PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pmaktuell.de Ausgabe 2/ 2021 | 32. Jahrgang Agiles Projektmanagement GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. I www.gpm-ipma.de I info@gpm-ipma.de DAS FEHLENDE PUZZLETEIL FÜR IHRE KARRIERE Das GPM Mentoring-Programm Auf der Suche nach der perfekten Partnerschaft, die Sie beruflich und persönlich voranbringt? Wir finden das passende Match für Sie. Mit dem Mentoring-Programm bringen wir erfahrene PM-Expertinnen/ -Experten und Young Professionals zusammen. Erhalten Sie als Mentee wertvolle Unterstützung und umfangreiches Know-how. Oder geben Sie als Mentorin oder Mentor Ihre reichhaltige Expertise weiter und profitieren Sie in vielerlei Hinsicht selbst. 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Scrum: Auf die Haltung kommt es an! 35 die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement Brauchen wir im Agilen überhaupt noch Projektleiter? 41 „Wer macht schon Fehler? ! “ Warum Lernen im Unternehmen unterschätzt wird 46 „agile leadership“ - Zur agilen Führungskraft geboren? 52 agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement Wirkungen in der Weiterbildung und bei der Zertifizierung 58 Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement 64 Entwicklung eines Konzepts für ein dynamisches risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 72 Buchbesprechung Kolumne 73 der grüne Elefant oder warum gutes Projektmanagement unsichtbar ist aus den daCH-Verbänden 74 iMPa intern 75 GPM intern 76 pma intern 77 spm intern 80 auf ein Wort mit ... César García Marirrodriga INHALT Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Myriam Conrad, GPM, Nürnberg Christopher Klausnitzer, GPM, Nürnberg (Ressort GPM intern) Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee redaktionsbeirat: Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Hans Knöpfel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Heinz Schelle, GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Reinhard Wagner, Tiba GmbH Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 32. Jahrgang, 2/ 2021 ISSN 0942-1017 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 Telefax: +49 (0)7071 97 97 11 www.projektmanagement.digital © 2021 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Elena Gastring eMail: gastring@narr.de anzeigenverwaltung: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 120 224 12 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ scyther5 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 1 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 1 19.04.2021 10: 53: 45 19.04.2021 10: 53: 45 Editorial | Agiles Projektmanagement 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0021 Agiles Projektmanagement Liebe Leserinnen und Leser, Agilität ist in aller Munde. Manchen wird es schon zu viel damit. Scheller bringt dies provokativ auf den Punkt: „Kommt bald die agile Imbissbude? “ [1] Alles muss agil sein: jeder Einzelne von uns, Projekte sowieso, sogar ganze Unternehmen. Ist Agilität eine Modeerscheinung- - oder steckt mehr dahinter? Dass Agilität immer weiter Fahrt im Projektmanagement aufnimmt, zeigt der Beitrag von Georg Disterer und Andreas Daum . Aber- - besteht tatsächlich Bedarf, agiler zu werden? Es gibt heute unzählige Definitionen des Agilitätsbegriffs. Sie beziehen sich jedoch auf wenige gemeinsame Grundfähigkeiten. Demnach bedeutet Agilität: • schnelle Reaktion auf Veränderungen • schnelle Wandlungsfähigkeit • Beweglichkeit • situationsangepasstes Handeln • dauerhafte Wandlungsbereitschaft Sind Unternehmen in wenig dynamischen und gut überschaubaren Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen unterwegs, brauchen sie diese agilen Fähigkeiten nicht. Im sicheren Umfeld können Unternehmen mit dem klassischen Planungsansatz hoch effizient arbeiten. Aber: Werden die Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen komplex und nicht mehr überschaubar- - dann hilft es nur noch Experimente zu machen. Sich voranzutasten. In kleinen Schritten vorzugehen mit häufigen Feedback-Zyklen und schnellem, situationsangepasstem Handeln. Dann werden lang vorausschauende Planungen obsolet oder zumindest ökonomisch fragwürdig. Die Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen sind mittlerweile in fast allen Branchen komplex geworden. Vielfach ist Agilität somit tatsächlich sinnvoll. Die aktuelle Pandemie macht die Zukunft zusätzlich schwer überschaubar. Wir wollen uns deshalb in diesem Heft dem Phänomen „Agilität“ auf verschiedenen Ebenen nähern. Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zu einem „Streifzug“ durch unterschiedliche Facetten von Agilität ein. Wir hoffen, dass auf diesem Streifzug das Phänomen Agilität besser verständlich wird. Wir können lernen, welche Schritte Unternehmen, Projekte und jeder Einzelne machen müssen, um tatsächlich agil(er) zu werden. Wir starten diesen Streifzug mit der Betrachtung von Unternehmen. Wie könnte ein Unternehmensmodell aussehen, das systematisch auf agile Elemente setzt? Oliver Steeger geht dieser Frage in einem Interview mit Moritz Hornung zum Thema „Enterprise Bionics® ein vom Leben inspiriertes Betriebssystem für Projektorganisationen“ auf den Grund. Moritz Hornung stellt diese Unternehmenskonzeption zudem in einem eigenen Kurzbeitrag nochmals zusammenfassend vor. Im Gespräch mit dem Wirtschaftspsychologen Rüdiger Reinhardt fragt Oliver Steeger, weshalb es MitarbeiterInnen so schwerfällt, sich an neuen agilen Arbeitsweisen auszurichten. Wie können Führungskräfte aktiv mithelfen, einen Wandel hin zu agilen Arbeitsweisen zu unterstützen? Auch in dem Beitrag von Elisa Gertler, Kailey Fox und Yvonne Schoper stehen die MitarbeiterInnen im Mittelpunkt. Die Autorinnen untersuchen die Frage, was eher zu einer erfolgreichen agilen Projektarbeit beiträgt- - die Kultur oder die Persönlichkeitsmerkmale von MitarbeiterInnen? Christoph Richter zeigt in seinem Beitrag anhand der Scrum-Methodik, welches grundlegende Mindset eigentlich hinter agiler Methodik steckt. Christoph Ochs und Konrad Spang beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der Frage, ob im agilen Projektmanagement eine Projektleiterrolle überhaupt noch sinnvoll ist. Die Frage nach agiler Führung greifen Stefanie Meindl, Julia Pfähler und Moritz Bissel in ihrem Beitrag auf. Wie muss sich die traditionelle Managerrolle hin zu einer agilen Leadershiprolle entwickeln? Tobias Kreutter und Klaus Abstein erläutern, wie wichtig eine echte Fehler- und Lernkultur für erfolgreiche Projekte ist, und wie diese ganz praktisch umgesetzt werden kann. Über die Beiträge zu unserem Schwerpunkt hinaus lesen Sie im Beitrag von Petros Ilief und Peter Preuss wie Smart Speaker dazu genutzt werden können, um das Projektmanagementoffice bei der Arbeit zu entlasten. Im Beitrag von Daniel Ghadiri und Eberhard Schlücker erhalten Sie einen Einblick in das dynamische Risikomanagement bei F&E-Projekten. Agilität ist deutlich mehr als eine Mode. Diesen Punkt sollte die Lektüre dieses Heftes deutlich machen. In komplexen Umfeldern bringt Agilität wesentliche Vorteile in der Projektarbeit, aber auch über diese hinaus. Aber: Agilität ist nicht „durch Umlegen eines Schalters“ zu erreichen. Vielmehr braucht es ein entsprechendes Mindset. Dieses Mindset muss auf der Unternehmensebene, auf der Ebene der Projekte, aber auch bei den einzelnen MitarbeiterInnen entwickelt werden. Es ist die Voraussetzung für einen echten Transformationsprozess. Das hört sich nach echter Anstrengung an! Indes, diese Mühe könnte sich in einer komplexen Welt wirklich lohnen! Ihr Steffen Scheurer [1] Scheller, T. (2017): Auf dem Weg zur agilen Organisation. München Editorial 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 2 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 2 19.04.2021 10: 53: 49 19.04.2021 10: 53: 49 Persönlich weiterentwickeln und beruflich weiterkommen mit unseren SHOTs und Expert*innen-Sparrings! Wir bieten Ihnen mit unseren 90-minütigen SHOTS (SHort Online Trainings) eine Learning-on-Demand Lösung mit der Sie schnell und flexibel Ihr Wissen auffrischen und Kompetenzen ausbauen. 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Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0022 Im Interview mit Moritz Hornung: Wie biochemische Zellprozesse die Projektarbeit inspirieren Vom Leben lernen Oliver Steeger Bienenschwärme, Wolfsrudel, Ökosysteme- - für innovative Organisationsmodelle steht die Natur immer wieder Pate. Es ist verlockend, in der Biologie Anleihen zu machen für die Gestaltung von Organisationen. Die Natur meistert mit Bravour, womit Organisationsentwickler heute kämpfen: Organisationen agil an ein dynamisches Umfeld anpassen, wachsende Komplexität meistern, vernetzt denken und laufend mit klugen Lösungen Wettbewerbsvorteile schaffen. Ein neues Modell für Organisationen nimmt die Zelle zum Vorbild. Deren hocheffiziente Abläufe sind Grundlage allen Lebens. Reibungslos und mit hohem Tempo funktionieren die zellbiologischen Abläufe. Eine Zelle verfügt über nahezu perfekte Bedingungen für jeden ihrer Prozesse. Zudem verbessert sie ständig die Umgebung, in denen biochemische Reaktionen ablaufen. Erstaunliche Prozessschleifen greifen ineinander über, die sich selbst regulieren und perfektionieren. Diese Arbeitsweise ist für Systemtheoretiker und Berater wie Moritz Hornung ein perfektes Vorbild. Können wir von den Abläufen einer Zelle auch für Projektorganisationen lernen? „Und ob! “ sagt er. Als erfahrener Projektmanager hat er gemeinsam mit Dr. Clemens Dachs die Organisationsprinzipien von Zellen und Organismen auf Unternehmen übertragen. Herr Hornung, von der Natur zu lernen- - das ist nicht ganz neu für Management und Organisationsentwicklung. Im vergangenen Jahrhundert war von Kybernetik die Rede, heute spricht man gerne davon, Schwarmintelligenz zu nutzen. Dagegen haben Sie etwas Unscheinbares zum Vorbild für Organisationen genommen-- nämlich die mikroskopisch kleine Zelle. Von der Zelle zu lernen, hilft Organisationen zu verbessern, sagen Sie. Was können wir im Projektgeschäft ausgerechnet von Zellen lernen? Moritz Hornung: Unternehmen stehen heute im harten Wettbewerb. Das kenne ich beispielsweise noch vom Anlagenbau. Das Projektgeschäft unterliegt hohem Druck von Kosten und Terminen. Die Margen werden kleiner; Kundenwünsche und Märkte wandeln sich schnell. In Unternehmen kommt es bei Projekten häufig zu Kriseninterventionen und Feuerwehraktionen. In vielen Projektorganisationen herrscht der Eindruck, dass man den Dingen nur noch hinterherläuft. Also nur reagiert, statt effizient zu handeln. Dies bringt viele Organisationen aus der Balance-- und viele Projektteams auch. Was hat dies mit biologischen Zellen zu tun? Zellen gelingt es, starkem Anpassungsdruck standzuhalten. Sie erbringen ständig biochemische Höchstleistungen und passen sich Veränderungen in ihrer Umwelt schnell an. Vor allem: Sie arbeiten laufend an ihrer Effizienz. Sie schaffen optimale Bedingungen für die Arbeit, die sie tun müssen-- also biochemische Prozesse abzuwickeln. Mit Verlaub- - ein Projektteam ist doch keine Zelle! Kann man das wirklich miteinander vergleichen? Ich denke, wir können viel von der Arbeitsweise einer Zelle lernen. Ein Beispiel: Bei Stress bringen sich Zellen schnell wieder in eine Balance, in der sie optimal arbeiten können. Im ständigen Krisenmodus könnten weder eine einzelne Zelle noch ein Organismus überleben. Es gibt Mechanismen, mit deren Hilfe das Leben immer wieder in seine Balance zurückfindet. Das ist ein Punkt unter vielen, die mich verblüffen. Weshalb verblüffen? Leben ist in unserem Kosmos eigentlich sehr unwahrscheinlich. Betrachten wir Leben einmal als Struktur: Diese Struktur 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 4 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 4 19.04.2021 10: 53: 52 19.04.2021 10: 53: 52 Reportage | Vom Leben lernen 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0022 erhält sich selbst-- gegen widrige Umstände. Generell haben Strukturen in unserem Universum wenig Bestand. Die Dinge zerfallen unweigerlich mit der Zeit. Das hat man mit dem Prinzip der Entropie beschrieben. Dennoch gelingt es der Zelle, sich gegen dieses Prinzip erfolgreich zur Wehr zu setzen-- und zwar auf unserem Planeten schon seit vier Milliarden Jahren. Zellen erhalten sich. Sie verbessern sich; sie erneuern sich und passen sich immer wieder der Umwelt an. Der Wunschtraum für jede Organisation-… Natürlich. Jede Organisation will bestehen. Da ähnelt sie dem Leben. Und eine Organisation kann meiner Meinung nach von den Zellen lernen, wie man sich kontinuierlich verbessert und anpasst. Dafür brauchen Unternehmen zuverlässige Mechanismen-- genau wie die Zelle. Also-- was können Organisationen von Zellen lernen? Ich finde die hohe Effizienz spannend, mit der Zellen arbeiten. In einer Zelle finden ja biochemische Prozesse statt; sie ist wie eine kleine Fabrik oder ein Reaktor, der seine eigene Struktur erzeugt. Diese Prozesse laufen mit hoher Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit ab. Da fällt mir der Begriff Katalyse ein. In Zellen optimieren Enzyme biochemische Prozesse. Sie wirken als Katalysatoren. Solche katalytischen Prozesse beschleunigen die Reaktionsgeschwindigkeit und reduzieren den Bedarf an freier Energie. Das ist ein zentrales Prinzip des Lebens. Durch die Entwicklung der Katalyse hat die Zelle Wege gefunden, Reaktionen so zu beschleunigen, dass Leben überhaupt möglich ist. Mehr noch, sie beschleunigt auch die Erzeugung der Katalysatoren selbst. Das ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Ein geniales Prinzip! Vorhin sprachen Sie von Krisenprojekten. Wie können Organisationen zur Ruhe kommen? Es geht darum, optimale Arbeitsbedingungen für Projektteams zu erzeugen und diese ständig zu optimieren. Dafür können Unternehmen bestimmte Strukturen schaffen und Gewohnheiten entwickeln. Zumindest in gesunden Zellen gibt es beispielsweise keine schlecht laufenden Prozesse oder Schnittstellenprobleme. Alles greift ineinander, optimiert und reguliert sich gegenseitig. Wir können dieses Erfolgsprinzip des Lebens auf Organisationen übertragen- - beispielsweise die Verbesserungsprozesse in Zellen und Organismen. Projektteams können wir mit Zellen vergleichen, das Unternehmen mit dem Organismus, dem Mehrzeller. Ich spreche im Konjunktiv: Wohl jedes Projektteam wäre begeistert, wenn es diese optimalen Arbeitsbedingungen hätte. Manche sagen, dies sei ein Wunschtraum. Kaum vorstellbar eine Organisation, in der es nicht hakt und zu Problemen kommt! Dies ist sicher ein Idealbild. Entscheidend ist, wie die Organisation mit den Problemen umgeht, sie abstellt und daraus lernt. Was die optimalen Arbeitsbedingungen betrifft: Was brauchen Projektteams, um bestmöglich zu arbeiten? Beispielsweise müssen alle Werkzeuge, alles Wissen, alle Methoden und alle Ausgangsmaterialien so vorliegen, dass das Projektteam weiterkommt. Fehlt nur eines, wird das Ergebnis beeinträchtigt. Dass aber alles vorliegen-- das geschieht nicht zufällig oder von allein. So etwas muss organisiert werden! Genau das ist doch in der Praxis der entscheidende Punkt. Das Benötigte liegt nicht vor. Mal fehlt Knowhow, mal Werkzeug, mal Material, mal Spezialisten, mal Budget-… Das meinte ich eben, als ich sagte, dass es auf den Umgang mit den Problemen ankommt. Ich denke, dass Organisationen von den Prinzipien der Zellen lernen können. Prinzipien-- zum Beispiel? Wir wissen heute: Die optimalen Reaktionsbedingungen in der Zelle sind Ergebnis einer ständigen Anpassung an eine dynamische Umgebung. Jede Reaktionsumgebung ist selbsterzeugt-- und zwar ganz gezielt. Für uns ist interessant, dass es sich um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess handelt- - und nicht um ein Verbesserungsprojekt, das man alle paar Jahre aufsetzt. Wir brauchen in Organisationen solche ständigen Verbesserungsprozesse, wie wir sie in der Zelle vorfinden. Deshalb setzen wir in unserer Beratung auf eine Reihe von Verbesserungsteams. Wir etablieren in Organisationen vernetzte, crossfunktionale Verbesserungsteams mit klaren Zuständigkeiten. Sie bestehen aus Mitarbeitern von Projektteams und anderen Abteilungen. Diese Teams sorgen dafür, dass beispielsweise Projektteams alles bekommen, was sie für effizientes Arbeiten brauchen. Sie sind quasi für die „Katalyse“ in Projektteams zuständig. Sie erzeugen kontinuierlich optimale Arbeitsumgebungen für die Projekte. Wie funktionieren diese Verbesserungsteams? Vereinfacht gesagt: In einem Projekt entsteht ein Problem. Dies wird einem Verbesserungsteam gemeldet. Das Projekt muss dieses akute Problem lösen. Doch ein Team sorgt jetzt für die Organisation, dass dieses Problem künftig in anderen Projekten nicht mehr auftritt. Das klingt noch sehr theoretisch. Wie sieht dies in der Praxis aus? Ein konkretes Beispiel: Eine Abteilung im Engineering hat das Problem, dass es bei einem bestimmten Arbeitsschritt immer wieder zu vielen Fehlern kommt. Diese Fehler müssen später behoben werden. Die Frage ist natürlich: Woher kommen die Fehler? Eines wissen wir: Es handelt sich um ein typisches Schnittstellen-Problem. Etwa ein Problem mit der IT und den Daten. Wie gehen Sie vor? Optimale Arbeitsbedingungen bestehen aus drei Aspekten, Mensch, Werkzeug und Methode. Schauen wir uns den Menschen näher an. Wir stellen uns die „Können-Wollen-Dürfen“- Frage: Kann der IT-Mitarbeiter überhaupt die Daten richtig zuliefern? Hat er die Fähigkeit, mit den Werkzeugen umzugehen? Dann: Will er die Daten richtig liefern? Hat er die richtigen Anreize-- oder wird er durch bestimmte Anreize gehemmt? Es gibt natürlich auch Fragen nach den Werkzeugen: Passt das IT-System, in dem die Daten geliefert werden, zur Arbeitsumgebung im Projekt? Und: Gibt es überhaupt eine geeignete Methode, diesen Schritt richtig zu machen? Damit haben wir einen ganzen Blumenstrauß von Ursachen-… Richtig. Dieses Problem wird dem zuständigen Verbesserungsteam gemeldet. Es erfasst zunächst das Problem. Was 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 5 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 5 19.04.2021 10: 53: 53 19.04.2021 10: 53: 53 Reportage | Vom Leben lernen 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0022 geschieht? Welches Element der Arbeitsbedingung fehlt? Wer ist zuständig, dieses Element beizubringen? Das Team entscheidet anhand von festgelegten Kriterien, wie wichtig die Sache ist. Hat sie Priorität, geht das Team der Sache auf den Grund und löst das Problem. Die meisten Probleme sind recht unübersichtlich über die Organisation verteilt. Beispielsweise hakt es im Einkauf, und die Schwierigkeiten tauchen in der Entwicklungsabteilung auf. Ein einziges, lokales Verbesserungsteam wird vermutlich nicht allein dieses Problem lösen können-… Nein. Aber es setzt das Problem auf die Tagesordnung und involviert andere Teams, die sich durch die ganze Organisation ziehen. Welche anderen Teams? Wir setzen nicht nur ein Verbesserungsteam in der Organisation auf, sondern Teams mit jeweils verschiedenen Zuständigkeiten. Es gibt die Verbesserungsteams, die Prozesse verbessern und Wissen verfügbar machen; diese Teams könnten den Prozess an der Schnittstelle zwischen Projektteam und IT-Abteilung verbessern. Andere Teams sind für die Beschaffung und Verteilung von Ressourcen zuständig; sie könnten eine IT-Lösung beschaffen, die die Übergabe verbessert. Oder IT-Mitarbeiter ausbilden, die Daten entsprechend aufzubereiten. Das Ziel ist es immer jemanden zu haben, der für die Erzeugung eines fehlenden Erfolgsfaktors verantwortlich ist. Das heißt, es handelt sich um ein Netzwerk von verschiedenen Teams, die sich je nach Zuständigkeit Aufgaben zuspielen? Richtig. Welche Zuständigkeiten sind noch denkbar? Einige Teams entwickeln Strategien oder treffen strategische Entscheidungen. Andere steuern Projektlandschaften. Entscheidend bei alledem ist: Die Koordination zwischen den Teams geschieht nahezu automatisch- - also nach Regeln, nach denen die Teams arbeiten und untereinander kooperieren. Ein anderes Beispiel aus der Praxis: In einer Organisation zeigt sich, dass Projektdirektoren fehlen, also erfahrene Projektmanager. Da liegt ein Engpass. Es stellt sich heraus, dass das Unternehmen zehn Jahre braucht, um eigene Projektdirektoren auszubilden. Die beiden vorhandenen Projektdirektoren setzen sich in vier Jahren zur Ruhe. Da ist es Aufgabe des Teams für Ressourcenbeschaffung, Projektdirektoren herbeizuschaffen oder die Erzeugung zu beschleunigen. Also die Ausbildung von Projektdirektoren? Richtig! Andere Teams liefern dann ein Anforderungsprofil an diese Spezialisten. Es geht immer um die Frage: Wer ist zuständig und verantwortlich, für ein erkanntes Problem Lösungen beizusteuern? Aber diese Frage muss schnell und eindeutig beantwortet werden können. Dies macht die Wirksamkeit der Verbesserung aus. Es geht also um Regelkreise für dezentrale Selbstorganisation? Ja, und das ist ganz im Sinne von Agilität. Soweit wie möglich werden Probleme nicht an übergeordneter Stelle in der Hierarchie bearbeitet, sondern dort, wo die Informationen vorliegen. Ich war in einem Unternehmen selbst Leiter des Projektmanagements. Ich habe mich immer gefragt, weshalb ich für meine Projektmanager entscheiden musste- - also über Fragen, mit denen meine Projektleiter besser als ich vertraut waren. Der Gedanke ist nicht neu, dass man sich in Organisationen weiterentwickelt. Dies gilt besonders für Projektmanagement. In vielen Unternehmen sind Lessons-Learned-Workshops bei Projekten üblich. Nach Projektende wird das dokumentiert, was man gelernt hat- - damit künftige Projekte davon lernen und es besser machen können-… Dieses Lernen durch Lessons-Learned-Workhops dauert viel zu lange! Nehmen Sie als Beispiel ein Anlagenbauprojekt. Es erstreckt sich über zwei bis drei Jahre. Dann wird Bilanz gezogen; man schreibt Erkenntnisse und Erfahrungen auf. Dann braucht es nochmals Zeit bis diese Berichte in anderen Projekten ankommen- - wenn sie dort überhaupt gelesen werden. Werden sie gelesen, hat niemand Zeit und kein Mandat sich darum zu kümmern. Wie wollen Sie in einer agilen, dynamischen Welt mit diesem trägen Verbesserungsprozess überleben? Zellen wären mit solch einem Prinzip längst ausgestorben. Vermutlich! Verbesserungsteams bearbeiten ein Problem sofort, wenn es auftaucht, vielleicht innerhalb einer Woche. Die Verbesserungsteams stimmen sich in sehr kurzen Intervallen ab. Sie sorgen dafür, dass das Problem in Zukunft für alle anderen Projektteams abgestellt wird-- und Rückmeldung geben, ob die erarbeitete Lösung funktioniert. Gestatten Sie mir einen Einwand. Seit Jahrzehnten gibt es Gruppen in Unternehmen, die sich um Verbesserung kümmern. Mitarbeiter sitzen zusammen und überlegen, wie man beispielsweise Schnittstellenprobleme reduzieren kann. Damit sind aber zumeist hierarchiegebundene Komitees verbunden, die Vorschläge und Eingaben prüfen. Das dauert alles zu lange. Auch entwickelt man dabei kaum ein vernetztes System über die ganze Organisation hinweg. Was unterscheidet diese Komitees und andere Abstimmungsrunden von Ihren Verbesserungsteams? Erstens, unsere Teams bestehen aus Mitarbeitern aus den jeweiligen Bereichen- - also Menschen, die die Arbeitsumgebung kennen und wissen, wie ihre Arbeitsbedingungen zu optimieren sind. Zweitens, die Teams arbeiten kontinuierlich. Jeder Mitarbeiter verbringt einen Teil seiner Arbeitszeit in diesen Teams. Drittens, die Zusammenarbeit zwischen Verbesserungsteams ist festgelegt. Wer ist für was zuständig? Wie spielt man sich gegenseitig Aufgaben zu? Wer entscheidet was? Viertens, es gibt feste Regeln, nach denen die Teams arbeiten, beispielsweise Probleme und Eingaben priorisieren. Inwiefern Regeln? Ich habe noch keine Organisationen erlebt, der es an Problemen und Verbesserungsideen mangelt. Die Entscheidung, was davon sinnvollerweise umzusetzen ist, muss an bestimmte Kriterien gebunden sein. Die Auswahl und die Lösungen müssen beispielsweise zur Unternehmensstrategie passen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Da liegt der Unterschied zwischen unserem Modell und den klassischen 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 6 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 6 19.04.2021 10: 53: 53 19.04.2021 10: 53: 53 Reportage | Vom Leben lernen 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0022 Modellen für Verbesserung. Es geht um die Geschwindigkeit und Effizienz, mit der sich Organisationen durch unser Modell anpassen. Wir bringen ja keinen eigenen Inhalt mit. Wir sagen nicht: Die Organisation muss agil werden oder mit Scrum arbeiten. Wir zeigen nur, wie sie auf ihre Art und Weise zu hoher Effizienz kommt. Wir wollen, dass eine Organisation morgen besser arbeitet als heute. Sie soll lernen, ihre optimalen Arbeitsumgebungen für sie sich selbst zu erzeugen. Morgen besser als heute arbeiten-- so schnell? Sicher nicht! Anpassung gibt es auf verschiedenen zeitlichen Ebenen. In Zellen aber verläuft die Anpassung buchstäblich in Echtzeit. Da gibt es keine Intervalle oder Pausen. Die Regelkreise werden etwa über Botenstoffe gesteuert und funktionieren ohne Verzögerung. Eine evolutionäre Veränderung mag dann länger dauern. Aber sie geschieht ganz sicher. Genauso muss es in Unternehmen sein: Probleme in einem Projekt lösen, die andere Projekte über die Lösung informieren, Rückmeldung zu dieser Lösung einsammeln und dann nachsteuern. Hinzu kommen noch die strategischen Prozesse. Die Teams wollen ja nicht nur besser werden nach dem „Höher, schneller, weiter“-Prinzip. Das Unternehmen soll sich ja auch in eine bestimmte Richtung entwickeln. Die strategischen Prozesse ergänzen die Verbesserungsprozesse. Inwiefern ergänzen sie sie? Hat eine Organisation gelernt, durch Verbesserungsteams mit sechs oder sieben Abteilungen ein Problem zu lösen- - dann kann sie über diesen Weg auch eine strategische Richtungsänderung umsetzen. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob die Teams ein Verbesserungsproblem lösen oder eine strategische Entscheidung umsetzen. Beides läuft über die gleichen Mechanismen und Regelkreise ab. Was heißt eine strategische Richtungsänderung auf der Ebene von Teams und Mitarbeitern? Morgen wird anders und besser gearbeitet als heute- - vielleicht, weil es neues Wissen gibt, vielleicht aber auch, weil sich die Strategie verändert hat. Am Ende geht es darum, dass bestimmte Teams ihre Arbeitsweise anpassen. Die Arbeit am System läuft immer durch die gleiche Pipeline. Soweit verstanden! Angenommen, ein Unternehmen will Ihrem Modell folgen. Es verändert damit grundlegend seine Aufbauorganisation-… Nein, das tut es nicht. Die Aufbauorganisation ist aus meiner Sicht zu Beginn nicht der richtige Ansatzpunkt. Ich denke, dass diese Veränderung zu lange dauert. Man hat zu viele Beteiligte und Mitspieler. Bis die Pläne für die neue Organisation genehmigt sind, sind die Ideen häufig wieder veraltet. In der Beratungspraxis gehen wir anders vor. Wir überlegen wir uns: Wo sind Defizite in der Zusammenarbeit? Woher kommen die Probleme? Wo liegen Engpässe? Dann legen wir mit den Verbesserungsteams eine Schattenorganisation über die Aufbauorganisation. Entscheidend ist, dass die Mitarbeiter sowohl die Zeit als auch das Mandat haben, sich an diesen Teams zu beteiligen. Gutes Stichwort- - Zeit. Arbeitszeit ist knapp in Unternehmen. Für Verbesserungsteams muss aber Zeit investiert werden- - und zwar kontinuierlich. Dies dürfte das nicht allen Top-Managern schmecken-… Da haben Sie recht-- mit beiden Aussagen. Die Schwierigkeit kennen wir auch aus der Zellbiologie. Um für den Organismus produktiv zu arbeiten, braucht die Zelle Ressourcen zur Selbsterhaltung. Erst muss sie sich selbst erhalten und der Umwelt anpassen können, bevor sie für den Organismus produktiv werden kann. Strukturen, die keine Energiezufuhr für die Selbsterhaltung haben, funktionieren auf Dauer nicht. Also eine Art Grundumsatz-… Ja, in dieser Art. Konkret heißt dies: Für die Verbesserungsteams braucht man erfahrene, gute Leute-- also auch die ohnehin sehr knappen Ressourcen. Auch sie wenden einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Verbesserung auf. Das ist eine Investition. Für Manager, die nur auf den Output schauen, könnte diese Investition schwierig zu akzeptieren sein. So, wie Sie dies beschreiben, ist diese Investition nicht das einzige, was Top-Manager zu akzeptieren haben. Viele Entscheidungen werden ja dezentral getroffen, quasi an der Basis. Da gibt es durchwegs Parallelen zur agilen Vorgehensweise: Entscheidungen dorthin bringen, wo die Informationen sind. Wie sehen Sie die Rolle der Manager? Manager sind Befähiger des Systems. Sie befähigen es, sich auf die Schaffung optimaler Arbeitsumgebungen auszurichten. Zudem sind sie häufig auch Teil der Teams, die für Ressourcen zuständig sind: Werkzeug, Mitarbeiter, Material. Für dieses neue Rollenverständnis müssen wir Führungskräfte gewinnen: Der Arbeit an der Organisation und in der Organisation gleichviel Priorität zu geben. Wie verändert sich die Rolle des Projektmanagers-- falls es diesen noch gibt in agilen Organisationen? Der Projektmanager kommt natürlich in unserem Modell vor. Es ist ja nicht nur für agile Organisationen geeignet, sondern auch für klassische oder hybride. In diesem Punkt bezeichne ich mich selbst gerne als Methodenagnostiker. Mir ist es völlig gleich, mit welchen Ansätzen die Organisationen arbeiten. Wie gesagt, wir wollen, dass eine Organisation eine neue Systemdynamik gewinnt. Also zügig vorteilhafte Gewohnheiten entwickelt. Werkzeuge und Methoden sind dann Mittel, nicht Zweck. Also- - welche Veränderungen kommen auf Projektmanager zu? Ich vergleiche hin und wieder die Verbesserungsteams mit einer Art Arbeitsvorbereitung für Projekte. Sie stellen die optimale Arbeitsumgebung für das Team her. Sie bereiten die Katalyse vor. Das bringt natürlich für Projektmanager einige Implikationen mit sich. Einige Projektmanager meinen, dass sie für ihr Projekt eigene Regeln aufstellen müssen: „Mein Projekt-- meine Regeln! “ Das geht hier natürlich nicht. Jetzt gibt es eine Art Vertrag. Einen Vertrag? Ja, quasi einen Vertrag zwischen Organisation und Projekt. Der Projektleiter bekommt für sein Team alles, was er braucht. Anstelle endloser Ressourcen-Meetings mit Streitereien gibt es explizite Mechanismen, wie Ressourcen verteilt werden. Aber dies heißt auch: Er übernimmt die Arbeitsweise und die Prozesse, die in den Verbesserungsteam entwickelt wurden. Aha? Inwiefern? Der Projektmanager ist dafür verantwortlich, dass das, was aus den Verbesserungsteams kommt, angewendet wird. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 7 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 7 19.04.2021 10: 53: 53 19.04.2021 10: 53: 53 Reportage | Vom Leben lernen 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0022 Zudem gibt er noch Rückmeldung, beispielsweise Problemmeldungen oder Verbesserungsvorschläge. Er muss akzeptieren, dass er nicht mehr völlig frei ist. Doch, wie gesagt, dafür bekommt er auch etwas. Neben Ressourcen die Sicherheit, dass sein Team ordentlich arbeitet und die Werkzeuge wie Templates passen. Ich darf noch einmal nachfragen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einer Organisation die Projektabwicklung so konfliktfrei verläuft-… Ich auch nicht. Die konfliktfreie Organisation existiert nicht. Immer wird es Streit um Ressourcen geben-… Richtig. Ressourcen sind limitiert, grundsätzlich limitiert. Diese Konflikte werden nun auf einer anderen Ebene ausgetragen, auf eine andere Weise. Nicht mehr Projektmanager kämpfen um Ressourcen, sondern ein Team entscheidet auf Basis von Regeln und mit Blick auf die Gesamtorganisation. Die Probleme, die ein Projektmanager hat, werden an anderer Stelle gelöst. Manchmal für ihn, manchmal mit ihm-… Das Ideal wäre, dass diese Zuteilung von Ressourcen völlig geräuschlos und konfliktfrei nach Regeln abläuft-… Das ist ein Ideal. Offen gesagt, ich habe dies so noch nie erlebt. Menschen sind eben keine Moleküle. Aber ich habe beobachtet, dass beispielsweise Feuerwehreinsätze bei Krisenprojekten seltener werden und die Organisation produktiver wird. Sprechen wir bitte darüber, wie Unternehmen Ihr Modell umsetzen. Sie haben eben einiges angedeutet. Es geht nicht um Veränderung der Aufbauorganisation. Es wird eine Schattenorganisation über diese Aufbauorganisation gelegt. In groben Zügen skizziert-- wie darf ich mir diese Veränderung in der Praxis vorstellen? Das hängt von der Ausgangsbasis ab. Ist das Projektmanagement oder sind einzelne Projekte in einer Krise, steht am Anfang die Krisenintervention. Dann geht es noch nicht um Ordnen, Klarheit schaffen und Prioritäten setzen. Sie verbinden zunächst die Wunden? Richtig! Wenn wir kommen, ist häufig der Leidensdruck groß. Ist die Wunde verbunden, starten wir mit einer Art Stammzelle. Zunächst vermitteln wir unser Modell in Trainings und zeigen, wie es funktioniert. Anhand der Schmerzpunkte im Unternehmen formulieren wir Hypothesen über mögliche Engpässe. Wir verorten und analysieren Stakeholder, und wir analysieren, woher Unternehmen ihre Ressourcen bekommen. Wie geht es weiter? Häufig nehmen wir uns dann einen dieser Engpässe vor und installieren ein Verbesserungsteam. Dies ist unsere Stammzelle, wie wir dies nennen. Dann teilen wir diese Zelle. Die zweite Zelle ist für etwas Neues zuständig, beispielsweise für Ressourcenbeschaffung. So teilen wir die Zellen immer wieder und breiten sie quasi über die Organisation aus. Sie fangen also an einem Punkt an und versuchen immer mehr Bereiche der Organisation abzudecken. Ist Ihnen das je komplett gelungen? Wir sind bei einigen Unternehmen schon weit gekommen. Mein Kollege Dr. Clemens Dachs hatte große Implementierungen mit über 1.000 Beteiligten und Dutzenden von Teams. Wo liegen die Herausforderungen bei diesen Implementierungen? Das größte Problem ist, dass diese Implementierungen Veränderungen für Mitarbeiter und Führungskräfte bedeuten. Nun, das bringen generell Veränderungsinitiativen mit sich-… Es handelt sich bei unserem Vorgehen um echte Veränderungen, die jeder Mitarbeiter spürt. Das Ziel ist: Jeder arbeitet morgen besser als heute. Ich will die Floskel von der Komfortzone, die man verlassen muss, nicht überstrapazieren. Doch wir Menschen sind im gewissen Sinne Gewohnheitstiere, denen es schwerfällt, Muster und Glaubenssätze in Frage zu stellen und auch zu durchbrechen. Glaubenssätze? Glaubenssätze wie zum Beispiel: Viel hilf viel! Oder der Output der Organisation zählt- - und nicht die Arbeit, die in Verbesserung und Selbsterhaltung investiert wird. Solche Glaubenssätze müssen wir auflösen. Deshalb müssen wir am Anfang auch sehr schnell Erfolge erzielen und damit die Menschen überzeugen. Sie brauchen das Gefühl, dass sie ein wichtiger Teil eines großen Ganzen sind und sich positiv einbringen können. Was antworten Sie Menschen, die die Investition in Verbesserung nicht einsehen wollen? Verweisen Sie auf Zellen, die sich zunächst selbsterhalten, bevor sie für den Organismus selbst tätig werden? Man kann diesen Punkt mit Hilfe der Zellbiologie gut erläutern. Ich habe aber noch eine andere Analogie. Ich verweise auf Top-Athleten. Athleten verwenden weit mehr Zeit für Trainings als für Wettkämpfe, bei denen sie Medaillen sammeln. Dies leuchtet fast jedem ein. Literatur Dachs, Clemens: Viable Project Business: A Bionic Management System for Large Enterprise, Springer (2020); ISBN-13: 978-3 030 629 038 Weitere Informationen im Internet: www.business-survivalist. com (Blog) Eingangsabbildung: © iStock.com / piranka Moritz Hornung Moritz Hornung ist Unternehmensberater bei Siemens Advanta. Er hat mehr als 10 Jahre Berufserfahrung im internationalen Projektgeschäft, auch in leitender Position. Er betreibt einen Blog zum Thema Organisationsbionik und Management. Gemeinsam mit Clemens Dachs arbeitet er an einem Business-Roman, der voraussichtlich in diesem Jahr erscheint (weitere Informationen auf seinem Blog unter www.business-survivalist.com). 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 8 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 8 19.04.2021 10: 53: 57 19.04.2021 10: 53: 57 www.junfermann.de - Wir liefern versandkostenfrei! Neu bei Junfermann Sabine Prohaska Training und Seminare im digitalen Wandel Der E-Learning-Kompass für erfolgreiche Schulungskonzepte Digitale Konzepte werden immer wichtiger und Zukunftsforscher prognostizieren, dass kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Dies erfordert einen neuen, flexiblen Zugang aller Beteiligten und ein Überdenken der bisher bekannten Prozesse. Es geht um innovative Seminarkonzepte, eine völlige Neuausrichtung der Rolle der Trainer, eine offene Unternehmenskultur und um die erforderlichen technischen Voraussetzungen. Das Buch führt diejenigen, die digitale Lernkonzepte entwickeln und umsetzen, durch die wichtigsten Bereiche und liefert eine verlässliche Schrittfür-Schritt-Anleitung für deren professionelle Umsetzung. 176 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 29,00 • ISBN 978-3-7495-0188-5 • Auch als E-Book erhältlich Daniela Blickhan Positive Psychologie und Coaching Von der Lösungszur Wachstumsorientierung Was lässt Menschen „aufblühen“? Daniela Blickhan setzt die Positive Psychologie selbst seit mehr als zehn Jahren im Coaching und in der Ausbildung von Coaches ein. Ihr Resümee: Jeder Coach kann Positive Psychologie als Bereicherung in sein Repertoire aufnehmen. Nach einer Zusammenfassung der für das Coaching relevanten Grundlagen der Positiven Psychologie geht es im 1. Teil um Fragen wie: Was bedeutet „Positive Diagnostik“? Was sind „Positive Interventionen“? Was charakterisiert einen „Positiven Coachingprozess“? Im 2. Teil geht es, abgerundet durch Fallbeispiele, darum, wie sich diese Grundlagen in einem Coachingprozess umsetzen lassen. 232 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 29,00 • ISBN 978-3-95571-951-7 • Auch als E-Book erhältlich Karin Kiesele & Andrea Schlösser Herausfordernde Situationen im Coaching Toolbox Best Practice Nicht jede Coaching-Sitzung verläuft nach Plan. Fast jeder Coach stößt beizeiten in seiner Arbeit an Grenzen, ist verunsichert, überfordert oder gar ratlos. Die Autorinnen beschreiben herausfordernde Coachingsituationen und bieten im Alltag erprobte Hilfestellungen und Interventionen an. Coaches erhalten hier konkrete Tipps und Anleitungen u. a. zu folgenden Themen: Widerstände und Blockaden, ins Stocken geratene Prozesse, Umgang mit Emotionen und Krisen, Selbstfürsorge, Umgang mit Absagen und Zahlungsausfällen u. v. m. 192 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 28,00 • ISBN 978-3-95571-953-1 • Auch als E-Book erhältlich Karin Kiesele & Andrea Schlösser Herausfordernde Situationen im Coaching Toolbox Best Practice Nicht jede Coaching-Sitzung verläuft nach Plan. Fast jeder Coach stößt beizeiten in seiner Arbeit an Grenzen, ist verunsichert, überfordert oder gar ratlos. Die Autorinnen beschreiben herausfordernde Coachingsituationen und bieten im Alltag erprobte Hilfestellungen und Interventionen an. Coaches erhalten hier konkrete Tipps und Anleitungen u. geratene Prozesse, Umgang mit Emotionen und Krisen, Selbstfürsorge, Umgang mit Absagen und Zahlungsausfällen u. 192 Seiten, kart., E-Book inside • € (D) 28,00 • ISBN 978-3-95571-953-1 • Auch als E-Book erhältlich Daniela Blickhan Positive Psychologie und Coaching Von der Lösungszur Wachstumsorientierung Was lässt Menschen „aufblühen“? Daniela Blickhan setzt die Positive Psychologie selbst seit mehr als zehn Jahren im Coaching und in der Ausbildung von Coaches ein. Ihr Resümee: Jeder Coach kann Positive Psychologie als Bereicherung in sein Repertoire aufnehmen. Nach einer Zusammenfassung der für das Coaching relevanten Grundlagen der Positiven Psychologie geht es im 1. Teil um Fragen wie: Was bedeutet „Positive Diagnostik“? Was sind „Positive Interventionen“? Was charakterisiert einen „Positiven Coachingprozess“? Im 2. 