten Iterationen zur Fokussierung eines Problems bzw. eines Lösungsweges verwendet. Ein wichtiger Aspekt von Agilität ist die frühe Wertschöpfung durch formalisierte Prozesse der Zielsetzung und Ziel- und Kundenorientierung. Eine der Herausforderungen in der Forschung besteht darin, dass es viele „interessante“ Dinge zu betrachten gibt und es leicht ist, in eines der vielen Kaninchenlöcher hineinzufallen, aus denen man möglicherweise nicht herauskommt. Agiles PM soll helfen, das Gesamtprojektziel im Auge zu behalten und Entscheidungen zur Budget- und Zeitzuweisung zu beachten. Aber kann agiles Projektmanagement vielleicht auch von den wissenschaftlichen Vorgehensweisen und Methoden lernen, die auf einer über Jahrtausende alten Entwicklung beruhen? Diese Frage soll am Ende dieses Artikels noch einmal als Ausklang und Ermunterung zu weiteren Untersuchungen angerissen werden. Es wäre umso dringlicher, die Brücke zwischen Wissenschaft und Projektmanagement zu schlagen. Beide Seiten können offenbar davon profitieren. 4 PM und Methoden der Forschung: Wege zum planvollen Erreichen eines Zieles Forschung mag das Ergebnis eines Gedankens, eines Zufalls, einer Neugier, eines Auftrages sein-- und erzeugt doch auch Abb. 1: Darstellung des Grundprinzips agilen Projektmanagements. 3 -Rekursive Iterationen können auch innerhalb jeder Phase sinnvoll sein. GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 46 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 46 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 46 22.06.2020 12: 09: 42 22.06.2020 12: 09: 42 einen Plan, wie man an Antworten und Lösungen kommt. Ein Plan kann als Keimzelle eines Projektes gesehen werden, denn wenn die Lösung nicht gleich gefunden wird, muss man sich überlegen, welche Ressourcen an Zeit und Aufwand zur Verfügung stehen. Die Umsetzung von Forschung hat in den letzten 2.400 Jahren zur Ausbildung von formalisierten und oft kanonisierten Vorgehensweisen, also zu Wissenschaft, und diese wieder im Laufe der Jahre zu unterschiedlichen Disziplinen geführt. Schon ab dem 5. Jhdt. v. Chr. wurden in Griechenland wesentliche Vorgehensweisen entwickelt, wie Deduktion, Induktion, die Diskussion von Beobachtungen und Wahrheit, die Gewinnung von Erkenntnissen durch Erfahrung (Heuristik) und das Fragen nach dem Warum (Hermeneutik), um nur einige zu nennen. 4 Interessant ist, dass schon im damaligen Hellas der Disput in der Wissenschaft eine große Rolle spielt; ein Element modernen Projektmanagements. Techné wird ein Mittel zur planvollen Erreichung eines Zieles, außerdem wird der Begriff „Methode“ auch auf abstrakter Ebene benutzt. Für die Entwicklung bzw. Anpassung für Wissenschaft und Forschung geeigneter PM-Methoden kann es hilfreich sein, sich mit den unterschiedlichen Vorgehensweisen vertraut zu machen, zum Beispiel bei • den Geistes- & Sozialwissenschaften: hermeneutisch-interpretative Forschungsperspektive: etwas (im umfassenderen Sinne) zu verstehen; • den Naturwissenschaften: deduktiv, Überprüfung von Hypothesen: Forschungsperspektive: etwas erklären-= nach Ursachen zu fragen, Experimente vorzunehmen; • hinzu kommen die Ingenieurwissenschaften, die sich aus den Naturwissenschaften ableiten, aber neben der deduktiven Vorgehensweise noch eine konstruktive, technische Zielsetzung entwickelt haben, die oft Basis von Maschinen und Anlagen ist. Um sich mit den filigranen Wissenschaftsstrukturen heute zu befassen, ist das Frascati-Handbuch der OECD 5 zu empfehlen, das zum Ziel hat, die diversen Kategorien von Forschung z. B. nach Organisations- oder Finanzierungsformen zu definieren, um dann länderübergreifende Statistiken zu ermöglichen. Bezüglich der Wissensgebiete wird eine Einteilung nach Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Technologie, medizinische und Gesundheitswissenschaften, Agrarwissenschaften und Veterinärmedizin, Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und Kunst empfohlen. 5 Fünf bewährte Methoden (agile Klassiker) Für das zweitägige Symposium wurden fünf bewährte moderne PM-Methoden ausgewählt und in Gruppenarbeit auf Praxistauglichkeit für Forschungsprojekte getestet. Die Methoden umfassten am ersten Tag Design Thinking, Project Canvas, Lean Start-up, und am zweiten Tag Scrum sowie Kanban. Diese Verfahren lassen sich grob in die eher klassischen PM-Phasen eines Forschungsprojektes einordnen (siehe Abb.-2). Jedes Verfahren wurde in kleinen Gruppen und unter Anleitung der Coaches und seiner Assistenten mit aktuellen Forschungsthemen der Teilnehmer ausprobiert und anschließend im Plenum ausgiebig reflektiert (siehe Abb.-3). 5.1 Design Thinking und sokratisches Fragen Den Einstieg in die fünf Methoden machte Christoph Schmaltz, unterstützt von Dr. Wolfgang Glitscher, mit der Innovationsmethode „Design Thinking“. Hier kommen drei wesentliche Elemente des agilen Projektmanagements zum Einsatz: die iterative Annäherung an eine Lösung, die frühzeitige Kommunikation mit den späteren Nutzern sowie Lösungsfindung im interdisziplinären Team. Der Nutzen von Design Thinking besteht darin, die Interaktion im Team zu strukturieren, die Kreativität zu steigern und sich in andere Menschen hineinzuversetzen, mit dem Ergebnis einer kollaborativen Umgebung, die „unkonventionelles Denken“ fördert und auf die Ziele der Teilnehmer fokussiert. Eine wichtige Erkenntnis aus der Nachbetrachtung war, dass Ideen von Nicht-Experten am Ende wesentlich zur Problemlösung beitragen können. Es wird wahrscheinlich für Forscherteams viel Überwindung benötigen, solche Nicht-Experten in die Lösungsfindung von Anfang an mit einzubeziehen. FACHARBEIT www.gpm-ipma.de Seite 1 Mapping von PM-Methoden auf Forschungsprojekt-Ablauf Implementation PM-Phases Phase 1 Initiation Phase 2 Definition Phase 3 Planning Phase 4 Controlling Phase 5 Closure Design Thinking Project Canvas Lean Startup Kanban Project Phase Abb. 2: Die für das Symposium gewählten fünf Methoden agilen und hybriden Projektmanagements für die Forschung können nur unter Vorbehalt in die klassischen PM-Phasen eingeordnet werden, da sie mehrere Phasen und diese auch iterativ abdecken können. GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 47 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 47 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 47 22.06.2020 12: 21: 44 22.06.2020 12: 21: 44 Einführung ➢ Ziel ➢ Methode ➢ Agenda ➢ Regeln und Rollen Plenum Reflexion ➢ Rückmeldung einholen ➢ Erfahrungen austauschen Plenum Gruppenarbeit ➢ Anwendung auf ein Projekt ➢ Zeitfenster einhalten ➢ Rückblick Workshop-Räume In der Sprache der Wissenschaftstheorie ist Design Thinking eine Art Zyklus von Hermeneutik und Heuristik. Sind die sieben Fragekomplexe des Empathie Map Canvas (siehe Abb. 4) nicht vergleichbar mit der Fragetechnik von Sokrates? Dieser hatte bereits eine Methode zum strukturierten Dialog entwickelt, um seine Mitmenschen über Reflexion selbst zum Kern der Sache gelangen zu lassen. Ein Vergleich von Design Thinking mit der sokratischen Fragetechnik wurde kürzlich in einer Masterthesis über die Formalisierung kreativer Prozesse ausführlich dargestellt. 6 Design Thinking ist besonders nützlich, um anwendungsnahen Forschungsprojekten eine solide Zielsetzung zu geben und über Prototypen zu einer passenden Lösung für den Anwender zu kommen. 5.2 Project Canvas und wissenschaftliches Vorgehen Auch die Methode des Project Canvas, vorgestellt von Dr. Sandra Dierig, beginnt mit der Phase, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln- - sowohl mit dem „menschlichen“ Auftraggeber als auch im Projektteam. Dies ist gerade in interdisziplinären Projekten von großer Bedeutung. Wissenschaftlern ist aufgefallen, dass die einzelnen Felder im Canvas mit den typischen Kapiteln eines Projektantrages zur öffentlichen Förderung zusammenfallen und somit eine hervorragende Methode geboten wird, sowohl eine Abstimmung mit Partnern als auch einen überzeugenden Gesamtantrag zu formulieren. Das propagierte Manifest für „langsames Denken“ entspricht wiederum einer soliden, wissenschaftlichen Vorgehensweise-- „Fragen vor Antworten, Beobachten vor Bewerten, Perspektivwechsel vor Selbstreflexion, Standpunkt vor Fremdkritik“. Der von Frank Habermann und Karin Schmidt entwickelte Project Canvas 7 ist eine hervorragende Methode, • in einem Team einen Antrag für ein Verbundprojekt zu diskutieren und gemeinsam zu formulieren, • neue Teammitglieder in ein laufendes Projekt einzuführen, • um sich im Laufe eines Projektes der ursprünglichen Ziele immer wieder bewusst zu werden bzw. unter geänderten Voraussetzungen eine Anpassung zu erreichen. Project Canvas ist universell einsetzbar und bietet sich sowohl für hermeneutische als auch deduktive-- heuristische-- Wissenschaften an. Die Vorgehensweise kann sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung nützlich sein, und selbst von „Solo-Forschern“ genutzt werden. 