PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pmaktuell.de Nachhaltigkeit und Projektmanagement Ausgabe 4/ 2021 | 32. Jahrgang project process change agile www.nextlevelconsulting.com Experten für Ihren Erfolg. Wir unterstützen Sie dabei, Projekte durchzuführen, Prozesse zu verbessern und Veränderungen so zu steuern, dass Ihr Unternehmen den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen kann. Unser erfahrenes Team von internationalen Expert*innen steht für Sie bereit mit branchenspezifischem Know-how. Energie für Ihre Ziele. Kundenzufriedenheit ist der Maßstab für unseren Erfolg. Mit Begeisterung, Leidenschaft und Verstand unterstützen wir Menschen und Organisationen, ihre Struktur und Kultur erfolgreich zu entwickeln. 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Jahrgang · 04/ 2021 2 Editorial Reportage 4 Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten Nachhaltigkeit messen 10 Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger Mit Industrie 4.0 und künstlicher Intelligenz zu klimafreundlicher Produktion 16 Weshalb „Young Caritas“ auf agile Projekte setzt Soziale Nachhaltigkeit und Digitalität bei der Caritas Schleswig-Holstein 20 Unter Strom: Warum Durchführung und Steuerung im modernen Trassenbau alles vom Projektmanagement abverlangen 23 Nachhaltigkeit im Maschinen- und Anlagenbau Im Fokus: Die EDUR-Pumpenfabrik 26 Nachhaltiges Projektmanagement Geburtstag 30 Hasso Reschke zum 80. Geburtstag Wissen 40 Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 47 Turnaround-Management in agilen IT- Projekten 53 Spielerisch und mit Freude zum Erfolg Interaktive Simulationen im Projektmanagement 60 Die neuen ISO Standards 21 500 „Projekt-, Programm und Portfoliomanagement - Kontext und Konzepte“ sowie 21 502 „Projektmanagement“ 63 D-A-CH Forschungswerkstatt: Designing Projects 68 Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren und sich an der Neu- Orientierung von Führung beteiligen Führung, die bewegt … setzt günstige Rahmenbedingungen und beseitigt Hindernisse auf dem Weg zur Projekt-Excellence 73 Das Mentoring-Programm der GPM 77 Buchbesprechung Kolumne 78 Die Notfallapotheke des Projektmanagements Aus den DACH-Verbänden 79 IPMA intern 80 GPM intern 81 pma intern 82 spm intern 84 Auf ein Wort mit ... Nicole Rebe Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Myriam Conrad, GPM, Nürnberg Christopher Klausnitzer, GPM, Nürnberg (Ressort GPM intern) Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee Redaktionsbeirat: Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Hans Knöpfel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Heinz Schelle, GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Reinhard Wagner, Tiba GmbH Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 32. Jahrgang, 4/ 2021 ISSN 0942-1017 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 Telefax: +49 (0)7071 97 97 11 www.projektmanagement.digital © 2021 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Elena Gastring eMail: gastring@narr.de Anzeigenverwaltung: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 120 224 12 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ robertsrob Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum Editorial | XX 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0061 Nachhaltigkeit und Projektmanagement Liebe Leserinnen und Leser, Wetter und Klima standen diesen Sommer prominent in den Schlagzeilen. Rekorde wurden aus aller Welt gemeldet. Leider nicht immer die Rekorde, die wir uns wünschen. Anfang Juli gab es eine Hitzewelle an der Westküste des amerikanischen Kontinents. In Lytton (bei Vancouver) wurden Temperaturen bis zu 49,6 Grad Celsius gemessen. Dies ging einher mit extremer Trockenheit und Dürre, was früher als je zuvor zu den alljährlichen Waldbränden in Kalifornien führte. Zudem erwärmt sich der Nordpazifik deutlich mit der Konsequenz unterbrochener Nahrungsketten und der Gefahr eines maritimen Massensterbens. Ende Juli hatten wir eine Hitzewelle in Südeuropa mit über 48 Grad und heftigen Bränden in Italien, in Griechenland und in der Türkei, gleichzeitig schneit es in Brasilien: „In 62 Jahren nie Schnee gesehen“ lautete die Schlagzeile bei ntv vom 30. 07. 2021. Aber es geht nicht nur um ökologische Konsequenzen des sich wandelnden Klimas, sondern auch um eine Vielzahl sozialer und wirtschaftlicher Konsequenzen: Menschen in der Südsee verlieren ihre Heimat durch den Meeresanstieg, Bauern in Afrika verlieren ihre Äcker durch jahrelange Dürreperioden. Das scheint ja alles weit weg von uns. Es scheint uns nicht zu betreffen. Wirklich? Weit gefehlt: In den letzten zwei Jahren haben wir in Deutschland enorme Dürren erlebt, begleitet von schweren Waldbränden in Brandenburg. In diesem Jahr lieferten Starkregen und Überschwemmungen mit mehr als 180 Toten in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz einen weiteren Hinweis: Die Konsequenzen reichen inzwischen in unser aller Leben hinein. Die Wissenschaft ist inzwischen überzeugt: Wir befinden uns inmitten eines Klimawandels, also einem Wandel des Wetters, der sich bereits über Jahrzehnte vollzieht. Die oben beschriebenen Phänomene können nicht mehr als eine Häufung ungewohnter Wetterphänomene bezeichnet werden. Über dieses Faktum ist inzwischen ein heftiger gesellschaftlicher Streit entbrannt. Unstrittig ist: Wir müssen Lösungen finden für die bereits vorhandenen und noch vor uns liegenden Herausforderungen. Auch die Wirtschaft muss sich zunehmend auf Veränderungen einstellen. In all den Herausforderungen stecken auch Chancen. Chancen für die ökologischen Systeme, soziale Chancen, aber auch handfeste ökonomische Chancen. Nicht zufällig nehmen die Summen, die in nachhaltige Investmentfonds und Mandate in Deutschland gesteckt werden, rapide zu-- in den Jahren von 2010 bis 2020 von 16,5 auf 248,3 (in Mrd. €) Die entstehenden Chancen müssen systematisch ergriffen und umgesetzt werden. Und unsere Leserinnen und Leser kennen das Werkzeug, mit dem wir uns an die Arbeit machen sollten: Projektmanagement. In diesem Heftschwerpunkt wollen wir uns damit befassen, was Projektmanagement in Sachen Nachhaltigkeit beitragen kann. Als Einleitung in das Thema erklären Fabian Kentsch, Katharina Rybkina und Simon-Alexander Appel, wie Nachhaltigkeit in Projekten gemessen werden kann. Im Folgenden stellen wir Projekte vor, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Lesen Sie das Interview von Oliver Steeger mit dem Unternehmensgründer Rafael Dyll und mit der Innovationsmanagerin am Fraunhofer IOSB-INA Nissrin Perez . An diesem Beispiel wird schnell klar, welche ökonomischen Chancen sich ergeben, wenn nachhaltige Produktideen mit modernster Fertigungstechnologie kombiniert werden. Das Interview von Oliver Steeger mit Sabine Depew zeigt, wie sich soziale Nachhaltigkeit und Digitalität bei der Caritas Schleswig-Holstein über agile Projekte umsetzen lässt. Im Artikel von Denise Böttger lesen Sie, welchen Beitrag das Projektmanagement beim Bau neuer Stromtrassen leistet. Die vielfältigen Projekte, die von der Firma EDUR in Sachen Nachhaltigkeit durchgeführt werden, zeigen Jasmin Rosenberg und Thomas Naß in ihrem Beitrag. Auch die GPM beschäftigt sich mit ihrem Competence Center für Nachhaltigkeit (CCN) und innerhalb ihrer Vereinsgremien mit dem Thema. Uwe Horstmann gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die Aktivitäten der GPM, und er gibt einen Ausblick auf die zukünftige Positionierung der GPM in Sachen Nachhaltigkeit. Über unser Schwerpunktthema hinaus wollen wir Ihnen aber wie gewohnt auch Impulse zu allgemeinen, praktischen Themen des Projektmanagements liefern. Hierzu finden Sie einen Beitrag von Michael Frahm zu Erfolgsfaktoren im Großanlagenbau oder den Beitrag von Jörg Brüggenkamp , Peter Preuss und Tobias Renk zum Turnaround-Management in agilen Projekten. Im Beitrag von Georg Zeller lesen Sie, wie man mit interaktiven Simulationen spielerisch richtiges Handeln in herausfordernden Projektsituationen trainieren kann. In diesem Heft gibt es zudem Einiges aus der Arbeit der GPM zu berichten. Norman Heydenreich erläutert die neuen ISO Standards 21 500 „Projekt-, Programm und Portfoliomanagement-- Kontext und Konzepte“ sowie 21 502 „Projektmanagement“. Martina Huemann , Yvonne Schoper und Katrin Reschwamm berichten über die D-A-CH Forschungswerkstatt, die 2021 unter dem Motto „Designing Projects“ erstmals virtuell stattgefunden hat. Unter dem Titel „Führung, die bewegt-… setzt günstige Rahmenbedingungen und beseitigt Hindernisse auf dem Weg zur Projekt-Excellence“ berichtet Klaus Wagenhals über die aktuellen Aktivitäten der Fachgruppe „Führung im Projekt“. Nadia Saoudi und Emel Erat schreiben über das im November 2020 gestartete und inzwischen erfolgreich laufende Mentoringprogramm der GPM. Zum guten Schluss würdigen wir mit Professor Hasso Reschke eine Persönlichkeit, ohne die es die GPM in dieser Form kaum geben würde. Hasso Reschke ist Gründungsmitglied der GPM und heute Ehrenvorsitzender. Hasso Reschke feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag. Lesen Sie anlässlich seines Geburtstags die Laudatio von Daniel Stumpf sowie die Glückwünsche seiner Begleiter durch mehr als 40 Jahre gemeinsame und erfolgreiche GPM Geschichte. Auch von dieser Stelle sende ich einen ganz herzlichen Glückwunsch, verbunden mit einem großen Dank für so viel Engagement für das Projektmanagement und die GPM. Ihr Steffen Scheurer EDITORIAL Mit der Projektmanagementsoftware Blue Ant wissen Sie zu jeder Zeit, welche Projekte mit welchen Kosten und welchen Ressourcen in Ihrem Unternehmen laufen. Melden Sie sich jetzt für Ihren persönlichen Demozugang an! Mit Blue Ant managen Sie alle Projekte und Ressourcen: www.blue-ant.de Behalten Sie entspannt den Projektüberblick Lernen Sie Blue Ant jetzt kennen: www.blue-ant.de 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0062 Nachhaltigkeit messen Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten Fabian Kentsch, Katharina Rybkina, Simon-Alexander Appel Für eilige Leser | Unternehmen aus allen Branchen durchleben aktuell schwere Zeiten. Kaum wurde die Digitalisierung unter enormen Bemühungen und Investitionen angestoßen, steigt der Druck auf Unternehmen nachhaltiger zu handeln. Die EU verschärft die Leitplanken und definiert ambitionierte Ziele zum Schutz der Umwelt. Zusätzlich lässt sich beobachten, wie sich die Spielregeln im internationalen Wettbewerb und auf den Kapitalmärkten zunehmend zugunsten nachhaltig wirtschaftender Unternehmen verschieben. Für Unternehmen stellt sich die Frage, was Nachhaltigkeit konkret für die unternehmerische Wertschöpfung bedeutet, wie man den Grad der Nachhaltigkeit messen kann, und wie diese Erkenntnisse auf einzelne Prozesse und Projekte in der Wertschöpfung zurückwirken können. Schlagwörter | Nachhaltigkeit, Kennzahlen, CSR, Nachhaltigkeitsframework, Standards, Nachhaltiges Projektmanagement Einleitung Unternehmen sehen sich aktuell mit noch nie dagewesenen Herausforderungen konfrontiert: Initiativen wie Fridays for Future oder Scientists for Future schärfen das Umweltbewusstsein in unserer Gesellschaft; Staaten und Regierungen regulieren den Emissionsverbrauch und Investmentgesellschaften bewerten ihre Unternehmen auf Basis von ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance). Der ansteigende Druck führt dazu, dass Unternehmen in den vergangenen Jahren intensiv an der Nachhaltigkeitsagenda gearbeitet haben. Hierfür wurden Strategien und Konzepte entwickelt, um die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens zu steigern. Hier kommt die Frage auf, wie sich strategische Konzepte für Projektmanager*innen operationalisieren lassen. Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, das Konzept der Nachhaltigkeit in seiner Gesamtheit zu verstehen. Hierfür sind die Entstehungsgeschichte und die begrifflichen Entwicklungen der Nachhaltigkeit grundsätzlich zu erklären. Der Nachhaltigkeitsbegriff erfährt zum ersten Mal Verwendung in der Forstwirtschaft im 17. Jahrhundert. Der Freiberger Oberhauptmann Carl von Carlowitz bezog den Begriff der Nachhaltigkeit auf die Forstwirtschaft. Demnach sollte in einem Wald nur so viel Holz gerodet werden, wie er innerhalb eines gewissen Zeitraums auf natürliche Weise wieder regenerieren könnte. Die „kluge Art der Waldbewirtschaftung“ kann zu einer nachhaltigen Nutzung des Waldes führen, die über jede Generation beständig bleibt. [1] Der Club of Rome veröffentlichte 1972 eine Studie zur Weltwirtschaft und deren Wachstum. In „The Limits to Growth“ werden die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen analysiert und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung, die Nahrungsmittel, die Rohstoffe, die Umwelt und auf die Landnutzung beschrieben. Die darin enthaltenden Szenarien zeigen eine Entwicklung auf, die für die Erde langfristig nicht tragbar ist und somit zum globalen Zusammenbruch innerhalb der nächsten einhundert Jahre führt. Durch die Studie, die zwar wissenschaftlich erhebliche Schwächen aufwies, wurde trotzdem Reportage | Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0062 eine Sensibilisierung der Nachhaltigkeitsthematik und eine Diskussionsgrundlage geschaffen. [1] Noch im gleichen Jahr haben sich die Vereinten Nationen dem Thema angenommen und eine Umweltkonferenz in Stockholm einberufen, an der 113 Nationen teilgenommen haben. Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die sogenannte Brundtland-Kommission, prägte gemeinsam mit der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur den englischen Begriff: „Sustainable Development“. In der Veröffentlichung des Brundtland-Berichtes „Our Common Future“ wurde erstmals eine Definition von nachhaltiger Entwicklung entwickelt, die bis heute weit verbreitet Anwendung findet: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ [ 1 ] In der Konkretisierung des Begriffes wird deutlich, dass die nachhaltige Entwicklung aus einer globalen Perspektive betrachtet werden muss. Ökonomische Handlungen haben kurz-, mittel- und langfristig negative Auswirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft, sowohl auf die der jetzigen Gesellschaften als auch auf die der zukünftigen. Neben der intragenerativen Gerechtigkeit wird auch die intergenerative angestrebt. Besonders die Entwicklungsländer dürfen nicht aufgrund des Wirtschaftswachstums in den Industrieländern an deren Folgen leiden. [2] Auf Grundlage der historischen Entwicklung zum Nachhaltigkeitsbegriff hat sich das integrative Modell der Nachhaltigkeit neben den Drei Säulen der Nachhaltigkeit als gängige Beschreibungen etabliert. Das erstere zeigt die Abhängigkeiten zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: die Ökonomie, Ökologie und das Soziale. Die Darstellung soll zeigen, dass die drei Bereiche der Nachhaltigkeit gleichermaßen berücksichtigt werden und ineinander integriert werden müssen, um für eine nachhaltige Entwicklung zu sorgen (Abbildung 1). [1] Die Drei Säulen der Nachhaltigkeit zeigen hingegen auf, dass die Nachhaltigkeit nur bei gleicher Berücksichtigung und Behandlung erreicht werden kann und die Vernachlässigung eines Bereichs dazu führt, dass die Nachhaltigkeit nicht mehr in Gänze erreicht werden kann (Abbildung 2). Neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Nachhaltigkeit hat sich in den Unternehmen vor allem in den vergangenen Jahren der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) durchgesetzt. CSR stellt im Allgemeinen die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen dar. Unternehmerisches Handeln hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, sowohl positive als auch negative. Das Konzept der Nachhaltigkeit basiert auf den drei angesprochenen Dimensionen: der Ökonomischen, der Ökologischen und der Sozialen. Bei Corporate Social Responsibility geht es um die unternehmerische Fähigkeit, diese drei Bereiche miteinander zu integrieren und sie bei unternehmerischen Entscheidungen hinzuzuziehen. Die genaue begriffliche Abgrenzung lässt sich nur schwer vollziehen, da die Reichweite und die unterschiedlichen kulturellen Perspektiven nur schwer zu verallgemeinern sind. Die Europäische Kommission definierte 2001 CSR erstmals als „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Tätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“ [3]. Weiter konkretisiert wurde die Definition 2011 von der Europäischen Kommission: „To maximise the creation of shared value, enterprises are encouraged to adopt a long-term, strategic approach to CSR, and to explore the opportunities for developing innovative products, services and business models that contribute to societal wellbeing and lead to higher quality and more productive jobs.-… enterprises-… are encouraged to carry out risk-based due diligence, including through their supply chains.” [4] CSR wird als Teil der nachhaltigen Entwicklung gesehen, die nicht nur durch den Gesetzgeber gesteuert wird, sondern auch als Entwicklung, an der sich Unternehmen aktiv betei- Abbildung 1: Das integrative Modell der Nachhaltigkeit Reportage | Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0062 ligen, globale Probleme zu bekämpfen. Hierunter zählen die Transparenz in den Geschäftspraktiken, ethisches Verhalten, Achtung der Menschenrechte und die unternehmerische Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft in Form von Arbeitspraktiken, fairen Betriebs- und Geschäftspraktiken und dem Kampf gegen Korruption. Anwendung findet der Begriff aktuell in den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Die SDGs sind als Nachfolger der 2015 ausgelaufenen Millenniumsentwicklungsziele von der Generalversammlung der Vereinten Nationen entwickelt worden und sollen bis zum Jahr 2030 erreicht werden. Die 17 Sustainable Development Goals bieten eine Orientierung für Staaten und Unternehmen nachhaltige Entwicklung umzusetzen und zu messen. In den 17 definierten Zielen werden dabei alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt: Wachstums- und Wohlstandsperspektiven für alle Menschen; die Vermeidung von Armut, Flucht und Krieg; die Gleichheit und Gleichberechtigung von Menschen; Förderung von Bildung und Gesundheit; sowie der Klimaschutz und die Artenvielfalt im Ökosystem Erde. Insbesondere aus der ökologischen Perspektive ist das Handeln von Staaten und Unternehmen dringend notwendig. Betrachtet man das Modell von Johann Rockström sind bereits einige sogenannte Kipppunkte der planetarischen Grenzen erreicht bzw. stehen vor dem Erreichen [4]. Grund hierfür ist der immense Rohstoffverbrauch und der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen: • 1,6 Planeten- - mehr als ein Planet ist derzeit notwendig, um den Bedarf an Ressourcen zu decken. [5] • 51.000.000.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente- - Der aktuelle jährliche Emissionsausstoß von Treibhausgasen [6] Betrachtet man die CO 2 -Werte pro Kopf, liegt dieser bei ca. 6,5 Tonnen CO 2 -Äquivalente- - der Zielwert für das Jahr 2050 liegt global bei maximal einer Tonne pro Kopf. Um dieses Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und die angestrebte Erderwärmung auf 1,5° Celsius zu beschränken, müssen Unternehmen handeln. Die nachhaltige Transformation ist die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre, insbesondere für Unternehmen. Diese müssen sich mit ihren umwelt- und sozialkritischen Aktivitäten auseinandersetzen, nachhaltige Lösungen innerhalb ihrer Unternehmen und Lieferketten entwickeln und diese kontinuierlich überwachen sowie messen. Eine Orientierung zur Messung von Nachhaltigkeitsaktivitäten eines Unternehmens bieten Rahmenwerke wie von der Global Reporting Initiative, des World Business Council for Sustainable Development oder der deutsche Nachhaltigkeitskodex. Die Rahmenwerke dienen im Wesentlichen dazu, Transparenz über die CSR-Aktivitäten eines Unternehmens zu schaffen und diese an relevante Stakeholder zu kommunizieren. Die Global Reporting Initiative hat einen weltweiten Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung geschaffen. Ziel des Standards ist es, durch Standardisierung und Vergleichbarkeit Transparenz über die CSR-Aktivitäten eines Unternehmens zu schaffen und dabei Leitlinien für die Erstellung von Berichten zu ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen zu entwickeln [8]. Der GRI-Standard unterscheidet dabei in universelle Standards, die von jedem Unternehmen verwendet werden und themenspezifische Standards, die je nach Wesentlichkeit des Themas in der Berichterstattung eines Unternehmens Anwendung finden können. Die universellen Standards sind GR 101 „Grundlagen“, GRI 102 „Allgemeine Angaben“ und GRI 103 „Managementansatz.“ Im universellen Teil der Berichterstattung geht es im Wesentlichen um die Definition von Prinzipien zur Berichterstattung, kontextbezogene Informationen über das Unternehmen und die Abgrenzung der wesentlichen Themen. Die Wesentlichkeit von Themen entscheidet dann darüber, welche weiteren themenspezifischen Standards aus dem modularen GRI-Standardsystem für die Berichterstattung verwendet werden. Hierfür bietet der GRI-Standard 35 spezifische Standards, die sich wiederum in die drei Dimensionen ökonomisch (GRI 20x), ökologisch (GRI 30x) und sozial (GRI 4xx) gliedern Abbildung 2: Die Drei-Säulen der Nachhaltigkeit Reportage | Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0062 lassen. Die spezifischen Standards bieten eine Vielzahl von Indikatoren und Kennzahlenvorschlägen für die CSR-Berichterstattung. Für die ökomische Dimension sind 11 Indikatoren (bspw. Infrastrukturinvestitionen), für die ökologische Dimension 35 Indikatoren (bspw. Materialeinsatz und Emissionen) und für die soziale Dimension 40 Indikatoren (bspw. Arbeitssicherheit, Fluktuation und Risiko für Kinderarbeit) im GRI- Standardsystem enthalten. Der GRI-Standard bietet damit ein umfassendes modulares Rahmenwerk, welches auf jede Art von Unternehmen adaptiert werden kann. Ein weiteres Rahmenwerk ist der Deutsche Nachhaltigkeitskodex [8]. Dieser bietet 20 Leistungsindikatoren, die sich im Wesentlichen in die Bereiche Strategie, Prozessmanagement, Umwelt und Gesellschaft gliedern und damit ebenfalls den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales folgen. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex umfasst dabei aber nur eine Teilmenge der Indikatoren des GRI, verweist aber auf zusätzliche Indikatoren aus dem CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz und dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, die zusätzlich für die Berichterstattung ausgewählt werden können. Beide Rahmenwerke, GRI und der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, bilden eine Grundlage für das unternehmensinterne Nachhaltigkeitsmanagement, für das eine Anzahl verschiedener KPIs aus den jeweiligen Modulen / Dimensionen definiert und für zumindest das Reporting genutzt werden muss. Gleichzeitig sorgt eine CSR-Berichterstattung nach beiden Rahmenwerken für Transparenz und Vertrauen bei Stakeholdern. Die Rahmenwerke werden meist ausschließlich für eine rückwirkende Berichterstattung genutzt, bieten jedoch bisher ungenutztes Potenzial: Die aktive Steuerung von Unternehmensprozessen durch Kennzahlensysteme. Historisch betrachtet sind Kennzahlensysteme schon lange für die Steuerung von Unternehmen üblich, dennoch haben gerade Nachhaltigkeitskennzahlen, die auf eine ganzheitlich nachhaltige Transformation des Unternehmens im Sinne der Abbildung 3: Übersicht der SDG Abbildung 4: Übersicht der GRI & Deutscher Nachhaltigkeitskodex Reportage | Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0062 17 Sustainable Development Goals ausgerichtet sind, meist einen zu geringen Stellenwert. Kennzahlen zu Emissionsverbräuchen oder Zirkularitätsangaben von Produkten werden beispielsweise erst seit ein paar Jahren systematisch genutzt, um Fortschritte zu steuern. „Clearly, change is needed, and projects are how we implement change” [9] Projekte gelten in Unternehmen als zentraler Erfolgsfaktor für Transformationen. Wie schon bei der digitalen Transformation sind auch bei der nachhaltigen Transformation Projekte notwendig, um Innovation und Wandel voranzutreiben. Doch wie kann man Nachhaltigkeit in Projekten umsetzen und wie kann man sie messen? Im klassischen Projektmanagement beschreibt das „Magische Dreieck“ die drei wichtigsten Faktoren eines Projekts: Kosten, Zeit und Qualität. Für eine bestimmte Zielsetzung wird ein temporäres Team zusammengestellt, welches in einem abgesteckten Zeitrahmen, innerhalb eines begrenzten Budgets und unter bestimmten Qualitätsanforderungen ein Ergebnis fertigstellt [10]. Für die nachhaltige Transformation ist das „Magische Dreieck“ aus Kosten-- Zeit-- Qualität unvollständig. Um die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, ist es notwendig weitere Dimensionen hinzuzufügen: Die Ökonomie, die Ökologie und das Soziale. Hierzu kann sich ein nachhaltig ausgerichtetes Projektmanagement an einer Frage orientieren: Welche Auswirkungen hat das Projekt auf die Umwelt, die Menschen und die Wirtschaft? [11] Das klassische Projektmanagement kann um nachhaltige Methoden, Kennzahlen und Werkzeuge erweitert werden. Beispielsweise kann zur Reduktion von Treibhausgasen eine interne CO 2 -Bepreisung für das Projekt geführt werden, um u. a. die Klimaauswirkung von Projektreisetätigkeiten zu messen. Hierbei wird der durch ein Projekt entstehende CO 2 - Ausstoß mit einem Preis pro Tonne CO 2 hinterlegt, um verursachte Umweltauswirkungen („Fußabdruck“) einzupreisen und in die eigene Projektdimension „Kosten“ einberechnen zu können. Die entstehenden Emissionen können je nach Art des Projekts überschlagsweise per Environmentally-Extended Input-Output Analysis (EEIO) oder idealerweise in einem Life Cycle Assessment (LCA) berechnet werden; zu berücksichtigende Emissionen listet das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) oder die Norm DIN EN ISO 14 064 auf. [12] Weitere nachhaltigkeitsbezogene Indikatoren können beispielsweise das Tracking von Abwesenheitstagen, die durchschnittliche Stundenzahl für Aus- und Weiterbildung, die Re- Abbildung 5: Das erweiterte „Magische Dreieck“ Abbildung 6: Sozial-ethische & ökologische Kennzahlen Reportage | Eine Orientierung zur Steuerung unternehmerischer Nachhaltigkeitsaktivitäten 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0062 gelmäßigkeit von Feed-Back-Gesprächen, Zufriedenheit und Arbeitsausstattung der Mitarbeiter oder Diversität in den Projekten sein. Außerdem können klassische Projektmanagement-Methoden wie Risiko- und Stakeholder-Management erweitert werden: Durch die Identifikation und den Austausch mit betroffenen Stakeholdern können mögliche negative Effekte des Projektes rechtzeitig erkannt und vermieden werden. [13] Eine Auswahl und Priorisierung der Stakeholder nach Betroffenheit, Einfluss und Interesse ermöglicht diese frühzeitig in PM-Regelprozesse einzubinden und ihre Interessen zu berücksichtigen. [14] Nachhaltigkeit ist keine abgegrenzte Aufgabe eines Fachbereichs und auch kein Teilbereich des Marketings. Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema, das vom Top-Management in Unternehmensziele und -strategien verankert wird. Zusätzlich müssen Kennzahlensysteme und Messinstrumente entwickelt und etabliert werden, um den Grad der Nachhaltigkeitsaktivitäten und den Fortschritt messen und bewerten zu können. Nur auf dieser Basis können einzelne Projekte und Prozesse ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit identifizieren und die vorgegebenen Ziele erreichen. Literatur [1] Pufé, Iris(2014): Was ist Nachhaltigkeit? Dimensionen und Chancen.München: Aus Politik und Zeitgeschichte. [2] Brugger, Florian (2010): Nachhaltigkeit in der Unternehmenskommunikation. Bedeutung, Charakteristika und Herausforderungen.Wiesbaden: Gabler Verlag. [3] Schneider, Andreas (2015): Reifegradmodell CSR-eine Begriffserklärung und -abgrenzung. In Andreas Schneider, RenéSchmidpeter, Corporate Social Responsibility. Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis (2. Auflage).Berlin: Springer-Verlag. S. 21-42 [4] Rockström, J., W. Steffen, K. Noone, Å. Persson, et.al. (2009): Planetary boundaries: exploring the safe operating space for humanity. Ecology and Society 14(2): 32 [5] Global Footprint Network, Earth Overshoot Day, https: / / www.overshootday.org / newsroom / press-release-june- 2020-german/ , Stand 08. 07. 2021 [6] Robert Rohde, Berkeley Earth (2021): Global Temperature Report 2020, http: / / berkeleyearth.org / global-temperature-report-for-2020/ , Stand 08. 07. 2021 [7] Global Reporting Initiative (2021), www.globalreporting. org, Stand 08. 07. 2021 [8] Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (2021), www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de, Stand 08. 07. 2021 [9] Green Project Management (2019): The P 5 standard for sustainability in project management . Detroit: GPM. [10]. Wolfgang, R. (2018): Nachhaltigkeit im Projektmanagement. Wiesbaden: Springer Gabler. [11] Martens, M. L. & Carvalho, M. M. (2017): Sustainability and success variables in the project management context: An expert panel. Project Management Journal 47(6): 24-43. [12] Alvarez, S., Sosa, M. & Rubio, A. (2015): Product and corporate carbon footprint using the compound method based on financial accounts. Applied Energy 139(2015): 196-204. [13] Hörisch, J., Freeman, E. & Schaltegger, S. (2014): Applying stakeholder theory in sustainability management. Organization & Environment 27(4): 328-346. [14] Röstel, S., Lohmüller, B., Jenensch, S. & Kröplin, C. (2019): Implementierung einer nachhaltigen Verbesserungskultur. In: Englert, M. & Ternès, A. (2019): Nachhaltiges Management . Berlin: Springer Gabler. Eingangsabbildung: © iStock.com / Galeanu Mihai Fabian Kentsch Fabian Kentsch ist als Management Consultant bei der Firma MHP- - A Porsche Company angestellt und auf Umweltmanagementberatung spezialisiert. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten gehört das Human Rights & Risk Management sowie die Circular Economy. Katharina Rybkina Katharina Rybkina ist als Consultant bei der MHP angestellt und im Bereich R&D Strategy tätig. Sie kommt von der Innovationsberatung und Business Modell Innovation und spezialisiert sich auf die Fachbereiche Sustainable Business Models, Circular Economy & Sustainable Roadmap. Simon-Alexander Appel Simon-Alexander Appel ist Consultant bei MHP und berät zu Themen der nachhaltigen Transformation von Unternehmen. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten gehören nachhaltige Geschäftsmodelle, Circular Economy und die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Internet: www.mhp.com Sustainability and Digital Responsibility Blog: www.mhp.com / de / unternehmen / for-a-better-tomorrow Circular Economy Whitepaper: www.mhp.com / de / unternehmen / studien / enable-circular-economy 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0063 Mit Industrie 4.0 und künstlicher Intelligenz zu klimafreundlicher Produktion Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger Oliver Steeger Plastikbecher gelten als Inbegriff für Umweltverschmutzung und Klimaschädlichkeit. Völlig zu Unrecht, wie Unternehmer Rafael Dyll meint. Sein Start-up CUNA hat den allgegenwärtigen Plastikbecher neu gedacht. Der trendige CUNA -Becher verbindet nachhaltigen Biokunststoff mit ausgeklügelten Mehrwegsystemen und Materialkreisläufen. So weit, so gut. Doch jetzt geht das junge Unternehmen einen Schritt weiter. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut IOSB-INA aus Lemgo und zehn namhaften Industriepartnern (unter anderem KUKA Robotik) startet es ein mehrjähriges Forschungsprojekt, ein Vorhaben, das im Rahmen einer Realproduktion in der SmartFactoryOWL durchgeführt wird. Ein Ziel der Kooperation: Sie will durch Industrie-4.0-Ansätze den CO 2 -Fußabdruck des Bechers weiter reduzieren- - und zwar bei der Produktion. „Wir wollen die Chancen von digitaler Vernetzung und künstlicher Intelligenz in der Produktion nutzen”, sagen Nissrin Perez (Fraunhofer IOSB-INA) und Rafael Dyll im Interview, „der CUNA -Plastikbecher soll so nachhaltig wie möglich hergestellt werden.” Herr Dyll, der Begriff Plastik löst bei Ihnen als Unternehmer zwiespältige Gefühle aus. Zum einen ist Kunststoff aus unserer modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Zum anderen trägt er massiv zum Klimawandel bei. Rafael Dyll: Ich sehe Kunststoff dann kritisch, wenn er aus Erdöl produziert wird und nur einmal benutzt wird. Dieses Plastik ist sehr stabil und zersetzt sich nur nach langer Zeit. Produktion und Entsorgung von Plastik setzen CO 2 frei. Die Plastikproduktion rund um die Welt hat großen Anteil an der weltweiten Emission von CO 2 . Aber Kunststoff ist ein moderner, vielseitiger und dauerhafter Werkstoff. Wir können ihn nachhaltig machen, davon bin ich überzeugt. Es heißt, dass deutschlandweit pro Stunde 300 . 000 Plastikbecher verbraucht werden - für Coffee-to-go, Fast-Food-Mahlzeiten oder auch beim privaten Picknick. Viele Menschen halten Plastik für den Inbegriff der umweltzerstörenden Wegwerf- Mentalität. Hat angesichts solcher Zahlen ein Plastikbecher überhaupt eine Chance, nachhaltig und klimaneutral zu werden? RD: Plastik ist für mich kein Schimpfwort. Ich bin im Grunde genommen ein großer Fan von Kunststoff-- wenn wir anders mit ihm umgehen und ihn nachhaltiger produzieren. Der heutige Umgang mit Plastikbechern ist alles andere als nachhaltig. Rohstoffe wie Erdöl werden rund um den Globus geschickt. Unter großem Energieverbrauch wird Kunststoff im Spritzgussverfahren zu Bechern geformt. Beim Konsumenten werden die Becher dann im Durchschnitt acht Minuten gebraucht. Solch ein Aufwand für acht Minuten Bequemlichkeit! Immerhin werden die Becher recycelt in Deutschland-… RD: Man versucht in Deutschland, Plastik zu recyceln. Doch genauer betrachtet sind die Quoten der Wiederverwertung schlecht. Weniger als zehn Prozent unseres recycelbaren Abfalls wird tatsächlich wiederverwendet. Der weit überwiegende Teil dürfte verbrannt werden- - und mit CO 2 zum Klimawandel beitragen. Trotzdem produzieren Sie bei Ihrem Start-up CUNA- Plastikbecher. Was machen Sie anders? Reportage | Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger 11 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0063 RD: Man kann Plastik und Plastikbecher klug und nachhaltig produzieren, verwenden und recyceln. Bei CUNA haben wir uns auf die Gastronomie spezialisiert. Wir haben dabei den ganzen Lebenszyklus des Bechers im Blick-- von den Rohstoffen über die Produktion und die Nutzung bis hin zur Wiederverwertung. Diesen Zyklus haben wir neu gedacht und klimafreundlich gestaltet. Fangen wir mit den Rohstoffen an-… RD: Wir nutzen Bioplastik aus pflanzlichem Material. Wir verwerten beispielsweise Abfälle aus der Zuckerindustrie, die für Nahrungsmittel nicht verwendet werden können, sowie kleine Holzfasern ebenfalls aus Resten. Dann die Nutzung: Die Gastronomiepartner berechnen ihren Gästen Pfand für die Becher. Die Gäste geben den Becher direkt nach Gebrauch zurück, oder sie bringen ihren persönlichen CUNA -Becher beim nächsten Besuch wieder mit. Was den Gastronomen betrifft: Ist der Pfandbecher nach einiger Zeit verschlissen, gibt er diesen an uns zurück. Wir machen daraus neues Material. Die Materialkreisläufe sind also geschlossen. Durch diese Ansätze haben wir den CO 2 -Abdruck unserer Becher erheblich reduzieren können. Wie sieht es mit nachhaltiger Produktion aus? RD: Diese Aufgabe gehen wir jetzt durch das Forschungsprojekt an. Cuna hat ja keine eigene Fertigung. Wir haben keine eigene Fabrik, sondern lassen unsere Becher in Deutschland produzieren- - also bei spezialisierten Spritzgießern. Unsere Auftragsfertiger sind mit unseren Bechern bereits technisch herausgefordert. Biokunststoff ist in der Verarbeitung anspruchsvoller als erdölbasiertes, herkömmliches Plastik. Unsere Produktionspartner haben da einiges für uns möglich gemacht . Jetzt geht es einen Schritt weiter. Wir wollen die Vorteile von digitalisierter Automatisierung und künstlicher Intelligenz nutzen, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Wir schauen uns die Produktionsprozesse selbst an: Wie können wir sie verbessern, noch nachhaltiger machen und die CO 2 Emissionen weiter reduzieren? Da kommen Sie, Frau Perez, mit dem Fraunhofer Institut ins Spiel. Sie bauen mit CUNA und namhaften Industriepartnern im Augenblick eine digitale und vernetzte Produktion für CUNA-Becher auf. Wie kann Industrie 4 . 0 ausgerechnet zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen? Nissrin Perez: Produktion kann man aus verschiedenen Gründen digitalisieren. Seit Jahren entwickeln wir im Fraunhofer Institut KI-basierte Software. Sie wertet Datenströme aus der Produktion aus und optimiert automatisch die Prozesse. Man kann beispielsweise die Taktzeiten verbessern, effizienter produzieren, Ausschuss reduzieren oder flexibel einzelne Produktchargen individualisieren. Solche Zielgrößen waren bislang wesentlich. Das ist quasi die klassische Denkweise. Doch in den letzten Jahren ist auch das Interesse an nachhaltiger Produktion gewachsen. CUNA ist also nicht das einzige Unternehmen, dass Nachhaltigkeit mit Industrie 4 . 0 verbinden will? NP: Ich sehe da einen Trend. Ich bin optimistisch, dass sich Effizienz und Nachhaltigkeit gut miteinander verbinden lassen. Man kann beispielweise Störfälle oder Ausschuss reduzieren- - was wiederum positive Effekte auf den Energieverbrauch und den Einsatz von Rohstoffen hat. Wie können Industrie- 4 . 0 -Lösungen den Energieverbrauch weiter senken? Wie funktioniert dies konkret? NP: Industrie 4.0 bedeutet für uns, dass man die Komponenten in der Produktion miteinander vernetzt, Daten sammelt und diese mit künstlicher Intelligenz auswertet und die Produktionsprozesse optimiert. Zusätzlich kann man externe Daten einbeziehen, beispielsweise Wetterdaten oder Daten von Kunden und Lieferanten. Die KI-Algorithmen ermitteln auf Basis dieser vielfältigen Daten, wie man etwa regenerative Energie bestmöglich einsetzt oder die Produktionsabläufe abgestimmt auf Zulieferungen von Rohmaterial taktet. Der nachhaltige CUNA -Becher-- (auch) ein Zeichen gegen die Wegwerf-Mentalität. Foto: CUNA Products GmbH Reportage | Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0063 Das heißt, wenn die Wetterdaten viel Wind prognostizieren und deshalb viel Windenergie zu erwarten ist - dann sorgt die Künstliche Intelligenz dafür, dass diese Ressource in der Produktion genutzt wird. NP: Richtig. So können wir versuchen, unter dem Strich mehr regenerative statt fossiler Energie für die Produktion zu nutzen. Dies reduziert den CO 2 -Fußabdruck. RD: Industrie 4.0 hat für CUNA aber auch Vorteile abseits der Nachhaltigkeit. Die Digitalisierung macht die Produktion sehr flexibel. Sie erlaubt, dass wir beispielsweise auch sehr kleine Mengen an Bechern in der Produktion individualisieren können. Wir können beispielsweise für Kunden eine Mini- Charge von vielleicht 50 Bechern mit einem Sonderlogo versehen, ohne dass wir umrüsten müssen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber der klassischen Produktion, der für uns einen Wettbewerbsfaktor bedeutet. Für das Aufbringen der Logos verwenden wir dann einen Laser statt herkömmlicher Drucktechnik. Einen Laser? Ist diese Technologie nicht sehr energieintensiv? RD: Ich habe dies anfangs auch vermutet. Doch unter dem Strich ist es nachhaltiger, einen Laser statt traditionelle Druckmethoden zu verwenden. Man braucht keine Tinte, und das vom Laser aufgebrachte Logo ist deutlich robuster im Alltag, etwa beim Spülen. Sie sprechen von einem Wettbewerbsvorteil, der dadurch entsteht? RD: Ich denke, dass wir durch diese Technologie auch den Kundenwünschen sehr entgegenkommen können. Dies führt dazu, dass die Becher beliebter werden und sich am Markt weiter durchsetzen. Was wiederum dem Klimaschutz dient. Von diesen Möglichkeiten ist derzeit noch einiges Zukunftsmusik. Sie haben soeben, im Sommer, Ihr gemeinsames Forschungsprojekt in Lemgo gestartet. Mit im Boot sind Industriepartner, darunter der Robotik-Hersteller KUKA, die Automatisierungsspezialisten „ftp Robotik“, der Materialspezialist „digicolor“ und der Maschinenhersteller „ARBURG“. Mit dieser Kooperative bauen Sie in Lemgo eine sogenannte Realproduktion für digitale nachhaltige Kunststoffproduktion. in diese Realproduktion werden Sie zum einen CUNA-Becher produzieren, zum anderen innovative Industrie- 4 . 