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Aktuelle Erkenntnisse der modernen Molekularbiologie zur Gestaltung von Organisationen zu nutzen, bleibt bisher einzigartig. Diesen Weg hat Chief Engineer Dr. Clemens Dachs federführend über Jahre vorangetrieben. Er hat die Wirkungsweise von lebenden Zellen übersetzt und im Kontext der Gestaltung und Steuerung von Unternehmen praktisch nutzbar gemacht hat. Die Annahme dahinter ist einfach: Jedes Unternehmen hat ganz individuelle Strukturen und Eigenheiten, so wie auch ein Mensch und ein Baum völlig unterschiedlich sind. Doch beide sind Lebewesen, die auf Zellebene nach denselben Prinzipien funktionieren- - Prinzipien, die sich seit über 4 Milliarden Jahren nahezu unverändert bewährt haben. Die Molekularbiologie erlaubt es uns zu verstehen, wie Leben grundsätzlich funktioniert. Sie erklärt, wie es das Leben, allen Katastrophen zum Trotz, geschafft hat, Jahrmilliarden zu überdauern. Die Physik lehrt uns, dass Ordnung kaum zufällig entsteht. Mehr noch: Struktur und Ordnung in unserem Universum zerfällt stetig. Doch Lebewesen scheinen sich diesem Trend entziehen zu können. Schon der Physik-Nobelpreisträger Erwin Schrödinger bemerkte: „Ihnen (Lebewesen) gelingt es-[…] aus Ordnung wiederum Ordnung zu schaffen“. Doch wie schafft Leben dieses Kunststück, etwas höchst Unwahrscheinliches doch zuverlässig zu tun? Das Zauberwort heißt Katalyse. Zellen besitzen Katalysatoren für jede Reaktion, die in ihnen abläuft. Nicht für manche, sondern für jede einzelne Reaktion. Eine katalysierte Reaktion läuft unglaublich schnell und energieeffizient ab. Doch woher kommen diese Katalysatoren? Die Zelle erzeugt sie selbst. Sie erzeugt sogar die Katalysatoren selbst, die wiederum die Erzeugung der Katalysatoren beschleunigt. Dieser sich selbst verstärkende Kreislauf macht es erst möglich, dass dauerhafter Stoffwechsel entsteht. Im Geschäft ist es doch sehr ähnlich! Wer kennt das nicht: Die Dateiablage ist nicht aufgeräumt, die Werkzeuge sind benutzerunfreundlich, und die wichtigen Dinge erzählt einem ohnehin niemand. Das Resultat schlechter Arbeitsbedingungen sind langsame, unzuverlässige Abläufe. Hätte man hingegen beste Arbeitsbedingungen würde alles viel schneller ablaufen: Passende Fähigkeiten, Motivation, Werkzeuge und Vorlagen und eine gute Methode. Doch diese optimalen Bedingungen entstehen nicht zufällig. Die Organisation muss sich diese erzeugen und auch erhalten. Jeder Arbeitsplatz, jeder Prozess und jeder geschulte Mitarbeiter ist ein Erzeugnis organisatorischer Abläufe. Das ist kein Aufruf dazu, sich nur noch um sich selbst zu kümmern. Es ist ein Hinweis, dass die nachhaltige „Arbeit am System“ zwingend notwendig ist. Tut die Organisation das nicht, zerfällt bestehende Ordnung. Unser Netzwerk an Verbesserungs-Teams bildet diese zuverlässige „Verbesserungs-Maschine“. Organisationen erwerben damit die Fähigkeit, sich selbst schneller anzupassen und neu zu erfinden. Denn: Nur Organisationen, die sich selbst effizient ordnen, sind in der Lage Nutzen für andere zu produzieren, egal ob Mitarbeiter, Lieferanten, Investoren, Kunden oder die Gesellschaft selbst. Doch wenn Prozesse reibungslos und schnell laufen, stoßen wir auf den grundlegenden Engpass. Dieser Engpass ist allen Lebewesen und Organisationen gleich: Ressourcen. Um die gewonnene Dynamik aufrechtzuerhalten, benötigen Organisationen nicht nur Ressourcen (Menschen, Werkzeuge und Material), sie müssen auch in der Lage sein, diese zu verteilen. Ressourcen kommen von außerhalb, indem wir mit unseren Partnern symbiotische Beziehungen pflegen. Es ist ein Geben und Nehmen, das funktioniert, solange beide Seiten einen Nutzen daraus ziehen. Einer der wichtigsten Symbionten unserer Organisation sind die Mitarbeiter. Deshalb sind der Aufbau und das Teilen von Wissen und die Befähigung 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 10 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 10 19.04.2021 10: 54: 02 19.04.2021 10: 54: 02 Reportage | Enterprise Bionics®-- ein bionisches Betriebssystem für Projektorganisationen Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen projektron.de Projektmanagement-Software Projektron BCS ganz zentrale Aspekte unseres Wirkens. Sind Ressourcen sichergestellt, gilt es einen Zustand der inneren Balance zu erreichen, in der alle lebensnotwendigen Abläufe dauerhaft versorgt werden. Zellen lehren uns, dass die Mechanismen von Lean Management und Agilität keine Erfindungen, sondern vielmehr Entdeckungen sind. Der Erfolg dieser Management-Philosophien ist insoweit nicht überraschend, da unsere Zellen deren Methoden bereits seit Jahrmilliarden nutzen. Zugespitzt gesprochen: Leben wie wir es kennen, würde gar nicht ohne diese Mechanismen funktionieren. Deshalb stelle ich mir nicht die Frage, was ist besser: Lean oder agil? Das Ideal ist es, Organisationen so zu gestalten, dass sie einerseits stabil und zuverlässig und andererseits wandelbar und dynamisch sind. Es geht um Systemdynamik und nicht um Methoden. Denn die gewählten Methoden müssen zur Ausgangssituation und Zielsetzung der Organisation passen. Die Systemdynamik hingegen ist zwingend, um dauerhaft bestehen zu können. Anzeige 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 11 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 11 19.04.2021 10: 54: 05 19.04.2021 10: 54: 05 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0024 Im Interview mit Rüdiger Reinhardt: Weshalb viele Mitarbeiter bei Veränderungen nicht „mitziehen“ Vollbremsung aus Angst Oliver Steeger Veränderungen in Unternehmen erzeugen Angst. Daran scheitern viele Changeprojekte, beispielsweise die Einführung agiler Arbeitsweisen. Doch wie kommt es zu dieser Angst? Offenbar ein uralter psychologischer Mechanismus: Veränderungen berühren tiefe psychische Grundbedürfnisse im Menschen-- und lösen eine ebenso automatische wie unbewusste Angstreaktion aus, die die Mitarbeit am Wandel blockiert. Gegen diese Angstreaktion richten Projektmanager zunächst wenig aus. Doch sie können Mitarbeiter unterstützen, psychische Ressourcen aufzubauen und sich aus der Schockstarre zu befreien. Ein Gespräch mit dem Wirtschaftspsychologen Professor Rüdiger Reinhardt von der „Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen“. Herr Professor Reinhardt, immer mehr Unternehmen setzen auf agiles Projektmanagement. Agilität setzt tiefgreifende Veränderungen, sowohl in den Strukturen von Unternehmen als auch beim Mindset von Menschen, voraus. Hinsichtlich der Veränderungsbereitschaft von Menschen sind die Ergebnisse häufig ernüchternd. Einige begeistern sich fürs agile Arbeiten. Viele andere aber tun sich schwer mit den Veränderungen und reagieren mit Widerstand. Wie erklärt dies ein Wirtschaftspsychologe? Überschätzen wir die Bereitschaft und die Fähigkeit der Menschen, neue Wege zu gehen? In Unternehmen meint man häufig, Mitarbeiter seien formbar. Ich vergleiche sie eher mit einem Tennisball. Man kann sie drücken-- doch sie springen wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Veränderungen sind wirklich schwierig. Mal Hand aufs Herz: Wie gut klappt es mit Ihren persönlichen Veränderungen-- etwa mit guten Vorsätzen zum neuen Jahr? Setzen Sie die wirklich um? Hmm. Wenn ich ehrlich bin-- nicht immer! Und dies, obwohl die Veränderung in ihrem ureigenen Interesse ist. Durch gesunde Lebensführung können wir viele Krankheiten vermeiden. Doch wie viele Menschen nehmen wirklich ab, bewegen sich mehr, rauchen oder trinken weniger? Wie sollen da Änderungen gelingen, die von außen gewünscht werden-- etwa vom Chef? Wir sind also schlecht darin, uns zu verändern. Woran liegt dies? Schauen wir uns dies an einem konkreten Beispiel an. Ein neuer Abteilungsleiter oder Manager tritt seinen Dienst an und will in seinem Bereich „aufräumen“. Er will Innovatives in Gang setzen, Prozesse verschlanken, neueste Ideen aus dem Management umsetzen. Er ist begeistert. Die Mitarbeiter aber sind es nicht. Sie sehen, dass Unbekanntes auf sie zukommt. Wie reagieren Menschen auf Unbekanntes? Sie erkennen darin eine Bedrohung. Dies löst in ihrem Gehirn eine Standardreaktion aus: entweder fliehen, kämpfen- - oder etwas, dass man „freeze“ nennt, das Verfallen in eine Art Starre. Das heißt-- wer Veränderungen in Unternehmen verkündet, der erschreckt seine Mitarbeiter zunächst? Eine Art Vollbremsung aus Angst? Richtig. Bei Menschen schließen sich in diesen Situationen mit einem Mal die Scheuklappen. Sie bekommen eine Art Tunnelblick. Diese Angstreaktion läuft völlig automatisch und unbewusst ab. Und es dauert lange, bis wir aus diesem Automatismus wieder herauskommen. Ein Beispiel aus dem Alltag: Stellen Sie sich vor, Sie gehen im Wald spazieren. Vor Ihnen auf dem Weg sehen Sie plötzlich eine Schlange. Sie 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 12 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 12 19.04.2021 10: 54: 08 19.04.2021 10: 54: 08 Reportage | Vollbremsung aus Angst 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0024 sind erschreckt. Ihr Blutdruck steigt. Ihre Muskeln spannen sich an, Ihr Herz schlägt schneller, Ihr Angstzentrum ist aktiviert. Dann erkennen Sie- - erst deutlich später- -, dass die vermeintliche Schlange nur ein Aststück ist. Entscheidend ist: Die Angstreaktion ist viel schneller, direkter und packender als das spätere Erkennen des tatsächlichen Sachverhalts, also die Interpretation. Wie kommt es dazu? In unserem Gehirn sind-- mit Ausnahme des Riechsinns-- unsere Sinnesorgane mit dem Thalamus verschaltet. Der Thalamus verarbeitet als eine Art Zentrale die Reizinformationen. Hier wird das Signal gesplittet: Ein Teil der Informationen geht an unsere Amygdala, unser Angstzentrum. Und dieses Angstzentrum arbeitet unglaublich schnell, viel schneller als die jeweilige Gehirnregion, das die jeweiligen Informationen interpretiert und einordnet. Wie gesagt, dies ist völlig automatisiert. Vermeiden kann man die Angstreaktion nicht. Wir müssen sehen, wie wir mit ihr umgehen. Was bedeutet dies für einen Change-Prozess? Heute setzt man bei guten Changeprojekten auf Informationskampagnen und die Einbindung von Mitarbeitern. Trotzdem haben wir mit dieser schnellen Reaktion und der Aktivierung des Angstzentrums zu tun. Diese Reaktion macht Veränderung zunächst unmöglich. Die Aufgabe der Führungskräfte und der Change-Spezialisten muss sein, das Belohnungssystem in unserem Gehirn zu aktivieren: Das Bedrohungssystem wird, wie bereits gesagt, immer automatisch aktiviert. Um das Belohnungssystem aktivieren zu können, muss man schon genauer wissen, was die eigenen Leute motiviert. Zudem ist es hilfreich, die Menschen aus dieser Angstreaktion herauszuholen. So, wie Sie beim Waldspaziergang nach dem ersten großen Schreck erkennen: Die Schlange ist nur ein Stück totes Holz. Dazu benötigt es aber klare und widerspruchsfreie Kommunikation. Eben haben Sie das Wort Tunnelblick verwendet. Weshalb haben Mitarbeiter diese Angst vor Veränderungen? Was spielt sich in den Köpfen ab? Wir müssen bei allem eines im Hinterkopf behalten: Menschen folgen psychologischen Grundbedürfnissen, beispielsweise dem Bedürfnis nach Kontakt, nach Bestätigung, nach Anerkennung oder nach Selbstwertgefühl. Also einer Art von Grundmotiven? Bei den Begriffen sollten wir etwas achtgeben. Im Alltagsleben wird Motiv und Bedürfnis häufig ähnlich gebraucht. In der Psychologie haben wir aber eine klare Unterscheidung. Motive sind eine Kombination einerseits aus Bedürfnissen sowie andererseits aus Wegen, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Also, die Faustformel ist: Motive sind Bedürfnis plus Weg. Ja. Wir haben die gleichen psychologischen Bedürfnisse, aber individuelle Wege, sie zu befriedigen. Zum Beispiel Selbstwertgefühl: Der eine stellt sich in den Mittelpunkt. Der andere versucht durch exzellente Arbeit zu glänzen. Wieder ein anderer wird vielleicht promovieren. Und: Aus der Forschung weiß man, dass Menschen mit ohnehin hohem Selbstwertgefühl das Bedürfnis haben, dieses Gefühl noch weiter zu erhöhen. Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl dagegen zielen eher darauf, dass dieses Gefühl nicht noch weiter beschädigt und frustriert wird. Das heißt, das gleiche Grundbedürfnis führt zu unterschiedlichem Verhalten. Veränderungen „bedrohen“ also diese Grundbedürfnisse? Und das löst die Angstreaktion aus? Im Laufe seines Arbeitslebens hat jeder Mitarbeiter Wege gefunden, seine Grundbedürfnisse am Arbeitsplatz mehr oder weniger gut zu befriedigen. Veränderungen gefährden dies natürlich. Angenommen, ein Manager ordnet Teamarbeit neu. Für den einzelnen Mitarbeiter stellt sich die Frage: Wie kann ich dann morgen durch meine tägliche Arbeit mein Bedürfnis nach Selbstwertgefühl befriedigen? Da wird etwas bedroht, das haben Sie eben richtig benannt; die Sorge löst die Angstreaktion aus. Ein konkretes Beispiel: Ein Vorgesetzter spricht seinen Mitarbeiter auf dem Flur an. Er teilt ihm im Vorbeigehen mit, dass er künftig neue Aufgaben bekommen wird. Damit er diese zusätzliche Arbeit schafft, werden ihm andere Aufgaben genommen. Sofern der Mitarbeiter an anderer Stelle entlastet wird-- was spricht gegen andere Aufgaben? Das wird die Führungskraft vielleicht so sehen wie Sie. Doch der Mitarbeiter sieht dies möglicherweise anders. Seine Gedanken drehen sich um Grundbedürfnisse. Kann er die neuen Aufgaben, die er bekommt, genauso gut lösen wie die alten? Wird seine Arbeit gewertschätzt wie bisher? Dann ein weiteres Bedürfnis, nämlich das nach Bindung und Zugehörigkeit. Dieses Bedürfnis ist eines der stärksten des Menschen. Wir sind soziale Wesen. Darf der Mitarbeiter weiterhin mit den Kollegen zusammenarbeitet, mit denen er bislang so gut kooperiert hat? Dies alles spürt der Mitarbeiter nicht als Schreck. Es ist eher eine Emotion im Hintergrund-… …-Grübeln, feuchte Hände, leichtes Zittern, ein Kloß im Hals-… So etwas in der Art. Die Emotion ist nicht scharf. Doch sie ist da und löst Angst aus. Diese Angst kann Mitarbeiter durchaus belasten. Sie nehmen Gewicht zu, sie verlieren Gewicht, sie rauchen oder trinken mehr- - je nachdem, wie sie individuell Stress verarbeiten. Und: Die Angstreaktion blockiert die Veränderung. Die Mitarbeiter scheinen auf der Bremse zu stehen. Vorhin haben Sie einige Bedürfnisse genannt, unter anderem das nach Bindung und nach Selbstwertgefühl. Welche Grundbedürfnisse gibt es darüber hinaus? Das Bedürfnis nach Fairness. Wir wollen genauso behandelt werden wie die anderen. Für Fairness und Unfairness haben Menschen feine Antennen. Wer wird zuerst über die Veränderungen beim Change informiert? Werden etwa die Kollegen aus dem Marketing zuerst einbezogen? Das hängt auch zusammen mit dem Bedürfnis nach Kontrolle, Sicherheit und Vorhersagbarkeit. Wurden Veränderungen „von oben“ verordnet, dann kommt dies in Teilen einem Kontrollverlust gleich. Ein weiteres Bedürfnis ist das nach Autonomie, ein für viele Menschen sehr starkes Bedürfnis. Wir können Autonomie auch übersetzen mit Handlungsspielraum. Menschen wollen Handlungsspielraum. Mitarbeiter, die vor einem Changeprozess 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 13 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 13 19.04.2021 10: 54: 09 19.04.2021 10: 54: 09 Reportage | Vollbremsung aus Angst 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0024 stehen, wissen nicht, ob ihnen die Autonomie erhalten bleibt. Vor einigen Jahren kam wieder das Thema Lean Production auf. Das hat mich erstaunt. In einer Lean-Umgebung sind Mitarbeiter so autonom wie Arbeiter am Fließband. In diesem Konzept sind kaum Freiheitsgrade vorgesehen. Aus meiner Sicht ein klarer Angriff auf psychologische Grundbedürfnisse-… Ich habe verstanden, dass die Angstreaktion Mitarbeiter lähmt. Was läuft da genau ab? Vielfach versuchen Mitarbeiter, in der neuen Situation eine Bedeutung zu finden. Sie grübeln darüber nach. Sie wollen einen Sinn darin finden. Doch diese kognitive Arbeit schränkt die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz ein. Angst reduziert die kognitiven Ressourcen für Lernfähigkeit, Offenheit und Reflexionskompetenz. Die Scheuklappen schließen sich gewissermaßen. In dieser Situation arbeiten Menschen nicht an Changeprojekten mit. Sie sind mit etwas ganz anderem beschäftigt. Wir dürfen nicht vergessen: Diese Reaktion läuft häufig automatisch und unbewusst ab. Wir können sie nicht verhindern. Wir können Mitarbeitern nur helfen, schnell aus dieser Reaktion herauszukommen und in den Interpretationsmodus zu gelangen, um die neue Situation rationaler einzuschätzen. Dafür brauchen Sie psychische Ressourcen. Weshalb erkennen dies Führungskräfte nicht? Führungskräfte kommen häufig aus der Betriebswirtschaftslehre, der Naturwissenschaft, der Rechtswissenschaft oder dem Ingenieurwesen. Dort ist Wirtschaftspsychologie wenig bekannt. Wenn sie sich überhaupt mit dem Thema Mensch und seinem Verhalten befasst haben, dann folgen sie meist recht einfachen, mechanistischen Modellen. Auch späteres Training kann dafür bestenfalls sensibilisieren. Wer sein Verhalten gegenüber Menschen verbessern will, braucht viel Zeit. Jährlich zwei dreitägige Trainings reichen dafür nicht aus. Die Führungskraft muss ihr Mindset ändern. Ihr Mindset ändern-- inwiefern? Viele Führungskräfte betrachten ihre Mitarbeiter nach wie vor als Humanressource. Man kann gemäß dieser Überlegung aus Mitarbeitern irgendwie Arbeitsleistung und Motivation „herausschälen“- - und der ganze Rest gehört ins Private, das die Führungskräfte nichts angeht. Unsere Diskussion der Grundbedürfnisse dürfte zeigen, dass dieses Kalkül nicht aufgeht. Beim Change haben wir es mit dem ganzen Menschen zu tun, nicht nur mit einer Arbeitskraft. Dazu ein Beispiel: Vor einiger Zeit hatte ich einen recht modernen, innovativen Vorgesetzten. Doch es entstand ein massiver Konflikt zum Thema Weiterbildung. Er wollte eine stark esoterisch orientierte Trainerin zur Weiterbildung hinzuziehen. Das war damals weder für mich noch für meine Kollegen akzeptabel. Die Stimmung war angespannt; er holte uns ins Besprechungszimmer, und wir haben mit einem Donnerwetter gerechnet. Stattdessen hat er gesagt: „Ich kann Euch gut verstehen! “ Kommunikationspsychologen nennen so etwas „Selbstoffenbarung“. Sie hat viel mit Authentizität und Spiegelneuronen, also Empathie, zu tun. Innerhalb weniger Millisekunden hat sich bei uns Mitarbeitern unser Bild unseres Vorgesetzten ins Positive gewendet. Für solche Erfolge braucht man keine Mitarbeiter-Jahresgespräche oder tageweise Trainings. Das ist persönliche, ehrliche Kommunikation. Sie gelingt nur, wenn man wirklich auf Augenhöhe von Mensch zu Mensch spricht. Vorhin ist ein interessanter Begriff gefallen. Sie haben von psychischen Ressourcen bei Mitarbeitern gesprochen. Was ist damit genau gemeint? Solche Ressourcen helfen Menschen, schwierige Situationen zu bewältigen. Das Nachdenken über psychische Ressourcen ist in vielen Unternehmen angekommen. Man spricht vielfach von Resilienz, also eine Art persönlichen Widerstandskraft. Das Thema hat bei Unternehmen durchaus Priorität. Seit rund 15 Jahren nehmen psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz zu. Mitarbeiter sind häufiger und länger krank. Die Kosten steigen. Also versucht man dem zu begegnen und durch Trainings oder Seminare vorzubeugen, etwa durch Achtsamkeitstrainings. Die Sache hat aus meiner Sicht einen grundsätzlichen Haken. Denkt man so über Resilienz nach, schiebt man insgeheim dem Mitarbeiter den schwarzen Peter zu. Er ist das „Problem“, er ist nicht resilient genug. Dann sprechen wir nicht mehr etwa über zu großen Workload oder die Erfahrungen der Mitarbeiter mit enttäuschenden Changeprojekten in der Vergangenheit. Trotz aller Systemkritik-- solche individuellen psychischen Ressourcen sind wichtig für Changeprozesse? Sie können den Prozess unterstützen? Es gibt ein gutes Konzept, das in Deutschland wenig bekannt ist: das Psychologische Kapital. Es geht über die Resilienz hinaus und besteht aus vier Komponenten: Neben der Resilienz spielt die Selbstwirksamkeitserwartung eine Rolle, die Hoffnung und der Optimismus. Dieses Konzept ist bei Veränderungen durchaus hilfreich. Selbstwirksamkeitserwartung? Was darf ich darunter verstehen? Menschen mit Selbstwirksamkeitserwartung gehen davon aus, dass sie grundsätzlich eine Situation bewältigen können. In diesem Zusammenhang steht auch die Hoffnung und der Optimismus: Mitarbeiter fühlen sich in der Lage, eine schwierige Situation zu bewältigen- - auch wenn zunächst einiges dagegenspricht. Wie kann man dieses psychologische Kapital aufbauen? Man hat in der Psychologie viel zur seelischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit geforscht. Dabei taucht immer wieder der Begriff des Kohärenzgefühls mit seinen drei Säulen auf, die wiederum mit dem Konzept des Psychologischen Kapitals zusammenhängen. Diese drei Säulen sind Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit. Sie können sehr effektiv Changeprozesse unterstützen. Fangen wir mit der ersten Säule an, der Verstehbarkeit. Verstehbarkeit bedeutet: Für Mitarbeiter ist das, was sie wahrnehmen, nachvollziehbar und in sich stimmig. Sind die Informationen über einen geplanten Change konsistent? Oder liest man auf der Website etwas anderes als die Führungskraft kürzlich gesagt hat? Passt das, was andere über den Change sagen, zu dem bisher Bekannten? Passt das, was die Presse berichtet, zu dem Gesagten auf der letzten Mitarbeiterversammlung? Ist die Sache dieses Mal wirklich ernst gemeint- - oder wieder nur ein Changeversuch, der nach einem halben Jahr steckenbleibt? Dies alles hat eine starke 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 14 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 14 19.04.2021 10: 54: 09 19.04.2021 10: 54: 09 Reportage | Vollbremsung aus Angst 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0024 persönliche Seite: Menschen wollen das, was für sie eine Herausforderung ist und sie Kraft kosten wird, in einen größeren Zusammenhang einordnen. Wie sieht es mit der Säule „Bewältigbarkeit“ aus? Mitarbeiter wollen Veränderungen zum einen in den Kontext des Business und der Strategie ihres Unternehmens, zum anderen auch aber persönlich hinsichtlich ihrer Stärken einordnen. Da kommen dann auch die Bedürfnisse ins Spiel. Kann der Mitarbeiter die Aufgaben lösen, die auf ihn zukommen? Verfügt er über die Ressourcen, die er zur Bewältigung der persönlichen Herausforderungen braucht? Wie sieht es aus mit Resilienz, Selbstwirksamkeit, Hoffnung und Optimismus? Wenn Führungskräften mit ihren Mitarbeitern über Stärken sprechen, meinen sie meistens Fähigkeiten. Doch hier geht es um ganz andere Stärken, nämlich psychische Stärken. Die dritte Säule „Sinnhaftigkeit“ richtet sich auf die Frage, ob Mitarbeiter in den Veränderungen einen Sinn erkennen können. Ist der Change wirklich sinnvoll? Führt er weiter? Wird ehrlich über die Sinnhaftigkeit gesprochen-- oder redet man von Kundenzufriedenheit und meint eigentlich ein Kostensparprogramm? Was häufig übersehen wird: Hier geht es um echten Sinn-- und nicht um irgendeine Zweckmäßigkeit. Inwiefern um echten Sinn? Wie vorhin gesagt, Führungskräfte neigen zu mechanistischen Auffassungen. Sie trennen häufig die Arbeitskraft vom Menschsein. Sinn aber hängt mit dem ganzen Menschen zusammen. Führungskräfte sollten deshalb zur Kenntnis nehmen, dass sie bei Veränderungsprozessen mit dem Mitarbeiter als Menschen und nicht nur als Human Ressource zu tun haben. Kommt diese Idee langsam in Unternehmen an? Einiges ist ermutigend. Beispielsweise geht es bei „New Work“ um einen echten Sinn. Mitarbeiter haben einen feinen Sinn dafür, ob beispielsweise die Einführung von Agilität wirklich sinnvoll ist-- oder nur das Surfen auf einer Managementwelle sein soll. Agiles Arbeiten wurde vor rund 15 Jahren in Softwareprojekten entwickelt. Die Teams haben damals erkannt, dass es für sie nur die Aufgabe und die Kundenerwartung an die Lösung gibt-- und nichts mehr. Vorgaben, Prozesse und andere Vorgaben interessierten sie nicht. Sie haben sich nichts vorschreiben lassen und aus ihrer Sicht wirklich sinnvoll gearbeitet. Später hat man Agilität aus diesen Softwareprojekten gelöst und in ganz andere Unternehmenskulturen übertragen-- mit teil durchwachsenen Ergebnissen. Eben weil die Kultur nicht passte? Oder die Agilität nur übernommen wurde, weil sie gerade en vogue ist? Dies nenne ich „Pseudo“. Setzen die Unternehmen ein neues Konzept um, weil sie glauben, dass sie es brauchen und es wirklich funktioniert? Werden Ziele formuliert? Wird das Changeprojekt hinterher evaluiert hinsichtlich Effektivität und Effizienz? Ist es dann noch hinsichtlich der Herausforderung die beste Lösungsvariante? Oder springt man nur auf einen Zug auf, der ohnehin rollt- - und wechselt nach einem halben Jahr wieder zu einer anderen Managementmode? Mitarbeiter spüren sehr gut, welche Veränderungspläne wirklich ernst gemeint sind und ob sie Fortschritt bringen. Führen wir bitte die Fäden zusammen. Wir haben über blockierende Angstreaktionen gesprochen, über Grundbedürfnisse, über psychische Ressourcen, Authentizität sowie über Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit. Was können Führungskräfte tun, um Mitarbeiter trotz aller Angstreaktionen für einen Wandel zu gewinnen? Zunächst eine Warnung. Führungskräfte ticken- - psychologisch betrachtet- - ähnlich wie Mitarbeiter. Auch sie haben psychologische Grundbedürfnisse. Auch sie unterliegen der Angstreaktion. In unserer heutigen Unternehmenskultur können sie dies noch weniger zeigen als Mitarbeiter. So gesehen stecken sie in der Bredouille- - und greifen dann zum Strohhalm der Macht. Sie setzen Macht ein. Dadurch können sie viel kompensieren. Und man fühlt sich gut beim Einsatz von Macht. Machteinsatz aktiviert das Belohnungssystem in unserem Gehirn. Er kann die emotionale Balance wiederherstellen. Die Angst wird aufgewogen durch den Machteinsatz. Der Mechanismus hat aber einen entscheidenden Nachteil. Er macht unempathischer. Und die Beziehung zum Mitarbeiter verschlechtert sich zwangsläufig. Verstanden. Nun-- was sollen Führungskräfte tun? Sich Zeit nehmen für die Veränderung. Sich Zeit nehmen? Den Unterschied zwischen dem langsamen und schnellen Denken kennen Sie sicherlich. Bisher haben wir über das schnelle Denken gesprochen. Wir müssen bei Veränderungen allerdings Räume für langsames Denken schaffen. Also einen Ort, an dem man zumindest eine Folge des schnellen Denkens behandeln kann- - nämlich die Angstreaktion hinsichtlich der Grundbedürfnisse. Kurz, ich würde niemals einen Changeprozess anstoßen mit den Worten: Wir machen jetzt agiles Projektmanagement. Ich halte es für wichtiger, dass man anfangs Raum für Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit schafft. Konkret? Statt Veränderungen anzukündigen, kann die Führungskraft einladen zu einem Reviewprozess. Was ist bei den letzten Projekten gut gelaufen-- und was weniger gut? Die Analyse kann man so aufbauen, dass am Ende die Notwendigkeiten ins Auge springen. Dass sich herausstellt: Es wäre in Zukunft gut, sich mit diesen oder jenen Ansätzen zu beschäftigen. Das ist ein Prozess, der die Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Erfahrungen einbindet und zeigt, dass die neue Situation bewältigbar ist. Diese Idee ist übrigens ein Kernanliegen der Pädagogin Maria Montessori. Ihr Leitsatz war: Hilf anderen, es selbst zu tun. Ähnlich hilfreich kann ein Konzept sein mit dem Namen „Appreciative Inquiry“, also wertschätzende Erkundung. Wer erkundet da was? Der übliche Changeprozess setzt ja Anforderungen von oben oder von außen um. Es wird ein Projektplan entwickelt, ein „Sollzustand“ benannt, der sich vom derzeitigen „Ist-Zustand“ unterscheidet. Dieser Ansatz sagt eine Menge über das Menschenbild aus: Er bietet eine negative Orientierung. Mitarbeiter haben einen negativen Abstand zum Ziel. Sie müssen besser werden. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 15 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 15 19.04.2021 10: 54: 09 19.04.2021 10: 54: 09 Reportage | Vollbremsung aus Angst 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0024 Das Soll sagt immer, dass es noch nicht genug ist. Ja. Appreciative Inquiry geht einen anderen, stärkenorientierten Weg. Man schaut sich die gemeinsame Vergangenheit an und betrachtet, wie man vorher gemeinsam Krisen bewältigt hat. Das ist für viele ein Entdeckungsprozess. Er leitet auch zu den damaligen Gefühlen zurück, zu den Angstreaktionen und dem langsamen Erkenntnisgewinn, der dazu geführt hat, dass man zusammen die Situation bewältigt hat. Durch diesen Prozess transferiert man quasi die positiven Emotionen aus der Vergangenheit in die Gegenwart- - und baut so psychische Ressourcen auf. Diese positiven Emotionen aus der Vergangenheit sind genau das, was Mitarbeitern in der Gegenwart hilft, aus der Angstreaktion zu kommen und die Scheuklappen wieder aufzumachen. Sie werden durch diese Emotionen offener und kreativer. Sie entwickeln Ideen zur Umsetzung, können mit Ängsten besser umgehen, und auch das Vertrauen und die Beziehungen untereinander werden besser. Übrigens gehen gute Coaches ähnlich vor. Sie suchen nach den Ressourcen des Klienten häufig auch in der Vergangenheit und wecken dabei positive Emotionen. Nochmals zur Vorgehensweise: Zunächst gemeinsam feststellen, dass es nicht optimal läuft. Dann schauen, wo die Stärken und Schwächen vergangener Projekte sind. Die Ergebnisse analysieren und zusammen eine Lösung finden, die am Ende zu agilen Ansätzen leiten kann. Das ist die operative Vorgehensweise. Wichtig ist auch die andere Ebene, die emotionale Vorgehensweise, also die Emotionen aus der Vergangenheit als Ressource in die Gegenwart überzuführen. Beide Prozesse kann man gut miteinander verzahnen. Das Charmante dabei ist: Viele dieser modernen Ideen für Leadership und Management sind wissenschaftlich abgesichert und in ihrer Wirksamkeit überprüft. Sie stammen aus der positiven Psychologie oder aus der Disziplin „positive Leadership“. Nehmen Sie als Beispiel das Konzept des Psychologischen Kapitals. In Deutschland ist dies nahezu unbekannt-- dagegen in den USA, in Kanada, Australien, Indien und Südafrika mittlerweile gut verbreitet. Man wird in Deutschland vielleicht einwenden, dass diese Prozesse zu lang dauern. Ich denke, das ist ein Irrtum. Gerade beim Psychologischen Kapital finden Sie viele Mikro-Interventionen, die Führungskräfte leicht lernen und im Alltag anwenden können. Da braucht man kein halbes Jahr oder länger, um dies zu implementieren. Zum Beispiel? Führungskräfte können lernen, durch authentische, zielgerichtete Kommunikation Impulse zur Selbstentwicklung und gemeinsamer Entwicklung geben. Dafür braucht man kein Trainingscamp für das Team. Das geht jeden Tag. Nehmen Sie als Beispiel das typische Teammeeting: Ein Projektmanager könnte das Meeting mit dem Vorschlag eröffnen, etwas Neues in die wöchentliche Teambesprechungen einzuführen. Dieser Vorschlag, so könnte er sagen, klingt vielleicht ungewohnt, doch er will selbst den Anfang machen und dann sehen, wie sich im Team seine Idee in Zukunft weiterentwickelt. Er schlägt vor: Er wird auf der Besprechung künftig jedem einzelnen Teammitglied sagen, durch welche Tätigkeit in der zurückliegenden Woche er sich persönlich unterstützt gefühlt hat, hier in der Öffentlichkeit des Teams. Er will sagen, wie jeder Einzelne aus seiner Sicht das Projekt vorangebracht hat. Vielleicht entwickelt sich diese Idee weiter, und jeder sagt jedem etwas Positives, etwas Stärkendes. Der positive Effekt, den solch eine ehrlich gemeinte Geste auf psychische Ressourcen hat, ist wissenschaftlich erwiesen. Dies zu lernen, dafür braucht man kein eintägiges Führungskräftetraining. Dafür braucht es nur Mut der Beteiligten. Eingangsabbildung: © iStock.com / Andrii Yalanskyi Prof. Dr. Rüdiger Reinhardt Prof. Dr. Rüdiger Reinhardt ist Psychologe, Hochschullehrer und Autor. Seit 2015 lehrt und forscht er als Professor für Wirtschaftspsychologie und Empirische Forschung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er leitet den Studiengang „Unternehmensführung“ (HfWU) und ist akademischer Leiter der wirtschaftspsychologischen Masterstudiengänge „Wirtschaftspsychologie & Leadership“ / „Wirtschaftspsychologie & Business Transformation“ / „Wirtschaftspsychologie & Human Resource Management“ (HfWU/ PEMAKO Akademie GmbH). Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Psychologisches Kapital, Wissensmanagement, Neuroleadership, Evolutionäre Führung & Followership. Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 16 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 16 19.04.2021 10: 54: 13 19.04.2021 10: 54: 13 Was beeinflusst agilen Projekterfolg? Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken Yvonne Schoper, Elisa Gertler, Kailey Fox Für eilige Leser | Um auf volatile Märkte reagieren zu können ist ein Wandel vom traditionellen, planungsbasierten hin zum agilen Projektmanagement erforderlich. MitarbeiterInnen müssen sich diesen neuen Managementstil aneignen. Aber sind alle MitarbeiterInnen gleichermaßen in der Lage, sich den agilen Techniken anzupassen und diese erfolgreich anzuwenden? Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss der nationalen Kultur und der Persönlichkeitsmerkmale auf den Erfolg des Individuums beim Einsatz agiler Projektmanagementtechniken besser zu verstehen. Unsere Studie zeigt, dass die nationale Kultur einen größeren Einfluss auf den Erfolg von agilen Methoden hat als die Persönlichkeit. Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse über das Verhältnis von Projektmanagement, Kultur und Persönlichkeit und ein weiteres Argument für die Forderung nach mehr Vielfalt in Projektteams. Schlagwörter | Persönlichkeitsmodelle, kultureller Einfluss, Erfolgsfaktoren, agil, Fähigkeitenanalyse, Arbeitsstil, Forschung, Anpassungsfähigkeit, Praxis Agiles Projektmanagement entstand in den 1990er Jahren in der Softwareentwicklung, seit Anfang der 2000er Jahre ist zu beobachten, dass agile Projektmanagementmethoden in allen Branchen eingesetzt werden. Denn die schrittweise Arbeitsweise ermöglicht es den Organisationen, sich schnell an neue Anforderungen anzupassen, um neue Lösungen zu entwickeln. Dies setzt jedoch die Anpassungsfähigkeit der MitarbeiterInnen an dieses neue Vorgehensmodell voraus [1]. Als Folge ist ein neues Forschungsgebiet entstanden, um zu verstehen, wie sich Unternehmen und Individuen an agile Methoden anpassen und die Erfolgsfaktoren agiler Projektteams zu identifizieren. Forschungsfragen Was beeinflusst die Fähigkeit des Einzelnen, agile Projektmanagementmethoden erfolgreich anzuwenden? Dies ist die Kernfrage dieser Studie, sie untersucht den Einfluss kultureller und persönlicher Merkmale auf die Fähigkeit eines Individuums, agile Projektmanagementtechniken erfolgreich anzuwenden. Welche Kulturen und welche Persönlichkeitstypen sind prädestiniert für eine erfolgreiche Anwendung agiler Projektmanagementtechniken? Ist die Persönlichkeit oder die Kultur wichtiger? Dabei stellen sich folgende Forschungsfragen: FF1: Ist die Fähigkeit eines Individuums, agile Projektmanagementmethoden anzupassen, von seinem kulturellen Hintergrund abhängig? FF2: Hat die nationale Kultur oder der Persönlichkeitstyp einen größeren Einfluss auf den Erfolg eines Individuums, agile Projektmanagementtechniken anzuwenden? Im Rahmen dieser Untersuchung nahmen 73 ProjektmanagerInnen aus 19 verschiedenen Ländern an der Befragung in englischer Sprache teil. Die Erhebungen fanden von Juni bis Juli 2019 statt. Auswahl der Kultur- und Persönlichkeitsmodelle für die Studie Für diese Studie wurde kein singuläres Kulturmodell ausgewählt, sondern eine spezifische Auswahl mehrerer Kulturdimensionen aus unterschiedlichen Kulturmodellen getroffen. Nach Hofstede [2] ist Kultur die kollektive Programmierung einer Gruppe. Diese Programmierung ist in den Wahrneh- 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 17 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 17 19.04.2021 10: 54: 17 19.04.2021 10: 54: 17 mungen, Normen, Werten, Denkweisen und Verhalten der jeweiligen Gruppe verankert. Während Kultur das Verhalten eines Individuums beeinflusst, beeinflusst die Persönlichkeit die Anpassungsfähigkeit eines Individuums. Biologische und Umweltfaktoren tragen zur Persönlichkeit bei, wozu auch emotionale Eigenschaften gehören [3]. Persönlichkeit ist ein umfassend erforschtes Gebiet der Sozialwissenschaften, aus dem zahlreiche Persönlichkeitsmodelle hervorgehen. Eines der am weitesten verbreiteten Persönlichkeitsmodelle ist der Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI). Er beschreibt die Persönlichkeit einer Person durch Analyse der Persönlichkeitsdimensionen, indem er vier Merkmale identifiziert und in 16 Persönlichkeitstypen klassifiziert. Der MBTI wurde in den 1940er Jahren entwickelt und basiert auf den Arbeiten des Psychologen C. G. Jung. Der Vergleich, mit welcher Leichtigkeit Projektteammitglieder die neuen, agilen Projektmanagementtechniken anwenden, zeigt in der Praxis große Unterschiede: Während einige Individuen die Möglichkeit zur Selbstorganisation und die Flexibilität, die agile Methoden erfordern, genießen, lehnen andere diese ab, berufen sich auf die negativen Folgen und hoffen, dass dieser Hype bald ein Ende findet. Die Vielfalt der individuellen Reaktionen auf „Agile“ schafft neue Herausforderungen, z. B. für das Personalmanagement und die PMOs. Der Erfolg eines Individuums, agile Techniken anzuwenden, scheint dabei von dessen Persönlichkeit abzuhängen, z. B. von seiner Offenheit für Innovationen. Aber auch die nationale Kultur des Individuums scheint relevant zu sein; so neigen monochrone Menschen eher dazu, einen linearen, gut durchdachten, strukturierten Arbeitsstil zu bevorzugen als polychrone Menschen, die simultane, spontane Arbeitsstile bevorzugen. Die Abhängigkeit zwischen der Kultur eines Individuums, seinen Persönlichkeitsmerkmalen und seiner Anpassungsfähigkeit an agile Projektmanagementtechniken ist bisher nicht erforscht worden. Unsere Literaturrecherche zeigt, dass es bisher wenige Studien gibt, die den Einfluss der Persönlichkeit auf erfolgreiches agiles Projektmanagement untersucht haben [4; 5; 6] und nur eine Studie, die den Einfluss der nationalen Kultur analysierte [7]. Zunächst wurde das Ziel definiert, vier Kulturdimensionen und vier Persönlichkeitsmerkmale als Kriterien für diese Studie festzulegen. Dazu wurden die Kulturmodelle von Hall, Hofstede und Trompenaars sowie die zwei Persönlichkeitsmodelle MBTI und The Big Four untersucht, um deren Eignung für den Erfolg agiler Methoden von Individuen zu prüfen. Beim agilen Projektmanagement geht es um intensive Teamarbeit ohne Hierarchien, um den Umgang mit schnellen Veränderungen, um das Fehlen von Vorausplanung und um einen loop-weisen, ergebnisoffenen Ansatz. Der Umgang mit Planung und Zeit ist in agilen Projekten grundsätzlich anders. Daher wird für den Umgang mit Zeit Halls Theorie von monochronen vs. polychronen Zeittypen ausgewählt, da diese noch nicht im Zusammenhang mit agilen Methoden untersucht wurde. Zudem werden die drei Kulturdimensionen Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung und Individualismus vs. Kollektivismus von Hofstede ausgewählt. Diese vier Kulturdimensionen wurden nach mehreren Experteninterviews von den Autorinnen ausgewählt, da sie den größten Einfluss auf den Erfolg agiler Techniken zu haben scheinen. Darüber hinaus wurde entschieden, den Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) zu verwenden, um die Charaktereigenschaften eines Individuums bei der erfolgreichen Anwendung agiler Prinzipien zu definieren. Im MBTI wird jeweils ein Indikator (von insgesamt vier) in zwei Präferenzen untergliedert: Der Indikator „Motivation / Antrieb“ wird in „Extraversion“ vs. „Introversion“ unterteilt. Der Indikator „Aufmerksamkeit“ wird in „Intuition“ vs. „Sensorik“ gegliedert. Der Indikator „Entscheidung“ wird in „Denken“ vs. „Fühlen“ unterteilt. Und der letzte Indikator „Lebensstil“ wird in „Wahrnehmung“ vs. „Beurteilung“ untergliedert. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Persönlichkeit beeinflusst, wie Menschen in Teams interagieren. Die Persönlichkeit hat einen Einfluss auf die Teamatmosphäre [8], den Gruppenzusammenhalt [9], die Teamrollen [10] und die Kommunikation zur Konfliktbewältigung [11; 12]. Balijepally [6] argumentiert, dass aufgrund des erhöhten Konfliktrisikos in agilen Teams die Persönlichkeit der Teammitglieder ein wichtiger Faktor ist, der bei der Bildung erfolgreicher agiler Teams zu berücksichtigen ist. Beschreibung des Forschungsansatzes Diese Studie untersucht den Einfluss der Persönlichkeit und der nationalen Kultur auf die Fähigkeit eines Individuums, agile Projektmanagementmethoden erfolgreich zu praktizieren. Das folgende Forschungsmodell wurde für diese Studie entwickelt und getestet: Abbildung 1: Forschungsmodell „Einfluss der nationalen Kultur und Persönlichkeit auf die Fähigkeit des Individuums, agile Projektmanagementtechniken erfolgreich anzuwenden“ Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 18 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 18 19.04.2021 10: 54: 18 19.04.2021 10: 54: 18 Definition der Hypothesen Das Ziel dieser Studie ist eine Rangfolge der Einflussfaktoren nach ihrer Einflussstärke zu erarbeiten. Umgang mit schnellen Veränderungen und das Fehlen von Planung erfordern in hohem Maße eine Kultur der Unsicherheitsvermeidung. Daher wurde die erste Hypothese formuliert: H1: Unsicherheitsvermeidung ist die einflussreichste Kulturdimension hinsichtlich der Fähigkeit eines Individuums, agile Projektmanagementmethoden anzuwenden. In Bezug auf die Dimension „Individualismus vs. Kollektivismus“ konnten die Autorinnen kein klares Urteil darüber fällen, welche der beiden Eigenschaften vorteilhafter ist. Auch wenn eine positive Beziehung zwischen Individualismus und Agilität angenommen wird, ist Kollektivismus wichtig für die Teamfähigkeit eines Individuums, die zum Erfolg der Agilität beiträgt. Dementsprechend kamen die Autorinnen zu folgender Annahme: H2: Individualismus vs. Kollektivismus ist die Kulturdimension, die den geringsten Einfluss auf die Fähigkeit eines Individuums hat, agile Projektmanagementmethoden anzuwenden. Da die agilen Werte Flexibilität und Offenheit gegenüber Veränderungen der Wahrnehmung eines Individuums zugeschrieben werden, gehen die Autorinnen vom Folgenden aus: H3: „Wahrnehmen vs. Beurteilen“ ist das einflussreichste Persönlichkeitsmerkmal hinsichtlich der Fähigkeit eines Individuums, agile Projektmanagementmethoden zu praktizieren. Im Gegensatz dazu hat die Dimension „Denken vs. Fühlen“ keinen direkten Einfluss auf agile Methoden, sondern eher auf persönliche Entscheidungsfindung. Dies führt zu der folgenden Hypothese: H4: „Denken vs. Fühlen“ ist das Persönlichkeitsmerkmal mit dem geringsten Einfluss hinsichtlich der Fähigkeit einer Person, agile Projektmanagementmethoden anzuwenden. Hofstede und McCrae [13] vermuten, dass die Persönlichkeit signifikant mit der Kultur eines Individuums korreliert ist. Hofstede argumentiert, dass Persönlichkeitsmerkmale durch kulturelle Einflüsse bestimmt werden. Basierend auf dieser Erkenntnis wird erwartet, dass der kulturelle Einfluss auf die Fähigkeit des Individuums, agile Methoden erfolgreich anzuwenden, größer ist als der der Persönlichkeitsmerkmale: H5: Die nationale Kultur hat einen stärkeren Einfluss auf die Fähigkeit eines Individuums, agile Projektmanagementmethoden erfolgreich anzuwenden als seine Persönlichkeitsmerkmale. Zur quantitativen Analyse der Bedeutung der Begriffe bei den Befragten wurde die Methode der semantischen Differentialfragen gewählt. Das semantische Differential (auch Polaritätenprofil) ist ein Verfahren, das in der Psychologie entwickelt wurde, um herauszufinden, welche Vorstellungen Personen mit bestimmten Begriffen verbinden. Soziographische Daten der StudienteilnehmerInnen Über die Social-Media-Kanäle Facebook, LinkedIn und den IP- MA-Newsletter gingen Mitte 2019 in sechs Wochen 156 Antworten ein; davon wurden 83 Antworten (52 %) wegen Unvollständigkeit abgelehnt, während 73 Antworten (48 %) vollständig waren. Die demographischen Daten der Befragten sind in Tabelle 1 aufgeführt. Kriterium Kategorie Häufigkeit Prozent Geschlecht Weiblich Männlich 34 39 46,6 % 53,4 % Alter >45 Jahre 35-45 Jahre <35 Jahre 35 26 12 47,9 % 35,6 % 16,4 % Herkunftsland EU - Andorra - Kroatien - CZ - Dänemark - Frankreich - Deutschland - Griechenland - Ungarn - Italien - Niederlande - UK Australien Kanada Japan Mexiko Neuseeland Südafrika Schweiz USA 51 1113328 1125514111194 69,8 % - 1,4 % - 1,4 % - 1,4 % - 4,1 % - 4,1 % - 38,4 % - 1,4 % - 1,4 % - 2,7 % - 6,8 % - 6,8 % 1,4 % 5,5 % 1,4 % 1,4 % 1,4 % 1,4 % 12,3 % 5,5 % PM Erfahrung >10 Jahre 7-9 Jahre 4-6 Jahre 1-3 Jahre 15 20 27 11 20,5 % 27,4 % 37,0 % 15,1 % Agile PM- Erfahrung Ja Nein 60 13 82,2 % 17,8 % Tabelle 1: Demographische Daten der Studien-TeilnehmerInnen Ergebnis Die Zusammenfassung der Ergebnisse ist in Tabelle 2 dargestellt. Unter den nationalen Kulturvariablen zeigte die Unsicherheitsvermeidung die höchste Konsistenz unter den Dimensionen (α-= 0,76). Die befragten StudienteilnehmerInnen sind der Meinung, dass Projektteammitglieder aus Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung bei der Durchführung agiler Methoden effektiver sind. Auch die anderen Kulturdimensionen gelten als akzeptiert. So zeigt der monochrone vs. polychrone Umgang mit der Zeit eine hohe Akzeptanz. Machtdistanz und Individualismus vs. Kollektivismus sind weniger akzeptiert. Unter den Persönlichkeitsvariablen zeigt Extraversion vs. Introversion die höchste Konsistenz unter allen Items. Die Befragten stimmen mehrheitlich darin überein, dass extravertierte Personen bei der Durchführung agiler Methoden effektiver sind. Die anderen Persönlichkeitsvariablen Empfinden vs. Intuition, Denken vs. Fühlen und Beurteilen vs. Empfangen weisen eine akzeptable Zuverlässigkeit auf. Wie im Forschungsmodell festgelegt, wurde zuerst gefragt, welche der Kulturdimensionen oder Persönlichkeitsmerkmale von den Befragten als einflussreicher für den Erfolg agiler PM- Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 19 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 19 19.04.2021 10: 54: 19 19.04.2021 10: 54: 19 Methoden erachtet wird. Dies wurde durch den paarweisen Vergleich der Aspekte der jeweiligen Dimensionen erreicht. Kulturelles Profil für erfolgreiches agiles Projektmanagement Machtdistanz Machtdistanz beschreibt das Ausmaß an Hierarchie in einer Gesellschaft, in dem die Rangniedrigeren akzeptieren und erwarten, dass die Macht ungleich verteilt ist. Die Autorinnen formulierten die Hypothese, dass Kulturen mit geringer Machtdistanz die besseren Anwender agiler Methoden sind. Dies wurde durch die Studie bestätigt. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Projektmanagement-Erfahrung und Erfahrung in der Anwendung agiler Methoden waren alle Befragten der Meinung, dass diese Dimension für die erfolgreiche Anwendung agiler Projektmanagementmethoden wesentlich ist. Von einem idealen agilen Teammitglied wird erwartet, dass es wenig Distanz zwischen sich und dem Projektmanager empfindet, hierarchische Strukturen innerhalb des Teams in Frage stellt und Rollen und Verantwortlichkeiten im Team als flexibel und veränderbar ansieht. Interessant ist dabei, dass sowohl weibliche Befragte als auch unter 35bzw. über 45-Jährige diese Dimension extremer bewerten. Monochrones vs. polychrones Zeitverständnis Das Verständnis von Zeit ist von hoher Bedeutung in agilen Projekten, da Planungen jederzeit revidiert werden können. Die Hypothese war, dass das agile Konzept eher dem polychronen Zeitverständnis nahe kommt, was bestätigt wird. Alle Befragten sind der Meinung, dass es für agile Praktiken dreimal so wichtig ist, flexibel und sicher mit den Aufgaben zu jonglieren, als sich an strukturierte Zeitvorgaben zu halten, pünktlich zu sein und die Aufgaben chronologisch zu erledigen. Vergleicht man die Antworten von weiblichen und männlichen ProjektmanagerInnen dann fällt auf, dass auch hier die Frauen in ihrer Einschätzung deutlicher sind. Unsicherheitsvermeidung Da agile Techniken als Reaktion auf wachsende Ungewissheit und Änderungen im Geschäfts- und Projektumfeld entstanden sind, scheint der Umgang mit Unsicherheit eine große Rolle für die Fähigkeit des Einzelnen zu spielen, agile Praktiken anzuwenden. Es wurde angenommen, dass eine positive Einstellung gegenüber Veränderung mit niedriger Unsicherheitsvermeidung korrespondiert. Die befragten ProjektmanagerInnen unterstützen die These. Alle Befragten stimmen überein, dass es in einem agilen Umfeld ungünstiger ist, Unsicherheitsvermeider zu sein, und dass Personen, die Innovationen und Experimentieren bevorzugen, bei der Umsetzung agiler Techniken erfolgreicher sind als Personen, die an die Notwendigkeit von Regeln und Richtlinien zur Bewältigung von Situationen glauben. Abbildung 2: Die „Ideale agile Kultur“ Variable Mittelwert SD Skewness Kurtosis Cronbach’s α Items Kulturdimension Machtdistanz 3.1867 1.7647 -1.607 2.588 0.534 3 Monochron vs. Polychron 2.32 2.5727 -0.9267 0.0423 0.71 3 Unsicherheitsvermeidung 2.57 2.221 -1.1577 0.486 0.758 3 Individualismus vs. Kollektivismus 3.0667 1.7623 -1.616 2.6673 0.6 3 Persönlichkeitsmerkmale Extraversion / Introversion 1.8067 2.918 -0.852 -0.552 0.801 3 Sensing / Intuition 2.4567 2.1887 -1.1703 0.72167 0.758 3 Denken / Fühlen 2.3067 2.2377 -0.8973 -0.2787 0.786 3 Wahrnehmen / Bewerten 2.6367 2.024 -1.2647 1.27 0.764 3 Tabelle 2: Deskriptive Statistik der Ergebnisse Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 20 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 20 19.04.2021 10: 54: 20 19.04.2021 10: 54: 20 Individualismus vs. Kollektivismus Agile Teammitglieder werden ermutigt, den Vorschlägen ihrer Teamkollegen ebenso zu vertrauen wie den eigenen, auch wenn die Meinung des anderen bedeutet, den bisherigen Lösungsansatz aufzugeben. Die Autorinnen hatten Mühe zu definieren, ob die agilen Werte eher die individualistischen oder die kollektivistischen Werte begünstigen. Am Ende wurde Individualismus als wirksamer für die Anwendung agiler Projektmanagementmethoden bewertet. Die Studie widerlegte jedoch diese Vermutung: Die Umfrage ergab, dass 81 % der Befragten der Meinung sind, dass agile Teammitglieder den Entscheidungen des Teams vor ihren eigenen vertrauen sollten. 85 % glauben, dass agile Teammitglieder kooperativ statt konkurrierend sein müssten und die Arbeit als Teamarbeit und nicht als persönliche Arbeit betrachten sollten. Kollektivismus wird für die Durchführung agiler Projektmanagementmethoden als fünfmal effektiver angesehen als individualistisches Denken. Dies gilt für alle Antwortgruppen. Nur ProjektmanagerInnen mit weniger als drei Jahren Erfahrung haben eine leicht abweichende Meinung: ihrer Ansicht nach sollten agile Teammitglieder nicht nur den Entscheidungen des Teams vertrauen, sondern auch Vertrauen in ihre eigene Entscheidung haben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Profil eines idealen agilen Teammitglieds in Bezug auf die Kulturdimensionen auf Basis der Umfrageergebnisse leicht angepasst werden muss. Ursprünglich wurde angenommen, dass ein ideales agiles Teammitglied eine geringe Machtdistanz und geringer Unsicherheitsvermeidung hat, individualistisch ist mit einer polychronen Zeitauffassung. Nach der Befragung stammt das ideale agile Teammitglied aus einer Kultur mit geringer Machtdistanz und geringer Unsicherheitsvermeidung, ist polychron und kollektivistisch (siehe Abb. 2). Abbildung 3: Die „Ideale agile Persönlichkeit“ Variable Verteilung Median Rang Kulturdimension Position Absolut % Monochronism / Polychronism 1 42 57,5 % Position 1 1. 2 21 28,8 % 3 7 9,6 % 4 3 4,1 % Unsicherheitsvermeidung 1 22 30,1 % Position 2 2. 2 34 46,6 % 3 12 16,4 % 4 5 6.85 % Individualismus / Kollektivism 1 8 10,9 % Position 3 3. 2 14 19,2 % 3 42 57,5 % 4 9 12,3 % Machtdistanz 1 1 1,4 % Position 4 4. 2 4 5,5 % 3 12 16,4 % 4 56 76,7 % Tabelle 3: Reihenfolge im Hinblick auf die Kulturdimensionen Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 21 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 21 19.04.2021 10: 54: 21 19.04.2021 10: 54: 21 Die ideale Persönlichkeitsstruktur für agiles Projektmanagement Extraversion vs. Introversion und Sensorik vs. Intuition Agiles Projektmanagement fördert soziale Interaktion, enge Zusammenarbeit und ermutigt, kreative Lösungen zu finden. In der Folge wird von den Autorinnen eine Präferenz für Extraversion und Intuition unterstellt. Doch die Mehrheit der Befragten sprechen sich für Introvertiertheit aus. Bei den Fragen zu Empfinden vs. Intuition stimmten alle darin überein, dass bei den Agilen Techniken Intuition wichtiger als Empfinden ist. Frauen tendieren zu 75 % zu Introversion, während Männer dies mit 50 % bewerten. Bei der Frage Empfinden vs. Intuition haben die Frauen eine stärkere Präferenz für Intuition. Analysiert man die Antworten der agilen Anwender und Nicht-Anwender gibt es eine bemerkenswerte Ausnahme: Die Anwender agiler Methoden sind zu 75 % der Meinung, dass Introversion besser sei, während die Nicht-Nutzer zu 75 % Extraversion bevorzugen. Denken vs. Fühlen und Wahrnehmen vs. Beurteilen Grundlage für ein funktionierendes agiles Team sind Kooperation, Vertrauen, zwischenmenschliche Beziehungen, Flexibilität und Akzeptieren von Mehrdeutigkeit; daher gingen die Autorinnen von einer Persönlichkeitspräferenz für Fühlen anstelle von Denken und für Wahrnehmen anstelle von Beurteilen aus. Dies wird in der Studie bestätigt: 57 % der Befragten tendieren zu den Persönlichkeitseigenschaften Fühlen und Wahrnehmen. Der von den Autorinnen angenommene hypothetische ideale Myers-Briggs-Persönlichkeitstyp war der ENFP-Typus, mit Extraversion, Intuition, Gefühl und Wahrnehmung als Merkmale. Das Ergebnis der Befragung hingegen führt zum INFP-Persönlichkeitstypus (siehe Abb. 3) als ideales agiles Projektteammitglied. Welche Kulturdimension hat den größten Einfluss auf den Einsatz Agiler Methoden? Im zweiten Schritt wurden die Kulturdimensionen und Persönlichkeitsmerkmale in der Studie miteinander verglichen, um festzustellen, welche einflussreicher für den Erfolg agiler Abbildung 4: Was ist wichtiger für den Erfolg von Agilen Methoden: Nationale Kultur oder Persönlichkeit? Variable Verteilung Median Ranking Persönlichkeitsmerkmal Position Absolut % Thinking vs. Feeling 1 25 34,2 % Position 1 1. 2 18 24,7 % 3 18 24,7 % 4 12 16,4 % Judging vs. Perceiving 1 23 31,5 % Position 2 2. 2 19 26,0 % 3 17 23,3 % 4 14 19,2 % Sensing vs. Intuition 1 16 21,9 % Position 3 3. 2 22 30,1 % 3 27 37,0 % 4 8 10,9 % Extraversion vs. Introversion 1 9 12,3 % Position 4 4. 2 14 19,2 % 3 11 15,1 % 4 39 53,4 % Tabelle 4: Reihenfolge im Hinblick auf die Persönlichkeitsmerkmale Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 22 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 22 19.04.2021 10: 54: 22 19.04.2021 10: 54: 22 Methoden sind, indem diese mittels des Analytischen Hierarchieprozesses (AHP) miteinander verglichen und die Befragten aufgefordert wurden, diese in eine Reihenfolge zu bringen. Das Ergebnis zeigt einen deutlichen Trend (siehe Tabelle 3). Alle Kohorten kamen zu ähnlichen Reihenfolgen mit einigen bemerkenswerten Unterschieden: für die männlichen Befragten war Machtdistanz wichtiger als für die weiblichen Befragten. Die Anwender agiler Methoden platzierten zu 60 % Monochronismus vs. Polychronismus an erster Stelle und Machtdistanz zu 82 % an letzte Stelle. Welche Persönlichkeitsmerkmale haben den größten Einfluss auf den Einsatz Agiler Methoden? Bei der Frage nach den Persönlichkeitsmerkmalen wurde Denken vs. Fühlen an die erste Stelle und Beurteilen vs. Wahrnehmen an die zweite Stelle gesetzt. Als drittwichtigste Eigenschaft wurde Sensorik vs. Intuition und Extraversion vs. Introversion als die am wenigsten wichtige Eigenschaft bewertet. Hat Kultur oder Persönlichkeit eine größere Auswirkung auf den Erfolg von agilen Projektmanagementmethoden? 73 % der Befragten sind der Meinung, dass die Kultur eine größere Rolle für den Erfolg agiler Methoden spielt als die Persönlichkeit; 16 % betrachten die Persönlichkeit als den wichtigeren Einflussfaktor; 11 % sind der Meinung, dass beide Einflussfaktoren gleichermaßen die Fähigkeit zur erfolgreichen Anwendung agiler Methoden beeinflussen (siehe Abb. 4). Zum Testen des Ergebnisses wurde zusätzlich ein Analytical Hierarchy Process (AHP) durchgeführt, der ein ähnliches Ergebnis zeigt: Kultur ist demnach deutlich einflussreicher als Persönlichkeit. Dabei werden drei der vier Kulturdimensionen von ihrer Bedeutung höher eingestuft als die vier Persönlichkeitsmerkmale (siehe Abb. 5). Zwischen den einzelnen Befragtengruppen gab es keine signifikanten Unterschiede. Diskussion der Ergebnisse Die Ausprägung der Persönlichkeitsmerkmale unterscheidet sich von Kultur zu Kultur erheblich. Menschen in individualistischen Kulturen neigen dazu, Unabhängigkeit, individuelle Leistung und Wettbewerb zu schätzen, während Menschen aus kollektivistischen Kulturen Respekt und soziale Harmonie schätzen. Unsere Studie hat gezeigt, dass folgende Kulturmerkmale für agile Methoden vorteilhaft sind: polychrones Zeitmanagement, geringe Unsicherheitsvermeidung, Kollektivismus und geringe Machtdistanz. Dieses Ergebnis passt zu den Studien von Siakas und Siakas [14] und Yaggahavita [15], die feststellten, dass agile Methoden am besten in Organisationskulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung, geringer Machtdistanz und einem polychronen Zeitmanagement funktionieren. Newman und Nollen [16] fanden heraus, dass Kulturen mit niedriger Unsicherheitsvermeidung besser aufgestellt sind, wenn die Regeln nicht klar definiert sind. Nur in Bezug auf Kollektivismus kam Palokangas [17] zu dem Schluss, dass Agilität individualistische Kulturen begünstigt. Die Ergebnisse stehen jedoch teilweise im Gegensatz zu den ursprünglichen Annahmen der Autorinnen: Die ersten beiden Hypothesen H1 und H2 können als widerlegt angesehen werden. Statt Unsicherheitsvermeidung wird Monochronismus vs. Polychronismus als einflussreichste Kulturdimension für den Erfolg von agilen Techniken angesehen. Machtdistanz wiederum hat demnach den geringsten Einfluss. Spezifische Persönlichkeitsmerkmale erweisen sich als vorteilhaft für agile Methoden: Introvertiertheit, Intuition, Fühlen und Wahrnehmen. Dies passt zu den Studien von Tieger [18], Driskell [19] und Kichuk [20], die zeigen, dass Intuition wichtig bei Aufgaben ist, die Kreativität und die Fähigkeit zur Lösung abstrakter Probleme erfordern; Aghina [21] fand heraus, dass die Fähigkeit, mit Mehrdeutigkeit umzugehen und Verträglichkeit die wichtigsten Faktoren sind, um in einem agilen Umfeld zu arbeiten. Dass Introvertierte bessere agile Teammitglieder sind, steht im Gegensatz zu den ursprünglichen Annahmen der Autorinnen. Doch Introvertierte sind gute Zuhörer, stellen andere ins Rampenlicht und sind oft besser in der Lage, empathisch zu sein, Talente zu finden und Ideen umzusetzen als Extravertierte [21]. Eine fühlende und wahrnehmende, introvertierte Persönlichkeit mit guter Intuition wurde als idealer agiler Projektmanager bewertet. Dies stimmt mit Aghinas Ergebnissen [21] überein, die besagen, dass Zusammenarbeit (Merkmal einer fühlenden Persönlichkeit) und die Fähigkeit, mit Mehrdeutigkeit umzugehen (Merkmal einer wahrnehmenden Persönlichkeit), die wichtigsten Faktoren für agile Teams sind. Bei Agilität geht es nicht um Wettbewerb oder um die Vermeidung von Konflikten, sondern darum, sensibel auf das Team einzugehen und auf Kundenfeedback zu achten. Google untermauert dies in seiner Studie über Hochleistungsteams; das Abbildung 5: AHP Ergebnis im Hinblick auf Kultur und Persönlichkeitsmerkmale Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 23 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 23 19.04.2021 10: 54: 22 19.04.2021 10: 54: 22 Projekt Aristoteles fand heraus, dass Vertrauen die wichtigste Eigenschaft für erfolgreiche agile Teams ist [21]. Die Ergebnisse unterstützen nicht Hypothese H3 und widersprechen Hypothese H4. „Extravertiertheit vs. Introvertiertheit“ wird von den Studienteilnehmern als das Persönlichkeitsmerkmal mit dem geringsten Einfluss auf agilen Projektmanagementerfolg angesehen. „Denken vs. Fühlen“ an erste Stelle gesetzt. Ein Grund dafür, dass Extra-/ Introversion an letzter Stelle rangiert, könnten die Vorteile des Vorhandenseins beider Eigenschaften in einem Team sein. Agile Teamarbeit erfordert sowohl selbstgesteuerte Individuen als auch kooperative Menschen. Da die Teammitglieder gleichzeitig an mehreren Arbeitspaketen arbeiten, die eng miteinander verbunden sind, sind regelmäßige Treffen und gute Kommunikation eine wichtige Grundlage. Auf der anderen Seite ist die Fähigkeit, individuell und unabhängig zu arbeiten, von großer Bedeutung. Layman [22] argumentiert, dass ein Gleichgewicht von Extravertierten und Introvertierten in einem Team das Gleichgewicht von Einzel- und Gruppenarbeit fördert. Aghina [21] fand heraus, dass Extravertiertheit für Product Owner wichtig ist, da sie mit den Kunden kommunizieren müssen, für die Teammitglieder jedoch weniger wichtig ist. Hingegen wird die Hypothese H5 bestätigt: Kultur beeinflusst die Anwendung agiler Methoden stärker als die Persönlichkeit. Dies steht im Einklang mit psychologischen Studien, die herausfanden, dass die Persönlichkeit durch die Kultur als den wichtigsten Umweltfaktor stark geprägt wird. Einfluss der Studienergebnisse auf die Praxis Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass die Kultur einen größeren Einfluss auf die Fähigkeit eines Individuums hat, agile Managementtechniken erfolgreich zu praktizieren, als die Persönlichkeit. Dies ist sowohl für ProjektmanagerInnen als auch für PersonalmanagerInnen von großer Bedeutung, da die Ergebnisse implizieren, dass Projekterfolg nicht nur auf der Persönlichkeit eines Individuums, sondern vielmehr auf der Kultur der Teammitglieder basiert. Sie liefert Erklärungen dafür, warum agile Projekte in einigen Ländern in der Vergangenheit gescheitert sind (z. B. in Großbritannien) [23]. Studien belegen, dass sich die Arbeitspraktiken in den verschiedenen Kulturen erheblich unterscheiden. Als idealer kultureller Hintergrund für erfolgreiches agiles Projektmanagement wurden geringe Machtdistanz, polychrone Zeitauffassung, geringe Unsicherheitsvermeidung und eine kollektivistische Haltung ermittelt. Mit diesem Profil kann man geeignete ProjektmitarbeiterInnen, aber auch Projektteams identifizieren, in denen aufgrund der Kultur Probleme auftreten können, da diese nicht dem Idealprofil entsprechen. Die Ergebnisse der Studie legen die Vermutung nahe, dass agile Methoden nicht in allen Kulturen gleich erfolgreich sind. Für jedes erfolgreiche Projekt sind die MitarbeiterInnen von größter Bedeutung. Ein agiles Umfeld scheint nicht für jeden gleich gut geeignet zu sein. Unternehmen könnten daher versuchen, ein Projektportfolio aus unterschiedlichen Projektmanagement-Vorgehensmodellen zu generieren, und die MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Kultur und Persönlichkeit den Projekten zuordnen. Darüber hinaus sollten Unternehmen ihre eigenen Methoden je nach Branche, Organisationskultur und MitarbeiterInnen entwickeln oder modifizieren. Vor allem sollten die MitarbeiterInnen in diesen Prozess einbezogen werden. Da unsere Studie zeigt, dass Kultur einen größeren Einfluss auf agilen Erfolg hat als die individuelle Persönlichkeit, scheinen mehrere Persönlichkeitstypen für agile Projekte zu passen. Heterogenen Teams wurde häufig bestätigt, dass sie innovativer sind und eine höhere Problemlösungskompetenz haben als homogene Teams, da unterschiedliche Ansichten zu besseren Lösungen führen. Projekte werden effektiver, wenn die Teammitglieder ermutigt werden, ihre Unterschiedlichkeit effektiv zu nutzen, dies gilt auch für Persönlichkeitsaspekte. Wir haben festgestellt, dass ein INFP-Persönlichkeitstyp nach Myers-Briggs das ideale Profil für agiles Projektmanagement ist. Dieses Profil kann verwendet werden, um diejenigen MitarbeiterInnen zu identifizieren, die den größten Erfolg bei der Anwendung agiler Methoden haben könnten. Diese Information kann helfen zu verstehen, warum eine MitarbeiterIn mit agilen Techniken Schwierigkeiten bei der Umsetzung hat. Einschränkungen Die N=73 internationalen StudienteilnehmerInnen stellen eine relativ kleine Stichprobe dar, zudem könnte es ein verzerrtes Antwortmuster ergeben, da die meisten EuropäerInnen oder AmerikanerInnen sind. Mit einer größeren, diverseren Stichprobe könnten sich eventuell andere Ergebnisse zeigen. Die Umfrage wurde in englischer Sprache durchgeführt, was diejenigen ausschloss, die meinten, dass ihre Sprachkenntnisse nicht ausreichen, um die Fragen zu beantworten. Die Beantwortung von Fragen mit dem Analytical Hierarchy Process (AHP) ist kompliziert, was die Interpretation der Daten erschwert. Da nur unabhängige Variablen analysiert wurden, konnte keine Korrelationsanalyse durchgeführt werden. Fazit Die Ergebnisse zeigen, dass Kultur einen größeren Einfluss auf die Fähigkeit eines Individuums, agile Methoden anzuwenden, zu haben scheint als die Persönlichkeit. Als idealer kultureller Hintergrund für agile Methoden wurde eine geringe Machtdistanz, polychrone Zeitauffassung, geringe Unsicherheitsvermeidung und kollektivistische Haltung ermittelt. Das INFP-Persönlichkeitsprofil (Introversion, Intuition, Gefühl, Wahrnehmung) von Myers-Briggs wurde als ideal für agile Techniken bestimmt. Beide Forschungsfragen werden daher beantwortet. Traditionelle Projekte sind hierarchisch, linear und sequentiell. Agile Projektteams sind organisch, stellen den Status quo in Frage und lehnen Traditionen ab, um Visionen zu verfolgen. Sie sind erfolgreich, indem sie Grenzen neu definieren und Regeln bei Bedarf brechen. Angesichts dieser Unterschiede unterscheiden sich auch die Persönlichkeitstypen, die ein agiles Projekt erfolgreich machen, von denen eines traditionellen Projekts. Um in einem agilen Projekt erfolgreich zu sein, brauchen die MitarbeiterInnen andere Fähigkeiten als in klassischen Wasserfallprojekten. PMOs und Personalmanagement in den Organisationen müssen diese Unterschiede kennen und sollten gemäß den Erkenntnissen unserer Studie Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 24 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 24 19.04.2021 10: 54: 46 19.04.2021 10: 54: 46 die MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Kulturhintergründe und Persönlichkeitstypen in den jeweiligen Projekttypen einsetzen. In den meisten Organisationen werden agile Methoden heute ohne Berücksichtigung der erforderlichen Rahmenbedingungen vorangetrieben. Der Zusammensetzung der Teams wird kaum Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl der Begriff der Höchstleistung im Vordergrund steht. Unserer Studie zufolge ist das ideale agile Teammitglied gering machtdistant, gering unsicherheitsvermeidend, polychron und kollektivistisch. MitarbeiterInnen mit deutschem kulturellen Hintergrund hingegen sind meist eher gering machtdistant, unsicherheitsvermeidend, monochron und individualistisch. Unsere Studie zeigt, dass die Organisationen hierzulande mehr Diversität hinsichtlich der kulturellen Eigenschaften und Arbeitsstile bei ihren MitarbeiterInnen brauchen, um agile Projekte erfolgreich durchzuführen. Die Vorteilhaftigkeit diverser Teams ist unbestritten, jedoch werden die erforderlichen Aktivitäten hierfür nicht eingeführt. Die Untersuchung des Einflusses der Kultur und der Persönlichkeit auf die Fähigkeit eines Individuums, agile Methoden anzuwenden, kann als Grundlage für zukünftige Forschung in diesem Bereich dienen. Da die Bereiche agiles Management, Kultur und Persönlichkeit noch nicht umfassend untersucht sind, bietet diese Studie erste Einblicke in diese Zusammenhänge. Literaturquellen [1] Worley, Ch., Zardet, V., Bonnet, M., Savall, A. (2015). Becoming Agile: How the SEAM Approach to Management Builds Adaptability , John Wiley. [2] Hofstede, G. (2011). Dimensionalizing Cultures: The Hofstede Model in Context. Online Readings in Psychology and Culture . https: / / doi.org/ 10.9707/ 2307- 0919.1014 [3] Corr, P., & Matthews, G. (2009). The Cambridge Handbook of Personality Psychology . Leiden: Cambridge University Press. [4] Licorish, S., Philpott, A., & MacDonell, S. G. (2009). Supporting agile team composition: a prototype tool for identifying personality (in)compatibilities , in: Proceedings of the ICSE Workshop on Cooperative and Human Aspects of Software Engineering (CHASE). IEEE Computer Society Press, pp. 66-73. 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Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. Mit agilen Elementen wie Task Boards, Issues und Activities machen Sie Ihre Teams schneller und produktiver. Bewährte Elemente wie die Planung der Ecktermine liefern zuverlässige Leitplanken. energizing great minds Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way CONTACT Webcast: Agil, klassisch, hybrid Die maßgeschneiderte Lösung für Ihr Projekt https: / / bit.ly/ 3ciFrdn Anzeige Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 25 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 25 19.04.2021 10: 54: 48 19.04.2021 10: 54: 48 [14] Siakas, K. V., & Siakas, E. (2007). The Agile Professional Culture: A Source of Agile Quality , Software Process Improvement and Practice , 12, 597-610. [15] Yaggahavita, H. D. (2011). 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Derzeit ist sie Teilnehmerin des Siemens Graduate Program für Human Resources, wo sie ihre Fähigkeiten im Bereich Change Management und HR Mergers & Acquisitions entwickelt. Elisa Gertler Elisa Gertler ist Absolventin der TH Wildau und der HTW Berlin. Sie ist aktuell Teilnehmerin des Enterprise Holdings Management Trainee Programms, wo sie ihre Führungsqualitäten entwickelt und praktische Erfahrungen in Marketing, HR, Operations und Prozessoptimierung sammelt. Yvonne Schoper Prof. Dr. Yvonne Schoper ist Professorin an der HTW Berlin mit dem Schwerpunkt Internationales Projektmanagement und Präsidialrätin der GPM. Ihre Forschungsinteressen sind die Projektifizierung der Wirtschaft und der Einfluss der Kultur auf das Projektmanagement. eMail: yvonne.schoper@HTW-Berlin.de ORCID: 0000-0002-7731 - 5081 Wissen | Der Einfluss von Kultur und Persönlichkeit auf agile Projektmanagementtechniken 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0025 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 26 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 26 19.04.2021 10: 54: 48 19.04.2021 10: 54: 48 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 Scrum: Auf die Haltung kommt es an! Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? Christoph Richter Für eilige Leser | Scrum ist ein Rahmenwerk, das sich zur Umsetzung komplexer Projekte wie z. B. der Entwicklung neuer Produkte eignet. Scrum wird als ein Format des agilen Projektmanagements klassifiziert. Im Zentrum von Scrum steht das Mindset oder die Haltung, die sich mit unternehmerischer Forscherhaltung umschreiben lässt. Diese Haltung ist unternehmerisch, da alle Aktivitäten auf die Lieferung von funktionsfähigen, d. h. für Kunden brauchbare Ergebnisse ausgerichtet sind. Der Prozess ist dabei zeitlich limitiert und folgt Zyklen von Beobachtung, Orientierung, Entscheidung und Handlung. Die Forschermentalität kommt darin zum Tragen, dass die Ergebnisse über einen Ansatz von Versuch und Irrtum erzielt werden. Die für Projekte nach dem klassischen Projektmanagement typische Plandeterminierung entfällt, ohne dass keine Planungen vorgenommen werden. Denn nur wer vorbereitet ist, kann mit dem Zufall als eine Quelle von Erkenntnisgewinnen umgehen. Schlagwörter | Agiles Projektmanagement, Entrepreneurship, Forscherhaltung, Mindset, Scrum 1 Vorbemerkung Wirtschaftsnachrichten lassen zunehmend den Eindruck entstehen, dass weltweit und auch in Deutschland mittlerweile Agilität und agiles Projektmanagement zum Standardrepertoire der Unternehmensführung vieler Unternehmen zählen.[1] Scrum gilt dabei als der am häufigsten zum Einsatz kommende Agilitätsansatz. Als entscheidende Vorteile dieses Rahmenwerks werden die untergeordnete Rolle von Plänen sowie dessen Einfachheit genannt. Beide Vorteile lassen sich zwar belegen, treffen allerdings noch nicht den Wesenskern von Scrum. Das Rahmenwerk Scrum sieht vor, dass Pläne regelmäßig an Wirklichkeitserfahrungen überprüft und bei Bedarf an diese Erfahrungen angepasst werden. Pläne verlieren damit zwar ihren Charakter der langandauernden Unumstößlichkeit, der häufig in Projekten zu beobachten ist, die nach klassischen Projektmanagementmethoden geführt werden. Planung wird allerdings weiterhin als relevant eingestuft. Die Einfachheit von Scrum manifestiert sich z. B. darin, dass der Scrum Guide in der aktuellen Version von November 2020 lediglich 13 Seiten umfasst [2], während z. B. die Richtlinie zum klassischen Projektmanagementstandard ICB 4 (Individual Competence Baseline) der IPMA (International Project Management Association) in der deutschen Fassung einen Umfang von 216 Seiten hat.[3] Beide Phänomene, die untergeordnete Bedeutung von Plänen sowie der einfache Aufbau von Scrum sind lediglich die Ergebnisse des maßgeblichen Kennzeichens von Scrum. Das entscheidende Differenzierungskriterium von Scrum ist dessen Mindset. Der Mindset von Scrum verbindet Unternehmergeist mit Forscherhaltung. Typisch für Unternehmer ist die konsequente Ausrichtung ihres Handelns auf das Erzielen von Ergebnissen, die für ihre Kunden und Anwender Nutzen schaffen und auch für den Leistungserbringer Erfolg bedeuten. Dieses Merkmal kommt im Rahmenwerk Scrum insbesondere darin zum Tragen, dass das Ziel jeder Arbeitsphase (Sprint) ein Inkrement ist, das für Kunden werthaltig ist. Forscher arbeiten typischerweise nach dem experimentellen Ansatz von Versuch und Irrtum, indem sie Methoden und Thesen überprüfen, ggf. verwerfen und in abgeänderter Form erneut testen. Neue Erkenntnisse stammen aus Erfahrungen mit der wahrgenommenen Realität. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 27 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 27 19.04.2021 10: 54: 55 19.04.2021 10: 54: 55 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 Diese Denk- und Handlungsweise findet sich in dem iterativen Vorgehensmodell von Scrum. 2 Eine kurze Entstehungsgeschichte von Scrum als ein Ansatz von agilem Projektmanagement Eine wesentliche Grundlage für Scrum bildet der Artikel „The new new Product Development Game“ aus dem Jahr 1986, in dem die zwei japanischen Professoren Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka die Erfolgsfaktoren von japanischen und USamerikanischen Unternehmen vorstellen, die ihren Prozess zur Produktentwicklung verändert hatten. Zu den Unternehmen zählen u. a. Hewlett Packard, Canon und Honda.[4] Als ein Erfolgsfaktor gelten überlappende Entwicklungsphasen, die im Gegensatz zu einem linearen Vorgehen durch parallel verlaufende Entwicklungsschritte gekennzeichnet sind, um über Versuch und Irrtum schnell und flexibel ein kundengerechtes, funktionstüchtiges Endprodukt anbieten zu können. Dieser Ansatz wird auch als „rugby-approach“ bezeichnet, da analog zum Rugby der Ball nach vorne und zurück gespielt wird, bis das gesamte Team zum Ziel gelangt. Diese Vorgehensweise der permanenten Verbesserungen, die für das Qualitätsmanagement leitend ist, ist auf den sogenannten Deming-Zirkel PDCA (Plan-Do-Check-Act) des amerikanischen Managementtheoretikers W. E. Deming zurückzuführen. Aufbauend auf den Erkenntnissen von H. Takeuchi und I. Nonaka haben im Jahr 1995 Jeff Sutherland und Ken Schwaber mit Scrum ein Rahmenwerk zur Software-Entwicklung veröffentlicht. Der Scrum-Guide, der erstmalig im Jahr 2010 publiziert und zuletzt im Jahr 2020 aktualisiert wurde, beschreibt diesen Ansatz, der mittlerweile auch für die Umsetzung weiterer komplexer Projekte wie für die Gestaltung von Entwicklungshilfeprojekten oder für die Implementierung von Neuorganisationen eingesetzt wird. Fünf Werte, drei Rollen, fünf Ereignisse und drei Artefakte bilden die Eckpfeiler von Scrum, die einerseits ein hohes Maß an Flexibilität und Dynamik bei der konkreten Projekterledigung zulassen und andererseits die Regeln von Scrum bestimmen. Im Jahr 2001 wurde das sogenannte Agile Manifest veröffentlicht. Zu dessen Unterzeichnern zählen auch K. Schwaber und J. Sutherland. Diese Charta des agilen Arbeitens umfasst vier Rangfolgen von Wertepaaren sowie zwölf Grundsätze, die für agiles Arbeiten kennzeichnend sind. Scrum lässt sich in dieses Konzept des agilen Projektmanagements verorten, da Scrum auf die Erzielung von Ergebnissen ausgerichtet ist und im Gegensatz zum sogenannten Wasserfallmodell des klassischen Projektmanagements davon ausgeht, dass Projekte sich nur bedingt planen und deren Ergebnisse vorhersehen lassen, sodass Möglichkeiten zum flexiblen Vorgehen vorhanden sein müssen. Die vier Aussagen zur Priorisierung von Wertvorstellungen lauten [5]: • Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge • Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation • Zusammenarbeit mit den Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlung • Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als Befolgen eines Plans Zum Verständnis der Gegenüberstellung ist wichtig zu erkennen, dass die jeweils rechts aufgeführten Werte durch agiles Arbeiten nicht ersetzt werden sollen, sondern für Agilität lediglich eine untergeordnete Bedeutung einnehmen. Agiles Arbeiten verabschiedet sich beispielsweise nicht von der Notwendigkeit zur Dokumentation und zum Aufstellen von Plänen. Der Nutzen von Dokumentationen und Plänen wird durch andere Werte nämlich die Erstellung von funktionierenden Produkten sowie der Fähigkeit zur Flexibilität relativiert. Grundsätze des agilen Projektmanagements sind beispielsweise [6]: • Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß • Einfachheit-- die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren-- ist essenziell. 3 Das Konzept Mindset Mindset bedeutet Selbstbild. C. Dweck unterscheidet zwischen einem statischen Selbstbild sowie einem dynamischen Selbstbild.[7] Für ein statisches Selbstbild ist das Verknüpfen von Erfolg mit Talent kennzeichnend. Jemand gilt danach aus dem Grund als erfolgreich, weil er eine entsprechende Begabung hat. Misserfolge werden auf mangelnde Begabungen zurückgeführt. Dieses Selbstbild wird als statisch bezeichnet, da die Fähigkeit zur Entwicklung auf der Basis von Anstrengungen grundsätzlich verneint wird. Man verharrt in seiner einmal erreichten Position und meidet eher neue Situationen, weil bei Nichtbewältigung dieser neuen, offenen Situationen ein persönlicher Imageschaden dergestalt befürchtet wird, dass andere Menschen einen als untalentiert und weniger intelligent einstufen könnten. Charakteristisch für ein dynamisches Selbstbild ist der Glaube an die Fähigkeit sich über Leistungen und Anstrengungen weiterentwickeln zu können. Erfolge und Misserfolge werden dabei nicht in erster Linie den vorhandenen Talenten und Fähigkeiten zugeschrieben. Analog zu den Erkenntnissen der Neurowissenschaft, die mit Nachweisen belegt von der Plastizität des Gehirns bis ins höhere Alter ausgeht [8], wird angenommen, dass Menschen permanent lernen und nicht in ihrem Denken und Handeln determiniert sind. Auch dem Konzept des Lebenslangen Lernens liegt dieser Ansatz zugrunde. Die innere Einstellung entscheidet mit darüber, wie jemand sein Leben führt und ob jemand der Mensch wird, der er sein will und das erreicht, was er erreichen will.[9] 4 Theoretische Hintergründe von Scrum Scrum basiert im Kern auf den Theorieansätzen des Empirismus und des Lean Thinking. Empirismus ist ein erkenntnistheoretischer Ansatz, während Lean Thinking als ein Managementansatz einzustufen ist. 4.1 Experimenteller Empirismus/ Pragmatismus von John Dewey Grundlegend unterscheidet die Erkenntnistheorie zwischen den Ansätzen Rationalismus und Empirismus, mit denen neue Erkenntnisse gewonnen werden. Der Rationalismus geht davon aus, dass sich neues Wissen über Vernunft und Denken erschließen lässt. Laut dem Empirismus basieren neue Erkenntnisse auf Erfahrungen mit der wahrgenomme- 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 28 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 28 19.04.2021 10: 54: 55 19.04.2021 10: 54: 55 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 nen Wirklichkeit. Dieses erkenntnistheoretische Verständnis spiegelt sich auch im Pragmatismus von John Dewey wider. In der von ihm gegründeten Laboratory School erschließen sich bereits Kinder im Grundschulalter neues Wissen und Handlungskompetenzen durch Experimentieren und Tun.[10] So gewinnen die Schüler/ -innen z. B. aus Weizenähren Mehl und gelangen dadurch u. a. zu dem theoretischen Wissen, wie aus Rohstoffen Nahrungsmittel gewonnen werden. Der Empirismus bildet die theoretische Basis von Scrum. Als Grundlage des Erkenntnisgewinns werden die drei Säulen Transparenz (transparency), Überprüfung (inspection) und Anpassung (adaptation) genannt. Hypothesen werden an der wahrgenommenen Realität überprüft (to inspect) und im Fall der fehlenden Übereinstimmung oder neuer Erkenntnisse angepasst (to adapt). Das jeweilige Vorgehen sowie die Ergebnisse der einzelnen Schritte werden offengelegt und erläutert, so dass Transparenz im Sinne von Verstehen entsteht. Erfahrungen sind demnach für Erkenntnisfortschritte maßgeblich. Dieses empirische Vorgehen findet sich auch in der sogenannten OODA-Heuristik von John R. Boyd: OODA bedeutet „Observation“, „Orientation“, „Decision“ und „Action“. J. Sutherland beschreibt diesen Vierklang aus Beobachten, Orientieren, Entscheiden und Handeln als Handlungsweise zur Kontrolle von Risiken, die er als Kampfpilot bei der Air Force gelernt hatte und im Vietnamkrieg bei Aufklärungsflügen zur Anwendung brachte.[11] „Observation“ meint die Wahrnehmung der eigenen Position sowie der Umwelt. „Orientation“ beschreibt die komplexen Filter bestehend aus Erbanlagen, kultureller Vorbestimmung, persönlichen Erfahrungen und Wissen. Mit „Decision“ wird auf die Betrachtung alternativer Handlungsmöglichkeiten abgestellt, die in der Auswahl der präferierten Lösung im Sinne einer Hypothese, die zu testen ist, mündet. „Action“ bedeutet den Test der ausgewählten Entscheidung durch Implementierung. Der Loop zeigt an, dass die vier Schritte regelmäßig wiederholt werden.[12] Übertragen auf Scrum bedeutet dieses Modell, dass mit der Bereitstellung eines funktionsfähigen Inkrements dem Product Owner gemeinsam mit dem Scrum Team regelmäßig die Möglichkeit gegeben wird, zu überprüfen, wie werthaltig das Inkrement für die Stakeholder ist. Dieses permanente Feedback dient als Basis für Veränderungen im nächsten Sprint. Es entsteht ein fortwährender Zyklus aus Innovation und Anpassung.[13] 4.2 Lean Thinking Lean Thinking ist ein Managementansatz aus den 1970er- Jahren, der insbesondere in der Automobilindustrie zur Anwendung kommt und im Kern die Fokussierung auf das Wesentliche meint. Prominentes Beispiel ist der japanische Automobilhersteller Toyota. Prozesse sollen von unnötigen Verfahrensweisen entlastet werden. Produktionsfehler sollen schnell erkannt und behoben werden. Das Beseitigen von Hindernissen (Impediments), die dem Produktionsfluss (Flow) entgegenstehen, gilt als Hauptaufgabe des Managements.[14] Grundlage für Lean Thinking bildet der Deming- Zirkel PDCA: Plan-Do-Check-Act.[15] J. Sutherland verdeutlicht dieses vierstufige zyklische Handeln, dessen Ziel die kontinuierliche Prozessverbesserung zur Herstellung eines Produkts darstellt, am Beispiel des Baus von Papierflugzeugen. Zum Bau der Papierflugzeuge werden Teams gebildet, die sich jeweils aus drei verschiedenen Rollen zusammensetzen. Eine Person prüft die Funktionsfähigkeit der Flugzeuge. Eine weitere Person, die auch mit der Produktion beschäftigt ist, achtet auch auf den Prozess und analysiert Wege zum Bau besserer Flugzeuge sowie zur Beschleunigung des Produktionsprozesses. Die übrigen Teammitglieder bauen so viele funktionsfähige Flugzeuge wie möglich. Die Arbeit erfolgt in Zyklen mit einer Dauer von jeweils sechs Minuten. Das Team hat eine Minute Zeit, um den Bau von Papierflugzeugen zu planen (Plan). Drei Minuten werden für den Bau und die Testung der Funktionstüchtigkeit der Papierflugzeuge zugestanden (Do). Zwei Minuten dienen der Überprüfung des Bauprozesses mit dem Ziel einer Prozessoptimierung (Check). Folgende Fragen Abbildung 1: Skizze zu den Elementen des Rahmenwerks Scrum; in Anlehnung an: Schwaber, Ken; Sutherland, Jeff: The Scrum Guide, 2020 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 29 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 29 19.04.2021 10: 54: 56 19.04.2021 10: 54: 56 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 werden in dieser Phase thematisiert: Was lief gut? Was lief falsch? Sollte das Design verändert werden? Wie lässt sich der Konstruktionsprozess verbessern? Anschließend folgt die Phase des „Act“. Damit ist die Veränderung der Arbeitsweise auf Basis realer Ergebnisse und vorhandener Umweltbedingungen gemeint. Der PCDA-Zyklus findet sich in Scrum in den zwei Säulen Inspektion und Anpassung.[16] Im Zentrum von Lean Manufacturing, dessen Grundidee auf Taichi Ohno und Shigeo Shingo, Manager von Toyota zurückzuführen ist, steht die Frage danach, inwiefern Aktivitäten von Unternehmen Werte schaffen („value-creating“) oder verschwenderisch („wasteful“) sind. Dem Ansatz des Lean Thinking zufolge meint Wert das Schaffen von Nutzen für Kunden.[17] 5 Elemente des Rahmenwerks Scrum Zu den Kernelementen von Scrum zählen Werte, das Scrum Team mit drei verschiedenen Rollen, fünf Ereignisse, drei Artefakte und als übergreifende Komponente, auf die regelmäßig rekurriert wird, der Zweck bzw. Purpose. Das Rahmenwerk Scrum und dessen einzelne Elemente sind nachfolgend grob dargestellt: Jedes Element von Scrum erfüllt einen spezifischen Zweck, so dass von Scrum nur dann gesprochen werden kann, wenn alle Elemente zur Anwendung kommen. Scrum findet in zahlreichen Anwendungsfeldern statt, die nicht ausschließlich die Entwicklung von Software betreffen. Eine Voraussetzung der Nutzung von Scrum ist, dass es sich um eine komplexe Arbeit handelt. Die Einsetzbarkeit von Scrum in Feldern außerhalb der Softwarebranche zeigt sich auch darin, dass gemäß dem Scrum Guide mit dem Begriff „Developers“ auch Forscher, Analysten, Wissenschaftler und andere Spezialisten gemeint sind. Im Vordergrund von Scrum steht die Generierung von Kundenwerten, indem für komplexe Probleme anpassbare Lösungen geschaffen werden. Anstelle von detaillierten Anweisungen werden Regeln für Beziehungen und die Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt. Scrum baut nicht nur auf Theorien auf, sondern entscheidend für Erfolge ist auch die Intelligenz derer, die Scrum nutzen. Wesentliche Prinzipien von Scrum sind: • Der Product Owner ordnet die Arbeit eines komplexen Problems in ein Product Backlog. • Während einer Sprint-Phase überführt das Scrum Team einen Teil der Arbeit in ein Inkrement, mit dem sich Wert bei Kunden schaffen lässt. • Scrum Team und Stakeholder überprüfen die Ergebnisse und führen ggf. Anpassungen für die nächste Sprint-Phase durch. • Durchführen von Wiederholungen als ein wesentliches Charakteristikum von Lernen. • Der Scrum Master schafft eine Umgebung, in der diese Prinzipien realisierbar sind. 5.1 Werte Übergeordnet sollen die fünf Wertvorstellungen von Scrum-- comitment, focus, openness, respect, courage- - dazu beitragen, das Vertrauen zwischen allen Projektbeteiligten zu fördern. „Commitment“ meint die persönliche Identifikation mit den Zielen des jeweiligen Projektes. Commitment geht über ein reines Engagement und eine Leistungsorientierung hinaus. Der Unterschied kommt in der Anekdote über das Huhn und das Schwein zum Ausdruck, in der diese sich über ihren jeweiligen Beitrag zu einem Frühstück „ham and egg“ mit dem Ergebnis austauschen, dass das Schwein als committed gilt: „The idea in Scrum is that the „pigs“ are the ones who are totally committed to the project and are responsible for its outcome. The „chickens“ are the people who are informed of its progress, the stakeholders.”