5.3 Lean Startup und Innovationen Prof. Harald Wehnes präsentierte Lean Startup als eine weitere agile, also iterative Vorgehensweise mit der besonderen Zielsetzung von Unternehmensgründungen. Dies passt in die Strategie von Großforschungseinrichtungen und Universitäten, die verstärkt Ausgründungen (Spin-Offs) anstreben. Damit sollen Forschungsergebnisse in Form von Produkten und Services der Allgemeinheit dienen. Lean Startup ist eine schrittweise Vorgehensweise, um Produkte im „Build-Measure-Learn-Zyklus“ zu entwickeln. Dies beginnt mit einer Idee, für die ein Minimum Viable Product (MVP) erstellt und unter Einbeziehung von Kunden getestet wird. Mit dem Kunden-Feedback finden notwendige Kurskorrekturen statt und es wird eine neue Produktversion erstellt und getestet. Zu den wesentlichen Elementen des Lean Startup gehören: geringstmöglicher Aufwand und Kosten, minimale Risiken und eine schnellstmögliche Entwicklung der Basisversion. Die Vorgehensweise des Lean Startup entspricht in hohem Maße der Forschungspraxis, bei der neue Erkenntnisse für die weitere Vorgehensweise genutzt werden. Abb. 3: Jede Methode wurde in drei Phasen behandelt: nach einem Vortrag im Plenum erfolgte die Arbeit in kleinen Gruppen anhand selbst gewählter Forschungsthemen. Ergebnisse und Erfahrungen mit dieser Methode wurden anschließend im Plenum reflektiert und kommuniziert. GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 48 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 48 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 48 22.06.2020 12: 09: 43 22.06.2020 12: 09: 43 Lean Startup ist daher insbesondere für Forscher interessant, die Ausgründungen im Hinterkopf haben. Zu oft möchten Ingenieure und Wissenschaftler mit der „eierlegenden Wollmilchsau“ auf den Markt gehen, denken aber nicht an die erforderlichen Ressourcen und den eventuell nicht vorhandenen, tatsächlichen Bedarf. Lean Startup schafft hier einen anderen Fokus. Ein interessantes Ergebnis des PM-Symposiums war der Einsatz von Lean Startup auch für die Planung und Erstellung von wissenschaftlichen Publikationen. 5.4 Scrum-- Welcher Forschertyp ist der bessere Master? Ellen Hermens und Bettina Mueller erklärten die zyklische Methode von Scrum, die mit einer nicht hierarchischen Teamstruktur einhergeht sowie Kollaboration und Selbstorganisation anstrebt. Auch wenn die Terminologie anfangs fremd ist, haben die Wissenschaftler schnell erkannt, dass es sich hier um eine Methodik handelt, die für Forschungsprojekte anwendbar ist, die Raum für kreative, zielorientierte Forschung ermöglicht und somit dem Problem der Verzettelung entgegenwirkt. Entgegen weit verbreiteter Meinung sind Aufgaben und Verantwortlichkeiten bei Scrum nicht verwässert, sondern genau festgelegt. Wie Bettina Mueller berichtete, geben die unter dem Dach von RISE (Research Institutes of Sweden AB ) zusammengeschlossenen Institute effizienten und effektiven PM-Methoden einen hohen Stellenwert. In Forschungsprojekten, in denen Scrum angewendet wurde, konnte nicht nur die Zeit zwischen Idee und Umsetzung verkürzt werden, sondern auch die Auftraggeber-- wie auch Projekt-Teams-- waren zufriedener. Das zügige Voranschreiten der Projekte, ein klarer Fokus, und die kollaborative, multidisziplinäre Arbeitsweise wurden von der Wissenschaft als positiv empfunden. Inzwischen ist Scrum beim RISE als PM-Tool geschätzt. Es wurde aber auch betont, dass die PM-Methodik passend zum Projekt und zum Projekt-Team ausgewählt und angewendet werden sollte. Scrum ist hervorragend geeignet, sich mit den Sprints, die zeitlich auf zwei bis maximal 4 Wochen begrenzt sind, selbst ein wenig unter Zeitdruck zu setzen, aber ein etwaiges Scheitern auch als Ausgangspunkt für einen neuen Ansatz zuzulassen. Daher ist es auch für Projekte geeignet, bei denen der Weg zur Problemlösung nicht offensichtlich ist (Prinzip Hoffnung). In der Erkenntnistheorie (Epistemologie) ist das der Fall, wenn die Faktenlage zu Beginn schlecht ist. Sokrates wäre übrigens kein guter Scrum Master- - seine ewigen Fragen gingen seinen Mitmenschen auch auf die Nerven. Aristoteles hingegen, Schüler von Platon, Privatlehrer von Alexander dem Großen und Universalgenie in allen Wissenschaften, wäre ein exzellenter Scrum Master gewesen: Seine Arbeiten zur Rhetorik, die über die Antike und die Renaissance uns bis heute beeindrucken, fußen auf den drei Elementen Logos, Pathos, und Ethos. Logos steht für Logik der Wissenschaften, Pathos für Empathie, und Ethos für Vertrauen und Verantwortung. Er wäre der geborene Scrum Master. 8 Abb. 4: Die Empathy Map hilft, sich in eine Person hineinzuversetzen und Kundenbedürfnisse zu erkennen und zu verstehen. (http: / / gamestorming.com/ empathy-map/ ) GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 49 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 49 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 49 22.06.2020 12: 09: 44 22.06.2020 12: 09: 44 5.5 Kanban Die fünfte Methode, vorgestellt von Martina Blust und Prof. Holger Timinger, ist eher evolutionär als revolutionär und auch sehr gut geeignet, agile und traditionelle PM-Methoden in eine Gesamtorganisation einzubeziehen. Die Stärken von Kanban liegen in der Visualisierung der Projektarbeit und Risiken mit einfachen Mitteln und Regeln explizit zu machen, Rückkopplungsschleifen wie auch in den anderen agilen Verfahren zu nutzen, und die Teamarbeit zu optimieren. Anders als bei Scrum gibt es weniger Regeln für die Mitarbeiter bei der Durchführung des Projektes; das Board, auf dem der Stand festgehalten wird, nimmt, genau wie bei Scrum, eine zentrale Rolle ein. Das Team muss aber nicht so „zusammengeschweißt“ sein wie bei Scrum, Kanban erleichtert jedoch die Übersicht, wer was gerade macht und visualisiert, wie die einzelnen Aufgaben die nötigen Prozessschritte durchlaufen. Kanban kann gerade in großen und verzweigten Forschungsprojekten das typische Verzetteln in der Forschung verhindern, Prioritäten bewusst machen, funkt aber anders als bei Scrum nicht in das Mikromanagement des Forschers hinein. Ähnlich wie bei Design Thinking kann Kanban also innerhalb der einzelnen Prozessschritte durch weitere Methoden ergänzt werden, was diese situativ anpassungsfähig macht. Für Kanban gibt der Fundus philosophischer Quellen aus dem antiken Griechenland wenig her, vielmehr könnte man sich ähnliche Methoden schon bei den Römern beim Management großer Projekte des Imperiums vorstellen. 6 Ausblick Im Rahmen des Symposiums wurden fünf bewährte Methoden für agiles bzw. hybrides Projektmanagement als „Appetizer“ vorgestellt und mit echten Projektthemen aus der wissenschaftlichen Arbeit getestet (siehe Abb. 6). Die Teilnehmer des Symposiums, vornehmlich Wissenschaftler aus den Bereichen Biologie, Medizin, Informationstechnologie, Robotik und der Künstlichen Intelligenz haben erklärt, dass sie sich noch mehr Unterstützung zur Methodik wünschen, vom Einzelprojektmanagement für den Solo-Wissenschaftler und Teams in der Grundlagenforschung über Systems Engineering-Methoden in internationalen Großprojekten bis zu Abb. 5: In den von Ellen Hermens geleiteten Diskussionsrunden reflektierten Wissenschaftler die Verfahren und deren Vorteile in der Forschung, aber auch Grenzen verursacht durch traditionelle und strukturelle Rahmenbedingungen. Foto: U. Haass Programm- und Portfolio-Projektmanagement von Instituten und Lehrstühlen. Agile Verfahren, die durch iterative Optimierung, Teamwork und flache Hierarchien gekennzeichnet sind, würden junge und engagierte Wissenschaftler gerne nutzen, doch scheinen manche Wirklichkeiten im Wissenschaftsalltag deren Einführung noch entgegenzustehen. So haben zahlreiche Teilnehmer in den abschließenden Gesprächen (Abb. 5) bedauert, dass ihr Alltag oft durchkreuzt wird von Aufgaben und Erwartungen, die eher mit strukturellen Problemen der Ausstattung mit Ressourcen und Personal, mit Arbeitsverträgen, traditionellen, hierarchischen Verhaltensmustern und Vorgaben des Instituts und mit der Bewertung der persönlichen Leistung z. B. bei Veröffentlichungen ihre Ursachen haben. Eine agile Denkweise könnte Möglichkeiten bieten, in der Forschung nicht nur neue Formen des Projektmanagements einzuführen, sondern auch darüber hinausgehend den Forscher stärker als Mitglied eines Teams zu sehen. Umgekehrt wurde aber auch klar, dass moderne Verfahren des agilen und hybriden Projektmanagements sehr viel gemeinsam haben mit Jahrtausende alten Methoden der Wissenschaften, um zu „Wahrheiten“ und überprüfbaren Erkenntnissen zu gelangen. Das Symposium vermittelte also auch Anregungen an die PM-Experten, sich dessen bewusst zu sein und von diesen Methoden zu lernen. Key Message: • Verstehe die Methoden und die Theorie, • Probiere aus und sammle Erfahrungen, • Nimm Dir das, was am besten zu Deinem Projekt passt. Die Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der