0 -Ansätze entwickeln. NP: Richtig. Vielleicht sollten wir einen Punkt noch hinzufügen: An unserem Standort in Lemgo haben wir 2016 die SmartFactoryOWL aufgebaut. Die SmartFactoryOWL nutzte bisher eher Demonstrationsanlagen für Forschungszwecke. Wir haben sie für die Lehre auf dem Campus der Technischen Hochschule und für den Technologietransfer am Fraunhofer IOSB-INA verwendet, also dafür, die Möglichkeiten von Industrie 4.0 unseren rund 8.000 Fachbesuchern jährlich zu zeigen. Wir wollen damit unsere Forschungsergebnisse schnell in die Praxis bringen. Aber: Wir hatten dort Modellanlagen. Wir haben bislang nicht unter realistischen Bedingungen produziert- - also mit echten Produkten, Zulieferern, Betreibern und Kunden. Das soll sich mit der Realproduktion von CUNA verändern? NP: Mit der Realproduktion werden wir die Wertschöpfungskette vollständig abbilden- - wie gesagt, unter realistischen Bedingungen. Bisher haben wir in unseren Demonstratoren den Fertigungsalltag in unserer SmartFactoryOWL nicht ganz Das Forschungsprojekt: Mit hochinnovativen Industrie-4.0-Ansätzen soll der CO 2 -Fußabdruck bei der Produktion des CUNA -Bechers reduziert werden. Foto: Fraunhofer IOSB-INA Reportage | Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0063 berücksichtigen können. Mit unseren Demonstratoren haben wir versucht, Alltagsprobleme zu simulieren-… …-etwa Lieferverzüge bei Rohmaterial-… NP: Ja, zum Beispiel. Man legt sich solche Fälle als Annahmen zurecht und versucht, diese Alltäglichkeiten nachzuahmen. Doch es ist etwas ganz anderes, „echt“ zu produzieren in der SmartFactoryOWL. Diese Realproduktion wird die Forschungsfragen verändern. Zudem stellen wir die Technologien, die wir hier entwickeln, vor neue Herausforderungen. Sie forschen, erproben und demonstrieren also am lebenden Objekt? NP: So kann man dies nennen. Dies hat auch nach außen hin eine ganz andere Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft. Inwiefern nach außen hin? NP: Unser Ziel liegt insbesondere im Technologietransfer. Wir wollen möglichst schnell neue, digitale und vernetze Produktionstechnologien in die Breite tragen-- und insbesondere die Potenziale von KI in der Industrie entfalten. Im vom BMWi geförderten KI-Reallabor erproben wir neue Technologien unter realistischen Bedingungen. Das beschleunigt den Prozess von der Innovation zum Transfer in die Industrie. Dies ist auch im Sinne des Förderers, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Realproduktion ist ein wichtiger Innovationsmotor. Sie generiert offene und reale Industriedaten für die Forschung und Entwicklung von KI-Lösungen. Im KI-Reallabor können Sie vieles zur gleichen Zeit tun - von der Grundlagenforschung bis hin zum Technologietransfer. Hilft Ihnen dies, neue Technologien schneller in die Wirtschaft zu bringen und dadurch Wettbewerbsvorteile sichern? Beispielsweise auch Technologien für nachhaltige Produktionsprozesse? NP: Unsere Forschungsergebnisse erreichen die Unternehmen schnell. Sie werden zügig für Produktion und Produkte genutzt. Denken Sie allein an unsere am Projekt beteiligten Partner. Allein durch die Kooperative in unserer Realproduktion erwarte ich, dass Ansätze schnell state-of-the-Art in der Industrie werden. Namhafte Maschinen- und Anlagenbauer wirken mit. Sie liefern Komponenten für die Produktionsanlage in unserem Reallabor, beispielsweise Roboterarme oder Softwarelösungen. Ich gehe davon aus, dass diese Partner sehr schnell gewonnene Erkenntnisse für ihre eigenen Lösungen aufgreifen werden. Das Reallabor wird im Augenblick aufgebaut. Wie gehen Sie weiter bei Ihrer Forschung vor? NP: Wir starten die Produktion mit den heute gängigen Industrie-4.0-Standards. Anfangs setzen wir also auf digitale Technologien, die sich heute bereits in der Produktion finden. Wir fangen also mit dem an, was ohnehin derzeit möglich ist. Dann werden wir Neuland betreten. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir unterschiedliche Use Cases entwickeln: Wie können wir die Maschinen und ihre Komponenten optimal vernetzen? Wie können wir den Energiebedarf optimieren? Vorhin war immer wieder vom CO 2 -Fußabdruck des CUNA-Bechers die Rede. Welche Use Cases für ökologische Nachhaltigkeit haben Sie in Ihr Programm aufgenommen? NP: Wir wollen wissen, wie groß der Fußabdruck des CUNA - Bechers genau ist. Solche Informationen sind nicht nur für die Ökobilanz von Unternehmen wichtig, sondern auch aussagekräftig für den Konsumenten. Ich vermute, dass der Fußabdruck des Bechers schon jetzt sehr gut ist. Doch technisch stellt uns die präzise Überprüfung vor einige Herausforderungen. Wie kann man alle Prozesse einbeziehen, die in dem Lebenszyklus des Bechers direkt und indirekt anfallen? Indirekt anfallende Prozesse? Welcher Art? Meinen Sie die Logistik? NP: Logistik-Prozesse sind ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist die Wartung und Reparatur von Produktionsanlagen. Auch sie muss man mit in den Fußabdruck einbeziehen, und man kann solche Prozesse auch nachhaltiger machen. Industrie 4.0 bietet da einige Ansätze. Angenommen, der Betreiber unserer SmartFactoryOWL hat ein Problem mit der Fertigung. Die Anlage funktioniert nicht-- und niemand weiß, weshalb. In der SmartFactory OWL werden bald nachhaltige Plastikbecher produziert. Foto: Fraunhofer IOSB-INA Reportage | Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0063 Ein typischer Auftrag an den Service des Maschinenbauers. Jemand muss zur Fabrik kommen und die Sache untersuchen. Die Servicemitarbeiter kommen einmal, vielleicht sogar mehrmals, bis man wirklich Übersicht über den Schaden hat. NP: Die Fehlersuche ist aufwendig und häufig manuell. Der Betrieb der Anlage muss länger unterbrochen werden. Häufig müssen zusätzliche Spezialisten herbeigerufen werden. Der Grund für den Aufwand: Die einzelnen Komponenten von Anlagen oder Maschinenteile tauschen untereinander keine servicerelevanten Informationen aus. Dem Hersteller der Maschine fehlt von seinem Unternehmenssitz die digitale Einsicht in die Anlage. Dies wollen wir im Rahmen des KI-Reallabor mit dem Use Case CCM verändern. CCM? NP: Collaborative Condition Management. Wir wollen versuchen, die Anlage und ihre einzelnen Komponenten digital zu vernetzen-- und zwar durch Industrie-4.0-Standardschnittstellen. So können wir Daten aus der Maschine gewinnen, die beispielsweise in eine Art ganzheitliche, permanente Zustandsüberwachung fließen. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen bekommt der Betreiber vor Ort Hinweise auf die Fehlerquelle. Er muss dafür vielleicht keine Servicemitarbeiter holen. Dies könnte etwa die Zahl der Anreisen reduzieren. NP: Durchaus denkbar. Zum anderen könnte die Maschine Fehler gewissermaßen vorhersehen. Beispielsweise überwacht künstliche Intelligenz die mechanischen Bauteile laufend auf Verschleiß. Wir können damit prognostizieren, wann ein Bauteil ausfallen wird. Das heißt, der Betreiber kann die Bauteile rechtzeitig austauschen, etwa bei einer Routinewartung. Auch dies spart Zeit, Wege und Ausfallzeiten. Außerdem wird der ressourcenintensive Ausschuss reduziert, zu dem es häufig bei solchen Fehlern kommt. Dies spart am Ende Energie und Rohstoffe. Es dürfte sich dabei um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit handeln - aber um einen vergleichsweise kleinen. Offen gefragt: Macht diese Arbeit am Detail den Kohl tatsächlich fett? Spiegelt sich der Aufwand in der Ökobilanz wider? NP: Aus meiner Sicht gilt hier das Pareto-Prinzip. Mit 20 Prozent des gesamten Aufwands kann man 80 Prozent des gewünschten Effekts erzielen. Was CUNA betrifft: Allein das Pfandsystem und die Verwendung von Biokunststoff dürfte die Ökobilanz enorm verbessert haben. Will das Unternehmen aber seinen CO 2 -Fußabdruck noch weiter verkleinern, muss es an Details feilen. Das heißt dann: Für die restlichen 20 Prozent zum Ziel braucht man die restlichen 80 Prozent des gesamten Aufwands. Mit anderen Worten - die letzten Meter auf dem Weg etwa zur Klimaneutralität sind die schwierigsten? NP: Hier kann Industrie 4.0 tatsächlich helfen, weitere Potenziale zu heben. Man setzt viele kleine Hebel an, die in Summe große Wirkung entfalten. Dank der Digitalisierung und des Einsatzes künstlicher Intelligenz wird diese Aufgabe erleichtert. Wir werden an unserem Standort und im Rahmen der Realproduktion in der SmartFactoryOWL zu solchen Fragen in den nächsten Jahren viel forschen. RD: Mit dem Einsatz von Pfandsystemen, geschlossenen Recycling-Kreisläufen und des Rohstoffs Biokunststoff haben wir bei CUNA in der Tat einen großen Schritt gemacht. Unser Biokunststoff hat sogar eine negative, also klimafreundliche CO 2 -Bilanz. Das Biomaterial bindet ja CO 2 , statt es freizusetzen. Aber unsere Vision geht weiter. Wir wollen den gesamten CO 2 -Fußabdruck unseres Bechers kennen und-- soweit es technisch geht-- reduzieren. Da spielen dann auch die Verästelungen des gesamten Produktionsprozesses eine Rolle-- mit all seinen Lieferketten, Energieversorgern und Komponenten für die Produktion. Dies wird dann sehr komplex. Solche Optimierungen kann man als Start-up gar nicht mehr leisten. Dafür braucht es ein großangelegtes Forschungsprojekt mit starken Partnern-- und natürlich digitale Vernetzung. Sie haben gerade von Ihrer Vision gesprochen. Wie sehen Sie Ihre Rolle in diesem Projekt? RD: Wir betrachten uns als Impulsgeber nicht nur für die Gastronomie, sondern auch für die Kunststoffindustrie. Sie denken also über den eigentlichen Becher hinaus? RD: Als Gründer hat man eine Idee, von der man-- bei aller Flexibilität-- nicht abrücken will. Ich glaube an Kunststoff, und ich denke, wir können seine Produktion, Verarbeitung und Nutzung klimafreundlich gestalten. Direkt nach Firmengründung waren wir froh, in dieser Branche überhaupt wahrgenommen und ernst genommen zu werden. Mit unseren Ideen sind wir auf andere mittelständische Produktionsunternehmen gestoßen, die eine lange Tradition und einen guten Ruf haben. Wir haben schnell verstanden, dass wir nicht die etablierten Pro- Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Die Testumgebung in der Cloud steht für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin � +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch � info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige Reportage | Forschungsprojekt macht Plastikbecher (noch) nachhaltiger 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0063 duktionsweisen ganz auf den Kopf stellen konnten. Wir mussten flexibel auch traditionelle Wege gehen, um Produzenten überhaupt für unsere Becher zu gewinnen. Trotzdem haben wir unsere Partner mit neuen Ideen über Umwelt, biobasierte Produktion und neue Konzepte für Produktlebenszyklen konfrontiert. Viele hören diese Stichwörter schon seit Jahren. Mit uns wurde es quasi ernst für sie. Sie verstehen Sie sich mit Ihrem Start-up auch als eine Art Katalysator? RD: So kann man dies nennen. Das ist ein gutes Wort dafür. Wir haben viel über den CO 2 -Fußabdruck und ökologische Nachhaltigkeit gesprochen. Ich habe verstanden: Die Ansätze aus Industrie 4 . 0 können zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen. Was wir noch nicht betrachtet haben ist die soziale Nachhaltigkeit. Wie kann Industrie 4 . 0 zur sozialen Nachhaltigkeit beitragen? NP: Im Fraunhofer IOSB-INA beschäftigt sich eine Forschungsgruppe mit dem Thema der Assistenzsysteme. Diese Gruppe erforscht, was der Mensch in einer digitalen Arbeitsumgebung wirklich benötigt. Da spielen beispielsweise Fragen der Usability und Arbeit 4.0 eine Rolle. Wir entwickeln Technologien so, dass Mitarbeiter wirklich unterstützt werden. Unser Ziel ist es, Industrie-4.0-Konzepte im Sinne eines humanen Wandels zu gestalten. Das kann auch über die eigene Produktion hinausreichen. Inwiefern hinausreichen? NP: Die Wertschöpfungsketten unserer Wirtschaft umspannen heute die Welt. Sie reichen weit in andere Länder und Kontinente hinein. Es ist schwierig festzustellen, unter welchen Bedingungen Menschen dort arbeiten und was dort wie produziert wird. Im Zweifelsfall weiß man dies nicht. NP: Ja. Daran kann sich durch Technologien, wie wir sie jetzt entwickeln, viel verändern. Durch Digitalisierung kann man gut zurückverfolgen, wo was wie hergestellt wurde. Lieferketten können durch diese Transparenz auch sozial gerechter werden. Gerade Technologien der Digitalisierung, Vernetzung und künstlichen Intelligenz werden häufig kritisch gesehen. Menschen haben Angst vor ihnen. RD: Ich denke, dass diese Angst häufig mit Angst vor Arbeitsplatzverlust zusammenhängt. Diese Angst gab es auch in zurückliegenden Phasen der Industrialisierung. Doch wir haben dabei immer wieder festgestellt: Innovationen und Umbrüche vernichten keine Arbeitsplätze, sondern verlagern diese. Digitalität ist also kein „soziales Teufelszeug“? RD: Nein, meiner Einschätzung nach nicht. Auch glaube ich, dass heute viele aufgeschlossener sind für eine digitale Arbeitswelt. Während der Pandemie haben viele verstanden, dass digitale Kommunikation hilfreich ist. Natürlich wollen Menschen ihre Kolleginnen und Kollegen jetzt schnell wieder persönlich sehen. Doch Homeoffice und Videokonferenzen haben bei vielen zu einer neuen Flexibilität geführt, die man generell nicht mehr missen will. Da zeigt sich, wie technologischer Fortschritt auch neue Chancen bietet. Nissrin Perez Nissrin Perez ist Innovationsmanagerin am Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo und arbeitet seit 2016 in der SmartFactoryOWL, einer gemeinsamen Einrichtung des Fraunhofer IOSB-INA und der Technischen Hochschule OWL. Sie ist Master of Arts in International Management und Master of Engineering im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen. Im Kontext des Forschungsprojekts „KI-Reallabor“ vom BMWi leitet sie die Realproduktion in der SmartFactoryOWL. Darüber hinaus ist sie im Technologietransfer aktiv und begleitet mittelständische Unternehmen bei eigenen Industrie 4.0 Umsetzungsprojekten. Foto: Fraunhofer IOSB-INA Rafael Dyll Rafael Dyll ist Gründer und seit 2019 Geschäftsführer der CUNA Products GmbH. Er ist verantwortlich für das operative Geschäft des jungen Unternehmens sowie für die strategische Ausrichtung und Marketing. Er ist gelernter Kaufmann im Groß- und Außenhandel und Medienfachwirt. Nach der Ausbildung war er bis 2009 Exportleiter der MacroSystem Digital Video AG, einem Hersteller von Video- und Unterhaltungselektronik, und wurde dort auch Aufsichtsratsvorsitzender der französischen Tochter. Nach Übernahme durch die Loewe AG wechselte der aus Witten stammende Kaufmann in den Bereich Videokommunikation, bevor er bis 2019 Geschäftsführer einer Düsseldorfer Medienagentur für Bewegtbild und digitale Medien war und anschließend CUNA gründete. Foto: CUNA Products GmbH Hinsichtlich sozialer Nachhaltigkeit - welchen Fortschritt sehen Sie mit Industrie 4 . 0 für CUNA? RD: Wir verstehen uns auch als soziales Start-up. Vielleicht führen die neuen Technologien dazu, dass wir künftig in unserer Produktion mehr Menschen beschäftigen, die keinen akademischen Abschluss in Kunststoffingenieurwesen mitbringen. Vielleicht kommen wir in die Lage, die Produktion nicht mehr so elitär abzuwickeln. NP: Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt von Industrie 4.0, und er wird heute vielfach unterschätzt. Eine fast autonome Produktion, die vom Monitor her gesteuert und von KI-Systemen unterstützt wird, kann Menschen eine Chance geben, die auf dem traditionellen Arbeitsmarkt vielleicht keine Chancen hätten. Im Bereich der Assistenzsysteme arbeiten wir zum Beispiel heute schon viel mit Behindertenwerkstätten zusammen. Aus unserer Sicht tragen die neuen Technologien somit dazu bei, die Arbeitswelt nachhaltiger, fairer und inklusiver zu gestalten. Eingangsabbildung: © CUNA Products GmbH 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0064 Soziale Nachhaltigkeit und Digitalität bei der Caritas Schleswig-Holstein Weshalb „Young Caritas“ auf agile Projekte setzt Oliver Steeger Mit dem Trend zu Klimaschutz kommt auch der Ruf nach sozialer Nachhaltigkeit. Was bedeutet unser Handeln nicht nur für Klima und Ressourcenverbrauch-- sondern auch für die globale Gesellschaft? Sabine Depew, Landesleitung der Caritas Schleswig-Holstein, hat soziale Nachhaltigkeit seit Jahren im Blick. Für sie geht es darum, dies gesellschaftliche Klima und Wohlbefinden zu verbessern. Dass soziale Nachhaltigkeit gerade jetzt ins Bewusstsein rückt-- dies verwundert sie wenig. Die Gesellschaft rücke wieder zusammen, sagt sie. Es gibt ein neues Miteinander und Füreinander. Vor allem junge Menschen haben feine Antennen dafür, wie sich ihr Handeln gesellschaftlich auswirkt. Sabine Depew erklärt im Interview, wie Nachhaltigkeit die soziale Arbeit prägt, weshalb agile Arbeitsweisen und Digitalität für soziale Projekte wichtig sind-- und wie man Menschen heute für soziales Engagement gewinnt. Der Begriff soziale Nachhaltigkeit setzt sich mehr und mehr durch-- auch in Folge der Diskussion über ökologische Nachhaltigkeit. Dennoch ist der Begriff immer noch unscharf. Was darunter zu verstehen ist, da gehen die Meinungen auseinander. Die Caritas arbeitet seit Jahrzehnten an der Verbesserung der sozialen Lage in Deutschland. Was versteht man bei der Caritas unter sozialer Nachhaltigkeit? Sabine Depew: Die soziale Arbeit wurde in den letzten beiden Jahrzehnten wegen immer knapperer Mittel ökonomisiert. Es gab vorher Zeiten, in denen es unbegrenzte Mittel für soziale Arbeit gab. Niemand fragte genau, wofür das Geld ausgegeben wurde und zu welchen Ergebnissen es führte. Das hat sich mit der Ökonomisierung der sozialen Arbeit verändert. Wir schauen stark auf die Wirkung- - und zwar nicht nur auf kurzfristige Ergebnisse, sondern auch auf die Wirkung auf lange Sicht. Zum Beispiel? Etwa die Migrationsberatung. Da besteht das Ziel, Menschen in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Und zwar mit dem Ziel, dass sie teilhaben können, berufstätig sind, die deutsche Sprache beherrschen und mit Sozialbehörden zurechtkommen. Ein anderes Beispiel: Die Präventionsarbeit in Kliniken. Es geht darum, Gesundheit so zu fördern und zu stärken, dass es nach der Kur erst gar nicht zu Krankheit und Burnout kommt. Ein letztes Beispiel: Die Schuldnerberatung. Mittelfristig geht es natürlich darum, Menschen zu entschulden. Doch sozial nachhaltig wird diese Beratung, wenn wir die Menschen befähigen, mit ihren Finanzen richtig umzugehen und angemessen zu wirtschaften. Es handelt sich also um den langfristigen Blick? Ja. Sie sprachen vorhin von einer Verbindung zur ökologischen Nachhaltigkeit. Soziale Nachhaltigkeit ist ähnlich. Es geht darum, langfristige gesellschaftlichen Schäden zu vermeiden. Es geht bei sozialer Nachhaltigkeit um das gesellschaftliche Klima und um das gesellschaftliche Wohlbefinden. Demnach hat die Ökonomisierung dazu geführt, dass soziale Arbeit nachhaltiger wird? Nein, häufig leider im Gegenteil. Viele politische Reformen führen zu neuen Schieflagen-- also zu nicht nachhaltigen Ergebnissen. Beispielsweise hat die Politik in der Vergangenheit Instrumente für die Integration in den Arbeitsmarkt sehr stark ökonomisiert. Sie spielen an auf die Arbeitsmarktreformen unter dem Schlagwort Hartz an? Reportage | Weshalb „Young Caritas“ auf agile Projekte setzt 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0064 Ja. Die Einsparungen dort haben nach meinen Beobachtungen zu einer Explosion der Kosten in der Jugendhilfe geführt. Viele Familien sind in Armut geraten. Dies wirkt sich direkt auf die Kinder aus. Da wurde genau das Gegenteil von dem erreicht, was gewünscht war. Man kann nicht nur mit der ökonomischen Brille auf die Systeme schauen. Das bringt uns als Gesellschaft nicht weiter. Wir müssen aufpassen bei Einsparungsrunden etwa in Krankenhäusern und anderen sozialen Systemen. Hätten wir während der Corona-Pandemie diese stabilisierenden Systeme nicht gehabt- - wir wären in große Schwierigkeiten gekommen. Das hat man in Deutschland auch schnell verstanden. Plötzlich sprach man von systemrelevanten Berufen. Medizinisches Personal oder Lehrer haben neue Wertschätzung erfahren. Nochmals zur ökonomischen Perspektive. Soziale Nachhaltigkeit ist also mehr als ein gesellschaftlicher Wohlfühlfaktor. Sie hilft-- ähnlich wie der Klimaschutz heute-- Kosten in der Zukunft zu vermeiden? Die Parallele zum Klimaschutz passt aus meiner Sicht. Ich betrachte die Gesellschaft als Ökosystem. Und wie bei ökologischer Nachhaltigkeit kann man sich bei sozialer Nachhaltigkeit fragen: In welcher Welt wollen wir zukünftig leben? Welche Welt wollen wir den nachfolgenden Generationen übergeben? Zu diesen Fragen kommt derzeit Bewegung in unsere Gesellschaft. Ökologische Nachhaltigkeit ist mittlerweile breit akzeptiert. Sehen Sie einen ähnlichen Paradigmenwechsel auch bei der sozialen Nachhaltigkeit? Ich hoffe, dass es jetzt zu diesem Paradigmenwechsel kommt. Im Zuge der ökologischen Transformation hoffe ich, dass wir die Gesellschaft auch sozial nachhaltiger gestalten können. Ich denke, es gibt heute generell ein starkes Bedürfnis nach mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt. Das zeigt sich ja gerade auch in der Zunahme bürgerschaftlichen Engagements oder an modernen Konzepten für urbane Stadtgestaltung mit mehr Raum für soziale Begegnungen und Miteinander. Ich hoffe, dass wir bei der ökologischen Transformation Rahmenbedingungen entwickeln, in denen die Gesellschaft auch sozial gut existieren kann. Solch eine sozial-ökologische Nachhaltigkeit stände übrigens auch volkswirtschaftlichen Überlegungen nicht im Wege. Inwiefern nicht im Wege? Ein Beispiel: Wir leiden wirtschaftlich unter einem immensen Fachkräftemangel. Ein Teil meiner Arbeit besteht aktuell darin, geeignete Fachkräfte für unsere Einrichtungen zu suchen und einzustellen. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird der Mangel in absehbarer Zeit kaum gelindert. Es fehlt an jungen Menschen. Schlimmer noch: Unter den wenigen jungen Menschen sind viele schlecht ausgebildet. Das habe ich bei meiner sozialen Arbeit im Ruhrgebiet, in Essen, immer wieder festgestellt. Die Bildungsunterschiede zwischen den Stadtteilen sind enorm. Wir müssen also viel mehr in Bildung investieren. Das wäre nicht nur sozial nachhaltig, sondern auch volkswirtschaftlich dringend geboten. Wie kommt es, dass soziale Nachhaltigkeit in den letzten Jahren deutlich mehr diskutiert wird? Wo liegen die Ursachen für diesen Trend? Das ist eine interessante Frage. Das Thema Umwelt ist ja spätestens seit Gründung der grünen Parteien in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Ich denke, dass soziale und ökologische Nachhaltigkeit eine gemeinsame Wurzel haben- - nämlich die Globalisierung. Und vielleicht die Digitalisierung. Die Digitalisierung? Wir stellen fest, dass Internetaktivisten eine zunehmend starke Rolle spielen. Es gibt etwa Menschenrechtsaktivisten für Menschen mit Behinderung oder für Geflüchtete. Sie machen im Internet auf Missstände aufmerksam und haben Einfluss auf ein recht großes Publikum. Zudem finden sich in sozialen Medien unzählige Gruppen, die soziale Anliegen diskutieren. Dies macht dies Thema präsenter. Und: Viele Menschen organisieren sich auch über das Internet für soziale Projekte, gründen Bürgerbewegungen oder Nachbarschaftshilfe. Traditionelle Parteien und etablierte Organisationen sind längst nicht mehr die einzigen, die Kampagnen durchführen. Früher hat man sich traditionell in diesen Organisationen für soziale Arbeit zusammengetan. Sportvereine und Kirchen waren übliche Anlaufstellen, auch Wohlfahrtsverbände wie die Caritas oder Pfadfinderorganisationen-… Diese Organisationen spielen nach wie vor eine Rolle. Sie sind aber nicht mehr so stark und dominant. Wir beobachten, dass sich besonders junge Menschen vermehrt sozial engagieren wollen. Doch sie konzentrieren sich auf Themen, an denen sie arbeiten wollen-- und nicht auf Organisationen, in denen sie Mitglied sein wollen. Ein Beispiel? Nehmen Sie beispielsweise die Zuwanderung von 2015. Tausende Menschen haben sich über digitale Plattformen organisiert und dann gemeinsam bei der Bewältigung der Migration geholfen. Vielen war es gleich, ob sie unter dem Dach einer Organisation arbeiten. Was könnte das Interesse erklären, das viele junge Menschen an sozialer Nachhaltigkeit zeigen? Ist die junge Generation empathischer als vielleicht die ältere Generation? Das wäre schön. Aber-- Empathie ist eine persönliche Eigenschaft, eine Kompetenz. Nicht jedem wurde sie in die Wiege gelegt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die derzeitige Diskussion über soziale Nachhaltigkeit einer neuen Empathie zuschreiben würde. Die junge Generation hat heute ein anderes Bewusstsein- - auch, weil sie in Teilen sehr gut ausgebildet ist. Hinzu kommt, dass aufgrund der demographischen Situation die Kohorte der Älteren die Hauptakteure in unserer Gesellschaft sind. Die 50bis 80-Jährigen bestimmen heute politisch, häufig recht kurzsichtig. Deshalb fordern Jüngere mehr Verantwortung für ihre Zukunft. Ich persönlich finde die jungen Bewegungen wie Fridays for Future richtig und notwendig! Nicht nur diese neuen Initiativen und Gruppen leben von ehrenamtlich engagierten Menschen, sondern auch Organisationen wie die Caritas. Sie sagten, dass es wieder mehr Freiwillige gibt-- sich aber die Herangehensweise der Ehrenamtlichen verändert hat. Dass gerade Jüngere sich Themen anschließen Reportage | Weshalb „Young Caritas“ auf agile Projekte setzt 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0064 statt Organisationen. Was bedeutet das für die Caritas und ihre sozialen Projekte? Wir haben bereits 2013 auf diese Entwicklung reagiert und die Initiative „Young Caritas” gegründet. Wir arbeiten mit selbstständig agierenden Freiwilligen-Teams. Wir setzen stark auf Digitalität, und wir verwenden agile Vorgehensweisen. Augenblick! Sie verwenden agile Methoden für soziale Projekte? Richtig. Junge Menschen organisieren sich in ihren Projekten selbst. Sie arbeiten selbstbestimmt zu ihren Themen. Ihre Projekte führen sie unter dem Dach der Caritas durch. Durch die Initiative „Young Caritas“ haben wir bereits viele Menschen für soziales und ökologisches Engagement neu gewonnen. Die Angebote und die autarke Arbeitsweise sprechen junge Menschen gut an. Ein Beispiel: Bis 2030 will der Caritas Verband klimaneutral werden. Dieses Vorhaben wird vielfach durch Freiwillige vorangetrieben, besonders durch Initiativen und Projekten mit jungen Menschen in „Young Caritas“. Zu diesen Initiativen gehören etwa Social-Media-Projekte, die ein entsprechendes Bewusstsein entwickeln. In welcher Rolle sieht sich die Caritas bei diesen agilen Projekten? Wir unterstützen die Projekte. Wir sagen aber nicht, was zu tun ist. Wir mischen uns kaum ein. Verantwortung und Leitung sind dezentral. Wir haben einige hauptberuflichen Multiplikatoren, die die Idee von „Young Caritas“ etwa in Schulen tragen. Den Multiplikatoren gebe ich freie Hand. Natürlich gibt es Besprechungen zwischen den Multiplikatoren und mir, etwa zu Strategie oder Investitionen. Aber am Ende tun sie das, was sie für richtig halten. Und ähnlich frei sind auch die Projekte und Gruppen unter dem Dach von „Young Caritas“. Von uns bekommen die Teams keine Vorgaben zu Zielen und Methodik. Auf einer zentralen Website können sich die Freiwilligen andere Projekte ansehen, zur Vorgehensweise Material bestellen und sich weiterbilden lassen. Natürlich müssen die Themen zur Caritas passen und mit sozialer Arbeit in Verbindung stehen. Auch helfen und unterstützen wir, falls gewünscht-- aber dann in der Rolle eines Coachs. Ist „Young Caritas“ überall in Deutschland so agil aufgestellt? „Young Caritas“ hat diesen Anspruch. Ob dies wirklich überall im Detail gelingt-- dafür will ich nicht meine Hand ins Feuer legen. Läuft solch ein agiler Führungsstil bei der Caritas nicht quer zu den traditionellen Strukturen? Vermutlich. Ich habe öfters schon mit neuen Führungsinstrumenten experimentiert, etwa beim Dachverband der Caritas in Essen. Dort haben wir ein Innovationslabor eingerichtet, einen Denkraum oder Experimentierraum. Wir haben gemeinsam neue Ideen entwickelt. Doch solch ein Innovationslabor ist gewöhnungsbedürftig. Es irritiert Strukturen und fordert Haltungsänderungen und neues Denken. Weshalb ist Schleswig-Holstein in diesem Punkt anders? Wie gesagt, wir sind im Norden Deutschlands dezentral und sehr praxisnah ausgerichtet. Schleswig-Holstein ist ein Flächenland. Die Caritas ist recht klein hier, wir haben rund 500 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist der Grund, weshalb wir mit unseren Produkten hybrid in die Fläche gehen. Hybrid in die Fläche gehen- - was darf ich mir darunter vorstellen? Wir kombinieren klassische soziale Arbeit mit Digitalität. Ein Beispiel: Wir werden eine hybride Schuldnerberatung mit einem Beratungsbus einrichten. Dieses Projekt wird durch Spenden aus der Benefizaktion „Hand in Hand für Norddeutschland“ finanziert, die Ende 2020 stattfand. Unser Bus wird zu verschiedenen Standorten unterwegs sein. Unsere Berater führen vor Ort erste persönliche Beratungsgespräche. Danach halten sie digital Kontakt zu den Menschen und betreuen sie etwa durch Chats oder Online-Beratung. Menschen, die durch die Corona-Pandemie in Not geraten sind, brauchen schnell Hilfe. Hilft Ihnen agiles Projektmanagement, zügig Projekte durchzuführen und flexibel dem Bedarf anzupassen? Wir hatten nach der Benefizaktion tatsächlich nur ein kleines Zeitfenster, in dem wir handeln müssen. Zum einen wurde Hilfe gebraucht. Zum anderen wollen die Spender wissen, wofür wir das Geld verwenden und welche Corona-Hilfen wir entwickeln. Nur wenige unserer Projekte sind am Schreibtisch entstanden. Das allermeiste haben wir direkt mit den Akteuren vor Ort agil entwickelt. Wir haben geschaut, was in den Einrichtungen tatsächlich akut gebraucht wird. Unser Denkraum hat uns dabei sehr geholfen. Ein Denkraum- - was darf ich darunter genau vorstellen? Das ist ein Raum, in dem wir neue Ideen entwickeln und Bestehendes weiterentwickeln. Er ist buchstäblich zum gemeinsamen Denken eingerichtet. Dort haben wir unter anderem auch die Idee der mobilen Schuldnerberatung entwickelt- - und auch viele der Ideen für die Corona-Hilfe. Sie hatten also schon Ansätze für die Projekte, für die Sie die Spenden der Benefizaktion verwenden wollten? Ja. Aber wir mussten die Ansätze schnell anpassen. Während der Pandemie haben sich die Rahmenbedingungen immer wieder geändert. Trotzdem haben wir in kurzer Zeit 36 Projekte zusammengebracht. Wir waren das erfolgreichste Bundesland von sechs beteiligten Ländern. Die Dynamik der agilen Arbeitsweise und unsere agile Netzwerkstruktur hat gewiss dazu beigetragen. Lassen Sie mich bitte ein Stichwort aufgreifen-- die Digitalität, die Sie schon mehrmals erwähnt haben. Digitalität wird hinsichtlich ihrer sozialen Auswirkungen kontrovers diskutiert. Digitalität, so hört man viele, sei nicht immer sozial nachhaltig: Verlust von Arbeitsplätzen, Vereinsamung und Entfremdung-… Ich bin mir nicht sicher, ob die Digitalisierung sich wirklich so negativ auf den Arbeitsmarkt auswirkt, wie dies manchmal behauptet wird. Es werden Arbeitsplätze verlorengehen, aber auch neue entstehen. Trotzdem, es gibt kritische Aspekte der Digitalität. Dennoch stehen wir bei der Caritas der Digitalisie- Reportage | Weshalb „Young Caritas“ auf agile Projekte setzt 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0064 rung offen gegenüber. Natürlich folgen viele Mitarbeiter*innen der sozialen Arbeit dem Ethos, dass sie sich Menschen direkt zuwenden-- und nicht mit Computern oder Robotern. Nur die persönliche Begegnung sei „richtig“ in der sozialen Arbeit-… Ich sehe dies differenziert. Natürlich wird man etwa Menschen mit psychischen Problemen weiterhin das persönliche Gespräch anbieten, bei dem Vertrauen entstehen kann. Doch wir haben während der Pandemie gelernt, dass Videokonferenzen viel effizienter sein können als persönliche Meetings. Die Akzeptanz für digitale Angebote hat sich auch in sozialen Verbänden verbreitet-- und das nicht nur seit der Pandemie. Wir sagen: „Sozial braucht digital, aber digital braucht auch sozial.“ Damit sind wir wieder bei sozialer Nachhaltigkeit. Fangen wir mit dem ersten Teil an. Sozial braucht digital. Wie kann man Digitalität für sozial nachhaltige Projekte nutzen? Vielfach werden digitale Hilfsmittel heute schon eingesetzt. In der Altenhilfe verwenden wir eine Plüschrobbe, die mit demenzkranken Menschen „spricht“. Man muss natürlich immer die ethische Seite solcher Lösungen prüfen. Inwieweit will man wirklich etwa elektronische Fußmatten einsetzen, die dafür sorgen, dass Demenzkranke die Wohnung nicht verlassen? Aber grundsätzlich gesehen können solche digitalen Innovationen eine Hilfe sein, wenn sie klug und verantwortungsvoll eingesetzt werden? Mit Sicherheit! Wir haben beispielsweise festgestellt, dass wir bestimmte Personengruppen überhaupt nur noch digital erreichen. Viele Menschen bevorzugen einen anonymen Kontakt zu uns, zumindest für die erste Begegnung. Diese Menschen holen wir in vertrauenswürdige Foren und beraten sie dort. Wie sieht es mit dem zweiten Teil dieses Satzes aus- - nämlich, dass digital auch sozial braucht. Da wären wir vermutlich bei sozialer Nachhaltigkeit. Ich denke, dass Digitalität die Menschen vernetzen kann. Wir sagen häufig, dass digitale Angebote Menschen voneinander entfremden. Ich denke, dass solche Angebote auch das Gegenteil bewirken. Sie verbinden. Über digitale Plattformen wird heute beispielsweise Nachbarschaftshilfe organisiert. Ich bin seit zehn Jahren in digitalen Netzen unterwegs. Ich habe beobachtet, wie diese Netzwerke mein Arbeitsspektrum erweitert haben. Ich halte Verbindung zu Menschen, nehme an fachlichen Diskursen teil und finde Kontakt etwa zu Bloggern oder Aktivisten. Aber: Der Umgang mit digitalen Angeboten braucht Medienkompetenz, die auch soziale und kommunikative Kompetenz umfasst. Diese Medienkompetenz kann dazu beitragen, dass Digitalität sozial nachhaltig wird. Eine Abschlussfrage: Viele Unternehmen und Organisationen wollen sozial nachhaltiger werden. Es mangelt selten an gutem Willen. Doch die Initiativen bleiben häufig stecken. Wie können sich Organisationen Ihrer Einschätzung nach am besten diesem Thema nähern? Ich denke, am Anfang steht eine Standortbestimmung. Zunächst sollten die Organisationen erkunden, was soziale Nachhaltigkeit für sie überhaupt bedeutet. Also eine klassische Begriffsbestimmung: Was verstehen sie darunter? Wofür steht die Organisation mit ihren Mitgliedern? Das hat häufig auch Bezug auf das Leitbild und die Philosophie der Organisation. Man braucht also Kriterien? Kriterien-- und zudem einen guten Überblick über die Organisation. Ich halte es für sinnvoll, die unterschiedlichen Dienste und Einrichtungen des Unternehmens zu beschreiben und zu prüfen, was soziale Nachhaltigkeit in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern bedeutet. Manchmal liegt diese Bedeutung auf der Hand. Ein Beispiel aus der Caritas: Nachhaltigkeit für Obdachlosenhilfe oder Projekte zu Arbeitsmarktintegration sind gut zu verstehen. Es gibt jedoch auch schwierige Fragen. Wie sieht es etwa bei Krankenhäusern aus? Oder in der Pflege? Da ist die Lage vielschichtiger. Inwiefern vielschichtiger? Wir haben uns schon vor Jahren gefragt, wie wir mit Armut umgehen. Damit sind auch praktische Alltagsfragen verbunden. Bei der Pflege kann es also darum gehen, ob man vermehrt reiche Senioren in Pflegeheime aufnimmt und durch deren Beiträge die finanzielle Basis verbessert? Oder ob man bedürftigen Menschen Vorrang gibt, die die Hilfe vielleicht mehr brauchen? Solche Fragen können tatsächlich entstehen. Über sie denkt man dann länger nach. Darauf eine Antwort zu finden ist nicht immer leicht. Als vor einigen Jahren in Deutschland die Tafelbewegung aufkam, waren wir geteilter Meinung. Zum einen waren wir kritisch; wir fordern ja von der Politik, die Armut zu bekämpfen. Wir wollen, dass man gar keine Tafeln braucht. Zum anderen haben wir verstanden, dass die Tafelbewegung hervorragende Ehrenämter bietet. Es hat sich gezeigt, dass sich Menschen für Tafeln gerne einsetzen und engagieren. Die Bewegung führt mehr Menschen an die Freiwilligenarbeit im Ehrenamt heran. Da bringt die Tafelbewegung sozial Nachhaltiges. Diese Aspekte muss man gemeinsam abwägen und seine Position gemäß seiner Werte finden. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Cecilie_Arcurs Sabine Depew Sabine Depew leitet die Caritas Schleswig-Holstein. Sie ist Bildungswissenschaftlerin und seit 1993 für die Caritas tätig, unter anderem in Köln, Essen und Kiel. Ihre Themenschwerpunkte sind Europäische Sozial- und Förderpolitik, Kinder- und Jugendhilfe, Digitalisierung und Innovation. Zudem konzentriert sie sich auf die Aufgabe, verbandliches Handeln neu zu denken. 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0065 Unter Strom: Warum Durchführung und Steuerung im modernen Trassenbau alles vom Projektmanagement abverlangen Denise Böttger Für eilige Leser | Ohne neue Stromtrassen gibt es keine Energiewende. Ein Jahrhundertprojekt, das nur mittels gut durchdachtem und umfangreichem Projektmanagement gelingt. Hierbei weisen moderne Trassenbauprojekte eine Vielzahl unterschiedlicher Herausforderungen auf: von sich ändernden natürlichen wie rechtlichen Gegebenheiten und Auflagen über einen sehr speziellen Fachkräftebedarf und hohe Flexibilität aufgrund von extrem schwankenden Schaltungszeiten bis hin zu einem komplexen Stakeholder-Management mit Eigentümern und Anwohnern. Mit welchen Herausforderungen im Detail Projektmanager im Trassenbau konfrontiert sind und welche Ansätze ergriffen werden können, zeigt der Beitrag von Denise Böttger. Schlagwörter | Stakeholder-Management, Planfeststellungsverfahren, Bau von Freileitungen, Energiewende, Projektmanagement, Projektsteuerung, Magisches Dreieck Einleitung Vom Atom- und Kohleausstieg über die Mobilitätswende bis hin zu Fridays for Future: Deutschlands Energiemarkt befindet sich in einer nie dagewesenen Umbruchsphase, die im Jahrhundertprojekt der Energiewende mündet. Ein entscheidender Baustein davon ist Strom durch Windenergie. Im Norden erzeugt muss er in den Süden transportiert werden, um die Industriezentren der Republik zu versorgen. Während der Strom durch modernste On- und Offshore-Anlage produziert wird, findet der Transport jedoch auf teils veralteten Leitungen mit zu geringen Kapazitäten statt. Im Zuge des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) sowie des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) beschloss der Gesetzgeber, unter anderem Teile der vorhandenen 220-kV- Leitungen (Betriebsspannung von 220.000 Volt) durch moderne 380-kV-Leitungen zu ersetzen. So stehen auf den verschiedenen Abschnitten nicht nur komplette Neubauten an, sondern auch Ersatzsowie Rückbauten, die höchstes technisches Know-how erfordern. Die Umstände, unter denen der Bau stattfindet, sind für das Projektmanagement gerade mit Blick auf Durchführung und Steuerung eine besondere Herausforderung. Warum die hier herrschenden Anforderungen von den Verantwortlichen alles abverlangen, erläutert der folgende Beitrag. Planung im Vorfeld Die strukturellen Besonderheiten wie der genaue Trassenverlauf, die Art der Leitung und geltende Umwelt- oder Bauauflagen sind im entsprechenden Planfeststellungsbeschluss festgehalten. Diese technischen Vorgaben und Nebenbestimmungen müssen die verantwortlichen Projektleiter während der gesamten Bauphase stets im Blick haben. Da sich die Abschnitte im Trassenbau in der Regel über mehrere Kilometer erstrecken, sind sehr häufig wechselnde Auflagen zu berücksichtigen, die sich unter Umständen auch während der laufenden Arbeiten noch ändern können. Größtmögliche Flexibilität, um auf volatile Situation angemessen reagieren zu können, sind daher unerlässlich. Beispiele hierfür sind unter anderem nachträgliche Wünsche durch Grundeigentümer oder Pächter, neu erhobene Umwelt- und Artenschutzauflagen oder wechselnde Schaltungszeiten der bestehenden Leitungen. Besonders der in Deutschland herrschende Mangel an Freileitungsmonteuren kann die Durchführung und Steuerung von Projekten erschweren. „Die Fachkräfte in diesem Reportage | Unter Strom 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0065 Berufsfeld sind echte Exoten. Um im Plan zu bleiben, greifen wir daher einerseits auf Personal aus unserem internationalen Omexom-Netzwerk zurück. Andererseits investieren wir viel in die Ausbildung und unterhalten ein eigenes Schulungszentrum in Korbußen, wo wir unter anderem in Partnerschaft mit der IHK Erfurt den Zertifikatslehrgang ‚IHK-Fachkraft Freileitungsmonteur / in‘ anbieten“, erklärt Guido Seifen (Geschäftsführer von Omexom). Demzufolge sollte sich der verantwortliche Projektmanager bereits im Vorfeld Alternativen und Notfallpläne bereitlegen, um Verzögerungen so kurz wie möglich zu halten. Dabei gilt es immer, den kritischen Pfad im Auge zu behalten. Steuerung im Trassenbau Im Bereich Hoch- (bis 110 kV) und Höchstspannung (bis 380 kV) durchziehen Deutschland Leitungen in einer Länge von zusammen über 120.000 Kilometern. Einige davon verfügen sogar über einen historischen Wert. So sind beispielsweise die südlichen Teile der sogenannten „Rheinlandleitung“ bis heute in Betrieb- - wohlgemerkt fand der Bau zwischen 1924 und 1929 statt. Die verantwortlichen Projektmanager im Leitungsbau müssen demnach damit rechnen, während der Arbeit auf Technik aus Zeiten der Weimarer Republik zu stoßen. Praktisch bedeutet das etwa, dass der historische Teil der Rheinlandleitung noch über Tonnenmasten der Typen C1-C3 verläuft-- in Deutschland mittlerweile eine Ausnahmeerscheinung. Veraltete Modelle mit zu geringen Kapazitäten sind zu ersetzen oder es stehen komplett neue Trassen an. Die Steuerung und Koordinierung der Baumaßnahmen ist dann wieder Aufgabe des Projektmanagements. So müssen vor dem ersten Spatenstich zunächst Baugrunduntersuchungen gemacht werden, um über die Art der Mastgründung genau entscheiden zu können. Je nach Bodenbeschaffenheit kommt entweder eine Flachgründung (Stufen- oder Plattenfundament) oder eine Tiefgründung (Rammpfahl- oder Bohrpfahlfundament) infrage. Im Anschluss erfolgt die Vorbereitung des Baufeldes, bei der die Geländeerschließung geplant und koordiniert werden muss. Der Projektmanager hat dabei nicht nur den einfachen Zugang für Maschinen und Personal zu gewährleisten, sondern im gleichen Maße neben der Umwelt auch das zumeist sich im Privatbesitz befindliche Gelände oder angrenzende Biotope zu schützen. Die temporären Zufahrten zu den Masten müssen entsprechend des Planfeststellungsbeschlusses mit Holzbohlen, Baggerplatten oder Schotter verlegt werden. Danach erfolgt das Abpflocken des Maststandortes gemäß der vorgegebenen Koordinaten im Planfeststellungsbeschluss. Auch der Stahl, der in einzelnen Teilen zur Baustelle transportiert wird, muss im Zuge der Vorbereitungen vormontiert, d. h. zusammengeschraubt werden. Nachdem Fundament und Eckstiele fest miteinander verbunden sind, erfolgt das sogenannte Stocken: Das Team auf der Baustelle setzt die vorbereiteten Mastteile über einen Mobilkran auf und verbindet diese miteinander. So entsteht nach