[18] „Focus“ bezieht sich auf Spezialisierung und Konzentration. Menschen, die mehrere Dinge „gleichzeitig“ tun, verlieren Zeit, indem sie sich immer neu auf die jeweilige Aufgabe einlassen müssen. Multitasking funktioniert nicht und bedeutet vielmehr, dass jemand sich nicht auf eine Sache fokussieren kann. „Multitasking Makes You Stupid. Doing more than one thing at a time makes you slower and worse at both tasks. Don’t do it. If you think this doesn’t apply to you, you’re wrong-- it does.”[19] „Openness“ kann als Gegengewicht zur Fokussierung verstanden werden, sodass Betriebsblindheit vermieden wird. Die Fähigkeit zur dreifachen Konzentration verbindet die Werte „Focus“ und „Openness“: Konzentration nach innen öffnet uns für unsere Intuitionen und Wertvorstellungen als Basis für gute Entscheidungen. Die Konzentration auf andere schafft vertrauensvolle Verbindungen zu Mitmenschen. Die Konzentration nach außen lässt uns mit unserem Ökosystem als größerer Umwelt besser zurechtkommen.[20] „Respect“ bezieht sich auf einen menschlichen Umgang miteinander. „Courage“ bedeutet den Mut Unsicherheiten auszuhalten. Mut bedeutet nicht, dass jemand keine Angst hat, sondern die Fähigkeit gegen Angst Widerstand zu leisten und mit Angst umzugehen. Mut ist verbunden mit Risikokompetenz. [21] 5.2 Scrum Team Der Product Owner, der Scrum Master und die Developers bilden das Scrum Team, dessen Merkmale sind: • Fokussierung auf das Produktziel • Cross-Funktionalität • Selbstmanagement, d. h., das Team entscheidet selbstständig, wer was, wann und wie tut. • Teamgröße: bis zu 10 Personen • Größere Teams werden in mehrere Teams aufgeteilt, wobei Produktziel, Product Backlog und Product Owner in den Teams identisch sind. Der Product Owner verantwortet das Management des Product Backlog sowie die Entwicklung und Kommunikation des Produktziels. Die Developers sind verantwortlich für das Schaffen eines Plans für den Sprint. Der Plan wird im Sprint Backlog dokumentiert. Täglich wird der Plan an das Sprint Ziel angepasst. Developers verantworten die Produktqualität. Scrum Master werden als „True Leaders“ bezeichnet, die dem Scrum Team und der übergeordneten Organisation dienen. Scrum Master sind für die Etablierung von Scrum verantwortlich. Sie übernehmen in diesem Zusammenhang Coachingaufgaben und entfernen Hindernisse bei der effizienten und effektiven Durchführung von Scrum. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 30 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 30 19.04.2021 10: 54: 57 19.04.2021 10: 54: 57 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 5.3 Ereignisse In Scrum werden folgende fünf Ereignisse unterschieden: Sprint, Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint Review, Sprint Retrospective. Sprints gelten als „Heartbeat“ von Scrum. Der Sprint ist das übergeordnete Ereignis, das die übrigen vier Ereignisse umfasst. Ein Sprint dauert maximal einen Monat. Idealerweise wird der Zeitansatz verkürzt, um weiteres Lernen zu ermöglichen. Jeder Sprint stellt ein eigenes kurzes Projekt dar. Ein Sprint wird nur unter der Bedingung ausnahmsweise abgebrochen, wenn dessen Ziel obsolet geworden ist. Das Ereignis des Sprint Planning soll Antworten auf die drei Fragen von Warum, Was und Wie des Sprints geben. Für einen ein Monat andauernden Sprint ist für das Sprint Planning ein Zeitansatz (time box) von acht Stunden vorgesehen. Das Sprint Goal beantwortet die Frage nach dem Warum: Warum ist der Sprint für die Stakeholder werthaltig? Das Was bezieht sich auf die Aspekte des Product Backlog. Das Wie liefert Antworten auf den Ausführungsplan. Das Sprint Backlog enthält in schriftlicher Form die Antworten auf die Fragen nach dem Warum, dem Was und dem Wie. Daily Scrums sind täglich stattfindende Meetings, die 15 Minuten andauern. Teilnehmer sind die Developers. Der Zweck von Daily Scrums liegt in der Überprüfung von Fortschritten gemessen am Sprint Goal. Ggf. erfolgt eine Anpassung des Sprint Backlogs. Das Sprint Review hat eine Zeitdauer von maximal vier Stunden für einen Sprint, der einen Monat andauert. Der Zweck liegt darin, Sprintergebnisse zu überprüfen und zukünftige Anpassungen festzulegen. Anwesende eines Sprint Reviews sind das Scrum Team sowie die Stakeholder. Die Sprint Retrospective dauert für einen einmonatigen Sprint drei Stunden. Der Zweck dieses Ereignisses liegt darin, neue Ansätze zu planen, um die Arbeitsqualität und die Effektivität zu erhöhen. Teilnehmer sind ausschließlich die Mitglieder des Scrum Teams. 5.4 Artefakte Die Artefakte von Scrum sind Product Backlog, Sprint Backlog und Increment. Artefakte repräsentieren Arbeiten oder Werte, um die Transparenz über die wesentlichen Informationen zu erhöhen. Es soll sichergestellt werden, dass jeder, der Überprüfungen durchführt, die identische Grundlage für Anpassungen vorfindet. Der Scrum Guide in der Fassung von 2020 enthält für jedes Artefakt ein commitment, mit dem das Ziel festgelegt ist, anhand dessen der Fortschritt gemessen werden kann. Das commitment des Product Backlog ist das Product Goal als langfristige Zielsetzung. Das Sprint Goal repräsentiert das commitment des Sprint Backlog. Es bildet das einzige Ziel eines Sprints und soll den Zusammenhalt des Teams sowie fokussiertes Arbeiten ermöglichen. Das commitment des Increments ist die Definition of Done (DoD), die als formale Beschreibung eines Inkrements, d. h. eines funktionsfähigen Produkts, gelten kann. Das Product Backlog bildet die Quelle der Arbeit, die von dem Scrum Team zu erledigen ist. Anpassungen können regelmäßig vorgenommen werden. Es handelt sich um eine Liste von Aufgaben, die zur Verbesserung des Produkts abzuarbeiten sind. Definitionsmerkmale eines Produktes sind: • Zielsetzung ist die Lieferung von Werten • Grenzen zu anderen Produkten und Dienstleistungen sind klar definiert • Stakeholder, Nutzer und Kunden sind bekannt • Es kann sich um eine Dienstleistung, ein physisches Produkt oder ein stärker abstraktes Phänomen (z. B. ein Konzept wie ein Medienentwicklungsplan) handeln Das Sprint Backlog enthält das Sprint Goal (Why? ), Teilaspekte des Product Backlog (What? ) sowie einen Aktivitätenplan (How? ). Jedes Inkrement stellt ein Sprungbrett hin zum Product Goal dar und ist additiv zu jedem vorausgegangenen Inkrement. Zur Wertschaffung muss jedes Inkrement nützlich sein. Sollten mehrere Teams an einem Produkt arbeiten, haben die Teams jeweils identische Definitionen eines „Definition of Done“. 5.5 Purpose Purpose bedeutet Zweck. Linguistisch kommt der Zweck in der Frage nach dem Warum von Handlungen zum Ausdruck. Mit dem „Purpose“ lässt sich die Arbeit an einem Projekt transzendieren, sodass außergewöhnliche Leistungen möglich werden, die über das Normale hinausgehen.[22] Es wird der Sinn von Arbeiten wiedergegeben. Das Ergreifen von Initiative wird als Kern von Entrepreneurship angesehen. Das bedeutet, dass Dinge nicht hingenommen werden. Das Gefühl wird vermittelt, dass sich mit dem eigenen Tun gesellschaftliche Veränderungen erzielen lassen.[23] Verändern Sie Ihre beruflichen Chancen im Hinblick auf Projektmanagement-Kompetenzen. Wählen Sie zwischen einem Zertifikat oder dem Gesamtpaket Master. www.wba-weimar.de Alle Informationen finden Sie unter Projektmanagement-Kompetenzen. Masterstudiengang Projektmanagement [Bau] 8. April 2022 Das Zertifikatstudium entspricht dem 2. Semester unseres Masterstudiengangs. Zertifikatsstudium Projektmanagement - Grundlagen Start: 15.10.2021 Dauer: 1 Semester 18 ECTS Anzeige: PM Aktuell | DUS: 17. März 2021 Freigabe: CW: | MD: Anzeige 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 31 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 31 19.04.2021 10: 54: 58 19.04.2021 10: 54: 58 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 Kriterium Entrepreneur Forscher Anspruch an Innovation Die Innovation muss marktfähig sein. Es kann sich um inkrementelle oder disruptive Innovationen handeln. Die Erfindung oder Entdeckung ist neu. Ihre Marktfähigkeit hat eine untergeordnete Relevanz. Entdeckungszusammenhang Anlässe für die Gründung eines Unternehmens können sein: Erkennen von Nachfrage; Wettbewerbssituation; Gewinnorientierung Forschungsbedarf, Auffälligkeiten, Suche nach Erklärungen, Thesen Begründungszusammenhang Ausprobieren, Best Practice induktives oder deduktives Vorgehen Verwertungs-/ Wirkungszusammenhang Schaffen von Win-win-Situationen für den Unternehmer und den Kunden Hat im Forschungsprozess untergeordnete Bedeutung Ergebnisorientierung Nutzen, Gewinn, Bedürfnisse erfüllen ergebnisoffen Tabelle 1: Arbeitsweisen von Entrepreneuren und Forschern im Vergleich Laut Simon Sinek lässt sich menschliches Verhalten grundsätzlich über die zwei Wege der Manipulation und der Inspiration beeinflussen.[24] Manipulation, z. B. über finanzielle Anreize, wirkt häufig nur kurzfristig, während sich über Inspiration langfristige Effekte erzielen lassen. Eine Möglichkeit zur Inspiration ist die, Sachverhalte mit der Antwort auf das Warum zu starten. Das Warum gibt den tieferen Grund und die Überzeugungen für das Handeln an. Erst anschließend folgen die Beantwortung der Frage nach dem Wie sowie die Beantwortung der Frage nach dem Was. S. Sinek bezeichnet dieses dreistufige Vorgehen den goldenen Zirkel von Why? , How? und What? [25] Purpose ersetzt nicht die Motivation von Beschäftigten, da Motivation keiner externen Anstöße bedarf, sondern intrinsisch ist. Purpose schafft Inspiration und Vertrauen.[26] 6 Denk- und Handlungsweisen eines Entrepreneurs Genau so wenig wie es ein einziges wissenschaftliches Vorgehen gibt, existiert nicht lediglich ein Format von Entrepreneurship. Lediglich typische Merkmale von Entrepreneuren lassen sich identifizieren. Für Unternehmer ist kennzeichnend, dass sie innovativ sind, ihr Handeln an Zielen ausrichten, die sich auf die Nachfrage ihrer Arbeit beziehen und für sich und ihre Kunden Werte schaffen wollen. „Entrepreneurship ist Aufbruch, Veränderung, kreative Zerstörung, verlangt eine andere Lebenseinstellung, Zähigkeit, Durchhaltevermögen, Ambiguitätstoleranz und vieles mehr.“[27] „Entrepreneurship ist Eigeninitiative, Selbstbehauptung, Umgang mit Unsicherheit, Durchstehen von Turbulenzen und Krisensituationen. Gegebenenfalls rechtzeitiges Erkennen der Aussichtslosigkeit und Mut zur Aufgabe-- Neuanfang.“[28] 7 Die Arbeitsweise empirisch arbeitender Wissenschaftler Typischerweise startet der Forschungsprozess eines Wissenschaftlers mit einer Beobachtung, die widersprüchlich ist oder einer Erklärung von Ursachen bedarf. Laut der empirischen Sozialforschung handelt es sich hierbei um den Entdeckungszusammenhang, der als Anlass definiert ist, der zu einem Forschungsprojekt geführt hat. Aus dieser Beobachtung wird eine Fragestellung abgeleitet, die sogenannte Forschungsfrage. Anschließend werden Hypothesen gebildet. Die Hypothesen werden in der Art und Weise formuliert, sodass sie sich falsifizieren lassen, d. h., widerlegbar sind. Es geht also nicht darum, in erster Linie Belege für das Zutreffen der jeweiligen Hypothese zu finden, sondern vielmehr sollen Gegenbeispiele gefunden werden, sodass neue Hypothesen mit einer geänderten Reichweite ihrer Gültigkeit formuliert werden können. Das Vorgehen zur Gewinnung neuer Erkenntnisse ist detailliert zu dokumentieren, sodass die Gemeinschaft der Wissenschaftler (scientific community) Transparenz über das Zustandekommen der Erkenntnisse hat und auf die neuen Erkenntnisse mit weiteren Forschungsanstrengungen aufbauen kann. Der Begründungszusammenhang beschreibt die methodologischen Schritte, mit denen das Problem untersucht werden soll. Es wird das Wie des Erkenntnisgewinns zum Ausdruck gebracht. Dieser Zusammenhang steht im Zentrum von Forschungsprozessen. Der Verwertungs- oder Wirkungszusammenhang beschreibt die Lösung des anfangs formulierten Problems. Dieser Zusammenhang zielt auch darauf ab, Möglichkeiten zur Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse aufzufinden und umzusetzen. Dieser Prozessschritt spielt für Forschungsprozesse eine im Vergleich zum Begründungszusammenhang tendenziell untergeordnete Rolle.[29] Begriffe sind aus Sicht von Wissenschaftlern Konstruktionen der Wirklichkeit, da diese bekanntlich unabhängig von und vor den Begriffsbildungen existiert. 8 Unternehmerische Forscherhaltung als zentrales Charakteristikum von „Scrum“ 8.1 Vergleich Unternehmertum mit Forscherhaltung Anhand von einzelnen Merkmalen wird in Tabelle 1 die Arbeitsweise von Entrepreneuren der Arbeitsweise von Forschern gegenübergestellt. 8.2 Scrum bringt Sichtweisen von Entrepreneuren und Forschern zusammen Die Neigung zum Experimentieren und der positive Umgang mit Fehlversuchen sind zwei Eigenschaften, die Unternehmer und Forscher gemeinsam haben. Darüber hinaus verbindet das Rahmenwerk Scrum unternehmerisches Denken und Handeln mit einer wissenschaftlichen Arbeitsweise, indem einerseits der Fokus auf das Erstellen von Produkten gerichtet ist, die den Bedürfnissen von Kunden entsprechen und andererseits die Ergebnisse regelmäßig Überprüfungen und 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 32 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 32 19.04.2021 10: 54: 59 19.04.2021 10: 54: 59 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 Anpassungen unterzogen werden. Der Unternehmer wird in seiner Neigung gebremst möglichst viele Sachverhalte im Voraus planen zu wollen, da das Unvorhergesehene und das Zufällige als eine wesentliche Quelle von Erkenntnisfortschritten gilt (Serendipity [30]). Andererseits werden dem ausschließlich Forschenden aufgrund konkreter, funktionsbezogener Anforderungen von Kunden und stringente Zeitvorgaben (time box) Restriktionen gesetzt. 9 Fazit: Scrum on Ein dynamisches Selbstbild kommt darin zum Ausdruck, dass jemand bereit ist aus bisherigen Erfahrungen für zukünftiges Handeln zu lernen, Fragen zu stellen sowie sich und die Ergebnisse an neue Gegebenheiten anzupassen. Dieser Mindset beschreibt auch den Kern von Scrum, da der Fokus auf das zeitnahe Erstellen von funktionstüchtigen und qualitativ hochwertigen Ergebnissen gerichtet ist, die nach entsprechender Rückkoppelung mit dem jeweiligen Kunden angepasst und erneuert werden. Die Haltung verbindet Unternehmertum mit Forschergeist, da in beiden Fällen Neugier und Interesse Triebfedern des Handelns sind. Forschungslogik und Marktlogik weisen allerdings auch Unterschiede auf, da eine Erfindung noch keine marktfähige Innovation darstellt. Liegt ein Forschungsergebnis vor, bedarf es zu dessen Umsetzung noch zahlreicher weiterer Schritte. Hierzu zählen z. B. die Analyse von Wettberwerbsprodukten sowie die Bepreisung des Produktes. Insbesondere muss die Marktgängigkeit der Erfindung ausgelotet werden.[31] Scrum bildet eine Brücke zwischen Forschungsorientierung und Marktorientierung. Im Vordergrund steht die jeweilige Persönlichkeit der Beteiligten, für die ein dynamisches Mindset kennzeichnend ist. Der Zusammenhang zwischen Unternehmertum und wissenschaftlichem Vorgehen kommt auch darin zum Ausdruck, dass ein Experiment im Sinne von Scrum nicht auf reinen Erkenntnisgewinn und das Aufstellen neuer Theoriemodelle ausgerichtet ist, sondern im Fokus die Bereitstellung eines funktionstüchtigen, brauchbaren Produktes steht.[32] Literatur Agilen Manifest; unter: https: / / agilemanifesto.org/ iso/ de/ principles.html (abgerufen am 30. 01. 2020). Birbaumer, Niels: Dein Gehirn weiss mehr, als du denkst Ullstein, 2. Auflage Berlin 2015. DIE ZEIT v. 23. 04. 2020: Interview mit DHL-Chef F. Appel. Dweck, Carol: Selbstbild, Piper Verlag, 7. Auflage, München / Berlin 2016. Faltin, Günter: Wir sind das Kapital, Murrmann, Hamburg 2015, S: 87 ff. Goleman, Daniel: Konzentriert Euch! ; Piper, München / Berlin 2015. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (Hrsg.): Individual Competence Baseline für Projektmanagement, Version 4.0, deutsche Fassung, Nürnberg 2017 (online-Ausgabe). https: / / www.kuglermaag.de / aktuelles / interview-mariahansson-anna-sandberg/ , abgerufen am 23. 04. 2020. Kaesler, Dirk (Hrsg.): Klassiker der Soziologie, Band 2, C. H. Beck, 4. Auflage, München 2003. Kromrey, Helmut; Roose, Jochen; Strübing, Jörg: Empirische Sozialforschung, 13. Auflage, UVK, Konstanz und München 2016. Olbert, Sebastian; Prodoehl, Hans Gerd (Hrsg.): Überlebenselixier Agilität, Springer Gabler, Wiesbaden 2019. Osinga, Frans: Science, Startegy and War, The Strategic Theory of John Boyd Delft 2005 (Dissertation, online-Ausgabe). PMA (Projekt Management Austria): ICB Individual Competence Baseline für Projektmanagement, Version 4.0, österreichische Fassung, Zürich und Nijkerk 2015. Milgram, Stanley: Das Milgram-Experiment; Rowohlt Taschenbuch Verlag; 20. Auflage; Reinbek bei Hamburg 2017; S. 50ff Ries, Eric: The Lean Startup, Currency International Edition, New York 2017. Schwaber, Ken; Sutherland, Jeff: Scrum GuideTM, deutsche und englische Fassung, 2017. Schwaber, Ken; Sutherland, Jeff: The Scrum Guide, englische Fassung, 2020. Sinek, Simon: Start with why, Penguin, London 2011. Suhr, Martin: John Dewey, Junius Verlag, Hamburg 2005. Sutherland, Jeff: Die Scrum-Revolution, Campus Verlag, Frankfurt / New York 2015. Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House, London 2019. Takeuchi, Hirotaka; Nonaka, Ikuijiro: The new new product development game, Harvard Business Review, January- February 1986. Webpage des Mitgründers von Scrum Ken Schwaber: Scrum. org. Eingangsabbildung: © iStock.com / pixhook Dr. Christoph Richter Dr. Christoph Richter studierte Verwaltungswirtschaft, Wirtschaftswissenschaften und Bildungswissenschaften. Er hat unterschiedliche Managementfunktionen insbesondere im Controlling- und HR-Bereich wahrgenommen. Seit langer Zeit ist er nebenberuflich und zeitweise auch hauptberuflich als Dozent u. a. für nachhaltige Unternehmensführung tätig. Aktuell arbeitet er als Senior Experte für Placement Beratung bei der Deutschen Telekom AG. Deutsche Telekom AG Telekom Placement Services Business Projects Sürther Str. 168, 50 321 Brühl Telefon: +492 232 579 892 864 eMail: christoph.richter@telekom.de 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 33 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 33 19.04.2021 10: 55: 00 19.04.2021 10: 55: 00 Wissen | Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0026 Anmerkungen Was ist dran an der „neuen Sau“ des Projektmanagements? [1] Vgl. u. a. Interview mit Post-Chef F. Appel in: DIE ZEIT v. 23. 04. 2020; zu Volvo: https: / / www.kuglermaag. de / aktuelles / interview-maria-hansson-anna-sandberg/ , abgerufen am 23. 04. 2020; Olbert, Sebastian; Prodoehl, Hans Gerd (Hrsg.): Überlebenselixier Agilität, Springer Gabler, Wiesbaden 2019, S. 116ff und S. 45: u. a. folgende Unternehmen werden als „agil“ bezeichnet: Google; Hilti; Domino`s Pizza; Lego; Auto Scout 24; Spotify; Unilever; XEROX; Villeroy & Boch; BP; Volvo; Infineon; Bosch; 3M; [2] Vgl. Schwaber, Ken; Sutherland, Jeff: The Scrum Guide, englische Fassung, 2020. [3] Vgl. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (Hrsg.): Individual Competence Baseline für Projektmanagement, Version 4.0, deutsche Fassung, Nürnberg 2017 (online-Ausgabe). [4] Vgl. Takeuchi, Hirotaka; Nonaka, Ikuijiro: The new new product development game, Harvard Business Review, January-February 1986. [5] Vgl. Agiles Manifest; unter: https: / / agilemanifesto.org / iso / de / principles.html abgerufen am 30. 01. 2020. [6] Vgl. Agiles Manifest; unter: https: / / agilemanifesto.org / iso / de / principles.html abgerufen am 30. 01. 2020. [7] Vgl. im Folgenden: Dweck, Carol: Selbstbild, Piper Verlag, 7. Auflage, München / Berlin 2016. [8] Vgl. Birbaumer, Niels: Dein Gehirn weiss mehr, als du denkst Ullstein, 2. Auflage Berlin 2015; S. 45 ff. [9] Vgl. Dweck, Carol: Selbstbild, Piper Verlag, 7. Auflage, München / Berlin 2016, S. 14. [10] Vgl. z. B. Suhr, Martin: John Dewey, Junius Verlag, Hamburg 2005, S. 22 ff. [11] Vgl. Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House Business, New York 2014, S. 24. [12] Vgl. Osinga, Frans: Science, Startegy and War, The Strategic Theory of John Boyd Delft 2005 (Dissertation, online-Ausgabe), S. 2 ff. [13] Vgl. Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House Business, New York 2014, S. 180 ff. [14] Vgl. Sutherland, Jeff: Die Scrum-Revolution, Campus Verlag, Frankfurt / New York 2015, S. 23 und S. 61. [15] Vgl. Sutherland, Jeff: Die Scrum-Revolution, Campus Verlag, Frankfurt / New York 2015, S. 38 ff. [16] Vgl. Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House Business, New York 2014, S. 34 ff. [17] Vgl. Ries, Eric: The Lean Startup, Currency International Edition, New York 2017, S. 47 f. [18] Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House Business, New York 2014, S. 19. [19] Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House Business, New York 2014, S. 109. [20] Vgl. Goleman, Daniel: Konzentriet Euch! ; Piper; München / Berlin 2015. [21] Vgl. Faltin, Günter: Wir sind das Kapital, Murrmann, Hamburg 2015, S. 109. [22] Vgl. Sutherland, Jeff: Scrum, The art of doing twice the work in half the time, Random House Business, New York 2014, S. 44. [23] Vgl. Faltin, Günter: Wir sind das Kapital, Murrmann, Hamburg 2015, S. 139. [24] Vgl. Sinek, Simon: Start with why, Penguin, London 2011, S. 17. [25] Vgl. Sinek, Simon: Start with why, Penguin, London 2011, S. 37 ff. [26] Vgl. Sinek, Simon: Start with why, Penguin, London 2011, S. 83 ff. [27] Ebenda, S. 67. [28] Ebenda, S. 67. [29] Vgl. Kromrey, Helmut; Roose, Jochen; Strübing, Jörg: Empirische Sozialforschung, 13. Auflage, UVK, Konstanz und München 2016, S. 73 ff. [30] Vgl. Kaesler, Dirk (Hrsg.): Klassiker der Soziologie, Band 2, C. H. Beck, 4. Auflage, München 2003; S. 164. [31] Vgl. Faltin, Günter: Wir sind das Kapital, Murrmann, Hamburg 2015, S: 87 ff. [32] Vgl. Ries, Eric: The Lean Startup, Currency International Edition, New York 2017, S. 63. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 34 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 34 19.04.2021 10: 55: 00 19.04.2021 10: 55: 00 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0027 Brauchen wir im Agilen überhaupt noch Projektleiter? Die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement Christoph Ochs, Konrad Spang Für eilige Leser | Unternehmen streben durch die zunehmende Dynamik nach Agilität und nutzen das agile Projektmanagement. Jedoch ist die in agilen Frameworks wie Scrum nicht vorgesehene Rolle des Projektleiters in der Praxis weiterhin präsent. Hat nun die Rolle noch eine Daseinsberechtigung? Oder hat sie sich bloß inhaltlich verändert? Die im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführte empirische Untersuchung hat gezeigt, dass Projektleitungsaufgaben im Agilen eine kommunikativere Ausrichtung aufzeigen und Projekt-Führungskräfte eher coachend und moderierend das Team unterstützen. Entsprechend werden Kompetenzen im sozialen und zwischenmenschlichen Bereich wichtiger. Die Ergebnisse der Untersuchung weisen darauf hin, dass eine Kombination des traditionellen und agilen Bereichs in der Weiterbildung Projektleiter gut auf die Praxisanforderungen vorbereiten kann. Schlagwörter | Projektleitung, Agilität, Agiles Projektmanagement, Scrum, Rollen, Führung „Viele Softwareentwicklungsunternehmen streben nach mehr Agilität.“ [1, S. 31] Vorteile versprechen sich die Unternehmen beispielsweise in der erhöhten Akzeptanz des Produkts durch den Kunden [2, S. 115 f.] bei geringerer Zeit bis zum Markteintritt [3, S. 34 ff.] sowie in der Schaffung einer änderungsfreundlichen Entwicklungsumgebung [4, S. 412]. „Im Agilen arbeitet das Team selbstorganisiert und es wird kaum geplant und dokumentiert! “ Solche Äußerungen über die agile Vorgehensweise stellen die Bedeutung des Projektleiters im Gefüge des Projektmanagements in Frage. Benötigt es also in selbstorganisiert arbeitenden Teams noch eine leitende Rolle? Das Project Management Institute beschreibt, dass Projektleiter im Agilen unbekannt und „nicht notwendig“ seien, aber auch „absolut wertschaffend“ sein können. [5, S. 37] Wie steht es nun um die Rolle des Projektleiters? Welche Veränderungen stehen der Rolle bevor? Der vorliegende Artikel entstand auf Grundlage einer Masterarbeit, die am Fachgebiet Projektmanagement der Universität Kassel erarbeitet wurde. Mithilfe von aktueller Literatur und einer empirischen Untersuchung werden diese Fragen diskutiert und Empfehlungen formuliert. Einleitung Das Hauptanliegen des Artikels ist es, die Veränderungen in der Rollenausgestaltung der Projektleitung im agilen Projektmanagement aufzuzeigen und einen ersten Anstoß für das Verstehen der Veränderungen hinsichtlich der Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Führung in der Projektleitung agiler Projekte zu geben. Hierfür wurde unter anderem ein Modell zur Einschätzung des Agilitätsgrades in Projekten entwickelt. In der Untersuchung diente es der Einschätzung der Agilität eines vom Experten berichteten Beispielprojektes. Weiterhin können sowohl Projektleiter als auch -mitarbeiter die gelebte Agilität in ihren Projekten und Unternehmen mit dem Modell einordnen, um im eigenen Handeln Entwicklungsfelder zu erkennen. Da das agile Projektmanagement andere Schwerpunkte als das traditionelle setzt, verändern sich die oben genannten Aspekte von Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Führung und sind sowohl in der Projektarbeit und der Aus- und Weiterbildung als auch in der persönlichen Entwicklung zu berücksichtigen. So können aus dem Artikel auch Impulse für die Anpassung von Stellenbeschreibungen und Entwicklungsprogrammen sowie für die eigene Entwicklung von Projektleitern und -teammitgliedern abgeleitet werden. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 35 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 35 19.04.2021 10: 55: 06 19.04.2021 10: 55: 06 Wissen | Die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0027 Zunächst werden die theoretische Ausgangssituation zur Rolle des Projektleiters im traditionellen sowie agilen Projektmanagement und der Status quo vorgestellt. (Kap. 1). Anschließend werden die Rahmenbedingungen der durchgeführten empirischen Untersuchung vorgestellt (Kap. 2) und das Modell zur Einordnung des Agilitätsgrades in einem Projekt erläutert (Kap. 3). Als Kern des Artikels werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung beschrieben und interpretiert (Kap. 4). Abschließend wird ein Ausblick gegeben und mit dem Fazit abgeschlossen (Kap. 5). Status quo zur Projektleiterrolle in der Theorie Um die im ersten Absatz offen gebliebenen Fragen der Daseinsberechtigung des Projektleiters im agilen Projektmanagement zu untersuchen, wird nachfolgend die Rolle des Projektleiters im als traditionell bezeichneten Projektmanagement beschrieben sowie allgemein über das agile Projektmanagement und dessen Rollen recherchiert, um ein allgemeines Verständnis für die Rollen und Merkmale zu schaffen. Das im Artikel als „traditionell“ bezeichnete Projektmanagement meint das in der Theorie betrachtete Extrem eines rein plangetriebenen Vorgehens. In der Praxis wird dieses Extrem nur in seltenen Fällen anzutreffen sein. In Unternehmen können sich sowohl traditionelle als auch agile oder beide Formen etablieren, was hervorhebt, dass es vielmehr Mischformen aus traditionellen und agilen Ansätzen in der Realität gibt. Die Zusammenführung beider Themen des traditionellen und agilen Projektmanagements leitet dann den Status quo ab und ermöglicht die Entwicklung von zu überprüfenden Erwartungen. Die Rolle des Projektleiters im traditionellen Projektmanagement zeigt sich einerseits in Form eines Angestellten ohne leitende Befugnisse, sodass häufig über den Einfluss als Person selbst das Projekt vorangetrieben wird. Ist andererseits ein Projektleiter mit Personalführungsbefugnissen eingesetzt, erweitern sich Befugnisse hinsichtlich des Einstellens oder Entlassens von Mitarbeitern. [6, S. 22 f.] Aufgaben eines Projektleiters können somit vom Vertrags- und Anforderungsmanagement [7, S. 21] über die Planung von Terminen, Kosten und Ressourcen bis hin zur Delegation von Aufgaben, Lösung von Konflikten sowie der Dokumentation des Projektes reichen. [8, S. 44 f.; 9, S. 117; 10, S. 191 f.] Für die Erfüllung der Aufgaben sind vielfältige Kompetenzen notwendig, welche nach der International Project Management Association im „Eye of Competence“ in drei Bereiche eingeteilt werden: Kontextkompetenzen sind dabei Werkzeuge, Techniken und Methoden, mit denen ein Projektleiter sein Umfeld verstehen und in diesem handeln kann. Der zweite Bereich umfasst persönliche und soziale Kompetenzen, damit Projektleiter die Führungsaufgaben gegenüber den Mitarbeitern angemessen wahrnehmen können. Entsprechend enthält der dritte Bereich technische Kompetenzen im Hinblick auf Projektmanagementmethoden und Werkzeuge und Techniken zur Unterstützung der Projektleitung. [11, S. 27 f.] Zusammenfassend betrifft die Verantwortung eines Projektleiters in erster Linie den Gesamterfolg des Projekts [12, S. 110 f.], der allerdings in die Erreichung der spezifischen Kosten-, Zeit- und Sachziele [13, S. 25 f.] sowie die Interaktion mit dem Lenkungsausschuss konkretisiert werden kann [7, S. 16]. Agiles Projektmanagement umfasst vor allem eine neue Einstellung gegenüber Projekten und deren Abwicklung, die sich insbesondere in den agilen Werten, wie Mut, Commitment und Feedback, äußern. [14, Online; 15, Online] Agile Prinzipien bauen auf den Werten auf, wie beispielsweise das selbstorganisierte Arbeiten und das direkte Gestalten der Kommunikation, und verfeinern diese. [16, S. 10] Agile Techniken umfassen Strukturen für die Projektarbeit wie Time Boxes, User Stories oder Task Boards. [17, S. 18] Die Zusammenfassung mehrerer Techniken als Prozessmodelle wie Scrum oder Kanban stellen abschließend die agilen Methoden dar. [16, S. 10] Abbildung 1 zeigt die Zusammenhänge der Ebenen. In der agilen Methode Scrum gibt es drei Rollen: der Product Owner verantwortet die Produktfeatures und stimmt die Anforderungen zu diesen mit dem Kunden ab; der Scrum Master unterstützt und coacht in der agilen Arbeitsweise und steht als Ansprechpartner bei Problemen bereit; das Entwicklungsteam arbeitet selbstorganisiert an den Anforderungen und setzt diese um. [18, S. 15 ff.] Zusammenfassend liegen die Kernelemente des agilen Arbeitens • in einer groben Vision von Ziel und Umfang, • der iterativen und eher kurzfristigen Planung des Projektes, • der Integration von Risiken und Änderungen, • der selbstorganisierten Arbeitsweise, • der Integration des Kunden in den Entwicklungsprozess, • der schnellen und direkten Wertschaffung, • einer hohen Regelmäßigkeit in Abstimmungen und Verbesserungen sowie • einem grundlegend iterativen Vorgehen. Abbildung 1: Ebenen des agilen Projektmanagements mit möglichen Ausprägungen und Beispielen 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 36 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 36 19.04.2021 10: 55: 06 19.04.2021 10: 55: 06 Wissen | Die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0027 Abbildung 2 zeigt den wesentlichen Grundgedanken des agilen Projektmanagements, dass Entwickler bzw. das Scrum Team sich von dem anfänglich geplanten Ziel mit jeder Iteration näher an die tatsächlichen Kundenanforderungen heranbewegen, sodass das reale Ziel anstelle des ursprünglich geplanten Ziels erreicht werden kann. In Vorbereitung auf die empirische Untersuchung wurde festgestellt, dass die Rolle des Projektleiters in agilen Methoden wie Scrum grundsätzlich nicht vorgesehen ist und die Aufgaben von neuen Rollen übernommen werden. Jedoch scheint in hybriden Projektmanagementansätzen (Verknüpfungen verschiedener traditioneller und agiler Techniken beziehungsweise Methoden) weiterhin ein Projektleiter gefordert, beispielsweise als übergeordneter Projektbzw. Programmleiter über verschiedene (Teil-)Projekte, die sowohl in traditionellen als auch agilen Ansätzen umgesetzt werden können. [19, S. 269 ff.] Eine systematische Recherche in internationaler Literatur (Stand: Juni 2020) zu dem spezifischen Thema des Projektleiters in agilen Projekten zeigte, dass wenige Informationen im Bereich der Projektleiterkompetenzen im agilen Projektmanagement zu finden sind. [20, S. 859] Eine Studie, in welcher Softwareentwickler (N- = 97) aus 31 verschiedenen Ländern online befragt wurden, zeigte, dass in 67 % der agilen Projekte die Rolle des Projektleiters weiterhin vorhanden ist. [21, S. 3] Diese Ergebnisse unterstreichen die Relevanz der Frage, welche Daseinsberechtigung ein Projektleiter in agilen Projekten hat und welche Veränderungen es für die Rolle gibt. Empirische Untersuchung Die durchgeführte Untersuchung fand in Form von leitfadengestützten Experteninterviews statt. Zur Wahrung der Qualität der Ergebnisse dienten Auswahlkriterien für die Experten (N- = 5), die sich beispielsweise auf eine Erfahrung in der Projektleitung von mindestens fünf Jahren, davon zwei Jahre im agilen Arbeiten, beliefen. Um die Aussagen der Experten zu ihren Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und der Führung besser verstehen und letztlich einordnen zu können, galt es im Interview, die gelebte Agilität des Experten kennenzulernen. Da unter den Begriffen „agil“ oder „Agilität“ nicht grundlegend dasselbe verstanden wird, wurden die Experten zu Beginn des Interviews gebeten, „agiles Projektmanagement“ zu definieren. Auch ein agiles Beispielprojekt des Experten wurde ausgewählt und im Interview näher beschrieben, um die weiteren Aussagen zu den Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Führung besser einzuordnen und mit Beispielen am besprochenen Projekt beschreiben zu können. Die gewählten Projekte waren nicht auf den Informationstechnologiebereich beschränkt, sodass die Interviews zum Beispiel auch Organisationsentwicklungsprojekte enthielten. Im Anschluss wurde orientiert an festgelegten Leitfragen über die einzelnen Themenbereiche der Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Führung in der täglichen Projektarbeit der Experten gesprochen. Die Interviewdauer umfasste jeweils circa 80 Minuten. Die Interviews wurden im Anschluss transkribiert (Wortprotokoll) und eine Version des Transkripts ohne personenbezogene Daten zur Freigabe an den Experten versendet. Bei vorliegender Nutzungsfreigabe wurden die Ergebnisse mithilfe der induktiven Kategorienbildung nach Mayring analysiert. [22, S. 11 ff.] Anschließend fand zur Reflexion und Stabilisierung der Interviewergebnisse eine Fokusgruppen-Diskussion statt. Der inhaltliche Schwerpunkt lag hierbei auf den Erkenntnissen für die Aus- und Weiterbildung von Projektleitern und -mitarbeitern. Dabei wurden einzelne ausgewählte agile Techniken angewendet. Bevor die Ergebnisse der Interviews im Artikel vorgestellt werden, soll das Agilitätsgradmodell erläutert werden. Agilitätsgradmodell Zur Beschreibung des agilen Beispielprojektes wurde auf die zuvor abgeleiteten Kernelemente wie der selbstorganisierten Arbeitsweise des Teams oder der Integration des Kunden in den Entwicklungsprozess (siehe oben) des agilen Projektmanagements zurückgegriffen und hieraus ein sogenanntes Agilitätsgrad-Modell entwickelt. Für das Modell wurden die agilen Kernelemente im Vorfeld des Interviews vom Autor definiert und verschiedene Ausprägungen passend zum traditionellen Projektmanagement sowie einer Zwischenstufe der Ausprägungen angegeben (vgl. Tabelle 1). Mithilfe der Ausprägungen konnte das agile Projektmanagement des beschriebenen Beispielprojektes dann eingeordnet und der sogenannte Agilitätsgrad des Projektes abgeleitet werden. Für ein besseres Verständnis des Modells wird nachfolgend ein Anwendungsbeispiel gegeben: Ein Experte berichtete von seinem Projekt zur Entwicklung einer Internet-of-Things Plattform. Das Projekt begann mit einer Phase der Anforderungs- Abbildung 2: Agiles Nachsteuern in Projekten 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 37 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 37 19.04.2021 10: 55: 07 19.04.2021 10: 55: 07 Wissen | Die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0027 analyse, fortlaufend wurden Anforderungen jedoch marktseitig durch Produktmanager erhoben und vor der Eingliederung in den Product Backlog in Bezug auf den Aufwand geschätzt. Neben dem dadurch permanenten Risiko- und Änderungsmanagement arbeitete das Team nicht vollständig selbstorganisiert, da der Product Owner Vorgaben bei den umzusetzenden User Stories für Sprints machte. Iterativ wurden Lösungskonzepte für die Plattform entwickelt, die regelmäßig am Ende eines Sprints an den Kunden ausgeliefert wurden. Review- und Retrospektive-Meetings (agile Meetings für Feedback zu Produkt und Arbeitsprozessen) wurden konsequent durchgeführt, in jeweils gleichlangen Sprints. Somit passt das Projekt nicht exakt zur agilen Ausprägung des Modells und ein mittelmäßiger Agilitätsgrad ist abzuleiten. Das Team ist stärker im selbstorganisierten und eigenverantwortlichen Arbeiten zu fördern, weshalb für Kriterium 4 die zweite Ausprägung gewählt wurde. Der Start der Iterationen hätte bereits früher im Projektverlauf eingeleitet werden können, um die Zeit für eine aufwändige Planungs- und Anforderungsphase zu reduzieren. Ergebnisse, Interpretationen und Empfehlungen Dieses Kapitel stellt die Ergebnisse aus den Interviews und deren Interpretationen unter Zuhilfenahme recherchierter Literatur bezüglich der Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung und Führung sowie die Erkenntnisse zur Aus- und Weiterbildung vor. Hinsichtlich der Aufgaben von Projektleitern in agilen Projekten ist basierend auf den Interviewergebnissen festzustellen, dass eine Machtdelegation anstelle einer Aufgabendelegation ausgehend vom Projektleiter an das Projektteam stattfindet. Die Gesamtaufgabe wird an das (Scrum-)Team übergeben, welches die Aufgaben selbständig nach dem Pull- Prinzip bearbeitet. Den Projektleitern obliegt das Ressourcenmanagement sowie der Schutz des Teams, beispielsweise vor störenden Einflüssen wie zusätzlichen Anforderungen, die an Teammitglieder direkt und nicht über den Product Owner in das Projekt eingegeben werden. Dieser Schutz stellt die verantwortungsvolle, selbstorganisierte und fokussierte Arbeitsweise des Teams mit der übertragenen Macht sicher. Weiterhin ist das im traditionellen Projektmanagement eher separiert betrachtete Änderungsmanagement in den Prozessen der agilen Methoden vollständig integriert, weshalb keine gesonderten Planungsprozesse für geänderte Anforderungen notwendig sind. Bezüglich der Projektorganisation sind Rahmenbedingungen wie Iterationslänge und Rollen im Projekt von der Projektleitung festzulegen. Eine weitere Aufgabe zeigt sich im Konfliktmanagement, da Konflikte im agilen Projektmanagement offen ausgetragen werden und die Projektleiter eine wichtige Eskalationsinstanz darstellen. Tabelle 1: Agilitätskriterien und -ausprägungen für das Modell zur Einordnung des Agilitätsgrades Abbildung 3: Ausschnitte aus den Ergebnissen hinsichtlich der Veränderungen 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 38 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 38 19.04.2021 10: 55: 08 19.04.2021 10: 55: 08 Wissen | Die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0027 Basierend auf der Veränderung der Aufgaben leiten sich die folgenden Ergebnisse hinsichtlich der Kompetenzen von Projektleitern agiler Projekte ab. Der Bereich der Sozialkompetenzen ist stärker gefordert und daher eine grundlegende Affinität zur zwischenmenschlichen Interaktion sowohl in leitenden als auch ausführenden Rollen wie Entwicklern notwendig. Weiterhin ist dies begründet mit einer intensiver werdenden internen Teamarbeit als auch einer zunehmenden Kollaboration zwischen verschiedenen Projekten und auch Unternehmen. Hinsichtlich der persönlichen Ebene sollten Projektleiter über Empathie sowie eine stabile Resilienz in angespannten und belastenden Situationen verfügen. Laut eines Experten (Experte 5, Abs. 56) ist ein gutes Verständnis für Menschen eine Grundlage für die erfolgreiche Projektleitung ebenso wie Fairness in der Zusammenarbeit, welche Mitarbeiter dem Projektleiter hoch anrechnen und sehr schätzen würden. Insbesondere in schwierigen Situationen sei eine Ausgeglichenheit laut Experte 1 (Abs. 85) sehr wichtig. Kommunikationskompetenzen dienen der Begleitung der möglichst offen und transparent ausgetragenen Konflikte sowie der Führung und Aufrechterhaltung der Mitarbeitermotivation. Letztlich sei eine Feedback-Kompetenz nötig, die Mitarbeitern regelmäßige und schnelle Rückmeldung ermöglicht sowie Motivation und eine optimierte Qualität der Arbeit schafft. Die Bedeutung der sozialen und persönlichen Kompetenzen wird auch in der International Competence Baseline ausführlich behandelt. Nach wie vor sind methodische Kompetenzen relevant, wie Kenntnisse zu Projektmanagementmethoden, der Ressourcen- und Kapazitätsplanung sowie dem Schätzen von Dauern und Aufwänden, um beispielsweise diese Informationen an die Linienorganisation zur Ressourcenkoordination weitergeben zu können. Im Rahmen der Verantwortung gilt es im agilen Projektmanagement vielmehr den Sinn des Projektes und den Mitarbeitern die Bedeutung ihrer eigenen Arbeit zu erklären. Häufig wird von den Befragten die Verantwortung gegenüber dem Projektteam genannt, welche aufgrund einer familiären und persönlichen Zusammenarbeit steigt. Eine große Verantwortung liegt laut der Expertenaussagen ebenfalls im Reporting des Projektes. Zwar unterscheidet sich die Art und Weise des Reportings im agilen Projektmanagement, jedoch ist mithilfe des Reportings weiterhin das Vertrauen des Managements in das Projektteam herzustellen und der Informationsbedarf der Stakeholder zu decken. Starke Veränderungen sind bei der Verantwortung des Projektleiters für das Gesamtprojekt festzustellen. Obwohl diese beim gesamten Team liegt, tragen die befragten Projektleiter weiterhin die Kostenverantwortung und berichten teilweise auch, dass ein klassisches Projekt über das agile Vorgehensmodell gestülpt wird, dessen Leitung sie verantworten. Führung im Agilen wandelt sich stark zum sogenannten Servant Leadership (Experte 4, Abs. 103). Diese Art der Führung sei durch die Herstellung eines durch Vertrauen und Unterstützung geprägten Umfelds gekennzeichnet, so die Experten 3 (Abs. 85) und 4 (Abs. 103). Hinsichtlich der disziplinarischen Führung verändert sich jedoch wenig, da die in den Interviews betrachteten Projekte weiterhin in „klassischen Projektorganisationsformen“ wie zum Beispiel der Matrixorganisation durchgeführt werden. Allerdings besteht in Matrixorganisationen ein erhöhter Abstimmungsbedarf, sodass die interviewten Projektleiter von einem Vermitteln und Problemlösen in der Schnittstelle zwischen agilem Projekt und Linienorganisation berichten. Bezüglich der Frage nach den agilen Werten zeigt sich, dass die Relevanz der Werte in der Führung aufgrund der Datenlage unklar blieb. Das könnte auf eine geringe Auseinandersetzung mit dem Handeln nach Werten und Prinzipien sowie mit den eigenen Werten und Prinzipien zurückzuführen sein. Abbildung 3 fasst beispielhafte Ergebnisse übersichtlich zusammen. Projektleiter, die sich entsprechend für agile Projekte vorbereiten oder Kompetenzen erwerben wollen, empfiehlt sich vor allem die Kombination von traditionellen und agilen Projektmanagementansätzen und entsprechenden Weiterbildungen und Zertifizierungen. Besonders in größeren Projekten scheinen traditionelle Kenntnisse hilfreich, da umfangreichere Managementaufgaben wie Einkaufsprozesse, Ressourcenmanagement und Abstimmungen mit der Linienorganisation erforderlich sind. Ein weiterer Fokus liegt auf zwischenmenschlichen Kompetenzen, wie Kommunikation und Moderation, aber auch Themen der Persönlichkeitsentwicklung, um Mitarbeiter in der Projektarbeit sowie auf ihren eigenen Entwicklungswegen begleiten zu können. Zusammenfassend ist auf der Basis der durchgeführten Interviews die Rolle des Projektleiters weiterhin relevant. Einige Leitungs- und Führungsaufgaben sowie Kompetenzen werden von den agilen Rollen gar nicht oder nicht ausreichend abgedeckt. Mehrwerte schafft der Projektleiter in der Schnittstelle zwischen klassischer und agiler Organisation und in hybriden Projekten sind Projektleiter beispielsweise in Form eines Program Owners oder Programmleiters erforderlich. Projektleiter werden demnach häufig noch benötigt, übernehmen jedoch auch agile Rollen in den heutigen Projekten. Solange die eigene Linienorganisation bzw. die Organisation des Kunden in externen Projekten noch nicht annähernd vollständig agil sind, ist vor dem Hintergrund der Interviewergebnisse davon auszugehen, dass die Projektleiterrolle vorerst weitgehend bestehen bleibt. Ausblick und Fazit Aus den Ergebnissen der hier vorgestellten Untersuchung zeigt sich weiterer Forschungsbedarf vor allem in der Schnittstelle zwischen Linienorganisation und agilem Projekt, beispielsweise in der Abstimmung bezüglich des Ressourcenbedarfs, aber auch in der Schärfung und Abgrenzung der Projektleiterrolle von den agilen Rollen. Dies würde dem Vermeiden von Unklarheiten hinsichtlich der Rollen in den Projektmanagementmethoden und vor allem in hybriden Ansätzen dienen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen der hier vorgestellten Untersuchung können sich Projektleiter nun ein Bewusstsein über ihre Rolle und deren Bedeutung verschaffen. Ferner können diese und alle weiteren Interessierten und Betroffenen ihren Weiterentwicklungsbedarf ableiten und optimieren. Dazu können beispielsweise Defizite in der agilen Vorgehensweise im eigenen Projekt mit dem Agilitätsgradmodell identifiziert und Entwicklungspotenziale abgeleitet werden, in welchen der Projektleiter selbst seine Kompetenzen auszuweiten hat. Personalabteilungen können die veränderten Anforderungen hinsichtlich der zu bewältigenden Aufgaben und notwendigen Kompetenzen eines Bewerbers in Stellenbeschreibungen verfeinern. Ebenso bieten die Erkenntnisse der unternehmensweiten Weiterbildung die Chance, für die Zukunft relevante Kompetenzen zu vermitteln und somit das bereits vorhandene Personal sinnvoll weiterzuentwickeln. Das Modell des Agilitätsgrades, welches der Einschätzung 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 39 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 39 19.04.2021 10: 55: 08 19.04.2021 10: 55: 08 Wissen | Die Projektleiterrolle im agilen Projektmanagement 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0027 der agilen Ausprägungen im Projekt dient, hilft allen Personen im Projekt, die agile Arbeitsweise besser einzuschätzen und ein gemeinsames Verständnis zum gelebten Projektmanagement im Projekt oder der Organisation zu entwickeln. Abschließend möchte ich mich sehr herzlich beim Fachgebiet Projektmanagement, insbesondere Frau Pia Herrmann, für die Unterstützung meiner Arbeiten bedanken. Eingangsabbildung: © iStock.com / egon69 Literaturverzeichnis [1] Cohn, Mike: Agile Softwareentwicklung. Mit Scrum zum Erfolg! Addison-Wesley, München 2010. [2] Wieczorrek, Hans W. / Mertens, Peter: Management von IT-Projekten. 