GPM und spm hat mit der Organisation des Symposiums für Wissenschaftler den Vorstoß unternommen, die Welten von Wissenschaft und PM zu verbinden und gegenseitig befruchten zu lassen. Es ist geplant, sich für eine breite Kampagne zur Entwicklung und Einführung angepasster PM-Methoden in Wissenschaft und Forschung einzusetzen. In Gesprächen mit Organisationen der Forschungsförderung wie etwa Ministerien und Stiftungen soll auf die Potenziale angepasster PM-Methoden für die Wissenschaftsstandorte hingewiesen werden. Die Initiatoren des Symposiums planen, die modernen PM-Methoden in der Forschungslandschaft breiter und tiefer zu verankern, um Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen in der Forschung zu erzielen. Darüber hinaus dienen diese Methoden, Forschungsergebnisse schneller in nutzbare Produkte und Dienstleistungen zu transferieren. Liste der Referenten • Martina Blust, Hochschule Landshut • Dr. Sandra Dierig, einszeit-- management & coaching • Dr. Wolfgang Glitscher, TU Berlin • Ellen Hermens, Pentasys AG • Felix Horch, Fraunhofer-Institut IFAM, Bremen • Bettina Mueller, RISE Research Institutes of Sweden • Christoph Schmaltz, thinknext, München • Prof. Dr. Holger Timinger, Hochschule Landshut • Prof. Dr. Harald Wehnes, Julius-Maximilians-Universität Würzburg GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 50 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 50 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 50 22.06.2020 12: 09: 44 22.06.2020 12: 09: 44 Abb. 6: Sketchnote der Veranstaltung Exploratory Symposium „Re-Inventing Project Management in Research“ (Ellen Hermens) GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 51 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 51 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 51 22.06.2020 12: 09: 45 22.06.2020 12: 09: 45 Liste der Mitglieder des Organisationsteams • Dr. Sandra Dierig, einszeit-- management & coaching • Dr. Uwe Haass, Roboconsult • Katrin Reschwamm, Vorstandsmitglied der spm (Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement) • Dr. Marcel Scheideler, Helmholtz Zentrum München (Koordinator seitens Helmholtz Zentrum) • Prof. Dr. Harald Wehnes, Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Koordinator seitens GPM) Literaturangaben 1 Gerber, Nicole; Lübcke, Maren; Reschwamm, Katrin; Weilig, Peter: Projektmanagement im „Unmarked Space“ in: ProjektManagement aktuell, 2 2017, S. 30-37. 2. Details zur Veranstaltung siehe https: / / www.gpm-ipma. de/ startseite/ aktuelles/ detail/ projektmanagement_in_ der_forschung_gpm_testet_innovative_methoden.html [Abruf, 18.05.2020] 3. Timinger, Holger: Modernes Projektmanagement. Mit traditionellem, agilem und hybridem Vorgehen zum Erfolg. Wiley, Weinheim, 1. Aufl. 2017. 4. Loehr, Karsten: The Science of Innovation. De Gruyter, Berlin 2016. 5. OECD (2018), Frascati-Handbuch 2015: Leitlinien für die Erhebung und Meldung von Daten über Forschung und experimentelle Entwicklung, Messung von wissenschaftlichen, technologischen und Innovationstätigkeiten, OECD Publishing, Paris. http: / / dx.doi. org/ 10.1787/ 9789264291638-de. 6. Beuerle, Deborah: Reflexion über das Wirkungspotenzial von Fragen in der Kreativwirtschaft; Thesis zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts des Studiengangs Creative Direction der Hochschule Pforzheim Fachbereich Gestaltung. 2019. 7. Habermann, Frank; Schmidt, Karen: Over the fence. Projekte neu entdecken, neue Vorhaben besser durchdenken und gemeinsam mehr Spaß haben. Becota GmbH, Berlin (2018). 8. Diese Gedanken sind einem Beitrag von SolutionsIQ des Beratungsunternehmens Accenture vom 10. Januar 2013 (ohne Nennung des Autors) entnommen. Eingangsabbildung: © privat Dr. Uwe Haass Dr. Uwe Haass war nach der Promotion im Bereich Computer Vision im Wissenschaftsmanagement für Robotik und KI tätig: zunächst auf Seiten der EU Kommission, dann als Leiter von Instituten, zuletzt als Generalsekretär eines europäischen Verbandes in Brüssel. Nach Ausscheiden aus dem aktiven Dienst berät er Regionen und Institute im Innovationsmanagement. Dr. Uwe Haass Roboconsult Breisacher Str. 2, 81667 München Tel.: +49 89 44 45 48 43 E-Mail: Uwe.Haass@roboconsult.eu Dr. Marcel Scheideler Dr. Marcel Scheideler ist Leiter des Projektmanagementbüros (PMO) am Institut für Diabetes und Krebs (IDC), Helmholtz Zentrum München. Er ist Chemiker mit Promotion und Habilitation, studierte in Deutschland und Kanada, hat über 20 Jahre internationale Erfahrung in der Durchführung und Leitung von Forschungsprojekten und ist zertifizierter Projektmanagement-Fachmann der GPM. Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH) Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg Tel.: +49 89-3187-1047 E-Mail: marcel.scheideler@helmholtz-muenchen.de Prof. Dr. Harald Wehnes Prof. Dr. Harald Wehnes hat jahrzehntelange Erfahrungen als Führungskraft und Projektmanager in der Wirtschaft und Großforschung. Seit 2000 hält er Vorlesungen zu Projektmanagement und Startups an der JMU Würzburg. Bei der GPM leitet er die Fachgruppe „PM an Hochschulen“, die mit weit über 300 Professoren und Dozenten des PM das größte Hochschulnetzwerk im deutschsprachigen Raum ist. Julius-Maximilians-Universität Würzburg Institut für Informatik Am Hubland 97074 Würzburg E-Mail: wehnes@informatik.uni-wuerzburg.de GPM-Themen | Weltklasse-Forschung trifft Weltklasse-Projektmanagement 52 DOI 10.2357/ PM-2020-0045 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 52 F_GPM_Themen_01_Wehnes.indd 52 22.06.2020 12: 09: 47 22.06.2020 12: 09: 47 Angebote und Ergebnisse aus fünf Jahren Fachgruppenarbeit Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor Dorothee Feldmüller, Thomas Hunziker, Gerhard Ortner, Christian Rudischer Für eilige Leser | Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit zwischen Projekt und Linie besteht, und einen Teil davon macht ein zielführendes gemeinsames Verständnis von den Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen dem Projekt und den beaufsichtigenden Linienfunktionen aus. Die Fachgruppe hat dazu Empfehlungen formuliert, die auf internationalen Standards beruhen und diese an einem kompakten Fallbeispiel illustriert. Gute Praxis ist, das Linienmanagement in seinen wichtigsten Aufgaben für die Projektarbeit in angemessener Art zu schulen. Erfahrungen und einen Schnupperkurs für diese durchaus heikle Aufgabe kann die Fachgruppe dazu anbieten. Derzeit wird daran gearbeitet, eine Community für den Erfahrungsaustausch unter Führungskräften im geschützten Rahmen aufzubauen. Es wird auch ein Tool entwickelt, mit dem der Reifegrad der eigenen Organisation in Bezug auf die Ausübung der Projekt-Governance-Rollen beurteilt und verglichen werden kann. Schlagwörter | PM-Karriere, PM-Laufbahn, PMO, PM-Standards, Projektauftraggeber, Projektmanagement, Projekt-Portfoliomanagement, ICB 4.0, Lenkungsausschuss, Projekt-Management-Office, Senior-Management, Unternehmensführung, General-Management, Projekt-Governance Unterstützung durch das Senior-Management ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Projektarbeit. Hier gibt es noch Potential, doch wie kann dies gehoben werden? Die trinationale Fachgruppe „PM goes Boardroom“ beschäftigt sich mit dieser Frage und kann nach fünf Jahren Arbeit über Ergebnisse und Good Practices berichten und Angebote vorstellen, die an der Schnittstelle zwischen Projektarbeit und Business Verbesserungen erzielen. Motivation Projektarbeit macht mehr als ein Drittel der Wertschöpfung aus-- mit wachsender Tendenz. Mit Projekten wird die Zukunft gestaltet, werden Strategien umgesetzt [1]. Diese Arbeit ist mit größeren Risiken behaftet und Fehlschläge hat jede Organisation schon erlebt. Wesentlich für den Projekterfolg ist die Unterstützung des Senior-Management für das Projekt und die Steuerung durch einen Lenkungsausschuss mit einem engagierten Projektauftraggeber an der Spitze. Da in großen Konzernen nicht nur die obersten Führungskräfte involviert sind, verwenden wir den allgemeineren Begriff „Senior-Management“ anstelle von „Top-Management“, der oft auch verwendet wird. Die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ der drei deutschsprachigen Projektmanagement-Gesellschaften GPM, pma und spm befasst sich seit 2014 mit dem Erfolgsbeitrag für die Projektarbeit durch das Senior-Management. Nach mittlerweile fünf Jahren gemeinsamer Arbeit möchten wir die wesentlichen Erkenntnisse zusammenfassen und unsere Angebote in der PM-Community und beim Senior-Management bekannter machen. Anstoß, Vorgeschichte und Hintergründe zur Fachgruppe „PM goes Boardroom“ Bei der D-A-CH Forschungswerkstatt 2014 hat sich die Arbeitsgruppe „PM goes Boardroom“ mit dem Ziel gebildet, das Verhältnis zwischen Senior-Management und Projektmanagement zu untersuchen und zu verbessern. Bei der D-A-CH Forschungswerkstatt 