und nach ein fertiger Mast. Im Anschluss schlägt die Stunde der Freileitungsmonteure, die für den nun folgenden Seilzug unverzichtbar sind. Die auf Trommeln aufgerollten Leiter- und Erd- oder LWL-Seile werden nun von Mast zu Mast gezogen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass es hierdurch zu keinen Beschädigungen von Gebäuden oder insbesondere Bäumen kommt und an Straßen oder Bahnquerungen Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Diese sind jeweils mit den öffentlichen Stellen und Behörden abzustimmen, was oftmals ein besonderes Stakeholdermangement erfordert. Eine ganze Reihe an verschiedenen Gewerken-- und aufgrund fehlender Fachkräfte aus Deutschland wie im Falle von Omexom nicht selten Mitarbeiter des VINCI-Mutterkonzerns aus ganz Europa-- sind zu steuern und möglichst effizient zu koordinieren, damit die vom Vorhabenträger vorgegebene Bauzeit sowie die Kosten dem Termin- und Budgetplan entsprechen. Auch müssen Projektmanager im Leitungsbau in der Lage sein, mit ungewöhnlichen Anforderungen souverän umzugehen. „Als wir die bestehende 220-kV-Leitung über den Nord-Ostsee-Kanal abbauen und durch einer 380-kV-Leitung ersetzen sollten, mussten wir für den Seilzug Helikopter einsetzen, die trotz der räumlich begrenzten Arbeitsbereiche sicher unsere Monteure vor Ort unterstützten. Das war keine leichte Aufgabe für unser Projektmanagement, da nur wenige Piloten überhaupt die dafür notwendigen Flugmanöver beherrschen“, erklärt Alexander Kröckel (BU-Leiter Bau Nord / Ost) von Omexom. Besondere Herausforderungen bei der Projektdurchführung Nicht nur Hubschraubereinsätze, sondern eine ganze Reihe an Herausforderungen verlangen von den Verantwortlichen ihr ganzes Können. So ist die Gelände- und Bodenbeschaffenheit ein wesentlicher Faktor, der das Projektmanagement unter anderem in Sachen Baugrunderschließung, Statik, Materialbeschaffung und Steuerung beeinflusst. Während in Norddeutschland ein zumeist ebenes Gelände mit sehr weichen und mitunter sumpfigen Böden vorherrscht, sind Teile von Süddeutschland eher geprägt von Mittelgebirgslandschaften mit festen oder felsigen Böden. „Das Projekt Rommelsbach - Herbertingen in Süddeutschland führt direkt über die Schwäbische Alb. Die dort herrschenden topographischen Reportage | Unter Strom 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0065 Bedingungen erschweren die Erschließung des Geländes und die Errichtung der Masten. So trafen bei einzelnen Eckstielen von Masten Höhenunterschiede von bis zu acht Metern auf“, erklärt Jens Schulz (BU-Leiter Bau Süd / West) von Omexom. In Schleswig-Holstein sind hingegen Höhenunterschiede oftmals nur von wenigen Zentimetern zu finden. Neben naturschutzfachlichen Auflagen sorgen ebenfalls Schaltungen der für den sicheren Bau neuer Leitungen benötigten Bestandsleitungen dafür, dass bei der Durchführung und Steuerung von Projekten im Leitungsbau höchste Flexibilität erforderlich ist. Denn das hat Auswirkungen auf das gesamte deutsche oder sogar europäische Stromnetz. Aufgrund fehlender Ersatzleitungen können beispielsweise Schaltungszeiten stark schwanken- - in einigen Fällen betragen diese komfortable drei Wochen und in anderen Fällen steht nur ein einziger Tag zur Verfügung. Teilweise hat die Projektleitung dabei mehrere Monate im Voraus diese tagesscharf anzugeben. So muss die Ressourcenplanungen die Fortschrittserwartungen beim Bauablauf entsprechend berücksichtigen. Können beispielsweise Schaltungen nicht gehalten werden, so hat dies nicht nur Auswirkungen auf die zukünftigen Ressourcenplanungen, sondern es kann auch zu Stromengpässen führen. Eine der größten Herausforderungen besteht im Umgang mit dem Stakeholder-Management. Denn Privatpersonen, Bürgerinitiativen und neue Auflagen von Kommunen können die Arbeiten erheblich beeinflussen. Selbst in der Abschlussphase von Projekten können einzelne Eigentümer oder Pächter noch den reibungslosen Bau behindern. Neben Schadensersatzforderungen etwa aufgrund von nicht nutzbaren Flächen wird unter anderem auch die Belastung für touristische Ziele oder die eingeschränkte Erreichbarkeit durch Straßensperrungen oder Baustellen thematisiert. Der richtige Umgang mit Anwohnern und anderen Betroffenen gehört daher sowohl im Vorfeld als auch bei der Projektdurchführung zu den wichtigsten Aufgaben der Verantwortlichen. Projektmanager müssen daher frühestmöglich das Gespräch suchen und auch im Laufe der Arbeiten für Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen. Die Fähigkeit, stets auf Augenhöhe kommunizieren und einen offenen Umgang pflegen zu können, ist daher genauso wichtig wie die rein fachliche Qualifikation. Nur so kann bei der Bevölkerung das nötige Verständnis erzeugt und die Interessen ausgeglichen werden. Fazit: Projektmanagement auf höchstem Niveau Im Zuge des EnLAG wurden seit 2009 von geplanten 1.800 bisher rund 800 Kilometer fertiggestellt. Bei den Bauvorhaben im Zusammenhang mit dem BBPlG konnten bisher 300 Kilometer realisiert werden- - rund 5.600 Kilometer werden laut BBPlG noch folgen. Vor Projektmanagern im Freileitungsbau liegt damit noch viel Arbeit, um Deutschlands Energiewende erfolgreich umzusetzen. Wie die praktischen Beispiele von Omexom zeigen, erfordern Durchführung und Steuerung dieser Projekte die gesamte Bandbreite an Fähigkeiten von Projektmanagern. So müssen sie in der Lage sein, mehrere Gewerke effizient zu koordinieren und diese mit den passenden Werkzeugen und Hilfsmitteln zu versorgen- - von der Materialbeschaffung über die ausreichende Personalauslastung mit Freileitungsmonteuren bis hin zu Provisorien. Zudem ist ein äußerst gutes Gespür für den Interessenausgleich zwischen Share- und Stakeholdern erforderlich, um einerseits die internen Ansprüche bezüglich Kosten und Effizienz und andererseits externe Bedenken wie die Hoffnung auf Werterhaltung bei Betroffenen miteinander in Einklang zu bringen. Eingangsabbildung: © Omexom Denise Böttger Denise Böttger ist stellvertretende Divisionsleiterin Freileitungsbau Nord / Ost, deren Portfolio von der Planung, Trassierung und statischen Berechnungen bis zur Errichtung von Freileitungen und Hochspannungskabelanlagen reicht. Als Juristin und Wirtschaftsmediatorin sowie zertifizierte Projektmanagerin hat sie auf Seiten eines Netzbetreibers sowie der Omexom in mehreren Großprojekten der Energiewende Erfahrungen insbesondere im Bereich Projekt- und Portfoliomanagement gesammelt. eMail: denise.boettger@omexom.com Internet: https: / / www.omexom.de / ueber-omexom / omexom-gesellschaften / omexom-hochspannung-gmbh/ 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0066 Im Fokus: Die EDUR-Pumpenfabrik Nachhaltigkeit im Maschinen- und Anlagenbau Jasmin Rosenberg, Thomas Naß Für eilige Leser | In der Vergangenheit ist Nachhaltigkeit zunehmend zu einem wichtigen Baustein zahlreicher Unternehmensstrategien geworden. Auch die EDUR-Pumpenfabrik aus Kiel hat längst erkannt, wie wichtig es ist, nachhaltig zu handeln und zeigt, wie Produkte, Prozesse oder das Unternehmensumfeld nachhaltiger gestaltet werden können. Schlagwörter | Pumpenfabrik, grün, nachhaltiges Handeln, regionale Entwicklung Nachhaltigkeit ist schon lange kein Trendthema in der Unternehmenslandschaft mehr. In der Gesellschaft, insbesondere in den jüngeren Generationen, wird dem Thema nach wie vor eine hohe Relevanz beigemessen und neben diversen politisch gesteuerten Rahmenbedingungen übernehmen auch die Unternehmen selbst mehr Verantwortung für nachhaltiges Handeln. Doch während es beispielsweise für Start-ups ein Leichteres ist, Produkte, Prozesse und Unternehmensumfeld von Beginn an nachhaltig zu denken und umzusetzen, ist eine Umstellung für so manch älteres Unternehmen eine deutlich größere Herausforderung. Die EDUR-Pumpenfabrik ist seit 1927 am Markt aktiv und hat das Thema Nachhaltigkeit schon vor einigen Jahren in der Unternehmensstrategie verankert. Mit der Unterstützung der Initiative Blue Competence des Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) hat sich der Pumpenhersteller aus Norddeutschland ganz offiziell zur Einhaltung von zwölf Nachhaltigkeitsleitsätzen verpflichtet. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf das strategische, operative, kulturelle und kommunikative Handeln. Dazu zählen etwa das Bestreben, die Entwicklung und die Bereitstellung von Lösungen für relevante Zukunftstechnologien, etwa im Energiesektor, voranzutreiben oder mit Ressourcen schonend umzugehen. Auch ein gesteigertes Bewusstsein zum nachhaltigen Handeln bei Mitarbeiter*innen gehört zu den Aufgaben der Initiativpartner. Als Vorbilder sollen sie auf diese Weise andere Unternehmen davon überzeugen, dass man auch bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten wirtschaftlich wachsen und für Folgegenerationen Gutes tun kann. Von der Strategie in die Praxis-- wie sehen die Nachhaltigkeitsbemühungen bei EDUR konkret aus? Betrachtet man das Produktangebot des Pumpenherstellers, fällt direkt auf: Bei EDUR wird nicht eine Pumpe in Serie gefertigt. Kern der Produktstrategie ist die optimale Auslegung jeder einzelnen Kreiselpumpe auf die jeweilige Anwendung. Die Kunden legen zusammen mit den EDUR-Vertriebsingenieuren bei der Wahl ihrer Pumpe den Grundstein in Hinblick Foto: © EDUR Reportage | Nachhaltigkeit im Maschinen- und Anlagenbau 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0066 auf einen energieeffizienten, langlebigen und zuverlässigen Betrieb. Es geht immer um ein Gesamtsystem, in das die EDUR-Pumpe optimal eingebunden wird. Durch den Einsatz von Motoren mit den stets höchsten Energieeffizienzklassen wird die Gesamtlösung abgerundet. Erst ab Bestellung beginnt der Bau einer Pumpe. Um den Kunden eine Vielfalt an Optionen bieten zu können, müssen natürlich viele unterschiedliche Teile vorhanden sein. Über 20.000 Varianten innerhalb kürzester Lieferzeit bei gleichzeitig eher geringen Lagerbeständen- - dieses Zieldreieck löst EDUR mit einem ausgeklügelten Baukastensystem. Die EDUR-Kreiselpumpen finden in diversen nachhaltigkeitsrelevanten Anwendungen Einsatz, wie etwa in der Abwassertechnik, die für einen verantwortungsvollen Umgang mit der knappen Ressource Wasser essenziell ist. Dort werden sie beispielsweise in Flotationsanlagen zur Aufbereitung von Industrie- oder Trinkwasser benötigt. In der Energietechnik werden die Pumpen zur Gewinnung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff eingesetzt. Die Erzeugung von grünem Wasserstoff als erneuerbare Energie, z. B. durch Elektrolyse, trägt zu einer sauberen Energieversorgung bei und zahlt somit positiv in die im letzten Jahr von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen ein. In der EDUR-Konstruktionsabteilung wird darüber hinaus kontinuierlich an der Optimierung bestehender Baureihen bzw. Entwicklung neuer Pumpentypen gearbeitet, um weitere zukunftsrelevante Anwendungen erschließen zu können. Die Nachhaltigkeitsbemühungen gehen sogar über die Inbetriebnahme der Pumpen hinaus. So werden sie im Schadensfall nicht direkt gegen neue ausgetauscht. Der Service bietet für alle gefertigten Pumpen Ersatzteile für mindestens 10 Jahre an. Bei Einsendungen zur Instandsetzung werden die Pumpen in der Regel in einen Zustand entsprechend einer Neupumpe versetzt. In einigen Anlagen sind die Kreiselpumpen aufgrund ihrer Langlebigkeit teils mehrere Jahrzehnte aktiv gewesen. Bei sehr alten Pumpen wird daher gemeinsam mit dem Kunden entschieden, ob beispielsweise aufgrund von besseren Energieeffizienzwerten die Investition in eine neue Pumpe sinnvoller ist als die Instandsetzung der bestehenden. Bei einer Entscheidung für die neue Pumpenlösung werden die ausgemusterten Pumpen dann fachgerecht dem Werkstoffkreislauf zurückgeführt und recycelt. Neben den produktbezogenen Aspekten lohnt sich auch ein Blick auf die ständige Optimierung der internen Prozesse bei EDUR. Hier nimmt die fortschreitende Digitalisierung in dem mittelständischen Unternehmen einen hohen Stellenwert ein, welche sich im Ergebnis ebenfalls positiv auf die Nachhaltigkeit auswirkt. Waren die Informationsprozesse in der Produktion der Pumpenfabrik bis vor einigen Jahren noch traditionell organisiert, d. h. die Mitarbeiter*innen erhielten die Arbeitsaufträge noch in Papierform, so sind heute sämtliche Arbeitsplätze in der Fertigung an das ERP-System angeschlossen. Dadurch können sämtliche Aufträge und dazugehörige Informationen wie Zeichnungen direkt an den Arbeitsplätzen aufgerufen werden. Materielle und personelle Foto: © EDUR Foto: © EDUR Reportage | Nachhaltigkeit im Maschinen- und Anlagenbau 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0066 Ressourcen werden geschont, u. a. durch die deutliche Reduzierung von Fehlerquellen und Abstimmungsbedürfnissen. Heute ist ein Ausdruck auf Papier die absolute Ausnahme. Gefördert wird das Projekt vom Schleswig-Holsteinischen Landesprogramm mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Aufgrund der Corona-Pandemie wurde zudem ein großer Teil der Belegschaft innerhalb kürzester Zeit mit der Möglichkeit zum mobilen Arbeiten im Home-Office ausgestattet. Das tägliche Pendeln vieler Mitarbeiter ist dadurch weggefallen-- Klima und Umwelt profitieren davon. Schon jetzt steht bei EDUR fest: Auch Post-Corona soll Arbeiten im Home-Office an einigen Tagen der Woche möglich bleiben. Abseits des operativen Handelns hat sich der Pumpenhersteller aus Kiel auch schon vor einigen Jahren mit dem Neubau am neuen Kieler Standort in Sachen Nachhaltigkeit für die Zukunft gerüstet. So wurde das neue Gebäude, welches 2014 fertiggestellt wurde, mit der zum damaligen Zeitpunkt höchsten Energieeffizienzstufe errichtet. Neben heutigen baulichen Standards wie einer guten Isolierung oder der Dreifach-Verglasung der Fenster wurde auch eine Abluftanlage zur Wärme-Rückgewinnung installiert. Während im alten Werk noch 100.000 Liter Heizöl im Jahr benötigt wurden, so sind es heute etwa 27.000 m² Erdgas. Das entspricht einer Einsparung von 240 Tonnen CO2 pro Jahr. Darüber hinaus tragen regelmäßige Investition in einen modernen Maschinenpark zur Reduzierung des Energieverbrauchs bei. Und auch wenn das Gebäude erst wenige Jahre alt ist, so ist EDUR laufend weiter bemüht, die eigene Ökobilanz zu verbessern: Aktuell werden die Leuchtmittel in der Produktion durch energiesparende LEDs ausgetauscht. Das Projekt zur ressourcenschonenden Energieversorgung wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Auch die Grundstücksgröße wurde beim damaligen Kauf bereits berücksichtigt und bewusst etwas großzügiger gewählt. Im Falle einer Expansion bietet das Werksgelände noch Raum für den Bau einer weiteren Produktionshalle. Ein großer Teil der Grünflächen wird derweil als Blumenwiese für ausgeliehene Bienenvölker genutzt. Die insektenfreundlichen Blühflächen wurden vor einigen Jahren im Rahmen der Teilnahme an der Landesinitiative „Schleswig-Holstein blüht auf“ angelegt. Die Leihgabe der Bienen entstammt einer Kooperation mit dem befreundeten Walterwerk Kiel. Die Insekten fühlen sich in ihrem Lebensraum sehr wohl und so konnte im letzten Jahr erstmals eigener Honig bei EDUR geerntet werden. Die streng limitierte Abfüllung wurde somit zum ganz besonderen Kundengeschenk: ein Stück nachhaltiger Maschinenbau im Glas-- das kam wirklich bei jedem gut an! Das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln ist längst in allen Unternehmensbereichen bei EDUR angekommen. Selbstverständlich gibt es in der Wertschöpfungskette noch weitere Anknüpfungspunkte zur Optimierung. Über bereits realisierte Projekte ist man bei EDUR aber auch ein wenig stolz und gleichzeitig motiviert, weiter an dem Thema Nachhaltigkeit zu arbeiten, um mit gutem Beispiel voran zu gehen. Eingangsabbildung: © EDUR Foto: © EDUR Die EDUR-Pumpenfabrik ist ein mittelständischer Hersteller von Kreiselpumpen mit Sitz in Kiel. Gegründet wurde das Familienunternehmen 1927. Die Pumpen werden weltweit insbesondere in den Bereichen Flüssiggas, Kältetechnik, industrielle Reinigungstechnik, Energietechnik sowie Wasser- und Abwassertechnik eingesetzt. Jasmin Rosenberg Jasmin Rosenberg verantwortet das Marketing der EDUR-Pumpenfabrik und ist dort seit 2019 als Leiterin Marketing und Kommunikation tätig. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Entwicklung und Umsetzung einer ganzheitlichen Marketingstrategie bei EDUR. Thomas Naß Thomas Naß ist Geschäftsführer der EDUR-Pumpenfabrik. Seit 2000 im Unternehmen, heute verantwortlich für die Bereiche IT, Produktion, Finanzen und Personal. 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0067 Nachhaltiges Projektmanagement Uwe Horstmann Für eilige Leser | Das aktuell größte Thema der Menschheit rückt im Abklingen der Corona-Krise wieder in den Mittelpunkt: Das Stoppen der Erderwärmung. Die dramatischen Ereignisse in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind beim Verfassen dieses Artikels gerade auf ihrem Höhepunkt und es fällt mir schwer, die Emotionen zurückzuhalten. Vielleicht nur dieser eine Satz: Wer den Klimawandel noch immer leugnet, kann jetzt aufhören zu lesen! Schlagwörter | CO 2 -Emissionen, Klimawandel, CSR, CCN, Sustainable Development Goals, Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist in aller Munde und bewegt nicht nur Wissenschaftler, sondern auch die meisten Mitmenschen und damit natürlich auch die Politik. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen, der WBGU, hat im Juli 2021 anlässlich der 26. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention im November 2021 in Glasgow ein Politikpapier erstellt und an das Bundesforschungsministerium und das Bundesumweltministerium übergeben. In diesem Papier werden drei inhaltliche Schwerpunkte beschrieben: 1. Die CO 2 -Emissionen aus fossilen Quellen müssen gestoppt werden. 2. Der Beitrag der Biosphäre muss gestärkt werden. 3. Die CO 2 -Entfernung aus der Atmosphäre muss weiter vorgedacht werden. Alle drei Schwerpunkte werden als notwendig betrachtet, der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und die Stärkung der Biosphäre sind dabei grundlegend. Die Ziele sollen jedoch nicht gegeneinander verrechnet werden (vgl. hierzu https: / / www.wbgu.de / de / publikationen / publikation / pp12-2021). Es muss jedem klar sein, dass es so gut wie keine Aktivität, kein Vorhaben und kein Projekt gibt, das ausschließlich nachhaltig ist. Es wird immer auch negative, schädliche Aspekte geben. Wenn man die Diskussionen zur Nachhaltigkeit verfolgt, wird schnell klar, dass man sich mehrheitlich auf einzelne negative oder positive Aspekte fokussiert und damit auf der Suche nach „Totschlag-Argumenten“ ist. Projektmanagement ist die Zusammenführung unterschiedlicher Expertisen und Erfahrungsstufen unter einem gemeinsamen Ziel. Projektmanager*innen wissen, dass ein Projekt nur dann erfolgreich sein kann, wenn man die Stakeholder kennt und deren Interessen berücksichtigt. Wer, wenn nicht die GPM, soll deshalb für das Thema Nachhaltigkeit Verantwortung übernehmen? Und wie kann man die Daseins-Berechtigung als gemeinnütziger Verein besser dokumentieren, als sich hier zu engagieren? Was ist Nachhaltigkeit? Noch immer finden in der Wissenschaft (und auch in der GPM) intensive Diskussionen über den Begriff der Nachhaltigkeit statt. Wenn man die Aussage von Hans-Carl von Carlowitz „Man soll nicht mehr Bäume fällen als man pflanzt“ nicht nur auf reale Bäume bezieht, kommt man der heute meistgebrauchten Definition schon sehr nahe. Aus den Definitionen des Brundtland-Berichtes hat sich der Begriff der „Enkeltauglichkeit“ entwickelt. Ein umfassendes Nachschlagewerk ist das Lexikon der Nachhaltigkeit, dass 2001 von der Kathy Beys Stiftung konzipiert wurde. Seit 2015 wird der Inhalt nicht mehr verändert und ist als historisches Dokument im Netz verfügbar (vgl. www.nachhaltigkeit.info). Wie nicht anders zu erwarten, hat sich in den letzten Jahren ein Wettbewerb der Ordnungssysteme zur Bewertung von Nachhaltigkeit entwickelt. In diesen Wettbewerb sollte die GPM nicht eintreten. Mit der Agenda 2030, die 2015 von der UN verabschiedet wurde, hat man sich auf die drei Aspekte der Nachhaltigkeit verständigt (siehe Abbildung). Nicht zufällig greifen die drei Aspekte ineinander. Nur durch die gleichzeitige Betrachtung aller drei Aspekte hat Nachhaltigkeit eine reale Chance zur Umsetzung (vgl. hierzu https: / / www.bundesregierung.de / breg-de / themen / nachhaltigkeitspolitik / agenda-2030-die-17-ziele). Beispiele für die Nicht-Berücksichtigung sind überall zu finden: Sei es im kleineren Umfeld der Fahrradweg in Aachen, der zu Lasten Reportage | Nachhaltiges Projektmanagement 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0067 von Anwohnerparkplätzen gebaut werden soll und damit viele Anwohner auf die Barrikaden bringt oder das viel diskutierte Diesel-Fahrverbot. Es fällt auf, dass häufig die sozialen Aspekte unterrepräsentiert behandelt werden. Dieses wird vordringlich in der Arbeit des CSR (Corporate Social Responsibility) thematisiert (vgl. hierzu https: / / www.csr-in-deutschland.de / DE / Was-ist- CSR / Grundlagen / Nachhaltigkeit-und-CSR / nachhaltigkeitund-csr.html). Annäherung der GPM an das Thema Nachhaltigkeit Beim PM Forum 2019 in Nürnberg wurde in der Retrospektive das Thema Nachhaltigkeit zum absoluten Top-Thema erklärt. Teilnehmer*innen denken sicher noch heute unter anderem an die spannenden Vorträge von Sven Plöger und Sina Trinkwalder. Nachvollziehbare, einfache Erklärungen für komplexe Zusammenhänge liefern, diese Fähigkeit ist den beiden gegeben. Ich habe an diesen Tagen spannende und authentische Persönlichkeiten kennen gelernt! Parallel gab es die ersten Aktivitäten des CCN, des Competence Centers für Nachhaltigkeit im Gebiet Rhein-Ruhr. Im Zuge dieses Projektes wurden wertvolle Kontakte zu anderen Akteuren der Nachhaltigkeit aufgebaut. Das Bewusstsein, dass nur ein gemeinsames Vorgehen erfolgversprechend sein kann, wurde deutlich geschärft. • Im Zuge der Kooperation mit dem VDE konnten hier vielversprechende Ansätze gefunden werden. • Gleiches gilt für die Gemeinwohl-Ökonomie, die ein Maßsystem für das Engagement von Organisationen im Gemeinwohl betreibt (vgl. https: / / web.ecogood.org / de / ideevision/ ). • Die DGQ, Deutsche Gesellschaft für Qualität, erwähnt in der 2020 neu erschienen EFQM deutlich das Thema Nachhaltigkeit (vgl. hierzu https: / / www.dgq. de / aktuelles / news / efqm-model-2020-die-aenderungen-im-ueberblick/ ? gclid=CjwKCAjwos-HBhB3EiwAe4xM9-n-OG_dCNslBOP14bwn7foFvwgA38VpXot3ZnT- Qr208L5mGuZ1YWhoCbmsQAvD_BwE). Abbildung: Integratives Nachhaltigkeitsmodell • Der Club of Hamburg wurde aus der Idee des Club of Rome heraus gegründet und nimmt unter anderem den hanseatischen Ansatz auf (vgl. https: / / clubofhamburg.de). • Die DGNB, die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen existiert seit 2007 und vereint aktuell bereits 1300 Mitglieder (vgl. https: / / www.dgnb.de / de/ ). • Die GPM wurde 2020 Mitglied bei der LAG 21 NRW, dem Netzwerk für Nachhaltigkeit in Nordrhein-Westfalen. Zum Beispiel können sich Mitarbeiter*innen von kommunalen Organisationen dort zum Klimamanager ausbilden lassen (Vgl. https: / / www.lag21.de). • Über die LAG 21 entstanden auch erste Kontakte zu den RENN Organisationen, die eng mit dem RNE, dem Rat für nachhaltige Entwicklung, verbunden sind. • Es wurden Kontakte zu Akteuren im Bereich CSR (Corporate Social Responsibility) aufgebaut und es wurde eine erste Präsenz bei der BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) geschaffen. https: / / www.bne-portal.de • Das CSCP (Collaborating Centre of Sustainable Consumption and Production) in Wuppertal eröffnete hilfreiche Einblicke in nachhaltige Produktentwicklung. https: / / www.sustainable-insights.de / unternehmen-und-partner / 2016 / collaborating-centre-on-sustainable-consumption-and-production-cscp/ • Vielen Dank an den Wissenschaftsladen in Bonn für die guten Gespräche (vgl. https: / / www.wilabonn.de). • Der Kontakt zum WBGU, seinerzeit vertreten durch Prof. Dr. Maja Göpel, entstand gleichfalls in dieser Zeit. https: / / www.wbgu.de / de/ • Am 22. April 2020 wurde ein Letter of Intent zwischen den beiden gemeinnützigen Vereinen GPM und dem ICEC ECO City Wünsdorf von Prof. Dr. Helmut Klausing und Prof. Dr. Eckart Hahn unterzeichnet. Das Ziel dieser Vereinbarung war die gegenseitige Unterstützung in den Bereichen Nachhaltigkeit und Projektmanagement. Über mehr als sechs Monate arbeitete ein Team erfahrener Projektmanager*innen aus den Reihen der GPM-Mitglieder intensiv und ehrenamtlich an dem Vorhaben ECO-City Wünsdorf. Schnell wurde klar, dass es sich hier nicht nur um ein Projekt, sondern um ein Programm handelte. Es wurden über 20 Einzelprojekte identifiziert und strukturiert. Sobald die politische Lage eine konkrete Umsetzung erlaubt, wird die GPM über eine weitere Unterstützung beraten. Ein Höhepunkt der Zusammenarbeit war die sehr erfolgreiche Ausstellung von Eco-City und der GPM gemeinsam in der Akademie der Künste in Berlin (vgl. https: / / www.eco-city.net). PM goes Sustainable Die Gründung einer GPM Fachgruppe für das Thema Nachhaltigkeit war zu diesem Zeitpunkt schon lange in Planung und wurde im Herbst 2020 umgesetzt. Gleich zum Start der Fachgruppe gab es ein großes Interesse und es wurden vier Teilgruppen gebildet. Eine Gruppe beschäftigt sich mit praktischen Beispielen von nachhaltigen Projekten, eine andere mit der Entwicklung eines Manifestes zum nachhaltigen Projektmanagement. Eine weitere Gruppe hat sich intensiv mit dem systemischen Denken in der Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Das hat in dieser Teilgruppe zur Entwicklung eines Zielmodells geführt. Reportage | Nachhaltiges Projektmanagement 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0067 Dieses Zielmodell trägt die Überschrift: Im Folgenden werden einige Auszüge aus dem Zielmodell dargestellt: • Nachhaltigkeit betrifft alle Phasen eines jeden Projekts. Dies bedeutet die Verankerung von Nachhaltigkeit inhaltlich und methodisch. • Wir entwickeln Methodik und Leitlinien (einschließlich Indikatoren zur Messung) zur Unterstützung des Auftragsgebers in der Formulierung von Projektzielen, die mit anerkannten Nachhaltigkeitszielen kompatibel sind. • Wir entwickeln einen Leitfaden, welche Werkzeuge für ein nachhaltiges Projektmanagement erforderlich sind. • Die entwickelten Methoden und Leitlinien ergänzen das Bestehende und sollen in den Trainings sowie Zertifizierungen Anwendung finden. • Projektleiter*innen verstehen Nachhaltigkeit als systemische Gesamtaufgabe und können diese Denkweise an alle Projekt-Beteiligten vermitteln. • Projektleiter*innen kennen den Methodensatz und die Leitlinien zum nachhaltigen Projektmanagement und können diese anwenden, um damit das Vorgehen im Projekt nachhaltig zu gestalten. • Projektleiter*innen sind befähigt und motiviert, mit dem Auftraggeber in Diskurs zu gehen, wie das Projekt auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden kann. Sie sind befähigt, die „Sponsoren“ zu führen und zu fordern. • Die GPM versteht Nachhaltigkeit nicht als Zusatzangebot, sondern als integralen Bestandteil ihres Vorgehens. • Die GPM hat Nachhaltigkeit in ihrem Handeln und Wirken verankert und wendet diese in allen internen Projekten und Veranstaltungen vorbildlich an. Sofern Personen im Namen der GPM tätig sind, vertreten sie die Leitlinien vorbildlich. • Die GPM kommuniziert den eigenen Umgang mit Nachhaltigkeit proaktiv und macht diesen nach außen u. a. auch in den Lehrinhalten transparent. Verfügbarkeit einer wirksamen Dialogplattform • Wir erarbeiten ein Konzept für einen starken, eigenständigen Auftritt. • Wir schaffen einen digitalisierten Auftritt in der Art einer Wissens- und Kongressplattform. • Unsere Dialogplattform ist offen für alle Akteure der Nachhaltigkeit. • Für eine schnelle Umsetzung nutzen wir die Vorarbeiten des CCN-Projekts und vernetzen uns mit bereits etablierten Akteuren. Umfassendes Trainingsangebot zur Nachhaltigkeit • Wir entwickeln ein Zielmodell / Taxonomie für nachhaltiges Projektmanagement. • Wir entwickeln ein umfassendes Konzept für ein innovatives, flächendeckendes Weiterbildungsangebot zur Nachhaltigkeit (perspektivenreiches, kein spezifisches fachliches Wissen). • Wir entwickeln ein Konzept für die Prüfung und Zertifizierung der Trainer. • Wir erarbeiten geeignete Trainings- und Arbeitsunterlagen. • Wir schaffen die erforderlichen Strukturen und Ressourcen. Prozesse zur Weiterentwicklung der PM-Methoden für Nachhaltigkeit • Aufbau der erforderlichen Projektorganisation. • Verankerung des Projekts in den GPM-Gremien und Strukturen. • Sicherstellung der Ressourcen für eine kontinuierliche Arbeit. In der weiteren Erarbeitung des Zielmodells wurden die notwendige Begeisterungsfähigkeit, die nötige Kompetenz und der Handlungsraum thematisiert. Die Arbeit in dieser Teilgruppe ist noch nicht abgeschlossen, aber schon jetzt wird überdeutlich, dass nur durch die aktive Mitarbeit aller an nachhaltigem Projektmanagement interessierten Akteure die Ziele zu erreichen sind. Nachhaltigkeit in der GPM als Meta-Thema Eine vierte Teilgruppe hat sich der Integration des Themas Nachhaltigkeit als Metathema in der GPM angenommen. Hieraus ist eine Gruppe aus Präsidium, Präsidialrat, Ausschuss für Facharbeit, Ausschuss der Regionen, Fachgruppe PM goes Sustainable und GPM live entstanden. In mehreren Workshops wurde der Vorschlag entwickelt, der GPM ein viertes strategisches Ziel zu geben, dass sich ausschließlich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Inzwischen gibt es eine Formulierung dieses vierten strategischen Ziels. Der erste Entwurf des übergeordneten Ziels soll lauten: Dieses Ziel deckt sich mit der Erarbeitung des Zielmodells der Fachgruppe. Die Unterziele wurden in einem ersten Entwurf so beschrieben: • Die GPM schafft ein einheitliches Verständnis für die Nachhaltigkeit bei allen Beteiligten. • Die GPM strebt die Einrichtung einer hauptamtlichen Position für das Querschnittsthema Nachhaltigkeit an. • Die GPM wird anerkannter Treiber für das Thema Nachhaltigkeit. In der Fachgruppe wurde dieses noch ergänzt mit den Aussagen • Die GPM steht dafür, dass Projektmanagement als das Mittel der Wahl zur Erreichung von Nachhaltigkeit anerkannt wird. Die GPM verankert bis 2025 die Nachhaltigkeitsziele entsprechend der Sustainable Development Goals (SDGs) der UN konsequent und durchgängig in den PM-Methoden / Leitlinien und orientiert sich an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2021. Bis 2025 hat die GPM in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen das Bewusstsein geschaffen, dass Projekt nur dann erfolgreich sein können, wenn sie alle Bereiche der Nachhaltigkeit, also Ökologie, Ökonomie und soziale Aspekte in allen Phasen des Projektmanagements berücksichtigen und transparent darstellen. Reportage | Nachhaltiges Projektmanagement 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0067 • Die GPM ist für die Projektgesellschaft kompetenter Partner für die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. Bedeutung von Nachhaltigkeit in den 5 Phasen des Projektmanagements Nachhaltigkeit hat in allen Phasen des Projektmanagements eine differenzierte Bedeutung. Ein Blick auf die einzelnen Phasen macht dieses deutlich: In der Phase 1, der Initiierung, ist der / die klassische Projektmanager*in häufig noch nicht vertreten. Durch die Integration von Nachhaltigkeit bekommt Projektmanagement eine strategische Bedeutung. Projektmanager*innen sollten in Zukunft gefragt werden, wie nachhaltig das Projekt sein wird. In der Phase 2, der Definition, wird der Projektauftrag geklärt. Hier ist es notwendig, den Auftraggebern deutlich zu machen, welche Aspekte der Nachhaltigkeit berührt werden und wie man den Scope optimieren kann. In der Phase 3, der Planung, erfolgt die Entwicklung von KPIs auch unter nachhaltigen Gesichtspunkten, um alle Auswirkungen des Projektes transparent zu machen. Das Team wird zusammengestellt. Nicht nur Expertisen, sondern auch soziale Ausprägungen und Diversitäten werden berücksichtigt. Für den HR-Bereich bietet sich Projektmanagement als Praxisbecken für angehende Führungskräfte an. In der Phase 4, der Steuerung, werden die KPIs auf Einhaltung überprüft und das Team wird geführt. Nachhaltigkeit ist auch in der Vorbildfunktion erkennbar. Ist z. B. das Meeting in Präsenz durchzuführen oder kann es auch remote geschehen? In der Phase 5 sind die Auswirkungen des Projektes auf die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales transparent zu machen. Wie hat es im Projekt funktioniert, welchen Wert hat das Projekt für die Zukunft der Organisation und für die einzelnen Mitarbeiter*innen und was können wir beim nächsten Projekt noch besser machen? Fazit Der Expertenstreit um das beste Mittel zu Erreichung von Nachhaltigkeit muss aufhören. Vorhaben im Bereich der Nachhaltigkeit sind nur durch gutes Projektmanagement erfolgversprechend umsetzbar und alle anderen Projekte werden nur dann erfolgreich sein, wenn die Aspekte der Nachhaltigkeit in allen Phasen des Projektmanagements berücksichtigt und transparent dargestellt werden. Auch wenn Projektmanagement im Sinne der Nachhaltigkeit eher als eine Führungs- und Managementaufgabe gesehen werden muss, ist es doch Projektmanager*innen anzuraten, sich mit dem Basiswissen der Nachhaltigkeit vertraut zu machen. Die GPM tut gut daran, sich dieses Themas intensiv und offensiv anzunehmen. Sei es als Vermittlungsstelle für ehrenamtliche Projektleitungen zur Schaffung von Nachhaltigkeit, als Vernetzungsplattform für Akteure der Nachhaltigkeit oder als Träger für Weiterbildungen zur Nachhaltigkeit. Eingangsabbildung: © iStock.com / anyaberkut Uwe Horstmann Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt Uwe Horstmann seit mehr als 40 Jahren. Bereits im Studium zum Diplom-Ingenieur für Bauwesen und später als Entwickler und Produzent von gedämmten Bauelementen für den Wohnungsbau war das Thema Ressourcenschonung zentral. Seit 20 Jahren berät er mittelständische Unternehmen und Kommunen in den Themen Nachhaltiges Projektmanagement und Führungskräfte-Entwicklung. Seit 15 Jahren ist er GPM Mitglied und in verschiedenen Ehrenämtern tätig. Das CCN-Projekt der GPM ist unter seiner Leitung. eMail: u.horstmann@gpm-ipma.de Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Projektportfolio Angebote und Rechnungen projektron.de Projektmanagement-Software Projektron BCS Anzeige 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 Zum Geburtstag Hasso Reschke zum 80. Geburtstag Daniel Stumpf, Vize-Präsident der GPM In den zurückliegenden vierzig Jahren haben sich Projektmanagement und die GPM gut entwickelt und entfaltet. Professor Hasso Reschke hat den Aufstieg der Disziplin Projektmanagement und unseres Verbandes miterlebt-- und vor allem entscheidend mitgeprägt. Im September feiert der Gründungsvorstand und GPM Ehrenvorsitzende seinen achtzigsten Geburtstag. Zeit für eine Würdigung der Verdienste von Professor Hasso Reschke-- und ein Blick auf sein bedeutendes Engagement. Um ein Haar wäre er kein Projektmanager geworden, so bemerkte einmal Professor Hasso Reschke, Ehrenvorsitzender der GPM. Der Zufall gepaart mit Neugier und dem Reiz des Unbekannten brachte ihn Anfang der 1970er Jahre ans Projektmanagement. Der Zufall: Hasso Reschke war ins Controlling bei Dornier geraten, dem deutschlandweit renommierten Konzern für Luft- und Raumfahrt. Er bearbeitete umfangreiche Kostenlisten- - eine Aufgabe, die er sich kaum als reizvolle Zukunftsperspektive vorstellen konnte. Der Reiz des Unbekannten: Er hörte bei Dornier von Netzplantechnik, einer Art „Geheimwissenschaft“. Dies brachte ihn bei Dornier in den Kreis um Roland Gutsch, den deutschen Pionier des Projektmanagements. Ehe er sich versah, hatte er sein erstes Projekt- - und seine Lebensaufgabe: nämlich das Projektmanagement. So wie ihn Zufall und Neugier zu seiner Lebensaufgabe Projektmanagement führten-- so verdanken ihm das Projektmanagement und die GPM vieles. Hasso Reschke trug maßgeblich dazu bei, das Projektmanagement zu entwickeln, zu entfalten und zu verbreiten. Er gehörte mit zu der Handvoll Gründerinnen und Gründer, die 1979 die GPM ins Leben riefen. Und er führte den Verband als Vorstand und Vorsitzender erfolgreich auch durch manches Tal der Tränen. Im Jahr 2000 erhielt er dafür das Bundesverdienstkreuz, ausdrücklich für die langjährigen Verdienste im Projektmanagement zur Förderung der deutschen Wirtschaft. „Projekte sind schlichtweg nie langweilig“, sagte Hasso Reschke vor einigen Jahren, „die Herausforderungen liegen jedes Mal neu.“ Er entdeckte für sich nicht nur den Reiz von Projekten, sondern auch der dahinter liegenden Methodik. Doch hinter dieser Methode lag noch mehr: Nämlich der Mensch, der in Projekten arbeitet. Heute sind Projektmanagerinnen und Projektmanager vielfach gut qualifiziert, zertifiziert und breit akzeptiert. Die GPM als Verein-- getragen vom ehrenamtlichen Engagement hunderter Fachleute-- hat maßgeblich dazu beigetragen. Doch dies alles fehlte in den 1970er Jahren. Projektmanagende standen in keinem guten Ruf: Ihre Position im Unternehmen war schwach. Vielfach galten sie als machtlose Koordinatoren und einsame „Projektkümmerer“. Solche frühen Erfahrungen prägten auch Hasso Reschke. Sein Augenmerk, sagte er einmal, galt fortan der Position und Akzeptanz der Projektmanagerinnen und Projektmanager. Für die, die in Projekten arbeiten, schlägt bis heute sein Herz. Sie zu fördern und mit allem zu unterstützen, was sie brauchen-- das machte Hasso Reschke ebenfalls zu seiner Lebensaufgabe. Also: Haben die, die Projekte leiten, einen guten Platz in der Organisation? Haben sie Befugnisse, werden sie ordentlich qualifiziert? Und: Erfahren sie kollegiale Wertschätzung? Sind sie auf „Augenhöhe“ mit der Linie? Nicht nur um praktische Fragen wie die Qualifikation ging es Hasso Reschke, sondern auch um Ansehen und Wohlergehen seiner Kolleginnen und Kollegen. Projektmanagerinnen und Projektmanager brauchten, so wurde ihm deutlich, eine Plattform und ein Sprachrohr. Eine Community, wie man dies heute nennen würde. So beteiligte er sich an einem heißen Sommertag 1979 daran, die GPM aus der Taufe zu heben. Der neue Verein sollte den über Deutschland verstreuten Projektmanagenden eine Heimat geben, ein Netzwerk für Austausch, Qualifikation, Kollegialität und gegenseitige Hilfe. Projektmanagement war in der Wirtschaft nach wie vor kaum bekannt. Der Begriff wurde häufig noch in Anführungszeichen geschrieben; mit dem vorangestellten Wort „sogenannt“ wurde Projektmanagement ins Reich der Neuerungen und Neumoden verwiesen, die sich erst noch zu beweisen hatten. Eine solche Gelegenheit zum „Sich-Beweisen“ des Projektmanagements fasste die GPM direkt im Gründungsjahr beim Schopfe. Sie holte im September 1979 internationale Projektmanagement-Fachleute nach Deutschland. Der soeben erst gegründete Verein veranstaltete den sechsten INTER- NET-Kongress, eine Art Vorläufer des IPM-Weltkongresses. Bei diesem Kongress in Garmisch-Partenkirchen kam es zum ersten Mal zu der bemerkenswerten Zusammenarbeit zwischen Professor Hasso Reschke und Professor Heinz Schelle. Heinz Schelle nahm das Fachliche des INTERNET-Kongresses unter seine Fittiche. Hasso Reschke stellte derweil den Kongress organisatorisch auf die Beine-- eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Experten, von der die GPM über Jahre profitieren sollte. Von diesem Kongress ging ein erstes Signal an die deutsche Wirtschaft: Projektmanagement war in Deutschland angekommen. Und die GPM auch. Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag Nach der Gründung des Vereins war Hasso Reschke fast zwanzig Jahre, bis 1998, GPM Vorstand, zuletzt ihr Vorstandsvorsitzender. Er krempelte mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern die Ärmel hoch. Gemeinsam durchforsteten sie Anfang der 1980er Jahre die Stellenanzeigen der Tageszeitungen und bauten einen Adressbestand für den Verein auf. Eine Zeitzeugin: „Das Startkapital waren eine Kugelkopfschreibmaschine und viele gute Ideen.“ Einige bezeichnen Hasso Reschke als „Spiritus Rector“ des Projektmanagements, andere als „Motor“ der GPM. Wieder andere sagen, als Vorstand habe er die GPM mit pfiffigen Ideen auf Erfolgskurs gebracht. Das seit 1983 bestehende PM Forum war eine seiner Ideen. Die Geschichte ist die: Vier Jahre nach der Gründung war es nicht zum Besten um die GPM bestellt. Es fehlte an Geld (Hasso Reschke: „Wir sahen nur noch den blanken Boden unserer Vereinskasse“). Es mangelte an Mitgliedern sowie Plattformen für die Verbreitung von Projektmanagement. So brachte er einen deutschen Projektmanagement-Kongress ins Gespräch. Mit einem Forum konnte die GPM gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Projektmanagement in die Breite tragen („Missionszwecke“) und zudem Einnahmen generieren („Aufbesserung der Kasse“). Das erste PM Forum in Würzburg war-- zur Überraschung der noch kleinen Community-- mit 150 Teilnehmern ein guter Erfolg. Es bot 18 Vorträge, zwei Workshops, zwei Kurzseminare und eine noch kleine Industrieausstellung. Damit war das Forum aus dem Stand heraus einträglich-- nicht nur fachlich, sondern auch finanziell für die GPM. Der Verband kam auf Erfolgskurs. Beim zweiten Kongress 1984 in Heidelberg kamen bereits 250 Fachleute zusammen. 