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Beltz, Weinheim und Basel 2010. Christoph Ochs Christoph Ochs studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Kassel und schrieb seine Masterarbeit am Fachgebiet Projektmanagement. Nach ersten Erfahrungen als Werkstudent arbeitet er nun in der IT-Beratung in agilen Projekten. eMail: christophochs@gmx.net Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang Prof. Dr.-Ing. Konrad Spang sammelte, nach einem Studium an der Universität Stuttgart zum Bauingenieur und der Promotion an der ETH Lausanne, mehrere Jahre Projektleitererfahrung in großen Bauprojekten, zuletzt war er als Projektmanager gesamtverantwortlich für zwei Infrastruktur-Großprojekte. Seit 2002 ist er Leiter des Fachgebiets Projektmanagement an der Universität Kassel. Universität Kassel Fachgebiet Projektmanagement Heinrich-Plett-Straße 40 34 132 Kassel Telefon: 0561 / 8 044 680, Internet: https: / / www.uni-kassel.de/ maschinenbau/ institute/ ifa/ projektmanagement/ projektmanagement/ startseite.html 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 40 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 40 19.04.2021 10: 55: 10 19.04.2021 10: 55: 10 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0028 Warum Lernen im Unternehmen unterschätzt wird „Wer macht schon Fehler? ! “ Tobias Kreutter, Klaus Abstein Für eilige Leser | Fehler macht man nicht, Fehler passieren. Eine Erkenntnis, die zwar marktschreierisch in Unternehmen postuliert wird, hinter der aber oft nicht mehr dahintersteckt als heiße Luft. Jedes Unternehmen hat auf irgendwelchen Strategie- und Marketingfolien solche Sprüche stehen, doch der Blick hinter die Kulissen zeigt oft ein gegenteiliges Bild. Nicht selten ist es dann an den engagierten Mitarbeitenden, die Kultur nach ihren Wünschen zu gestalten; und hier stehen Projektleiter natürlich wie immer, wenn es um Neuerungen geht, mit an vorderster Front. Wenn Sie sich jetzt angesprochen fühlen oder Ihnen diese Situation nicht ganz fremd erscheint, dann haben wir in diesem Artikel ein paar Tipps zusammengefasst, die uns geholfen haben, die Fehler- und Lernkultur zu verbessern. Im Artikel wird hierzu auf das Verständnis von Fehlern, die Unterscheidung zum Vorsatz und den Reaktionen darauf eingegangen, ebenso wie auf die Nutzung einer einfachen, aber etablierten Methode, die sich sowohl im klassischen Projektrahmen als auch im agilen Umfeld anwenden lässt. Schlagwörter | Fehlerkultur, Lernkultur, Lessons Learned, 5-Finger-Methode, Organisationsentwicklung, Praxistipps Vor vielen Jahren in einem mehr oder weniger fiktiven Unternehmen: Es ist ein verregneter Freitagnachmittag und man ist immer noch auf der Arbeit. Während man im Konferenzraum auf die letzten, verspätet eintrudelnden Teilnehmenden wartet, ist man gedanklich schon im Feierabend und im wohlverdienten Wochenende. Doch vorher gilt es noch ein obligatorisches Meeting zu überstehen: Das Feedback Meeting zum Projektabschluss. Früher einmal hieß das Ganze „Lessons Learned“ und man hatte Kollegen, die nur dafür abgestellt waren. Man war im Management der Meinung, man könne die „zu hohe Fehlerquote“ in Projekten ändern, indem man solch eine Methode einfach überstülpt, gerade da sie überall als Allheilmittel angepriesen wurde. Allerdings ging der Schuss bald nach hinten los. Den meisten alteingesessenen Mitarbeitenden war dies zu progressiv und sie waren der Meinung, dass man es ja sowieso schon immer so gemacht hätte, nur besser. Also wurden die verzweifelten Kollegen auf eine andere Stelle versetzt und das Management gab sich damit ab, dass man eben wieder mehr Mikromanagement betreiben müsse, damit nicht mehr so viele Fehler passieren. Der Begriff „Lessons Learned“ war damit auch stigmatisiert und so ging man eben dazu über, am Ende des Projekts „Feedback Sessions“ abzuhalten. Jeder der Teilnehmenden weiß zwar von vorneherein, dass die hier gesagten Dinge kaum einen Einfluss auf irgendwelche weiteren Projekte haben werden, doch die Teilnahme ist verpflichtend für alle Projektteilnehmer und deshalb lässt man es eben über sich ergehen. Und so sitzt man hier und wartet darauf, dass man es endlich hinter sich bringen kann. Drei Jahre lang hat man an dem Großprojekt gearbeitet. Und obwohl man es hat fertigstellen können, sind eigentlich alle froh, dass es endlich vorbei ist. Es gab viele Rückschläge, viele Pannen und auch viel Druck von oben, alles richtig zu machen. Nun geht es aber noch ein letztes Mal daran, das Projekt Revue passieren zu lassen, und es geht auch gleich schon los mit den Anschuldigungen. Sich gegenseitig unterbrechende Kollegen schleudern Sätze durch den Raum, die alle anfangen mit „Du hättest besser…“, „Ihr hättet ja eigentlich wissen können, dass…“, „Sowas sollte man eigentlich zu Beginn…“ oder „Hättet ihr das mal früher gemacht, dann…“. Als man aus dem Treffen rausgeht- - froh, dass es endlich vorüber ist--, sind die meistdiskutierten Themen, dass es neben dem Kaffeeangebot in Zukunft auch Tee geben sollte und dass die Schuld ja sowieso bei dem Vorgängerprojekt lag. Solche oder so ähnliche Situationen haben garantiert schon einige Projektleiter oder -mitarbeiter erlebt und gerade 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 41 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 41 19.04.2021 10: 55: 13 19.04.2021 10: 55: 13 Wissen | „Wer macht schon Fehler? ! “ 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0028 dann stellt man sich die Frage, was man hätte anders machen können. Bestimmt wäre das Projekt besser gelaufen, wenn man methodisch noch mehr solcher Feedback Sessions früher im Projekt eingebaut hätte. Doch neben der Methodik zeigt sich in diesem (Negativ-)Beispiel ganz deutlich, dass die Fehlerkultur dahinter essenziell für die gelebte Praxis ist. 1. Fehlerkultur: Was ist das eigentlich Um den Begriff der Fehlerkultur definieren zu können, müssen wir allerdings weiter vorne anfangen und erst einmal definieren, was überhaupt ein Fehler ist. Denn tatsächlich nutzen wir dieses Wort tagtäglich, machen uns aber keine Gedanken darüber, was wir damit ausdrücken bzw. welche Anschuldigung im negativen Sinne dahintersteckt. Im wissenschaftlichen Sinne gibt es mit der Fehlerforschung ein ganzes Forschungsgebiet, das sich damit auseinandersetzt und in dem es ein breites Spektrum an Fehlerdefinitionen gibt. Sehr lehrreich zum Verstehen der Fehlerkultur in Unternehmen ist die Fehlerdefinition nach dem Pädagogen Hermann Weimer. Dieser grenzt den Fehler und den Irrtum nämlich durch das Fehlen der Intention von den Begriffen Täuschung und Fälschung ab und gibt somit eine Erklärung, die sich auch mit unserem unterbewussten Verständnis von Fehlern deckt. [1] Diese Unterscheidung nach dem Vorhandensein der Intention kann nämlich oft ein unterbewusster Punkt sein, der unsere Reaktion auf eine Panne beeinflusst: Gehen wir von einem Fehler oder Irrtum aus, sind wir weniger emotional davon betroffen, als wenn wir dahinter einen Vorsatz vermuten. Die Unterscheidung zwischen Fehler ist passiert und einer absichtlichen Handlung unter Vorsatz wird meist nicht bewusst getroffen. Wenn wir also von Fehler sprechen, gehen wir nicht von Vorsatz aus. Im Alltag allerdings können wir nur annehmen, ob es sich um Vorsatz oder um einen (eigentlichen) Fehler handelt. Wenn emotional auf einen Fehler reagiert wird, wird sehr wahrscheinlich Vorsatz vermutet. Ein Schritt zurück und ein selbstreflektierter Blick aus der Vogelperspektive hilft, die Situation richtig einzuschätzen. Es gilt zu fragen, aktiv zuzuhören und sich in den anderen hineinzuversetzen, um diese Annahme aufzulösen. Doch gerade, wenn wir einschätzen wollen, ob es sich um Fehler oder Vorsatz handelt, ist es wichtig zu verstehen, wie Fehler entstehen. Denn Fehler passieren nun einmal. Dies bemerkte auch schon Cicero im Jahre 43 v. Chr., ähnlich zu dem heute vielfach zitierten Sprichwort „Irren ist menschlich“. Doch die Ursachen für Fehler können mannigfaltig sein. Dies zeigt sich auch in der Fehlerforschung, die vielfältige Definitionen und Ursachenbeschreibungen je nach Anwendungsgebiet bereithält. Laut dem Pädagogen Martin Weingardt kann man jedoch einen Fehler ganz allgemein über die Erwartungen und Alternativen definieren: „Als Fehler bezeichnet ein Subjekt angesichts einer Alternative jene Variante, die von ihm-- bezogen auf einen damit korrelierenden Kontext und ein spezifisches Interesse-- als so ungünstig beurteilt wird, dass sie unerwünscht erscheint.“ [ 2 ] Daher kann man verallgemeinernd formulieren: Wenn es keine Alternative gibt, kann es auch keinen Fehler geben. Basierend darauf kann man einen Fehler also immer als eine Entscheidung für eine Alternative interpretieren, die sich rückwirkend betrachtet als unerwünscht erwiesen hat. Im betrieblichen Kontext ist es nicht anders. Wir müssen tagtäglich Entscheidungen treffen, die sich im Nachhinein als falsch oder richtig erweisen können. Oftmals haben wir hierbei aber nur wenige Entscheidungsoptionen vor Augen, obwohl es bei genauerer Betrachtung deutlich mehr gibt. So hilft es auch hier, kurz innezuhalten und sich vor Augen zu führen, welche Optionen man noch ergreifen könnte. Ein Alternative kann sein, einfach keine der vorliegenden Optionen zu wählen und erstmal keine explizite Entscheidung zu treffen, um sich weitere Informationen einzuholen und Zeit zu verschaffen. Eine andere Alternative könnte sein, einen Kompromiss zwischen den vorliegenden Alternativen zu erarbeiten. Dies ist auch eine Methode, die man sehr gut zur Sensibilisierung für Fehler heranziehen kann. In Trainings zum Thema „Lernen und Fehlerkultur“ benutzen wir sie anhand von Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit der Teilnehmenden, um zu verdeutlichen, wie man aus einem Entscheidungsdilemma ein Tetralemma oder Polylemma machen kann. Unabhängig von der konkreten Fehlerursache beschreibt die Fehlerkultur, wie wir als Organisation mit den erkannten Fehlern umgehen. Sie beschreibt jedoch nicht, wie wir vorsätzlich falsche Handlungen handhaben. Der Umgang mit Fehlern kann sich verschieden äußern und hat erheblichen Einfluss auf das Lernverhalten sowie die grundsätzliche Bereitschaft Fehler zu riskieren. Denn gerade durch einen Fehler wird uns aufzeigt, dass sich etwas anders verhält, als wir es erwartet haben. Deshalb wird das bisher geltende Wissen angezweifelt, da es nicht ausgereicht hat, um eine adäquate Handlungsalternative zu bestimmen. Wir werden aus unserer Routine gerissen und unserer eigenen Unwissenheit bewusst, was somit der erste, notwendige Schritt zu neuen Erkenntnissen ist. [3] Daher ist das Lernen unmittelbar mit dem Begehen von Fehlern verknüpft. Doch nicht nur aus den eigenen Fehlern können wir lernen, sondern auch aus den Fehlern anderer, wie der folgende Aphorismus deutlich macht: „Wir müssen auch aus den Fehlern anderer lernen, denn wir leben nicht lange genug, um sie alle selbst zu machen“. Deshalb ist es umso wichtiger, wie wir generell auf Fehler-- sowohl auf eigenverschuldete als auch auf fremdverschuldete-- reagieren. Als Reaktionen auf Fehler kann man hierbei drei maßgebliche Szenarien unterscheiden: • Bestrafung • Laissez-Faire • Coaching Bestrafung meint hierbei, dass für den Fehlerverantwortlichen negative Maßnahmen folgen. Diese können aus expliziten Maßnahmen wie Degradierung oder Abmahnung bestehen, sie können aber auch durch implizite Maßnahmen wie Imageverlust oder Bloßstellung vorkommen. Eine Fehlerkultur, die maßgeblich auf Bestrafung als Reaktion setzt, führt zu dem Effekt, dass Fehlervermeidung primäres Ziel wird und somit ein Lerneffekt für die Organisation als Ganzes ausbleibt. Infolge einer solchen Strategie kommen Lernimpulse nur noch von außerhalb der Organisation und es kommt zu einem Verlust an Eigeninnovation und Lernbereitschaft. Eine komplementäre Maxime vertritt der Laissez-Faire-Stil. Angelehnt an den gleichnamigen Erziehungsstil aus der Sozialpädagogik vertritt dieser Stil die Haltung, dass man im Fehlerfall ohne jegliche Einmischung auskommt. Dies führt aber im organisationalen Kontext dazu, dass es für das Indi- 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 42 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 42 19.04.2021 10: 55: 13 19.04.2021 10: 55: 13 Wissen | „Wer macht schon Fehler? ! “ 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0028 viduum keinen Druck gibt, aus den Fehlern etwas zu lernen. Während man im pädagogischen Kontext noch argumentieren kann, dass die Zwänge zum Lernen durch negative Erfahrungen aus dem Umfeld kommen, geschieht dies im organisationalen Rahmen nicht mehr, wenn die Organisation diese nicht bietet. Währenddessen bietet Coaching als Reaktion auf Fehler einen extrinsischen Anreizpunkt für das Individuum, sich mit seinen Fehlern auseinanderzusetzen. Im Vergleich zur Bestrafung ist dieser Anreiz aber deutlich positiver behaftet, da es nicht um Schuldzuweisung und Ahndung geht, sondern lediglich um den Lerneffekt für die Organisation. Hierbei ist vor allem wichtig, dass der Fehlerverantwortliche Unterstützung erfährt, um den Fehler aufzuarbeiten und daraus lernen zu können. Das Bewusstsein für Fehler wird positiv erlebt und die Angst künftig Fehler zu begehen wird relativiert. Im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft von Unternehmen wird immer wieder von lernenden Unternehmen geredet. Wie wir im vorangegangenen Abschnitt gesehen haben, ist aber wichtig, dass die Fehlerkultur auch entsprechend angepasst ist. Denn weder mit Bestrafung noch mit Laissez-Faire kann eine solche lernende Organisation nachhaltig gestaltet werden. Doch wie bei allen Kulturthemen ist es wichtig, dass die Kultur auch authentisch gelebt wird, um so überhaupt erst einen angstfreien Raum schaffen zu können, in dem die Organisation von Fehlern profitieren kann. 2. Fehlerkultur in Projekten anwenden: Der Klassiker „Lessons Learned“ Einen solchen angstfreien Raum kann man zwar durch das persönliche Vorleben solcher Werte schaffen, allerdings ist dies ein langfristiges Unterfangen-- was eine Kulturveränderung jedoch immer ist. Im Kleinen kann man dies aber auch methodisch angehen, indem man das Lernen dort strukturiert verankert, wo es viele Neuheiten und Veränderungen und damit auch viel Potenzial für Fehler gibt: in Projekten. Wie im Kapitel zuvor angesprochen, gehen wir auch hiervon wirklichen Fehlern aus, nicht von vorsätzlichen Handlungen. Obwohl in der gelebten Praxis auch klar sein muss, dass meist persönliche Interessen und eigene Anliegen vorhanden sind, die dann die Lernfähigkeit behindern. Grundsätzlich jedoch hilft eine gute Selbstreflexion beim Lernen. In den meisten betrieblichen Weiterbildungskatalogen steht Selbstmanagement aber nicht auf der Prioritätenliste der Qualifizierungsmaßnahmen, sofern überhaupt explizit aufgeführt. Und gelernt haben wir dies in den meisten Fällen auch nicht. Also woher sollen wir den Umgang mit Fehlern kennen? Eine strukturierte Methode des organisationalen Lernens ist der Klassiker aus den 90er Jahren: „Lessons Learned“. Wie am Eingangsbeispiel süffisant dargestellt, ist es oft am Ende des Projektes verortet. Der Begriff ist zudem leider oft negativ belegt, dabei bietet „Lessons Learned“ so viel mehr als oft wahrgenommen wird. „A Lesson Learned is a change in personal or operational behavior as a result of experience.“ [4] Lessons Learned ist eine strukturierte Methode zur systematischen Sammlung, Bewertung, Anwendung und Weitergabe von Erfahrungen bzw. Erfahrungswissen, die im Rahmen von Projekten oder Arbeitsabläufen gemacht wurden. Dabei werden positive wie negative Erfahrungen berücksichtigt. Der Begriff „Lessons Learned“ wird sowohl für gemachte Erfahrungen als auch für die Methode sowie für den Prozess verwendet. Also verwundert es nicht, dass jeder etwas anderes darunter versteht und erwartet. Warum also sollte man Lessons Learned einsetzen? Auf abstrakter Ebene hilft es bei der kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung, bei der Nutzung und Weitergabe von relevantem Wissen in den Geschäftsprozessen und unterstützt die Ziele und Unternehmensstrategien. Die Vorteile im Überblick: • Unterschiedliche Sichtweisen der Projektmitglieder / Bereiche werden transparent • Steigerung der Effizienz durch Umsetzung konkreter Maßnahmen • Gemeinsames Verständnis zu Stärken und Schwächen sowie deren Ursachen wird entwickelt • Selbsterkenntnis wird gefördert • Wissen der Gruppe wird genutzt • Feedback-Kultur wird gestärkt Die Lernschleife des Lessons-Learned-Prozesses zur kontinuierlichen Weiterentwicklung ist einfach. Erfahrungen werden in regelmäßigen Besprechungen identifiziert. Hierzu gehört die Betrachtung von positiven Erfahrungen und Möglichkeiten zur Verbesserung, genauso wie die zwischenmenschliche Betrachtung auf der sozialen Ebene. Daraus abgeleitet werden Maßnahmen und konkrete Aktivitäten definiert. Hierbei ist zwingend darauf zu achten, dass diese im entsprechenden Beeinflussungsbereich liegen. Der potenzielle Nutzen muss genauso klar sein wie die Verantwortlichkeiten. Nachverfolgung hilft, dass die Maßnahmen nicht verstauben oder gar im Papierkorb verschwinden. Denn der kritische Erfolgsfaktor ist die Integration des Gelernten und das Teilen der Erfahrungen mit den Kollegen. Hierbei muss es kein formeller Rahmen oder die Dokumentation in einer Knowledge-Base sein. Oft reicht einfaches Netzwerken aus, damit klar ist, an wenn ich mich für spezifisches Erfahrungswissen wenden kann. „Lessons Learned“ ist zunächst einmal eine Methode, die in einer Regelmäßigkeit vielfältig angewendet werden kann, sowohl bei der Optimierung von Prozessen, zur individuellen Entwicklung genauso wie zur Teamentwicklung. Am meisten genutzt wird sie aber im Kontext des Projektmanagements, indem es auch wieder verschiedene Anknüpfungspunkte im Projektlebenszyklus gibt. Gleich zu Beginn eines Projekts, liegt der Fokus auf der Nutzung von Erfahrungen aus anderen Projekten, zur Vermeidung von-- der Organisation bereits bekannten-- Fehlern: das Befolgen des sogenannten „0 Gebots“. Dieses Einholen von bereits bekannten Fehlern und Erfahrungen wird leider oft vergessen und unterschätzt. Auch wird es leider viel zu selten vom Management eingefordert und Zeit hierfür bereitgestellt. Doch gerade bei der Initiierung von neuartigen Vorhaben ist es ein enormer Erfolgsfaktor, der erheblich Zeit und Ressourcen sparen kann. Doch nicht nur zu Beginn, sondern auch während der Projektlaufzeit sorgen regelmäßige Lessons-Learned-Events dafür, dass Erfahrungen direkt in das Projekt miteinfließen. Hierzu bieten sich meist die Meilensteine an, man kann sich aber auch an agilen Methoden orientieren und solche Events in fester zeitlicher Regelmäßigkeit (z. B. monatlich) einplanen. Bei agilen Methoden wie Scrum ist dieser Lernprozess bereits fest verankert in der Retrospektive und in der Review. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 43 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 43 19.04.2021 10: 55: 14 19.04.2021 10: 55: 14 Wissen | „Wer macht schon Fehler? ! “ 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0028 Am Ende des Projektes geht es dann um die Identifikation und Sicherung relevanter Erfahrungen für zukünftige Projekte. Das Wissen dann aktiv zu teilen und für jeden zugänglich bereitzustellen, ist hier ein Schlüsselfaktor. Um in einem solchen Workshop die Projektaspekte ganzheitlich zu reflektieren, dient die 5-Finger-Methode als wirkungsvoller Leitfaden. Einfach anzuwenden und enorm hilfreich bei Berücksichtigung der fünf Aspekte: • Daumen: Was war und ist besonders gut? • Zeigefinger: Was möchte ich mitteilen? • Mittelfinger: Was war und ist nicht gut? • Ringfinger: Wie läuft es auf der Teamebene, im sozialen Umfeld? • Kleiner Finger: Was ist zu kurz gekommen? Gerade der Aspekt „Was läuft gut und stellen wir sicher, dass es zukünftig gut läuft.“ wird häufig den negativen Punkten geopfert. Dabei wäre Stärken zu stärken viel einfacher als Negatives zu berichtigen. Zudem macht dies meist sogar allen Spaß und ist dabei ein nicht ganz unerheblicher Motivationsfaktor. Denn schließlich Lernen wir mit Spaß viel einfacher und auch eindrücklicher. Wie läuft also so ein Workshop in der Praxis ab? Ein Best- Practice ist, solche Workshops lieber regelmäßig zu wiederholen, anstatt ein halbes Jahr verstreichen zu lassen. Dann sind 90 Minuten Dauer auch völlig ausreichend. 1. Im allerersten Schritt ist es dann nochmals wichtig, den Umfang klar abzustecken: Reden wir über das gesamte Projekt, die aktuelle Phase, das letzte Release oder den letzten Sprint? 2. Dann folgt das Brainstorming in Stillarbeit. Die Dauer sollte bei einem 90-Minuten-Workshop die 10 Minuten nicht übersteigen. 3. Bei der anschließenden Vorstellung im Plenum erzählt jede/ r der Reihe nach einen Punkt. Wichtig ist, im Vorfeld darauf hinzuweisen, dass keine Doppelnennung vorkommen sollten, um Zeit zu sparen. Damit Leute dies zum Ausdruck bringen könne, ist es hilfreich einen Mülleimer in die Mitte zu stellen, so dass Doppelungen sichtbar entsorgt werden können, ohne dass Zeit verloren geht. Dadurch, dass jede / r nur einen Punkt jeweils sagt, wird sichergestellt, dass jede / r drankommt und Vielredner gezwungen werden zuzuhören. Auch wichtig ist hierbei, dass es keine Diskussionen gibt, sondern nur Verständnisfragen erlaubt sind. Hierbei sind die Moderierenden gefragt, vor allem, wenn persönliche Punkte aufkommen oder negative Emotionen im Spiel sind. 4. Im nächsten Schritt werden die Punkte nun geclustert, allerdings nach inhaltlicher Zusammengehörigkeit und nicht nach der 5-Finger-Methode. Es kann nämlich durchaus vorkommen, dass jemand das gleiche inhaltliche Thema positiv betrachtet und ein anderer negativ, basierend auf der persönlichen Perspektive und der Abstraktionshöhe. 5. Die Cluster werden dann priorisiert. Man nimmt dazu einfach die Anzahl der Cluster geteilt durch zwei. So viele Punkte bekommen dann alle Teilnehmenden. Sie können diese alle auf einem Cluster verbrauchen oder sie eben auf Einzelne verteilen. 6. Dann stehen 20 Minuten offene Diskussion an, mit anschließendem Resümee der abzuleitenden Maßnahmen, an. Wichtig ist hierbei, dass ein Anwesender diese Maßnahme auch aktiv annimmt. Aber auch ein gemeinsames Verständnis ohne konkrete Maßnahme kann in Ordnung sein. Je nach Zeit kann dieser Schritt dann wiederholt werden mit dem nächsten priorisierten Thema. 7. Zum Abschluss sollte auch hier von den Teilnehmenden ein Feedback zur Methode und dem Format eingeholt werden. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass der Schlüsselfaktor das Teilen des erworbenen Wissens ist (formell oder formlos beim Netzwerken). Mit dieser Struktur kann man recht einfach beginnen, organisationales Lernen methodisch zu verankern. Zur Implementierung der Lernkultur im Unternehmen hier noch ein selten umgesetzter Praxistipp: Ein großer Stellhebel für Unternehmen ist die verpflichtende Ausbildung von Talenten und zukünftigen Führungskräften als Lessons-Learned-Moderatoren und der Einsatz für bereichsfremde Moderationen. Die zeitliche Investition für die Organisation ist im Vergleich zu anderen Förderungsmaßnahmen dabei vergleichsweise gering. Doch, indem man eine Anzahl an Workshops vorgibt, die pro Jahr moderiert werden sollen, werden die Talente legitimiert, etwas außerhalb des eigenen Bereichs zu tun. Ihr Netzwerk vergrößert sich innerhalb des Unternehmens und sie werden zum Lernen und Reflektieren sensibilisiert. 3. Lernen im agilen Kontext Beim agilen Arbeiten ist Lernen der Schlüssel zum Erfolg. Denn bei einfachen Problemstellungen haben wir wenig Wissenszugewinn. Hier reicht häufig eine Checkliste. Sobald es komplizierter wird, bedarf es meist einer klassischen Analyse. Bei komplexen Sachverhalten hingegen wird es besonders spannend, denn hier sind wir auf ständiges Lernen, auf Experimentieren und daher auf professionelle Methoden angewiesen. Agiles Vorgehen zentriert dabei die Produktentwicklung- - oft eingebettet in einem Projekt- - um den Aspekt des Lernens herum. Dieser Aspekt ist dabei omnipräsent, sei es beim Lernen vom Kunden, beim Lernen aus eigenen Fehlern oder beim Lernen, was in einer gewissen Zeitspanne umgesetzt werden kann. Deshalb ist auch hier das Stichwort Fehlerkultur zentral. Es geht darum, in kurzen Iterationen Dinge auszuprobieren, zu testen, kreativ zu sein-- und dabei auch eben zu scheitern. Fehler sind enorm hilfreich, sofern sie nicht mit Vorsatz oder gar mehrfach passieren. Schnelle Feedback-Schleifen, intern oder bis zum Kunden, lassen Erkenntnisse direkt einfließen, helfen beim Reflektieren und sind Basis für Entscheidungen. Dabei muss bewusst sein, auf welcher Ebene man sich bewegt: Team, Multiteam oder Organisation. Am einfachsten ist es auf der Teamebene. Wenn Teams nach Scrum arbeiten, ist Retrospektive, Review und Daily fest verankert. Wird agil skaliert, dürfen diese Elemente des Lernens nicht geopfert werden. Das ist kontraproduktiv. Im Gegenteil, hier erhöht sich ja die Komplexität noch einmal und Lernen wird umso wichtiger. Die oben genannte Methode des strukturierten Lessons- Learned-Formats kann deshalb auch problemlos im agilen Umfeld genutzt werden. Methoden wie Scrum geben zwar das Event der Retrospektive vor, doch im Rahmen der Retrospektive kann dann auch das Lessons-Learned-Format genutzt werden, ebenso wie in anderen Frameworks. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 44 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 44 19.04.2021 10: 55: 14 19.04.2021 10: 55: 14 Wissen | „Wer macht schon Fehler? ! “ 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0028 4. Praxistipps zur Implementierung einer Fehlerkultur Wie bei allen Themen, die die Einstellung und das Verhalten von Menschen betreffen, gibt es kein Patentrezept und keinen Standardimplementierungsplan, der risikolos funktioniert. Es ist harte Arbeit. Wenn es funktioniert, sieht man den Erfolg nach außen. Zum Beispiel ein offenes, innovatives Unternehmen, welches schnell auf Änderungen reagieren kann und bei welchem man gerne arbeitet. Denn es bietet Raum zur ständigen persönlichen Weiterentwicklung. Das fördert die intrinsische Motivation nachhaltig. Was man nicht sieht, ist, wieviel harte tägliche Arbeit, Ausdauer, Rückschläge, Disziplin, Zweifel, Diskussionen, Entscheidungen, Enttäuschungen und Fleiß dahinter liegen. Doch das macht den Grundsatz von Erfolg aus, der hier nicht mit Glück verwechselt werden sollte. Zur Verankerung im Unternehmen hilft ein ganzheitlicher Ansatz. Top-down und Bottom-up müssen betrachtet werden, ebenso wie formell und informell. Formell muss die Lessons- Learned-Methode verankert werden in Trainings, in den Prozessen von Qualität, Personalentwicklung, Projektmanagement und Produktentwicklung, ebenso wie es auch schon in Methoden wie Scrum formell verankert ist. Für einen fairen Umgang miteinander müssen auch die Spielregeln bekannt sein. Es muss klar sein, wo experimentiert werden darf und wann Qualität im Sinne von Fehlerfreiheit angesagt ist. Regelmäßiges Schulen und Ansprechen sind hier hilfreich, ebenso wie das Vorleben durch die Führungskräfte (Top-down). Dies ist unerlässlich, weshalb ein frühes Einbeziehen des Topmanagements von Vorteil ist. Denn das Vorleben durch die Führungskräfte ist einer der Hauptpunkte und schafft dadurch einen angstfreien Raum. Zudem muss es auch für jeden Mitarbeiter möglich sein, sich diese Kultur einzufordern und auch aktiv zu leben (Bottom-up). Ein Schulungsprogramm zur Lessons-Learned-Methode, verfügbar für alle Mitarbeiter und verpflichtend für Führungskräfte, ist hier ebenfalls sehr förderlich für das unternehmensweite Verständnis der Fehler- und Lernkultur. So verändern wir den Umgang mit Fehlern und können Lernen als Teil der Innovationskultur integrieren. Wir vermeiden Negativbeispiele wie das anfangs Erwähnte und erschaffen einen langfristigen Wettbewerbsvorteil. Literatur [1] Weimer, H. (1925): Psychologie der Fehler. S. 1 . Leipzig: Julius Klinkhardt [2] Weingardt, M. (2004): Fehler zeichnen uns aus: transdisziplinäre Grundlagen zur Theorie und Produktivität des Fehlers in Schule und Arbeitswelt. S. 234 . Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt [2] Gutmann, M. (2003): Die dialogische Pädagogik des Sokrates. Ein Weg zu Wissen, Weisheit und Selbsterkenntnis. S. 182 . Münster: Waxmann [4] Multon, N. (2010): Lessons learned definition. URL: http: / / www.nickmilton.com / 2010 / 05 / lessons-learneddefinition.html, Stand: 14. 03. 2021 Eingangsabbildung: © iStock.com / ilbusca Abbildungen: 5-Finger- Methode | © Kreutter Klaus Abstein Seit 2015 bei der Festo SE & Co. KG tätig, einem Weltmarktführer für Automatisierung. Im IT-PMO verantwortet er u. a. die Weiterentwicklung der Projektkultur. Er studierte in Stuttgart Wirtschaftsinformatik und ist Geschäftsführer der Theelbräu GmbH. Klaus.abstein@festo.com Tobias Kreutter Seit 1997 bei der Festo SE & Co. KG tätig, u. a. als Leiter IT-PMO. Er studierte in Stuttgart Informationstechnik mit Vertiefung Projektengineering, ist IPMA Level B zertifiziert sowie aktives Mitglied der GPM Fachgruppe „PM goes Boardroom“ (pm-goes-boardroom.de). Tobias.kreutter@festo.com 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 45 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 45 19.04.2021 10: 55: 17 19.04.2021 10: 55: 17 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0029 „Agile Leadership“-- Zur agilen Führungskraft geboren? Stefanie Meindl, Julia Pfähler, Moritz Bissel Für eilige Leser | Um flexibel, agil und innovativ am Markt agieren zu können, benötigen Unternehmen Mitarbeiter, die ihrem Beruf gern und mit viel Leidenschaft nachgehen. Daher suchen sie nach Persönlichkeiten, die in ihrem Innersten Gestalter, Macher und Unternehmer sind und zugleich verantwortungsvoll handeln. Aufgabe von Führungskräften ist es, ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter Bestleistungen geben können, wollen und dürfen. Ein derartiges Arbeitsumfeld zieht nicht nur junge motivierte Talente magisch an, sondern wirkt sich auch direkt positiv auf die Kundenzufriedenheit, die Flexibilität und die Innovationskraft aus und ist somit ein Schlüsselfaktor für nachhaltigen Unternehmenserfolg! Schlagwörter | Führung; Agilität; Vertrauen; Befähigung; Können; Wollen; Dürfen Im Zentrum steht der Mitarbeiter Führungskräfte befinden sich oft in einem Spannungsfeld: Die Kunden erwarten immer mehr Flexibilität und digitale Lösungen. Gleichzeitig steigen die Ansprüche junger Talente: Sie wollen größtmögliche Freiheit bei ihrer eigenen Arbeitsgestaltung. Und auch der Druck aus dem Top-Management nimmt zu, um die gesteckten Ziele so schnell, effizient und kostengünstig wie möglich umzusetzen. Um heute flexibel, agil und innovativ am Markt agieren zu können, brauchen Unternehmen Mitarbeiter, die gerne und mit Leidenschaft ihrer Berufung nachgehen; Mitarbeiter, die in ihrem Innersten Gestalter, Macher und Unternehmer sind und verantwortungsvoll handeln. Denn ein wesentlicher Baustein für einen positiven Gesamteindruck eines Unternehmens sind zufriedene Mitarbeiter. Und eben diese Mitarbeiter stehen im Zentrum der agilen Führungsarbeit. Kunden merken sofort, wo ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld herrscht. Abbildung 1-- Manager vs. Leader 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 46 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 46 19.04.2021 10: 55: 19 19.04.2021 10: 55: 19 Wissen | „Agile Leadership“-- Zur agilen Führungskraft geboren? 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0029 Je mehr Spaß Mitarbeiter an ihrer Arbeit haben und je stärker sie befähigt werden, eigene Entscheidungen zu treffen, desto mehr zahlt dies auf ein positives Gefühl ein, welches die Mitarbeiter direkt an die Kunden weitergeben. Neben den fachlichen und organisatorischen Fähigkeiten einer Führungskraft sind daher heutzutage vor allem die befähigenden, coachenden und empathischen Eigenschaften eines „Leaders“ gefordert, um ein derartiges vertrauensvolles Arbeitsumfeld zu schaffen und Mitarbeiter zu schlagkräftigen Teams zu entwickeln (siehe Abbildung 1). Kann man agile Führung lernen? Doch wer sind diese „Leader“? Schenkt man einer mittlerweile in die Jahre gekommenen Führungstheorie Glauben, so definieren eine Führungskraft angeborene und nicht erlernbare Eigenschaften. Das heißt, dass es „natürliche Leader“ gibt. Lange ging man davon aus, dass eine Führungskraft jemand ist, der entdeckt und nicht entwickelt werden muss. Die Suche nach den Eigenschaften, die erfolgreiche Führungspersönlichkeiten ausmachen, begann mit einer Reihe von Studien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Beispielsweise kam Stogdill im Jahr 1948 zu dem Ergebnis, dass es bestimmte Eigenschaften gibt, die Führungskräfte auszeichnen. Dazu zählen unter anderem Zuverlässigkeit, Initiative, Selbstvertrauen sowie Kreativität, Maskulinität und Antrieb. Diese Definition einer Führungskraft ist mit einem autoritären Führungsstil verbunden, der sich durch klare Regeln, Strukturen und Ziele auszeichnet. Der Mitarbeiter macht, was der Vorgesetzte von ihm erwartet-- nach dem Prinzip von Geben und Nehmen. Überträgt man dieses Bild auf die heutigen Anforderungen an einen agilen Leader mit einem komplexen, nicht routinemäßigen Aufgabengebiet, erkennt man schnell, dass diese Sichtweisen nicht mehr zeitgemäß sind. Ein agiler Leader sieht seine Funktion nicht als Persönlichkeitsdisposition, sondern als Aufgabe. Das Team steht im Fokus, nicht die Führungskraft. Dabei spielt die emotionale Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter eine wesentliche Rolle. Die dazu benötigten Fähigkeiten des agilen Leaders beruhen auf einer Skill-basierten Führungstheorie. So beschreibt Katz, dass Führende drei Arten von Fähigkeiten benötigen: technische, soziale und konzeptionelle. Eine Führungskraft ist dadurch wandelbar und kann gut adaptieren, je nachdem, welche Art von Führung in einer Situation gerade den entsprechenden Erfolg bringt. Abbildung 2-- Können, wollen und dürfen innerhalb eines vertrauensvollen Umfelds Abbildung 3-- Glaubenssätze im nicht vertrauensvollen und vertrauensvollen Umfeld im Vergleich 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 47 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 47 19.04.2021 10: 55: 21 19.04.2021 10: 55: 21 Wissen | „Agile Leadership“-- Zur agilen Führungskraft geboren? 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0029 Kurzum: Man wird nicht zur Führungskraft geboren. Die notwendigen Fähigkeiten einer Führungskraft sind erlernbar und somit grundsätzlich für jeden erreichbar. Vertrauen als Schlüssel Wo findet man eigentlich Mitarbeiter, die gerne und mit Leidenschaft ihrer Berufung nachgehen? Ein hohes Gehalt ist da schon lange nicht mehr das einzige Argument. Auch eine magische Recruiting-Formel gibt es nicht. Stattdessen liegt der Schlüssel in einem vertrauensvollen Arbeitsumfeld, in denen Menschen ihr Bestes geben können, wollen und dürfen. Insbesondere für jüngere Generationen sind solche Umfelder attraktiv. Sie haben den Anspruch, mitzudenken und zu gestalten und wollen nicht kommentarlos Anweisungen abarbeiten. Nur wenn insgesamt die Leistungsfähigkeit (können), die Leistungsbereitschaft (wollen) und die Leistungsbedingungen (dürfen) im Gesamtkontext passend für den Mitarbeiter und dessen Führungskraft sind, kommt es zu einem proaktiven „Flow“, der wiederum auf ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld einzahlt. Woran erkennt man ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld? „Wir gehen vertrauensvoll und offen miteinander um.“ Dieses Statement ist heutzutage in nahezu allen Unternehmensvorstellungen zu lesen. Doch wenn man nachfragt, wo und wie genau Vertrauen tatsächlich gelebt wird, stößt man oftmals auf betretenes Schweigen. Wenngleich der Wert Vertrauen offenbar in vielen Unternehmen einen hohen Stellenwert genießt. Doch oft beschreiben die offiziellen Statements dazu nicht die gelebte Unternehmenskultur. Sie zeichnen vielmehr einen nicht greifbaren Idealzustand. Aber woran erkennt man ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld? Primär liegen hier bestimmte Glaubenssätze zugrunde [siehe Abbildung 3]. • Ein wahrhaft vertrauensvolles Umfeld bedeutet, als „ganzer Mensch“ am Arbeitsplatz gesehen zu werden. Es bedeutet, Stärken, aber auch Schwächen und Emotionen zeigen zu dürfen. Denn in einem vertrauensvollen, agilen Umfeld werden Mitarbeiter entsprechend ihrer Stärken eingesetzt, anstatt in starre Rollenbeschreibungen gezwängt zu werden. • Ebenso beinhaltet ein vertrauensvoller Umgang auch, Fehler machen zu dürfen. Zwar sind viele Unternehmen um eine offene Fehlerkultur bemüht, doch wo bspw. Statusberichte geschönt werden und Projektleiter nicht den Mut oder die Autorität haben, offensichtlich scheiternde Projekte zu stoppen, herrscht keine Fehlerkultur. Und solange Fehler machen in einem Unternehmen keine Option ist, solange „trial and error“ nicht möglich ist, werden auch echte Innovationen nicht möglich sein. • Zuletzt ist auch das Vorhandensein von Klarheit und Transparenz auf der Beziehungsebene zwischen den Mitarbeitern, aber auch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ein Indiz für ein vertrauensvolles Umfeld. Worüber wird z. B. auf Top-Management Ebene diskutiert? Warum wurden bestimmte Entscheidungen getroffen? Welche individuellen Ängste gibt es? Regelmäßige und ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe motiviert und fördert den vertrauensvollen Umgang miteinander auf jeder Beziehungsebene. Leadership Hacks Ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld bildet also die Basis, auf der agile Leader agieren. Im nächsten Schritt der agilen Führungsarbeit geht es darum, sowohl Individuen als auch Teams zu entwickeln und gleichzeitig den vertrauensvollen Umgang miteinander zu stärken. Ziel ist es, aus einzelnen Kollegen ein schlagkräftiges Team zu formen. Im Folgenden werden sieben „Leadership Hacks“ vorgestellt, die alle auf dieses Ziel einzahlen. 