2015 in Wien wurde die Zusammenarbeit GPM-Themen Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor DOI 10.2357/ PM-2020-0046 1. Jahrgang · 03/ 2020 53 DOI 10.2357/ PM-2020-0046 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 53 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 53 19.06.2020 12: 58: 56 19.06.2020 12: 58: 56 konkretisiert und erste Arbeitsschritte wurden vorgestellt. Zur D-A-CH Forschungswerkstatt 2016 in Berlin konnten dann konkrete Ergebnisse aus einer Befragung (s. u.) präsentiert werden. In der Folge hat sich die Gruppe 2017 offiziell als länderübergreifende Fachgruppe (D-A-CH) konstituiert und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Projektmanagement (PM) und Senior-Management. Zielsetzung für die gemeinsame Arbeit ist: • Potentielle Problemfelder in der Zusammenarbeit zwischen PM und Senior-Management aus Sicht beider Seiten und ihre Auswirkungen erkennen, bewerten und Maßnahmen zur Verbesserung erarbeiten. • Zusammenwirken von Senior-Management und PM fördern. • Wertschätzung für PM beim Senior-Management erhöhen. • Organisatorische Rahmenbedingungen für PM in Unternehmen verbessern. Literaturrecherchen, eigene Studien, intensiver Erfahrungsaustausch innerhalb der Gruppe sowie mit externen PM-Expert*innen und Führungskräften sind in die folgenden Ergebnisse und Angebote eingeflossen. Der Erfolgsbeitrag des Projektauftraggebers-- was Studien sagen In den regelmäßig durchgeführten Studien der Standish Group ist die „Unterstützung durch das Senior-Management“ regelmäßig auf den vorderen Plätzen bei den Erfolgsfaktoren, über mehrere Jahre ausgewertet, im Durchschnitt auf Platz zwei. Im Jahr 2012, das die Standish Group auch als „The Year of the Executive Sponsor“ ausgerufen hat, war es der Erfolgsfaktor Nummer eins, begleitet von Angeboten an Führungskräfte, ihre „Sponsoren-Kompetenz“ bewerten zu lassen. Im Chaos Manifest 2012 wird die Ansicht vertreten, dass gute Unterstützung aus dem Senior-Management den Unterschied für ein Projekt macht bzw. dass ein guter Auftraggeber knapp die Hälfte des Projekterfolgs ausmacht. [2][3] Auch in der D-A-CH-Region durchgeführte Studien kommen zu dem Ergebnis, dass der Erfolgsbeitrag des Senior-Management beträchtlich ist [4][5]. In ihrer Studie zu Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit kommen Rietiker, Scheurer und Wald zu den Ergebnissen, dass • die Verbindung zwischen Strategie und Projekt durch das Senior-Management am häufigsten problematisch wird und auch am schwierigsten zu lösen ist, und dass • Rahmenbedingungen wie Entscheidungsbefugnisse und Stellenwert der Projektarbeit ebenfalls zu den am schwierigsten zu lösenden Problemen gehört- - auch diese sind Aufgaben des Senior-Managements. Großprojekte der öffentlichen Hand sind wiederholt mit Problemen oder Misserfolgen behaftet gewesen. Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen hat eine Untersuchung dazu angestellt und ebenfalls Probleme in der Projekt-Governance als Schlüsselfaktor ausgemacht. In der Folge wurde dort das Competence Center Project Leadership (CC Key) gegründet [6], um Verantwortliche für die Beauftragung, Steuerung oder Leitung von großen und/ oder komplexen Projekten dabei zu unterstützen, diese zum Erfolg zu führen. Das erste Fachgruppen-Treffen von „PM goes Boardroom“ fand in St. Gallen statt, in Kombination mit einem Treffen der Ansprechpartner bei CC Key. Normen Internationale Empfehlungen bzw. Standards zur Projekt Governance sind seit jüngster Zeit definiert, zu nennen sind hier: • DIN ISO 21505, Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement-- Leitlinien zu Governance (ISO 21505: 2017), deutsche Übersetzung in 2018 [7] • GAPPS Global Alliance for Project Performance Standards: A Guiding Framework for Project Sponsors [8] • PM² project management methodology guide, EU Commission [9]. Der PM² methodology guide zeigt den komplexen Überbau zur Steuerung der Projektarbeit wie folgt (Abb. 1): Abb. 1: Governance-Ebenen nach PM2 GPM-Themen | Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor 54 DOI 10.2357/ PM-2020-0046 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 54 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 54 19.06.2020 12: 58: 56 19.06.2020 12: 58: 56 Ein Projekt dient der Umsetzung von strategischen oder wirtschaftlichen Zielen einer Organisation, wie sie von der Geschäftsleitung vertreten werden. Diese beauftragt explizit das Projekt oder hat durch Governance-Regeln festgelegt, dass und wie eine Beauftragung erfolgt und die Zielkonformität eines Projektes regelmäßig geprüft wird (z. B. in einem Projektportfoliogremium). Dementsprechend werden ein Auftraggeber- - und auch ein Vertreter der auftragnehmenden Seite- - definiert, ein Lenkungsausschuss und eine Projektleitung sowie ein Vertreter des Business. Die saubere Trennung von Governance und Management hilft auch, Machtkonzentration und daraus entstehende Interessenskonflikte zu vermeiden. Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung mit dem C-Level-Management in 2016/ 17 Die Ergebnisse einer qualitativen Befragung durch die Fachgruppe, die unter 27 Senior Managern auf C-Level-Ebene in den D-A-CH-Ländern in 2016 und 2017 durchgeführt wurde, zeigt die hohe Bedeutung des Projektmanagements. Projekt-Portfoliomanagement ist noch nicht durchgehend vorhanden. Das Senior-Management nimmt seine Rolle als Auftraggeber wahr, sieht sich aber weniger als Gestalter der Projekt-Landschaft im Sinne der Strategieumsetzung- - hier besteht nach wie vor Potential. Laufbahnmodelle im Projektmanagement sind vielfach vorhanden, sie führen eher vom Projekt in die Linie als umgekehrt, und sie enden ein bis zwei Ebenen unter den Karrieremodellen der Linie. Insofern ist Projektmanagement nicht „auf Augenhöhe“ mit dem Senior-Management. Die Soll-Vorstellungen über eine gute Zusammenarbeit zwischen Projekt und Linie stimmen überein, im IST besteht noch Verbesserungsbedarf. [10] Beziehungsmodell zwischen PAG, LA, PL und dem Projektteam Auf Basis der Interviews mit Führungskräften und der genannten Studien und Standards sind in der Fachgruppe kompakte Übersichten entstanden, die Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten aller Beteiligten, die gegenseitige Erwartungshaltung (Abb. 2) und die Verantwortungsverteilung im Projektablauf (Abb. 3) veranschaulichen sollen. Die Erwartungen können und sollen als Checkliste für ein Gespräch zwischen den Beteiligten dienen, das zum Einstieg in die Projektarbeit unbedingt erfolgen sollte. Eine wichtige Aussage ist, dass die Verantwortung für ein Projekt im Sinne von Haftung bei Auftraggeber und Lenkungsausschuss liegt. Die Mitarbeit in einem solchen Gremium erfordert aktives Engagement und für Fehler muss die Verantwortung übernommen werden, wie ein Aufsichtsratsmitglied auch für Fehler bzw. Unaufmerksamkeit haftbar gemacht werden kann. [11][12] Fallstudie „Der Lenkungsausschuss-- Grundlage des Projekterfolges“ Um die Problematik rund um Lenkungsausschüsse einmal aus der Perspektive einer Führungskraft exemplarisch darzu- Abb. 2: Die wechselseitigen Erwartungen zwischen Senior-Management, Projektauftraggeber/ Lenkungsausschuss und Projektteam GPM-Themen | Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor 55 DOI 10.2357/ PM-2020-0046 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 55 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 55 19.06.2020 12: 58: 57 19.06.2020 12: 58: 57 stellen, entstand 2019 eine Fallstudie mit Informationen und Empfehlungen zum Themenkreis Lenkungsausschüsse und Projektauftraggeberschaft. Die Fallstudie berichtet aus einem IT-Projekt in einem mittelständischen Unternehmen, das in Schwierigkeiten gerät. Die beteiligten Führungskräfte schildern jeweils ihre Sicht auf das Projekt. Deutlich wird, dass etwa die Erwartung (vgl. Abb. 2) „Entscheiden als ein schlagkräftiges Team“ in diesem Fallbeispiel gar nicht erfüllt werden kann-- zu sehr beherrschen „Abteilungs-Egoismen“ den Lenkungsausschuss. Wie in vielen Fällen der Praxis sind der Projektauftrag und die Ressourcenverfügbarkeit nicht hinreichend geklärt, und das ist noch nicht alles. Die wichtigsten Empfehlungen an die Entscheidungsträger zusammengefasst lauten [13]: • Business Case ausarbeiten und im Vergleich zu anderen Projekten priorisieren. Die Priorisierung ist eine typische Aufgabe des Projektportfoliogremiums, von Projektportfoliomanagern oder einem PMO. Daraus folgt die Entscheidung, ob das Projekt fortzusetzen (und andere anzuhalten sind) oder anzuhalten ist, bis andere Projekte beendet sind und genug Ressourcen für die Bearbeitung zur Verfügung stehen. • Projektauftrag inkl. Auswirkungen auf den Business-Case ausarbeiten. • Lenkungsausschuss handlungsfähig machen: ggf. auf die notwendige Größe reduzieren (optimal: 5-7 Personen, ansonsten untergeordnete Fachausschüsse bilden) und betreffende Manager