1985 waren es in Bremen 280, 1986 in Bad Honnef 330 und 1987 in Friedrichshafen mehr als 450. Viele, die mit Hassos Reschke für das Projektmanagement arbeiteten, loben seinen gesunden Pragmatismus, seinen Ideenreichtum und seine Gabe, trotz geringer Mitgliederzahl und leerer Kasse Repräsentatives auf den Weg zu bringen. Auch in schwierigen Situationen gelingt es Hasso Reschke mit sicherer Hand, unterschiedliche Menschen und Interessen zu integrieren. Das Wesentliche behält er dabei immer im Auge. Er wird beschrieben als schlagfertiger Redner und geschickter Diskussionspartner, der auch überhitzte Gemüter sanft auf den Teppich zurückzuholen vermag. „Immer war Hasso der ruhende Pol, der sich mit seiner Erfahrung und Reputation Respekt verschaffte, Wege aus Krisen fand und diese durchsetzte“, schrieb jemand, der ihn gut kennt. Vor allem: Hasso Reschkes Wort gilt. Persönliche Integrität und absolute Verlässlichkeit sind der Kern seines Wesens. Hinzu kommen sein starkes Engagement und eine gute Portion Hemdsärmeligkeit: Als die GPM anfangs in den Kinderschuhen steckte und von einem eigenen Büro keine Rede sein konnte-- da bezog sie Quartier in Hasso Reschkes Privathaus. Die Familienküche wurde flugs zum Versandzentrum für Briefe und Newsletter; er gewann seine Frau Angelika für das Sekretariat und seine Kinder für den Versandservice der Newsletter. Hasso Reschke war nach seiner Zeit bei Dornier 1973 zur European Space Agency ESA gewechselt. Dort blieb er nicht lange. Er ging in die Lehre- - mit den Erfahrungen aus der Wirtschaft als Rückenwind. 1975 wechselte Hasso Reschke zur Fachhochschule Landshut, später lehrte er an der Fachhochschule München. Er verschrieb sich immer mehr der Aufgabe, Projektmanagerinnen und Projektmanager zu qualifizieren. So machte er als einer der ersten junge Studierende mit Projektmanagement bekannt. In dieser Zeit begann sich Projektmanagement in Deutschland schrittweise zu verbreiten. Die Missionsarbeit der GPM, an der er sich unermüdlich beteiligte, zahlte sich aus. Die aufstrebende Computertechnologie leistete Vorschub für diesen Trend: Zum einen gab es in der IT-Branche großangelegte Projekte. Diese Projekte berührten vielfach den Lebensnerv von Unternehmen, und man erkannte dort, dass die Vorhaben professionell zu managen waren. Zum anderen unterstütze Software die Planung und nahm beim Projektmanagement viel Arbeit ab. Je leistungsfähiger Computer wurden, desto mehr erleichterten sie Planung und Steuerung von Projekten. Hasso Reschke, dem es immer an Entwicklung und Weitergabe von PM-Know-how gelegen war, beteiligte sich als Herausgeber an Lehrwerken, die schnell Standards setzten, darunter das grundlegende, zweibändige „Handbuch Projektmanagement“ sowie im Jahr Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard- Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. Mit agilen Elementen wie Task Boards, Issues und Activities machen Sie Ihre Teams schneller und produktiver. Bewährte Elemente wie die Planung der Ecktermine liefern zuverlässige Leitplanken. Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way WEBCAST | Agil, klassisch, hybrid Die maßgeschneiderte Lösung für Ihr Projekt 26. Oktober, 10: 00 Uhr https: / / bit.ly/ 2V3vLhS energizing great minds contact-sofware.com Anzeige Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 1990-- gemeinsam mit Heinz Schelle-- das bis heute erhältliche Fachbuch „Dimensions of Project Management: Fundamentals, Techniques, Organization, Applications“, eine englischsprachige Festschrift für Roland Gutsch, die später auch ins Russische übersetzt wurde. Zudem entwickelte Hasso Reschke gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen umfangreiche Projektmanagement- Lehrgänge- - lange vor dem Lehrgang „Projektmanagement Fachmann / -frau“ oder den IPMA 4 Level Ausbildungen. 1982 gründete er eine GPM Projektmanagement Akademie. Das war damals noch zu früh; ein umfangreicher Lehrgang war der Industrie noch nicht vermittelbar. Er war seiner Zeit voraus. Doch in den 1990er Jahren war das Seminar „Projektmanagement effizient organisieren und wirkungsvoll einführen“, an dem er maßgeblich beteiligt war, zugleich Klassiker und Kassenschlager bei der GPM. Zudem rührte er auch außerhalb der Fachkreise die Werbetrommel für Projektmanagement. So veröffentlichte er mit anderen eine achtseitige Artikelserie über Projektmanagement in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, eine Artikelreihe, die für viele eine Initialzündung für „ihr“ Projektmanagement wurde. Im Jahr 1998 zog er sich aus dem GPM Vorstand zurück. Es war nach fast 19 Jahren Zeit für einen Generationswechsel und dafür, jungen Kolleginnen und Kollegen Platz zum Wachstum zu geben. Doch weiterhin wirft Hasso Reschke als Gründungsvorstand seine Seniorität in die Waagschale-- und packt tatkräftig mit an, die GPM voranzubringen und Projektmanagement in Deutschland weiter zu verbreiten. So begleitete er im Kuratorium die GPM auf ihrem Wachstumsweg. Er wirkte am 1997 gegründeten Studienpreis Projektmanagement mit und las geduldig dutzende akademischer Arbeiten, die in den Wettbewerben eingereicht wurden. Zudem rief er mit anderen den „Roland Gutsch Project Management Award“ ins Leben, ein Preis für vorbildliche Projektschaffende in Wirtschaft und Gesellschaft. Der erste Award ging an Heinz Palme, dem Chef-Projektmanager der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006. Darüber hinaus wandte Hasso Reschke sich weiter der Vermittlung von Know-how zu. In Kooperation mit der GPM veranstaltete er seine vielbeachteten Expertentagungen, mit denen er früh aufkommende Trendthemen im Projektmanagement aufgriff und neuen Zielgruppen vermittelte. Beispielsweise führte er im Jahr 2000 eine Tagung zu einem damals brandneuen Thema durch, das heute selbstverständlich ist- - Project Management Offices. Diese Expertentagungen erschlossen für Projektmanagement und auch für die GPM neue Kreise und Zielgruppen, und sie bauten zusätzliche Netzwerke auf. In den vergangenen Jahren ist Hasso Reschke zu einem Thema zurückgekehrt, das ihn seit Jahren begleitet: Die kaufmännische Seite im Projektmanagement, vor allem im internationalen Projektgeschäft. So wenig er sich in seinen ersten Berufsjahren bei Dornier mit dem Controlling anfreunden konnte, mit dem Durchrechnen von Kostenlisten- - so sehr liegt ihm das Kaufmännische des Projektmanagements am Herzen. Bis heute. Mitte der 1990er Jahre führte Hasso Reschke in umfangreichen Lehrgängen Wirtschaftsingenieurinnen und Wirtschaftsingenieure ein in die kaufmännischen Aspekte des internationalen Projektgeschäfts. Sich auf das Kaufmännische zu konzentrieren- - damit war er im damals vielfach noch technisch orientiertem Projektmanagement seiner Zeit voraus. Er blieb der kaufmännischen Seite des Projektmanagements treu. 2019 rief er die GPM Fachgruppe „Commercial Project Management“ mit ins Leben. Die Liste der an der Gründung beteiligten Unternehmen liest sich wie das Who-is-who des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus. Innerhalb der Fachgruppe brachte er sein umfangreiches Wissen in die Entwicklung ein. Er wirkte an Fachbüchern mit, darunter einem Standardwerk, in dem er gemeinsam mit Industrie-Fachleuten den Rahmen von Commercial Project Management absteckt. „Mehr und mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig die kaufmännischen Aspekte für erfolgreiches Projektmanagement sind“, erklärte er in einem Interview. Bei allen Fortschritten-- Commercial Project Management ist nach wie vor im Aufbau, und das erinnert ihn an das Missionieren in Sachen Projektmanagement vor über 40 Jahren. Professor Hasso Reschke kam zum Projektmanagement wie viele später nach ihm. Nämlich durch Zufall und Neugier. Er aber machte den Aufbau und die Verbreitung von Projektmanagement zu seiner Lebensaufgabe-- und hat sich damit bedeutend verdient gemacht, sowohl um diese Disziplin als auch um die GPM. Alle in der GPM und im Projektmanagement Tätigen sind ihm zu Dank verpflichtet. Die GPM wünscht ihm zu seinem achtzigsten Geburtstag Gesundheit und weiterhin Tatkraft. Dass er Anfang der 1970er Jahre so neugierig auf Projektmanagement war-- das war für die GPM ein Glücksfall! Redaktionelle Mitwirkung: Oliver Steeger Heinz Schelle, Gründungsmitglied, Vorstand 1979-1998, Ehrenvorsitzender; Traudl Schelle Es war im Herbst 1976 in Birmingham auf dem 5. (! )Internet-- später IPMA-- Weltkongress. Deutschland hatte bislang noch keinen organisiert. Ich traf Herrn Gutsch von der Firma Dornier, der versprochen hatte, das 1979 nachzuholen. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, die Programmverantwortung für den 6. Weltkongress 1979 in Deutschland zu übernehmen. Als ich ein wenig zögerte, fügte er hinzu, dass er bereits einen Organisationschef habe, der sein Handwerk hervorragend verstehe. Der bereits angeworbene Vorsitzende des Organisationskomitee war Prof. Dr. Hasso Reschke, damals Professor an der Fachhochschule Landshut, vorher Mitarbeiter von Gutsch bei Dornier in Friedrichshafen. Ich lernte Reschke bald darauf persönlich kennen und es zeigte sich, dass Gutsch nicht übertrieben hatte. Reschke war ein Meister der Organisation und das musste er bei den Bedingungen, unter denen wir den Kongress durchzuführen hatten, auch sein. Wir hatten nämlich keinen Pfenning Geld, keine Organisation und auch noch keinen Tagungsort. Wir fanden aber beide bald unter unserem gemeinsamen Ziel zueinander, auch wenn wir zunächst keine Ahnung von der Organisation eines großen Kongresses hatten. Bald zeigten sich noch zwei andere hervorstechende Eigenschaften meines Partners. Reschke war absolut zuverlässig und sehr kreativ. Nicht nur der Weltkongress war ein großer Erfolg und makellos organisiert. Später lieferte eine seiner zahlreichen Ideen auch den Initialfunken für das Wachstum der GPM: das erste erfolgreiche Forum 1983 in Würzburg. Von da an ging es mit unserer Gesellschaft bergauf. Was immer er in den folgenden, oft sehr schweren Zeiten, anpackte, macht deutlich, wie sehr er und seine Frau Angelika sich-- ehrenamtlich-- mit den Zielen der GPM identifizier- Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 ten. Es stimmt, dass seine Kinder schon beim Frühstück fragten, ob das Forum kostendeckend sein werde. Dass das erste Wort, das sie sprechen konnten, aber break even war, ist eine Legende. Möglicherweise gäbe es die GPM gar nicht, wenn Angelika Reschke nicht bedingungslos hinter ihrem Mann gestanden wäre und ihn so, wie sie es getan hat, unterstützt hätte. Herzlichen Dank Angelika. Nur einmal hat Reschke mich im Stich gelassen. Die Situation: Weltkongress 1979, Bayerischer Abend in der Bayernhalle Garmisch-Partenkirchen, Tagungsteilnehmer aus aller Herren Länder, die Stimmung auf dem Höhepunkt. Der Wermutstropfen: Das Freibierkontingent war erschöpft. Der Wirt bat uns, von der Bühne aus zu verkünden, dass ab sofort bezahlt werden muss. Reschke weigerte sich, dies den Feiernden mitzuteilen. Gutsch und ich auch. So zahlten wir eben aus der Kongresskasse. Die unzähligen Aktivitäten Reschkes für die GPM aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Laudatio bei weitem sprengen. Die anderen Gratulanten werden andere Verdienste hervorheben, vor allem auch die Leistungen in der IPMA. Deshalb seien nur noch drei m. E. besonders wichtige erwähnt: Die Veranstaltung von großen Tagungen für die Pharmaindustrie, die vielen Foren, die wir zusammen realisierten (in jedem Fall mehr als 10) und die Entwicklung des Konzepts Commercial Project Management in neuerer Zeit. Mit Recht erhielt er für alle seine Leistungen im Jahr 2000 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Lieber Hasso: Zum Schluss möchte ich Dir und Deiner Frau, auch im Namen meiner Frau, für die 45-jährige Freundschaft herzlich danken und Dir und Angelika noch viele Jahre des Schaffens und der Gesundheit wünschen. Prof. Dr. Yvonne Schoper, Vorstandmitglied 2012-2015, Vorsitzende des Präsidialrats der GPM e. V. Es muss im Frühjahr 1988 gewesen sein, als ein charismatischer Professor mit leicht bayrischem Zungenschlag in den Vorlesungssaal und vor die gut achtzig Wirtschaftsingenieurstudierenden an der Hochschule München im sechsten Semester trat und seine Vorlesung mit dem exotischen Titel „Projektmanagement“ begann. Von der ersten Minute an war ich in den Bann gezogen, denn endlich hatte ich in meinem bisher sehr trockenen Studium gefunden, wonach ich zwischen Technischer Mechanik, Fabrikplanung und Bilanzierung gesucht hatte: ein Thema, unter dem ich mir etwas Konkretes vorstellen konnte. Daran war nicht nur der interessante Inhalt der Vorlesung schuld, sondern auch die sehr eindrucksvolle, mit vielen praktischen Beispielen aus Unternehmen und vielen Übungen untermauerte Art des Dozenten, uns Studierenden die Inhalte auf eine für diese Zeit sehr innovative, anschauliche Art und Weise zu vermitteln und uns so für das Thema zu begeistern. Ich ahnte damals noch nicht, dass diese Vorlesung mein Leben entscheidend prägen würde. Denn als Jahre später bei meinem Arbeitgeber, einem bayerischen Automobilhersteller in einem innovativen Pilotmodell das Projektmanagement für die Produktentwicklung von neuen Fahrzeugen aufgebaut und Mitarbeiter für diesen neuen Bereich gesucht wurden, war ich eine der ersten, die sich für „die Baureihe“, einem Job im zentralen Projektmanagement beworben hatte, mit den richtigen Antworten zu überzeugen vermochte und den Job bekam, der wiederum mein weiteres Leben veränderte. Dieser Professor damals war Hasso Reschke. Über drei Jahrzehnte sind wir eng miteinander im Kontakt geblieben. Des Öfteren batst Du mich in den darauffolgenden Jahren, einen Vortrag bei der GPM über meine Erfahrungen im Projektmanagement in der Automobilindustrie und über internationale Entwicklungsprojekte zu halten. Rückblickend denke ich, dass diese Reflexionen über meine Projektarbeit der Auslöser war, der mich dazu brachte, ein Buch über internationales Projektmanagement zu schreiben und danach selbst in die Forschung und Lehre an die Hochschule zu wechseln. Dabei waren die Vorlesungen von Hasso Reschke bis heute ein Vorbild für mich. Heute nennt man diese didaktische Unterrichtsform „Projektbasiertes Lernen“ und wir wissen aus mehreren Studien, dass diese Art des Lernens das Leben der Studierenden verändern kann, akademisch, sozial und emotional. Ich kann dies nur bestätigen. Lieber Hasso, ich bin Dir sehr dankbar dafür, dass ich das Glück hatte, eine der ersten Studierenden in Deutschland zu sein, die Projektmanagement durch Dich bereits in ihrem Studium kennenlernen durfte. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Projektmanagement eine exzellente Vorbereitung auf wissenschaftlichen, beruflichen und persönlichen Erfolg ist und junge Menschen gut darauf vorbereitet, sich ihren späteren Herausforderungen zu stellen. Du hast Generationen von Studierenden die Methoden des Projektmanagements gelehrt und damit die Grundlagen für methodisch-strukturiertes Vorgehen, systematische Problemlösung, Kooperations-, Kommunikations- und Selbstmanagementfähigkeiten bei Tausenden von Menschen gelegt und aufgebaut. Ohne Dich wäre die Durchdringung mit dem magischen Werkzeugkoffer des Projektmanagements nicht nur der Wirtschaft, sondern in der Gesellschaft in Deutschland bei weitem nicht soweit fortgeschritten. Darauf kannst Du sehr, sehr stolz sein! Lieber Hasso, ich wünsche Dir von Herzen alles Gute zu Deinem 80. Geburtstag! Bleibe weiterhin so agil, fit, gesund, interessiert und neugierig! Herzliche Grüße aus Berlin Yvonne Reinhard Wagner, Vorstandsmitglied 2006-2008, stellvertretender Vorstandsvorsitzender 2008-2012, Vorstandsvorsitzender 2012-2015, Ehrenvorsitzender Es ist gar nicht so einfach über eine Persönlichkeit wie Prof. Dr. Hasso Reschke und sein Lebenswerk zu schreiben. Ich mache dies aber mit großer Freude, weil er mir persönlich immer ein Mentor und Vorbild war, und auch der Grund, warum ich mich bei der GPM über so viele Jahre engagiert habe. Hasso Reschke zählte zu den Gründervätern der GPM im Jahre 1979 und ist seit dieser Zeit eng mit dem Verein verbunden. Gleich zu Beginn wurde er in den Vorstand gewählt und hat das Amt über viele Jahre aktiv begleitet. Als Vorstandsvorsitzender, Kurator und Ehrenvorsitzender, auch in den für die GPM manchmal stürmischen Zeiten. Als enger Weggefährte von Roland Gutsch war er auch über mehrere Jahre in der IPMA aktiv, zuletzt als Vizepräsident. Er hat das Andenken an Roland Gutsch im Inwie auch im Ausland hochgehalten und übernahm später den Vorsitz der Jury für den „Roland- Gutsch“-Award der GPM für herausragende Leistungen im Projektmanagement. In diesem Kontext hat er die Vernetzung Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 der GPM mit der Politik, der Öffentlichen Hand und mit den Führungsetagen der Wirtschaft spürbar vorangetrieben. Wenn man der Person von Hasso Reschke gerecht werden will, dann muss man sicherlich auch sein ausgezeichnetes Fachwissen würdigen. Als Professor für Projektmanagement an der Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München hat er vielen, heute in Führungspositionen tätigen Studenten das Einmaleins des Projektmanagements vermittelt und bei vielen die Passion für unsere Disziplin geweckt. 1989 hat er zusammen mit Heinz Schelle und Reinhardt Schnopp das zweiteilige Handbuch Projektmanagement herausgebracht, damals ein Standardwerk und Vorgänger für spätere Grundlagenwerke. Er hat viel für die jährlichen PM Foren der GPM getan und über mehrere Jahre eine ergänzende Veranstaltungsreihe über spezifische Projektmanagement-Themen, wie z. B. „Automotive Projektmanagement“, „Karriere im Projektmanagement“ oder „Risikomanagement“ organisiert. Zuletzt hat Hasso Reschke auch eine Initiative zu „Commercial Project Management“ vorangetrieben, einen entsprechenden Standard dazu bei der GPM herausgebracht und in einer Fachgruppe die Weichen für die weitere Beschäftigung mit dem Thema gestellt. Auch wenn Hasso Reschke es sicherlich nicht gerne hört, so ist er ein Idealist, jemand der sich voll und ganz dem Projektmanagement und der GPM verschrieben hat. Für seine Verdienste wurde er im Jahr 2000 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Was aber viel wichtiger ist, er hat immer ein offenes Ohr, weiß mit Rat und Tat zu helfen, bringt sich ein, auch wenn es einmal schwierig ist und sich keiner mehr an die Sache traut. Er bringt die nötige Ruhe und Geduld mit und kann unterschiedliche Interessen ausgleichen. Alles Fähigkeiten, die man nicht nur in Projekten und im Projektmanagement gut brauchen kann, sondern auch in einem Verein wie der GPM von großer Bedeutung sind. Lieber Hasso, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alles Gute, Gesundheit und Glück in der Familie und bleib auch weiterhin der GPM mit Rat und Tat erhalten. Dein Reinhard Hasso Reschke und die „Kaufmännische Projektsteuerung“ Lorenz Schneider, Mitglied des Finanzausschuss der GPM e. V. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit Hasso Reschke. Das war Mitte 1998. Ich war Teilnehmer am sogenannten Qualifizierungsprogramm „Projektkaufmann“. Vorher war ich als Wirtschaftsingenieur von der GPM zum „Projektmanagement-Fachmann“ ausgebildet worden. Zum damaligen Zeitpunkt war ich leitender Mitarbeiter eines Firmenverbundes, welcher große abfallwirtschaftliche Anlagen plante, baute und betrieb- - ein nicht ganz einfaches Geschäft. Damals beschlich mich die Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Probleme in unrealistischen Annahmen für kaufmännische Prognoseberechnungen lag. Eine härtere kaufmännische Steuerung von Projekten schien mir notwendig. Und dies hatte ich bei meiner Ausbildung zum „Projektmanagement-Fachmann“ vermisst. Unter diesem Leidensdruck stieß ich auf Hasso Reschkes Qualifizierungsprogramm. Er gab in seiner ruhigen, seriösen und fachlich äußerst kompetenten Art „Newcomern“ Überblick über die kaufmännische Welt der Projekte. Und er brachte uns Kursteilnehmer mit versierten kaufmännischen Experten aus der Industrie zusammen. Es wurde mir schnell klar: Für eine erfolgreiche kaufmännische Steuerung von Projekten waren „deutlich dickere Bretter zu bohren” als bislang. Hasso Reschke hatte basierend auf seinen langjährigen Erfahrungen mit namhaften deutschen und internationalen Industrieunternehmen ein Team von Fachleuten zusammengestellt, welches eine fundierte Ausbildung im Spezialgebiet Kaufmännische Projektsteuerung ermöglichte. Man sah und fühlte den Praxisbezug. Vieles von dem, was ich in dem Qualifizierungsprogramm hörte, erinnerte mich an meine eigenen Projekterfahrungen, die ich bis dahin in Deutschland gesammelt hatte. Allerdings war auch vieles dabei mit internationalem Bezug. Dies war zum damaligen Zeitpunkt so weit weg von meiner eigenen Erfahrungswelt, dass ich mir nicht sicher war, ob ich das jemals gebrauchen könnte. Ich erinnere mich an eine Prüfungsaufgabe, bei dem ich einen chinesischen Mustervertrag auf mögliche Gefährdungspotenziale für deutsche Auftragnehmer analysieren musste. Die Analyse war schwierig. Ich kannte noch nicht die Gefahren möglicher Vertragsklauseln. Trotzdem bestand ich diese Teilprüfung; ich dachte mir, dass das ganze wohl sehr exotisch gewesen war und mich nicht weiter kümmern sollte. Welch eine Fehleinschätzung! Kaum vier Jahre später war ich Mitglied eines Verhandlungsteams, welches in Shanghai einen Dienstleistungsvertrag für ein großes Investitionsvorhaben bestehend aus Planung, Bauoberleitung und Projektmanagement verhandelte. Dieses kombinierte Dienstleistungsprofil gab es in Deutschland nicht. Auch der Vertragsentwurf des chinesischen Auftraggebers wich deutlich von bisher bekannten Vertragsmustern ab. Aber durch das bei Hasso Reschke Gelernte wurde ein sehr wesentlicher Beitrag zum kaufmännischen Erfolg dieses Projektes geleistet. Auch nachträglich, viele Jahre später gebührt Hasso Reschke ein herzlicher Dank dafür. Erfreulicherweise blieb mein Kontakt mit Hasso Reschke auch nach dem Qualifizierungsprogramm bestehen und über die lange Zeit hat sich eine Freundschaft entwickelt, die auf einem gemeinsamen Verständnis von Projektmanagement fußt. Über viele Jahre hatte ich das Vergnügen, mit ihm zusammen an der Entwicklung des in Deutschland immer noch wenig bekannten Fachgebietes „Commercial Project Management“ zu arbeiten. Und wie in 1998 brachte und bringt Hasso Reschke auch heute noch ausgewiesene Experten aus der Industrie, dem Anlagenbau, dem Bau und der Logistik (nur um einige Branchen zu nennen) zusammen. Gemeinsam mit ihm haben wir im April 2019 die Fachgruppe Commercial Project Management innerhalb der GPM gegründet. In ihr haben sich kaufmännische Vertreter namhafter deutscher und internationaler Industrieunternehmen zusammengefunden. Vorausgegangen war eine erste Veröffentlichung zum Fachthema, die systematisch alle Facetten des Commercial Project Managements darstellt. Hasso Reschke war es, der darauf drängte, dass zu diesem Fachgebiet ein Standard bei der GPM definiert wurde. Auch ist er einer der maßgeblichen Autoren dieses CPM Standards. Heute entwickeln wir gemeinsam mit den Vertretern der Fachgruppe und deren Firmenmitgliedern einen Fortbildungslehrgang zum Commercial Project Management. Das ist so- Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 www.junfermann.de - Wir liefern versandkostenfrei! Neu bei Junfermann Unser (beruflicher) Alltag ist eine tägliche „Vorstellung“. Jeden Morgen geht für uns der Vorhang auf und wir präsentieren - uns selbst. Der Schritt auf die „Bühne“ fällt uns aber oft schwer und verursacht Stress. Es kommt unsere ängstliche, bedürftige und selbstkritische Persönlichkeit zum Vorschein. Wie schaffen wir es, glaubwürdig und selbstbewusst aufzutreten? Dieses Buch lenkt unsere Gefühle, unsere Denkweise und unsere Handlungen durch gezielte Übungen in konstruktive Bahnen: •- Die innere Haltung wird ebenso gestärkt wie die Körperhaltung. •- Mit einem optimalen Stimmtraining erreicht man die gewünschte verbale Wirkung. •- Die richtige Atmung sorgt für Klarheit und Ruhe. •- Tipps gegen Lampenfieber helfen, die Nervosität zu kontrollieren. •- Unsichtbare Energien werden aufgedeckt und nutzbar gemacht. Mit dem Buch gewinnen die Leser*innen Vertrauen in Situationen zurück, in denen sie sich zuvor unsicher gefühlt haben: Meetings, Präsentationen oder Reden werden selbstbewusst gemeistert und die Teamfähigkeit wird geschult. 128 S., kart., E-Book inside • € (D) 24,00 • ISBN 978-3-7495-0192-2 • Auch als E-Book erhältlich Annette Marquard Starker Auftritt Das Trainingsprogramm für mehr Selbstbewusstsein im Berufsleben Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 zusagen die Wiederauflage des damaligen Qualifizierungsprogramms aus dem Jahr 1998. Hasso Reschke begleitet die Entwicklung wohlwollend, aber auch kritisch. Seine Genauigkeit im Detail verlangt von den Autoren eine gute Vorbereitung. Wir alle schätzen seine kritischen Hinweise und sein Hinterfragen von vermeintlich abgesicherten Positionen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Hasso Reschke zum ersten Lehrgang als Gastredner bei der Eröffnungsveranstaltung begrüßen dürfen. Brigitte Schaden, Präsidentin von Projekt Management Austria (pma) Hasso Reschke hat sich schon zu einem Zeitpunkt für Projektmanagement interessiert, da wusste ich noch gar nicht, dass es das überhaupt gibt! 1979 war er Gründungsmitglied der GPM und ich studierte an der Technischen Universität in Wien. Das Thema Projektmanagement wurde nicht gelehrt. 1983 hat er gemeinsam mit Heinz Schelle die erste GPM Jahrestagung organisiert und ich habe zumindest schon Projekte geleitet, ohne allerdings zu wissen, dass es welche waren! Ich habe halt „Dinge“ umgesetzt, die „jemand“ wollte. 1999 gründete er das Institut für Prozess- und Projektmanagement. Da war ich schon sehr nahe, ich war im Vorstand von Projekt Management Austria, war IPMA Level B zertifiziert und war gerade dabei in einem großen Handelsunternehmen „Performance Management“ zu etablieren. Das war eine Mischung aus Projektmanagement, Organisationsentwicklung und Personalmanagement, sehr spannend! Von da an haben sich unsere Wege nicht sehr oft, aber doch immer wieder gekreuzt. Ich möchte heute einmal DANKE sagen! Nur durch das Engagement und die Leidenschaft von Menschen wie Hasso Reschke steht Projektmanagement in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt heute so prominent da. Sie sind Wegbereiter und auch heute noch Wegbegleiter. In zweiter Linie will ich natürlich alles, alles Gute zum Geburtstag wünschen. Lassen Sie sich ordentlich feiern! ! Erfolgreiche kaufmännische Führung von Projekten Dr. Hans Knöpfel, Vorstand und Ehrenpräsident der spm Nach dem Betriebswirtschaftsstudium und der Promotion über die internationale Standortwahl kaufmännischer Unternehmungen denkt Hasso Reschke, dass Projekte eine spannende Idee sind, auch weil er sein Leben nicht mit dem Aufstellen von Kostentabellen in Betrieben verbringen will. Allerdings stellt er fest, dass Projektleitende in der Praxis Könige ohne Land sind-- immerhin Könige. Er wird dann mit der Vertragsabwicklung bei der ESA betraut; ein erster Schritt im Aufstieg ist geschafft. Nicht lange Zeit nachher wird er Professor für betriebliches Rechnungswesen und Projektmanagement im Fachbereich Wirtschaftsingenieure. Die Richtung stimmt, aber es wartet einige Arbeit auf ihn, weil Projektmanagement zu oft mit Netzplantechnik gleichgesetzt wird. Im Jahr 1979 ist er bei der Gründung der GPM und dem Weltkongress der IPMA (Proceedings mit 1792 Seiten) als Mitglied der Leitung gefordert. Später weist er in der Festschrift für Roland Gutsch auf die große Aufgabe des Topmanagements und der Steuerungsausschüsse für die strategische Voraussicht und Steuerung der Projekte hin. Er ist auf dem C-Level des Projektmanagements angekommen. Charakteristisch für die Tätigkeiten von Hasso Reschke im Projektmanagement sind insbesondere • klare Aufgaben und Zuständigkeiten, • unverzichtbare wirtschaftliche Analyse, Steuerung und Zielerreichung, • konkrete finanzielle Planung und Kontrolle, • verlässliche und effiziente Administration, • alles mit zuverlässigen und zukunftstauglichen technischen Lösungen. Er wird geschätzt als präzis wie ein Kaufmann, verlässlich als Teammitglied, ausgezeichneter Organisator, nie abgehoben, sondern auf dem Praxisboden der Fachhochschule, nie stillstehend, sondern an neuen Entwicklungen interessiert. Kürzlich ist als eine Synthese der Standard für das Commercial Project Management- - die administrativen und kaufmännischen Tätigkeiten im Projektmanagement-- dazugekommen. Hasso Reschke bleibt bei Schusters Leisten, bei Projekten und ihrer erfolgreichen kaufmännischen Führung. Er leistet die vollständige, rechtzeitige, sachgerechte und projektbezogene Aufgabenerfüllung, die er auch von andern erwartet. Dem Jubilar wünsche ich eine weitere abwechslungsreiche, projektbezogene und erfreuliche Zukunft, zusammen mit seinen Fachkollegen und Fachkolleginnen, seinen Freunden und seiner Familie! Quellen • Proceedings 6 th INTERNET Congress (1979) • Dimensions of Project Management (1990, S. 85-89) • Portrait von Oliver Steeger in PROJEKTMANAGEMENT AK- TUELL (1 / 2002, S. 57-58) • Commercial Project Management, PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL (4 / 2020, S. 24-26) Memories of a Long Friendship Ivars Avots, einer der frühen Pioniere des Projektmanagements Competent, reliable and fun to be with- - that characterizes Hasso with whom I have worked and traveled since 50 years ago. Those were the times when project management was still new and exciting. It gave rise to the PMI, GPM and, most importantly, IPMA. Serving in these organizations involved traveling, meeting people from across the world and forming relationships with many of them. The Reschkes and the Avots found many common interests, and we have maintained close contact as our children grew up and pursued their careers. We can look back on many successful seminars and meetings, but sometimes on the side were events that had not been planned. For example, when Hasso and Roland Gutsch attended a PMI symposium in California, one of their side objectives was to dip their toes in the Pacific ocean. They had their bathing suits and towels, but found only a cold empty beach and fog over the water. We have also experienced some events that could have ended badly. Driving from Boston to Montreal with the Resch- Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 kes to a PMI symposium, we had to cross some mountains in Vermont. Going up a hill, Hasso noted a bumping noise beneath the car. I stopped promptly and found that one of the wheels had gotten lose. Another scary moment happened on a side trip on Capri. I was with the Reschkes on a boat entering the Blue grotto when Angelica lost a contact lens. Miraculously, Hasso found the lens on the bottom of the boat once we emerged into daylight. As we get older, we tend to fall behind the changing technology and methodology that has affected project management. Hasso is one of those practitioners who has continued to keep up with these developments. Let us wish him to keep going for many more years. Die GPM-- ein Familienbetrieb Anja Reschke, Tochter, Journalistin und familiäre Gründungshilfe der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Die GPM, dem geneigten Leser dieses Mediums ja vermutlich bestens bekannt, trat in mein Leben in Form eines Telefons. Genauer gesagt, eines roten Telefons. Wie jeder weiß, entstehen Dinge nicht von allein, und von der Idee bis zu einem veritablen Verein braucht es Menschen, die das in die Hand nehmen, daran glauben und sich dafür einsetzen. Als es darum ging, die Gesellschaft für Projektmanagement zu gründen und aufzubauen, war mein Vater mit Feuereifer dabei. Und wir als seine Familie ebenso. Da die GPM zur Gründungszeit weder über Geld noch Personalkapazitäten für ein eigenes Büro verfügte, wurde das Sekretariat dieses neuen Vereins, kurzerhand bei uns zu Hause eingerichtet. Auf dem Stehpult in unserer Diele, auf dem sich bereits unser waldgrünes Familientelefon befand, wurde ein weiterer Apparat installiert. Das rote Telefon. Zunächst mit Wählscheibe, später dann mit Tasten. Das rote Telefon- - für uns Kinder tabu. Es war das GPM Telefon! Wir durften nicht rangehen. Auf keinen Fall. Auch nicht, wenn meine Mutter, die im Prinzip das Sekretariat dieses neuen Vereins war, teilweise mit Baby, meinen kleinen Bruder auf dem Arm, nicht da war und es klingelte. Und es klingelte oft. Wir gingen trotzdem manchmal ran. Diese Klingelei musste ja aufhören. Im besten Fall war Heinz Schelle dran. Das war gut, denn ihn kannten wir. Im schlechteren Fall jemand, der nur Englisch sprach. Meiner Erinnerung nach wurden sämtliche GPM Tagungen, Kongresse und Vorstandsbesprechungen der ersten Jahre über dieses rote Telefon abgewickelt. Mein Vater war viel beschäftigt in dieser Zeit. Er muss was für die GPM machen, hieß es dann. Und später, als es schon ein richtiges GPM Sekretariat in der Stadt gab, fuhren wir eigentlich vor jedem Urlaub mit vollgepacktem Wagen nochmal kurz in der GPM vorbei, weil mein Vater dort noch schnell etwas abgeben, holen oder besprechen musste. Auch mein Bruder und ich bekamen eine ausgesprochen wichtige Aufgabe übertragen, die uns sogar half unser Taschengeld aufzubessern. Wir waren für das Sortieren und Verschicken der GPM Unterlagen zuständig. Das spielte sich jedes Mal nach einem ähnlichen Prozedere ab. Mein Vater kam mit dutzenden Kisten und Kartons vollgepackt mit Papieren, Prospekten und Briefumschlägen nach Hause, die auf unserer Terrasse gestapelt wurden. Das war unser Arbeitsbereich. Praktisch, da überdacht. Regen war also kein Problem für uns. Wir bekamen eine genaue Einweisung, in welcher Reihenfolge Blätter gefaltet, in Kataloge eingelegt und dann in Briefumschläge gesteckt werden sollten. Die Briefe mussten dann von uns mit den vorgedruckten Adressaufklebern versehen und frankiert werden. Dafür hatte mein Vater große Bögen mit Briefmarken besorgt, die wir auf die Umschläge kleben mussten. Da einem spätestens nach dem 10. Brief die Spucke ausgeht, erdachten mein Bruder und ich uns das System, die Briefmarken über einen nassen Lappen zu ziehen. Über die Jahre bekamen wir ordentlich Routine und wenn nicht irgendwann eMails erfunden worden wären, hätten wir das sicher zu einer veritablen Profession ausbauen können. Das Beste aber kam zum Schluss. Wenn alle Briefe eingetütet, adressiert und frankiert waren, mussten sie zur Post. Die hatte aber zu damaligen Zeiten nicht immer offen. Eigentlich war sie überhaupt mehr geschlossen als offen. Bis heute wundere ich mich, wie die Wirtschaft bei diesen Ladenöffnungszeiten funktionieren konnte. Da sich die GPM Tagungen aber wirklich nicht nach den Schalterzeiten der Post richten konnten, beluden wir das Auto mit den fertigen Sendungen, das waren mehrere hunderte Briefe, und fuhren die Briefkästen in der Umgebung ab. War ein Briefkasten vollgestopft bis obenhin, wechselten wir zum nächsten. Bis heute wüsste ich gerne, was sich der Postbeamte, der für die Leerung der Briefkästen in unserer Umgebung zuständig war, an solchen Tagen wohl gedacht hat. Was genau die GPM machte, blieb uns lange unklar. Aber wir bekamen mit, dass es irgendwie eine große Gemeinschaft war. Der Vorstand traf sich in regelmäßigen Abständen auch privat und oft durften auch die Kinder mit. Einmal waren wir gemeinsam rudern in einem professionellen Ruderboot. In Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0068 mehreren Reihen hintereinander legten wir uns motiviert in die Riemen, bis wir nach kurzer Fahrt feststellen mussten, dass das Boot leck lief. Aber zum Glück waren ja genug Projektmanager an Bord, die das sofort professionell in die Hand nahmen und zwei Personen zum Abschöpfen des einlaufenden Wassers abkommandierten, sodass wir unsere Fahrt mühelos fortsetzen konnten. In meiner Vorstellung damals war die GPM eine große spaßige Sause. Dieser Spaß übertrug sich auch auf die vielen Tagungen und Kongresse, die in den ersten Jahren oft wie in einem Familienbetrieb durchgezogen wurden. Nicht nur wir Reschkes, auch die Familien der anderen Vorstände halfen bei Organisation, bei der Registrierung und auch bei der Gestaltung des Rahmenprogramms mit. Überhaupt, das Rahmenprogramm! Das war das Ding meines Vaters. Den von überall angereisten Speakern, Referenten und Gästen am Abend etwas Einmaliges bieten zu können, das war ihm wichtig. Als im Jahr 1993 der internationale Pharma-Kongress in Garmisch-Partenkirchen stattfand, ließ mein Vater in der Bayernhalle Blasmusik, Goaslschnoalzer und Alphornbläser auftreten. Mein Bruder und ich, die uns inzwischen von Brieffaltern zu Regististrierungsdesk-Managern hochgearbeitet hatten, moderierten den Abend in Lederhosn und Dirndl, am Eingang gab es Enzianschnaps. Die Veranstaltung begann um 19 Uhr, um 19: 45 Uhr stand die schwedische Delegation bereits singend auf den Tischen. Ein voller Erfolg! Garmisch war ohnehin häufiger Ort von GPM Veranstaltungen. Ein paar Jahre zuvor hatten sich Heinz Schelle und mein Vater eine „AlpenglühenParty“ mit Fackelwanderung durch die Partnachklamm überlegt. Dafür mussten allerdings über hundert Gäste mit der damals noch sehr antiken Seilbahn, die immer nur vier Personen fasste, auf den Eckbauer transportiert werden. Leider war dem Wetter nicht nach Alpenglühen, die rosa erwarteten Berge hüllten sich an diesem Abend in tristes grau. Mein Vater deklarierte kurzerhand den Cocktail, der dank Campari eine leicht rosa Färbung hatte, zum Alpglow-Cocktail und die Sache war geritzt. Da sich am Himmel aber bereits einige bedrohliche Wolken zusammenbrauten und die ganze Gesellschaft ja noch durch die Partnachklamm zu Tal bugsiert werden musste, die ganze Sache zu kippen drohte, wurde der Abend etwas schneller als geplant durchgezogen, damit das wanderwütige internationale Publikum noch heil vom Berg kommen konnte. Die Wirkung des Alpglow-Cocktails war an dieser Stelle sicher hilfreich. Ich glaube ich habe an diesen Rahmenprogramm-Abenden mehr über Management gelernt, als man je in den vielen sicher hervorragenden Fachvorträgen hätte erfahren können. Nun wird mein Vater 80 Jahre alt und längst haben Enkel Einzug in das Haus meiner Eltern gehalten. Und ich weiß nicht, ob man das damals mit der Vorratsbestellung von Büromaterial übertrieben ernst nahm oder ob die Digitalisierung für das GPM Büro so überraschend kam, dass man es nicht geschafft hatte, vorher alle karierten Blöcke voll und alle Kugelschreiber leer zu schreiben. Aber bis heute prangt auf allen Bildern, die die Enkel im Hause Reschke für den Opa malen, oben in der Ecke das GPM Logo. Das Wort GPM ist allen geläufig, ohne dass auch nur eines der Enkelkinder genau erklären könnte, was sich dahinter verbirgt. Aber dass es etwas ist, das dem Opa wichtig ist, etwas, mit dem er immer noch gerne Zeit verbringt, und dass es ihm Spaß macht, sich dafür einzusetzen, das wissen sie. Und das ist doch das Beste, was man der nächsten Generation mitgeben kann. Geburtstag | Hasso Reschke zum 80. Geburtstag Österreichs größter PM-Kongress · Erfahren Sie, welche dauerhaften, zeitlosen Tools und Methoden Projektmanagement in unberechenbaren, technologiebestimmten Zeiten zur Verfügung stellt. · Werfen Sie gemeinsam mit unseren Expert*innen einen neuen Blick auf klassische Kernkompetenzen des Projektmanagements und (wieder-)entdecken Sie Ressourcen, um weiterhin innovative Lösungen zu finden. ·- Wir zeigen Ihnen, warum gerade traditionelle Werte und PM-Kernkompetenzen wichtiger denn je sind und auch in Zukunft relevant bleiben. Eine Auswahl unserer Speaker: Weiters im Programm: · Thomas Aigner / Time Machine Organisation, Mark Geßner / Tragfläche, Julia Kvas & Karin Strallhofer / Mondi AG und viele mehr. · Humoristische Abschlusskeynote: Thomas Maurer member of 21. Oktober 2021 Austria Center Vienna #pmafocus21 2021 pma.at Projektmanagement-bewährt.aktuell.erfolgreich 21. Oktober 2021 Austria Center Vienna #pmafocus21 2021 Projektmanagement- bewährt.aktuell.erfolgreich Projektmanagement- eine zeitlose Disziplin Jetzt anmelden: pma.at/ focus Hybrides Event: Teilnahme Online oder vor Ort! Toni Innauer Katayun Pracher-Hilander Tristan Horx © Johannes Weiss 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten Michael Frahm Für eilige Leser | Der Beitrag gibt einen Einblick in die faszinierende Welt der Groß- und Megaprojekte und befasst sich insbesondere mit „Erfolgsprojekten“ und den Gründen, warum diese erfolgreich waren. Der Beitrag versucht durch die Auswertung von Projekten und durch Literaturrecherche einen ersten Beitrag für die Bildung von „Erfolgsmustern“ zu liefern. Schlagwörter | Erfolgsprojekte, Erfolgsmuster, Risiko, Guggenheim Museum Bilbao, Heathrow Einleitung 1 Die Berichterstattung und akademische Literatur hat sich in der Vergangenheit mehrheitlich mit der schlechten Performance von Groß- und Megaprojekten befasst. Das bedeutet, man weiß zumindest zu Teilen, warum etwas nicht funktioniert. Was ist aber mit den Projekten, die ein Erfolg waren? Schenkt man Flybjergs „Iron Law of Megaprojects 2 “ [1] vollständig Glauben, so müsste wenigstens jedes 10. Projekt ein Erfolg sein; folgt man Merrow [2], so sind 1 / 3 der Projekte ein Erfolg im Kontext der Iron Triangle 3 . Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, sich einmal weniger mit den Ursachen des Scheiterns und mehr mit Mustern des Erfolges zu beschäftigen [3]. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich daher mit vermeintlichen Erfolgsprojekten im Kontext der Iron Triangle und mit relevanter Literatur und stellt die Erkenntnisse daraus dar. Definition: Großprojekt, Megaprojekt Für Groß- und Megaprojekte gibt es keine einheitliche Definition. So zählt Greiman [4] z. B. eine Liste von 25 Faktoren auf, einige davon sind: • die lange Laufzeit (10, 20, 30 Jahre oder mehr), • Entwurf und Konstruktion (Superlative, Innovation, Neuland), • großes öffentliches Interesse (Betroffene, Bürger, Medien), • unterschiedlichste Stakeholder (extrem viele), • Risiken (extrem hohe Risiken). Greiman stellt sinnhafterweise einen Kontext zur Organisations / Systemgröße (Relation Investitionsbedarf zu Investitionsvermögen) her. Das BMVI beschreibt in seinem Endbericht [5] ebenfalls keine starre Definition. Es wird ein grober Anhaltspunkt von 100 Mio. € Investitionsvolumen für Großprojekte genannt. Aber auch Projekte mit niedrigerem Investitionsvolumen, aber dafür einer langen Realisierungsdauer, einer hohen politischen und gesellschaftlichen Bedeutung, einer hohen Komplexität 4 und hohen Risiken können ein Großprojekt sein. Flyvbjerg [1] wiederum definiert mit seiner Faustformel 5 grob Großprojekte im Bereich von 100 Mio US $ und Megaprojekte im Bereich von 1 Mrd. US $. Die Kapitelkosten geben demnach ein Indiz, aber der Kontext und das Zusammenkommen verschiedener Faktoren sind relevant. Performance Die Performance von Groß- und Megaprojekten wird, wie bei allen Projekten, maßgeblich an der „Iron Triangle“ festgemacht. Nun ist es fraglich, ob dies diesen Projekten gerecht wird. So beschreibt z. B. Vickermann [6], dass es einen weiträumigen positiven wirtschaftlichen Einfluss von 10-20 % der kalkulierten Investitionskosten auf das Projektumfeld gibt. Auch der sogenannte „Bilbao“-Effekt 6 im Kontext des Guggenheim Museums soll nicht unerwähnt bleiben. Eine evidente Datenbasis ist hierzu allerdings nicht bekannt. Dennoch ist ein multiperspektivischer Ansatz, wie diesen Shenhar [7] empfiehlt, interessant und für Groß- und Megaprojekte zu diskutieren. Shenhar schlägt dazu folgende Performance-Dimensionen vor: 1.) Projekteffizienz: z. B. Kosten, Termine, Qualität 2.) Einfluss auf Kunde / Nutzer: Wissen | Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 z. B. Kundenzufriedenheit, Nutzungsintensität 3.) Finanzieller Nutzen: Ausgaben / Einnahmen-Verhältnis 4.) Einfluss auf die Gesellschaft: z. B. Menschheit, Umwelt, Wissenschaft Shenhar [7] hat anhand einer Studie 14 Megaprojekte ausgewertet und folgende unabhängige Erfolgsfaktoren identifiziert, welche erfolgreiche Projekte ausmachen und vorhanden sein müssen. Diese sind: 1. Strategische Vision: Ziele, Mission, Wert-Generierung 2. Gleichrichtung der Interessen: z. B. adäquate Kommunikation und schnelle Reaktionsfähigkeit, Ausgereifte Organisationsstrukturen, Kooperation und Partnerschaft, hohes Maß an Identifikation mit den Projektzielen 3. Adaptierung der Komplexität: z. B. Einsatz geeigneter Technologie und Methoden, schnelle Reaktion der Organisation auf Veränderung Nachstehend werden zwei Projekte mittels kurzem Steckbrief dargestellt und ausgewertet. Diese Projekte waren „Erfolgsprojekte 7 “ ohne (nennenswerte) Überschreitungen im Bereich der Kosten und Termine. Die Projekte werden anhand der von Shenhar empfohlenen Performance-Dimensionen und Erfolgsfaktoren während ihrer Bauzeit betrachtet und anschließend ausgewertet. Erfolgsprojekte Großprojekt: Guggenheim-Museum Bilbao Das Guggenheim-Museum Bilbao ist ein Kunstmuseum für Moderne Kunst in Bilbao im spanischen Baskenland. Es hat eine Ausstellungsfläche von 11.000 m². Projektart: Bauprojekt, Hochbau, Museum, innerorts. Spanien Projekteffizienz: Bauzeit: 1993-1997, Baukosten: ca. 100 Millionen US-Dollar. Komplizierte Konstruktion mit hochwertigen Bauteilen Einfluss auf Kunde / Nutzer: Das Guggenheim-Museum verfügt über 32.673 Google-Rezensionen und erreicht im Durchschnitt 4,5 von 5 Sternen. Finanzieller Nutzen: Die erwartete Besucherzahl von 600.000 Besuchern wurde jedes Jahr übertroffen. Zum zehnjährigen Bestehen 2007 wurde der zehnmillionste Besucher begrüßt. Die Besucherzahl hat sich bei jährlich einer Million Besucher eingependelt, davon kommen 60 % aus dem Ausland. Einfluss auf die Gesellschaft: Es handelt sich um eines der berühmtesten Gebäude des 20. Jahrhunderts. Das Museum ist neben der großen kulturellen Bereicherung für Bilbao und die ganze Region Nordspaniens auch ein wirtschaftlicher Erfolg, der mehrere tausend Arbeitsplätze geschaffen hat. Die dadurch stattgefundene Aufwertung der Stadt und der Region wird wie im Text bereits erwähnt, der Bilbao-Effekt genannt. 2001 erhielt das Gebäude den „Outstanding Structure Award“. Strategische Vision: Das Bilbao Museum war strategischer Bestandteil der Revitalisierung der angeschlagenen Wirtschaft der Stadt Bilbao mit dem Neubau der Metro Bilbao, einem neuen Flugzeug-Terminal, einem Bahnhof, einer 25.000 m² großen Musikhalle und der „Zubizuri / Calatrava“- Brücke. Gleichrichtung der Interessen: Das Unternehmen IDOM wurde aufgrund seiner kollaborativen Arbeitskultur für das Management von Planung und Bau engagiert. Als Projektmanager und ausführender Architekt hatte IDOM von der Auftraggeber-Organisation klare Ziele bekommen. Sie waren für die Einhaltung der Kosten, die Eröffnung 1997, höchste Bauqualität, die Nutzung von lokalen Ressourcen und eine kooperative Zusammenarbeit mit dem Entwurfsarchitekten Frank Gehry und Team verantwortlich. Adaptierung der Komplexität: Die Planungs- und Bauphasen wurden überlagert. Es gab „Freeze Zones“ für Planungsänderungen. Die Kostensteuerung erfolgte mittels eines „Echtzeit“-Kostenkontrollmodells (alle 6 Wochen). IDOM schlug 20 % für Unvorhergesehenes auf die Kalkulation. Ver- Abbildung 1: Guggenheim Museum Bilbao - MykReeve.-- Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https: / / commons.wikimedia.org / w/ index.php? curid=54 632 Wissen | Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 gabe und Bau wurde in „Pakete“ aufgeteilt. Es erfolgte eine 3-dimensionale-Planung als Grundlage für die Fertigung. [8] Megaprojekt: Heathrow Terminal 5 Der Heathrow Terminal 5 ist ein Flughafen-Terminal am Heathrow Airport am Rand von London. Die 2008 eröffnete Stahl- Glas-Konstruktion (Länge: 396 m, Breite: 176 m, Höhe 40 m) ist das größte freistehende Gebäude in Großbritannien. Es ist ein ultra-funktionales Gebäude mit 60 Flugzeugstandplätzen und einer 26 km langen Gepäckabfertigungsanlage für 4.000 Gepäckstücke die Stunde. Projektart: Flughafen, Bauprojekt, England, Gewerbegebiet Projekteffizienz: Bauzeit: 2002-2008 (Anfangsschwierigkeiten mit der Gepäckabfertigung nach der Inbetriebnahme), Baukosten: 4,3 Mrd. britische Pfund (ca. 4,6 Mrd. €). Einfluss auf Kunde / Nutzer: Zwischen 2012 und 2016 wurde die Anlage 5-mal zum besten Flughafen-Terminal der Welt gewählt (Skytrax World Airport Awards). Finanzieller Nutzen: Das Terminal wurde für die Abfertigung von ca. 35 Millionen Passagieren pro Jahr (ca. 95.000 Passagiere / Tag) konzipiert. Im Jahr 2018 wurden im Terminal 5, 32,1 Millionen Passagiere auf 211.000 Flügen abgefertigt. Das Terminal gilt als der verkehrsreichste, größte und sicherste Flughafen in Großbritannien. Er wird von 90 Fluggesellschaften verwendet, welche zu 170 Zielen (11 % britische Reisende, 43 % Kurzstrecke, 46 % Langstrecke) fliegen. Einfluss auf die Gesellschaft: Während der 19-jährigen Projektlaufzeit (davon 6 Jahre Bauzeit) schaffte das Terminal 60.000 Arbeitsplätze in verschiedensten Arbeitsbereichen. Durch den Betrieb des Terminals wurden 68.000 Arbeitsplätze geschaffen. Strategische Vision: Neue Kapazitäten für den Flugverkehr und somit neue Einkunftsquellen mit einem der modernsten Flughäfen der Welt. Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung des Flughafens in Heathrow. Gleichrichtung der Interessen: Der Auftraggeber, BAA-- British Airport Authority, setzte das Projekt gegenüber seinen Auftragnehmern mit einer Open-Book-Philosophie um. Durch den Auftraggeber wurden die organisatorischen Rahmenbedingungen vorgegeben, um die multiparteilichen Verhältnisse der 60 Hauptauftragnehmer und deren Nachunternehmer zu regeln. Alle Risiken verblieben bei der BAA. Für die konzertierte Zielerreichung erhielten die Auftragnehmer Bonus-Zahlungen, welche aus dem Risikobudget verwendet wurden. Alle Beteiligten mussten auf der Baustelle arbeiten. Adaptierung der Komplexität: Die Auftraggeber-Organisation legte sehr großen Wert auf einen kollaborativen Planungsprozess und wendete die Last-Planner-Methode an. Durch den Einsatz von 3D-CAD-Modellen wurde jedes Bauteil des Terminals digital vorgebaut. Die Auftraggeber-Organisation förderte durch Vorfinanzierung ausdrücklich Standardisierung, modulares Bauen und Vorfertigung. [9] Erfolgsmuster Beschäftigt man sich mit Groß- und Megaprojekten wird immer wieder die Frage gestellt, wie gehen denn nun erfolgreiche Projekte? Wie sieht das „geheime“ Erfolgsrezept aus? Welche einfache Lösung gibt es zur Lösung der komplexen Aufgabenstellung. Einfache Lösungen wurden vom Autor nicht gefunden- - aber es gibt einige Punkte in welchen sich die „erfolgreichen“ Projekte ähneln. Hier kann man erste Regelmäßigkeiten, Wiederholungen, Ähnlichkeiten oder eben Muster erkennen. Neben den zwei dargestellten Projekten wurden weitere Projekte betrachtet (Metro Madrid, Oresundbrücke, Mall of America, Steinbühltunnel). Auf dieser Basis und unter Würdigung einschlägiger Literatur, wie z. B. [2], [4], [5], [7], aber insbesondere Denicol [3], wurde die Bildung von Bereichen vorgenommen, unter welchen sich diese Punkte subsumieren lassen. Die Bereiche sind nachfolgend dargestellt und grob erläutert: • Entscheidungsfindung (Decision Making) Hier finden sich vor allem Themen, welche die Entscheidungsfindung verbessern und das „Debiasing 8 “ von Entscheidungen sicherstellen soll. Naturgemäß ist die Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit zu Projektbeginn am größten, daher sollte das Thema hier sicherlich seine Bedeutung finden, tatsächlich ist es aber über den gesamten Projektverlauf wichtig. • Organisationsgestaltung (Manage Organisation) Folgt man Merrow 9 [2] oder Greiman 10 [4] spielen die organisatorischen Rahmenbedingungen eine sehr wichtige Rolle, wenn es um den Erfolg geht. Daher finden sich in diesem Bereich Themen der Organisationsgestaltung, welche Aufbau, Prozess und Steuerungsorganisation im Kontext Lebenszyklus umfassen. Aber auch die Themen Management Abbildung 2: Heathrow Terminal 5 By Warren Rohner-- Flickr, CC BY-SA 2.0, https: / / commons.wikimedia.org / w/ index.php? curid=8 723 297 Wissen | Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 und Personal sind hier verortet. Bei der Organisationsgestaltung handelt es sich um einen Themenbereich, welcher über den gesamten Projektverlauf anspruchsvoll ist. Während der baulichen Umsetzung ist der Ressourcenbedarf wohl am größten, dies ist strategisch zu berücksichtigen. • Strategische Ausrichtung (Strategic Orientation) In diesem Bereich findet sich die Strategie bzw. die oberste normative und strategische Ausrichtung wieder, wo Themen wie Sicherheit, Transparenz, Kooperation und Gleichrichtung der Interessen platziert sind. Die richtige Weichenstellung eines Projektes von Beginn an und ein durchgängiger Kurs sind erfolgsentscheidend. • Risiko und Unsicherheit (Risk and Uncertainty) In diesem Bereich sind z. B. die Themen faire Risikoverteilung, Risikominimierung durch Einsatz erprobter Technologie, aber auch das Phänomen des „Black Swans“ verortet. Im Kontext des Projektverlaufes ist zu berücksichtigen, dass insbesondere in frühen Projektphasen mit Risiken noch besser umgegangen werden kann. • Stakeholder Management (Stakeholder) In diesem Bereich ist das sehr wichtige Stakeholder Managements festgehalten. Erfahrungsgemäß spielt dies insbesondere vor Umsetzung eine entscheidende Rolle, um abstrakte komplizierte Sachverhalte zur transportieren. Ist man mit einem Projekt im Bau, kann man oft mit der Umsetzung an sich begeistern. • Planung (Planning) Hier ist die Planung und Vorbereitung verortet. Häufig dauert diese sehr lange und macht bei einigen Projekten 2 / 3 der gesamten Laufzeit aus. Erfolgsevident ist hier die sehr hohe Planungstiefe in frühen Planungsphasen, aber auch das wirksame Management von Änderungen und Schnittstellen. Es sollte grundsätzlich das Kredo gelten „Erst planen, dann bauen“ Die Planung hat Ihren Schwerpunkt vor Umsetzung, spielt aber über den gesamten Projektverlauf eine erfolgsentscheidende Rolle. • Produktion (Production) Wenn alle zuvor genannten Punkte gut umgesetzt wurden, ist die Produktion die stabilste Projektphase. Wenn nicht, dann kann diese sehr chaotisch sein. Erfahrungsgemäß ist es positiv für die Produktion, wenn handelnde Personen von Auftraggeber und Auftragnehmer vom Ort der Produktion aus arbeiten und es ein gemeinsames Produktionssystem gibt, welches sich auf die Produkterstellung fokussiert. Auf Grundlage der oben genannten Datenbasis konnten 40 Punkte (siehe Tabelle 1) identifiziert und den zuvor erläuterten Bereichen zugeordnet werden. Da sich auch die Frage stellt, wie diese Gruppen und Punkte zusammenhängen, wurden die Punkte 11 in einer Social Network Analyse (siehe Abbildung 3) mit Kumu.io verbunden und untersucht. Die Bereiche und Punkte sind nicht abschließend. Es ist ersichtlich, dass es nicht die eine alleinstehende erfolgversprechende Vorgehensweise gibt. Vielmehr ist ein gutes Zusammenspiel vieler Vorgehensweisen und Maßnahmen und deren wirksame Adaption wichtig. Zu diesem Ergebnis kommt auch Denicol [3]. Entscheidungs Findung (Decision Making) ja nein 1 Auf Optimism Bias achten 2 Auf Hirschmanns Hidings Hand achten 3 Auf Escalating Commitment achten 4 Auf Strategic Misrepresentation achten 5 Reference Class Forecasting durchführen 6 Kontrolle durch unabhängige Experten durchführen Organisationsgestaltung (Manage Organisation) 7 Autorisierte und erfahrene Manager 8 Erfahrenes Projektpersonal 9 Klare Aufbau, Prozess- und Steuerungsorganisation 10 Autonomie und Kohesion (z. B. zwischen Programm und Projekt) 11 Schneller und geeigneter Personalaufbau 12 Weiterentwicklung der Organisation entlang des Lebenszyklus Strategische Ausrichtung (Strategic Orientation) 13 Sicherheit zur obersten Priorität machen 14 Transparente und konstruktive Fehlerkultur 15 Schaffung einer „One Team“ Mentalität zur Förderung von proaktivem Handeln 16 Klare Bereitschaft zu Kooperation und Kollaboration 17 Gleichrichtung der Interessen Wissen | Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 Risiko und Unsicherheit (Risk and Uncertainty) 18 Verwendung von moderner aber auch gerpüfter Technologie 19 Vorbereitungsphase reduzieren (Bei hoher Planungstiefe) 20 Auf den „Black Swan“ achten 21 Etablieren einer fairen Riskoverteilung 22 Intensive Betrachtung von Kosten, Terminen, Risiken, Schnittstellen und Änderungen über alle Projektphasen Stakeholder Management (Stakeholder) 23 Beachte: Öffentlichkeits- und Pressearbeit sind ein wesentlicher Bestandteil eines guten Projektmanagments 24 Projektinformationen sind auf Basis substantieller Planungen abzugeben 25 Schlüssel Stakeholder sind in frühern Phasen zu involvieren und zu informieren 26 Groß- und Megaprojekte sind eine „Public Journey“, d. h. ein professionelles Stakeholdermanagment von Beginn an ist wichtig 27 Die Grenzen der Beteiligung sind auch aufzuzeigen Planung (Planning) 28 Frühe Ingegration von Ausführungs Know-how 29 Hohe Planungstiefe in frühen Projektphasen 30 Freeze Zones im Planungsprozess 31 Wirksames Managen von Änderungen und Schnittstellen 32 Cross funktionale Teams 33 Anwenden eines kontextabhängigen Projektmanagement-Methoden-Mix Produktion (Production) 34 Keine reinen Preisvergaben durchführen 35 Anwenden von Standardisierung, Modularisierung und Vorfertigung 36 Etablieren eines wirksamen Produktionssystem (z. B. mit Lean Management) 37 Kollaboration ist monetär zu fördern 38 Schnelle Entscheidungsfindung 39 Alle Beteiligten sollten vom Ort der Produktion aus arbeiten (auf der Baustelle) 40 Streitigkeiten sollten außergerichtlich gelöst werden Tabelle 1. Erfolgsmuster: Bereiche und Einzelpunkte Die Auswertung der Grad Zentralität 12 der Social Network Analyse ergab ein Ergebnis mit folgender Rangfolge: 1. Erfahrenes Projektpersonal 2. Kollaboration ist monetär zu fördern 3. Gleichrichtung der Interessen 4. Autorisierte und erfahrene Manager 5. Schnelle Entscheidungsfindung 6. Klare Bereitschaft zu Kooperation und Kollaboration 7. Etablieren eines wirksamen Produktionssystems (z. B. mit Lean Management) 8. Hohe Planungstiefe in frühen Projektphasen 9. Verwendung von moderner aber auch geprüfter Technologie 10. Klare Aufbau, Prozess- und Steuerungsorganisation Die Berücksichtigung vieler dieser Punkte ist auch für „normale“ bzw. kleinere Projekte relevant. Die zur Auswertung herangezogene Datenbasis ist allerdings Groß- und Megaprojekt-spezifisch. Das Ergebnis ist insgesamt noch nicht repräsentativ, da der Datensatz zu klein ist, es zeigt aber dennoch eine erste Tendenz auf und lädt ein, sich weiter mit der Thematik zu beschäftigen. Ausblick Es wäre wünschenswert, wenn man sich noch deutlich stärker über erfolgreiche Programme, Projekte und Teilprojekte, welche man Groß- und Megaprojekten zuordnen kann, austauscht und die „Muster“ Ihres Erfolges untersucht, festhält und auf Ihre Adaptierbarkeit prüft. Die IPMA macht dies z. B. mit ihrem Wissen | Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 Global Project Excellence Award für Large & Mega Sized Projects. Diese Erfolgsmuster sind dann im Lebenszyklus des Projektes zur verorten. Das Verständnis um, und der Umgang mit Komplexität, sowie die Überführung in ein wirksames Organisationsmodell [11], [12] spielen hierbei eine wichtige Rolle. Hümmer [13] hat z. B. hierzu erst kürzlich eine interessante Arbeit publiziert, mit welcher er die Komplexität über den Lebenszyklus im Kontext internationaler Groß- und Megaprojekte des deutschen Großanlagenbaus untersucht und darstellt. Ich glaube, dass es mehr erfolgreiche Projekte gibt, als man das landläufig annimmt. Dieses „Glauben“ gilt es allerdings zu hinterlegen. Jedenfalls ist es deutlich einfacher an „vermeintliche“ Informationen des Scheiterns zu gelangen. Es ist auch eine Diskussion über die Performance Dimensionen zu führen und ob die „Iron Triangle“ oder doch ein multiperspektivischer Ansatz in Betracht gezogen werden soll. Sicherlich muss aber die „Iron Triangle“ Kern der Betrachtung bleiben. Sachverhalte wie beispielsweise sehr lange Laufzeiten müssen hierbei aber stärker in den Kontext gezogen werden. Sich den Erfolg genauer anzuschauen, macht nicht nur mehr Spaß als sich mit Scheitern zu beschäftigen, es wird auch ein Schwerpunkt der zukünftigen Auseinandersetzung mit Groß- und Megaprojekten werden. So hat auch Flyvbjerg beim letzten Book Club der Special Interest Group Megaprojects der IPMA angekündigt, bald ein Buch über „Erfolgsprojekte“ zu veröffentlichen. Darauf bin ich gespannt und freue mich. In diesem Sinne wünsche ich der Leserschaft „Happy and Succesful Projects“. Literatur [1] Flyvbjerg, B. (2014). What You Should Know About Megaprojects and Why: An Overview. Project Management Journal, 45(2) [2] Merrow, E. (2012). Industrial Megaprojects: Concepts, Strategies, and Practices for Success (1st ed.). Hoboken, New Jersey: Wiley [3] Denicol, J., Davies A., Krystallis, I. (2020) What Are the Causes and Cures of Poor Megaproject Performance? A Systematic Literature Review and Research Agenda. Project Management Journal [4] Greiman, V. (2013). Megaproject Management Lessons on Risk and Project Management from the Big Dig (1st ed.). Hoboken, New Jersey: Wiley [5] BMVI (Hrsg.) (2015). Reformkommission Bau von Großprojekten-- Endbericht. Komplexität beherrschen-- Kostengerecht, termintreu und effizient. Retrieved 09 06, 2019, from https: / / www.bmvi.de / SharedDocs / DE / Publikationen / G/ reformkommission-bau-grossprojekteendbericht.pdf? __blob=publicationFile [6] Vickermann, R. (2017). Wider Impacts of Megaprojects Curse or Cure? In B. Flyvbjerg (Ed.), The Oxford Handbook of Megaproject Management. Oxford: Oxford Press [7] Shenhar, a., & Holzmann, V. (6. 48 2019). The Three Secrets of Megaproject Success: Clear Strategic Vision, Total Alignment, and Adapting to Complexity. Project Management Journa, S. 29-46 [8] Shih, H. (1998). Case Studies in Project Management. University of Berkely [9] AECmag. (24. 11 2019). Case Studies. Von AECmag: www. aecmag.com / case-studies-mainmenue-37 / 253-heathrow-terminal-5 abgerufen [10] Frahm, M. (2021) Success Patterns in Megaprojects. IPMA Global Best Practice Week [11] Frahm, M. (2011) Beschreibung von komplexen Projektstrukturen. PM Aktuell, Fachzeitschrift der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement. Abbildung 3: Erfolgsmuster: Social Network Analyse [10]-- Großformat: elibrary.projektmanagement.digital/ journal/ pm/ 32/ 4 Wissen | Erfolgsmuster in Groß- und Megaprojekten 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0069 Anmerkungen 1 Der Artikel basiert zu Teilen auf dem Buch „Management von Groß- und Megaprojekten“ von Frahm/ Rahebi erschienen 2021 bei Springer. ISBN : 978 - 3 - 658 - 30983 - 1 2 Es handelt sich hierbei um Bent Flyvbjergs festgestellte Gesetzmäßigkeit: „ Over budget, over time, over and over again “, welche zum Ausdruck bringen soll, dass die Performance von Groß- und Megaprojekten in allen Bereichen und auf allen Kontinenten anhaltend schlecht ist [1]. 3 Auch „magisches Dreieck“ genannt, bezeichnet im klassischen (Projekt)Management die maßgeblichen Performancekriterien Kosten, Termine und Qualität und deren direkte Abhängigkeit voneinander. 4 Zur Komplexität gibt es grundsätzlich verschiedene Zugänge und Ansichten. Dies spiegelt wider, dass Komplexität subjektiv ist und vom Kontext, den Akteuren und den Beobachtern abhängt. Ein Basisverständnis kann auf Hans Ulrich , einen der maßgebenden Vertreter und Begründer der St. Gallener Managementschule zurückgeführt werden. Er unterscheidet zwischen Kompliziert und Komplexität wie folgt: Mit Kompliziertheit verbindet er mehr die Zusammensetzung eines Systems, wohingegen die Komplexität mehr die zeitliche Veränderlichkeit beschreibt. Nach Auffassung des Autors hängt Komplexität neben der zeitlichen Veränderlichkeit mit der Anzahl der Elemente im System und mit der Anzahl und der Qualität deren Verbindungen zusammen. Komplexität kann dabei Michael Frahm Michael Frahm, Jahrgang 1979. Ausbildung in Stuttgart, Kaiserslautern, Saarbrücken in Ingenieurwesen und Wirtschaftsrecht. Beruflich seit 15 Jahren im Projektmanagement von Groß- und Megaprojekten tätig. SCiO- - Systems and Complexity in Organisation C / O Steinstr.19, 73 433 Aalen frahm@portalarte.de [12] Frahm, M. (2020) Model based Management Approach in Major/ Megaprojects. IPMA Gobal Best Practice Week. IPMA-- International Project Management Association. [13] Hümmer, M. (2020) Komplexität und deren Beherrschung in internationalen Groß- und Megaprojekten des deutschen Großanlagenbaus. Dissertation, FAU Erlangen- Nürnberg Eingangsabbildung: © iStock.com / saruservice- weiter differenziert werden. Eine Möglichkeit Komplexität zu quantifizieren ist die Maßgröße Varietät. [11] 5 „As a general rule of thumb, ‘megaprojects’ are measured in billions of dollars, ‘major projects’ in hundreds of millions, and ‘projects’ in millions and tens of millions. Megaprojects are sometimes also called ‘major programs.’“ 6 „Bilbao-Effekt“ nach Wolfgang Maennig durch zentrale Lage, in der Umgebung von Gewässern, mit innovativer, oft aber auch wenig funktionaler (oder gar unpraktischer) Architektur, die zugleich provokativ und spektakulär wirkt. 7 Auf Basis vorliegender Informationen und Recherche. 8 Maßnahmen zur Reduktion negativer Effekte durch kognitive Verzerrungen aus menschlichem Verhalten. 9 Ed Merrow (2012): “Success of mega-projects depends on a strong organizational framework” 10 Virginia Greiman (2013): "When projects fail, all roads lead to governance" 11 https: / / www.kumu.io / MichaelF / success-patterns-incomplex-projects 12 Die Gradzentralität gibt an, wie viele Verbindungen ein Punkt zu einem anderen Punkt hat. 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0070 Turnaround-Management in agilen IT-Projekten Jörg Brüggenkamp, Peter Preuss, Tobias Renk Für eilige Leser | Beim agilen Projektmanagement spielt die Konsensfindung selbstorganisierter Teams eine zentrale Rolle. Diese kann in Krisensituationen dazu führen, dass notwendige Entscheidungen verzögert werden. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, im agilen IT-Projektumfeld die Signale möglicher Krisen frühzeitig zu erkennen und mit gutem Turnaround-Management gegenzusteuern. Schlagwörter | Turnaround-Management, Turnaround-Manager, Projektkrise, agiles IT-Projekt, Krisensymptome Vorspann Befindet sich ein Unternehmen in einer wirtschaftlichen Schieflage, ist Turnaround-Management notwendig. Ein solches Management kann aber auch relevant sein, wenn es zu Problemen in IT-Großprojekten kommt. Wie der Begriff bereits ausdrückt, geht es dabei um das „Umdrehen eines Projekts"-- heraus aus der Krise und zurück auf die Erfolgsspur. Obwohl die agile Vorgehensweise das frühzeitige Erkennen von Risiken erleichtert und es daher gar nicht erst zu kritischen Problemen kommen dürfte, zeichnet sich in der Praxis häufiger ein anderes Bild. Agile, selbstorganisierte Projektteams sind bei ruhiger See ein echtes Erfolgskonzept, zumal in dieser Zeit im Prinzip keine Führung benötigt wird. Was ist aber bei stürmischer See zu tun? In diesem Beitrag wird beschrieben, warum agile IT-Projekte in eine Krise geraten können und mit welchen Maßnahmen das Projekt wieder auf Kurs kommt. Projekte in der Schieflage-- Symptome von Projektkrisen Eine Krise aus Sicht des Projektmanagements zeichnet sich durch Ausweglosigkeit und weitreichende Lähmung der Entscheidungsträger aus. Sie entsteht meistens aus einer Abfolge kritischer Situationen, die in der Summe eine große negative Auswirkung auf das Projekt haben und nicht mehr beherrschbar sind. Grundsätzlich gilt: je größer das Ausmaß der Krise, desto weniger Handlungsspielraum bei der Krisenbeseitigung. Die Berechenbarkeit im Projekt geht dann verloren, Entscheidungsalternativen nehmen ab, der Handlungsdruck steigt und ein Ende der kritischen Situationen ist nicht absehbar. Wird die Projektkrise immer größer, kann sie bei Großprojekten sogar in eine Unternehmenskrise münden (siehe Abbildung 1). Auch wenn die Ursachen von Projektkrisen abhängig vom jeweiligen Projekt sind, gibt es dennoch sich wiederholende Symptome. Hierzu gehören beispielsweise: • Der Projektauftrag ist nicht klar definiert und die Projektmitarbeiter wissen nicht, was zu tun ist. • Das Projekt meldet überhaupt keine Probleme. • Es gibt über einen längeren Zeitraum hinweg keine Planänderungen und alle Arbeitspakete sind angeblich seit einigen Wochen schon „fast fertig“. • Die Projektmitarbeiter haben verstärkt Gesprächsbedarf außerhalb des Projekts und sie haben Angst, Probleme offen zu adressieren. • Die Aufstellung der Projektrisiken ist zu kurz oder zu lang. • Im Projekt herrscht eine hohe Fluktuation. • Die Stakeholder stellen sich gegen das Projekt. Werden diese Symptome frühzeitig erkannt, kann die Krise in vielen Fällen noch vom Projektteam selbst gelöst werden. In der Praxis ist aber leider immer wieder festzustellen, dass ein Turnaround-Management erst im späten Verlauf einer sich manifestierten Krise oder sogar erst bei einer nicht mehr beherrschbaren Krise in Anspruch genommen wird. Wissen | Turnaround-Management in agilen IT-Projekten 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0070 Krisenverarbeitung im Projekt In Krisenzeiten agieren Menschen häufig nach einem bestimmten Muster, das die Sterbeforscherin Kübler-Ross in den fünf Phasen des Sterbens beschrieben hat. Diese Sterbephasen sind auch bei Krisen in IT-Projekten zu beobachten (siehe Abbildung 2). Am Anfang der Krise überwiegt die Hoffnung, dass das Ganze „intern“ geregelt werden kann. Da niemand gerne negative Nachrichten erhält, werden in dieser Verleugnen- Phase Informationen nur eingeschränkt weitergegeben und die Kommunikation im Projektteam nimmt kontinuierlich ab, bis sie nachhaltig gestört ist. Als nächstes folgt die Zorn-Phase. Hier werden Projektmitarbeiter ausgegrenzt, Schuldzuweisungen häufen sich, Verteidigungshaltungen werden eingenommen und das Bestehen auf dem eigenen Standpunkt behindert die konstruktive Zusammenarbeit. Oft wird parallel argumentiert, dass die Krisenursache nicht im Projekt oder beim Projektteam zu finden ist. Es werden einfach nur mehr Zeit, größere finanzielle Mittel oder umfangreichere Entwicklungskapazitäten benötigt. Dann würden sich schon alle Probleme lösen und die Krise wäre überwunden (Verhandeln-Phase). Ist das nicht umsetzbar, resignieren viele Mitarbeiter, verlieren das Vertrauen in das Management sowie in die eigene Leistungsfähigkeit und es wird nur noch „Dienst nach Vorschrift“ gemacht (Depression-Phase). Parallel dazu verlieren die Stakeholder das Interesse an dem Projekt oder stellen sich sogar dagegen und die notwendige Projektunterstützung geht langsam verloren. Irgendwann wird die Krise von allen Beteiligten akzeptiert (Zustimmungsphase). Dadurch wird zwar ein Turnaround-Management im Projekt ermöglicht, in vielen Fällen ist es dann aber für eine Sanierung zu spät und das Projekt wird abgebrochen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass ein bewusst herbeigeführter Projektabbruch nicht per se als schlecht anzusehen ist. Er kann eine sinnvolle Maßnahme sein, um die Krise zu beenden. Wird das Projekt im Anschluss neugestartet, ist die Krise häufig erstmal verflogen und es herrscht wieder eine positive Aufbruchsstimmung. Eine erfolgreich gemeisterte Krise kann zu einem konflikt- und krisenfesteren Projekt führen und damit einen positiven Effekt für die Zukunft haben. Wichtig ist aber, dass bei einem Neustart möglichst schnell erste Erfolge vorgewiesen werden können, damit das Ganze kein Strohfeuereffekt ist. Warum agile Projekte in eine Krise geraten können Erstaunlicherweise werden Krisen gerade in agilen IT-Projekten häufig ausgeblendet bzw. nicht als solche wahrgenommen. Das führt dazu, dass erst sehr viel später Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dabei hätte die agile Vorgehensweise mit ihrer empirischen Prozesssteuerung ideale Voraussetzungen, um kritische Situationen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern, bevor es zu einer Krise kommt. Methodenkrise-- Wahl einer geeigneten Projektmanagementmethode Die Wahl der richtigen Projektmanagementmethode und deren unternehmens- und projektspezifischen Anpassungen ist die erste kritische Phase in einem Projekt. Trifft man hier die falschen Entscheidungen, sind die negativen Auswirkungen häufig erst zu einem viel späteren Zeitpunkt sichtbar. Es gibt eine Reihe von Handreichungen und Modellen, die einen bei der Auswahl unterstützen. Hierzu gehören unter anderem die Stacey-Matrix in Kombination mit dem Cynefin-Modell, die Einteilung von Ebert, die Kriterien von Timinger und das Modell von Boehm / Turner. Nach aktuellen Umfragen ist Scrum nach wie vor das meistverwendete Rahmenwerk im agilen Umfeld und wird daher in den nachfolgenden Ausführungen als Beispiel herangezogen. Scrum hat einen guten Anteil an formalen Prozessen, die eine Steuerung von Teams erleichtern und gleichzeitig genügend Freiraum zur Entfaltung bieten. Bei Scrum gibt es ein eigenverantwortliches Projektteam mit den Verantwortlichkeiten Product Owner, Scrum Master und Entwickler. Daneben gibt es aber weitere Beteiligte (Stakeholder), die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Projekt haben. Hierzu gehören insbesondere die Manager bzw. Führungskräfte eines Unternehmens. Im Idealfall haben diese Grundkenntnisse in der Anwendung agiler Projektmanagement-Methoden und kennen deren Vor- und Nachteile in der praktischen Anwendung. Abbildung 1: Typischer Verlauf von Projektkrisen Wissen | Turnaround-Management in agilen IT-Projekten 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0070 Führungskrise-- Konsensfindung oder kurze Entscheidungswege Ein wesentliches Managementziel im agilen Umfeld ist die Etablierung selbstverantwortlicher Projektteams. Führungskräfte sollen den Projektteams den notwendigen Raum geben, damit diese sich frei entfalten können. Sie sollen eine positive Fehlerkultur etablieren und durch Vertrauen, Offenheit und Wertschätzungen ein Arbeitsumfeld schaffen, das alle Projektmitarbeiter dazu ermutigt, Verantwortung zu übernehmen. Während bei klassischen Projektmanagementmethoden die Vorteile hierarchischer Strukturen bei der Entscheidungsdurchsetzung deutlich werden-- mit allen Nachteilen, wie den Motivationsproblemen der Mitarbeiter, dem langsamerem Informationsfluss zwischen den Ebenen, der Unterdrückung von Eigenverantwortung und Kreativität- - ist bei den agilen Ansätzen eine erschwerte Entscheidungsfindung erkennbar. Das Selbstmanagement der Projektteams, bei dem man sehr auf Konsensfindung bedacht ist, führt dazu, dass in Konfliktsituationen keine konsequenten und schnellen Entscheidungen getroffen werden. Natürlich ist gegen den Konsens als höchste Stufe der Konfliktlösung nichts einzuwenden. Das gilt insbesondere, wenn die Alternativen Kompromiss, Delegation, Unterordnung, Vernichtung und Flucht sind. Allerdings zählt in Krisensituationen die Schnelligkeit. Wenn stattdessen die dezentrale Konsensfindung zu lange dauert, wäre es zielführender, dass eine Führungskraft im Ernstfall das Ruder übernimmt und versucht, das Projekt wieder in sicheres Fahrwasser zu bekommen. Der Scrum Master und der Product Owner sind aufgrund ihrer Ausbildung hierfür weniger gut geeignet. Führungskräfte, die dann kurzzeitig in die Bresche springen, müssen aber berücksichtigen, dass allein ihre Anwesenheit schnell dazu führt, dass sich viele Projektbeteiligte nicht mehr in der Verantwortung sehen-- getreu nach dem Motto: „Der neue Chef wird es schon richten.“ Ist Kontrolle besser als Vertrauen? Im agilen Umfeld wird insbesondere Vertrauen als Basis für die Zusammenarbeit hervorgehoben. Viele Führungskräfte sehen Vertrauen gar als Gegenpol zur Kontrolle. Vertrauen ist sicherlich wichtiger als Kontrolle, die beiden Werte schließen sich aber nicht gegenseitig aus. Es ist daher situationsabhängig, was angewendet werden sollte. Erschwerend kommt hinzu, dass in agilen Projekten selten Kennzahlen verwendet werden, die zur Kontrolle geeignet sind. Typische agile Kennzahlen wie Velocity, Cycle und Lead Time haben aufgrund ihrer Eindimensionalität keine große Aussagekraft oder können leicht missinterpretiert werden. Zudem können Führungskräfte im agilen Umfeld in vielen Fällen nur noch über die Einflussnahme im Sprint Review Kontrolle ausüben. Die Stakeholder immer im Blick? In agilen Projekten steht der direkte Kundenkontakt im Vordergrund. Bei Scrum wird der Kunde maßgeblich durch den Product Owner repräsentiert. Es gibt aber weitere wichtige Stakeholder und die agilen Frameworks geben wenig Hinweise, wie man im agilen Umfeld gutes Stakeholder-Management bzw. eine gute Projektumfeldanalyse betreibt. Dabei tragen professionelles Stakeholder-Management und eine gute Kommunikationsstrategie maßgeblich zum Projekterfolg bei, allein um sich die Unterstützung für das Projekt zu sichern. Im Gegensatz dazu gehört das bei klassischen Wasserfallprojekten zum Standardwerkzeug eines jeden Projektmanagers. Abgesehen davon, dass in agilen Projekten meistens keine richtige Stakeholder-Analyse gemacht wird, sind die Ziele der relevanten Stakeholder oft nicht bekannt und deren Interessen werden fehlinterpretiert. Eine schlechte Kommunikationspolitik beschleunigt das Ganze zusätzlich. Wenn die relevanten Stakeholder und das Projektteam divergierende Interessen haben, werden in der Folge Entscheidungen im „engsten Stakeholder-Kreis“ unter geringer Einbindung des Kernprojektteams getroffen. Das hat destruktive Auswirkungen auf das Projekt. Eine weitere Folge divergierender Interessen ist auch, dass sich in kritischen Situationen die Machtverhältnisse zwischen den Stakeholdern verschieben können, wodurch Themen, die vorher einfach mit dem richtigen Ansprechpartner geregelt werden konnten, zu einer größeren und zeitintensiven Herausforderung werden. Abbildung 2: Typische Verarbeitungsphasen von Projektteams bei Krisensituationen Wissen | Turnaround-Management in agilen IT-Projekten 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0070 Fehlende strategische Ausrichtung agiler Projekte Es ist wichtig, dass jedes IT-Projekt seinen strategischen Beitrag kennt. Der Scrum Guide gibt hierzu aber keine konkreten Hinweise, da der Schwerpunkt des Frameworks auf der taktischen Umsetzungsebene liegt. Das Produktziel wird zwar als wichtiges Element genannt, es ist aber nicht klar, mit welchen Schritten man es erreicht. Erschwerend kommt hinzu, dass agile Methoden einen dazu verleiten, in wilden Aktionismus zu verfallen und einfach mal anzufangen, ohne dass die strategische Ausrichtung des Projektes festgelegt wurde. Weil sich bereits nach kurzer Zeit vermeintliche Erfolge einstellen, wird man dann darin bestärkt, auf dem richtigen Weg zu sein. Es ist aber essenziell für den Projekterfolg, dass die Vision, die Strategie, die Produkt- und die Projektziele sowie die Taktik eines Projekts vollständig beschrieben werden. Das Ganze muss sich auch an der übergeordneten Mission ausrichten. Fehlende Steuerungsgrößen in agilen Projekten In Projekten, die nach der klassischen Wasserfallmethode durchgeführt werden, gibt es eine Reihe von Kennzahlen, die für die Früherkennung von Krisen eingesetzt werden können. In agilen Projekten werden solche Frühwarnsysteme seltener verwendet, obwohl die eingesetzten Software-Tools viele Daten produzieren, die hierfür genutzt werden könnten. Es widerspricht nämlich dem agilen Mindset, wenn die Projektmitarbeiter vermeintlich kontrolliert werden und das Ganze wird als Vertrauensverlust fehlinterpretiert. Vertrauen ist ein Kernthema aller agilen Vorgehensweisen, das nicht in Frage gestellt werden darf. Das Nichtvorhandensein von Frühwarnsystemen erschwert aber nicht nur die frühzeitige Erkennung von Krisen, sondern auch ein erfolgreiches Turnaround-Management. Die Vorboten einer Krise werden nicht erkannt Größere, negative Veränderungen kündigen sich meist durch schwache, nicht eindeutige Krisensignale an, die zwar wahrgenommen werden, auf sie wird aber nicht oder nur unzureichend reagiert. Diese schwachen Signale werden zwar häufig in Scrum-Retrospektiven adressiert. Da sie aber (noch) zu unkonkret sind, wird darauf nicht eingegangen und es werden keine Gegenmaßnahmen eingeleitet. Zudem lernen Teams leider zu oft, dass sich jeder Konflikt, der vom Projektteam nach außen getragen wird, negativ auf das Projekt auswirkt. Die Folge ist der Versuch, keine Konflikte außerhalb des Projektes sichtbar zu machen. Typische erste Signale in Projekten sind dann erstaunlicherweise, dass keiner über Probleme berichtet, bei gleichzeitiger Häufung sarkastischer Bemerkungen zum Projektverlauf. Danach werden die Projektbeteiligten zynisch und die negative Meinung zu den Erfolgsaussichten des Projekts häufen sich, worunter wiederum die Motivation leidet, die oft in einer erhöhten Anzahl von Krankheitstagen oder der verstärkten Suche nach Einzelgesprächen mit Führungskräften mündet. Hinzu kommt eine deutliche Häufung von Meetings, die parallel zu den agilen Events stattfinden und wichtige Stakeholder bleiben den Projektbesprechungen immer häufiger fern, wodurch das Projekt langsam an Bedeutung verliert oder sogar mit anderen Projekten, bei denen dann üblicherweise der Top-down-Ansatz im Vordergrund steht, zusammengelegt wird. Turnaround-Management-- der Weg aus der Krise Wird die Projektkrise schlussendlich von den Beteiligten akzeptiert, stellt sich die Frage, welche Wege es aus der Krise gibt. Dieses Turnaround-Management zeichnet sich sowohl bei klassischen als auch bei agilen IT-Projekten durch eine Abfolge kurzer, zeitlich begrenzter Phasen aus, die in enger Abstimmung mit den Stakeholdern durchlaufen werden. Da die Vorgehensweise an Sprints erinnert, ist man in der agilen Welt gut damit vertraut. Deshalb ist die Akzeptanz in agilen Projekten in der Regel höher. Auch wenn die Abfolge beim klassischen Wasserfallmodell und bei agilen Methoden vergleichbar ist, gibt es im Detail doch Unterschiede. So müssen beim Turnaround von Wasserfall-Projekten zu Beginn immer ein genaues Ziel, ein Master-Projektplan und eine detaillierte Scope-Beschreibung entwickelt werden. Bei agilen Projekten ist das nicht der Fall. Im Mittelpunkt stehen hier die Produktziele und die Entwicklung einer zielorientierten Roadmap auf der Basis wesentlicher Kernfunktionalitäten. Der geeignete Turnaround-Manager Das Turnaround-Management von IT-Projekten dauert normalerweise nicht länger als wenige Wochen. Wichtig ist der Einsatz eines oder mehrerer Turnaround-Manager, die eine unbelastete Sicht auf das Projekt haben und daher meistens externe Berater sind. Die große Herausforderung besteht darin, einen Turnaround-Manager zu finden, der neben den notwendigen Soft-Skills umfangreiche Kenntnisse in klassischen und agilen Projektmanagementmethoden hat-- idealerweise gepaart mit betriebswirtschaftlichem Hintergrundwissen, um in der Krisensituation zwischen IT und Fachbereich vermitteln zu können. Nachdem ein geeigneter Turnaround-Manager gefunden wurde, werden vier Turnaround-Phasen durchlaufen (siehe Abbildung 3). Die einzelnen Phasen sind vergleichbar mit agilen Sprints, bei denen sich die Sprint-Ziele aus den Phasenin- Abbildung 3: Vorgehensweise beim Turnaround-Management von IT-Projekten Wissen | Turnaround-Management in agilen IT-Projekten 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0070 halten ableiteten. Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen kann aber mehrere Sprints dauern. Phase 1: Situationsanalyse In der ersten Phase ist mit einer ganzheitlichen Krisenanalyse zu prüfen, ob das Projekt grundsätzlich sanierungsfähig ist. Anschließend gilt es, die Sanierungswürdigkeit zu untersuchen. Nur wenn ein Projekt werthaltig genug ist, sollte ein Turnaround in Erwägung gezogen werden. Relevante Kriterien sind u. a. die Ertragserwartungen, die Projektrestkosten, der zu erwartende zeitliche Verzug und die zukünftigen Risiken. Das Ziel eines erfolgreichen Turnaround-Managements ist es natürlich, möglichst viele Interessen der unterschiedlichen Stakeholder zu erfüllen. Es ist aber in der Praxis kein leichtes Unterfangen, ein Gleichgewicht zwischen diesen Interessengruppen herzustellen. Der Turnaround-Manager benötigt daher einen Vertrauensvorschuss aller Beteiligten, damit er in der Lage ist, auch unangenehme Entscheidungen treffen zu können. Wenngleich bei jedem Konflikt der Fokus auf der Sachebene liegen sollte, gibt es immer auch Auswirkungen auf der psychosozialen Ebene. Das führt regelmäßig dazu, dass die Konfliktparteien auf ihren Standpunkten beharren und einzelne „Konflikte gewinnen wollen“, was für das Projekt nicht zielführend ist. Es ist daher wichtig, eine für alle gesichtswahrende Lösung zu finden und den Stakeholdern deutlich zu machen, dass ein Projekt lediglich ein zeitlich begrenztes Vorhaben ist. Phase 2: Strategieentwicklung Nach der Situationsanalyse gilt es, in der nächsten Phase eine tragfähige Strategie für das Krisenprojekt zu entwickeln. Wie bereits beschrieben, haben agile Methoden ihren Schwerpunkt auf der taktischen Umsetzung und die strategische Projektausrichtung wird gerne vernachlässigt. Hierbei stehen keine glamourösen Projektziele, sondern Pragmatismus im Vordergrund. Das muss bei der Ausarbeitung der Strategie offen kommuniziert werden. Nach der Festlegung der neuen strategischen Ausrichtung sind die Voraussetzungen für die Umsetzung zu klären. Neben der notwendigen Projektorganisation (inkl. Verantwortlichkeiten) ist u. a. zu ermitteln, welche finanziellen Mittel und welche Projektmitarbeiter mit welchen Fähigkeiten etc. für eine erfolgreiche Beendigung des Projekts benötigt werden. Phase 3: Maßnahmenumsetzung In der nachfolgenden Phase werden die identifizierten Turnaround-Maßnahmen umgesetzt. Diese sind individuell je Projekt und Krise. Hierbei sollte man sich zuerst darauf fokussieren, die offensichtlichsten Probleme mit Sofortmaßnahmen anzugehen, damit das Projekt fortgeführt werden kann. Eine grundlegende Ursachenforschung ist nicht zielführend, da ein Brandmarken der Schuldigen kontraproduktiv ist. Parallel zur Einleitung der Sofortmaßnahmen ist ein vollständiger Maßnahmen- und Umsetzungsplan zu entwickeln. Hierfür müssen detaillierte Ziele, Verantwortliche und Budgets geklärt und eine Roadmap mit Zeitvorgaben erstellt werden. Die Roadmap ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Projektplan bei einer klassischen Projektvorgehensweise. Sie ist vielmehr eine Richtschnur für die Umsetzung der Maßnahmen. Hilfreich ist hier eine zielorientierte Roadmap, die einzelne Maßnahmen zu einem Ziel in der Zukunft zusammenfasst. Sofern im agilen Projekt bereits Feature-Roadmaps verwendet werden, können die Turnaround-Maßnahmen hier problemlos integriert werden. Die identifizierten Turnaround-Maßnahmen sollten zudem wie Anforderungen im agilen Umfeld bewertet, priorisiert und sortiert werden- - vergleichbar mit dem Product-Backlog-Management bei Scrum. Es ist außerdem empfehlenswert, die dritte Turnaround- Phase in mehreren kurzen, zeitlich begrenzten Iterationen zu durchlaufen. Das ermöglicht eine Ergebniskontrolle nach jeder Iteration. So wird auch der notwendige Druck aufgebaut, damit in kurzen Zeiträumen erste Ergebnisse geliefert werden. Gleichzeitig werden Erfolge schneller sichtbar und die Motivation im Projektteam verbessert sich. Phase 4: Turnaround-Abschluss Wenn das Projekt nach der Umsetzung der Turnaround-Maßnahmen wieder auf Erfolgskurs ist, muss in der letzten Phase die Nachhaltigkeit des Turnarounds sichergestellt werden. Hierfür bietet sich eine Retrospektive wie bei Scrum an. In dieser Turnaround-Retrospektive sollten die Projektmitglieder die Turnaround-Maßnahmen kritisch würdigen und notwendige Verbesserungen für die Zukunft erarbeiten. Dadurch wird auch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und den Projektbeteiligten wird bewusst, dass Projektkrisen überwunden werden können, wenn alle an einem Strang ziehen. Resümee Krisen in IT-Projekten sind durchaus keine Seltenheit. Vielmehr geht es darum, Krisensymptome frühzeitig zu erkennen und entgegenzusteuern. Agile Projekte machen hierbei keine Ausnahme, wobei ein Erkennen von Krisenanzeichen durch das Selbstorganisieren der Teams eher noch erschwert Prof. Dr. Peter Preuss Peter Preuss lehrt Wirtschaftsinformatik an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Stuttgart. Er ist zertifizierter Project Management Professional (PMP) nach PMI und Professional Scrum Master. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit ist Peter Preuss geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung People Consolidated GmbH. FOM Hochschule für Oekonomie und Management Fachbereich Wirtschaftsinformatik Rotebühlstraße 121, 70 178 Stuttgart eMail: peter.preuss@fom.de Tobias Renk Tobias Renk ist Chief Information Officer der Mobene Unternehmensgruppe. Er ist als Experte und Keynote Speaker zu den Themen Innovation, kultureller Wandel und Digitale Transformation unterwegs. Außerdem ist er als Dozent für Unternehmensführung an verschiedenen deutschen Hochschulen tätig gewesen. Wissen | Turnaround-Management in agilen IT-Projekten werden kann. Diese Tatsache steht im Kontrast zur üblichen Aussage, dass Risiken durch eine agile Vorgehensweise minimiert werden. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb agile Projekte in Schieflage geraten können. Neben der möglicherweise falschen Auswahl der Projektmanagementmethode und eines falschen Angangs an die Entscheidungsfindung gehören sicherlich ungenügendes Stakeholder-Management, eine fehlende strategische Ausrichtung und fehlende Steuerungsgrößen zu den Kernursachen. Eingangsabbildung: © Alexander Limbach- - stock.adobe. com Jörg Brüggenkamp Jörg Brüggenkamp ist geschäftsführender Gesellschafter der PMC- - ProjektManagement und Controlling GmbH in der Schweiz. Er ist als Speziallist mit über 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Turnaround-/ Interims-Management im klassischen und agilen Umfeld tätig. PMC-- ProjektManagement & Controlling GmbH Artherstrasse 28a, 6300 Zug (CH) eMail: joerg.brueggenkamp@promanage.ch MITGLIEDER WERBEN MITGLIEDER Mitglied bei der GPM sein lohnt sich und wenn Sie es weiter sagen gleich doppelt. Für Ihre erfolgreiche Empfehlung erhalten Sie ein attraktives Geschenk als Dankeschön! Jetzt Weitersagen und Prämie erhalten! www.gpm-ipma.de Anzeige 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 Interaktive Simulationen im Projektmanagement Spielerisch und mit Freude zum Erfolg Georg Zeller Für eilige Leser | Meine Erfahrung als Projektleiter, Dozent, Trainer und Projektcoach zeigt, dass spielerisches Lernen emotionales Begreifen bedeutet. Lernen funktioniert dann am besten, wenn ein Thema attraktiv ist, etwas auf dem Spiel steht und wir uns in einer sozialen Gruppe befinden. Und das sichert richtiges Handeln auch in herausfordernden Projektsituationen. Am Beispiel eines Rollenspiels zum Änderungsmanagement wird erläutert, wie diese interaktive Simulation entwickelt wurde, worauf bei der Implementierung unter Berücksichtigung von neurodidaktischen Erkenntnissen geachtet werden muss, worin sich der nachhaltige Mehrwert auszeichnet und wie diese und weitere interaktive Simulationen auf spielerische Weise in Projekten eingesetzt werden können. Schlagwörter | Spielerisches Lernen, Training, Interaktivität, Änderungsmanagement, Gamification, angewandte Spielformen, Neurodidaktik Motivation Die Idee zur Entwicklung von interaktiven Simulationen in Bauprojekten hatte ich im Jahr 2001 als Teil-Projektleiter für einen Werks-Neubau, als den beauftragten Ingenieur- und Projektsteuerungsbüros sowie den ausführenden Firmen, u. a. ein Prozessbild zum Änderungsmanagement (ÄM) inkl. der dazugehörigen Formulare als Anlage zum Vertrag übergeben und erklärt wurde. Bei Großprojekten mit einer komplexen Auftraggeber-Organisation und kleingliedriger Arbeitsteilung können beim ÄM-Prozess (Abb. 1) mehr als 20 Projektbeteiligte involviert sein, d. h. aus der fragmentierten Tätigkeit des Einzelnen ist das Gesamtbild nicht direkt ersichtlich. Nach den ersten Änderungsmeldungen stellte sich heraus, dass weder die Prozesse noch die Formulare richtig angewandt wurden. Was hatte nicht funktioniert? Jeder Beteiligte hatte die dafür notwendigen Informationen. Die richtige Anwendung von Prozessen, Methoden und Tools ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in Projekten, so weist auch eine Studie der GPM zu Erfolgsfaktoren im Projektmanagement auf den Zusammenhang zwischen Projektmethodik und Projekterfolg hin [1]. Auch das Project-Excellence-Modell der GPM [2] zeigt unter dem Befähiger-Kriterium 5, Methoden und Prozesse, auf dessen Einfluss auf die Erreichung der Projektziele hin. Daraus ergab sich folgende Fragestellung: Wie kann es gelingen, in kürzester Zeit eine fehlerfreie Anwendung von Prozessen, Methoden und Tools im Projektteam zu gewährleisten? Der Methodenkoffer aus der Gruppenleiterzeit der katholischen Jugend musste hier Pate stehen. Der ÄM-Prozess wurde in ein Rollenspiel gepackt. Die Entwicklung war anfangs ausschließlich von Intuition und Erfahrung geprägt. Die Umsetzung in den ersten Projekten war improvisiert und holperig, auch was die Akzeptanz der Teilnehmer gegenüber spielerischen Elementen im Projektmanagement betraf. Über Optimierungen der Methodik, basierend auf den Rückmeldungen der Teilnehmer, stellte sich die Frage, ob das ÄM-Rollenspiel aus didaktischer Sicht richtig aufgebaut war und wie Erkenntnisse der Neurodidaktik in eine Weiterentwicklung einfließen können. Wissen | Spielerisch und mit Freude zum Erfolg 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 Begriffliche Annäherung In der Literatur innerhalb der verschiedenen Fachrichtungen, u. a. Pädagogik, Neurowissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird im Kontext des spielerischen Lernens der Begriff der Gamification genannt. Gemäß Gabler Wirtschaftslexikon wird Gamification als die Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge bezeichnet, mit dem Ziel der Verhaltensänderung und Motivationssteigerung bei Anwenderinnen und Anwendern“. [3] Gamification ist als Obergriff zu sehen, unter dem sich verschiedene Kategorien wie z. B. Serious Games, GamEducation, G-Learnings, Simulationen, Game-Based Learnings subsumieren lassen. Bonuspunkteprogramme von Kaufhäusern sind hier genauso enthalten wie Flugsimulatoren. Innerhalb dieser Kategorien wären die hier beschriebenen Rollenspiele am besten noch den Serious Games zuzuordnen. Als Abgrenzung zur Gamification, die sich anfangs aus der Unterhaltungs- und Werbebranche entwickelte, inzwischen aber ebenfalls in der Fitnessbranche, beim Shopping und zuletzt auch in Lernumgebungen stattfindet, aber auch zur Spezifizierung der Wortbedeutung, wurde in diesem Beitrag bewusst der Begriff Interaktive Simulation gewählt. Hier geht es nicht primär um Verhaltensänderung und Anreizsysteme, sondern überwiegend um die gemeinsame und spielerische Wissensvermittlung von realen Projektsituationen anhand eines Rollenspiels oder spielerischen Übungen. Neurodidaktische Erkenntnisse Die Neurodidaktik ist eine relativ junge Wissenschaft, die eine Schnittstelle zwischen kognitiven Neurowissenschaften und Didaktik herstellt [4]. Im Folgenden wird untersucht, inwieweit sich durch die Integration von neurodidaktischen Erkenntnissen des Lernens, die bis dato nur auf Intuition, Erfahrung und Rückmeldung basierte interaktive Simulation bzgl. eines nachhaltigen Lerneffektes optimieren lässt. Auffällig bei den Rückmeldungen der Teilnehmer ist, dass diese sich auf bekannte populäre, jedoch inzwischen wissenschaftlich widerlegte Lerntheorien beziehen: • „Das praktische Lernen liegt mir mehr.“ • „Das Anfassen und Weiterreichen des Formulars war hilfreich.“ • „Wenn ich etwas lese, verstehe ich weniger, als wenn ich es spiele.“ So geht Frederic Vester von vier verschiedenen Lerntypen aus: [5] • Der auditive Lerntyp lernt durch Hören und Sprechen. • Der visuelle Lerntyp lernt durch das Auge und Beobachtungen. • Der haptische Lerntyp lernt durch Anfassen und Fühlen. • Der kognitive Lerntyp lernt rein durch den Intellekt. Looß beweist jedoch, dass hier die Wahrnehmungen der auditiven, visuellen und haptischen Lerntypen mit der kognitiven Lernleistung gleichgesetzt bzw. als Alternative zu kognitiv dominierten Lernformen vorgestellt werden [6]. Komplexe Prozesse können nicht alleine durch diese Wahrnehmungskanäle erlernt und nachhaltig umgesetzt werden. Wird das kognitive Lernen allerdings nach vorausgegangener intellektueller Auseinandersetzung durch auditive, optische oder haptische Wahrnehmungskanäle ergänzt, so wird ermöglicht, dass der Lernprozess des Einzelnen bzgl. seiner Wahrnehmungskanäle verbessert wird. Zudem wird das Gelernte wesentlich besser bei Lernenden verankert, was die folgende Abbildung zeigt: Gemäß Loos wird hier behauptet, dass theoretische Einsicht am besten aus praktischer Erfahrung gewonnen werden kann, und somit bei handlungsorientiertem Lernen die Gefahr besteht, das Handeln zu einem Ersatz für das Nachdenken zu machen. [6] Abbildung 1: Beispiel des ÄM-Prozesses Wissen | Spielerisch und mit Freude zum Erfolg 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 Für die interaktive Simulation lässt sich daraus ableiten, dass alleine durch das Rollenspiel, folglich „das selber tun“, der Lerneffekt nicht eintritt. Breite Anerkennung haben inzwischen die von Margret Arnold [7] in Anlehnung an Caine formulierten zwölf Lehr-Lern- Prinzipien der Neurodidaktik gefunden. Diese Ergebnisse der Gehirnforschung liefern die Grundlage, wie sowohl das Lernen und auch das Lehren strukturiert sein sollte. Im Folgenden werden diese zwölf Prinzipien aufgeführt und jeweils um die konkreten Bausteine für die interaktive Simulation ÄM-Rollenspiel ergänzt. Prinzipien Konkrete Bausteine für ÄM-Rollenspiel 1) Lernende müssen die Möglichkeit haben, konkrete Erfahrungen zu machen. Fehler im Spiel bewusst zulassen, um aufzuzeigen, welche Konsequenzen diese für den ÄM-Prozess haben. 2) Lernprozesse eingebunden in soziale Situationen sind effektiver. Rollenspiel in der Gruppe 3) Lernprozesse sind effektiver, wenn die Interessen und Ideen der Lernenden berücksichtigt werden. Den Teilnehmern wird nach der Reflexion die Möglichkeit gegeben, den ÄM-Prozess projektspezifisch zu verbessern. 4) Lernen ist effektiver, wenn das vorhandene Vorwissen mobilisiert wird. Die Unterlagen zum ÄM-Prozess müssen im Vorfeld von allen gelesen werden. Der ÄM Prozess wird zu Beginn der interaktiven Simulation erklärt und dann unmittelbar angewendet. 5) Werden positive Emotionen in das Lernen eingebunden, ist es effektiver. Fehler erkennen und gemeinsam in der Gruppe verbessern. 6) Verstehen Lernende, wie die erlernten Details mit einem Ganzen zusammenhängen, können sie sich die Details besser einprägen. Durch das Durchspielen des kompletten Prozesses erhalten auch nur fragmentiert Beteiligte einen Blick aufs Ganze und lernen die Sinnhaftigkeit ihres Beitrages zu schätzen. 7) Mit der entsprechenden Lernumgebung wird das Lernen intensiver. Die Durchführung erfolgt auf den Intensivtagen außerhalb der gewohnten Arbeitsumgebung. 8) Lernen wird verbessert, wenn Zeit zum Reflektieren bleibt. Sowohl während der Simulation, beim Korrigieren der Fehler als auch beim Feedback werden die Teilnehmer zum Reflektieren aufgefordert. 9) Es wird besser gelernt, wenn Lernende Informationen und Erfahrungen miteinander verbinden können. Unmittelbare Rückmeldungen der Ursache für den Fehler während der Simulation. 10) Lernprozesse sind effektiver, wenn auf individuelle Unterschiede der Lernenden eingegangen wird. Die Beobachtungen des Spielleiters zeigen ihm deutlich, wer von den Teilnehmern Defizite, wer den kompletten Prozess kognitiv durchdrungen und wer eine hohe Affinität zu Prozessen hat. Der ÄM-Prozess ist eine Verkettung von Einzelschritten und scheitert in der Realität zuerst am schwächsten Glied in der Kette. Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten: • Direkte Unterstützung der defizitären Teilnehmer durch den Spielleiter • Ein starker Teilnehmer übernimmt für diesen Prozess die Patenschaft, vom Team für das Team. 11) Lernende lernen besser, wenn sie eine unterstützende, motivierende und herausfordernde Umgebung haben. Die Aufgabe hat wie z. B. der ÄM-Prozess (Abb. 1) eine gewisse Komplexität Der Spielleiter lässt Fehler bewusst zu, um das Projektteam an seine Grenzen kommen zu lassen Der Spielleiter unterstützt das Projektteam bei Fehlern nur so weit, dass es von alleine wieder die richtigen Prozessschritte finden kann. 12) Es wird effektiver gelernt, wenn Talente und individuelle Kompetenzen berücksichtigt werden. Siehe Prinzip 10) Durchführung Nachfolgend die einzelnen Schritte, unter Berücksichtigung der neurodidaktischen Erkenntnisse. 1. Alle Beteiligte sollten alle Unterlagen zum ÄM-Prozess im Vorfeld gelesen haben. 2. Die Rolle des Moderators oder Spielleiters sollte vom verantwortlichen Projektleiter übernommen werden. So wird er, falls noch nicht erfolgt, sowohl gezwungen, sich im Vorfeld mit dem ÄM-Prozess auseinanderzusetzen, um diesen Wissen | Spielerisch und mit Freude zum Erfolg 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 dann fehlerfrei erklären zu können. Zudem wird er vom Projektteam als Leiter des Projektes wahrgenommen. 3. Der Moderator zeigt und erläutert den ÄM-Prozess (Abb. 1) sowie die benötigen Änderungsformulare. Anschließend hat das Projekt-Team keinen visuellen Zugriff mehr auf den ÄM-Prozess. 4. Das Aktionschart (Abb. 2) mit der Aufgabe und den verschiedenen Beteiligten am ÄM-Prozess wird erläutert sowie die Rollen zugewiesen. Ein bedeutungsvolles Element ist der Perspektivenwechsel. So übernimmt z. B. der Projektleiter die Rolle des Generalunternehmers, der Projektsteuerer die des Architekten, der Baueinkauf die des Projektsteuerers etc. 5. Die Projektgruppe organisiert sich selbst entsprechend der Rollenzuteilungen und beginnt das Rollenspiel. Auch wenn Prozesse digital abgebildet werden können, so auch der ÄM-Prozess, ist es von Bedeutung, dass z. B. das Änderungsformular haptisch wahrgenommen wird und von Hand zu Hand an den nächsten Bearbeiter weitergereicht wird. Auch die Sprache ist von Bedeutung. Die Teilnehmer müssen in der direkten Rede kommunizieren: „Können Sie mir bitte die Kostenschätzung bis morgen erstellen? “ 6. Der Spielleiter beobachtet das Team, lässt Fehler bewusst zu, schreitet erst dann ein, wenn die Fehlerkette den ÄM- Prozess ad absurdum führen würde, unterbricht, motiviert das Projektteam, die Fehler selber zu erkennen, erklärt kurz den Fehler und lässt das Rollenspiel vor dem Auftreten des Fehlers weiterspielen. Das Projektteam sollte möglichst selbstständig auf den nächsten Prozessschritt kommen, falls nicht, ist der Spielleiter hierbei behilflich. 7. Nach Spielschluss werden • die Teilnehmer befragt, wie Sie sich in der Rolle des anderen gefühlt haben, • die Fehler analysiert sowie die Fehlerpunkte direkt am Prozessbild markiert, • der ÄM-Prozess nochmals gezeigt und erläutert, idealerweise übernehmen die Hauptakteure aus dem Projektteam diese Aufgabe. Integration in den Projektablauf Beim Neubau des BMW-Werkes wurden beispielsweise 8 x 3 Intensivtage abgehalten. D. h., während der Projektlaufzeit von ca. drei Jahren setzte sich das Projektteam alle drei Abbildung 3: Zuweisung der Rollen beim ÄM-Rollenspiel. Foto: BMW Group Abbildung 2: Aktionschart der interaktiven Simulation ÄM Wissen | Spielerisch und mit Freude zum Erfolg 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 bis fünf Monate für drei Tage außerhalb zusammen, um ausschließlich Themen der Zusammenarbeit wie • Organisation • Verhaltensregeln • Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen • Informationsfluss und Kommunikationsstrukturen • Erläuterung von Prozessen, Methoden und Tools • Lessons Learned • etc. zu erläutern und ein gemeinsames Verständnis dafür zu bekommen. Themen der Planung wurden hier explizit nicht behandelt. Im Rahmen dieser Intensiv-Tage wurden regelmäßig interaktive Simulationen mit Projektbezug und Lernbotschaften integriert. (Abb. 6) Beobachtungen und Rückmeldungen Der Geschäftsführer des brasilianischen Generalunternehmers Perville, Emerson Edel, bemerkte nach dem Eintreffen der ersten Änderungsmeldung: “Your people didn´t follow the agreed process. We discovered this, because we played the change request role game“. D. h., dem Generalunternehmer fiel aufgrund der interaktiven Simulation auf, dass die Mitarbeiter auf Bauherren-Seite einen prozessualen Fehler begangen hatten, den er entdeckte, weil ihm dies durch das ÄM-Rollenspiel nachhaltig in Erinnerung geblieben war. Abschließend sollen noch einige Zitate der Rückmeldungen bzw. Rückmeldebögen zu interaktiven Simulationen in Projekten, Trainings und Kongressbeiträgen, z. B. Workshop Interaktive Simulationen auf dem PM Forum 2018 der GPM genannt werden. Diese oder ähnliche Bewertungen haben sich in fast allen Feedbacks gezeigt: • Endlich mal ein abwechslungsreiches Training im Vergleich zu vielen Frontalvorträgen. • Der Perspektivenwechsel durch die Einnahme einer anderen Rolle hat mir viel Verständnis für die anderen Prozessbeteiligten gebracht. • Best onboarding ever! • Das Rollenspiel hat mir sehr viel Spaß gemacht sowie interaktiv zu einem gemeinsamen Verständnis für anzuwendende Prozesse geführt. • Sehr hoher Praxisbezug. • Die Theorie konnte gleich in die Praxis umgesetzt werden. • Ihr Beitrag auf dem diesjährigen PM Forum (2018) wurde von den Teilnehmern als einer der Top-Beiträge des Kongresses bewertet und auch vom Programmkomitee hochgeschätzt. Bis 10 / 2020 wurde das ÄM-Rollenspiel 27-mal sowohl in Projekten als auch im Rahmen von Trainings und Workshops auf Kongressen durchgeführt. Kein einziges Projektteam schaffte einen Durchlauf ohne Fehler. So zeigt Abb. 4, dass alle Bewertungskriterien eine gute bis sehr gute Bewertung erhielten, interaktive Simulationen in Ländern mit personen- und beziehungsorientierten Kulturen wie Brasilien, Italien, China oder Mexiko jedoch noch marginal besser bewertet wurden als z. B. in Ländern mit einer sachorientierten Kultur wie z. B. Deutschland. In diesem Beitrag wird jedoch nicht darauf eingegangen, welchen Einfluss nationale oder ethnische Hintergründe auf die Wirksamkeit von interaktiven Simulationen haben. (Minimum 0 Punkte, Maximum 100 Punkte) Auf Basis des Project-Excellence-Modells der GPM [2] wurde für ausgewählte Bauprojekte der BMW Group eine Projektevaluierung implementiert. [8] Zeller und Groß beschreiben hier, wie die Adaption dieses Modells entwickelt und angewandt wurde, mit dem Fokus, durch exzellente Befähiger-Kriterien exzellente Projektergebnisse zu erzielen. Der Auszug für die Evaluierung der Qualität des ÄMs (Abb. 5) weist für Bauprojekte mit einem Volumen größer als 5 Mio. € mit durchgeführter interaktiver Simulation mit 73 Punkten einen signifikant höheren Wert auf als für Projekte ohne interaktive Simulation mit 59 Punkten. Es stellt sich die Frage, ob die Projekte, die das interaktive „Simulation ÄM“ angewandt haben, eine bessere Qualität des ÄMs vorweisen als Projekte ohne Durchführung, weil sie diese interaktive Simulation durchgeführt haben. Oder sind die besseren Ergebnisse darauf zurückzuführen, dass Projekte mit ÄM-Rollenspiel sich grundsätzlich intensiver sowohl mit der Implementierung von Prozessen, Methoden und Tools als auch mit der aktiven Teambefähigung auseinandersetzen? Adaption und Anwendung auf andere Bereiche Die Methodik dieser interaktiven Simulation lässt sich sowohl für das ÄM auf weitere Projektdomänen anwenden als auch Abbildung 4: Auszug der Rückmeldebögen nach Durchführung der interaktiven Simulation ÄM Wissen | Spielerisch und mit Freude zum Erfolg 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 auf andere für das entsprechende Projekt wichtige Prozesse und Methoden adaptieren, wie z. B.: • Chancen- und Risikomanagement • Entscheidungsmanagement • Qualitätssicherung • Eskalationsmanagement • Beauftragungsprozesse Wesentlich ist, dass die projektspezifisch gewählten Beispiele realitätsnah sind und bezüglich der Zusammenarbeit eine gewisse Komplexität haben, um einen Lerneffekt zu erhalten, aber auch, dass die Ausgangssituation sowie die gewünschte Situation deutlich, detailliert und für alle verständlich beschrieben ist. So steht u. a. eine Simulation zur Schulung der Prinzipien von Lean Construction und der Methode Taktplanung und -steuerung zur Verfügung; das BMW-Werk Brasilien wurde im Maßstab 1: 100 mit allen wesentlichen Elementen analog eines LEGO-Baukastens nachgebaut. Kritische Würdigung und Ausblick Die Auswertungen der Fragebögen und Rückmeldungen aus den 27 durchgeführten interaktiven Simulationen (Abb. 4) sowie der 19 Projektevaluierungen (Abb. 5) erlauben aufgrund der Datenmenge nur eingeschränkte Schlussfolgerungen und sind daher kritisch zu betrachten. Ein direkter Zusammenhang, ob der nachhaltige Lerneffekt und eine hohe Qualität des ÄMs sich aus den interaktiven Simulationen herleiten lassen, kann nicht bewiesen werden. Es lässt sich jedoch ableiten, dass Projekte mit interaktiven Simulationen zum ÄM eine höhere gemessene Qualität des ÄM aufweisen. Zudem erhalten die Trainings ein sehr gutes Feedback zur angewandten Trainingsmethode und weisen eine hohe Akzeptanz sowie eine hohe Gesamtzufriedenheit mit der interaktiven Simulation auf. Wünschenswert wäre es eine Langzeitstudie mit mehreren ähnlichen parallel laufenden Projekten zu interaktiven Simulationen im Projektmanagement durchzuführen. Es ist jedoch unbestritten, dass die interaktiven Simulationen als Lernmethode vom Projektteam besser bewertet werden als Frontalunterricht oder Eigenstudium der Prozesse. Dies führt dazu, dass die Angebote für interaktiven Simulationen ausgebaut wurden. So stehen den Bau-Projektleitern der BMW Group inzwischen zahlreiche interaktive Simulationen zur Verfügung (s. Abb. 6), die überwiegend auf den Intensiv-Tagen angewandt werden. Die Anwendung ist nicht verpflichtend. Zusammenfassung Interaktive Simulationen werten jeden Methodenkoffer auf, sie sind wie ein Werkzeug, das bedarfsgerecht, situativ und wohl dosiert eingesetzt, sowohl den Lernprozess im Team als auch die Zusammenarbeit verbessern kann. Das spielerisch und emotional gemeinsam Erlebte bleibt sowohl laut der Rückmeldungen aus den durchgeführten interaktiven Simulationen als auch laut wissenschaftlicher Erkenntnisse mehr im Gedächtnis und im Bewusstsein als unzählige Power-Point-Folien, Excel-Templates und Handbücher. Sie ersetzen jedoch nicht das kognitive Lernen der Prozessbeteiligten, sondern sind als Ergänzungen zu sehen, die wohl dosiert einen Mehrwert darstellen. Die interaktive Simulation ist hier wie ein Probelauf zu sehen, der Projektteams die Möglichkeit gibt, eine im Projekt später auftretende Situation in Vorfeld realitätsnah durchzuspielen, direkt aus Fehlern zu lernen und sofort Abläufe zu verbessern. Die Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Neurodidaktik ermöglichte es, die anfangs intuitiv aufgesetzten interaktiven Simulationen so zu optimieren, dass das Projektteam den maximal nachhaltigen Lerneffekt erreichen kann. Abgesehen von der Notwendigkeit, dass vorgegebene Prozesse richtig umzusetzen sind, verhelfen interaktive Simula- Abbildung 5: Auszug von Projektevaluierungen für das ÄM am Standort München von 2015 - 2019 Abbildung 6: Beispiele von eingesetzten interaktiven Simulationen Wissen | Spielerisch und mit Freude zum Erfolg 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0071 Anzeige ERNST | SAILER | GABRIEL Nachhaltige Betriebswirtschaft 2. Auflage Ihr Weg zu nachhaltiger uvk.de Unternehmensführung tionen zu Effekten, die über den reinen Lernprozess hinausgehen: • Perspektivenwechsel • Verständnis für die Aufgaben der Anderen • Gemeinsam lernen • Blick aufs Ganze • Und nicht zuletzt: Spaß und Team Building Sollte einer der Teilnehmer der interaktiven Simulationen wieder einmal zurückmelden, er habe den ÄM-Prozess erst beim Spiel verstanden, weil er eben der haptische Typ sei, so weiß der neurodidaktisch geschulte Projektleiter, dass der haptische Kollege mit großer Wahrscheinlichkeit die Unterlagen im Vorfeld nicht gelesen hat. Literatur [1] h ttp s : / / w w w. g p m i p m a . d e / fil e a d m i n / u s e r _ u p load / GPM / Know-How / Ergebnisse_Erfolg_und_Scheitern-Studie_2008.pdf (Abruf am 14. 08. 2020) [2] https: / / www.gpm-ipma.de / fileadmin / user_upload / ueber-uns / Awards / DPEA / PE_Broschuere_web.pdf (Abruf am 14. 08. 2020) [3] Gabler Wirtschaftslexikon (2020) https: / / wirts c h a ft s l ex i ko n . g a b l e r. d e / d e f i n iti o n / g a m i f i c a t i o n - 5 3 8 7 4 # : ~ : t e x t = G a m i f i c a t i o n % 2 0 i s t % 2 0 die%20 %C3%9Cbertragung%20von,Motivationssteigerung%20bei%20Anwenderinnen%20und%20Anwendern (Abruf am 18. 10. 2020) [4] Vgl. Sabitzer, B. (2020)-- Neurodidaktik-- Neue Impulse für den Informatikunterricht http: / / www.creamos.eu / Neurodidaktik-Melk-Sabitzer.pdf (Abruf am 18. 10. 2020) [5] Vgl. Vester, F. (1975) Denken, Lernen, Vergessen., S. 163, dtv-Verlag, Berlin [6] Vgl. Looß, M. (2003): Von den Sinnen in den Sinn? Eine Kritik pädagogisch-didaktischer Konzepte zu Phänomen und Abstraktion [PDF]. Vortrag am 29. 01. 2003 an der Technischen Universität Braunschweig. Verfügbar unter: http: / / www.ifdn.tubs.de / didaktikbio / mitarbeiter / looss / looss_Von_den_Sinnen.pdf (Abruf am 26. 10. 2020) [7] Vgl. Arnold, M. (2009) Brainbased learning and Teaching. In U. Herrmann, Neurodidaktik: Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen (S. 190ff). Weinheim, Basel, Beltz [8] Vgl. Zeller, G. Groß, B. (2017) Wie die BMW Group Excellence in Bauprojekten sucht https: / / www. project-excellence-award.de / fileadmin / user_upload / Publikationen / Zeller_und_Gross_-_2017_-_Wie_ die_BMW_Group_Excellence_in_Bauprojekten_sucht.pdf (Abruf am 20. 10. 2020) Eingangsabbildung: ©iStock.com/ Aaron Amat Georg Zeller Georg Zeller, Architekt und zertifizierter Scrum Master, gewann mit dem Projekt „Neubau BMW Werk in Brasilien“ im Jahre 2015 den Deutschen Project Excellence Award der GPM. Seit ca. 25 Jahren verantwortet er Bau- und Infrastrukturprojekte weltweit und lässt sein intrinsisches Wissen sowohl in die Weiterentwicklung von Prozessen, Methoden und Tools als auch in das Training und Coaching von Projektleitern fließen. eMail: georg.zeller@bmw.de 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0072 Die neuen ISO Standards 21 500 „Projekt-, Programm und Portfoliomanagement-- Kontext und Konzepte“ sowie 21 502 „Projektmanagement“ Norman Heydenreich Seit 2018 hat das ISO Komitee TC 258 „Project, programme and portfolio management“ die internationale Norm ISO 21 500 „Guidance on project management“ umfangreich überarbeitet und 2020 als ISO 21 502 veröffentlicht. Zusätzlich wurde 2021 die neue übergreifende Grundlagen-Norm ISO 21 500 „Project, programme and portfolio management- - Context and concepts“ publiziert. Was ist neu? Was hat sich geändert? Was sind die Wirkungen im Markt? Was bleibt an offenen Fragen für die nächsten internationalen Standardisierungsprojekte? Bis 2012 gab es keine internationale Norm für das Management von Projekten, sondern lediglich eine Norm für das Risikomanagement ISO 31 000: 2008 sowie eine für das Qualitätsmanagement in Projekten ISO 10 006: 2003 als Ergänzung zur Normenreihe ISO 9000 „Quality Management“. 2007 brachte das ISO Projektkomitee PC236, dessen Aufgabenbereich auf eine einzige Norm zum Projektmanagement beschränkt war, Experten aus mehr als 40 Ländern zusammen und entwickelte über einen Zeitraum von fünf Jahren die ISO 21 500, eine prozessorientierte Norm, die auf drei Grundlagen basierte: der britischen Norm BSI 6079, der deutschen Norm DIN 69 901-2 und dem PMBOK® Guide des Project Management Institutes PMI, der als US-amerikanische ANSI- Norm übernommen wurde. Die 2012 erschienene ISO-Norm ISO 21 500 „Guidance on project management“ [1] beschreibt Begriffe, Grundlagen, Prozesse und Prozessmodelle im Projektmanagement. Ihr Ziel war es einerseits, international tätigen Unternehmen einen Standard an die Hand zu geben, der die Abstimmung unterschiedlicher Projektmanagementprozesse erleichtert. Andererseits sollten nationale Normungsgremien, branchenspezifische und internationale Projektmanagement-Vereinigungen dazu angeregt werden, Terminologie, Begriffsrahmen und Prozesse der ISO 21 500 in ihre Normen zu übernehmen und damit das Projektmanagement weltweit zu harmonisieren. Sie wurde im Februar 2016 als deutsche Norm DIN ISO 21 500: 2016 „Leitlinien Projektmanagement“ übernommen [2]. Seit der Veröffentlichung der ISO 21 500 hat das neue Technische Komitee ISO / TC258 eine Reihe weiterer Normen veröffentlicht, darunter ISO 21 504: 2015 „Guidance on portfolio management“ [3], ISO 21 503: 2017-- „Guidance on programme management“ [4] sowie ISO 21 505: 2017 „Guidance on governance“ [5]. Bei der Entwicklung der Projektgovernance-Norm wurde die einseitige Fokussierung auf die Definition von Prozessen überwunden und der Ansatz der Ableitung aus Prinzipien verfolgt, wie etwa Stakeholder-Rechte, Offenlegung und Transparenz, Pflichten des Aufsichtsorgans sowie Nachhaltigkeit. Als Grundlage der Normierungsarbeit wurden Corporate-Governance-Grundsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Prinzipien für Projekt-Governance überführt. Insbesondere die Governance internationaler Projekte mit Projektpartnern aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen erhält so eine breitere Basis [6]. Fünf Jahre nach ihrer Publikation stand die ISO 21 500: 2012 zur systematischen Überprüfung an. Eine vom TC258 initiierte Study Group formulierte in ihrem Abschlussbericht umfangreiche Empfehlungen als Grundlage für das 2017 auf der Plenartagung in Melbourne gestartete Revisionsprojekt sowie für ein paralleles Projekt zur Erstellung einer übergreifenden Grundlagennorm für die Normenfamilie ISO215XX. Die Ergebnisse wurden 2020 als ISO 21 502: 2020 „Guidance on project management“ [7] sowie 2021 als neue übergreifende Basis- Wissen | Die neuen ISO Standards 21 500 „Projekt-, Programm und Portfoliomanagement 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0072 norm ISO 21 500: 2021 „Project, programme and portfolio management-- Context and concepts“ [8] veröffentlicht. Die neue Grundlagen-Norm ISO 21 500 Als übergreifende Grundlagen-Norm stellt die neue ISO 21 500 die Definitionen, den Kontext und die Zusammenhänge der Grundkonzepte des Projekt-, Programm- und Projektportfoliomanagements (PPP), deren Einbettung in den Betrieb sowie der PPP-Governance bereit: Organisationen leisten Arbeit, um Ziele zu erreichen. Diese Arbeit kann als Betrieb, als Projekt oder Programm durchgeführt oder gemeinsam mit anderen zusammenhängenden Tätigkeiten als Portfolio organisiert werden. Projekte werden von temporären Teams durchgeführt und liefern Ergebnisse, Output, Lieferobjekte und Nutzen. Programme sind Gruppen von Projekten, Programmen und anderen damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die auf koordinierte Weise gemanagt werden, um Vorteile und Synergien zu erzielen, um zur Erreichung gemeinsamer strategischer und operativer Ziele beizutragen und Nutzen zu realisieren. Zu Portfolios zusammengefasst werden Projekte, Programme und andere damit zusammenhängende Tätigkeiten, die zur Erreichung der strategischen Ziele einer Organisation beitragen sollen. Der Betrieb wird von relativ stabilen Teams durch laufende und sich wiederholende Prozesse durchgeführt, die auf die Aufrechterhaltung der Organisation ausgerichtet sind. Projekte, Programme und Portfolios existieren innerhalb des organisatorischen Umfelds und der externen Umwelt. Chancen und Bedrohungen können mittels der Strategie und Ziele der Organisation identifiziert, bewertet und zu Anforderungen und Business-Cases weiterentwickelt werden. Auf deren Grundlage und unter Einsatz von Portfolio-Management wählt die Organisation Projekte und Programme aus, um Outcome (Ergebnisse), Output und Lieferobjekte für den Betrieb bereitzustellen. Durch deren Einsatz im Betrieb wird Nutzen für interne und externe Stakeholder realisiert, der zur weiteren Entwicklung der Strategie und der Ziele der Organisation beitragen kann. Die neue ISO 21 502 Gegenüber der ISO 21 500: 2012 bezieht die neue ISO 21 502: 2020 den Kontext viel stärker mit ein: die Vor- und Nachprojektphasen, die Verzahnung der Rollen und Verantwortlichkeiten-- auch im Hinblick auf die Vor- und Nachprojektphase, die Überschneidungen mit dem operativen Geschäft in der Organisation, die übergreifenden Programme und Projektportfolios sowie die Einflüsse der Governance auf das Projekt. Neben Lieferobjekten und Output werden auch Ergebnisse und Nutzen deutlich stärker betont. Es wird unterschieden zwischen den „Integrierten Projektmanagement-Praktiken“, die unmittelbar für das Management eines einzelnen Projekts notwendig sind, und den „Management-Praktiken für ein Projekt“, die darüber hinausgehen. Diese werden in einem Anhang mit den Prozessen der ISO 21 500 referenziert. Wichtig sind folgende Änderungen von der bisherigen Norm ISO 21 500 zur neuen ISO 21 502: • Erweiterung des Begriffs „Projektmanagement“ um die projektbezogenen Aufsichts- und Governance-Aktivitäten der Trägerorganisation. • Zusätzliche Informationen darüber, wie Projekte Ergebnisse liefern und die Realisierung von Nutzen ermöglichen können. • Berücksichtigung des organisatorischen Kontextes von Projekten. • Beschreibungen von zusätzlichen Projektrollen und Verantwortlichkeiten. • Neue Themen, wie z. B. die Schaffung einer erfolgsfördernden Projektumgebung, Projektlebenszyklen, Entscheidungspunkte sowie zusätzliche Projektpraktiken, wie z. B. das Nutzenmanagement und die Änderungskontrolle. • Vor- und Nachprojektaktivitäten. • Wechsel von einem prozessbasierten zu einem ziel- und erzählungsbasierten Ansatz / Format (ein Querverweis zwischen dem prozessbasierten und dem auf Zielen / Narrativen basierenden Format wurde in einem Anhang hinzugefügt). Durch die Umstellung auf einen ziel-/ erzählungsbasierten Ansatz kann die neue Norm ISO 21 502 besser mit den verschiedenen Versionen von prozessbasierten Systemen auf dem Markt zusammenwirken, sich mehr auf die Praktiken als auf die Prozesse konzentrieren und so die weitere Entwicklung in der internationalen Praxis des Projektmanagements und jede Art der Projektdurchführung, insbesondere auch agile, adaptive und hybride Ansätze besser unterstützen. Gegenstand der ISO 21 502 ist das Projektmanagementsystem, daher sind Kompetenzen und Mindsets nicht Gegenstand der Norm. Dies ist eine bewusste Entscheidung: Die Study Group „Competencies“ des TC258 hat 2018 festgestellt, dass der Markt zurzeit keinen Bedarf an einem zusätzlichen ISO-Kompetenzstandard auf gleicher Detailierungsebene wie die bereits vorhandenen Kompetenzstandards hat, da diese den Bedarf gut abdecken [9]. Wirkungen im Markt und weiterführende Projekte Die neuen Grundlagennormen ISO 21 502 sowie ISO 21 500 sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg der internationalen Harmonisierung von Begriffen und Grundkonzepten für nationale, branchenspezifische und internationale Projektmanagement- Standards. Die Anpassung der ISO Normen für Programmmanagement ISO 21 503: 2017 und Portfoliomanagement ISO 21 504: 2015 an die neuen Grundlagennormen befindet sich zurzeit in der Abstimmung. Die kompetenzbasierte IPMA Individual Competence Baseline (IPMA ICB 4.0) bleibt kompatibel zu den ISO-Standards. Auch das Project Management Institute (PMI) geht in der neuen 7. Version seines PMBOK® Guide weg Die Study Group „Competencies“ bei der Arbeit in Weimar 2018; Foto: Ben Bolland Wissen | Die neuen ISO Standards 21 500 „Projekt-, Programm und Portfoliomanagement 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0072 vom prozessorientierten Ansatz hin zu einem prinzipienorientierten sowie ergebnisorientierten Ansatz. Als eine der nächsten Aufgaben soll das Thema einer internationalen Standardisierung agiler bzw. adaptiver Absätze im Projektmanagement angegangen werden, das seit Jahren international hoch priorisiert wurde. Es gibt allerdings unterschiedliche Positionen, Konzepte und Praktiken, deren Differenzen zu analysieren sind, um einen ausgereiften gemeinsamen Ansatz als Grundlage eines möglichen internationalen Standards für agiles / adaptives Management für Projekte, Programme, Portfolios und die dazugehörige Governance zu entwickeln. Wichtig ist auch ein besseres Verständnis des Bedarfs in unterschiedlichen Regionen und Marktsegmenten. Eine Study Group wird diese Fragen ergebnisoffen klären und in einem Whitepaper einen Vorschlag für das weitere Vorgehen erarbeiten. Diskutiert wird gegenwärtig auch die Frage der Weiterentwicklung der bisherigen Richtlinien-Normen zu Anforderungs- Normen bzw. Managementsystem-Normen für Projekte, Programme und Portfolios und die damit verbundene Governance. Diese könnten Organisationen dabei unterstützen, den Nutzen und den Erfolg der Projektumgebung zu verbessern, ähnlich wie die auf dem Betrieb basierenden Managementsystem-Normen, insbesondere die im Markt erfolgreiche ISO 9000, die die Geschäftsqualität, den Erfolg, die Konsistenz und das Vertrauen in vielen Organisationsbereichen verbessert hat. Sie könnten ggf. auch die Grundlage für eine Konformitätsbewertung bilden (z. B. für eine Zertifizierung), die den Nachweis erbringen kann, dass eine Organisation die notwendigen Praktiken und Systeme implementiert hat und weiter verbessert, um ihre Sorgfaltspflicht beim Sponsern, Führen und Umsetzen von Projekten nachzuweisen. Eine Übernahme beider Normen ISO 21 500: 2021 und ISO 21 502: 2020 als deutsche DIN ISO Normen wurde vom zuständigen DIN-Arbeitsausschuss beschlossen. Zurzeit findet die Übersetzung beider Normen ins Deutsche statt. Der Entwurf der deutschen Fassung wird für zwei Monate im Entwurfsportal von DIN der Öffentlichkeit zur Kommentierung zugänglich sein. Darüber hinaus wurde ein Projekt zur Anpassung der nationalen Projektmanagement-Normenreihe DIN 69 901 an die internationalen Entwicklungen gestartet. Hier sollen auch erste Ergebnisse hinsichtlich agiler bzw. adaptiver Absätze im Projektmanagement berücksichtigt werden. Interessenten für die anstehenden Normierungsprojekte können im Rahmen der GPM-Fachgruppe „Normen und Standards“ [10] oder direkt im Rahmen des DIN-Arbeitsausschusses „Projektmanagement“ mitwirken und sich dazu gerne beim Autor melden ( norman.heydenreich@gpm-ipma. de). Literatur [1] International Standards Organization: ISO 21 500: 2012 Guidance on project management. Genf, 2012 [2] Deutsches Institut für Normung: DIN ISO 21 500: 2016-02 Leitlinien Projektmanagement (ISO 21 500: 2012); Beuth Verlag, 2016 [3] International Standards Organization: ISO 21 504: 2015 Guidance on portfolio management. Genf, 2015 [4] International Standards Organization: ISO 21 503: 2017-- Guidance on programme management. Genf, 2017 [5] International Standards Organization: ISO 21 505: 2017 Guidance on governance. Genf, 2017 [6] Heydenreich, Norman: Internationale Norm für Projekt- Governance auf dem Weg zur Publikation. PROJEKTMA- NAGEMENT AKTUELL, 01 / 2017 [7] International Standards Organization: ISO 21 502: 2020 Guidance on project management. Genf, 2020 [8] International Standards Organization: ISO 21 500: 2021 Project, programme and portfolio management-- Context and concepts. Genf, 2017 [9] Heydenreich, Norman: PM-Standards und der „Geist von Weimar“-- Tagung der ISO TC258 Study Group „Competencies“: GPM Blog (gpm-blog.de), 2018 [10] Heydenreich, Norman: Neustart der Fachgruppe „Normen und Standards im Projektmanagement“. PROJEKT- MANAGEMENT AKTUELL, 03 / 2021 Eingangsabbildung: Das internationale ISO 21 505 Projektteam feiert in Athen seinen Erfolg: 100-prozentige Zustimmung. © Jouko Vaskimo Norman Heydenreich Norman Heydenreich bringt Erfahrung aus 30-jähriger (Projekt-) Managementpraxis in die von ihm gegründete Management Akademie Weimar ein. Ehrenamtlich engagiert er sich als Delegierter der GPM, Bevollmächtigter Normen und Standards, Obmann des Arbeitsausschuss Projektmanagement im DIN e. V., Beiratsmitglied des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ sowie in mehreren GPM-Fachgruppen. 