1. Motivieren und inspirieren Agile Führungskräfte sind in jeder Hinsicht proaktiv und präsent (nicht nur im Sinne von Verfügbarkeit), um ihr Team zu motivieren. Sie zeigen ihren Mitarbeitern eine Vision auf, für die es sich lohnt zu arbeiten. Eine Vision muss nicht erreichbar sein, sondern vielmehr einen erstrebenswerten Zustand beschreiben, der die Herzen der Mitarbeiter berührt und für den sie bereit sind, vollen Einsatz zu bringen. Intrinsische Motivation kommt dabei in den wenigsten Fällen durch monetäre Anreize wie Zielvereinbarungen. Vielmehr ist es das Ge- Abbildung 4-- Führen Sie bereits agil? Testen Sie sich mit dem Agile Leadership Quick-Check 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 48 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 48 19.04.2021 10: 55: 21 19.04.2021 10: 55: 21 Wissen | „Agile Leadership“-- Zur agilen Führungskraft geboren? 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0029 fühl, etwas bewegen und mitgestalten zu können und dabei über sich hinauszuwachsen. • Individuelle Motivatoren kennen(lernen): Jeder Mensch hat individuelle, intrinsische Motivatoren, Bedürfnisse, Wünsche und Ziele, die es als Führungskraft zu erkennen und mit der Organisation in Einklang zu bringen gilt. • „Moving Motivators“ (Quelle: Management 3.0): Ein in der Praxis etabliertes Tool zur spielerischen Identifizierung der individuellen Motivatoren eines Mitarbeiters. 2. Wertschätzen Individuelle Wertschätzung und insbesondere immaterielle Anerkennung sind ein wesentlicher Baustein agiler Führung. Insbesondere in Zeiten virtueller Zusammenarbeit haben Teammitglieder oft das Gefühl, dass ihre Beiträge übersehen werden, weil sie nicht physisch präsent sind, um vor den Kollegen gelobt zu werden. Agile Führungskräfte müssen andere Wege finden, um die Bemühungen ihrer Mitarbeiter zu würdigen. Dabei kann es so einfach sein! Zum Beispiel können Post-its am Schreibtisch (oder in virtuellen Zeiten eine kleine Aufmerksamkeit mit einem Gruß nach Hause geliefert) mit der Botschaft „Danke für deine harte Arbeit“ oder die Nutzung der "Lobfunktion" in kollaborativen Tools / Plattformen (wie bspw. MS Teams, Zoom o. ä.) bereits eine große Rolle in Sachen Wertschätzung spielen. • Regelmäßigkeit: Nicht nur bei der Erreichung bestimmter Meilensteine sollten gute Leistungen anerkannt werden. Auch ein „Danke, dass ich mich immer auf dich / Sie verlassen kann“ kann die intrinsische Motivation steigern und Mitarbeiter dazu bringen, gewisse Tätigkeiten selbstbestimmt und durch Überzeugung auszuführen. • „Kudo Karten“ (Quelle: Management 3.0): Eine einfache und effektive Methode um individuelle Leistungen für das gesamte Team sichtbar anzuerkennen und so den Teamgeist zu stärken. 3. Mitarbeiter nach Stärken einsetzen Im Kern der agilen Führungsarbeit geht es darum, aus Individuen mit all ihren Talenten und unentdeckten Potenzialen schlagkräftige Teams zu formen. Dazu muss nicht nur der Mitarbeiter als Einzelperson betrachtet werden, sondern auch der Gesamtkontext im Team. Die Voraussetzung ist auch hier wieder: Vertrauen und Offenheit für Neues- - insbesondere von Führungskräften. • Stärken und Schwächen transparent machen: Diese können im Rahmen eines Teamentwicklungstages anhand gezielter Leitfragen herausgearbeitet werden. Die Führungskraft ist hier Teil des Teams und sollte sich aus dieser Übung nicht herausziehen. Dies stärkt das gegenseitige Verständnis und Vertrauen füreinander und erleichtert die Zusammenarbeit. • Talente bewusst einsetzen: Im nächsten Schritt geht es darum, Mitarbeiter zu ermutigen und ihnen zu ermöglichen, gemäß der eigenen Interessen und der damit verbundenen Selbsteinschätzung der Stärken proaktive und selbstständig initiierte Veränderungen der individuellen Tätigkeit voranzutreiben- - weg von formalen Stellenbezeichnungen. • Etablierte Tools aus der Praxis: Formate wie „Market of Skills“-Workshops oder ein „Team Canvas“ (siehe Abbildung 5- - Team Canvas Template (Quelle: www.mural.co) stärken nicht nur das Verständnis für jeden einzelnen, sondern auch das Zusammengehörigkeitsgefühl. 4. Regelmäßig Feedback geben Agile Führung bedeutet auch, regelmäßig Feedback zu geben und einzufordern. Gleichzeitig muss dieses leicht und offen aufgenommen werden können, um immer wieder zur Selbstreflexion anzuregen. Sowohl für Führungskräfte als auch Mitarbeiter gilt: Die Reflexion der eigenen Arbeit, seiner Stärken und Schwächen, seiner persönlichen und beruflichen Ziele und tatsächlichen Erfolge ist wichtig für zukünftige Verbesserungen. Agile Führungskräfte unterstützen dies, indem sie bewusst und regelmäßig Feedback geben und hierfür eine vertrauensvolle Umgebung schaffen, in der Feedback auch Abbildung 5-- Team Canvas Template (Quelle: www.mural.co) 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 49 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 49 19.04.2021 10: 55: 22 19.04.2021 10: 55: 22 Wissen | „Agile Leadership“-- Zur agilen Führungskraft geboren? 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0029 in Form von Kritik und Äußerung von Bedenken und Ängsten erlaubt ist. • Bewusst und regelmäßig: Feedback sollte ein fester Bestandteil der regelmäßigen Kommunikation (z. B. Mitarbeitergespräche oder in Teammeetings) sein. • Beide Richtungen: Nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch Führungskräfte selbst sollten offen für Rückmeldungen sein. • Taten folgen lassen: Idealerweise werden aus dem Feedback direkt Veränderungen abgeleitet, um sich selbst und andere weiterzuentwickeln. Nicht nur Feedback zu geben, sondern auch offen Fehler anzuerkennen und aus diesen bewusst zu lernen, ist ein wesentlicher Aspekt im Bereich Fördern und Fordern. Durch eine gezielte Befähigung und Ermutigung zu Initiative und Verantwortungsübernahme der Mitarbeiter können Führungskräfte ihre Teams weiterentwickeln. 5. Vertrauen vorleben Vertrauen ist die Basis für eine offene Feedback- und Fehlerkultur. Die zwei wesentlichen Aspekte von Vertrauen sind Zutrauen und Glaubwürdigkeit. Im Geschäftsleben ist die Kommunikation des Ziels oft wichtiger als die Markierung des Weges. Agile Führungskräfte nehmen den Prozess nicht zu genau, denn das resultiert oft aus dem Bedürfnis nach mehr Kontrolle. Damit würde man riskieren, Talente zu begraben und aktiv davon abhalten, mit dem Vorgesetzten vertrauensvoll in Kontakt zu treten. • Keine Rechtfertigungen: Führungskräfte zeigen ihrem Team, dass sie ihm vertrauen, wenn sie es vermeiden, nach Gründen und Rechtfertigungen für Entscheidungen zu fragen. • Kein Mikromanagement: Agile Leader mischen sich nicht in die täglichen Abläufe ihres Teams ein. Sie beobachten nicht jeden Schritt, sondern sind da, wenn sie gebraucht werden. • Virtuelle Sprechstunden: Eine wöchentliche Sprechstunde für die Mitarbeiter fördert die Kommunikation. Diese Gespräche sollten privat, professionell und vertraulich sein. • Nutzerhandbuch: Ein Nutzerhandbuch (siehe Abbildung 6-- Individuelles „Benutzerhandbuch“ der eigenen Arbeitspräferenzen) hilft, die individuellen Arbeitspräferenzen mit Kollegen zu teilen. Es erleichtert die Zusammenarbeit im Team, insbesondere in Zeiten virtueller Arbeit. 6. Selbstorganisation fördern Die Zusammenarbeit beginnt mit dem gemeinsamen Anliegen bzw. der gemeinsamen Definition einer Vision, aus der die Interaktionen erwachsen. Daraus entwickelt sich ein individueller Abstimmungsprozess zwischen den Mitarbeitern, in dessen weiteren Verlauf gemeinsam Regeln vereinbart werden. Typische und emergente Eigenschaften eines selbstorganisierenden Teams können wie folgt aussehen: • Alle Teammitglieder haben gemeinsame Ziele, die sie verstehen und die auf eine gemeinsame Vision einzahlen. Sie arbeiten zusammen und inspirieren und begeistern sich somit gegenseitig. • Es herrscht gegenseitiges Vertrauen, Respekt und Unterstützung. Es gibt keine klare Abgrenzung von Aufgaben, sondern flexible Anpassung und Hilfsbereitschaft. • Gemeinsame Werte und Überzeugungen, Teamgeist und Füreinanderdasein untermauern das Ganze nochmals. Um all diese Eigenschaften zu fördern, muss eine agile Führungskraft diese zunächst verstehen, selbst verinnerlichen und mithilfe einer klar verständlichen Vision für ihre Mitarbeiter im Unternehmen vorleben. Entscheidende Größen sind die Möglichkeit (Dürfen) und Fähigkeit (Wollen), Verantwortung zu übernehmen. Der Einsatz effektiver Entscheidungsstrategien und -prozesse ist ebenfalls wichtig für eine erfolgreiche Selbstorganisation der Teams, Stichwort: Selbstführung. • Entscheidungsbefugnis ans Team geben: Nur wenn das Team eine gemeinsame Verantwortung trägt, also weitgehende Entscheidungsbefugnisse hat, kann es sich wirksam selbstorganisieren. • Entscheidungsprozesse beeinflussen: Führungskräfte können die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen, Aufgaben verteilt oder ihre Mitarbeiter beurteilt werden, verändern. Statt Top-Down kann ein Konsens- oder Mehrheitsentscheid über einen beratenden Entscheidungsprozess eingeführt werden. 7. Zuhören Bewusst die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter wahrzunehmen, um besser auf sie eingehen zu können, gehört zu einem agilen Führungsverständnis dazu. Das Signal „ehrlich sein zu Abbildung 6-- Individuelles „Benutzerhandbuch“ der eigenen Arbeitspräferenzen ( ©- AJ_Watt / E+/ Getty Images) 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 50 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 50 19.04.2021 10: 55: 23 19.04.2021 10: 55: 23 Wissen | „Agile Leadership“-- Zur agilen Führungskraft geboren? 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0029 dürfen“ sollten Führungskräfte geben, um auch so wiederum ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen. • „Wie geht es dir? “: Diese Frage sollte mehr als nur eine Begrüßungsfloskel sein und insbesondere in Zeiten großer Unsicherheit bewusst und in Ruhe gestellt werden. Das signalisiert ehrliches Interesse und stärkt das gegenseitige Vertrauen. • Das Gehörte in Betracht ziehen: Zuhören heißt nicht: „Ich höre zu und mache dann, was ich will“. Agile Führungskräfte haben verinnerlicht, aktiv zuzuhören und sich offen gegenüber anderen Sichtweisen und Ideen zu positionieren. Literatur [1] Brown, Brené: The Power of Vulnerability, Brené Brown: The Power of Vulnerability-- Super Soul | Podcast on Spotify, Stand 22. 03. 2021. [2] von Au, Corinna: Struktur und Kultur einer Leadership- Organisation. Holistik, Wertschätzung, Vertrauen, Agilität und Lernen, Springer, Wiesbaden 2017. [3] Grätsch, Susanne/ Knebe, Kassandra Agile Führung- - Was ist Agile Leadership? Die 10 Prinzipien, Agile Führung-- Was ist Agile Leadership? Die 10 Prinzipien (berlinerteam.de), Stand 22. 03. 2021. [4] Sohm, Stefanie: Zeitgemäße Führung-- Ansätze und Modelle. Eine Studie der klassischen und neueren Management-Literatur, Bertelsmann Stiftung, Juli 2007. [5] Ott, Bastian: Anforderungen an die moderne Führungspersönlichkeit. Theorie und persönliche Reflexion, GRIN Verlag, München 2019. [6] Stippler, Maria / Moore, Sadie / Rosenthal, Seth / Doerffer, Tina: Führung- - Überblick über Ansätze, Entwicklungen, Trends, 2. Auflage, Bertelsmann Stiftung Leadership Series, Gütersloh 2020. [7] Parker David W. / Holesgrove, Melanie/ Pathak, Raghhuvar: Improving productivity with self-organised teams and agile leadership, in: International Journal of Productivity and Performance Management, 64 , 2015, 1, S. 112-128. [8] Hofert, Svenja: Agiler führen. Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität , 2. Auflage, Gabler Verlag, 2018. [9] Cuddy, Amy: 3 Minutes on HOW LEADERS GET LISTEN- ING WRONG, https: / / www.linkedin.com / posts / amy-cuddy-3 654 034_leadershipdevelopment-listeningskills-leadershipskills-activity-6 707 653 727 840 473 088-SRXY, Stand: 22. 03. 2021 Eingangsabbildung: © pixelfit/ E+/ Getty Images Stefanie Meindl Stefanie Meindl ist Teamleiterin und Senior Beraterin bei der UNITY AG. Seit 2015 begleitet sie internationale Teams aus verschiedensten Branchen bei ihrer agilen Transformation. Als Trainerin und Coach hat sie vier Jahre in Asien verbracht. Telefon: 0160 8 825 576 eMail: Stefanie.Meindl@unity.de Julia Pfähler Julia Pfähler ist als Beraterin im Competence Center „Product & Service Innovation“ am UNITY-Standort in Stuttgart tätig. Sie berät Unternehmen in den Bereichen Organisationsentwicklung in der Digitalisierung, Agilität und Change Management. Telefon: 0174 7 808 679 eMail: Julia.Pfaehler@unity.de Moritz Bissel Moritz Bissel ist Senior Berater im Competence Center „Digitalisierung & Transformation“ am UNITY-Standort in Nürnberg. Er begleitet branchenübergreifend Unternehmen in agilen Projekten und Softwareeinführungen. Telefon: 0174 9 925 537 eMail: Moritz.Bissel@unity.de 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 51 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 51 19.04.2021 10: 55: 24 19.04.2021 10: 55: 24 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0030 Wirkungen in der Weiterbildung und bei der Zertifizierung Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement Georg Disterer, Andreas Daum Für eilige Leser | „Agilität“ als Fähigkeit von Unternehmen, auf Änderungen schnell reagieren zu können, ist für Unternehmen essenziell im Umgang mit ihrem komplexen und zugleich schnelllebigen Umfeld. Entsprechend werden seit einigen vergangenen Jahren im Projektmanagement agile Ansätze propagiert. Mit einer großzahligen Studie bei Projektverantwortlichen in Deutschland wurde untersucht, wie hoch die Bedeutung agiler Ansätze von Mitarbeitern mit profunden Projekterfahrungen eingeschätzt wird. Danach ist schon in wenigen Jahren damit zu rechnen, dass 2 / 3 aller Unternehmen agile Ansätze in vielen oder allen Projekten nutzen werden. Entsprechend müssen umgehend Weiterbildungsangebote im Projektmanagement gezielt inhaltlich angepasst werden, um interessierten Personen und Unternehmen Möglichkeiten zu geben, Kompetenzen und Fähigkeiten zur Nutzung von agilen Ansätzen zu entwickeln. Schlagwörter | agil, agile Ansätze, Projektmanagement, Weiterbildung, Zertifikat, Zertifizierung 1 Vorgehensweisen in Projekten Seit vielen Jahren wird beobachtet, dass das Umfeld von Unternehmen komplexer und zugleich schnelllebiger wird. Die Kundenanforderungen steigen, mehr Vertreter unterschiedlicher Anforderungen sind zu berücksichtigen, die Wettbewerbssituation wird drängender, der Innovationsdruck steigt-- und das alles bei zunehmender Geschwindigkeit des Wandels. Im Projektmanagement kann daher oft nicht mehr nach der traditionellen und klassischen Prämisse vorgegangen werden, alle Anforderungen möglichst zum Projektbeginn aufzunehmen und genauestens zu spezifizieren. Dann müssen im Projektverlauf Änderungen der Anforderungen über systematische und durchaus aufwendige Change-Request- Abläufe zugelassen werden. So ein vorausschauendes, weitgehend lineares Vorgehen ist phasenorientiert und detailliert zu planen und durchzuführen und bietet damit eine gewisse Planungssicherheit bezüglich Kosten- und Zeitbedarf sowie Ergebnisqualität. Allerdings können beim Einsatz dieser klassischen Vorgehensweise, inspiriert seit den 70er Jahren durch die Vorstellung eines Wasserfalls, heute oft umfangreiche und komplexen Anforderungen an ein Projektergebnis nicht früh und vollständig aufgenommen und spezifiziert werden [1, 2, 3, 4]. Der Einsatz von eher sequenziell ausgerichteten Vorgehensmodellen wird seit ca. 20 Jahren kritisiert und nimmt unterschiedliche Argumente auf. So wird befürchtet, dass die in Entwicklungsprozessen notwendige Kreativität und Innovationskraft durch (zu) detaillierte Vorgaben zum Vorgehen eingeschränkt werden. Wissensintensive Arbeiten sind eben oftmals durch evolutionäres, inkrementelles und damit auch iteratives Vorgehen gekennzeichnet. Daher wird seit einigen Jahren in Unternehmen zunehmend mit agilen Ansätzen versucht, die Anforderungen nicht zu Projektbeginn möglichst vollständig zu erheben, sondern im Projektverlauf aufzunehmen und zu verfeinern. Insbesondere bei weitreichenden und innovativen Vorhaben sind Projektergebnisse nicht vollständig im Voraus zu planen, sondern sind in iterativen Annährungen, mit explorativen Arbeitsschritten und Lernphasen umzusetzen. Dabei werden Anforderungen inkrementell erhoben und schrittweise ergänzt und detailliert. Entsprechend wird die Fähigkeit von Unternehmen, auf Änderungen der Umgebung und auf unerwartete Veränderungen schnell reagieren zu können, als „Agilität“ bezeichnet und für bedeutend gehalten für den Umgang mit dem komplexen und zugleich schnelllebigen Umfeld der Unternehmen. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 52 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 52 19.04.2021 10: 55: 28 19.04.2021 10: 55: 28 Wissen | Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0030 Genutzt werden diese agilen Ansätze seit etwa 20 Jahren, früh beginnend vornehmlich in IT-Projekten, mittlerweile darüber hinaus auch in Organisationsprojekten, FuE-Projekten und Produktentwicklungsprojekten [1, 4, 5, 6, 7,]. Übereinstimmende Merkmale der Projekte, die bevorzugt für agile Ansätze geeignet gehalten werden, sind zu Projektbeginn unscharfe Vorstellungen zum Projektergebnis und unvollständige Anforderungen sowie die Befürchtung, dass Anforderungen während des Projektverlaufs geändert werden (müssen) [1, 5, 6]. Bekannte agile Ansätze sind zum Beispiel iterative Vorgehensweisen zur Entwicklung von Software wie eXtreme Programming (XP) und Scrum, Kooperationsmodelle, die flachere Strukturen und weniger Bürokratie betonen oder Frameworks, mit denen agile Ansätze in größeren Arbeitszusammenhängen eingesetzt werden beziehungsweise mit traditionellen Ansätzen wie Kanban oder Kaizen kombiniert werden. Agile Vorgehensweisen werden zunehmend in der Fachöffentlichkeit diskutiert und in Unternehmen eingesetzt. So haben zum Beispiel einschlägige Veranstaltungen der Regionalgruppen der GPM großen Zulauf. Allein in Hannover sind innerhalb eines Jahres gemeinsame Veranstaltungen der Regionalgruppe Hannover der GPM und vom VDI et al. anzuführen zum Thema „Big Bang: Umstellung von 260 Kolleginnen und Kollegen auf agile Arbeitsweisen“, zum Thema „Hybrides Projektmanagement mit einer digitalisierten Unternehmensführung“ und zum Thema „Facetten des Projektmanagements: Klassisch, agil oder hybrid-- Was passt zu uns? “; jeweils mit mehr als 100 Personen. Ebenso sind auf Fachkongressen der GPM und IPMA entsprechende Themen vertreten, in Fachgesellschaften bilden sich für das Thema spezialisierte Fachgruppen, so in der GPM eine Fachgruppe zum agilen Projektmanagement und werden Studien zum Stand der Umsetzung veröffentlicht [z. B. 8, 9, 10], sodass neben den traditionellen, klassischen Ansätzen den Projektmanagements nun auch agile Ansätze bekannt sind. Kombinationen der Ansätze werden im Rahmen eines „hybriden Projektmanagements“ aufgeführt. 2 Zum Stand des agilen Projektmanagements Im Rahmen einer thematisch breit aufgestellten Untersuchung konnten Mitarbeiter, die in Deutschland in Projekten und im Projektmanagement aktiv sind, zum aktuellen Stand und zur zukünftigen Akzeptanz von agilen Ansätzen befragt werden. Die Befragung wurde von der Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) durchgeführt. Die Befragung wurde strukturiert durchgeführt und über eine elektronische Plattform im Web abgewickelt. In der Zeit zwischen dem 6. November und 20. Dezember 2020 konnten eine große Zahl von Antworten aus Deutschland erhoben werden, die ohne unmittelbaren Bezug zu den Personen gesammelt und ausgewertet wurden. Neben fachlichen Fragen wurden auch einige Merkmale erhoben und anonym ausgewertet, die kennzeichnend sind für die Arbeit der Befragten. Zum Beispiel sind die Anzahl der Berufsjahre erhoben, die die Befragten in Projekten arbeiten, die Anzahl der Arbeitsstage, an denen durchschnittlich pro Woche in Projekten gearbeitet wird, und die Art der Projekte, in denen überwiegend gearbeitet wird. Im Folgenden wird über die Antworten jener 2.503 Befragten berichtet, die über profunde Projekterfahrungen verfügen, da sie-… • seit mehr als zwei Jahren in Projekten aktiv sind, • in den vergangenen drei Jahren an mind. drei Tagen pro Woche in Projekten arbeiten, • dabei auch die Rolle der Projektleitung oder Teilprojektleitung ausüben, • ein Zertifikat der GPM nach IPMA Level D (oder höher) abgelegt haben. Damit kann bei der Auswertung dieser Antworten auf die Angaben und Einschätzungen von Mitarbeitern zurückgegriffen werden, die über profunde Erfahrungen und Ausbildung im Projektmanagement verfügen. Eine zentrale Frage galt der „Agilität“ als Fähigkeit von Unternehmen, auf schnell Änderungen der Umgebung und auf unerwartete Veränderungen reagieren zu können. Ziel war Abbildung 1: Bedeutung von „Agilität“ in Diskussionen und im Vorgehen der Unternehmen-- aktuell und in 3 Jahren 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 53 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 53 19.04.2021 10: 55: 29 19.04.2021 10: 55: 29 Wissen | Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0030 es, möglichst den Umfang und die Intensität der agilen Ansätze im Projektmanagement der Unternehmen aufzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass in vielen Unternehmen- - zumal in größeren Unternehmen- - immer mehrere oder viele Projekte mit recht verschiedenen Merkmalen durchgeführt werden. Daher ist davon auszugehen, dass diese Projekte auch mit unterschiedlichen Ansätzen im Projektmanagement und damit auch mit verschiedenen Formen und Intensitäten von agilen Ansätzen durchgeführt werden. Daher ist ein zuverlässiges Maß für den Umfang und die Intensität der Agilität in Projekten in Unternehmen schwierig zu bestimmen und zu erheben, entsprechend ist die Vergleichbarkeit von Ergebnissen verschiedener Erhebungen schwer. Hier wurde daher eine Operationalisierung gewählt, nach der die Befragten um Einschätzung gebeten wurden, „welche Bedeutung die Fähigkeit Agilität in Diskussionen und im Vorgehen“ in dem Unternehmen einnehmen, in dem sie tätig sind. Abbildung 1 zeigt die durchschnittlichen Werte der Antworten für die Bedeutung von Agilität in Diskussionen und im Vorgehen aktuell und in drei Jahren. Danach wird schon heute Agilität in den Unternehmen eine deutliche Bedeutung zugewiesen, auffällig ist der für eine überschaubare Zukunft von drei Jahren resultierende Wert von 4,0. Agilität wird also die Diskussionen in den Unternehmen und das Vorgehen im Projektmanagement stärker prägen. Um diese Einschätzung genauer zu spezifizieren, werden die Antworten danach unterschieden, in welchen Typen von Projekten die Befragten überwiegend tätig sind, da angenommen werden kann, dass ihr Überblick und ihre Einschätzung zur Bedeutung der Agilität vor allem für die Arten von gelten wird, in denen sie überwiegend tätig sind. Dabei wird auf eine klassische Unterscheidung von Projekten nach Investitionsprojekten, Forschung-/ Entwicklungsprojekten und Organisationsprojekten zurückgegriffen [11]. Die Befragten konnten ihre Tätigkeitsschwerpunkte ohne große Probleme diesen Projekttypen zuordnen, nur für 5 % der Befragten gab es dazu keine sichere Antwort, sondern sie arbeiten entweder in „anderen“ Projekten (z. B. „Medien“, „Events“, „Marketing“, „M&A“, „Medizin“) oder sie konnten einer überwiegenden Beschäftigung in einer dieser drei vorgegebenen Projekttypen nicht zustimmen. Abbildung 2 zeigt die Verteilung der Befragten auf die Typen Investitions-, Forschungs-/ Entwicklungs- und Organisationsprojekten. Für die folgenden Auswertungen ist wichtig, dass die drei wesentlichen Projekttypen eine ausreichende und hinreichende Typenvielfalt an Projekten abdecken. Auch die Anzahl der Befragten, die jeweils in einem der drei Projekttypen überwiegend tätig sind, erscheint ausreichend für belastbare Aussagen. Bei Beachtung der Analyse der Dimension „Schwerpunkt der Tätigkeit nach Projekttyp“ zeigen die Befragten recht unterschiedliche Einschätzungen der Bedeutung von „Agilität“ als Fähigkeit der Unternehmen, auf Änderungen der Umgebung und auf unerwartete Veränderungen schnell zu reagieren. So nennen die Befragten, die überwiegend in Forschung- und Entwicklungsprojekten und in Organisationsprojekten tätig sind, deutliche höhere aktuelle und zukünftige Bedeutung, die Befragten überwiegend in Investitionsprojekten tätig sind, deutlich geringere aktuelle und zukünftige Bedeutung der Eigenschaft „Agilität“ in Diskussionen und im Vorgehen. Dies bedeutet, dass „rundum“ von Investitionsprojekten Agilität in geringerem Maß eine Rolle spielt. Die Unterschiede zwischen den Nennungen der Bedeutung für Investitionsprojekte und für FuE- oder Organisationsprojekte sind signifikant (Varianzanalyse, p < 0,01), die Unterschiede der Bedeutungen werden in Abbildung 3 gezeigt. Zusätzlich wird in dieser Untersuchung versucht, mit einer anderen Operationalisierung zu ermitteln, in welchem Umfang agile Ansätze im Projektmanagement der Unternehmen eingesetzt werden. Dabei werden die Befragten gebeten, auf einer ordinalen Skala zu schätzen, in welchem Umfang sie heute und voraussichtlich in drei Jahren genutzt werden. Dazu ist Skala verbal verankert auf den Endpunkten „nahezu immer klassische Ansätze“ und „nahezu immer agile Ansätze“ und bietet Abstufungen bei „in einigen Projekten agile Ansätze“ und „in vielen Projekten agile Ansätze“ an. Abbildung Abbildung 2: Typen von Projekten 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 54 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 54 19.04.2021 10: 55: 30 19.04.2021 10: 55: 30 Wissen | Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0030 4 zeigt, dass heute in der deutlichen Mehrheit von 72 % der Unternehmen agile Ansätze gar nicht oder lediglich in einigen Projekten eingesetzt werden und in nur 28 % der Unternehmen agile Ansätze in vielen oder allen Projekten genutzt werden. Die starke Zunahme der Nutzung agiler Ansätze wird vor allem mit Blick auf die erwartete Entwicklung in den nächsten drei Jahre deutlich: Erwartet wird, dass dann nur noch in 42 % der Unternehmen agile Ansätze gar nicht oder lediglich in einigen Projekten eingesetzt werden, während dann in 59 % der Unternehmen agile Ansätze in vielen oder allen Projekten genutzt werden. Diese erwartete starke Zunahme der Nutzung agiler Ansätze wird besonders von jenen Befragten genannt, die überwiegend in FuE- und Organisationsprojekten aktiv sind. Diese Befragten erwarten, dass rund 66 % der Unternehmen agile Ansätze in vielen oder allen Projekten genutzt werden-- siehe Abbildung 5. Die Werte gleichen den Ergebnissen anderer Untersuchungen, die ähnliche Fragestellungen genutzt haben, jedoch kleinere Erhebungsumfänge zur Verfügung hatten [7, 9]. Die Befragten erwarten, dass schon in naher Zukunft-- in ca. 3 Jahren- - agile Ansätze im Projektmanagement in der Praxis eine hohe Bedeutung haben werden. Dies gilt vor allem und besonders für Mitarbeiter mit profunden Projekterfahrungen, die überwiegend in FuE- oder Organisationsprojekten aktiv sind, aber auch für jene, die überwiegend in Investitionsprojekten tätig sind. Schon heute werden in nur 24 % der Unternehmen Projekte ohne agile Ansätze durchgeführt. In drei Jahren wird dieser Anteil, in denen Projekte mit traditionellen und klassischen Ansätzen des Projektmanagements durchgeführt werden, nur noch 9 % betragen. Während dann in 59 % der Unternehmen agile Ansätze in vielen oder allen Projekten genutzt werden. Daher ist aus den Antworten der Befragten eindeutig zu konstatieren: Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement. 3 Weiterbildung und Zertifizierung Traditionell findet der Aufbau von Kompetenzen und Fähigkeiten im Projektmanagement nicht in Ausbildungsberufen oder in einschlägigen Studiengängen statt, sondern in diversen Formen der Weiterbildung. Dazu gehören unternehmensinterne und -externe Kurse, Trainings und Coachings. Der Stand der Weiterbildung in der Nutzung agiler Ansätze im Projektmanagement scheint in den Unternehmen noch nicht ausreichend zu sein, zudem dabei meist die Eigeninitiative der Mitarbeiter gefragt ist [10]. Eine wichtige Aufgabe von Fachgesellschaften ist es, Weiterbildungsprogramme inhaltlich aufzusetzen und weiterzuentwickeln sowie bei der Durchführung von Schulungen eine inhaltliche und organisatorische Qualitätssicherung vorzunehmen. Dabei wird die Qualitätssicherung durch die Vergabe von Zertifikaten manifestiert. Damit bekommen die Teilnehmer einen Nachweis über in der Weiterbildung aufgebauten Kompetenzen und Fähigkeiten. Im Projektmanagement gibt es seit knapp 40 Jahren von mehreren Fachgesellschaften definierte und international anerkannte Zertifizierungsprogramme, für die in den vergangenen Jahren das Interesse groß war- - zum einen von Personen auf der Suche nach Weiterbildung und zum anderen von Arbeitgebern auf der Suche nach qualifiziertem Personal. Auf den in den vergangenen Jahren aufkommenden Trend nach Abbildung 3: Bedeutung von „Agilität“ nach Projekttypen, in denen Befragte überwiegend tätig sind Abbildung 4: Anteil der Projekte, in denen agile Ansätze eingesetzt werden-- heute und in 3 Jahren 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 55 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 55 19.04.2021 10: 55: 31 19.04.2021 10: 55: 31 Wissen | Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0030 dem Einsatz agiler Ansätze im Projektmanagement werden die Fachgesellschaften reagieren müssen, um das Interesse an ihren Angeboten und ihre Anerkennung zu erhalten. Die in Europa besonders stark vertretene Fachgesellschaft International Project Management Association (IPMA) hat auf Ebene des internationalen Dachverbands im Jahr 2017 begonnen, ein Zertifizierungsschema vorzubereiten, in deren Mittelpunkt agile Ansätze stehen. Das in der IPMA für das Projektmanagement etablierte Zertifizierungsschema enthält zwar einige Hinweise auf agile Vorgehensweise, ist aber insgesamt wesentlich geprägt von traditionellen Ansätzen bei der Planung und Steuerung von Inhalten, Arbeiten und Terminen. Daher wurde von der IPMA ein neuer Referenzrahmen „Agile Reference Guide ICB4 in an Agile World“ entwickelt [12], zu dem das Zertifizierungsschema „Agile Leadership“ eine stufenweise Zertifizierung von Kompetenzen und Fähigkeiten beginnend mit dem Einstieg auf Level-D als „Certified Agile Associate“, den Stufen Level-C „Certified Agile Leader“ und Level-B „Certified Agile Senior Leader“ bis hin zum Level-A „Certified Agile Organisational Leader“ vorsieht [13]. Das Zertifizierungsschema wird von der IPMA nicht in Konkurrenz zur Zertifizierung im Projektmanagement verstanden, sondern als Ergänzung für jene, die in Unternehmen Veränderungsprozesse begleiten und steuern sollen. Personen, die bereits IPMA-Zertifikate im Projektmanagement besitzen, werden bei der Zertifizierung nach dem Zertifizierungsschema „Agile Leadership“ Erleichterungen bei den Voraussetzungen und Anforderungen eingeräumt. In einigen Ländern in Europa wie Österreich, Schweiz und Finnland sind die ersten Zertifikate nach dem Schema „Agile Leadership“ der IPMA bereits ausgestellt worden. Für das Jahr 2021 sind von den jeweiligen nationalen Verbänden reguläre Trainings und Prüfungen nach dem neuen Zertifizierungsschema angekündigt. Dabei muss sicherlich allen Initiativen und Fachgesellschaften zugestanden werden, dass die Corona-Umstände des Jahres 2020 viel Momentum und Vortrieb gekostet haben-- es muss heute offenbleiben, wie schnell das im Jahr 2021 aufgeholt bzw. eingeholt werden kann. In Deutschland wird der internationale Dachverband IPMA von der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) vertreten. Die Einführung von Zertifikaten nach dem IPMA-Schema „Agile Leadership“ ist für Deutschland wohl nicht geplant. Vielmehr hat die GPM ein Zertifikat „Hybrid Plus“ entwickelt [14], das in Deutschland als Ergänzung zu IPMA-Zertifikaten im Projektmanagement angeboten wird, aber keinen Anschluss an internationale Zertifikate nach IPMA aufweist. Als Voraussetzung für das Zertifikat „Hybrid Plus“ gilt ein IPMA-Zertifikat im Projektmanagement nach Level-D (oder höher). Daneben wird von der GPM im Seminarprogramm eine 3-teilige Seminarreihe „Management 4.0“ angeboten, die nicht in direktem Bezug zum Zertifizierungsprogramm im Projektmanagement steht. Beachtenswert in Deutschland ist eine Initiative einiger Professoren der Hochschulen in Landshut, Darmstadt und Würzburg, die ein „Hochschulzertifikat Modernes Projektmanagement" aufbauen [15], dessen Inhalt in der Hochschullehre vermittelt und geprüft werden soll. Inhaltlich sind sowohl traditionelle wie auch agile Ansätze im Projektmanagement umfasst. Studierende können dann mit diesem Testat „Hochschulzertifikat Modernes Projektmanagement" ihre Kenntnisse nachweisen, etwa in Bewerbungsverfahren. Je nach Breite und Tiefe der Ausbildung werden Zertifikate auf drei unterschiedlichen Kompetenzniveaus „Level-1 Foundation“, „Level-2 Professional“ oder „Level-3 Excellence“ angeboten. Project Management Institute (PMI), ebenfalls ein großer, weltweit agierender Fachverband für das Projektmanagement, bietet jetzt zusätzlich zum Programm von Trainings und Zertifikaten zum Projektmanagement ein Zertifikat „Agile Certified Practitioner“ (PMI-ACP) an [16]. Im Verlauf des Jahres 2021 werden zu agilen Ansätzen weitere neue Trainings und Zertifikate unterschiedlicher Breite und Tiefe angeboten werden [17]. Der britische Verband Agile Business Consortium hat den fachlichen Ursprung in der Entwicklung von Software. Mittlerweile werden Trainings und Zertifikate zu agilen Ansätzen weit über den Bereich der Softwareentwicklung in verschiedener Breite und Tiefe angeboten [18]. Abbildung 5: Anteil Projekte, in denen agile Ansätze eingesetzt werden-- heute und in 3 Jahren; nach Projekttyp, in den die Befragten überwiegend tätig sind 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 56 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 56 19.04.2021 10: 55: 31 19.04.2021 10: 55: 31 Wissen | Agilität nimmt weiter Fahrt auf im Projektmanagement 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0030 4 Auswirkungen Die großzahlige Befragung von Mitarbeitern mit profunden Projekterfahrungen hat ein erhebliches Interesse und einen erheblichen Bedarf an agilen Ansätzen in Projekten gezeigt. Dieser Bedarf wird voraussichtlich in den nächsten Jahren deutlich steigen. Für manche Formen und Typen von Projekten wird es zum Standard werden, in erheblichem Umfang agile Ansätze einzusetzen. Die Fachverbände und Anbieter von Weiterbildungsangeboten und von anerkannten Zertifizierungsprogrammen sind intensiv auf den Weg, ihre meist im Fachgebiet des Projektmanagement auf traditionellen Ansätzen beruhenden Angebote zu ergänzen oder zu erweitern. Dabei werden die besonderen Umstände des Jahres 2020 sicherlich die notwendigen Planungs- und Koordinationsprozesse stören und aufhalten. Eine wichtige Rolle wird spielen, in welchem Umfang die Weiterbildungsangebote sinnvoll zusammenhängen oder miteinander verknüpft und verbunden werden können. Sicherlich werden Zertifikate zum Projektmanagement künftig die planbasierten und die agilen Ansätze gleichermaßen aufnehmen müssen. In dem Sinne müssen hybride Ansätze entwickelt und verbreitet werden. Andernfalls droht für interessierte Personen und Unternehmen ein wenig transparentes Angebot von Trainings und Zertifikaten, den Anbietern droht Kannibalisierung zwischen ihren verschiedenen Zertifikatsschemata. Literatur [1] Spundak, M.: Mixed agile / traditional project management methodology- - reality or illusion? . In: Social and Behavioral Sciences 2014, S. 939-948 [2] Marquart, R., Pifczyk, A.: Die Komplexität der Anforderungen lässt es bei vielen Projekten kaum zu, klare Projektphasen zu planen. In: Wirtschaftsinformatik und Management 4 / 2019, S. 208-213 [3] Habermann. F.: Hybrides Projektmanagement-- Agile und Klassische Vorgehensmodelle im Zusammenspiel. In: Praxis der Wirtschaftsinformatik HMD 2013, S. 93-102 [4] Serrador, P., Pinto, J. K.: Does Agile work? -- A quantitative analysis of agile project success. In: International Journal of Project Management 5 / 2015, S. 1040-1051 [5] Rigby, D. K., Sutherland, J., Takeuchi, H.: Schnell und flexibel. In: Harvard Business Manager 4 / 2017, S. 13-21 [6] Vucekovic, M., Avlijas, G.: Modern Approach to Project Management, Usage, and Sucess Rate of Agile Methodologies: An Evidence from Serbia, Proc. of the Int. Scientific Conf. on Information Technology and Data Related Research 2020, S. 154-159. [7] Digital.AI Software (Hsrg.): The 14th annual State of Agile survey Report, 2020. [8] PwC (Hrsg.): Vertrauen in die agile Projektumsetzung- - Mehrwert für die Unternehmen schaffen 2019. [9] Komus, A., Kuberg, M.: Status Quo (Scaled) Agile 2019 / 20-4. Internationale Studie zu Nutzen und Erfolgsfaktoren (skalierter) agiler Ansätze, Hochschule Koblenz (Hrsg.), Koblenz 2020. [10] Peters, C., Simmert, B., Eilers, K., Leimeister, J. M.: Future Organisation Report 2020, Universität St. Gallen (Hrsg.), Institut für Wirtschaftsinformatik, St. Gallen [11] GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (Hrsg.): Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4)- - Handbuch für Praxis und Weiterbildung im Projektmanagement, 2019. [12] IPMA International Project Management Association IPMA (Hrsg.): IPMA Reference Guide ICB4 in an Agile World (V 2.3) 2018. [13] www.ipma.world / ipma-agile-leadership. [14] www.gpm-ipma.de / weiterbildung / projektmanager / aufbaulehrgang_hybrid. [15] Timinger, H., Vieth, M., Wehnes, H.: Das Hochschulzertifikat "Modernes Projektmanagement". In: Die neue Hochschule 1 / 2020, S. 26-29 [16] www.pmi.org / certifications / agile-acp [Stand: 20. 01. 2021] [17] www.pmi.org / certifications / agile-certifications [Stand: 20. 01. 2021] [18] www.agilebusiness.org / page / certifications [Stand: 20. 01. 2021] Eingangsabbildung: © iStock.com / YiuCheung Prof. Dr. Georg Disterer Georg Disterer, Prof. Dr., lehrt Wirtschaftsinformatik an der Fakultät für Wirtschaft und Informatik der Hochschule Hannover und ist Autor einiger Fachbücher und vieler Fachbeiträge zu Themen der Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre. Seine Lehr- und Forschungsgebiete umfassen insbesondere: Informationsmanagement, IT-Service Management, IT-Compliance, IT-Projektmanagement. Zudem ist er IT-Sachverständiger (ö.b.u.v.) und Fachgutachter in nationalen und internationalen Forschungsprogrammen. eMail: georg.disterer@hs-hannover.de Prof. Dr. Andreas Daum Andreas Daum, Prof. Dr., lehrt Betriebswirtschaftslehre und Projektmanagement an der Fakultät für Wirtschaft und Informatik der Hochschule Hannover und ist Autor einiger Fachbücher und Fachbeiträge zur Betriebswirtschaft und zum Projektmanagement/ -controlling. Er ist seit über 30 Jahren Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), leitet seit über 20 Jahren die GPM-Regionalgruppe Hannover und ist seit über 10 Jahren autorisierter Trainingspartner der GPM. eMail: andreas.daum@hs-hannover.de Fakultät für Wirtschaft und Informatik Hochschule Hannover Ricklinger Stadtweg 120 30 459 Hannover 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 57 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 57 19.04.2021 10: 55: 34 19.04.2021 10: 55: 34 Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement Petros Ilief, Peter Preuss Für eilige Leser | Smart Speaker erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und werden häufiger im betrieblichen Umfeld eingesetzt. In diesem Beitrag wird untersucht, ob diese intelligenten Lautsprecher auch genutzt werden können, um das Projektmanagementoffice bei der Arbeit zu entlasten. Schlagwörter | PMO, Smart Speaker, Amazon Alexa, Alexa Skill Vorspann Sprachassistenten in Form von intelligenten Lautsprechern werden in immer mehr Haushalten eingesetzt. Laut einer Studie von Statista sollen Ende 2023 weltweit bis zu 200 Millionen dieser Smart Speaker im Einsatz sein. Alexa, der Sprachassistent von Amazon, gehört zu den meistbenutzten Assistenten in Deutschland. Das liegt u. a. daran, dass dessen Funktionsumfang mit zusätzlichen Voice Apps (Alexa Skills) erweitert werden kann, wodurch die Nutzungsmöglichkeiten der Sprachassistenten immer umfangreicher werden. Beispielsweise können die Sprachassistenten neben dem Erstellen von Terminen und der Buchung von Räumen auch Aufgaben aus dem Dialogmarketing übernehmen und so zur Lösung betrieblicher Problemstellungen beitragen. In diesem Beitrag wird untersucht, ob ein eigenentwickelter Alexa Skill auch das Projektmanagementoffice (PMO) bei der Arbeit entlasten kann. Alexa Skill „Projektoffice“ beim PMO der LBS Ein PMO ist eine zentrale Einheit, die sich als Dienstleister bei der Projektdurchführung versteht. Es legt Standards und Prozesse fest und stellt den Projektbeteiligten die benötigten Instrumente, Tools und Vorlagen für das Projektgeschäft zur Verfügung. Darüber hinaus steht das PMO dem Management und den Projektbeteiligten bei unterschiedlichen Projektfragen zur Verfügung. Insbesondere das Management stellt häufig aus laufenden Sitzungen heraus telefonische Ad-hoc-Anfragen. Hierzu gehören beispielsweise Fragen zum aktuellen Status, zur Laufzeit, zum Budget und zu den geplanten Per- Informationsart Erläuterung Projektbezeichnung Titel des Projekts Projektnummer interne Projektreferenz Projektleitung Name der Person, die das Projekt steuert Projektlaufzeit Zeitraum, in dem das Projektziel realisiert wird SAP-Auftragsnummer Projektkostenstelle, worauf das Budget verwaltet wird Aufwand in Personentagen - Plan / Erwartung / IST geplante Personentage inkl. Prognose und IST-Wert Budget - Plan / Erwartung / IST geplantes Budget inkl. Prognose und IST-Wert Ampelstatus gibt den Zustand des Projektes wieder (grün, gelb, rot) Overrun Aufwand / Budget Quotient zwischen IST-/ Planwerten Steuerungsgremium Name der übergeordneten Instanz, sofern vorhanden … … Abbildung 1: Ausgewählte Eckdaten aus dem ersten Teil des Projektstatusberichts 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0031 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 58 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 58 19.04.2021 10: 55: 36 19.04.2021 10: 55: 36 sonentagen der laufenden Projekte. Um die Antwortzeiten bei diesen Telefonanfragen zu verkürzen, ist beim PMO der Landesbausparkasse Südwest (LBS) die Idee entstanden, einen Alexa Skill zu entwickeln, mit dem das Management jederzeit per Sprachbefehl Projektinformationen erfragen könnte. Auf der linken Seite von Abbildung 2 ist der Anfrager abgebildet, der per Sprachbefehl typische Fragestellungen formuliert. Hierbei handelt es sich um einen Mitarbeiter aus dem Management bzw. einem Verantwortlichen aus dem Projektcontrolling. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Mitarbeiter des PMOs. Dieser hat die Aufgabe, die Datenbasis, auf die der Sprachassistent zugreift, aktuell zu halten, damit die Anfragen korrekt beantwortet werden können. Der Alexa Skill der LBS basiert auf einem dreiteiligen Projektbericht, der in regelmäßigen Abständen vom PMO erstellt wird. Der erste Berichtsteil enthält eine Übersicht zu den aktuell laufenden Projekten, die erfolgreich abgeschlossenen Projekte werden im zweiten und die zukünftigen Projekte im dritten Teil dokumentiert. Mit dem Alexa Skill sollte der erste Berichtsteil abgebildet werden, da es hierzu die meisten Adhoc-Anfragen gibt. Abbildung 1 enthält einige Eckdaten, die zu den laufenden Projekten erfasst werden. Technische Grundlagen zu Amazons Alexa Bei einem Sprachassistenten handelt es sich um ein Softwaresystem, das mittels natürlich gesprochener Sprache bedient werden kann. Der Assistent unterstützt seinen Nutzer im Alltag, indem er verschiedene Aufgaben per Sprachsteuerung abarbeitet oder Fragen beantwortet. Die Ergebnisse werden ebenfalls in natürlicher Sprache ausgegeben. Ermöglicht wird diese Funktionsweise durch den Einsatz von Natural Language Processing (NLP). Bei dieser Unterform der Künstlichen Intelligenz werden Erkenntnisse der Linguistik mit Machine- Learning-Algorithmen kombiniert. Die Sprachassistenten sind entweder als eigene Anwendung in Smartphones oder in Lautsprechern, in sog. Smart Speakern, integriert. Der Lautsprecher selbst fungiert lediglich als Zugangsmedium, die eigentliche Verarbeitungslogik liegt auf den Servern der jeweiligen Hersteller. Daher muss der Smart Speaker über eine permanente Verbindung zum Internet verfügen. Die Sprachbefehle werden über ein integriertes Mikrofon aufgezeichnet und die Antwort erfolgt über den Lautsprecher. Amazon Alexa, der am weitesten verbreitete Sprachassistent, besteht aus folgenden drei Komponenten (siehe Abbildung 3). Abbildung 2: Use-Case-Diagramm zu exemplarischen Alexa Skill-Anfragen Abbildung 3: Architektur von Amazon Alexa Wissen | Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0031 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 59 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 59 19.04.2021 10: 55: 37 19.04.2021 10: 55: 37 1. Amazon Echo (Front-End): Die Interaktion mit Alexa erfolgt über ein Frontend-Gerät, in der Regel über den Smart Speaker Amazon Echo. Er verfügt über alle hardwaretechnischen Voraussetzungen, um einerseits Sprachbefehle aufzuzeichnen und andererseits die Antworten auszugeben. Ein eingebautes WLAN-Modul sorgt dafür, dass sich der Lautsprecher mit dem Internet verbinden kann. 2. Alexa-Amazon-Web-Service (Verarbeitungslogik): Die Sprachverarbeitung erfolgt über die Amazon Cloud AWS. Das hat den Vorteil, dass alle benötigten Services zur Spracherkennung an einem Ort gebündelt zur Verfügung gestellt werden. Da es in der AWS-Cloud bereits unterschiedliche NLP-Services gibt, ist es nicht erforderlich, die Sprachverarbeitung selbst zu programmieren 3. Skill-Daten: Werden für die Erzeugung von Antworten Daten bzw. Dienste benötigt, die nicht über die AWS-Cloud verfügbar sind, können diese über ein Application Programming Interface (API) eingebunden werden. Gängige Datenquellen sind beispielsweise unternehmenseigene Datenbanksysteme. Funktionsweise von Alexa Skills Selbstentwickelte Alexa Skills werden in einer speziellen Entwicklungsumgebung der Amazon Cloud erstellt. Jeder Skill besteht aus einem Alexa Skill Interface und einem Alexa Skill Service. Das Alexa Skill Interface ist die sprachbasierte Benutzeroberfläche für die Kommunikation mit dem Anwender. Neben einer Skill-Beschreibung und technischen Parametern enthält das Interface insbesondere das Interaction Model. Hiermit wird definiert, auf welche Anweisungen und in welcher Form Alexa reagieren soll. Alle Sprachanweisungen basieren auf den vier Elementen Invocation Name, Intent, Utterance und Slot. Der Invocation Name ist der Name des Alexa Skills. Er muss vom Anwender genannt werden, um auf dessen Funktionen zugreifen zu können. Intents stellen den Kern der Konversation dar. Sie repräsentieren die Absicht des Nutzers. Aus technischer Sicht sind das die Funktionen des Skills. Bei den Utterances handelt es sich um eine oder mehrere Äußerungen, die das Ziel haben, den Intent zu starten. Sie werden explizit mit dem Intent verknüpft. Der Vorteil der Utterances ist, dass ein Intent mit unterschiedlichen Formulierungen gestartet werden kann. Mithilfe von Slots lassen sich Anfragen um weitere Informationen ergänzen. Dies können bspw. Mengenangaben oder andere Attribute sein. Der Aufbau von Sprachanweisungen soll anhand der in Abbildung 4 dargestellten Skill-Anfrage verdeutlicht werden. Wichtig hierbei ist, dass vor jeder Anfrage das Wake Word Alexa, gefolgt von einem Launch Word gesprochen werden muss, da der Skill ansonsten nicht gestartet wird. Sobald der Nutzer das Wake Word Alexa spricht, schaltet sich der Smart Speaker ein. Die Sprachanweisung wird aufgenommen und zum Alexa-Dienst in der Amazon Cloud geschickt. Dort wird die Anweisung in eine Textnachricht konvertiert und vom Alexa Skill Interface nach einem Invocation Name durchsucht. Existiert ein Skill mit diesem Namen, wird er aktiviert, das zugehörige Interaction Model geladen und die Absicht des Nutzers ermittelt. Gibt es einen Treffer, wird daraus eine Anfrage für den Alexa Skill Service erstellt. Diese enthält neben dem Intent die aus der Nachricht extrahierten Slot-Werte. Die Aufgabe des Alexa Skill Service besteht schließlich darin, die korrekte Antwort zu berechnen und diese zum Alexa Interface zurückzuschicken. Dort wird die Antwort in ein Sprachsignal umgewandelt, das schließlich über den Smart Speaker in natürlicher Sprache ausgegeben wird. Implementierung der Skill-Funktionen Als Datenquelle für den Alexa Skill „Projektoffice“ wird eine Google-Drive-Tabelle verwendet, in der die wesentlichen Eckdaten aus dem Statusbericht zu den laufenden Projekten enthalten sind. Jede Zeile in dieser Tabelle repräsentiert ein Projekt (Abbildung 5). In Abbildung 6 sieht man einen Ausschnitt aus dem in der Entwicklungsumgebung angelegten Interaction Model. Dieses zeigt u. a. den Invocation Name, die Intents sowie alle vordefinierten Äußerungen (Utterances), mit denen die Skill-Funktion zur Abfrage des Projektraums gestartet werden kann. Die Funktionen des Alexa Skill Services werden in Form von Voice Flows, die an Netzpläne erinnern, angelegt. Wenn Abbildung 5: Exemplarische Datenquelle für den Alexa Skill Alexa (Wake Word), frage (Launch-Wort) das Projektoffice (Invocation Name), wann das Projekt (Intent) Windows 10 (Slot) beendet sein (Utterance) wird. Abbildung 4: Exemplarische Skill-Anfrage zur Abfrage des Projektzeitraums Wissen | Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0031 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 60 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 60 19.04.2021 10: 55: 38 19.04.2021 10: 55: 38 Abbildung 8: Beurteilung der Skill-Eigenschaften durch die Anwender Abbildung 7: Voice Flow der Skill-Funktion „Projektzeitraum abfragen“ Abbildung 6: Ausschnitt aus dem Interaction Model Wissen | Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0031 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 61 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 61 19.04.2021 10: 55: 55 19.04.2021 10: 55: 55 man keine komplexen Anforderungen an die Sprachsteuerung hat, werden für deren Erstellung keine Programmierkenntnisse benötigt. Abbildung 7 zeigt einen Ausschnitt des Voice Flows, der für die Funktion „Projektzeitraum abfragen“ erstellt wurde. Evaluation des Alexa Skills Nachdem der Amazon Skill entwickelt und erfolgreich getestet wurde, sollte er auch von potenziellen Anwendern evaluiert werden. Hierfür wurde die Design-Thinking-Testmethode Structured Usability eingesetzt. Bei dieser Methode werden Prototypen live getestet und begleitend Fragebögen ausgefüllt. An dem Test haben 20 Personen teilgenommen. Den Testpersonen wurde lediglich der Startbefehl mitgeteilt, um herauszufinden, ob der Skill intuitiv zu bedienen ist. Im Fokus standen dabei die Kriterien Sprachverarbeitung bzw. Spracherkennung, Funktionsumfang, Dialogführung und Bedienbarkeit. Jedes Kriterium sollte anhand einer Punkteskala von 1 bis 5 bewertet werden, wobei 5 die beste Bewertung darstellt. Die vier Skill-Eigenschaften wurden überwiegend gut bewertet. Der Funktionsumfang sticht dabei mit 14 Nennungen hervor (siehe Abbildung 8). Neben der Beurteilung der Eigenschaften und der Funktionen war es wesentlich, herauszufinden, ob die Tester diesen Skill im Rahmen des Projektmanagements einsetzen würden. Hierzu gab über die Hälfte der Anwender an, dass sie den PMO-Skill wahrscheinlich nutzen würde; 20 % würden ihn sogar mit großer Wahrscheinlichkeit einsetzen. Ein Viertel hingegen betrachtet einen Einsatz als unwahrscheinlich bzw. sehr unwahrscheinlich. Die Befürworter erwarten eine Erleichterung im Arbeitsalltag, da Projekt-Informationen schneller zur Verfügung stehen bzw. zügiger beschafft werden können (siehe Abbildung 9). Relevant war in diesem Zusammenhang zudem, herauszufinden, ob die Anwender prinzipiell einen Mehrwert in dieser Art von Skill sehen und ob sie sich in Zukunft vorstellen könnten, mit einem Sprachassistenten zu arbeiten. Hintergrund dieser Fragen ist, herauszufinden, ob Sprachassistenten tatsächlich Potenzial haben, sich im Berufsalltag zu etablieren, oder ob diese weiterhin hauptsächlich als eine Freizeitbeschäftigung gesehen werden. Dabei gaben lediglich 15 % an, einen geringen bzw. weniger hohen Mehrwert dieser Skills zu sehen. Insgesamt 65 % hingegen messen diesen Skills einen hohen Mehrwert bei. Dies spiegelt sich auch in der Vorstellung wider, in Zukunft mit einem Sprachassistenten zu arbeiten. Etwa drei Viertel der Befragten können sich gut bzw. sehr gut vorstellen, Sprachassistenten zu verwenden (siehe Abbildung 10). Dies kann demnach als Indiz dafür gesehen werden, dass Sprachassistenten im Projektmanagement und somit auch allgemein im Berufsumfeld eine Chance haben, sich zu etablieren. Resümee Zum PMO-Aufgabenspektrum gehört es, Auskünfte zu aktuell laufenden Projekten zu geben. Anhand eines eigenentwickelten Alexa Skills wurde geprüft, ob das PMO entlastet werden könnte, wenn ein Teil dieser Tätigkeit von einem Sprachassistenten übernommen wird. Der anschließend durchgeführte Anwendertest hat ergeben, dass drei Viertel der Befragten einen solchen Sprachassistenten grundsätzlich einsetzen würden und den Alexa Skill als nützlich erachten. Die Benutzerakzeptanz wird am schnellsten erreicht, wenn man dem Sprachassistenten zuerst die Beantwortung wiederkehrender Ad-Hoc-Anfragen überträgt. Komplexere Anfragen sollten erst in einem Folgeprojekt automatisiert werden. Abbildung 9: Einsatz des PMO-Skills im Projektmanagement Abbildung 10: Potenzial des Skills und Assistenten für die Zukunft Wissen | Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0031 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 62 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 62 19.04.2021 10: 55: 56 19.04.2021 10: 55: 56 Weiterführende Literaturhinweise Amazon Alexa (Alexa Skills Kit SDKs, 2020d): Alexa Skills Kit SDKs, <https: / / developer.amazon.com / de- DE / docs / alexa / sdk / alexa-skills-kit-sdks.html> (2020) [Stand: 2020-09-13]. Hörner, Thomas (Marketing mit Sprachassistenten, 2019): Marketing mit Sprachassistenten, Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2019. Patzak, Gerold, Rattay, Günter (Projektmanagement, 2018): Projektmanagement: Projekte, Projektportfolios, Programme und projektorientierte Unternehmen, 7., aktualisierte Auflage, Wien: Linde international, 2018. 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Anschrift: LBS Landesbausparkasse Südwest, Jägerstraße 36, 70 174 Stuttgart eMail: p.ilief@kabelbw.de Prof. Dr. Peter Preuss Prof. Dr. Peter Preuss lehrt Wirtschaftsinformatik an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Stuttgart. Er ist zertifizierter Project Management Professional (PMP) nach PMI und Professional Scrum Master. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit ist Peter Preuss geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung People Consolidated GmbH. Anschrift: FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Fachbereich Wirtschaftsinformatik, Rotebühlstraße 121, 70 178 Stuttgart, eMail: peter.preuss@fom.de Wissen | Einsatz von Smart Speakern im Projektmanagement 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0031 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 63 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 63 19.04.2021 10: 55: 59 19.04.2021 10: 55: 59 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 Entwicklung eines Konzepts für ein dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten Daniel Ghadiri, Eberhard Schlücker Für eilige Leser | Ziel ist es, ein Konzept für das Risikomanagement mit dem Fokus Entwicklungsprojekte/ Innovationsprojekte zu entwickeln. Da die Ziele dieser Projekte auf verschiedenen Szenarien basieren und sich ständig ändern können, sollte man ein dynamisches Risikomanagement durchführen. Bei diesem Artikel wird ein Konzept für ein dynamisches Risikomanagement entwickelt, bei dem die dynamischen Aspekte des Risikomanagements erforscht werden. Darauf aufbauend wird eine Methode für die Berechnung der Gesamtprojektrisiko-Zahl vorgestellt, um das Gesamtprojektrisiko während des Projektlebenszyklus dynamisch monitoren und steuern zu können. Schlagwörter | Dynamisches Risikomanagement, Entwicklungsprojekte, Innovationsfähigkeit, Risikokultur, Gesamtprojektrisikozahl Die Implementierung des Risikomanagements ist als ein Bestandteil des Projektmanagements sehr wichtig. Die Natur der Risiken in verschiedenen Arten von Projekten ist aber stark unterschiedlich und hängt von den jeweiligen Projektmerkmalen und der Art und Dimension des Projekts ab. Daher ist zu erwarten, dass die Umsetzung des Risikomanagements auch von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich sein kann. Projekte können statische und / oder dynamische Risikofaktoren aufweisen, die von den verschiedenen Projektmerkmalen abhängen. Das statische Risikomanagement basiert auf bekannten projekthistorischen Faktoren, Dokumenten und Informationen aus früheren Projekten. Bei dieser Art des Risikomanagements ändern sich die Projektelemente im Laufe der Zeit nicht. Abbildung 1: Projektphasen während eines Entwicklungsprojekts 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 64 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 64 19.04.2021 10: 56: 05 19.04.2021 10: 56: 05 Wissen | Dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 Das dynamische Risikomanagement passt sich Projektcharakteren an, die sich im Laufe der Zeit ändern. Risikoereignisse sollten nach einer festgelegten Zeit aufgrund neuer Informationen neu bewertet werden. Zu den dynamischen Faktoren zählen Änderungen des Niveaus neuer Informationen, des Projektziels, der finanziellen Situation, des Projektplans, der Qualität und der Technologie. Im Vergleich zur Methode des herkömmlichen Projektmanagements, bei der man ein Produkt möglicherweise früher als am Ende prüfen muss, um das Design oder die Funktion fertigzustellen, muss man in Entwicklungsprojekten möglicherweise schon mit dem Entwurf beginnen und feststellen, ob der Entwurf zufriedenstellend ist, bevor man das Projekt fortsetzt. Bei Entwicklungsprojekten kann z. B. die Scrum-Methodik angewendet werden; es gibt einen inkrementellen Ansatz, kleinere Projektlebenszyklen, die sich möglicherweise bis zum Ende des Projekts wiederholen (siehe Abbildung 1). In diesem Fall beginnt das Projektteam beispielsweise mit einer Idee, einem teilweisen Entwurf, einer ersten Ausführung sowie einem Test und einer Lieferung, um sie dem Kunden oder den Projektbeteiligten zu präsentieren, um so Feedback zu erhalten (Sind wir auf dem richtigen Weg? ). In der nächsten Phase macht das Projektteam in Anbetracht der Rückmeldungen mehr Fortschritte bei Design und Ausführung und produziert die zweite Version des Produkts, die dem Projektziel viel näherkommt. Um die Projektziele zu erreichen, erhält das Projektteam in jeder Phase immer wieder neue Feedbacks von Kunden und Projektbeteiligten. In traditionellen Projekten erstellt das Projektteam in der Planungsphase des Projekts einen Risikomanagementplan; der Risikomanagementprozess wird während der Projektdurchführung implementiert. Beim Projektabschluss werden Risiken nicht mehr erfasst und berücksichtigt. Ein statisches Risikomanagement kann beispielsweise nach der erstmaligen Implementierung eines Risikomanagements zur Herstellung einer Routinemaschine implementiert werden, wenn sich die Projekteigenschaften und -elemente während der Zeit zur Herstellung der nächsten Maschinen nicht ändern. Die Projekteigenschaften ändern sich aber, wenn z. B. die Kundenanforderungen sich ändern oder das Unternehmen die Funktionen der Maschine verbessern und weiterentwickeln will. Somit kann der Grad der Dynamik von Projekten variieren, was bedeutet, dass für ein Projekt mit einem mittleren Grad an Dynamik ein kombiniertes statisches und dynamisches Risikomanagement implementiert werden sollte (siehe Abbildung 2) [1]. Der wichtigste Punkt bei der Implementierung eines dynamischen Risikomanagements ist die Feststellung, dass die Aktualisierungsdauer des Projektrisikomanagementprozesses umso kürzer ist, je höher die Dynamik des Projekts ist. Entwicklungsprojekte Ein Entwicklungsprojekt ist ein Projekt, bei dem ein Investor das Risiko eingeht und eine Investition tätigt, um ein neues Produkt oder einen neuen Prozess zu entwickeln oder bessere Ergebnisse zu erzielen. Das Risiko und die Investition sind wesentliche Faktoren in Entwicklungsprojekten. Wenn das Projekt keine Risiken enthält, bedeutet dies, dass keine Chancen für einen Verkauf, einen Markterfolg oder kein Kundeninteresse bestehen und in Zeit oder auch Material umsonst investiert wird [2]. Daher ist es notwendig, vor einer großen Investition eine Risiko-/ Chancenanalyse durchzuführen. Das Ziel eines Entwicklungsprojektes kann beispielsweise sein, „die Lebensdauer eines Produkts zu verlängern“, die Qualität zu steigern, die Kosten zu reduzieren oder ein völlig neues Produkt zu entwickeln. Die Merkmale eines solchen Entwicklungsprojekts weisen ein hohes Maß an Dynamik auf, was die Anwendung eines Projektrisikomanagements mit dynamischen Merkmalen erfordert. Unter Berücksichtigung der genannten Projektmerkmale wird in diesem Artikel ein dynamisches Risikomanagement für Entwicklungsprojekte entwickelt. Risiken bei Entwicklungsprojekten Entwicklungsprojekte haben verschiedene Anforderungen: Sie müssen die Probleme der Kunden lösen oder die vorhandenen Produkte verbessern oder Innovationen realisieren. Und es wird dabei immer eine Lösung mit hoher Qualität erwartet. Das Projekt sollte zeitlich begrenzt und mit relativ geringen Kosten durchgeführt werden. Die Anzahl der Risiken in solchen Projekten wächst mit steigenden Projektanforderungen. Um die Projektziele zu erreichen, sollten daher die Risiken im Projekt über seine Gesamtlaufzeit analysiert und gesteuert werden. Das Risikomanagement beginnt also bereits bei der Projektauswahl bis zum Ende des Projektlebenszyklus [3]. Personal und Risikomanagement Projektmitglieder (Personal) und ihr Verhalten und ihre Entscheidungen sind für ein Projekt von wesentlicher Bedeutung. Menschen sind in jede Phase jedes Projekts involviert und erzeugen gegebenenfalls auch Risiko. Daher können ihr Verständnis, ihr Verhalten und ihre Entscheidungsprozesse bei jedem Aspekt im Zusammenhang mit dem Risikomanagement dazu beitragen, das Konzept des dynamischen Risikomanagements im nächsten Abschnitt oder der nächsten Phase zu erstellen. Hier sind drei Aspekte der Humanressourcen, die wir in dieser Arbeit untersuchen: • Risikokultur: Die Risikokultur ist das Verhalten des Projektteammitglieds, wenn es mit einem Risiko konfrontiert ist. • Organisation: Die Struktur der Personen in der Organisation sowie der Workflow und die Kommunikation zwischen Personen in der Organisation sind wichtige Aspekte, die beim Risikomanagement berücksichtigt werden sollten. • Personenrisiko: Es handelt sich um ein Konzept, das auf dem Basler Ausschuss [4] als einem Hauptschlüssel der operationellen Risiken basiert. Personenrisiken sind auf den Personen, Projektleitern, Projektmanagern, Aktionä- Abbildung 2: Der Grad der Dynamik des Projekts 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 65 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 65 19.04.2021 10: 56: 07 19.04.2021 10: 56: 07 Wissen | Dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 ren, Lieferanten und deren Entscheidungsfindung und Management basiert. Konzept für ein dynamisches Projektrisikomanagement Bei Entwicklungsprojekten, die normalerweise auf verschiedenen Szenarien und neu gewonnenen Informationen basieren, muss ein dynamischer Risikomanagementprozess implementiert werden. Ein dynamisches Projektrisikomanagement ist eine kontinuierliche Implementierung des Risikomanagementprozesses unter sich schnell ändernden Umständen in einem Projekt und die Implementierung von Risikomaßnahmen, um ein akzeptables Niveau des Gesamtprojektrisikos sicherzustellen. Abbildung 3 zeigt das Konzept für das dynamische Risikomanagement, das mittels unterschiedlicher Quellen zum Risikomanagement, dynamischen Risikomanagement und Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten entwickelt wurde. Das Modell besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil ist der dynamische Risikomanagementprozess; dieser Teil ist die operative Seite des dynamischen Risikomanagementprozesses. Es umfasst dynamische Risikoplanung, dynamische Risikoidentifikation, dynamische Risikobewertung und Risikomaßnahmenplanung sowie die dynamische Risikokontrolle und -überwachung als iterativen Zyklus. Der zweite Teil ist der Hauptteil, in dem die dynamischen Aspekte des Risikomanagements bei Entwicklungsprojekten auf verschiedene wesentliche und dynamische Perspektiven des Risikomanagements konzentriert werden. Projektmanagement, Technologie, Risikokultur, Kommunikation, Kosten und Zeit sowie Organisation und Innovationsfähigkeit sind die wichtigsten dynamischen Aspekte des Risikomanagements. Dynamischer Risikomanagementprozess Im Rahmen des dynamischen Risikomanagementkonzeptes sollte der Risikomanagementprozess dynamisch implementiert werden; der Risikomanagementprozess stellt somit einen dynamischen Zyklus des Risikomanagementprozesses dar, der während des Projektlebenszyklus regelmäßig wiederholt wird. Für ein Projekt sollte ein dynamischer Plan für das Risikomanagement erstellt werden. Der Plan sollte ständig während des Projektes angepasst werden. Die Risiken sollten dynamisch während des Projektes identifiziert werden; die Formulierung der identifizierten Risiken wird dynamisch aktualisiert. Die identifizierten Risiken werden analysiert und angemessene Gegenmaßnahmen definiert. Analysierte Risiken werden ständig während des Projektes neu bewertet; basiert darauf werden die Risikomaßnahmen aktualisiert. Der Risikomanagementprozess sollte ständig überwacht und gesteuert werden. Dabei ist es wichtig die Risikostufe im Gesamtprojekt zu verfolgen und zu steuern; das Hauptziel der Implementierung des dynamischen Risikomanagements ist es die Gesamtprojektrisikostufe zu reduzieren, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Dynamische Risikomanagementplanung Für Entwicklungsprojekte sollte ein dynamischer Risikomanagementplan aus einem praktischen Risikoregister mit festgelegten Plänen zur Risikominderung und -allokation entwickelt werden. Der dynamische Risikomanagementplan sollte ständig hinsichtlich neuer Projektanforderungen und -spezifikationen aktualisiert werden [5]. Abbildung 3: Ein Konzept für das dynamische Risikomanagement 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 66 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 66 19.04.2021 10: 56: 09 19.04.2021 10: 56: 09 Wissen | Dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 Die Umsetzung des Risikomanagements ist im Projektrisikomanagementplan zu planen. Der Risikomanagementplan ist ein „Metaplan“, der die operativen Arbeiten enthält. Der Risikomanagementplan sollte Aspekte wie Detailierungsgrad des Risikomanagements, Methodik, Rollen und Verantwortlichkeiten, Budgetierung sowie Berichtsformate umfassen [6, 7]. Das Ziel der dynamischen Risikoplanung ist ein adaptiver Plan zur Umsetzung des Risikomanagements. Im dynamischen Risikoplan können sich das Niveau des Risikomanagements, der Methoden, Rollen und Verantwortlichkeiten usw. während der Projektdurchführung ändern. Dynamische Risikoidentifikation Für eine gute Wettbewerbsfähigkeit und Finanz- und Vermögenslage sowie für eine gute Rentabilität von Produkten, müssen Unternehmen die Risiken in Projekten vermeiden oder reduzieren. Das Ziel der dynamischen Risikoidentifizierung ist, die potenziellen Risiken, die in der frühen Phase eines Projekts gegen die Realisierung der Projektziele wirken, so detailliert wie möglich zu erfassen. Die jederzeit im Projekt durchgeführte dynamische Risikoidentifizierung hängt von der spezifischen Projektdurchführung und dem Grad der neuen Risikoinformationen ab. Die Qualität der dynamischen Risikoidentifikation ist für die Leistung des Projektrisikomanagements sehr wichtig. Auch hier sollten die nicht so schwerwiegenden Risiken berücksichtigt werden, da sie sehr hohe Kosten oder andere potenzielle Risiken verursachen können [8, 9]. Sobald die Risiken im Projekt identifiziert wurden, sollte das Projektrisikomanagementteam sie analysieren. Die Risikoanalyse hilft die Prioritäten der Risiken zu erkennen, womit man entscheiden kann, wie schnell reagiert werden muss. Dynamische Risikoanalyse Aufgrund der hohen Komplexität der Struktur einer Risikosituation gibt es viele Ursachen und Faktoren, die die Risikosituation beeinflussen, deswegen sollte der Risikoanalyseprozess als dynamischer Prozess im gesamten Projektlebenszyklus betrachtet werden. Die Analyse der Risiken im Projekt kann sowohl qualitativ als auch quantitativ durchgeführt werden. Die Visualisierung der gesamten Risiken im Projekt ist auch bei der Risikoanalyse von großer Bedeutung. Die Visualisierung hilft dem Projektrisikomanagementteam, Risiken zu verfolgen und Änderungen in der Risikosituation in Bezug auf die verfeinerten Risikoreaktionen einfacher zu verfolgen [10,11]. Das Ziel der dynamischen Risikoanalyse ist es, die identifizierten Risiken ständig zu analysieren, um während des Projektlebenszyklus eine optimale Risikoreaktionsstrategie auswählen zu können. Dynamische Maßnahmenplanung Ziel der dynamischen Risikomaßnahmenplanung ist es, die bestmöglichen Risikomaßnahmenstrategien auszuwählen und geeignete Risikoreaktionen in sich ständig ändernden Risikosituationen während des Projektlebenszyklus zu definieren [12]. Mögliche Risikomaßnahmen Zur Vermeidung von Risiken und Schäden gibt es viele vorstellbare Maßnahmen; es ist nicht möglich, alle möglichen Maßnahmen durchzuführen. Aus diesem Grund ist es für alle Projektphasen eine notwendige Maßnahme, eine sehr detaillierte Risikoanalyse durchzuführen, da die Kosten für nicht identifizierte Risiken aus Erfahrung erheblich höher sind als die Kosten für die Risikoidentifizierung und Risikoanalyse [13]. Risikoreaktionsstrategien Nach der Risikoanalyse sollte das Projektrisikomanagement eine Strategie definieren, wie auf jedes Risiko im Risikoregister reagiert werden soll. Die Strategien für die Reaktion auf Risiken sollten entsprechend der Risikosituation definiert werden, die sich auch während des Projektlebenszyklus ändern kann. Im besten Fall sollten die Risiken vermieden werden. Das Vermeiden von Risiken ist nicht in allen Fällen möglich, daher sollten Alternativen zur Vermeidung von Schäden gesucht werden, z. B. die Risiken zu übertragen oder die Risiken zu akzeptieren. Dynamische Steuerung und Überwachung Die Projektbeteiligten sehen das Risikomanagement aus verschiedenen Sichten, sodass die Risiken im Projekt auch aus verschiedenen Aspekten dargestellt werden müssen. Diese Phase des Projektrisikomanagementprozesses gibt einen Überblick über den Status der Risiken im gesamten Projekt. Ziel der dynamischen Steuerung und Überwachung ist es, Änderungen der Risikosituationen während des Projektlebenszyklus anzuzeigen. Risikomanagement sollte eines der Hauptthemen von Projektmanagement-Meetings sein. Das grundlegende Instrument ist die Risikoüberwachungsliste. Das Instrument soll sicherstellen, dass alle Risiken mit hoher Priorität geprüft werden [14]. Da die Verfolgung des Zustands des Gesamtprojektrisikos eine wichtige Rolle spielt, wird im letzten Abschnitt ein Konzept für Darstellung der Gesamtprojektrisikostufe vorgestellt. Dynamische Aspekte des Risikomanagements in Entwicklungsprojekten Die zweite Seite des dynamischen Risikomanagementmodells repräsentiert wesentliche und dynamische Aspekte des Risikomanagements bei Entwicklungsprojekten. Für die Implementierung eines effektiven Risikomanagements bei Entwicklungsprojekten sind verschiedene Aspekte des Risikomanagements wie Projektmanagement, Technologie, Risikokultur, Kommunikation, Kosten und Zeit, Organisation und Innovationsfähigkeit zu berücksichtigen. Projektmanagement Das Risikomanagement ist ein wichtiger Bestandteil des Projektmanagements. Daher sollten Projektmerkmale auch im Projektmanagement berücksichtigt werden. Daher sollte das Projektmanagement auch an die Änderungen der Projekteigenschaften und -elemente angepasst werden. Projektmanagement ist die Methode zum Planen, Organisieren und Verwalten von Ressourcen, um die Projektziele erfolgreich zu erreichen, mit einem optimalen Gleichgewicht zwischen Projektdauer, Kosten und Projektqualität [15]. Entwicklungsprojekte sind typischerweise komplexe Projekte mit dynamischen Umgebungen. Dynamische Umgebungen bedeuten, dass viele unvorhersehbare Elemente im Projekt involviert sind und ein hohes Maß an Unsicherheit 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 67 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 67 19.04.2021 10: 56: 09 19.04.2021 10: 56: 09 Wissen | Dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 aufweisen. Viele Projekte scheitern, weil die Implementierung traditioneller Projektmanagementmethoden nicht an eine dynamische Umgebung angepasst werden kann. In einem dynamischen Umfeld ist ein „hochgradig anpassungsfähiges Modell für die Planung und Verwaltung von Projekten“ erforderlich. Das Projektmanagement von Entwicklungsprojekten unter einem hohen Maß an Unsicherheit und Komplexität zwingt die Mitglieder des Projektteams, ihre Kreativität einzusetzen und anpassungsfähig zu sein [16]. Ein anpassungsfähiges Projektmanagementsystem unterstützt die Implementierung des dynamischen Risikomanagements im Projekt, da Projektvorgänge ständig aktualisiert werden. Technologie Ein weiterer Aspekt des Risikomanagements bei Entwicklungsprojekten ist die Technologie. Technologie kann im Risikomanagement, insbesondere bei Entwicklungsprojekten, unter zwei Gesichtspunkten gesehen werden. Die erste Sichtweise sind die Risiken durch die Anwendung oder Entwicklung neuer Technologien. Entwicklungsprojekte sind einzigartige Projekte mit einzigartigem Ergebnis und Produkt. Unternehmen würden lieber neue Technologien für die Entwicklung eines Produkts verwenden, als Technologien zu verwenden, die sie zuvor beherrschten. Bei Entwicklungsprojekten können Unternehmen neue Technologien innerhalb der Organisation (intern) oder Technologien außerhalb der Organisation realisieren, z. B. Forschungsinstituten, Universitäten usw. (extern) [17]. Dies führt immer zu einem hohen Maß an Unsicherheit und ist mit höheren Projektkosten verbunden. Unbekannte Vorteile und Funktionen neuer Technologien sowie organisatorische Hindernisse usw. sind Risikoquellen bei solchen Projekten, die bewertet und verwaltet werden müssen. Die zweite Sichtweise ist die Rolle der Technologie bei der Implementierung des Projektrisikomanagements. Komplexität und eine hohe Anzahl von Risiken in den Entwicklungsprojekten erfordern den Einsatz von Technologien zur Implementierung des Risikomanagements und eine konsequente Durchführung [18]. Kosten und Zeit Das Management von Kosten- und Zeitrisiken ist wichtig, um den Erfolg des Projekts zu gewährleisten. Dies ist umso wichtiger bei Projekten mit hohen Risiken wie Entwicklungsprojekten. Wie bereits erwähnt, basieren Entwicklungsprojekte auf Szenarien, die sich je nach Erfolg jedes Szenarios ständig ändern. Zeit und Kosten von Szenarien weisen daher auch dynamische Eigenschaften auf. Eine dynamische Einschätzung und Analyse der Zeit und Kosten von Risiken und Projektvorgänge unterstützt dynamische Entscheidungen für Risikostrategien sowie Anpassung der Risikogegenmaßnahmen während der Implementierung des dynamischen Risikomanagementprozesses. Um die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Entwicklungsprojekts zu erhöhen, sollte das Projektteam die Entwicklungskosten und -zeit durch die Implementierung des Projektrisikomanagements reduzieren. Daher ist es nicht nur erforderlich, versteckte Eventualverbindlichkeiten zu beseitigen, sondern auch die erforderlichen Eventualverbindlichkeiten durch die Implementierung wirksamer Risikoreaktionspläne zu reduzieren. Wichtige Mitglieder wie Stakeholder, Eigentümer und Auftragnehmer usw. sollten die Zeit- und Kostenrisiken in Risikomanagement-Workshops abschätzen. Die Risiken können mit einer Simulationssoftware analysiert und die Ergebnisse berechnet werden. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Methode häufig angewendet werden sollte, um sicherzustellen, dass während des gesamten Projektlebenszyklus die besten Entscheidungen getroffen werden [18]. Organisation Ein weiterer Aspekt des Risikomanagements bei Entwicklungsprojekten ist die Organisation, die als Organisation des Unternehmens oder Projekts interpretiert werden kann. Die Organisation umfasst nicht nur die Mitglieder des Projekts, sondern auch die gesamte Projektumgebung. Das Risikomanagement sollte in allen Organisationsebenen integriert werden [19]. Das Hauptziel ist es, den dynamischen Projektrisikomanagementprozess bei Entwicklungsprojekten effektiv umsetzen zu können. Dies hängt im Wesentlichen von der Organisation und der gesamten Projektumgebung ab. Das Projektteam sollte die Änderungen frühzeitig im Projekt identifizieren, um schnelle und anpassungsfähige Maßnahmen unter Berücksichtigung der Projektziele definieren zu können. Daher reicht es in Entwicklungsprojekten nicht aus, Projektziele nur zum Beginn eines Projekts zu definieren. Die Projektziele müssen an die Änderungen der Projektumgebungsbedingungen angepasst werden. Für eine effektive Organisation ist daher die Implementierung eines dynamischen Risikomanagements wichtig. Kommunikation Aufgrund des hohen Maßes an Unsicherheiten und Risiken bei Entwicklungsprojekten ist die Struktur des Risikomanagements komplex. Es gibt viele Komponenten, die während der Durchführung des Projektrisikomanagements kommuniziert werden sollten. Die Kommunikation im Projektrisikomanagement in Entwicklungsprojekten kann unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Der erste Aspekt ist die Kommunikation zwischen Risikomanagementspezialisten oder dem Risikomanagementteam (Risikokommunikation), eine andere Sichtweise sind Risiken, die durch Kommunikation verursacht werden (Kommunikationsrisiko). In einem dynamischen Umfeld wie bei Entwicklungsprojekten ist es das Ziel, die aktuellste Kommunikationsinfrastruktur zu schaffen, sodass eine einfache und schnelle Kommunikation für Projektmitglieder gesichert ist; sowie die Kommunikationsrisiken mit Gegenmaßnahmen zu reduzieren. Risikokultur Ein wesentlicher Aspekt eines effektiven dynamischen Risikomanagements in Entwicklungsprojekten ist die Projektrisikokultur. Viele Unternehmen versuchen, in die Definition stärkerer Risikomaßnahmen zu investieren, anstatt zu versuchen, die Risikokultur des Projekts zu verbessern. Unternehmen sollten die Risikokultur in der gesamten Organisation verstehen, um ein effektives Risikomanagement in Projekten zu implementieren. Eine gute Risikokultur in der Organisation führt dazu, ein effektives Risikomanagement-Team zu haben, um Risiken 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 68 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 68 19.04.2021 10: 56: 09 19.04.2021 10: 56: 09 Wissen | Dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 dynamisch und rechtzeitig identifizieren und bestmöglichen Chancen realisieren zu können. Eine Person mit einer guten Risikokultur im Projekt geht mit einer geeigneten Methode auf die richtigen Risiken ein [20]. Das Institut für Risikomanagement definiert Risikokultur als einen Begriff, der die Werte, Überzeugungen, Kenntnisse und die Übereinstimmung über die von den Projektmitgliedern geteilten Risiken beschreibt. Die Kultur in einer Organisation ergibt sich aus dem wiederholten Verhalten der Menschen, die in ihr arbeiten. Diese Verhaltensweisen werden aus den Grundwerten, Überzeugungen und Merkmalen jeder einzelnen Person in der Organisation gebildet [21]. Der Erfolg der Implementierung des dynamischen Risikomanagements hängt wesentlich von der Risikokultur innerhalb der Organisation ab. Die Risikokultur wirkt sich direkt auf die strategische Entscheidungsfindung und die Fähigkeit aus, Risikoreaktionen in der Organisation durchzuführen. Ob eine Organisation eine gute Risikokultur hat oder nicht, kann durch Umfragen und weitere Methoden gemessen werden [20]. Innovationsfähigkeit Die Innovationsfähigkeit ist einer der wichtigsten Faktoren des Konzepts des dynamischen Risikomanagements. Basierend auf einer 2015 veröffentlichten Accenture-Innovationsumfrage waren 84 % der Unternehmen der Ansicht, dass ihre langfristigen Geschäftsstrategien auf Innovationen basieren [22]. Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen dem, was das Unternehmen plant und dem, was es realisieren kann, was darauf zurückzuführen sein kann, dass es nicht innovativ genug ist und deshalb nicht mit dem Markt Schritt hält [23]. Daher ist es für die Unternehmen unerlässlich, seine organisatorischen Fähigkeiten zu verbessern, um so Innovationen zu initiieren, mit denen es langfristig auf dem Markt bleiben kann [24]. Dies wird in der Literatur als Innovationsfähigkeit definiert. Eine hohe Innovationsfähigkeit in der Organisation unterstützt die Implementierung des dynamischen Risikomanagements, da ein innovatives Team die Risiken von allen Aspekten kreativ identifizieren, analysieren und die effektivsten Gegenmaßnahmen definieren kann. Durch die Implementierung eines dynamischen Risikomanagements für Projekte in einem Unternehmen werden die Risiken identifiziert und dynamisch verwaltet, sodass evtl. sogar Chancen im Zusammenhang mit den realisierten Risiken bestehen. Entwicklung der Gesamtprojektrisikostufe Bei der Implementierung des dynamischen Risikomanagements sollte der Status der Risiken im Projekt dynamisch gesteuert werden. Hier wird eine Methode für Darstellung der Gesamtprojektrisikostufe vorgestellt. Anhand der Gesamtprojektrisikostufe kann das Management Go-/ No-Go-Entscheidungen während des Projektes treffen. Es gibt Herausforderungen bei der Berechnung eines numerischen Werts für die Gesamtrisikoposition des Projekts. Eine Summe der Risikoschweregrade (Risikozahlen) im Risikoregister ergibt keinen verlässlichen Wert, da die Wechselwirkungen und Beziehungen zwischen Risiken nicht berücksichtigt werden [25]. „Eins plus eins ist weniger als zwei“ [26]. D. h., ein mit 100 bewertetes Risiko ist nicht doppelt so wichtig wie andere mit 50 bewertete Risiken [27]. Im Rahmen der qualitativen Risikoanalyse können Simulationslösungen für das Risikomanagement wie die Monte Carlo Simulation das Gesamtprojektrisiko in Bezug auf Zeit und Kosten anhand definierter schlechterer, wahrscheinlichster und bester Szenarien abschätzen. Daher sollte die Gesamtprojektrisikostufe nicht auf der Summierung der numerischen Ergebnisse von Risiken (Risikozahlen) im Risikoregister basieren. Ein geeigneter Ansatz besteht darin, aus „sehr niedrig“ (VL) bis zu „sehr hoch“ (VH) ein Gesamtprojektrisiko zu entwickeln und die Verteilung der Risiken des gesamten Projekts zu betrachten. Die Gesamtverteilung des Projektrisikos ist eine weitere Ansicht der Risikoposition des Projekts als Ergebnis des Risikoregisters. Tabelle 1 und Abbildung 4 zeigen beispielhaft eine Verteilung der Anzahl von Risiken auf verschiedene Risikostufen. Es gibt fünf Risikostufen: Sehr niedrig (VL), Niedrig (L), Mittel (M) sowie Hoch (H) und Sehr hoch (VH). Der gesamte Bereich zwischen 0 und 25 wurde in fünf gleiche Intervalle unterteilt, z. B. der Schweregrad des Risikos von acht liegt im Bereich von L. Die Tabelle zeigt die Werte der Risikostufen am 4. November und 18. November 2020. Die Zahl „1“ auf der erste Reihe und Spalte „Sehr hoch“ zeigt, dass das Projekt am 4. November ein Risiko auf der Risikostufe „Sehr hoch“ hatte; dieses Risiko kann beispielsweise bei der Designphase sein, dass die Teammitglieder Wirkprin- Abbildung 4: Risiken-Distribution in verschiedene Risikostufen 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 69 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 69 19.04.2021 10: 56: 11 19.04.2021 10: 56: 11 Wissen | Dynamisches Risikomanagement bei Entwicklungsprojekten 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0032 zipien nicht voll verstanden haben, dann eine falsche oder keine umsetzbare Lösung konstruiert wird. Als Maßnahme kann man definieren, eine nachvollziehbare Darstellung der Wirkprinzipien zu erstellen, um dieses Risiko zu vermeiden. Am 18. November ist das Risiko neu bewertet und mit der Risikozahl auf der Risikostufe „Mittel“ eingestuft. Die Zahl „17“ in der ersten Reihe und Spalte „Hoch“ der Tabelle repräsentiert die Anzahl der Risiken mit der Risikozahl zwischen 15 und 20 im Risikoregister, die das Ergebnis der letzten Risikomanagementbewertung ist. Nach der Implementierung der Maßnahmen sind die Risiken reduziert, sodass in der zweiten Reihe (aktuellste Bewertung) nur noch 5 Risiken „Hoch“ sind. Das Ziel der Durchführung des Risikomanagements ist es, die Risiken auf die linke Seite der Tabelle bzw. des Diagramms zu verschieben. Die Abbildung 4 vergleicht beispielhaft die alten und verbesserten Werte der Risiken im Projekt. In der aktuellen Situation zeigt sich, dass sich eine Reihe von Risiken in den VH-, H- und M-Risikostufen auf die M-, L- und VL-Risikostufen verschoben haben. Fazit Der Erfolg von Entwicklungsprojekten basiert auf verschiedenen und ständig wechselnden Szenarien, die während der Projektlaufzeit im Hinblick auf die Ziele des Projekts erarbeitet werden. Daher haben Entwicklungsprojekte während der gesamten Projektlaufzeit ein hohes Maß an Unsicherheit. Alle Quellen von Unsicherheiten und Risiken sollten daher rechtzeitig identifiziert und eliminiert werden, um die Projektziele sicher erreichen zu können. Bei komplexen Projekten wie Entwicklungsprojekten muss ein dynamisches Risikomanagement durchgeführt werden. Dabei sollten ein dynamischer Risikomanagementprozess zugrunde liegen und sieben dynamische Aspekte beim Risikomanagement berücksichtigt werden. Das Hauptziel ist, die besten Entscheidungen in einem innovationsfähigen Unternehmen während des Projekt-Lebenszyklus dynamisch zu treffen, um ein möglichst optimales Projektergebnis zu erzielen. Dazu braucht man aber eine gute Risikokultur und Innovationsfähigkeit, sowohl im Projekt als auch in der Organisation, sowie ein ganzheitliches dynamisches Risikomanagement und ein Management-Tool für die Steuerung des Gesamtprojektrisikos. Literatur [1] Carmichael D. G., Project Management Framework, 1te Auflage, Swets & Zeitlinger B. V., Lisse 2004, S. 20-28. [2] Johnson D., What is a development project? University of Washington, CSE 403, 2003, Online Verfürgbar: <http: / / www.cs.washington.edu / education / courses / cse403 / 03wi / lectures / cse403-03-Context.pdf >. [3] Schmelzer, H. J., ‘Methoden der Risikoanalyse und -Überwachung in Entwicklungsprojekten’ in Gassmann, O. and Kobe, C. & Voit E., High-Risk-Projekte, Springer Publishing Company, Berlin, Heidelberg, New York 2001, S. 169-170. [4] BIS 2011, Basel Committee on Banking Supervision, Principles for the sound Management of Operational Risk, Bank for International Settlements, Basel 2011, S. 3-18. 