entlasten, die Arbeit im LA regeln und alle für die Arbeit im LA schulen. • Ressourcenmanagement und Projektpriorisierung konsequent für alle Projekte einführen. Eine Stelle, die hier dauerhaft Verantwortung übernimmt, ist unbedingt erforderlich (z. B. ein PMO- - Projekt Management Office [14]). Aufgrund der Priorisierung der Projekte, Ressourcen verteilen und niedriger priorisierte Projekte anhalten, bis dafür genug Ressourcen zur Verfügung stehen. • Rollen und Verantwortlichkeiten für Projektmanagement und Projekt-Governance festlegen und schulen. Ein Glossar zu Begriffen des Projektmanagements erstellen und in den Schulungen nutzen. Workshops mit Vertretern aller Hierarchiestufen durchführen und Ansätze für die Gestaltung eines förderlichen Kontextes für erfolgreiches Projektmanagement entwickeln und umsetzen. Zu diesem Themenkreis gehört auch, wie Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. • Das erarbeitete Gesamtverständnis für die Projektbeauftragung und -steuerung schulen, so dass alle Beteiligten und auch das Senior-Management für eine bessere aktive Steuerung befähigt werden. „Too cool for school“-- Wie qualifiziert man Auftraggeber? Aus der Praxis: In der SBB Personenverkehr (Schweizerische Bundesbahnen) werden seit 2014 systematisch alle Lenkungsausschuss-Mitglieder geschult. Über 200 Führungskräfte wurden seitdem in dieser Disziplin aus- und weitergebildet. Das war jedoch nur möglich, weil der Vorstand mit gutem Beispiel voranging, die Schulung selbst absolviert und sein OK dazu gegeben hat. Mit diesem Entscheid bestätigte sich, dass die Überzeugung des PMO geteilt wurde, dass geschulte LA-Mitglieder zu einem professionellen Projektmanagement dazugehören. Aus Sicht des Vorstandes liefert diese Schulung auch einen wertvollen Beitrag zum Gelingen der laufenden und künftigen Projekte und wirkt sich dadurch direkt und positiv auf die Unternehmensziele aus. [15] Abb.3: Verantwortlichkeiten über den Projektlebenszyklus GPM-Themen | Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor 56 DOI 10.2357/ PM-2020-0046 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 56 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 56 19.06.2020 12: 58: 57 19.06.2020 12: 58: 57 Nach anfänglicher Skepsis kam der Kurs bei den Führungskräften sehr gut an. Die Kursleitung aus dem PMO erhielt oft Top-Feedbacks und die Projektleiter haben gemerkt, dass die Lenkungsausschüsse die Projekte nun wacher, kritischer und aktiver begleiten. Um vorzustellen, was SBB Personenverkehr in diesem Bereich leistet, wurde in der D-A-CH Forschungswerkstatt 2019 in Wien und beim PM-Forum 2019 in Nürnberg ein solches Schnuppertraining im Workshop-Format angeboten. Ausblick: Damit in der SBB die nächste Stufe erreicht werden kann, bietet das PMO ab der 2. Hälfte 2020 eine völlig neu konzipierte 3-stufige Schulung an. Sie ist so ausgestaltet, dass sie problemlos im ganzen SBB-Konzern angeboten werden könnte. Auch die Fachgruppe selbst hat im Zusammenhang mit den angebotenen Workshops eine Trainings-Simulation durchlaufen. Das beeindruckende Erlebnis in der Selbstreflexion war, dass man als Teilnehmer schnell in eine Rolle schlüpfte und Bereichs-Egoismen vertrat, die man vernünftigerweise im Sinne des Projektes hätte zurückstellen sollen-- genau das, was im quirligen Alltag der Lenkungsausschussarbeit auch passiert. Parallel zu den Schnuppertrainings ist auch umfangreiche Gedankenarbeit eingegangen in die Entwicklung von Personas, um die Zielgruppen solcher Qualifikationsangebote besser greifbar zu machen. Das Beispiel der SBB ist „Good Practice“ in diesem Bereich, von dem andere Unternehmen sich etwas „abschauen“ könnten. Die SBB ist jedoch nicht das einzige Unternehmen, das seine Führungskräfte für die Arbeit in der Projektaufsicht schult. Die Fachgruppe kann hier auf einige Expertise in den eigenen Reihen zurückgreifen. Derzeit wird ein Tool entwickelt, mit dem Organisationen den eigenen Reifegrad in Bezug auf die Ausübung der Projekt-Governance-Rollen beurteilen und vergleichen sowie Entwicklungsfelder identifizieren können. Interaktive Workshops für Führungskräfte mit Aufsichtsfunktion in großen Investitionsprojekten Die Fachgruppe sieht ihre Aufgabe darin, das zusammengetragene Wissen und die Erfahrungen zum Erfolgsbeitrag des Senior-Management bei der Projektarbeit bekannt zu machen, und zwar in der PM Community, vor allem aber außerhalb derselben, etwa bei Führungskräften, die große Projekte beaufsichtigen. Eine Teilhabe an den Ergebnissen der Fachgruppenarbeit, insbesondere aber auch ein Erfahrungsaustausch mit und unter solchen Führungskräften wird die Zusammenarbeit zwischen Senior-Management und Projektmitwirkenden verbessern, so die Idee. Aufgrund dieser Überlegung hat die Fachgruppe im Herbst 2019 in Frankfurt einen ersten Workshop für Führungskräfte veranstaltet. Angesprochen waren- - und sind es auch weiterhin-- Führungskräfte, die große Investitionsprojekte beaufsichtigen. Gefolgt waren der Einladung acht Teilnehmer aus verschiedenen großen Unternehmen und Branchen in den drei D-A-CH-Ländern. „Welche DO’s and DON’T’s für diese Arbeit sehen Sie? “- - die Antworten auf diese Einstiegsfrage erbrachten schon eine lohnende Sammlung, die in der Zwischenzeit systematisch aufbereitet worden ist. Neben der Vorstellung von Fachgruppen-Ergebnissen und einem Key-Note-Vortrag zum Thema „Governance in strategischen Projekten“ bildeten die Teilnehmer kleine Arbeitsgruppen zur Diskussion von Fragestellungen, die sie selbst als Anliegen eingebracht hatten. Die Gespräche verliefen sehr engagiert und in angenehmer Atmosphäre. Jeder der Teilnehmer bereicherte den Workshop mit seinen wertvollen Erfahrungen aus eigener Aufsichtsarbeit in Projekten. Die Idee, sich im kleinen geschützten Rahmen offen auszutauschen, soll fortgesetzt und eventuell auch auf andere Projektarten ausgeweitet werden. Der Folgetermin für Investitionsprojekte für Mitte März 2020 war schon geplant und der Teilnehmerkreis leicht erweitert, doch der Workshop musste aufgrund der Corona Pandemie leider verschoben werden. Ergebnisse der Studie zu Governancestrukturen in Projekten und Programmen Die Bedeutung der Governanceebene für den Projekt- und Unternehmenserfolg ist zwar unbestritten, empirisches Material darüber, wie diese Ebene in der Praxis ausgestaltet ist, fehlt jedoch. Daher hat die Fachgruppe im Herbst 2019 eine Online-Studie zu Governancestrukturen in Projekten und Prof. Dr. rer. nat. Dorothee Feldmüller Prof. Dr. rer. nat. Dorothee Feldmüller ist Professorin für Wirtschaftsinformatik auf dem Campus Velbert/ Heiligenhaus der Hochschule Bochum. Zuvor war die promovierte Mathematikerin lange Jahre in der IT tätig, sie leitete als freie Projektleiterin und Beraterin zahlreiche IT-Projekte in Unternehmen. Seit 2004 ist sie auch aktiv bei der GPM. Anschrift: Hochschule Bochum Campus Velbert/ Heiligenhaus, Kettwiger Str. 20, 42579 Heiligenhaus, Tel. +49 2056 5848-16721 E-Mail: d.feldmueller@gpm-ipma.de Thomas Hunziker Thomas Hunziker, MAS Projektmanagement, leitet seit 2012 das Project Management Office der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Division Personenverkehr. In seiner Funktion ist er u. a. verantwortlich für den Betrieb und die Weiterentwicklung des Einzelprojektmanagements. Vorher arbeitete er über 20 Jahre als Projektmanager in der Bank- und IT-Industrie. E-Mail: thomas.hunziker3@sbb.ch GPM-Themen | Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor 57 DOI 10.2357/ PM-2020-0046 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 57 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 57 19.06.2020 12: 59: 02 19.06.2020 12: 59: 02 Zusammenfassung und Ausblick In der Projektarbeit sind kundige Projektauftraggeber und Lenkungsausschussmitglieder ein wichtiger Erfolgsfaktor für Projekte und damit für das Business. Studien und Normen zeigen auf, wie es sein sollte-- es fehlt also nicht am grundlegenden Know-how, wohl aber an der Umsetzung im täglichen Geschäft, und wohl auch am aktuellen Wissen oder Bewusstsein bei Beteiligten. Wissen und Bewusstsein zu fördern ist also wichtig. Hier bietet die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ eine Publikation mit kompakten Informationen und Checklisten an, baut eine Community zum Austausch unter Führungskräften mit Aufsichtsfunktion auf und kann auf Expertise in Führungskräfte-Trainings im Sinne von „Good Practices“ verweisen. Ein Tool zur Bestimmung des Reifegrads ist frisch entwickelt und kann genutzt werden, um in einer Organisation abzuschätzen, wo man „steht“. Alle Angebote zielen darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Projekt- und Senior-Management zu verbessern, auch außerhalb der PM-Community bekannt zu werden und Früchte zu tragen. Für die kleine Fachgruppe ist dies eine Herausforderung, die die oft knappen Ressourcen immer wieder stark fordert. Unterstützung