2013 - 2017 vertrat er als Hauptstadtrepräsentant die gesellschaftlichen Interessen der GPM und initiierte die Kongressreihe und das Aktionsprogramm „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ sowie die Gründung der Fachgruppen „PM in der Öffentlichen Verwaltung“, „Bau- und Infrastrukturprojekte“ sowie „Digitale Transformation“. Er wirkte mit an der Entwicklung des internationalen Standards ISO 21 505 „Projekt-Governance“ und in der ISO Study Group „Projektmanagement-Kompetenzen“. Im Rahmen von Lehraufträgen, u. a. an der TU Berlin sowie in Fachartikeln und Vorträgen gibt er seine Praxiserfahrungen weiter. 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0073 D-A-CH Forschungswerkstatt: Designing Projects Martina Huemann, Yvonne Schoper und Katrin Reschwamm Für eilige Leser | Am Mittwoch, 2. Juni 2021, nahmen 50 Teilnehmer*innen an der ersten virtuellen D-A-CH Forschungswerkstatt teil. Dieses Kooperationsevent der drei deutschsprachigen IPMA® Vertretungen, pma-- Projekt Management Austria, GPM-- Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und spm-- Swiss Project Management Association fand bereits zum 7. Mal statt. Heuer wurde die Netzwerkveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie erstmals online durchgeführt. Rund 50 Teilnehmer*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz folgten der Einladung der Organisatorinnen Martina Huemann (pma), Yvonne Schoper (GPM) und Katrin Reschwamm (spm), um sich nach einem Jahr Zwangspause-- 2020 konnte das Event aufgrund der Pandemie nicht durchgeführt werden-- wieder zu vernetzen und in spannenden Workshops miteinander zu arbeiten. „Es ist wichtig, dass die durch dieses Eventformat geformte Community endlich wieder zusammenkommt. Deswegen hat pma beschlossen, diese Veranstaltung heuer online durchzuführen“, erklärte Martina Huemann in der Begrüßung. Schlagwörter | Projektdesign, Kunst, Geisteswissenschaft, Designprozess Projektdesigner*in-- Ein Job mit Zukunft? Die ICB 4 hat erstmals das Kompetenzelement des Projektdesignens zum Inhalt. Diese neue und wichtige individuelle Kompetenz von Projektmanager*innen besser kennen und verstehen zu lernen, war das Ziel dieser Forschungswerkstatt. „Mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung von Planungs- und Steuerungsprozessen in Projekten werden Projektmanager*innen zunehmend zu Projektdesigner*innen“, meinte Yvonne Schoper in ihrem Eingangsstatement. Inspiriert vom ICB Kompetenz-Element Project Design [1] stand die D-A-CH Forschungswerkstatt unter dem Motto „Designing Projects: Vom Projektmanager zur Projektdesignerin“ und beleuchtete das Thema Projektdesign in zahlreichen Facetten. In Projekten gibt es viele Designentscheidungen zu treffen: Diese betreffen zum Beispiel den Projektablauf, die Projektorganisation, das Vorgehensmodell, die Projektkultur, die Infrastruktur oder den Methodeneinsatz, um nur einige zu nennen. Fragen, die sich die Gäste im interaktiven Online- Setup stellten, waren: • Was ist das passende Vorgehensmodell für das spezifische Projekt: agil, hybrid, linear oder blended? • Wie werden Projekte designt, an denen mehrere Organisationen beteiligt sind? • Welche Gestaltungselemente stehen uns im Projektmanagement zur Verfügung? Der Blick über den Tellerrand Eröffnet wurde die Veranstaltung vom renommierten Grafikdesigner und Typograf Wolfgang Beinert aus Berlin, der den Teilnehmenden einen Einblick in die Arbeit eines Designers gab. Somit konnten die Teilnehmenden mit Hilfe des externen Inputs einen Blick auf die Arbeit eines Kreativen werfen. Beinert zeigte seinen Kreativ-Prozess am Beispiel eines Kundenauftrags, für den er Menükarten im Stil der 1820er Jahre kreieren sollte-- das Jahr, in dem das Gebäude mit dem Restaurant erstmalig urkundlich erwähnt wurde. Er erläuterte, dass der kreative Designprozess mit ausgiebigen Recherchen über Schriften und in alten Büchern in der Nationalbibliothek begann, bis hin zu Methoden aus Japan, um Papier künstlich altern zu lassen. Andere Experimente waren beispielsweise Stempel ausdrucken, das Papier anschließend zerknüllen und wieder einscannen oder sogar mit einer Schrotflinte auf das Papier zu schießen, um ein Vintage Flair zu erzeugen. Auch kulturelle Differenzen muss man im Design-Prozess berück- Wissen | D-A-CH Forschungswerkstatt: Designing Projects 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0073 sichtigen, weil Design stark kulturell verwurzelt ist und man mit „falschem Design“ auch Gefühle verletzen kann. Projektmanagement Vertiefungen Anschließend konnten die Gäste aus drei Workshops wählen. Im Workshop von Andreas Frick, Unternehmensberater, geschäftsführender Gesellschafter des Projektforums und Lehrbeauftragter für Projektmanagement, beschäftigten sich die Teilnehmenden mit „Projektdesign- - Wie kann ein methodisches Vorgehen aussehen? “. Im GPM-Standardwerk „Kompetenzbasiertes Projektmanagement PM4“ [2] ist auf Basis der ICB 4.0 ein erster methodischer Ansatz zur Entwicklung des Projektdesigns beschrieben. Das Projektdesign beschreibt den methodischen Weg hin zu einem spezifischen Handlungsansatz und zur Art und Weise, mit dem ein Projekt angegangen und bearbeitet werden soll. Das Projektdesign führt dabei zu grundsätzlichen Entscheidungen, zu Festlegungen zur Vorgehensweise (Projekt-Ablauforganisation), zu organisatorischen Festlegungen (Projekt-Aufbauorganisation), zu Projektzielsetzungen und letztlich zum eingesetzten Projektmanagementansatz. Im Workshop wurde dieser Ansatz kurz vorgestellt, um ihn anschließend zu diskutieren und diesen weiterzuentwickeln. Die Teilnehmenden konnten in einer angeregten Diskussion von ihren eigenen Erfahrungen mit diesem Kompetenzelement erzählen und gaben Anregungen für die Wahl des „richtigen“ bzw. „falschen“ Designs und auch darüber, welche Konsequenzen das für ein Projekt hat. In der Diskussion wurde auch deutlich, dass die Entwicklung einer Methode oder eines Methodensets, mit dem für ein konkret vorliegendes Projekt ein individueller Handlungsansatz entwickelt werden kann, eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Ansätzen darstellt. Bisherige Ansätze verfolgen oft einen regelorientierten Ansatz. Es wird nach dem „richtigen“ Vorgehen gesucht-- „So soll es gemacht werden! So macht man das! “. Der Ansatz der IPMA® ist bewusst kompetenzorientiert aufgebaut. Und hier findet sich die Kompetenz Projektdesign. Im Grunde eine Art Meta-Methode, eine Methode, die hinführt zu einer konkreten methodischen Vorgehensweise für ein vorliegendes Projekt. Der Workshop von Martina Königbauer, selbständige Unternehmensberaterin und Lehrbeauftragte, war dem Thema „Projektmanagementmethoden auswählen und kombinieren- - worauf es ankommt“ gewidmet. Die Teilnehmenden beschäftigten sich mit der Herausforderung, ein geeignetes Vorgehensmodell für das Projektmanagement zu definieren. Zunächst wurden Parameter gezeigt, die häufig bei der Abwägung einer eher agilen oder linearen Vorgehensweise genutzt werden. Es wurde visualisiert, in welcher Ausprägung die Parameter vorliegen können und dass sie- - je nach Ausprägung-- für ein eher agiles oder ein eher lineares Vorgehensmodell sprechen können. Für ein Beispielprojekt wurden die bereits definierten Ausprägungen diskutiert und die Teilnehmenden konnten erfahren, dass sie allein mit Parametern nur zu einer ungenauen Vorgehensmodellempfehlung gelangen. Deshalb stellte Martina Königbauer die von ihr im Rahmen ihrer Forschungsarbeit entwickelte Methode SIMOC vor [3]. Sie dient der Vorselektion, der Kompatibilitätsprüfung einzelner Projektmanagementmethoden, die auch aus verschiedenen Vorgehensmodellen stammen können. Alexander Vollnhofer, Geschäftsstellenleiter pma leitete einen Workshop mit dem Titel „Projektdesign: Design- Abbildung 2: Andreas Frick Abbildung 3: Martina Königbauer Abbildung 1: Wolfgang Beinert Wissen | D-A-CH Forschungswerkstatt: Designing Projects 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0073 elemente als Bausteine für den Projekterfolg“. Ausgehend von der Beschreibung des ICB Kompetenzelements „Projektdesign“ konnten die Teilnehmenden ihre Projektdesignerfahrungen im Projektstart reflektieren. Das Projektdesign soll idealerweise ein sehr kreativer Prozess sein, in dem überlegt wird, mit welchen Methoden und Werkzeugen die verschiedenen Anforderungen an das Projekt so umgesetzt werden können, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit möglichst hoch wird. Die Diskussion zeigte aber, dass die Ausgangslage in der Praxis sehr stressig ist und für Kreativität kaum Raum und Zeit gegeben wird. Parallelen wurden zum Thema Mindfulness gezogen. Das Projektdesign sollte bewusst genutzt werden, um (methodische) Antworten auf die Herausforderungen des Projekts zu finden. Darüber hinaus tauschten sich die Teilnehmenden noch über konkrete Projekt-Designelemente aus, die in ihrer jeweiligen Branche eine besonders wichtige Rolle spielen. Damit konnte gemeinsam, wie in Abbildung 5 gezeigt, eine breitere Sicht über die Vielfalt an Projekt-Designelementen geschaffen werden. Was haben wir gelernt? Am Ende der Veranstaltung trafen sich die Teilnehmenden zu einem von Martina Huemann moderierten Fishbowl, in dem das Gelernte reflektiert und mit der eigenen Praxis verknüpft werden konnte. Die Teilnehmenden der Forschungswerkstatt sind immer sehr experimentierfreudig und so ist der Transfer der D-A-CH Forschungswerkstatt auch in virtuelle Veranstaltungsräumlichkeiten des Tools Gather gut gelungen. Inhaltlich konnten die Teilnehmer*innen zum Thema Projektdesign lernen: Die systematische, fundierte Recherche am Anfang eines Projektes ist überaus bedeutsam für das Verstehen der spezifischen Rahmenbedingungen und den späteren Erfolg des Projektes, aber allzu oft gibt man sich nicht diese wichtige Recherchezeit am Anfang eines neuen Projektes. pma Assessor Christian Rudischer brachte es auf den Punkt: „Aus Projektmanagementsicht fand ich an der Keynote des Designers Wolfgang Beinert zwei Dinge bemerkenswert: Erstens den enormen Aufwand, den er in die Kontextanalyse steckt, um höchste Qualität und Akzeptanz bei seinen Auf- Abbildung 4: Alexander Vollnhofer Abbildung 5: Die Vielfalt von Projektdesignelementen Wissen | D-A-CH Forschungswerkstatt: Designing Projects 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0073 traggebern zu erzielen. Zweitens den Umstand, dass er eben mit einer langen Analyse- und Konzeptionsphase beginnt, anstatt schnell einmal einen ersten ‚minimum viable‘ Entwurf vorzulegen. Offenbar können Vorgehensmodelle, die in der Projektwelt heute gelegentlich als ‚traditionell‘ abgetan werden, durchaus zu kreativen Spitzenleistungen führen.“ Was unterscheidet Projektmanager*innen von Designer*innen? An dem Tag lernten die Teilnehmenden, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind, denn am Ende ist man als Designer*in ein*e strukturiert arbeitende*r Künstleringenieur*in. Die Kreativität in diesem Beruf basiert auf einem sowohl sehr breiten als auch tiefen Wissen über geschichtliche Zusammenhänge, Kunstepochen, Architektur, diverse künstlerische Techniken und Produktionsmethoden, aber auch vielen kleinen persönlichen Geschichten am Rande, die am Ende dann den Kreativitätsprozess in Gang setzen. Unsere Kompetenz als Projektmanager*in ist im Gegensatz zunächst eher eine Methodenkompetenz, die dann erfolgreich ist, wenn die Kenntnisse über die eigentlichen Wertschöpfungsthemen und -prozesse ebenfalls sehr fundiert hinzukommen und miteinander kombiniert werden- - was eine schöne Umschreibung für die Kompetenz des Projektdesigns ist. Die oft vorherrschende Regelorientierung und Richtig-undfalsch-Unterscheidung der bisherigen Ansätze hat ihren Ursprung insbesondere in den Ingenieurdisziplinen. Beim Projektmanagement handelt es sich allerdings um Management. Und Management zählt seit Peter Drucker zu den Geisteswissenschaften. Dort geht es nur selten um eine Richtig-falsch- Unterscheidung. Es gibt in jeder Situation immer Optionen, die jeweils Vor- und Nachteile aufweisen. Es gilt dann die Option mit der größten Erfolgswahrscheinlichkeit auszuwählen, mit Blick auf Kontext und Situation. Mit dem Element Projektdesign wandelt sich daher auch das grundlegende Verständnis des Projektmanagements, es entwickelt sich mehr in Richtung einer Geisteswissenschaft. In den Workshops gab es vielerlei Hinweise zu Ergänzungen und einer Veränderung des Ansatzes, wie er in der ICB 4.0 beschrieben ist und im PM4 präzisiert wurde. Das hohe Interesse und Mitwirken an der D-A-CH Forschungswerkstatt zeigt, dass es sich hier um ein Zukunftsthema handelt. Dies bestätigte auch Katrin Reschwamm im Fazit: „Mit der diesjährigen Forschungswerkstatt haben wir nur an der Oberfläche von Projektdesign gekratzt, so dass wir gern das Thema in kommenden Forschungswerkstätten fortführen möchten“. Abbildung 6: Fishbowl in Gather Prof. Dr. Martina Huemann Martina Huemann ist Professorin an der WU Wien, führt die Project Management Group im Department Strategie & Innovation und leitet den Professional MBA: Project Management. Seit 2003 ist sie Vorstandsmitglied von pma. Sie ist Beraterin und Mitbegründerin von enable2change und hat große Freude am Brückenschlagen zwischen Forschung und Praxis. eMail: Martina.Huemannu.ac.at Prof. Dr. Yvonne Schoper Yvonne Schoper ist Professorin an der HTW Berlin mit dem Schwerpunkt Internationales Projektmanagement, Präsidialrätin der GPM und Vizepräsidentin in der IPMA® für den Bereich Membership und Young Crew. Ihre Forschungsinteressen sind die Projektifizierung der Wirtschaft und der Einfluss der Kultur auf das Projektmanagement. eMail: yvonne.schoper@HTW-Berlin.de martina.huemann@wu.ac.at Wissen | D-A-CH Forschungswerkstatt: Designing Projects Das Event endete mit einem gemeinsamen Online-Networking, in dem bei allen Teilnehmenden die Hoffnung überwog, dass die Forschungswerkstatt 2022 wieder physisch stattfinden kann. Literatur [1] Individual Competence Baseline for Projectmanagement, Version 4.0, Hrsg.: International Project Management Association (IPMA®) [2] Frick, Andreas / Schoper Yvonne / Röschlein Ralf / Seidl Jörg: Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM4): Handbuch für Praxis und Weiterbildung im Projektmanagement. 5.1 Projektdesign, Hrsg.: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. [3] Königbauer, M. (2021): Adaptives Referenzmodell für hybrides Projektmanagement, Dissertation, Universität Würzburg, Veröffentlichung Ende 2021 Eingangsabbildung: © iStock.com / Weedezign Katrin Reschwamm Katrin Reschwamm ist seit April 2021 Forschungs- und Projektmanagerin bei EU GrantsAccess an der ETH Zürich. Davor hat sie zehn Jahre die EUrelations AG sowie für acht Jahre die Geschäftsstelle des Verein Netzwerk Logistik Schweiz geleitet. Seit 2013 ist sie im Vorstand des spm und neben der D-A-CH Forschungswerkstatt für die Fachgruppen zuständig. eMail: katrin.reschwamm@spm.ch Anzeige ... hilft beim Handeln und Gestalten im Personalmanagement. G. Schanz | S. Strack Personalmanagement im Mittelstand uvk.de 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 Führung, die bewegt-… setzt günstige Rahmenbedingungen und beseitigt Hindernisse auf dem Weg zur Projekt-Excellence Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren und sich an der Neu- Orientierung von Führung beteiligen Klaus Wagenhals Für eilige Leser | Wenn über Erfolgsfaktoren für Projekte diskutiert wurde und wird, ist man sich einig: der Erfolg hängt wesentlich von einer guten Führung und-- eng damit verkoppelt-- vom guten Miteinander im Team ab. Schlagwörter | BarCamp, Change, New Work, agile Führung 1. Projekte haben sich stark verändert-- daher auch die Führung-… Nun sind aber schon seit über 15 Jahren (in IT-Projekten begonnen) einige gravierende Veränderungen zu beobachten, die den Projektmanager/ -leiter (PM / PL) und den damit bisher verbundenen Führungsansatz vor neue Herausforderungen stellen: • Der sog. „agile Ansatz“ setzt sich mehr oder weniger „rein“, oft aber in einer mit „hybrid“ benannten Zwischenform zwischen „agil“ und „klassisch“ durch, weil damit deutlich messbare Fortschritte für die Projekte erzielbar sind (vgl. dazu z. B. Wolf, 2015); daher wird dieser Ansatz mittlerweile auf ganze Organisationen ausgerollt. • Zentral für das „agile Arbeiten“ ist die Umsetzung der sogenannten „agilen Prinzipien“, die sowohl auf der Prozessals auch der Strukturebene Veränderungen zur Folge haben- - inkl. der Einführung neuer Rollen-Kreationen wie des Scrum Masters (SM), des Product Owners (PO) und des selbstorganisierten Teams (soT), in dem die Bearbeiter des Backlogs zu einer optimalen Teamleistung auf der Basis ihrer geförderten Potenziale und einer Kultur, die auf einem „agilen“ Werte-Kanon aufbaut, zusammenwirken. • Zu Beginn dieser teilweise massiven Veränderungen in den Projekten wirkte das von einigen wichtigen Protagonisten verbreitete Missverständnis, „agiles Projektmanagement“ bedeute, dass man keine Führung mehr brauche und daher auf den PM / PL verzichten könne, prägend. Glücklicherweise wurde dies nach einigen Jahren ausgeräumt mit der Einsicht, dass Führung durchaus nötig sei, aber anders orientiert und umgesetzt werden müsse (vgl. Gloger / Rösler, 2014). Vor diesem Hintergrund ist es nur zu verständlich, dass sich mancher PL / PM die berechtigte Frage stellte, was denn-- sollte sich dieser Hype durchsetzen- - aus ihm wird und wie er sich in dieser Gemengelage positionieren soll und sich ggf. für ein neues Berufsbild qualifizieren muss. Es gab bei uns erhebliche Zweifel, ob dafür die Aneignung der z. B. von der GPM im Rahmen ihrer Qualifizierung (mittlerweile ICB4.0) angebotenen Kompetenzen reichen, um sich sowohl in diesen Change einzumischen als auch sich fit für den souveränen Umgang mit diesem neuen Rollenmix zu machen und den Bezug zum „agilen Projekt-Team“ und zu den sonstigen Stakeholdern nicht zu verlieren und entsprechende Führungsaufgaben wahrzunehmen. Parallel dazu ist ebenfalls seit einigen Jahren eine Entwicklung zu beobachten, Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 • die über die weitere Digitalisierung von Projekt-Gegenständen und Projekt-Abläufen selbst, das Projekt immer komplexer werden lässt, • die das Projektgeschehen in eine immer schneller drehende Spirale von Neuem erproben, Ideen generieren, Feedback-Schleifen organisieren hineinlaufen lässt, was die virtuelle Projektarbeit schon vor Corona vorangetrieben hatte (mit allen bereits erkannten und teilweise auch erforschten Folgen für die Führung, vgl. z. B. Wollsching- Strobel, 2020 oder auch Virtuelle Führung in: Digitale Welt, Ausg. 3 / 2020) • und eine stärkere Beteiligung an der Produktentwicklung bzw. der Entwicklung neuer Dienstleistungen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen mit neuen Partnerschaften in einem neu-definierten „Co-Creation-Prozess“ erfordert. Eine erste Studie zur Digitalisierung der Projektarbeit zeigt, dass Ansatzpunkte die Kommunikation und die Zusammenarbeit im Projekt sind-- noch nicht so sehr die Planung, Problemlösung usw. (vgl. Scheurer u. a. in: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2 / 2018, 28); Projekte sind natürlich auch das Vehikel zur Durch- oder Umsetzung von Digitalisierung im Unternehmen; leider wird dieser Durchdringungsgrad in der Studie nicht näher beleuchtet. In Bezug auf die Veränderung der Anforderungen konstatieren die Autoren als zentrale Aspekte eine „erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit“ und „Flexibilität“. Festgehalten wird darüber hinaus, dass sich die Arbeitsgeschwindigkeit gesteigert hat und sich die Projektmitarbeiter verstärkt selbst organisieren müssen. 2. Unsere Erkenntnisse und Schlussfolgerungen (mit Bezug zu den Diskussionen in den vergangenen BarCamps der Fachgruppe) zu diesen Trends Beide Entwicklungen provozierten in der Fachgruppe interessante Diskussionen, die letztendlich dazu führten, dass wir uns in zwei kleine Projektgruppen teilten: • eine Gruppe beschäftigte sich vertiefend mit den oben angedeuteten Konsequenzen agilen Arbeitens im Projekt inklusive der Frage, was aus dem PL / PM in Zukunft wird (Engelmann / Wagenhals), • die andere Gruppe beschäftigte sich mit den Konsequenzen der Digitalisierung des Projektgeschäfts für die Führung im Projekt (Hinz, Röttger, Widmann). Bevor wir jedoch auf die einzelnen Ergebnisse eingehen und Schlussfolgerungen ziehen, wollen wir einige begriffliche und konzeptionelle Klarstellungen vornehmen, um Missverständnissen vorzubeugen: Führung bedeutet immer Beziehungsarbeit im Sinne von „zielgerichteter Beeinflussung von Menschen durch Wort und Tat“. Da wir alle soziale Wesen sind, beeinflussen wir uns alle gegenseitig-- es gibt aber dennoch Menschen, die es besser als andere verstehen, Menschen in einer Gruppe „hinter“ oder „um“ sich zu scharen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen-- völlig unabhängig von hierarchischen Strukturen. Allein aus dieser sozialwissenschaftlichen Erkenntnis ergibt sich bereits die Naivität, der vor einigen Jahren von Vertretern des „agilen PM“ öffentlich formulierten Einschätzung, im agilen Projekt bräuchte es keine Führung. Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 In Projekten ist nun die Beeinflussung der „An-Führer“ in eine hierarchische Struktur mit der Position des PL / PM eingebunden, mit der es über viele Jahre möglich war, die „Geführten“ zum Folgen zu veranlassen. Das ist ihnen in den allermeisten Fällen nicht aufgrund ihrer hierarchischen Führungsposition gelungen- - weil sie ja bekanntermaßen ohne Weisungsbefugnis auskommen mussten- - sondern aufgrund der Nutzung entsprechender Führungskonzepte und individueller Führungsstile. Das waren und sind Konzepte, in denen der wertschätzende, zielführende und die Möglichkeiten des Einzelnen berücksichtigende Umgang wichtig ist, was sowohl das Verhalten-- insbesondere die Kommunikation-- als auch die dahinter liegende Haltung ausmacht. Ein weiterer wichtiger Faktor scheint die Klarheit der Ziele bzw. die Involviertheit der Teammitglieder in die Zieldefinition oder in die Erarbeitung einer Vision zu sein. Insofern ergibt sich hieraus die einfache Idee, sich jeweils genau anzuschauen, welche Art von Kommunikation und welche anderen Handlungen (wie z. B. Zieldefinition und Rollenklärung) in der jeweiligen Projektsituation angemessen und vor allem wirkungsvoll sind. Gerade der letztere Punkt scheint uns in der neueren Führungsdebatte im agilen Projekt zu wenig berücksichtigt zu werden. Eine weitere Klarstellung betrifft das Rollenkonzept: In der ICB4.0 sowie in anderen Qualifizierungs-Ansätzen begegnen wir immer wieder dem „BELBIN-Modell“ mit acht Rollen, die es nach dessen Ansicht im Projekt gibt. Weil wir diesen Ansatz für sehr verkürzt und insofern für das Begreifen der augenblicklichen Veränderungen in den Rollensets im Projekt nicht hilfreich finden, nutzen wir den sozialwissenschaftlich begründeten Rollenansatz von MORENO (1958 ff. auch mit Bezug auf LEWIN,1965). Dort wird Rolle in zweierlei Richtungen definiert: • Sie ist einerseits die kulturell-gesellschaftlich gewordene Handlungs-Stereotype (oft zusammengefasst in einem Berufsbild) bezogen auf verschiedene Aufgaben wie z. B. beim Arzt. • Sie ist andererseits der auf ein Individuum bezogene Handlungs- und Interpretationsspielraum für die Bearbeitung von Aufgaben in einem bestimmten Kontext-- ist also abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit, deren Kompetenz und dem in jeder Person liegenden Potenzial sowie dem zur Verfügung gestellten Rahmen. Insofern sprechen wir bei der Einführung von Scrum Master (SM), Product Owner (PO), selbstorganisiertem Team (soT) und darüber hinaus von „agilen Coachs“ u. ä. nicht von Rollen, sondern von der jeweils spezifischen Kombination verschiedener Rollen (=Rollen-Sets), die zur Bewältigung der Anforderungen erforderlich sind. Wenn man nun verstehen will, wie sich Führungsrollen (=-aufgaben) neu verteilen, dann macht es Sinn, die Führungsaufgaben / Rollen des PL / PM zu differenzieren und darauf zu achten, welche in welchem neuen Rollen-Set „landen“ (z. B. geht die bisher beim PL / PM angesiedelte Methodenkompetenz auf den SM über). Wenn gleichzeitig in der agilen Projektwelt das Team nicht nur als „Vollzeit-Projekt-Team“ definiert wird, sondern sich zum soT entwickeln soll, dann sind auch dort Rollen enthalten und zu spielen, die bisher vom PL / PM zu bespielen waren- - müssen also neu definiert, zugeordnet und eingeübt werden, um die Übernahme von Verantwortung zu gewährleisten und die Selbstorganisation im Team zu stärken. 3. Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Agiles Arbeiten im Projekt“ Aus der 2018 / 19 von unserer kleinen Arbeitsgruppe innerhalb der Fachgruppe durchgeführten Studie zur Zukunft des PL / PM im agilen Umfeld ergaben sich zusammengefasst folgende Erkenntnisse: • Große Projekte mit mehreren Jahren Dauer und vielen Mio. Euro Investitionssumme sind aufgrund ihrer Bedeutung häufig bei den Divisionsleitern aufgehangen oder direkt bei der GF bzw. einem Management-Board. In diesen Projekten bleibt der PL / PM die generell verantwortliche Funktion, teilweise personell aufgeteilt in eine kaufmännische und eine technische PL. Agile Ansätze fanden wir hier eher in Teilprojekten, wo dann die Teilprojektleitung durch SM oder PO ersetzt wird (Branchen: Aerospace, Maschinenbau). • Kleinere Projekte arbeiten deutlich häufiger mit dem agilen Ansatz; diese Projekte sind teilweise in Abteilungen oder Bereichen aufgehangen, teilweise aber auch beim Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 Portfoliomanagement oder beim Head of PM. In mehreren Fällen werden die Agil-Teams von einem PO oder PMO betreut- - für den SM gilt gleiches; berichtspflichtig sind sie teilweise wie gehabt an die Abteilungsleiter oder Projektsponsoren (Branchen: Energie, IT, Mischkonzern). • Im Sinne von „dezentraler Führung“ werden die Führungsaufgaben teilweise verteilt- - z. B. weg vom PL / PM auf den SM- - teilweise auch überlappend gelassen, um sich gegenseitig abzusichern (vor allem auch nach „außen“). Die Tabelle auf der zweiten Seite des Artikels zeigt im Überblick Veränderungen, die wir gefunden haben: • Hieraus lässt sich ein erhöhter Anspruch an die „Selbstorganisation“ des Teams ableiten, was aber in allen Interviews als Reibungspunkt benannt wird und was aufgrund der hierarchisch ausgerichteten Organisationen auch zu erwarten ist. Daraus folgern wir, dass es für PM / PL hilfreich wäre, etwas von Change und neuen Organisationsmodellen („New Work“) zu verstehen, um so ordnend, ggf. auch verändern eingreifen zu können. Dieser Punkt ist vertiefungswürdig. 4. Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Digitalisierung des Projektgeschäfts“ Eine andere Arbeitsgruppe innerhalb der Fachgruppe (Hinz / Röttger/ Widmann) beschäftigte sich mit den Folgen der Digitalisierung im Projektgeschäft und erarbeitete folgende Erkenntnisse (s. auch Protokoll zum BarCamp 2018): • Projektführung ist mit Nutzung digitaler Medien leichter geworden. • E-Mail und persönliches Gespräch sind die bevorzugten Kommunikations-Medien. • Es braucht mehr Anstrengung, um Aufmerksamkeit zu erreichen und zu halten. • Kürze und Bilder sind die wesentlichen Elemente, die bei der Gestaltung von Kommunikation beachtet werden- - ebenso werden Fragen und andere Aspekte oft aufgrund mangelnder Zeit vorweggenommen. • Die Informationsflut ist hoch-- alle wollen mitentscheiden, dies ist aber genau deshalb oft nicht zielführend. • Führung im virtuellen Team benötigt spezifische Regeln, mehr Aufmerksamkeit, sich kümmern, nachhalten-… Die letztere Frage zeigt, die gespaltene Einschätzung von Führungspersonen zu ihrer Wirksamkeit im virtuellen Team- Setting, siehe Schaubild auf der vorherigen Seite; hier wäre natürlich eine Vertiefung denkbar, die genauer spezifiziert, welcher Führungsstil denn gewählt wurde und welcher als „angemessen“ für die virtuelle Zusammenarbeit gesehen wird. Daneben können wir uns durchaus vorstellen, weitere Forschungsfragen zu stellen, die sich dann auch stärker um die Nutzung kollaborativer Tools sowie von KI, z. B. im Bereich Optionen-Aufbereitung, Plan-Alternativen u. ä. drehen. Hier ist noch viel ungeklärt (vgl. dazu auch Schäfer, 2018; Eberspächer, 2021). Festzuhalten ist, dass PM / PL oder andere Personen im Projekt mit Führungsaufgaben ausreichend Medienbzw. System-Kompetenz benötigen, um eine emanzipierende, lösungsorientierte Anwendung im Projekt zu gewährleisten. Dies setzt voraus, sich methodisch und tool-mäßig immer wieder einen Überblick zu verschaffen und auszuwählen, was zum Projekt und zu den MitarbeiterInnen passen könnte (vgl. dazu Frey, 2016, aber auch den Beitrag von Nagel auf dem diesjährigen BarCamp 2021). 5. Der Anspruch an Führung verändert sich-- wie wird dies konzeptionell und in der Praxis abgebildet und was heißt das für die GPM? Führung wird also mehr auf „Augenhöhe“, mehr als „Dienstleistung“ am Team gefordert, muss sich aber noch besser als „Schaffer für Rahmenbedingungen“ zeigen, was sowohl die Vermittlung nach außen / nach „oben“ umfasst, als auch die Rolle des „Förderers von Selbstorganisation, von reibungsloser Teamarbeit und von Lernprozessen“ während des Projektablaufs. Maßgeblich sind sowohl die Stationen Erproben, mit dem Kunden abstimmen, Fehler machen und reflektieren (Feedback-Schleifen), besser machen usw. sowie die Rolle des Vernetzers und des „Einrichters von Zusammenarbeitsplattformen“ als auch die des „Ermöglichers“ von moderner Problemlösung über die Cloud. Das fordert in der Tat- - auch in Beantwortung der Anforderungen durch die Umsetzung der agilen Werte und Prinzipien- - eine andere Haltung, überarbeitete Glaubenssätze, passendes Verhalten mit dem jeweils angemessenen Kommunikationsstil sowie genügend Variabilität und dem Bewusstsein über die Bedeutung der Vorbildrolle. Auf der Suche nach passenden Führungskonzepten landet man natürlich ganz schnell bei wohlfeilen „Rezept-Angeboten“ wie dem aus den 70er Jahren stammenden „servant leadership“-Ansatz von Greenleaf, vgl. dazu Hinterhuber u. a., 2006). Attraktiv macht diesen Ansatz, dass er von einer humanistischen Grundhaltung ausgeht, den wertschätzenden und „dienenden“ Umgang in den Vordergrund stellt. Er ist aber aus unserer Sicht nicht genügend auf die organisationalen Veränderungen ausgerichtet, wo es um das klare Positionieren und die Beeinflussung von Personen in lang gewachsenen Hierarchien geht. Ein Ansatz, der Führung situations- und kontextbezogen sowie Typ-orientiert sieht, ist der ebenfalls etwas ältere „situational leadership“-Ansatz von Blanchard/ Herschey (1976). Dieser ist attraktiv, weil er dem Anspruch, die jeweils individuellen Kompetenzen und Potenziale des Projekt-Teams besser für das cross-funktionale Zusammenspiel im Interesse eines gemeinsamen Ziels zu nutzen und zu fördern, sehr entgegenkommt. Allerdings müsste in diesem Ansatz der Blick ebenfalls auf die organisationalen Rahmenbedingungen erweitert und auf das Thema „Herstellung hoher Transparenz“ gerichtet werden, um vor diesem Hintergrund noch den „beteiligungsorientierten“ Führungsstil, der gut mit dem „transformationalen“ Stil verknüpfbar ist, mit einzubeziehen. Transparenz und Offenheit und lebendiger Austausch auf „Augenhöhe“ legt auch dezentrale Entscheidungsstrukturen nahe; dazu gab es im diesjährigen BarCamp einen Beitrag von Karen Schmidt zu den „Decision Hats“, mit deren Hilfe schneller zu Entscheidungen gefunden werden kann. Wir sind allerdings skeptisch, was die in neueren Fachartikeln oft bejubelten Chancen von Digitalisierung und Agilisierung für mehr Demokratie angeht. Da wird Transparenz überschätzt: das Offenlegen von Stati, von Sachverhalten, das Ansprechen von Fehlern, von Problemen im Projektfortschritt Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 führt nur dann zu einem demokratischeren Verhalten auf Führungsebene, wenn es gelingt, die transparenten Daten nicht zum Bloßstellen der beteiligten Personen zu missbrauchen, wenn genug Vertrauen aufgebaut ist, für Diskussionen, Problemlösungen „auf Augenhöhe“, und Kritik an dem, der die Verantwortung trägt, keine negativen Konsequenzen für den Kritiker zur Folge hat. Es wird gleichzeitig für all das Förderung und Ermutigung brauchen, wie beispielhaft in den Studien von Pearce u. a. (2003) nachgewiesen wurde (der von den Autoren davon abgeleitete Stil fassen die Autoren unter „empowerment“ zusammen). Damit wird deutlich, dass es für die Entwicklung dieses neuen Führungsverständnisses keineswegs nur eine Kompetenzerweiterung (und schon gar nicht nur die Aneignung von „Skills“, wie das modern gerne genannt wird) braucht, sondern immer auch das Einüben von Haltungs-/ Einstellungs- Veränderungen-- und das braucht Zeit und Mut (vgl. auch die Studie von Google (2013)). Diese Ausführungen sollten zeigen, dass es nicht nur hochinteressant und anregend für die eigene Führungsarbeit im Projekt ist, sich in so einen offenen Austausch über verschiedene Führungsansätze und -aspekte im Rahmen unseres BarCamps (an dem am 23. 4. 2021 über 60 Personen teilgenommen haben, von denen 12 BeiträgerInnen waren) einzubringen, sondern auch, wie dringend nötig die Fortsetzung dieses Austauschs im Interesse einer weiteren Unterstützung der PL / PM sowie anderer Führungspersonen in den Projekten in einem so „heiklen“ Feld wie dem der Führung ist. Um Sie zur Teilhabe an dieser Diskussion und an den Ergebnissen zu ermuntern, haben wir den für das BarCamp eingerichteten MS-Teams-Kanal bestehen lassen. Sie sind also herzlich eingeladen, sich dort zu diesem Artikel oder zu anderen Punkten der Führungsdiskussion zu beteiligen. Gleichzeitig wurde hoffentlich deutlich, dass wir mit den hier vorgestellten Ausarbeitungen, Interviews, Beiträgen in Zeitschriften und in Blogs die Diskussion um „zukunftsweisende Führung“- - sowohl konzeptionell, als auch im praktischen Projektgeschehen und keineswegs nur konzentriert auf den PL / PM- - vorantreiben wollen. Und wir wollen damit natürlich Anregungen und Hinweise liefern, wohin sich die weitere Qualifizierung von Führungspersonal in den Projekten entwickeln und auf welche Inhalte sie zielen muss- - in Ergänzung bzw. in Ausfüllung zum Kompetenz-Kanon, wie er in der ICB4.0 formuliert ist. Eingangsabbildung: © iStock.com/ kaisersosa67 Klaus Wagenhals Geb 1953, hat als gelernter Industrie-Soziologe und Organisations-Psychologe einige Jahre in Projekten in unterschiedlichen Rollen gearbeitet, war dann 10 Jahre Geschäftsführer einer mittelständischen Beratungsfirma und ist seit 1998 freier Berater mit den Schwerpunkten Begleitung von Change-Prozessen in Richtung „agil“, Optimierung von Projekten Richtung „excellence“ sowie Unterstützung von Führungspersonen vorwiegend im mittleren Management. 2007 gründete er zusammen mit KollegInnen das Netzwerk metisleadership- - näheres s. unter www.metisleadership.com; Dr. Wagenhals hat sich in zahlreichen Disziplinen und Methoden weitergebildet und engagiert sich sowohl als Autor und Speaker zu obigen Themen als auch ehrenamtlich, z. B. für die Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) in der Regionalleitung der Region KA, aber auch in verschiedenen Fachgruppen und bei den Wirtschaftspsychologen Rhein-Main. 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0075 Reihe „Nachgefragt“ Sich beruflich und persönlich weiterentwickeln, an Sichtbarkeit gewinnen und Wissen teilen - mit dem Mentoring-Programm der GPM Wie erfolgreich gestaltet sich das GPM Mentoring-Programm in der Praxis? GPM Community Managerin Emel Erat hat nachgefragt. Lesen Sie in dieser Ausgabe der PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL den Auftakt der GPM „Nachgefragt“-Reihe. Im Fokus die Partnerschaft von Mentee Julia Eder und Mentor Martin Möller. Mit ihrer GPM Mitgliedschaft setzen Projektmanagende ein klares Statement im Hinblick auf ein verantwortungsvolles Projektmanagement, das Persönlichkeitsentwicklung, Kultur und Werte einbezieht und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die GPM Mitgliedschaft ist außerdem eine wertvolle Eintrittskarte in eines der führenden Expertennetzwerke in Europa, das Wissen und Erfahrungen aus Tausenden von Projekten teilt und Mitglieder durch wertvolle Bündnisse und Solidaritäten profitieren lässt. Das GPM Mentoring-Programm Seit Anfang 2020 geht die GPM das interne Projekt Mitgliedergewinnung und -bindung neu an und hat in diesem Rahmen das bisherige Mitgliedschaftsmodell ganzheitlich, strategisch und zielgruppenorientiert überarbeitet. Innerhalb dieses Prozesses entstehen auch neue exklusive Mitgliedsleistungen und -angebote. Eines davon ist das Mentoring-Programm, das im November 2020 mit einem sehr erfolgreichen Piloten startete. Inzwischen sind 140 GPM Mitglieder Teil dieser beliebten Partnerschaft, 70 Mentees und 70 Mentorinnen und Mentoren treffen sich regelmäßig zum Austausch mit ihrem persönlichen Match. Mit diesem neuen Angebot bringt die GPM Young Professionals und erfahrene PM-Expertinnen und -Experten zusammen. Mentorinnen und Mentoren teilen ihre Erfahrung und ihr Wissen mit ihrem Mentee-- und profitieren dabei in vielfacher Hinsicht selbst. Das Mentoring umfasst alle Themen, die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger im Projektmanagement bewegen: Berufserfahrung, Projektmanagement-Tools, Abschlussarbeiten, Unterstützung bei wissenschaftlichen, projektmanagementbezogenen Studien, Zertifizierungen und vieles mehr. Doch damit dieses Tandem für beide Seiten erfolgreich ist und funktioniert, muss zwischen den Beteiligten ein Vertrauensverhältnis und ein wertschätzendes Miteinander etabliert werden, damit vor allem Ziele und Erwartungen von beiden Seiten offen definiert und besprochen werden und wenn nötig, im Laufe der Partnerschaft auch angepasst werden können. Zudem müssen Mentees offen für Neues sein, Kritik vertragen und ihre Erwartungen und Ziele von Beginn an offen darlegen. Mentorinnen und Mentoren sollten Ratgebende, Coaches, aber auch Förderer und im besten Fall Vorbild sein. Soweit die Theorie. Mentee Julia Eder im Interview Frau Eder, wie lange sind Sie bereits GPM Mitglied und wie wurden Sie auf die GPM aufmerksam? Julia Eder: Ich bin seit September 2020 Mitglied und IPMA Level D zertifiziert. Tatsächlich habe ich meine Leidenschaft für Projektmanagement bereits während meines Studiums entdeckt. Im Rahmen meines Auslandssemesters in den USA habe ich einen Projektmanagementkurs belegt und seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Hierüber habe ich auch die IPMA und die GPM kennengelernt. In der Zwi- Wissen | Sich beruflich und persönlich weiterentwickeln 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0075 schenzeit habe ich Projektmanagement an der FU Berlin als freie Dozentin unterrichtet. Im Jahr 2020 war mein damaliger Arbeitgeber glücklicherweise bereit, meine PM-Karriere mit einer GPM Zertifizierung zu „krönen“. Seither bin ich IPMA® Level D zertifiziert. Im Rahmen des Mentoring möchte ich die Entscheidung treffen, ob ich als nächstes eine Höherzertifizierung anstrebe oder eine Rezertifizierung. Das hängt auch von den Gegebenheiten meiner aktuellen Stelle ab. Die Mitgliedschaft der GPM war also in gewisser Weise die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches für mich. Warum sind Sie GPM Mitglied? Ich schätze den Austausch über die Veranstaltungen in den Regionalgruppen. Die Veranstaltungen bieten mir die Gelegenheit, mich über aktuelle Methoden und deren praktische Umsetzung zu informieren. Hier hat die Corona-Pandemie in meinen Augen eine positive Veränderung mit sich gebracht. Dadurch, dass alle Veranstaltungen digital durchgeführt wurden, konnte man an Veranstaltungen von Regionalgruppen aus ganz Deutschland teilnehmen. Die Mitarbeitenden in der GPM Geschäftsstelle helfen mir stets bei Fragen zur Zertifizierung und allen sonstigen Fragen, die man als Mitglied so hat, weiter. Das schätze ich. Die Serviceorientierung für die Mitglieder ist sehr hoch. Seit wann sind Sie Mentee im Rahmen des GPM Mentoring-Programm? Am 06. 