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Eberhard Schlücker ist Lehrstuhlinhaber für Prozessmaschinen und Anlagentechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg. eMail: sl@ipat.uni-erlangen.de Lehrstuhl für Prozessmaschinen und Anlagentechnik Universität Erlangen-Nürnberg Cauerstraße 4 91 058 Erlangen Internet: http: / / www.ipat.uni-erlangen.de 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 71 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 71 19.04.2021 10: 56: 14 19.04.2021 10: 56: 14 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0033 Buchbesprechung Nicht so schnell! Wie du durch langsames Denken in komplexen Zeiten zu guten Entscheidungen gelangst. Habermann, F.; Schmidt, K.; Hey, ISBN 978-3-96 739-033-9 Gabal-Verlag Offenbach 2021, 207 Seiten, E-Book (EPUB) 25,99 Heinz Schelle Die beiden Autoren bauen auf den Arbeiten von Kahneman auf. Der israelische Nobelpreisträger und Begründer der Verhaltensökonomie unterscheidet in seinem Werk (Kahneman, D.: Schnelles Denken, Langsames Denken. München 2012) zwischen schnellem und langsamem Denken oder zwischen • System 1: Schnell, unbewusst emotional (Schnelles Denken) und • System 2: Langsam, bewusst rational (Langsames Denken) Dabei unterstellen die Verfasserin und der Verfasser, dass für komplexe Entscheidungssituationen langsames Denken im Sinne Kahnemans notwendig ist. Beispiele für derartige Entscheidungssituationen sind • die Zusammensetzung eines optimalen F+E-Programms in einem Konzern und • die Suche nach einem neuen Fertigungsstandort. Schnelles Denken ist unser üblicher Denkmodus (vgl. Gigerenzer, C.: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München 5. Auflage 2012 und das Interview von Oliver Steeger mit Gigerenzer: Bauchgefühl schlägt Kopfentscheidung! : Professor Gerd Gigerenzer über Intuitionsforschung und Entscheidungen im Management; PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL Heft 2 / 2008). Wie aber ist es in komplexen Situationen? Dafür brauchen wir, wie schon gesagt, das langsame Denken und nicht nur wenige, durch unser mentales System herausgefilterte Daten, sondern viele recherchierte, immer wieder hinterfragte Informationen. In diesem Zusammenhang kommt es Habermann und Schmidt insbesondere darauf an, „Musterbrecher“ zu verwenden, die dabei helfen, Denkfallen und Wahrnehmungsverzerrungen zu überwinden. Dafür wird im Artikel ein vielfältiges Instrumentarium geboten. Dazu gehört z. B.: • die Konstruktion einer modifizierten Swot-Analyse • die Erstellung einer Stakeholder-Analyse • Rollenklärung • Annahmenanalyse • Vermessung der Neuartigkeit der Entscheidung • Vermessung der Unsicherheiten Dabei wird immer darauf geachtet, dass ausgefahrene Wege und mechanistische Anwendungen, etwa bei Swot, vermieden werden. Typisch für dieses Bemühen sind eingestreute Merksätze wie „Glaube nicht alles, was Du denkst“ und „Fragen vor Antworten, Beobachten vor Bewerten, Perspektivwechsel vor Standpunkt und Selbstreflexion vor Fremdkritik“ sowie Anleitungen für Workshops. Besonders gut gefallen hat mir dabei die oben angeführte Reflexion der meist impliziten Annahmen, z. B. einer strategischen Planung, die während des Planungsprozesses getroffen werden, ohne dass man sich der Tatsache überhaupt bewusst wird. In der praxisorientierten Literatur wird diese Methode kaum erwähnt und in der Praxis wird sie schon gar nicht praktiziert. Ich hoffe, dass mir die Autoren meine Bemerkung, die nicht als Kritik, sondern als Anregung gedacht ist, nicht übelnehmen. Mason und Mitroff (Mason, R. O.: Mitroff, I. I.: Challenging Strategic Planning Assumptions: Theory Cases and Techniques. New York 1981) haben auf der Grundlage von Annahmenanalysen ein wenig bekanntes, faszinierendes Planungskonzept entworfen, das in das Konzept dieses Buches sehr gut passen würde und eventuell in einer zweiten Auflage berücksichtigt werden könnte. Ich habe es selbst in vereinfachter Form angewandt und gute Erfahrungen gemacht. Damit bin ich bei der abschließenden Bewertung: Ich finde das Werk sehr kreativ, gut geschrieben und, auch wegen der Grafiken, sehr gut zu lesen. Es ist erfreulich, dass die Anregungen, die in der Verhaltensökonomik stecken, hier aufgegriffen und für Projektmanagement nutzbar gemacht wurden. Die Publikation von Kahneman ist für unsere Disziplin eine wahre Fundgrube. Die Ausführungen sind dabei so gehalten und nachvollziehbar, dass der Leser selbst Entscheidungsworkshops planen und durchführen kann. Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung und Nutzung. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 72 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 72 19.04.2021 10: 56: 14 19.04.2021 10: 56: 14 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0034 Kolumne Der grüne Elefant oder warum gutes Projektmanagement unsichtbar ist Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch- - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Ehrlich und Priesberg schlendern in die Richtung eines Zoos. Sie wollen dort im Restaurant einen Projektabschluss feiern. Priesberg wirkt bedrückt. „Jetzt habe ich ein Projekt, das in Zeit, Geld und Qualität abgeschlossen ist. Und trotzdem möchte nur das Kernteam mit uns feiern. Die Stakeholder haben das Projektergebnis, eine anspruchsvolle Logistiksoftware, einfach in Betrieb genommen-- und das war es.“ Ehrlich muntert Priesberg auf seine Art auf: „Du hast einen grünen Elefanten im Kühlschrank.“ Priesberg, plötzlich hellwach, fragt: „Hä? “ Ehrlich ignoriert es: „Du hast es ganz richtig verstanden, in deinem Kühlschrank lebt ein grüner Elefant.“ Priesberg entgegnet: „Vielleicht übt der Zoo eine gewisse Faszination auf dich aus und bringt deine Gedanken in eigenartige Bahnen, allerdings habe ich einen solchen Elefanten in meinem Kühlschrank noch nicht beobachtet, um in deiner Logik zu bleiben.“ „Das wirst du auch nicht“, entgegnet Ehrlich in völligem Ernst, „denn er ist jedes Mal unsichtbar, wenn du die Kühlschranktür öffnest.“ „Aha, und was hat das mit meinem erfolgreichen Projekt zu tun? “, fragt Priesberg ratlos. Ehrlich versucht ihm eine Brücke zu bauen. „Denk‘ mal an die Corona-Krise. Es gab doch bei uns in der Stadt nur wenige Fälle. Worauf führst du das zurück? “ Priesberg lacht ein wenig spöttisch, „auf den grünen Elefanten natürlich.“ Ehrlich erwidert: „So falsch liegst du damit gar nicht. Aber der Reihe nach. Du erinnerst dich doch an die vielen Beschwerden über die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus. ‚Alles unnötig, ist doch nichts passiert‘, hieß es mehrfach und vehement.“ Priesberg grübelt: „Wer so argumentiert, vertauscht Ursache und Wirkung. Die niedrigen Infektionszahlen rührten doch nur von der Wirkung der Maßnahmen. So wird ein Schuh daraus.“ Ehrlich bremst ein wenig: „Tja, so sehen wir das. Andere dagegen blendeten die Maßnahmen gedanklich aus und sahen nur, dass es keine Vorkommnisse gab. Wozu die Extrabetten in den Turnhallen? Ist doch nichts passiert.“ Sie haben vor einiger Zeit den Zoo betreten und kommen am Elefantenhaus vorbei. Priesberg überlegt: „Wenn in meinem Kühlschrank etwas fehlt-…“, Ehrlich übernimmt, „… dann war es der grüne Elefant, der Hunger hatte.“ Priesberg widerspricht: „Das ist doch völlig absurd. Moment: Bei den Corona-Maßnahmen war es doch genauso: Ihre Wirkung wurde nicht gesehen und nicht ernst genommen. Ein grüner Elefant, so sehen die Leute das. Und im Gegensatz zu ihm, der ganz bestimmt nichts in meinem Kühlschrank verzehrt hat, war die Wirkung der Corona-Maßnahmen aber ganz real. Ein fataler Fehlschluss.“ Ehrlich sekundiert: „Bravo, lieber Kollege. Was lernen wir daraus für Projekte? “ Priesberg lacht wieder spöttisch: „Gute Projektarbeit ist also wie ein grüner Elefant. Keiner nimmt sie wahr, obwohl sie wirkt. Jetzt verstehe ich, weshalb sich heute nur das Kernteam trifft. Also ist es ab und an sinnvoll, ein Projekt gegen die Wand zu fahren, damit man die nötige Aufmerksamkeit hat.“ Ehrlich stimmt zu: „Ja, das ist richtig, das Fehlen guter Projektarbeit ist sofort spürbar. Alle schreien dann nach Methoden und wenn diese tatsächlich sinnvoll angewendet werden, spürt es keiner. Es ist ein Paradoxon, aus dem man nicht so schnell herauskommt.“ Priesberg fragt: „Gibt es denn da überhaupt einen Ausweg? Die Stakeholder interessieren sich doch nur für das Projektergebnis und nicht für Methoden. Ist es dir wichtig zu wissen, wie dein Haus gebaut wurde? “ Ehrlich entgegnet erstaunt: „Ja natürlich. Ich möchte wissen, ob es eine gute und motivierte Truppe geplant und gebaut hat. Deswegen wäre ich in so einem Fall täglich auf der Baustelle. Zugegebenermaßen sind es weniger die Fähigkeiten der einzelnen Personen, sondern deren Zusammenspiel, das mich interessiert.“ Priesberg überlegt: „Verstehe-… es gibt vielleicht doch noch einen Weg, den grünen Elefanten loszuwerden. Lassen wir die Stakeholder doch am Projektgeschehen teilnehmen, erzählen wir ihnen, welche Klippen wir umfahren haben.“ Ehrlich übernimmt: „Wenn sie daraus für ihre eigene Arbeit etwas entnehmen können, dann haben wir schon viel erreicht. Das beste Beispiel bist du gerade selbst geworden, lieber Kollege.“ „Bitte? Wie das denn? “ entgegnet Priesberg. „Sehr einfach“, schließt Ehrlich. „Wenn du zukünftig einen Kühlschrank öffnest, woran wirst du denken? “ Priesberg tippt sich an die Stirn und stöhnt: „An unsere heutige Konversation und natürlich an den grünen Elefanten.“ Eingangsabbildung: © iStock.com/ / CombackImages Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen eMail: Jens.Koehler@basf.com 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 73 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 73 19.04.2021 10: 56: 19 19.04.2021 10: 56: 19 Aus den DACH-Verbänden | Neues aus der IPMA 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0035 Prof. Dr. Yvonne Schoper ist Professorin an der HTW Berlin mit dem Schwerpunkt Internationales Projektmanagement, Vice President Membership & Young Crew der IPMA und Präsidialrätin der GPM. Ihre Forschungsinteressen sind die Projektifizierung der Wirtschaft und der Einfluss der Kultur auf das Projektmanagement. eMail: yvonne.schoper@HTW-Berlin.de ORCID: 0000-0002-7731 - 5081 Aus den DACH-Verbänden | IPMA intern Neues aus der IPMA In dieser neuen Kolumne wollen wir Sie, die Mitglieder der drei DACH-Schwesterverbände GPM, pma und spm über neues aus unserem Dachverband IPMA International Project Management Association informieren. Neues Mitglieder Modell Die IPMA ist in den vergangenen zehn Jahren von 34 auf 72 Mitgliedsgesellschaften auf allen fünf Kontinenten gewachsen. Die Rahmenbedingungen in vielen dieser Länder in Lateinamerika, Indien, Südostasien oder Afrika unterscheiden sich deutlich von denen in Mitteleuropa: fehlende öffentliche Schulen, hohe Analphabetenraten, Zugang zu höherer Bildung nur für Eliten, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Bestechung, schlechte Verkehrsinfrastruktur, mangelhafte Internetverfügbarkeit sind nur einige Herausforderungen in diesen Ländern. Mit anderen Worten: Hier sind andere Herangehensweisen gefragt, um Projektmanagement-Kompetenzen in diesen Ländern erfolgreich zu vermitteln. Die vormalige Strategie der IPMA war zu wachsen und viele neue Mitgliedsländer aufzunehmen, um dadurch zu einem großen, weltweiten Netzwerk aus Projektmanagement-Verbänden zu werden. Nach Jahren des schnellen Wachstums musste das Mitgliedermodell der IPMA überarbeitet werden, um die hohe Qualität der IPMA-Produkte und Dienstleistungen weltweit sicherzustellen. Dabei soll das neue Mitgliedermodell für alle Beteiligten fair, praktikabel und transparent sein. Das Ziel ist es, zwei vorgelagerte Phasen zu bilden, bevor ein Verband als neues IPMA-Mitglied aufgenommen wird: 1. Zunächst wird ein neuer Verband als „Applying Association“ für maximal 2 Jahre aufgenommen. Hierfür gibt es eine Reihe an Kriterien (wie Gründung einer Not-For Profit Organisation mit mind. 10 Mitgliedern, Zahlen einer Aufnahmegebühr von 1.000 € und Verpflichtung nach den IPMA-Prinzipien zu arbeiten), die ein Verband erfüllen muss, um als Bewerber bei der IPMA aufgenommen zu werden. Dieser neue Verband kann bei den Council of Delegates-Sitzungen der IPMA als Gast anwesend sein, aber hat kein Stimmrecht. 2. Nach den 2 Jahren und dem erfolgreichen Erfüllen der Kriterien: a) Gründung einer juristischen Person mit eigenem Vorstand, Satzung und Finanzbericht, b) mind. 50 aktiven Mitgliedern, c) Unterstützung von Kandidaten für die Zertifizierung (nicht unbedingt durch eigene Zertifizierungsstelle), d) Unterzeichnung des Code of Ethics, e) Unterschreiben der 4-L-C-Vereinbarung, f) Verpflichtung, eine Young Crew zu gründen, erhält ein Bewerber den Status „Transitional Association“ für den Zeitraum von maximal 3 Jahren. 3. Erst nach erfolgreichem Erfüllen der Kriterien: a) Verpflichtung zur Umsetzung des 4-L-C-Standards (und Validierung der Zertifizierungsstelle), b) zertifiziert durch eine Zertifizierungsstelle, c) Durchführung mind. eines jährlichen nationalen Events und / oder Teilnahme an einem regionalen Event, d) Etablierung einer aktiven Young Crew (Vollmitgliedsvertrag), e) Implementierung und Angebot der IPMA-Produkte und -Dienstleistungen auf dem Markt, f) Arbeit in Übereinstimmung mit den IPMA-Prinzipien, g) Mind. ein korporatives Mitglied, wird ein neuer Verband als neues Mitglied mit dem Status „Full Membership Association“ bei der IPMA aufgenommen und hat damit volles Stimmrecht im Council of Delegates abhängig von der Mitgliederzahl. Ziel dieser neuen Mitglieder-Strategie der IPMA ist es, neue reife Mitgliedsgesellschaften in der IPMA aufzunehmen, um diese erfolgreich in das IPMA-Netzwerk zu integrieren. In den kommenden PM-Aktuell-Ausgaben werde ich regelmäßig aus der IPMA berichten. Wenn Sie Fragen oder Anregungen dazu haben, schreiben Sie mir gerne: y.schoper@ gpm-ipma.de. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 74 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 74 19.04.2021 10: 56: 19 19.04.2021 10: 56: 19 Aus den DACH-Verbänden | GPM Regionalgruppen 75 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0036 Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM Tucan.ai www.tucan.ai Tucan ist ein KI-Unternehmen mit dem Fokus auf automatische Spracherkennung, Natural Language Processing & -Understanding. Dabei nutzen wir eigens entwickelte KI Algorithmen um die Prozesskette im Projektmanagement zu optimieren. Tucan hilft Projektmanagern automatisch die wichtigsten Informationen aus ihren Projektmeetings heraus zu lesen, miteinander zu verküpfen und zu analysieren. So können Projektmanager ihre Produktivität und Kreativität steigern, während unsere Software die nervigen und repetitiven Aufgaben übernimmt. Wir würden uns gerne mit GPM Mitgliedern austauschen und ihnen mit unserer Software aktiv helfen ihre Projektmanagement- Tätigkeit effizienter und transparenter zu gestalten. Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Jubiläum der Kooperation von GPM und Teach First Deutschland Sarah-Janina Khayati Die Kooperation der GPM mit Teach First Deutschland feiert in diesem Jahr ihr dreijähriges Jubiläum- - und kann bereits auf große Erfolge zurückblicken. In Partnerschaft mit der bundesweiten Bildungsinitiative möchte die GPM die Projektorientierung an Schulen aktiv unterstützen und entsprechende Zugänge nachhaltig etablieren. Ein weiteres Ziel der Kooperation ist es, das Potenzial einer stärkeren schulischen Projektausrichtung und den Einsatz von Projektmanagement im Unterricht als wirksames Instrument für mehr Leadership, Selbstwirksamkeit und Teilhabe-- vor allem auch an Schulen in sozial schwieriger Lage- - hervorzuheben. Mittlerweile wurden über 500 Fellows-- Aktive der Initiative an Schulen-- mit Materialien und im Rahmen ihrer Ausbildung bei der Qualifizierung für die Projektarbeit an Schulen erfolgreich begleitet. Auf dieser Grundlage kann anschließend auch das Basiszertifikat der GPM erworben werden. Die GPM freut sich auf viele weitere Jahre des gemeinsamen Engagements für gelebte Projektkultur in Lehre und Lernen. Mehr zu Teach First Deutschland: www.teachfirst.de © Antonio Piscopo Die GPM Fach- und Regionalgruppen Die derzeit 39 Regionalsowie 38 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: http: / / www.gpm-ipma.de/ know_how/ fachgruppen. html bzw. http: / / www.gpm-ipma.de/ ueber_uns/ regionen.html 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 75 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 75 19.04.2021 10: 56: 20 19.04.2021 10: 56: 20 Aus den DACH-Verbänden | Die Welt der jungen Projektmanager*innen 76 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0037 Die Welt der jungen Projektmanager*innen In geselliger Runde Fach- und Projektmanagement-Wissen vertiefen und Kontakte knüpfen-- das ist das Motto der pma young crew. „Wir sind Plattform für junge Projektmanager*innen und PM-Interessierte bis 35 Jahre“, sagt Alexandra Kirbes, seit Jänner 2021 Chair of the Board. „Wir geben Support für den Karrierestart, organisieren Workshops und geben Einblick in den Berufsalltag bei österreichischen und internationalen Unternehmen“, so Kirbes. Als Teil der IPMA® Young Crew finden die Mitglieder der pma young crew auch Zugang zu einem internationalen Netzwerk. Die pma young crew hat neue Wege und Formate entwickelt, um das Netzwerk in diesen turbulenten Zeiten zu stärken. 2021 verlangt noch mehr Online-Präsenz und Flexibilität, ganz so, wie wir es aus dem Projektalltag kennen. Der Auftakt in das Jahr ist geglückt: Beim traditionellen Opening Event half Karriere-Coach Katja Schuh den jungen Projektmanager*innen dabei, ihren „Career Purpose“ mit Hilfe der japanischen Philosophie IKIGAI zu finden. Ein weiteres Highlight war das nationale Finale der IPMA® Project Management Championship, das die pma young crew zum zweiten Mal durchführte. Weiter geht es heuer mit (virtuellen) Firmenbesuchen und dem traditionell auch international gut besuchten pma young crew Workshop zur Vermittlung von Soft-Skills. Und auch die Zusammenarbeit mit der Kinderuni Wien geht in die nächste Runde. Das pma young crew Team wird Projektmanagement „unterrichten“, natürlich mit einem kindgerechten Programm für Schüler*innen von fünf bis neun Jahren. Also: Join the Network! pma Mitglied vor den Vorhang Unisys Österreich GmbH Donau-City-Straße 6, 1220 Wien www.unisys.at Hauptgeschäftsgebiet UNISYS bietet ein Portfolio an IT-Dienstleistungen, Software und Technologie und hat es sich zur Mission gemacht, leistungsstarke und sicherheitsorientierte Lösungen für anspruchsvolle Unternehmen und Regierungen zu entwickeln. PM-Aufgaben und Bedeutung Eine Kernkompetenz von UNISYS ist professionelles Projektmanagement. Die fundierte IT-Kompetenz des Teams sowie ein breites Erfahrungsspektrum bei der Realisierung von Veränderungen schaffen in Kombination mit bewährten Projektmanagementmethoden optimale Voraussetzungen, um Risiken weitgehend auszuschalten und qualitätsgerechte Lösungen zu finden. Die Ausbildung und Zertifizierung der UNI- SYS-Projektmanager: innen nach internationalen Standards und IPMA-Richtlinien gewährleisten die qualitativ hochwertige Durchführung von Projekten. V.l.n.r: Das pma young crew Management Board mit Anna Prosen (Marketing), Désirée Beil (Social Media), Alexandra Kirbes (Chair of the Board), Philip Bargiel (Global eCollaboration Competition GeCCo), Carina Lechner (Project Management Championship). © pma/ Rob Drapela Aus den DACH-Verbänden | pma intern 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 76 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 76 19.04.2021 10: 56: 25 19.04.2021 10: 56: 25 Aus den DACH-Verbänden | spm intern 77 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0038 Aus den DACH-Verbänden | spm intern Neue Erstzertifizierungen Die Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement (spm) gratuliert den neuen Zertifizierten: 1 IPMA Level A® spm: Suzana Cufer 29 (20 publiziert) IPMA Level B® spm: Jürg Aegerter, Michael Batel, Daniel Berends, Christoph Bruderer, Mattia Dimache, Ludovic Giller, Christian Gsell, Thomas Kobi, Rainer Maria Landich, Rolf Meili, Christian Meyer, René Minnig, Sven Müller-Holberg, Simon Rüegg, Roman Scherer, Jörg Schütte, Marc Sittler, Bernhard Weinekötter, Emmanuel Zurowski, Egon Zurwerra 58 (47 publiziert) IPMA Level C® spm: Nicola Antolini, Claude Auderset, Florian Bachmann, Stéphane Berger, Alexander Büchi, Paul Cathomas, Benjamin Dedie, Rui Miguel Ferreira Pereira, Thomas Friedli, Erich Kilian David Gähler, Bernhard Gippert, Thomas Gote, Christian Grywna, Fabian Hasler, Bruno Henriques, Marc Hilpert, Sandro Hodel, Christian Kaiser, Ingo Karbe, Kemo Kinteh, Christian Kunz, Nils Léonard Leresche, Michael Lutz, Olivier Mabille, Olivier Mader, Christophe Martin, Lukas Muggli, Christoph Nagel, Yannis Papasavvas, Sebastian Pfeiffer, Francis Rivolta, Andreas Rottensteiner, Juan Rua, Yvar Schafer, Kevin Schleicher, Peter Schmidig, Philipp Schmitt, Laurent Schmutz, Victor Semeraro, Oliver Stanisljevic, Corinne Staub, Daniel Stieger, Simon Stocker, Roman Studer, Yvan Thierrin, Michaela Williner, Markus Zaugg 1'122 (734 publiziert) IPMA Level D® spm: Sulejman Abaza, Sabah Abibes, Moyo Abisha, Damla Acar, Richard Ackerman, Beat Ackermann, Geronimo Acquaroni, Yoseph Afework, Amen Afifi, Shikhar Aggarwal, Eron Ahmeti, Ranja Al Ouraybi, Fatih Albayrak, Mike Albinus, Chantal Albisser, Ramla Allani, Ryan- - John Allmann, Bala Ambigapathy, Sergio Manuel Amorim Pereira, Fabian Anderhub, Julien Andreoni, Vitalina Angeli, Michael Angelopoulos, Philippe Arn, Stéphanie Arrondeau, Vedat Arslan, Hewad Assefy, Michèle Auf der Maur, Eleina Aungier, Becaye Ba, Ines Bacha, Matthias Bachmann, Mario Bagnara, Andreas Balmer, Mark Anton Bantle, Petra Barandun, Jebbar Barsababani, Erwin Baumann, Gabriel Baumann, Christian Bauwens, Jesko Bechmann, Sabri Beciri, Elvira Befort, Kndrim Bekiri, Amira Belkaïd, Antoine Belsoeur, Leandro Benda, Khalil Mohamed Bensid, Daniel Berdat, Oliver Berger, Edison Berisha, Dirk Bernarding, Alessandra Bernet, Franziska Bernhard, Roland Berther, Tanja Bertholet, Lukas Berwert, Virginie Besson, Marc Olivier Bettler, Didier Bieri, Peter Bieri, Janis Luca Bieri, Agnesa Binakaj, Linus Biondi, Massimo Bisaro, Alfonso Bisogno, Miroslava Blättler, Patrick Blau, Raphael Bodenmann, Carole Boillat, Sabrina Bologna, Martin Bolt, Dominique Bon, Felix Böni, Caroline Alexandra Bonnefoy, Franziska Borer, Björn-Ingmar Born, Matthias Borner, Nikolas Boscanin, Nicolas Bouliteau, Clément Bourgeois, Célia Boyer Walther, Per Bracher, Stefanie Jil Brandtner, Frédéric Brantschen, Tomislav Brbot, Pascal Brechbühl, Daniel Brechbühl, Martin Brenner, Patrick Briand, Andreas Briegel, Anna Brodén, Elisabeth Brommer-Kern, Tristan Broquet, Sonja Brouwer, Andreas Brucker, Mattia Brughelli, Roman Brühwiler, Alexandrine Brun Avrane, Isabelle Brütsch, Alain Bühlmann, Minh Nghia Bui, Julien Bulliard, Adrian Bürgi, Sara Bürgy, Nadia Burkard, Anne-Cathrin Burkert, Pascal Bürki, Thomas Bürkli, Zohaib Burney, Jacques Busi, Fabien Cabrera, Joel Caillier, Tiziano Canciello, Andreas Capaul, Antonio Cappellano, Sophie Cardenas, Julien Carera, Peter Carlile, Muriel Carrara, Karin Cartier, Raul Carvajal Moral, Marianne Casagrande, Thibault Casale, Curdin Casanova, Patrizio Casciaro, Gregory Cascioni, Raimondo Casutt, Nicolà Caviezel, Claudia Ceotto, Zeynep Ceylan, Yahya Ceylan, Alban Chaperon, Ludovic Cholle, Wittwer Christoph, Serdar Cifyildiz, Matjaz Ciglar, Amalia Ciuciu, Hélène Cleenewerck, Diego Colella, Alexandre Combremont, Dyai Conde, Tiziana Conus-Di Maggio, Rasika Asanga Costa, Daniela Costea, Carmen Costoya Reinmann, Nicolas Covacich, Daniel Da Silva, Cengiz Stefan da Silva Viegas, Jelena Dabetic, Fredi D'Acierno, Stylianos Dadoutis, Xavier Dafflon, Gian-Maria Daffré, Antonin Danalet, Robin Dare, Koray Dasti,Alan De Almeida De Bona, Claire de Belloy, Achille de Peretti della Rocca, Pierre-Alain de Preux, Cosimo Damiano Decataldo, Alizée Decooninck, Marcus Deiss, Erwan Delage, Jean-Paul Derouette, Sébastien Deruaz, Alex Di Monaco, Vanessa Dias, David Dias Andrade, Susanne Diemand, Johann Diep, Urs-Louis Dietschy, Penda Diop, Ivica Djordjevic, Pedro Duarte, Anatole Dubaille, Ha Duc, Arnaud Durieux, Peter Dziennik, Raphael Egeter, Christian Eggenberger, Pascal Egger, Christoph Ehresmann, Tino Eichwald, Patrik Eisenhut, Rahel Emmenegger, Nicole Engel, Roland Epp, Fabian Erbsmehl, Sandra Ernesto, Franz Erni, Agnes Sarah Espinasse, Yves Evers, Neil Fairburn, Paul Faller, Christoph Fässler, Nicola Fausten, Vanessa Favre, Katharina Fechner, Grégoire Felber, Katja Feldmann, Roger Felix, Urs Peter Felix, Miguel Fernandez, Regula Edith Ferrari, Helen Fielding, Simon Filiz, Colin Fischer, Martin Fischer, Tamara Fischer, Kim Fischer, Yvonne Fischer, Alexandre Floru, Fabien Flückiger, Jolanda Flütsch, Jean-Luc Fontaine" Lea Gabriella Fontana-Postizzi, Harry Forss, Micha Forster, Francois Fowler. Robin Francey, Nicholas Franck, Nadine Franzetti, Yohan Frei, Reto Frei, Ingo Freitag, Nathalie Fretz, Peter Frey, Simon Frick, Arnold Fris, Silvia Christine Frisch, Joane Frison, Alexandra Fritschi, Nadine Fritschi, Stefan Furrer, Tobias Gäb, Cyril Gabriel, Pascal Gabriel, Lorenzo Gabrielli, Ljupko Gajic, Tatjana Gal, Nicola-Louis Natanael Silvan Galliker, Yunfei Gao Shaw, Alberto Garavani, Qëndresa Gashi, Vanessa Gatti, Hannes Gebhardt, Hans-Jörg Gerhard, Marco Germano, Sandro Gheno, Andrea Giacomelli, Fabrizio Giangreco, Fabrizio Giaquinto, Richard Gibson, Melanie Giger, Ilario Giordanelli, Michel Giriens, Jan Gisler, Liu Giulivo, Ghad Henry Glayre, Renato Graf, 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 77 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 77 19.04.2021 10: 56: 25 19.04.2021 10: 56: 25 Aus den DACH-Verbänden | spm intern 78 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0038 Colette Grand, Sandro Grassi, Nathalie Gratzer, Jacopo Grazioli, Laurent Gregoire, Cécilia Greppi, Isaline Grichting, Barbara Grosse Wichtrup, Jochen Gruber, David Grüter, Laura Grüter, Zoltan Gulyas, Markus Gut, Daniela Hager, Manuela Haldemann, Sefedin Halimi, Olivier Hartmann, Loic Hascher, Anthony Hayward, Flavia Hebeisen, Julia Heeb, Yannick Heimgartner, David Heinzel, Michelle Helfenstein, Samuel Hermida, Nadia Herren, Marc Herter, Pascal Hess, Andreas Hildebrandt, Alexander Hirt, Enno Hochhuth, Michael Hoffmann, Achim Hofmann, Michelle Hofmann, Fabian Hofstetter, Roman Holzer, Gerhard Honegger, Armel Hounkponou, Christian Huber, Vincent Huguelet, Tyllesen Hui, Maria Madleina Hunger, Melanie Hurni, Megumi Ikeda, Rebecca Imboden, Lukas Imgrüt, Martina Ipser, Shinobu Ishibashi-Gabler, Fabian Jäggi, Dimitri Jaquet, Didier Jaquier, Dean Jelec, Andrea Marc Jenal, Thomas Jenni, Michael Jenni, Dominik Jost, Xavier Jotterand, Besma Jouini, Sara Jovanovic, Bielenberg Julian, Silke Jungo, Fabio Justo, Patrick Jutzi, Patrick Käch, Dardan Kadriu, Nadia Kaelin, Patrick Kälin, Mikhail Kalinin, Moise Kameni Nguessom, Erol Kanik, Corinne Karlaganis, Lucas Kaspar, Miki Kato, Maren Kaufmann, Clement Kaze, Steffen Keilbach, Stefan Keller, Roman Keller, Fabien Khaletzky, Ann-Katrin Kienle, Tjadina Killer, John Kilmartin, Adrian Kirschner, Christian Klaus, Jérôme Klein, Nadine Klewe, Michel Kneuss, Marcel Knittler, Anja Kobi, Katja Kobiella, Marcel Koch, N'goran Richard Koffi, Nick Kölliker, Johannes König, Tina Kontuniemi, Yves Korner, Jennifer Korner, Roberto Kraschitz, Jonas Kratschmann, Martin Kratzer, Stephan Kraus, Susanne Krueger, Nicola Kübler, Nadia Kubli, Adian Kuduzovic, Martin Kuenzli, Mergim Kuklecaj, Alexandra Kull, Sehbhi Kumar, Michel Kunz, Thomas Kunz, Fabio Künzle, Marcel Kurmann, Lisa Kurth, Marlies Laager, Anna Lamelza, Mhamed Lassal, Karin Leibundgut, Ralph Lengler, Patrick Lerjen, Bertrand Leroi, Matthias Leuenberger, Caroline Murielle Leuenberger, Jörg Lichter, Daniela Liechti, Florian Liechti, Roger Lienhard, Florian Lischer, Sanda Ljubicic, Christian Llamera, Dario Lovric, Sylvia Löwe, Sheldon Lowery, Joris Lucau Mambu, Matthias Lüdi, Jean Luginbuhl, Patrick Lüthert, Christina Maderni, Natalie Madsen-Oesterbye, Benjamin Magnin, Sigurdur Magnusson, Adriano Magoni, Alex Maier, Sergey Makarov, Reza Maleki, Jérôme Mallon, Jetmir Malo, Suzette Payumo Maniquiz, Mélina Marcoz, Christophe Margaine, María Margalet, Stéphane Marino, Marko Markovic, Pascal Marolf, Davide Marra, Marcel Gennaro Marrazzo, Claudio Marti, Maria Teresa Martinez Garcia, Marlène Martínez Olivera, Patrick Mathez, Marcel Mathis, Adrian Maurer, Laura Mazzamuto, Lea Mazzoleni, Florian Meier, Steven Meier, Tobias Meili, Konstantin Melnikov, Claudio Merlo, Bouchra Merola, Stephanie Messer, Manuel Meyer, Angélique Meyner-Amiguet, Aline Michaud, Manuel Michel, Robert Mikolajewski, Grégory Milius, Lilla Miskolczy, Nicole Misteli, Slobodan Mitrovic, Tanya Molskaya, Xavier Mombrand, Piero Mondada, Jana Mönkemeyer, Salome Morandi, Luca Morreale, Erich Mosberger, Rahel Moser, Sandra Moser, Céline Moser, Raphaël Mossaz, Christine Mühlemann, Jamila Sharon Müller, Armin Müller, Renato Muolo, Alena Musollaj, Carsten Nadler, Cenni Najy, Simona Nedelcu, Caroline Negreira, Nadine Nenniger, Manfred Newrly, Domenic Nickler, Maria Eugenia Nicolier, André Niklaus, Rene Ninghetto, Cécile Niveleau, Irene Nobs, Igor Nogueira Da Silva, Lilian Nutz, Damaris Nyffeler, Bianka Nyilas, Thomas Oeschger, Adedayo Ogunseye, Petter Oldereide, Emanuele Oliva, Alessandro Oliva, Rolf Opitz, Jens Oppitz, Kyrylo Orlov, Vieira Pedroso Oscar Duarte, Martha Pampliega, Nataliya Panassyuk Sintez, Majuran Panchalingam, Lucy Pärli, Philippe Pavesi, Sarah Pavillard, Ivana Peknusova, Raphaël Perrin, Annika Perrozzi, Mirco Pesci, Adrian Peter, Sascha Pfister, Clara Piccot Guillou, Eva Pineda, José Piñeiro, Adrien Pipoz, Sandra Piriz, Mireille Plank, Stéphanie Podvin, Didier Pool, Andreas Portmann, Ikran Premat, Sabrina Pretto, Lolita Progin, Michael Prohaska, Henrik Projer, Fabrizio Provenzano, Christine Puente Buitrago-Ramsauer, Ying Qian, Jesús Quintana, Yulia Rachinskaya, Urs Raithle, Mathieu Ramel, Nivethana Ranjan, Maxime Raynaud, Sandro Theo Reber, Susanne Reber, Marco Rechsteiner, Sylvain Rey, Carlos Reyes, Alain Reymond, Bruno Ribeiro, Graziella Ribic, Silvan Riccio, Colette Richter, Stephanie Richter, Delphine Rifat, Nathanael Rime, Marc Rindlisbacher, Bernhard Ritz, Manuel Roas, Maria Cristina Rocco, Rebecca Rode, Mario Rodrigues, Lukas Edward Rohner, Irina Rohrer, Patrick Rölli, Emilie Romano, Estelle Rosa, Timon Rosenberg, Michèle Rösli, Christophe Rosselet, Sofia Rossier-Droz, Oliver Roth, Fabian Philippe Rüdele, Kathrin Helen Rüegg, Nina Rüegger, Urs Rüetschi, Michael Ruf, Samuel Rufer, Christa Ruff, Jürgen Ruff, Barbara Ruff, Angelo Rusvai, Oguzhan Sahin, Elena Saizafarova, Samantha Sala, Amina Salihovic, Larissa Salvi, Ivano Sambugaro, Ximena San Julian, Christoph Saner, Joel Saurina, Andreas Schäfli, Markus Schäublin, Lukas Scheiwiller, Rolf Schenk, Ramon Schenk, Tamara Scherer, Beat Schib Pisall, Jana Schiendorfer, Reto Schlegel, Robin Schlup, Livia Schmid, Nicola Schmid, Fabienne Schmid, Sharina Schmid, Oliver Schmid, Claudia Schmid, Marion Schmid, Johanna Andrea Schmid-Conrad, Matthieu Schmidt, Simon Schmied, Alexander Schmitt, Alisa Schmitt, Stefan Schmutz, Simone Schneider, Jasmin Schneider, Cornelia Schneider-Mäder, Jens Schneiter, Quentin Schneiter, Pascal Schnider, Marco Schnider, Susanna Schori, Jürgen Schulzki, Loïc Schüpbach, Andreas Schütz, Kevin Schütz, Kerim Schwab, Sebastian Schwarz, Jürg Schwarzenberger, Mathieu Schweitzer, Luca Sciascera, Tamara Scirocco Gomes, Gennaro Sennatore, Jacques Sergy, Flavio Serratore, Nabil Siddique, Alexander Sidor, Alja Sieber, Matthias Siegrist, Martin Sikovski, Maria Cecilia Silva Zamora Wagner, Nina Simonett Zwahlen, Lavan Sinnadurai, Petra Slegrova, Irma Smajic, Mélanie Sollberger, Marion Sonntag, Christoph Späth, Erwin Spengler, Patrick Spiess, Laura Stalder, Christof Stämpfli, Ylli Starabanja, Fjolla Starabanja, Sandro Steiner, Gina Steinhauser, Matthias Stern, Lea Stettler, Richard Stettner, Andreas Stöckli, Barbara Stoller, Oliver Stucki, Annina Studer, Pascal Studerus, Ulf Sturm, Ivana Svale, Mark Swain, Fabien Tchang, Stefano Tenenti, Simone Theiss, Manuela Thüler, Gabriela Thürlemann, Matthias Thut, Valentin Tinguely, Lazar Tomasevic, Isaline Tomasini, Michaela Tostmann, Nikoleta Trailovic, Christa Treibenreif, Tobias Trüssel, Céline Trüssel, Remo Tschirky, Raphael Ugolini, Tim Uhler, Salvatore Valentino, Alexandre Van den Brande, Jae-Soon van Kamperdijk, Urs Vetter, Riccarda Vils, Laura Vincenti, Paola Vivone, Kilian Vogelm, Martin Vogel, Josua Vögele, Lukas Vögeli, Andreas Völkel, Kay Von Büren, Melanie Von Büren, Sereina Von der Crone, Daria von Felten, Philipp Von Moos, Nicole von Rotz, Jacqueline von Siebenthal, Isabel von zur Gathen, André Vonmoos, Ekaterina Voronkova, Maarten Vos, Igor Vukajlovic, Sylvia Waar, Denis Wächter, Tim Wächter, Susanne Wagner, Karin Walder, Ariane Walser. Sandra Walser, Claus Walter, Seraina Wäschle, Pascal Weber, Karin Weber, Anand Weber, David Wechselberger, 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 78 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 78 19.04.2021 10: 56: 26 19.04.2021 10: 56: 26 Aus den DACH-Verbänden | spm intern Stefanie Weibe, Mark Wenden, Daniela Wenger, Anne-Laure Wenger Combremont, Timothey Wernli, Isabelle Wespi, Paer Westerlind, André Wetter, Regula Wicki, Didier Widmer, Boris Wiegand, René Winistörfer-Wittwer, Marino Winkelmann, Anke Witten, Natacha Henriette Woguia Chomnou, Michaela Wolf, Beat Wüthrich, Jair Wyler, Christopher Wyss, Fabiola Wyss, Ursula Wyss, Daniela Zarmutek, Roman Zehnder, Therése Zeier, Juliane Zgraggen, Zhe Zhang. Xiaochun Zheng Lopez Vazquez, Pavel Zhigadlo, Dubravko Zivkovic, Roger Zobrist, Federico Zorzenon, Simon Zulliger, Carmen Stephanie Zünd, Carlos Zürcher, Julia Maria Zurfluh, Albina Zuta, Tobias Zwinggi, Hanspeter Zwyssig Neue Rezertifizierungen Die Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement (spm) gratuliert den Zertifikatsinhabern zur Erneuerung ihres Zertifikats: 7 IPMA Level A® spm 62 IPMA Level B® spm 57 IPMA Level C® spm 75 IPMA Level D® spm Maja Schütz, vzpm Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Anzeige 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 79 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 79 19.04.2021 10: 56: 27 19.04.2021 10: 56: 27 Rubrik | Vom Leben lernen 80 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 02/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0039 Auf ein Wort mit -… César García Marirrodriga, ESA Projektmanager Von Martina Peuser Zur Person | César García Marirrodriga ist in Spanien geboren und lebt in den Niederlanden. Er ist am European Space Research and Technology Centre ( ESTEC ) der ESA beschäftigt . Aktuell arbeitet er als Projektmanager an Solar Orbiter, einer Weltraummission u.- a. zur Beobachtung des Sonnenwindes und des solaren Magnetfelds. Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? Mein erster Job war in einem Projektteam unter der Leitung eines britischen Ingenieurs, der das William Herschel-Teleskop auf El Roque de los Muchachos auf der Insel La Palma entwickelte. Dann wechselte ich bei der ESA vom Fachingenieur zum Subsystem- und Systemingenieur, zum Nutzlastmanager und schließlich zum Projektmanager. Falls Sie kein Projektmanager geworden wären-- was stattdessen? Mit Mitte dreißig habe mich für eine Teamleitung entschieden, wäre aber auch als hochrespektierter Ingenieur für Weltraummechanismen glücklich gewesen. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Eindeutig das LISA Pathfinder-Projekt, in dem ich mehr als zehn Jahre Projektmanager war! Eine Mission, die den Weg für Gravitationswellen-Observatorien im Weltraum ebnet. Als Ergebnis haben wir Europa als Weltmarktführer platziert. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? Für Raumfahrtprogramme verwenden wir in Europa Management-, technische und Qualitätsstandards namens ECSS (European Cooperation for Space Standardization). Oftmals passen wir Standards für innovative Lösungen an. Die ESA ist nach ISO 9001 zertifiziert. Das Projektmanagement ist Teil davon. Welche historischen Projekte bewundern Sie am meisten? Als Spanier bewundere ich auch die Seereisen im 15. und 16. Jahrhundert zur Entdeckung Amerikas und Weltumrundung. Diese Projekte erforderten Visionen, Planung, neue Technologien, Ressourcen und engagierte Teams. Was wäre Ihr „Traumprojekt“? Ich hätte gerne ein herausforderndes Ziel, eine Weltneuheit. Dann sind es die Kollegen, die die Albträume aus großen Problemen und schlaflosen Nächten zu Träumen verwandeln können. Was zeichnet Sie als Projektmanager besonders aus? Ich behalte bei Interessenkonflikten das Ziel im Blick. Zudem spare ich mit schnellen Entscheidungen Geld und Zeit. Auch bringe ich in schwierigen Situationen einen Hauch von Humor ein. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? Ich möchte ein Vermächtnis hinterlassen. Die meiste Zeit habe ich in Grundlagenforschungsprojekten gearbeitet. Die heutige Gesellschaft und unser Lebensstandard sind das Ergebnis der Grundlagenforschung vor bis zu 200 Jahren. Die grundlegenden wissenschaftlichen Projekte von heute werden die Welt in Zukunft prägen. Haben Sie Tipps für den Projektmanagement-Nachwuchs? Kennen Sie Ihre Themen, hören Sie anderen zu, vertrauen Sie Ihrem Team, keine Angst vor Veränderungen, seien Sie fair, vermeiden Sie versteckte Agenden und kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Welche Trends sehen Sie im Projektmanagement? Die Corona-Krise führt dazu, dass Telearbeit für unser Leben weiterhin eine größere Rolle spielen wird. Die Digitalisierung wird unsere Arbeitsweise verändern, von den Prozessen bis zum System Engineering. Was würden Sie den Lesern*innen gerne noch mit auf den Weg geben? Ich würden den Projekterfolg in nur fünf Worten zusammenzufassen: „Intelligenz, Beharrlichkeit, Veränderungswille, Teamarbeit und Glück“. Ich bin stolz darauf, die Bemühungen vieler, die an der Lösung von Problemen beteiligt waren, miterlebt zu haben. Um fair zu sein, sollte ich das Wort Glück durch „harte Arbeit" ersetzen. Prof. Dr. Martina Peuser ist Professorin für allgemeine BWL, insbesondere Organisation und Projektmanagement an der Leibniz Fachhochschule in Hannover. Zudem ist sie Inhaberin des „Institut Prof. Peuser“ und begleitet Unternehmen aktiv mit auf sie zugeschnittenen modernen Lösungen dabei ihre Strukturen mit dem Fokus auf Customer Centricity flexibel anzupassen. In ihrer Kolumne gibt sie spannende Kurzeinblicke in Lebensläufe und Gedanken von im Projekt tätigen Personen. 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 80 00_PM_aktuell_02_2021_SL2b.indb 80 19.04.2021 10: 56: 28 19.04.2021 10: 56: 28 Mit dem MBA Systems and Project Management erwerben Sie das erforderliche fachliche und methodische Rüstzeug, um als Führungskraft von Morgen Unternehmen auf dem Weg der digitalen und agilen Transformation zu führen und zu gestalten. Profitieren Sie von kleinen Gruppengrößen, einer individuellen Förderung sowie einer Kombination aus betreutem E-Learning und intensiven Präsenzphasen. 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