aus der PM-Community ist willkommen. In der Fachgruppe wirken mit: Michael Atzor, Harald Bader, Michael Boxheimer, Dorothee Feldmüller, Rüdiger Geist, Thomas Hunziker, Tobias Kreutter, Gerhard Ortner, Christian Rudischer, Ralf von Breitenbach, Hartmut Wenzler. Die Fachgruppe dankt allen, die die Arbeit in den letzten Jahren unterstützt haben: den drei Verbänden für die finanzielle Unterstützung sowie allen, die als Interviewpartner zur Verfügung gestanden sind, sich an einer der Studien beteiligt oder dafür Werbung gemacht haben, insbesondere der Fachgruppe PMO. Alle im Artikel erwähnten Ergebnisse sowie weitere Informationen und Möglichkeiten, mit der Fachgruppe in Kontakt zu treten, finden Sie auf der Website www.pm-goes-boardroom.de. Elemente der ICB 4.0 People5: Leadership, Practice 2: Goals, Objectives and Benefits, Practice 14: Select and Balance, Perspective 1: Strategy, Perspective 2: Governance, Structure and Processes, Perspective 4: Power and Interest. Programmen durchgeführt. Einige Erkenntnisse aus den rund 150 erfassten Projekten und Programmen: • 60 % der PAG gehören der obersten Führungsriege an (Vorstand, Geschäftsführung, Geschäftsfeld-, Sparten- oder Regionalleiter); • 80 % der PAG stimmen sich regelmäßig (monatlich oder häufiger) mit ihren Projektleitern ab; • 60 % der Projekte und 80 % der Programme haben einen Lenkungsausschuss; • die meisten LA umfassen vier bis acht Mitglieder und treten mindestens einmal pro Quartal zusammen; • Kunden sind doppelt so häufig in LA vertreten wie Lieferanten; • auch in LA sitzen vor allem Manager der obersten Führungsriege. Detailergebnisse enthält ein ausführlicher Studienbericht, der noch im Sommer 2020 erscheinen soll. Ansprache der Zielgruppen außerhalb der PM- Community Das Senior-Management leistet einen bedeutenden Erfolgsbeitrag zur Projektarbeit- - oder eben nicht. Diese Botschaft gilt es vor allem außerhalb der PM-Community zu verbreiten-- und das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Das ist es schon seit den Gründungszeiten der Projektmanagement-Verbände, und die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ ist nicht die einzige Gruppierung, die an diesem strategischen Thema arbeitet. Neben dem Management selbst können und sollen in die Ansprache auch Aufsichtsräte und Revisoren einbezogen werden- - die im Falle eines Misserfolgs von Projekten in jedem Fall auch involviert sind. Die Fachgruppe hatte die Gelegenheit an einer Tagung der Aufsichtsräte im Jahr 2019 teilzunehmen und wird diesen Kontakt weiter pflegen. Manchmal ist es eine geschickte oder ungeschickte Wortwahl, die darüber entscheidet, ob eine Zielgruppe erreicht wird: Ein CFO spricht lieber über Investitionen als über Projekte. So hat sich die Fachgruppe im Zusammenhang mit den bereits beschriebenen Schnupper-Trainings auch umfangreiche Gedanken gemacht, wie genau bestimmte Personengruppen unter den Führungskräften angesprochen werden sollten. Prof. (FH) Mag. Dr. Gerhard Ortner Prof. (FH) Mag. Dr. Gerhard Ortner ist in den Studiengängen PM & IT (BA) bzw. PM & Organisation (MA) an der Fachhochschule des BFI Wien beschäftigt. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik an der TU & Universität Wien war er zunächst in der Abt. für Industrielle BWL der TU Wien und später im Büro für Internationale Forschungs- und Technologiekooperation tätig und wechselte 2004 als Fachbereichsleiter für PM an die FH des BFI Wien. U.a. arbeitet er derzeit auch im ISO Technical Committee 258 an der Weiterentwicklung internationaler PM Normen mit. Anschrift: FH des BFI Wien, Wohlmutstr. 22, A-1020 Wien E-Mail: gerhard.ortner@fh-vie.ac.at Dr. Christian Rudischer Dr. Christian Rudischer unterstützt als Managementberater Organisationen aus allen Branchen bei der Umsetzung ihrer Strategie, hält Vorträge und Lehrveranstaltungen, ist PM-Assessor sowie subject matter expert im ISO TC 258. Davor hat der promovierte Verfahrenstechniker Managementfunktionen in IT- und Infrastrukturunternehmen bekleidet. E-Mail: christian@rudischer.consulting GPM-Themen | Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor 58 DOI 10.2357/ PM-2020-0046 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Anzeige F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 58 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 58 22.06.2020 12: 14: 12 22.06.2020 12: 14: 12 Literatur [1] Futterer F., Schneider C., Schnellbächer B., Schoper Y., Spanuth T., Wald A.: Makroökonomische Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland, Studie der GPM, Berlin, 2015, Erhältlich unter: https: / / www.gpm-ipma.de/ fileadmin/ user_upload/ GPM/ Know-How/ GPM_Studie_ Vermessung_der_Projekttaetigkeit.pdf [2] The Standish Group: Chaos Manifesto 2012: The Year of the Executive Sponsor. The Standish Group, 2012. [3] The Standish Group: The Standish Group Report: Chaos. https: / / www.projectsmart.co.uk/ white-papers/ chaosreport.pdf, Project Smart, 2014 [4] Komus A., Heupel T.: Ergebnisbericht: Erfolgsfaktoren im Projektmanagement eine evidenzbasierte Studie. Erhältlich unter: www.erfolgsfaktorenprojektmanagement.de, Koblenz 2015. [5] Rietiker S.; Scheurer S.; Wald A.: Mal andersherum gefragt: Ergebnisse einer Studie zu Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit. In: projektmanagement aktuell 4/ 2013, Nürnberg 2013, S. 33-39. [6] CC Key, https: / / www.cckey.org/ de/ , zuletzt abgerufen am 27.3.2020. [7] DIN/ ÖNORM/ ISO 21505, Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement -Leitlinien zu Governance (ISO 21505: 2017), Deutsche Übersetzung 2018. [8] GAPPS Global Alliance for Project Performance Standards: A Guiding Framework for Project Sponsors, GAPPS, 2015, https: / / globalpmstandards.org/ downloads/ [9] PM² project management methodology guide, EU Commission, https: / / op.europa.eu/ en/ publication-detail/ -/ publication/ 0e3b4e84-b6cc-11e6-9e3c-01aa75ed71a1 [10] Feldmüller D., Ortner G., Hunziker T. (2017): „PM goes Boardroom! ? “ In: projektMANAGEMENT aktuell 2/ 2017, S. 24-29 [11] Feldmüller D., Hunziker T.: „Kompetenter Lenkungsausschuss-- vom Traum zur Wirklichkeit“, pm forum 2018, 24.10.2018 Nürnberg [12] Rudischer C.: „Wanted: Kompetente Auftraggeber*innen“, pma-Blog, 15.08.2019, https: / / www.pma.at/ de/ blog/ wanted-kompetente-auftraggeber-innen [13] Boxheimer M., Feldmüller D., Ortner G., Wenzler H. (2019): „Der Lenkungsausschuss-- Grundlage des Projekterfolgs, Fallstudie, Empfehlungen und Informationen“, GPM, November 2019 [14] Ortner G., Stur B.: Das Projektmanagement-Office-- Einführung und Nutzen. Springer-Gabler Verlag, Berlin, 2019 [15] Hunziker T., Bachmann T.: Mehr PM Know-how für den Lenkungsausschuss., Projektmagazin 14/ 2015, https: / / www.projektmagazin.de/ artikel/ mehr-pm-know-howfuer-den-lenkungsausschuss_1101675 Eingangsabbildung: © iStock.com/ Thitikorn Suksao GPM-Themen | Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor Anzeige F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 59 F_GPM_Themen_02_Fedlmueller.indd 59 19.06.2020 12: 59: 03 19.06.2020 12: 59: 03 Der letzte Nutzer Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg trifft Ehrlich nach einer Besprechung. „Du bist ja ganz in schwarz gekleidet, Hose, Jacke und Krawatte. Kommst du von einer Beerdigung? “, fragt Ehrlich. „Das kann man so sagen“, antwortet Priesberg. „Wir haben heute unser neues Projektreporting-Tool beerdigt. Ein Drama in mehreren Akten mit der Überschrift ‚der letzte Nutzer‘.“ „Der Schlussakt heißt dann sicher: ‚Viel Arbeit für nix‘“, bohrt Ehrlich. „Ganz genau. Wir wollten ein Tool haben, das aus individuellen Teilprojektplänen, die in Excel-Tabellen gepflegt werden, einen Gesamtprojektplan baut“, erläutert Priesberg. „Hmm, das ist doch eigentlich Standard“, wundert sich Ehrlich. Priesberg holt aus: „Ich gebe dir mal ein Beispiel. Es hat sich im Nachhinein gezeigt, dass jede Abteilung eine andere Nomenklatur der Meilensteine in den Teilprojekten haben möchte. Bevor das Tool die Daten zusammenführen kann, müssen jedes Mal die Namen der Meilensteine angepasst werden. Das ist zu aufwändig und hat auch die letzten Nutzer vergrault.“ „Tja“, überlegt Ehrlich. „Das kommt davon, wenn man Erstellung und Betrieb des Tools als Abfolge einzelner Aktivitäten auffasst.“ „Was soll es denn sonst sein? “, ruft Priesberg empört und fährt fort: „Die Aktivitäten sind die technische Spezifikation des Tools, Programmierung, Rollout und Anwendung. Und alle wurden korrekt abgearbeitet.