01. 2021 haben Martin Möller und ich losgelegt. Zwischenmenschlich hat es gleich gepasst, so dass wir uns von vornherein ziemlich sicher waren, dass die Zusammenarbeit funktionieren würde. Mit welchen Erwartungen und Zielen sind Sie in diese Partnerschaft gegangen? Im Rahmen des Mentorings wollte ich gerne klären, wie ich mich beruflich im Kontext von Projektmanagement weiterentwickeln könnte. Eine Höherzertifizierung ist im Rahmen meiner aktuellen Verantwortlichkeiten nicht unbedingt per se gegeben. Ich bin als Digitalisierungsbeauftragte für die GE- SOBAU AG, ein kommunales Wohnungsbauunternehmen in Berlin, tätig. In dieser Funktion verantworte ich die Digitalisierungsstrategie des Konzerns und bearbeite ein sehr breites Themengebiet. Von Themen der betrieblichen Optimierung bis hin zu Strategien für das Trendthema Smart City ist da alles dabei. Aufgrund der Breite der Themengebiete stehe ich Abteilungen bei der Umsetzung von Projekten eher beratend zur Seite und bin nur eingeschränkt an deren Umsetzung beteiligt. Eine der Erwartungen, die ich daher eingangs an das Mentoring hatte, war für mich herauszufinden, ob ich eine Höher- oder eine Rezertifizierung anstrebe. Mein Arbeitgeber ist glücklicherweise bereit, in dem Bereich in mich zu investieren. Jedoch muss der angestrebte Weg selbstverständlich zu den Gegebenheiten der Stelle passen. Haben Sie Ihre Erwartungen Ihrem Mentor gegenüber geäußert und wenn ja, wann haben Sie das getan? Ja, diese Erwartungen habe ich bereits in unserem ersten Gespräch geäußert. Jedoch war mir der Weg hin zu dieser Entscheidung noch unklar. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Oder haben sich Ihre Erwartungen und Ziele verändert? Am Anfang war es für uns beide, glaube ich, etwas schwierig, eine Zielsetzung zu definieren. Ich hatte neben dieser Erwartung auch andere Fragestellungen hinsichtlich meiner beruflichen Karriere formuliert. Die bisherigen Mentoring-Termine haben wir genutzt, um eine Strategie für das genannte Oberziel zu entwickeln, um andere von mir genannte Ziele auszusortieren. Ich bin mittlerweile überrascht, wie viele Projektmanagement-Methoden doch in meinem beruflichen Alltag zum Einsatz kommen können. Sollte es am Ende nicht für eine Höherzertifizierung reichen, haben wir dennoch eine gute Strategie entwickelt, wie ich in meiner Position mein Projektmanagement-Wissen besser zum Einsatz bringen und in der Anwendung der Methoden mehr Erfahrung sammeln kann. Als nächsten Schritt werden wir Vorlagen entwickeln, die ich bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in mein Unternehmen einbringen möchte. So möchten wir beispielsweise einen Steckbrief für IT-Systeme und ein Konzept für dessen Einsatzmöglichkeiten entwickeln. Wie würden Sie Ihre Partnerschaft beschreiben? Martin Möller und ich sind in etwa gleich alt. In unseren Herangehens- und Denkweisen sind wir uns durchaus ähnlich, so dass Herr Möller sich meistens sehr gut in meine Fragestellungen hineinversetzen kann. Unseren Austausch empfinde ich daher als vertrauensvoll und gleichberechtigt. Wie häufig treffen Sie sich und wie laufen Ihre Treffen ab? Wir versuchen uns alle drei Wochen online zu treffen. Das klappt nicht immer, aber mithilfe unserer Terminserie behalten wir unsere Treffen im Blick, selbst wenn ein Termin einmal ausfällt. Bisher haben aufgrund der Pandemie-Situation noch keine persönlichen Treffen stattgefunden. Das werden wir aber demnächst nachholen, denke ich. Würden Sie das Mentoring-Programm weiterempfehlen und wenn ja, warum? Ja, ich würde es weiterempfehlen. Ich denke, es ist eine gute Gelegenheit, um an Fragestellungen zu arbeiten, für die man sich sonst im Alltag keine Zeit nehmen würde. Der Austausch mit anderen Menschen ist außerdem immer eine gute Gelegenheit, persönlich zu wachsen und neue Perspektiven kennenzulernen. Wissen | Sich beruflich und persönlich weiterentwickeln 75 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0075 Mentor Martin Möller im Interview Herr Möller, wie lange sind Sie bereits GPM Mitglied und wie wurden Sie auf die GPM aufmerksam? Martin Möller: Ich bin der GPM im Zuge meiner Zertifizierung zum Projektmanager IPMA® Level C beigetreten. Das war im Juni 2019. Das war für mich damals tatsächlich ein gewisses Statement, denn ich bin der Überzeugung, dass die Methoden und Prinzipien des Projektmanagements moderne Gesellschaften mehr und mehr prägen werden. Es ist ja nicht neu, dass unsere Welt zunehmend von unvorhersehbaren Ereignissen geprägt ist und genau an dieser Stelle greift eben das Framework eines Projektes-- unter unsicheren Bedingungen und in relativ kurzen bzw. überschaubaren Zyklen zu Ergebnissen zu kommen. Allgemein beschäftige ich mich jedoch schon lange mit Fragen rund um das Projektmanagement. Ausgehend von der Auseinandersetzung mit dem Phänomen des projektorientierten Arbeitens in meinem Studium der Soziologie und dem Aufsatz kleinerer Projekte im Rahmen meiner kurzen, aber dennoch sehr lehrreichen Zeit in der studentischen Unternehmensberatung in Tübingen, arbeite ich mittlerweile seit mehr als zehn Jahren in unterschiedlichen Projektformaten. Einen Großteil davon als Berater und Projektmanager in diversen Kommunikationsagenturen, seit Anfang 2020 als Programm-Manager bei der Deutschen Bahn, konkret in der DB Immobilien. Warum sind Sie GPM Mitglied? Die Wirkungszusammenhänge von klassischen, agilen oder hybriden Vorgehensweisen auf eine spezifische Truppe von Personen, die in einem ebenso spezifischen Kontext zu einer planbaren und lösungsorientierten Zusammenarbeit kommen möchten, sind ebenso weitreichend wie vielfältig. Um hier als Projektmanager Fuß zu fassen und ein gutes Gefühl zu entwickeln braucht es Zeit, also Erfahrung und ein profundes Wissen. Die GPM als institutioneller Ansprechpartner für Fragen rund um das Projektmanagement ist hier für mich eine große Hilfe und für Deutschland eine wichtige Einrichtung. Gutes Projektmanagement hat viel mit Persönlichkeit und Verantwortung, ganz konkret mit der Vielfalt von Menschen zu tun, die unser heutiges Leben ausmacht. Sich deshalb immer wieder selbst an professionellen Maßstäben zu messen und sein eigenes Wirken als Projektmanager zu verbessern, ist Anlass und Hintergrund meiner Mitgliedschaft bei der GPM. Vor diesem Hintergrund habe ich auch gerne die Anfrage für eine Teilnahme am Mentoring-Programm angenommen und bin seit Januar 2021 mit Julia Eder in einem partnerschaftlichen Austausch. Auch hier geht es darum, Wissen und Erfahrung weiterzugeben, sich auszutauschen und sich weiter zu entwickeln. Zudem strebe ich in den nächsten Jahren die Zertifizierung als Senior-Projektmanager auf dem Level B an. Und da bietet es sich an, am Ball zu bleiben. Mit welchen Erwartungen und Zielen sind Sie in diese Partnerschaft gegangen? Wie immer steht und fällt die Wertigkeit einer Zertifizierung mit der persönlichen Anwendung des Gelernten in der täglichen Praxis. Doch gerade hier gibt es oftmals natürliche Grenzen. Sei es, weil es in einem Unternehmen keine Zeit für den Austausch zu Theorie und Praxis im Projektmanagements gibt oder weil die kontextspezifischen Vorgaben es einfach nicht zulassen, bestimmte Themen aus dem Projektmanagement zu realisieren, wie man es vielleicht möchte. Insofern ist der Rahmen des Mentorings ein schönes Format, um gerade diesen Diskurs mit anderen Interessierten weiterzutreiben. Mein Ziel ist es, anderen darin zu helfen, sich entweder als PMO, als Projekt- oder als Programm-Manager in ihrem spezifischen Kontext zu verstehen und die damit verbundenen möglichen Entwicklungsszenarien zu verstehen, zu entdecken und sich eben genau darüber auszutauschen. Haben Sie diese Erwartungen Ihrem Mentee gegenüber geäußert und wenn ja, wann haben Sie das getan? Klar. Was wäre ich denn für ein Projektmanager, ohne von Beginn an ein klares Erwartungsmanagement zu betreiben? Und das ist mein Ernst-- natürlich haben wir darüber bereits zum Auftakt unserer gemeinsamen Treffen gesprochen und sprechen bis heute darüber. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Oder haben sich Ihre Erwartungen und Ziele verändert? Nachdem wir die ersten Treffen relativ offengehalten hatten, um uns zunächst einmal kennenzulernen und dabei auch herauszustellen, was es ist, was den anderen so in seiner Motivation und in seinem beruflichen Kontext antreibt, haben wir-- so mein Eindruck-- einen ganz guten Stand bzgl. unserer gegenseitigen Erwartungen und versuchen diesem auch möglichst gerecht zu werden. Dass sich dabei einige Dinge nochmal zurechtruckeln und evtl. das eine oder andere Ziel konkretisiert, war mir klar. Was wollten Sie Ihrem Mentee unbedingt mit auf den Weg geben? Ist Ihnen das gelungen? Es gibt für mich immer zwei Punkte, die einem als Projektmanager bewusst sein sollten: 1. die eigene Positionierung als Projektmanager; 2. Klarheit bzgl. dem strategischen Stellenwert und Potential von Projektmanagement innerhalb eines Unternehmens. Im ersten Punkt geht es darum, die eigene Positionierung mit all den dazugehörenden Aufgaben, Rollen und Befugnissen gegenüber dem Team und den verantwortlichen Führungskräften sicher- und klarzustellen. Beim Projektmanager geht es ja stets darum, alles im Blick zu haben und dann ist man eben auch schnell für alles verantwortlich. Die persön- Wissen | Sich beruflich und persönlich weiterentwickeln lich entscheidende Frage in diesem Gefüge ist aber immer auch-- wie schütze ich mich selbst, um der mir übertragenen Verantwortung gerecht werden zu können? Und das tue ich zu einem großen Teil über Klarheit bzgl. meiner Position und den damit verbundenen Befugnissen. Der zweite Punkt- - der Stellenwert von Projektmanagement innerhalb des Unternehmens-- ist in meinen Augen deshalb so wichtig von Beginn an zu klären, weil dadurch recht schnell klar wird, was möglich ist und was nicht. Ausgehend von diesem Punkt kann man sich eine persönliche und damit verbunden auch eine organisatorische Strategie zurechtlegen, die dann zum bestmöglichen Erfolg führen kann. Diese beiden Punkte versuche ich immer wieder in unseren Treffen direkt oder indirekt in unseren Austausch einzubringen. Wie würden Sie Ihre Partnerschaft beschreiben? Ich denke, dass unsere Partnerschaft auf einem sehr freundschaftlichen Niveau stattfindet. Dadurch, dass wir kein richtiges Arbeitsverhältnis haben, können wir uns sehr ehrlich austauschen, ohne zu schnell in persönliche Befindlichkeiten zu geraten. Wie häufig treffen Sie sich und wie laufen Ihre Treffen ab? Aufgrund der aktuell noch anhaltenden Pandemie-Situation konnten wir uns bisher noch nicht in echt treffen und machen alles rein digital. Die Treffen finden in einem Turnus von ca. 3 Wochen statt. Manchmal gibt es etwas größere Lücken, aber im Wesentlichen halten wir uns im Rahmen einer Outlook-Terminserie an die vereinbarten Zeiten. Zum Ablauf haben wir uns eine allgemeine Agenda gegeben, an welcher wir uns in den einzelnen Terminen entlanghangeln. Das bedeutet, wir sprechen beispielsweise im ersten Schritt immer über PM-Vorlagen und -Methoden, die wir konkret anwenden oder anwenden wollen. In unserem Fall geht es dabei oftmals um übergreifende Elemente aus dem IT-Projektmanagement, da Julia u. a. mit der Implementierung einer Digitalisierungsstrategie befasst ist und ich in meinem Kontext aktuell u. a. mit der Einführung eines digitalen Twins inkl. Dashboarding und damit verbundenen Rollen zu tun habe. Zudem sprechen wir auch darüber, was wir tun können, um uns entlang der gelernten Inhalte aus der Zertifizierung nach IPMA weiterzuentwickeln und um in den nächsten Jahren das jeweils weitere Level zu erreichen. Würden Sie das Mentoren-Programm weiterempfehlen und wenn ja, warum? Prinzipiell kann ich das auf jeden Fall weiterempfehlen. Wichtig ist eben, dass man wirklich einen Austausch sucht und sich selbst weiter entwickeln möchte. Wem der strategische Blick auf das Projektmanagement-- auch mit Blick auf seine Verankerung im Unternehmen- - nicht so wichtig ist, könnte schnell das Interesse daran verlieren. Aber das ist evtl. auch nur eine persönliche Einschätzung, weil mir die Verbindung von persönlicher und unternehmerischer Zielsetzung eben sehr wichtig ist. Werden Sie auch anderen Mentees zur Verfügung stehen? Das kommt darauf an. Wer an einem guten und strategischen Austausch interessiert ist, hat bei mir immer ein offenes Ohr, denn an Ende bin es immer auch ich selbst, der hier etwas zu lernen hat! Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Anzeige 77 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0076 Buchbesprechung Projekte und Projektmanagement Känel, S. v., ISBN 978-3-658-30085-2, Springer Gabler. Wiesbaden 2020, 345 Seiten, Preis 32,99 Heinz Schelle Unter den zahlreichen, kaum mehr überschaubaren, oft recht windigen Me-too-Neuerscheinungen gibt es Gott sei Dank immer wieder Werke, die es wert sind, dass man sie liest und weiterempfiehlt. Ein solches Buch ist, um mein Urteil vorwegzunehmen, die Publikation von S. von Känel. Als Zugang zum Thema wählt der Autor den System-Engineering-Ansatz. Er beginnt mit der Identifizierung eines Problems und leitet über den Problemlösungsprozess zum Projekt und zum Projektmanagement als Vehikel der Problemlösung über. Sein besonderes Anliegen ist dabei die „Erläuterung der methodisch-instrumentellen sowie der betriebswirtschaftlichen Komponenten des klassischen wie des agilen Projektmanagements.“ Organisationspsychologische Aspekte der Leistungserstellung mit Projektcharakter werden dabei eher am Rande behandelt, obwohl sie nicht vollständig vernachlässigt werden. Als Gliederung wählt der Verfasser die übliche logische Abfolge der Phasen im Verlauf eines Projektes. Die weitere Behandlung des Stoffes durch den Autor kann man nur als vorbildlich bezeichnen. Er zitiert nicht nur sorgfältig, hält sich an die gängigen Normen und unterstützt seine Ausführungen durch klare Grafiken, sondern erläutert seine methodischen Ausführungen auch durch mehrere, nicht triviale, durchgezogene, didaktisch gut gemachte Fallstudien. Auch auf agile und hybride Ansätze wird eingegangen. Bei der Bearbeitung von Projektmanagementkonzepten hätte man sich allerdings eine etwas stärkere Berücksichtigung des Multiprojektmanagements gewünscht, die das Thema durchaus hergibt. Besonders gefällt mir, um einen Teilaspekt herauszugreifen, die Behandlung des Problemkreises „Zielformulierung“. Sehr positiv ist zu beurteilen, dass Projektmanagement in großer Breite dargestellt wird. So wird auch institutionellen Themen wie Normung, Zertifizierung und Projektmanagementorganisationen Aufmerksamkeit geschenkt. Abschließende Bewertung: Sorgfältig gemachtes, didaktisch gut gestaltetes Lehrbuch, das alle wesentlichen Themen des Projektmanagements abdeckt und das Studierenden und Praktikern wegen der Kombination von Praxisorientierung und sauber dargestellter Theorie zur Einarbeitung in den Themenkreis sehr empfohlen werden kann. Anzeige Vorzugspreis bei Abnahme beider Bände Matthias Wassermann, Roman Simschek, Daniel Hillwig Sportbootführerscheine Binnen und See Bundle der beiden Bände 2021, 475 Seiten, €[D] 49,99, ISBN 978-3-7398-3175-6 www.uvk.de Sportbootführerschein Binnen kompakt Motorboot und Segelboot 3., überarbeitete Auflage 2021, 250 Seiten €[D] 29,99 ISBN 978-3-7398-3101-5 eISBN 978-3-7398-8101-0 Sportbootführerschein See kompakt Einfach, schnell und unkompliziert 3., überarbeitete Auflage 2021, 225 Seiten €[D] 29,99 ISBN 978-3-7398-3100-8 eISBN 978-3-7398-8100-3 ALLES FÜR DEN SPORTBOOTFÜHRERSCHEIN IDEALE VORBEREITUNG FÜR DIE THEORIE- UND PRAXISPRÜFUNG MIT ÜBUNGSVIDEOS ZU AUSGEWÄHLTEN THEMENBEREICHEN 78 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0077 Kolumne Die Notfallapotheke des Projektmanagements Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Ehrlich und Priesberg treffen sich nach dem Corona-Lockdown in einem Café. Ein mürrischer Kellner bringt die spärlich ausgestattete Karte. „Irgendwie gruselig zu sehen, wie alles ganz langsam hochfährt. Und es ist sicher noch nicht überstanden. Alles wirkt so vorläufig“, merkt Priesberg an. Ehrlich sieht fast wie ein Hippie aus und kratzt sich an seinem langen Bart-- Friseurtermine sind rar. Priesberg dagegen hat sich die Haare ratzekurz geschnitten und sieht jetzt wie ein buddhistischer Mönch aus. Er überlegt: „Unsere Projekte sind erfolgreich. Wir haben das gesamte Projektgeschehen virtualisiert, es gibt nur Telefonkonferenzen ohne Video. Unser Werkzeugkasten ist doch sonst so viel größer-- und trotzdem läuft es.“ Ehrlich starrt immer noch auf die dünne Karte, nachdem beide mittlerweile ihre Bestellung aufgegeben haben. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich halte nicht viel von einer großen Toolbox. Wenn ich nur noch zwei Minuten zu leben hätte, ich könnte dir in dieser kurzen Zeit alle meine Tricks verraten.“ Priesberg ist erstaunt: „Hast du jetzt die Seiten gewechselt und interessierst dich nicht mehr für Methoden oder bist du es leid, dass sich keiner dafür begeistert? “ Der Kaffee kommt, Ehrlich nimmt einen großen Schluck und die Lebensgeister scheinen zurückzukommen. „Rate mal, wie die Toolbox aussieht“, sagt er. Priesberg stutzt: „Naja, irgendetwas mit Komplexität eben.“ Ehrlich antwortet: „Viel einfacher. Die simple To-do-Liste. Wer hat was bis wann zu machen.“ Priesberg hält inne und wird ärgerlich: „Was? Und wofür haben wir Projekte stets so gründlich analysiert, wenn am Ende die To-do-Liste ausreicht? Ich fühle mich ein wenig veräppelt.“ Ehrlich freut sich, seinen Kollegen wieder einmal so richtig auf die Palme gebracht zu haben: „Du sagst es selbst- - während des Lockdowns sind alle Projekte weitergelaufen. Es wurden Aktionspunkte abgearbeitet-- geht doch! “ Priesberg denkt an die zwei Minuten: „Für die Erwähnung der To-do-Liste hast du nur dreißig Sekunden benötigt, also bleiben noch eineinhalb Minuten.“ „Ich wusste gar nicht, dass du die Zeit im Kopf so schnell nachrechnen kannst“, antwortet Ehrlich und fährt fort: „Die Formel lautet: To-do-Liste und die Menschen im Blick haben. Man könnte es die Notfallapotheke des Projektmanagements nennen.“ Priesberg wiegelt ab: „Die Kommunikation klappt. Die Kollegen kennen sich von früher, manchmal über viele Jahre. Mich wundert lediglich, dass es auch ohne Video so gut geht. So viel menschlicher Faktor ist es dann doch nicht.“ Ehrlich übernimmt: „Das ist kein Zufall und eine sehr interessante Beobachtung. Wenn man sich gut kennt und den visuellen Kanal ausschaltet, dann bleibt als einzige Dimension zwar nur die Stimme. Auf der anderen Seite ergibt sich jetzt freie Energie: Der Fokus auf die Mimik des Gegenübers entfällt-- auch das unbewusste Beschäftigen damit. Die freien Kapazitäten können jetzt auf die Lösung fokussiert werden, der menschliche Faktor, hier die Stimme, wirkt beschleunigend.“ Priesberg nickt heftig: „Ja, das habe ich auch festgestellt. Und außerdem fühlt sich jeder beim Sprechen unbeobachtet-- die eigene Stimme ist fester und daher überzeugender als sonst.“ Ehrlich merkt an: „Bleibt das Thema neue Kollegen. Lassen die sich auch auf diese Weise integrieren? “ Priesberg wirkt nachdenklich: „Jetzt wo du es sagst-… ich erinnere mich an ein kleines Projekt, in dem zwei neue Kollegen-- es waren IT-Experten-- hinzugekommen sind. Der eine war jung und wissbegierig, der andere zwanzig Jahre älter, wusste und konnte vieles besser. Das Projekt war sehr ineffizient, weil jeder der Kollegen punkten wollte.“ Ehrlich versucht abzuschließen: „Du siehst, hier wirkt der menschliche Faktor bremsend. Nur in Präsenzworkshops lassen sich eine gemeinsame Wissens- und Vertrauensbasis aufbauen. Erst danach ist eine Virtualisierung sinnvoll möglich. All das meine ich damit, die Menschen im Blick zu haben.“ Jetzt will Priesberg seinen Kollegen ärgern und wirkt siegessicher: „Hey, wir sind ganz ohne Komplexitätsbetrachtung ausgekommen.“ Ehrlich aber hat noch einen Trumpf: „Nein, sind wir nicht. Es gibt zwei Kontrollparameter: Die Stimme für den Fall bekannter Kollegen und den Workshop für den Fall neuer Kollegen. Und man muss sie sehr genau einsetzen, um ein stabiles Projektergebnis zu haben.“ Priesberg schließt ab: „Also benötigt Projektmanagement auch in Corona-Zeiten einen großen Werkzeugkasten- - die Notfallapotheke benennt dabei die wichtigsten Teile. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Comback Images Dr. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB / IC, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com 79 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0078 Aus den DACH-Verbänden | IPMA intern Neues aus der IPMA Das neue IPMA REG System und IPMA Badges Neueste Entwicklung der IPMA ist ein zentrales Ausbildungs- und Trainings-Registrierungssystem (abgekürzt mit IPMA REG). IPMA REG ist eine globale Plattform bestehend aus qualitätsgeprüften Projektmanagement-Kursen und -Programmen, die der professionellen Weiterentwicklung von Projektmanagenden dienen. Dabei ist es die Aufgabe der nationalen IPMA Member Associations (MAs) wie der GPM, der spm und von pma als offizielle IPMA REG-Partner, die Kurse und Programme der Trainingsanbieter zu evaluieren und eine Entscheidung über deren Registrierung zu treffen, die dann von der IPMA bestätigt wird. Sowohl Trainingsanbieter können ihre Trainingskurse (definiert als Trainingseinheiten mit weniger als 60 Kontaktstunden) und Programme (Trainingseinheiten mit mehr als 60 Kontaktstunden) als auch Bildungseinrichtungen wie z. B. Universitäten können ihre Kurse und Programme registrieren lassen. Die Kurse und Programme können sowohl in Präsenz als auch in Form von Web-basiertem Training und Fernunterricht durchgeführt werden. Ebenso besteht die Möglichkeit, Vorbereitungskurse für die Zertifizierungsprüfungen der IPMA Level D, C, B und Agile Leadership registrieren zu lassen. Die Vorteile des neuen REG Systems sind: • weltweite Anerkennung der Kurse, • Möglichkeit des internationalen Benchmarkings der Kurse und Programme, • schnelles Erkennen und Auffinden von qualitätsgeprüften Kursen durch das IPMA REG-Logo, • Sichtbarkeit aller Kurse auf dem Portal www.my.ipma. world. • Die Trainingsteilnehmer erhalten von der IPMA ausgestellte CPD-Daten mit individuellem Teilnahmenachweis. • Der geleistete Aufwand des individuellen Projektmanagenden für die kontinuierliche berufliche Entwicklung (CPD) wird vom IPMA REG System automatisch abgespeichert. Vorteile für die Anbieter von Schulungen und Trainings: • Ihre Projektmanagement-Kurse und -Programme werden international sichtbar gemacht. • Die Kurse stehen nunmehr in direkter Verbindung mit dem CPD-System, und stellen somit die Basis für die Zertifizierung bzw. Rezertifizierung von Projektmanagenden. Vorteile für die zertifizierten ProjektmanagerInnen: • Schneller Überblick über alle qualitätsgeprüften Projektmanagement-Kurse und Programme, • die Teilnahme an den Kursen und Programmen liefert einen Wettbewerbsvorteil, • verbesserte Sichtbarkeit ihrer kontinuierlichen Weiterbildung über my.ipma.world, • Mitgliedschaft in einem prestigeträchtigen Club der besten Projektmanagenden, • verifizierte individuelle Kompetenz, • Basis für Karrierepfad im Projektmanagement und kontinuierliche Weiterentwicklung durch das CPD-Punktesystem. IPMA REG ermöglicht somit die Nachverfolgung der kontinuierlichen beruflichen Entwicklung (CPD) des einzelnen Projektmanagenden durch die individuelle Erfassung ihrer CPD-Daten, dem Teilnahme-Nachweis und seit kurzem das Ausstellen von digitalen Abzeichen (sog. Badges). Projektmanagende können nun ihre IPMA CPDs (Stunden der kontinuierlichen beruflichen Weiterentwicklung) durch die Teilnahme an Veranstaltungen innerhalb des IPMA REG Systems sichtbar nachweisen. Für jede erfolgreich abgeschlossene Aktivität wie z. B. Teilnahme am IPMA Weltkongress, am PM Forum, der SPM Frühjahrstagung oder an den pma focus Veranstaltungen, oder einer abgeschlossenen Trainingseinheit erhält jede bei der IPMA registrierte Projektmanagende einen CPD Record & Proof of Participation als pdf. Diese können für das Selbstmarketing in den Social-Media-Kanälen gepostet werden und sollten unbedingt für die nächste IPMA Rezertifizierung gesammelt werden. Mit dem neuen internationalen IPMA Registrierungssystem für qualitativ hochwertige Projektmanagement-Trainings und der Einführung der digitalen Badges ist die IPMA erneut einen wichtigen Schritt in Richtung der Entwicklung des Projektmanagements hin zu einem international anerkannten, vollwertigen Berufsstand gegangen. Abb. 1: Die neuen Logos des neuen IPMA REG Weiterbildungsprogramms Prof. Dr. Yvonne Schoper ist Professorin an der HTW Berlin mit dem Schwerpunkt Internationales Projektmanagement, Präsidialrätin der GPM und Vizepräsidentin in der IPMA für den Bereich Membership und Young Crew. Ihre Forschungsinteressen sind die Projektifizierung der Wirtschaft und Gesellschaft. eMail: yvonne.schoper@HTW-Berlin.de ORCID: 0000-0002-7731 - 5081 Abb. 2: Beispiel eines IPMA Badge für die Teilnahme an einer Weiterbildung in Höhe von 1,5 CPD Stunden 80 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0079 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Die GPM Fach- und Regionalgruppen Die derzeit 39 Regionalsowie 38 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: http: / / www.gpm-ipma.de / know_ how / fachgruppen. html bzw. http: / / www.gpm-ipma.de / ueber_uns / regionen.html Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM Schaeffler Engineering GmbH www.schaeffler-enginee ring.com Die Schaeffler Engineering GmbH ist ein internationaler Anbieter für mechatronische Systementwicklung im Antriebsstrang. Zu den Kernkompetenzen zählen Systems Engineering, Elektronikentwicklung inkl. EMV-Dienstleistungen, Softwareentwicklung, Simulation, Powertrain-Entwicklung und -Validierung sowie Systemintegration, Inbetriebnahme und Fahrzeugakustik. Als Engineering Dienstleister ist die PM-Aufgabe eine Kernkompetenz in der Abwicklung der unterschiedlichen Projekte und Projektarten. Das Projektgeschäft ist das Geschäftsmodell von Schaeffler Engineering. Hilfestellung bei Fragen zu Projektmanagement und Fragen in Bezug auf Prozesse, Methoden und Tools. bhc Projektplanung CH-3752 Wimmis Hydraulik im Wasserbau Weiterbildungsangebote Hydraulik Projekt-Controlling, Projekt-Reporting und Qualitätssicherung. Jederzeit „State of the Art“ sein und Erfahrungsaustausch. frobese it-akademie GmbH https: / / www.frobeseitakademie.de Wir sind ein IT-Dienstleister aus Hannover und bieten jungen Nachwuchskräften einen Einstieg in die IT-Beratung. Weiterhin sind wir als Trainingsanbieter aktiv und vermieten kreative Coworking Spaces an unsere Kunden. Wir bilden unsere Mitarbeiter kontinuierlich im Projektmanagement weiter und bieten die PM-Trainings der GPM / IPMA regelmäßig für unsere Kunden an. Den PM-Standard kontinuierlich weiterentwickeln und optimieren. Gemeinsam PM weiter professionalisieren. Aus den DACH-Verbänden | Neuorientierung oder Rückbesinnung? 81 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0080 Aus den DACH-Verbänden | pma intern Projektmanagement zum Hören pma Geschäftsstellenleiter Alexander Vollnhofer spricht im pma Podcast mit Expert*innen aus Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft über aktuelle und aufkommende Trends im Projektmanagement. Die Podcast-Branche boomt. Wer am Puls der Zeit sein möchte und Insiderwissen aus der Welt des Projektmanagement sucht, findet im neuen pma Podcast einen spannenden News-Feed. Ziel des neuen pma Podcast ist es, Einsteiger*innen wie Expert*innen mit praxisnahem Know-how zu versorgen und auch über komplexe Herausforderungen im Projektmanagement zu sprechen. Gast der Episode 1 ist pma Präsidentin Brigitte Schaden. Sie spricht über die zunehmende Bedeutung von Projektarbeit, beleuchtet die hervorragenden Berufsaussichten in der Branche und erzählt, warum Projektmanager*innen besonders in Krisensituationen ihre Stärken ausspielen. Die Welt der jungen Projektmanager*innen In Episode 02 des pma Podcast dreht sich alles um die Nachwuchsförderung. Michaela Obersriebnig schildert eindrucksvoll, was Projektmanager*innen am Beginn ihrer Laufbahn bewegt. Wir erfahren, was die pma young crew als Netzwerk für Interessierte unter 35 Jahre bietet und was Michaela beruflich mit Impfstoffen zu tun hat. Große Projekte managen In Episode 03 des Podcast hat Moderator und pma Geschäftsstellenleiter Alexander Vollnhofer den „obersten Chauffeur der Stadt Wien eingeladen-- Günther Steinbauer, Geschäftsführer der Wiener Linien. Wir erfahren, wie in Wien U-Bahn- Projekte geplant und umgesetzt werden, und wer für Projekte mit großen städtebaulichen Konsequenzen besonders geeignet ist. Hören Sie hinein und abonnieren Sie den pma Podcast. Projektmanagement zum Hören gibt es auf www.pma.at, Soundcloud, Spotify und Apple Podcasts. pma Mitglied vor den Vorhang AIT Austrian Institute of Technology GmbH Giefinggasse 4. A-1210 Wien Kontakt: Mag. Marie-Theres Raberger, MSc. Head of Recruiting & HR Development www.ait.ac.at Hauptgeschäftsgebiet Das AIT Austrian Institute of Technology ist Österreichs größte Research and Technology Organisation und spielt bei vielen Infrastruktur-Themen weltweit in der ersten Liga. Das macht uns zum leistungsstarken Entwicklungspartner der Industrie. PM Aufgabe und Bedeutung Die Projektmanagement-Skills unserer Mitarbeiter sind essenziell für den Erfolg des AIT- - sowohl für das effiziente Management unserer Forschungsaufträge aus der Industrie als auch bei der Koordination großer Konsortien im Rahmen internationaler und interdisziplinärer Forschungsprojekte. Der Projektmanagement Podcast ...... ......... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... ........... .......... ........ .... Gespräche zum Thema Projektmanagement mit Expert*innen aus Wirtschaft, Forschung oder öffentlicher Verwaltung.- Auf SoundCloud, Spotify und Apple Podcast. 82 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0081 Aus den DACH-Verbänden | spm intern spm-Frühjahrstagung im Sommer 2021: Projektmanagement vernetzt Wir danken den Verantwortlichen für die ausgezeichnete, hybride Tagung! Es hat „gefegt“. Es war ein wundervoller Tag. Referentinnen und Referenten • Nicht-Wissen als Realität: Wie sieht eine (Projekt-)Führung aus, wenn das Drehbuch fehlt? , Prof. Dr. Hans A. Wüthrich, Managementforscher und Buchautor • Der Mensch als Erfolgsfaktor in der Projektarbeit , Marina Glaser, Co-Leiterin Projektstab Stadtrat Zürich • Digitale Prinzipien in Führung und Zusammenarbeit , Dr.- Joana Breidenbach, Gründerin 'betterplace.org' und 'Das Dach Berlin' • Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl , Tobias Krafft, Technische Universität Kaiserslautern, Trusted AI GmbH • Inspiriert oder aufgezwungen? Projektführung in der jetzigen Situation , Werner Kuratle, Senior Portfolio Manager und Projektmanager Swisscom AG • Das digitale Nomadenexperiment-- die Welt als Alternative zum Homeoffice , Daniela Christen, Projektmanagerin digitalswitzerland, ehemalige digitale Nomadin • Führen von virtuellen Teams-- die Königsdisziplin , Barbara Liebermeister, Gründung & Leitung Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter Begleitung Moderator: Stefan Häsli, Inhaber des Atelier Coaching & Training AG Visualisierung: Michael Meier, Visualisierungs-Akademie Schweiz Musik: Hermut Wiegiehser, Pianist und Chansonnier Projektteam Projektleiter: Beat Dieziker, spm Vorstand Administration: Michèle Sacchet, spm Geschäftsstelle Hans Knöpfel, spm Vorstand Projektmanagement in den Wissenschaften kennt keine Grenzen Obwohl Forschung und Wissenschaft fast immer in Form von Projekten und immer häufiger über Ländergrenzen hinweg organisiert ist, sind Methoden eines angepassten Projektmanagements vielfach unbekannt. Hier mit gezielten Workshops gegenzusteuern ist das Ziel einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Harald Wehnes (GPM) und Katrin Reschwamm (spm). Nach einer sehr erfolgreichen Auftaktveranstaltung im Februar 2020 am Helmholtz-Zentrum in München wurde im Mai / Juni 2021 ein sehr viel ausführlicheres Online-Symposium unter dem Titel „Re-Inventing Project Management in Research“ über sieben Nachmittage online angeboten. Dieses haben 30 Forscherinnen und Forscher aus fünf Nationen wahrgenommen. Dank der Schirmherrschaft durch den spm war die Beteiligung aus der Schweiz gesichert. Ziel des Symposiums war es, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein modernes PM-Toolset in Theorie und Praxis zur Verfügung zu stellen, um sie bei Vorbereitung und Durchführung von Projekten zu unterstützen. Wert gelegt wurde auf die Einbeziehung von jeweiligen Forschungsthemen der Teilnehmenden und eine umfassende Betreuung bei den Übungen. Gerade in der Forschung, in der die Ergebnisse nicht oder nicht genau vorhersehbar sind, sind agile und hybride Vorgehensweisen Mittel der Wahl. Den Nutzen modernen Projektmanagements und den Weg zur Ausbildung eines agilen Leaderships konnten Prof. Dr. Holger Timinger (Vizepräsident Hochschule Landshut) und Dr. Sabine Sickinger (Fraunhofer- Institut für Kognitive Systeme) den Wissenschaftlern bereits in der Auftaktveranstaltung überzeugend vermitteln (Abb. 1). Es folgten dann Module im wöchentlichen Rhythmus: • Design Thinking (Dr. Wolfgang Glitscher, TU Berlin, sowie Katrin Reschwamm (EU GrantsAccess der ETH Zürich) • Project Canvas (Dr. Sandra Dierig, ifok GmbH sowie Felix Horch, Fraunhofer-Institut Bremen) • Lean Startup (Prof. Dr. Harald Wehnes, Universität Würzburg und Maren Wehnes, uptodate Ventures GmbH) • Scrum (Ellen Hermens, AUSY Technologies Germany AG, sowie Bettina Mueller RISE Schweden) • Kanban (Prof. Dr. Holger Timinger, HS Landshut, sowie Martina Königbauer, Universität Würzburg). Aus den DACH-Verbänden | Projektmanagement in den Wissenschaften kennt keine Grenzen 83 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0081 Zum Abschluss des Symposiums präsentierte Dr. Luisa Cristini vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven Methoden, wie das für die Forschung sehr wichtige Management der verschiedensten Stakeholder-Gruppen organisiert werden kann. Bei den jungen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen hat das Symposium eine kleine Revolution ausgelöst. Dass und wie moderne Verfahren des Projektmanagements die Effektivität und Effizienz und damit die Zufriedenheit der Forschenden steigern können, war bis dato unbekannt. Umso größer war der Enthusiasmus bei den Beteiligten, die von Experten präsentierten Methoden kennenzulernen und in Gruppenarbeit zu erproben. Agile Methoden erfordern aber auch angepasste Organisations- und Kommunikationsformen- - das wurde den Teilnehmenden immer klarer. Davon versprechen sich die Forschenden mehr Erfolge im Sinne von Innovationen, aber auch mehr Genugtuung bei ihrer Arbeit. Ob und wie weit sich die Methoden in den Alltag der Institute umsetzen lassen, wird also auch davon abhängen, wie aufgeschlossen die jeweiligen Leitungsebenen und Stakeholder sind. Eine Verstetigung dieser Initiative sei unbedingt erforderlich, so Harald Wehnes zum Abschluss des Symposiums. Hierzu wird eine Kooperation innerhalb der DACH-Verbände geplant, um attraktive Formen und Angebote für Forschende weiterzuentwickeln, bevor man dann auf europäischer Ebene eine Förderung für darüberhinausgehende Maßnahmen beantragen kann. Katrin Reschwamm, spm-Vorstand Abb. 1: Einführungsvortrag Re-Inventing Project Management in Research (Bild: Holger Timinger) Rubrik | xxx 84 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0082 Auf ein Wort mit-… Nicole Rebe, Head of Quality and Strategy R&D Tires, Continental AG Von Martina Peuser Zur Person | Nicole Rebe ist Head of Quality and Strategy R&D Tires, Continental AG, Continental Reifen Deutschland GmbH. Sie ist verantwortlich für die weltweite Supply Chain der PKW-Reifen des Unternehmens. Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? In meinen ersten Berufsjahren wirkte ich bei ZF Sachs und VW FS bei mehreren SAP-Einführungsprojekten mit und habe sukzessive mehr Verantwortung und Projektleitung - auch international - übernommen. Falls Sie nicht längere Zeit als Projektmanagerin gearbeitet hätten was hätte Sie stattdessen gereizt? Generell begeistere ich mich für breit aufgestellte Tätigkeiten mit vielfältigen Schnittstellen und Themen. Für mich ist es wichtig, mich kontinuierlich fachlich wie auch persönlich weiterentwickeln zu können. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Der Aufbau eines Shared Service Centers in Rumänien. Ich verantwortete eine Doppelrolle: Projektleitung und Center- Leitung. Die Vielfalt der Themen war immens hoch. Das Ergebnis war erlebbar und sichtbar. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? Innerhalb der Continental gibt es fünf verschiedene Business Areas. In der Reifensparte kommen ausgewählte Projektstandards zum Einsatz, die einen Rahmen und eine Struktur vorgeben. Was zeichnet Sie als Projektmanagerin besonders aus? Ich habe eine hohe Resilienz und behalte einen kühlen Kopf in Change Projekten, wenn Spannungen auftreten. Ich nehme Konflikte dann nicht persönlich, sondern bemühe mich zu fragen, was diese Personen benötigen, um in die Veränderung zu gehen. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? Projektarbeit in unterschiedlichen Unternehmensbereichen ist sehr abwechslungsreich. Auf Helikopter-Ebene sind Einblicke in verschiedene Themen möglich. Zugleich kann ich mein ganzes Skillset als Projektleitung einbringen und zu einem neuen Soll-Zustand verhelfen. Welche Tipps haben Sie für den Projektmanagement-Nachwuchs? Suchen Sie sich im Berufsleben ein Umfeld, in das Sie als Persönlichkeit gut hineinpassen und sich entwickeln können. Reflektieren Sie sich selbst und Ihre Bedürfnisse- - wie viel Stabilität und Planbarkeit benötige ich? Wie gehe ich mit Unsicherheit um? Denn als Projektleitung ist es Ihre Aufgabe, das Projektteam trotzt sich ständig verändernder Rahmenbedingungen stabil und fokussiert zu halten. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Glück? Insbesondere in Projekten mit einem hohen Grad an Change für erfreue ich mich daran, wenn die positiven Seiten der Veränderung bei immer mehr Beteiligten Schritt für Schritt in Vordergrund rücken können. Was ist für Sie das größte Unglück im Projektmanagement? Schwierig ist, wenn der Projektsponsor nicht hinter dem Projekt steht und kein ausreichendes Backup gibt. Welche Trends sehen Sie im Projektmanagement? Ein Trend ist ein stärkerer Fokus auf Organisationsentwicklung und das Upskilling der Führungskräfte hierzu. Vermutlich wird es eine Zweiteilung geben: technokratische Projekte in einem engen Projektmanagementkorsett und Organisationsentwicklungs-Projekte mit flexibleren Strukturen und einem hohen Fokus auf Change Management. Was geben Sie den Lesern mit auf den Weg? Kommunikation und Transparenz sind das A und O für erfolgreiche Projektarbeit. Zu oft wird davon ausgegangen, dass man erst Ergebnisse kommunizieren muss, statt von Beginn an Transparenz zu schaffen. Prof. Dr. Martina Peuser ist Professorin für allgemeine BWL, insbesondere Organisation und Projektmanagement an der Leibniz Fachhochschule in Hannover. Als Inhaberin des „Institut für praxisnahe Mittelstandberatung” ist sie Expertin für kundenzentrierte, agile Organisationsstrukturen und begleitet Unternehmen dabei, ihre Strukturen mit dem Fokus auf Kunden flexibel anzupassen. In ihrer Kolumne gibt sie spannende Kurzeinblicke in Lebensläufe und Gedanken von im Projekt tätigen Personen. Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3) FÜR IHRE KARRIERE IM PROJEKTMANAGEMENT GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. I www.gpm-ipma.de I weiterbildung@gpm-ipma.de Das GPM Weiterbildungsangebot Das umfassende GPM Weiterbildungsangebot bietet Ihnen den Schlüssel für erfolgreiches Projektmanagement. Besuchen Sie deutschlandweit Lehrgänge und Coachings nach GPM Qualitätsstandards - durchgeführt von erfahrenen Autorisierten Trainingspartnern und Akkreditierten Trainern. Wählen Sie bequem zwischen Online- oder Präsenz-Trainings. Autorisierter Trainingspartner Bei unseren Weiterbildungspartnern finden Sie das passende Angebot. Jetzt Kontakt aufnehmen und beraten lassen! weiterbildung@gpm-ipma.de Unsere Weiterbildungspartner finden Sie hier: www.gpm-ipma.de/ lehrgangsanbieter Die Digitalisierung von Planungs- und Entscheidungsprozessen lässt Unternehmen flexibler auf Marktveränderungen oder Krisen, wie wir sie derzeit erleben, reagieren. Der Einsatz agiler Tools im Projektmanagement beschleunigt Prozesse und erleichtert die Kommunikation in verteilt arbeitenden Projektteams. Ideal in der heutigen VUCA-Welt ist der hybride Projektmanagementansatz, der je nach Projektart den Einsatz klassischer oder agiler PM-Methoden ermöglicht. Das ist die Flexibilität, die Ihre Projekte heute brauchen. Der PLANTA-Hybrid bietet dies in einem integrierten System: klassische Projektplanung und agile Teamarbeit. Mit PLANTA project hat das Management Budget, Ressourcenauslastung und Projektfortschritt im Blick und das webbasierte Planungs-Tool PLANTA pulse erleichtert die Kommunikation und agile Aufgabenverwaltung in den Projektteams. Beide Seiten profitieren von aktuellen Projektinformationen und schnellen Entscheidungsprozessen. Meistern Sie die gängigen Projekthindernisse und laufen dem Wettbewerb davon. Nutzen Sie unsere PM-Expertise - seit 40 Jahren werden Projekte erfolgreich mit PLANTA-Software geplant und gesteuert. 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