“ Ehrlich bleibt ruhig: „Unser Problem ist, dass wir stets in anschaulichen Dingen denken und handeln wollen und das möglichst portionsweise. Wir können aber einen anderen Blickpunkt einnehmen, und zwar den der Komplexität…“ „Nicht schon wieder“, unterbricht ihn Priesberg. „Kommen wir denn nicht einmal ohne diese ganze Komplexitätsbetrachtung aus? “ „Wenn du weiter im Nebel stochern willst, gerne. Aber ich denke, du hast auch Interesse an der Ursache des Problems“, entgegnet Ehrlich. „Also gut“, spricht Priesberg. „Was hast du denn anstelle deiner portionierten Aktivitäten anzubieten? “ Ehrlich grinst: „Das Ganze - ein System. Deine Aktivitäten ‚technische Spezifikation des Tools, Programmierung, Rollout und Anwendung‘ hängen nämlich wechselseitig voneinander ab. Nehmen wir den Punkt ‚technische Spezifikation‘“, Ehrlich legt eine Kunstpause ein, „sie bestimmt, wie das Tool später verwendet wird.“ „Ach nee, da wäre ich nie draufgekommen“, lästert Priesberg und fragt sich langsam, was das alles soll. Ehrlich ignoriert die Spitze und macht unbeirrt weiter: „Wenn wir das Tool als System auffassen, dann gibt es Größen, welche das gesamte System regulieren. Hier ist es die Art, wie die Meilensteine in das Tool einzugeben sind. Dieser sogenannte Kontrollparameter bestimmt, wie sich unser System prinzipiell mit der Zeit entwickelt.“ Priesberg denkt langsam nach: „Also die Nomenklatur der Meilensteine. Daran sind wir gescheitert. Wir haben nämlich zugelassen, die Meilensteine als Freitext einzugeben und nicht als geregelte Folge aus Namen und Nummern. Wir wollten eine größtmögliche Freiheit an Bezeichnungen anbieten. Hätten wir etwa über Abteilungsgrenzen hinweg vereinheitlichen sollen? “ „Das wäre der Königsweg“, entgegnet Ehrlich erfreut. Priesberg fällt ihm sogleich ins Wort: „Ohne großen Abstimmungsaufwand-- niemals.“ „Du vergisst wieder was“, entgegnet Ehrlich ruhig. „Gut gewählte Kontrollparameter sind dazu da, Ordnung zu schaffen. Aber für die Ordnung braucht es einen Anfang. Wie wäre es, wenn sich zwei Abteilungen auf ein paar gemeinsame Namen festlegen würden, dann könnte man zeigen, wie wirkungsvoll das Tool ist - schwupps: aus Teilprojektplänen wird ein Gesamtplan.“ Kolumne GPM intern DOI 10.2357/ PM-2020-0044 1. Jahrgang · 03/ 2020 60 DOI 10.2357/ PM-2020-0044 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 60 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 60 22.06.2020 09: 42: 23 22.06.2020 09: 42: 23 „Und damit gehen wir zu den übrigen Abteilungen. Ein wenig Zugeständnis bei der Nomenklatur nimmt am Ende viel Arbeit ab, nämlich bei der Erstellung eines Projektplans - das wirkt.“ Priesberg hat es jetzt kapiert. „Ganz genau. Ein Ordnungsparameter ist geschaffen, nämlich eine einheitliche Nomenklatur. Damit kann das Tool endlich das leisten, wozu es da ist“, fällt ihm Ehrlich ins Wort. Priesberg zieht sein schwarzes Jackett sowie die Krawatte aus und wiederholt sinngemäß: „Es ist noch nichts verloren! Das Tool ist ja schon da. Wir müssen es nur so ausrollen, wie du gerade beschrieben hast. Ich benenne das Drama um in ‚der erste Nutzer‘.“ „Und zu guter Letzt haben wir den Rahmen ebenfalls im Sinne der Lösung eingesetzt. Der anfangs blockierende Rahmenparameter, die Autonomie jeder Abteilung, wird zum Unterstützer: Jede Abteilung wird sich jetzt in der gemeinsa- Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB/ IC, 67056-Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@ basf.com men Nomenklatur wiederfinden. Der andere Blick durch die Komplexität lohnt sich also“, schließt Ehrlich. Eingangsabbildung: © iStock.com/ ComebackImages GPM Fachgruppen Die Fachgruppen der GPM bearbeiten spezifische Aspekte des Projektmanagements. Sie greifen aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement auf, systematisieren diese und entwickeln sie kontinuierlich weiter. Je nach Thema verfolgen die Gruppen einen branchen- oder fachspezifischen Ansatz. Fachleute bringen ihr Know-how und ihre Erfahrungen in die Fachgruppenarbeit ein, tauschen sich bei Veranstaltungen regelmäßig aus und entwickeln so neues Know-how (u.a. Analysen, Konzepte, Standards, Produkte, Fachartikel und -bücher). Weitere Informationen sowie Ansprechpartner der einzelnen Fachgruppen finden Sie unter https: / / www.gpm-ipma.de/ know_how/ fachgruppen.html GPM Regionalgruppen Die derzeit 39 GPM Regionen vertreten den Verband lokal, bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch und ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Die GPM Regionen leisten damit wichtige Projektmanagement-Basisarbeit. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Regionalgruppen finden Sie unter: https: / / www.gpm-ipma.de/ ueber_uns/ regionen.html GPM Mitglieder: 8.000 Davon Firmenmitglieder: 415 Teilnehmer am Lehrgang „Projektmanagement-Fachmann“: 39.200 Durch PM-ZERT vergebene Projektmanagement-Zertifikate insgesamt: 58.534 Stand: 29.05.2020 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Kolumne | GPM intern 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 DOI 10.2357/ PM-2020-0047 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 61 E_Kolumne_01_Koehler_GPM.indd 61 22.06.2020 09: 42: 24 22.06.2020 09: 42: 24 Sabine Muth im Webinar Kapsch BusinessCom AG Kontakt: Ing. Georg Weickel, Head of Project Management 1120 Wien, Wienerbergstrasse 53 www.kapschbusiness.com Hauptgeschäft Als führender Digitalisierungspartner unterstützt Kapsch BusinessCom Unternehmen bei der Steigerung ihrer Performance und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auf Basis sicherer ICT-Lösungen und den dazu gehörigen Managed Services. Das Portfolio umfasst dabei intelligente IT-Technologie-, Netzwerk- und Security-Lösungen ebenso wie Medientechnik, AI, IOT oder Softwareentwicklung. PM-Aufgaben & Bedeutung Quer durch unser Portfolio leiten Project Manager mit Professionalität und Leidenschaft die unterschiedlichsten Kundenanforderungen in IT-Infrastruktur und Managed-Service-Projekten. Bei Software- und Digitalisierungsprojekten setzen wir auf Agilität und die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Was tut sich? pma-Aktivitäten 20.07.2020, 3. pma quaterly (online) 14.09.2020, 4. pma quaterly (online) 24.09.2020, pma Zertfifizierungspräsentation (online) Infos und Anmeldung: pma.at pma quaterly digital: Die Welt unterschiedlich erleben- Wie tickt der Mensch? Mit dieser Frage eröffnete Sabine Muth,- Beraterin für Strategie, Innovation und Unternehmensentwicklung das zweite pma quarterly 2020,- das als Webinar-stattfand. Muth stellte das „Process Communication Model“ (kurz PCM) vor, das von Elementen der Transaktionsanalyse beeinflusst ist. Mittels PCM sollen Beziehungen in Projekten gefördert-und Kommunikation verbessert werden. Aus den DACH-Verbänden PMA intern DOI 10.2357/ PM-2020-0049 1. Jahrgang · 03/ 2020 PCM unterscheidet zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen und Kommunikationsebenen. Diese gelte es zu beachten. Schon die Wortwahl, Mimik, Tonfall, Gestik oder die Körperhaltung sind aufschlussreich, um mehr über sein Gegenüber zu erfahren und den Menschen auf dem Level abzuholen, auf dem er sich-aufgrund der Stimmungslage gerade befindet.- Das Modell geht davon aus, dass wir alle zum Beispiel- über eine*n Logiker*in, Rebell*in und andere Typen verfügen, die wir unterschiedlich bedienen. Bei sich selbst und bei anderen zu erkennen, welcher dieser sechs Kerntypen gerade das Sagen hat, sei ein wichtiger Schritt, um sich aufeinander einzustellen. Die zahlreichen Fragen nach dem lebendigen Impulsvortrag verdeutlichten das große Interesse der- Teilnehmer*innen am Thema Kommunikation in Projekten. Vor den Vorhang! pma-Mitglieder Mit knapp 1.200 Mitgliedern ist pma die größte PM-Vereinigung Österreichs. Wir stellen vor: 62 DOI 10.2357/ PM-2020-0049 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Aus den DACH-Verbänden | PMA intern Standpunkt Mag. Brigitte Schaden, Präsidentin Projekt Management Austria (pma) Neue Wege entstehen In Zeiten von Corona wird unser berufliches wie privates Leben auf den Kopf gestellt. Wir müssen erfahren, dass so selbstverständliche Gepflogenheiten wie Teammeetings nicht mehr möglich sind und in den virtuellen Raum verlagert werden.-Von einem Tag auf den anderen haben wir gelernt, Aufgaben mit einer erzwungenen physischen Distanz zu erledigen, ohne dabei neben fachlichen Fertigkeiten die soziale Komponente zu vernachlässigen, die das Projektmanagement so besonders macht.- Gerade von uns Projektmanager*innen wird erwartet, dass wir mit dieser Situation souverän umgehen und auch als Privatperson Resilienz entwickeln. Unsere neu eingeführten pma-Online-Zertifizierungen haben einmal mehr verdeutlicht: Projektmanager*innen kreieren Neues, schaffen Möglichkeiten und finden zu ihren Wurzeln.- Kommunikation, Wertschätzung, Zuversicht und nicht zuletzt Humor bleiben auch jetzt der Humus, auf dem neue Wege entstehen.- Foto: © pma/ L. Schedl G_DACH_03_PMA.indd 62 G_DACH_03_PMA.indd 62 19.06.2020 13: 04: 00 19.06.2020 13: 04: 00 Home-Office statt Arbeitsplatz, Chat-Room statt persönlichem Kontakt, Videokonferenzen als Teil des neuen Arbeitsalltags. Die Coronakrise macht vieles möglich. Bedingt durch das Gebot von „Social Distancing“ hat Projekt Management Austria (pma) binnen kurzer Zeit auf Online-Modus umgestellt. „Bereits Mitte April haben wir mit den ersten Online-Zertifizierungen begonnen. Das war für alle sehr arbeitsintensiv, aber es funktioniert wirklich gut“, so Brigitte Schaden, Präsidentin von pma. Um die Projektmanager*innen bestmöglich dabei zu unterstützen, sind von Anfang an entsprechende Vorbereitungen angeboten worden. Auch die Ausbildungs-Kooperationspartner von pma haben sich auf die neue Situation eingestellt und ihren Service auf E-Learning verlagert. Wie funktioniert die Online-Zertifizierung? Die Zertifizierungen-nach IPMA® Level A, B-und C finden ortsunabhängig und webbasiert per Videokonferenz statt. Die Assessments erfolgen in mehreren Schritten. Am Report-Prozess im Vorfeld hat sich nichts geändert. Am Zertifizierungstag überprüfen zwei virtuell anwesende pma-Assessor*innen PM-Kompetenzen laut ICB4-(Kontext-, Persönliche und Soziale sowie Technische Kompetenzen) sowie Methodiken und Prozesse der pm baseline. Dieses „Überprüfen“ teilt sich in einen Wissensteil und in ein Interview, das der Erfahrung gewidmet ist. Bei Level B gibt es als weiteren Bestandteil ein Rollenspiel, in dem der oder die Kandidat*in eine Verhandlungssituation lösen muss. „Für Level D sind wir bei dem schriftlichen Prüfungsmodus geblieben, den wir jetzt online anbieten“, so Schaden. Dieses Modell funktioniert auch mit größeren Gruppen sehr gut. Zertifizierung-- aber sicher! Unter diesem Motto bietet Projekt Management Austria seit April pma/ IPMA®-Zertifizierungen online an. Aus den DACH-Verbänden PMA Extra DOI 10.2357/ PM-2020-0050 1. Jahrgang · 03/ 2020 Einer der ersten Kandidaten einer Online-Zertifizierung (Level D) war Xaver Pfaffenbichler. Er arbeitet als Projektmanager für eGovernment im öffentlichen Bereich: „Das war eine Superidee, die Zertifizierung gerade während des Lockdown online anzubieten. Ich habe sie sofort genutzt! “ Bis Ende Juni hat pma bereits 450 Online-Zertifizierungen durchgeführt. Zusätzlich hat pma damit gestartet, auf IPMA® Level C „Agile Leadership“-Zertifizierungen für Führungskräfte, Projekt- und Programmmanager*innen anzubieten - ebenfalls in digitaler Form. Tipp | Am 24. September gibt es für Interessierte eine (kostenlose) Online-Informationsveranstaltung zu den Zertifizierungen. Informationen zu Inhalt und Ablauf der Online Zertifizierungen nach pma/ IPMA® erhalten Sie auf der Website www.pma.at. „Bereit für Neues“-- pma-Präsidentin Brigitte Schaden über Weiterbildung in Zeiten von Corona. © pma/ L. Schedl Wie verändert die Corona-Krise die Zertifizierung von PM? Brigitte Schaden: An den Inhalten hat sich nicht viel geändert, sehr wohl am Setting. Die Online-Zertifizierung erfordert ein hohes Maß an Vertrauen. Zum einen in die Technik, zum anderen in die Fähigkeit, als Kandidat*in vor „laufender Kamera“ Wissen, Erfahrung und Skills einem Gremium zu präsentieren, das auf Distanz ist. Nützen Projektmanager*innen jetzt vermehrt digitale Angebote? Schaden: Weiterbildung hat auch im Krisenmodus einen hohen Stellenwert. Das bestätigt eine Blitzumfrage von pma, die wir während des Lockdown unter Mitgliedern durchgeführt haben: 51 Prozent geben an, dass sie bereits digitale Weiterbildung nutzen, weitere 28 Prozent haben Interesse an solchen Angeboten. Welche Skills sind in der Krise besonders gefragt? Schaden: Das Leben mit Risiken ist für Projektmanager*innen nichts Neues. In der Krise haben sich die Rahmenbedingungen nochmal verschärft. Es gibt ein paar Skills, die jetzt besonders gefragt sind, wie etwa Kreativität, Empathie, Humor und Zuversicht. Die Nachfrage nach Online-Zertifizierungen zeigt aber auch, dass Projektmanager*innen bereit sind, sich rasch auf Neues einzustellen. 63 DOI 10.2357/ PM-2020-0050 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 G_DACH_04_PMA_Extra.indd 63 G_DACH_04_PMA_Extra.indd 63 19.06.2020 13: 05: 00 19.06.2020 13: 05: 00 spm-Generalversammlung, Frühjahrstagung und Jahresbericht Die Regelungen des Bundesrates für die Notlage wegen dem Corvid-19-Virus führten den spm zu folgenden kurzfristigen Entscheiden: • Die Generalversammlung des spm wird mithilfe eines Online-Tools durchgeführt. • Die fertig vorbereitete Frühjahrstagung am 14. Mai 2020 wird auf 2021 verschoben. An der Generalversammlung wurden für den Vorstand • Lucia Nievergelt, Beat Straub und Martin Sedlmayer für eine weitere Amtsperiode gewählt, • Yvonne Voss, Marco Liechti und André Moustopoulos als neue Mitglieder gewählt. Die Präsidentin Ingrid Giel berichtete über die Aktivitäten im Jahr 2019 und den weiteren Verlauf der Tätigkeiten in Zukunft. Die Weiterentwicklung des Vorstands als selbstorganisierte Organisation und die Erhöhung der Mitgliederzahl werden weiter im Fokus stehen. Im Jahresbericht hält der Vorstand das Projektmanagement in der heutigen agilen Welt für wichtiger als jemals zuvor. Der spm als national und international anerkannter schweizerischer Fachverband im Projektmanagement setzt sich deswegen intensiv für die Verbreitung und aktuelle Weiterentwicklung von Projektmanagement in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Dabei sieht sich der spm als Experte für klassisches, agiles und hybrides Projektmanagement. Der spm arbeitet interaktiv und international, insbesondere mit der IPMA® und den Nachbarländern, um den Schweizer Fachleuten die Möglichkeit zu bieten, anerkannte Fachkompetenzen im Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement (PP&PM) zu erwerben, anzuwenden, nachzuweisen und weiterzuentwickeln. Hier leben 73 Landesgesellschaften einen intensiven und anspruchsvollen beruflichen und kulturellen Austausch mit gegenseitigem Gewinn. Das Aus den DACH-Verbänden SPM intern DOI 10.2357/ PMA-2020-0048 1. Jahrgang · 03/ 2020 Bild spm-Vorstand, Autor spm Schweizer Young-Crew-Team erreichte den 1. Platz beim internationalen PM-Contest GeCCo. Eine Schweizer Vertreterin beteiligte sich an den weltweiten Aktivitäten der IPMA Young Crew. Die Schweizer Zertifizierungsstelle (VZPM) hat seine starke Position in der Schweiz und international bestätigt bei der Validierung durch die IPMA, mit erfolgreichen Entwicklungsarbeiten für die Zertifizierung des agilen Arbeitens und der neuen Version für die Zertifizierung von Organisationen (IPMA Delta®). Der spm und der VZPM haben den Leitfaden swissICB4agile auf der Basis des IPMA Reference Guides erstellt. Die IPMA Registrierung wurde komplett überarbeitet und wird 2020 eingeführt. Sechs Stammtische wurden abgehalten. Die Teilnehmerzahl hat sich gesteigert von durchschnittlich 10 Teilnehmern auf 18 Teilnehmer. Dreimal war der Stammtisch bereits ausgebucht mit Warteliste. Unsere Social-Media-Kanäle haben sich erfreulich weiterentwickelt: Seit Frühjahr 2018 kommen wir auf total 282 Beiträge auf Twitter, 127‘860 Impressions auf Xing und 1‘852 Follower auf LinkedIn. Vier spm-Talks. Die Vielfalt der spm-Fachgruppen ist beeindruckend: PM in der Forschung, PM in der Hochschul-Lehre, PM im Gesundheitswesen, PM goes Board Room (mit GPM), PMO, Konfliktmanagement, Neue Perspektiven in der Projektarbeit (mit GPM), BRIDGE Community IT und PM, mittwochdenken. IPMA Delta® Version 2.0 Die Kompetenz für das Management von Projekten, Programmen und Portfolios (PP&PM) ist eine Voraussetzung für eine Organisation, um Projekte erfolgreich abzuwickeln. Die IPMA hat gemäß Statuten den Zweck die international anerkannte Zertifizierung im Projektmanagement und die damit verbundenen organisatorischen Kompetenzen zu entwickeln und bereitzustellen. Mit der neuen Version 2 erhalten die IPMA- Mitglieder ausgereifte, benutzerfreundliche und detaillierte Dokumente zur Beurteilung der PP&PM-Kompetenz von Organisationen. Jede Organisation achtet auf einen guten Kontext für ihre Projektleiter und ihre Projektteams. IPMA® ist in der Lage, mit der einzigartigen Bewertung IPMA Delta® den PP&PM- Kompetenzstatus unabhängig zu bewerten und Empfehlungen für die weitere Entwicklung abzugeben. Der Zertifizierungsprozess achtet insbesondere auf Unternehmensziele, Nutzung von Ressourcen und Leistungsfähigkeit. Insgesamt wurden bisher 29 IPMA Delta®-Zertifizierungen in 12 Ländern durchgeführt, davon vier in der Schweiz. Mit der neuen Version 2 wurden die Vorschläge der IPMA- Mitglieder und des Projektteams umgesetzt. Dies beinhaltet zum Beispiel die Rolle des IPMA Delta Managers, die fünfjährige Gültigkeitsdauer des Zertifikats, eine effiziente Bewertung und eine kostengünstigere Rezertifizierung. Der spm und der VZPM waren an der neuen Version aktiv beteiligt. Der Council of Delegates nahm diese neue Version im September 2019 einstimmig an. Hans Knöpfel, spm Aus den DACH-Verbänden | SPM intern 64 DOI 10.2357/ PMA-2020-0048 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 1. Jahrgang · 03/ 2020 Aus den DACH-Verbänden | SPM intern G_DACH_02_SPM.indd 64 G_DACH_02_SPM.indd 64 19.06.2020 13: 03: 00 19.06.2020 13: 03: 00