PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de Vom Kleinunternehmer über den Mittelstand bis hin zu weltweit agierenden Konzernen: Mit Projektron BCS und Projektron BCS.start bieten wir Ihnen die passende Lösung. Für klassische, agile oder hybride Projekte. Projektmanagement- Software auswerten koordinieren planen projektron.de BCS im dunklen Modus Auftraggeber Eine Rolle zu wichtig für die zweite Reihe Ausgabe 4/ 2022 | 33. Jahrgang PM Forum Digital WANDEL BEGLEITEN. PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN. VERANTWORTUNG LEBEN. Zwei halbe Tage: Impulsgebende Vorträge und inspirierende Praxisbeispiele DAS NEUE PM FORUM Menschen. Methoden. Lösungen. Der bedeutendste Treffpunkt der PM-Community Jetzt informieren und Ticket sichern: www.pm-forum.de Eine Veranstaltung der 10. UND 11. NOVEMBER 2022 Martina Angela Friedl Systemisches Coaching Was macht systemisches Coaching im Detail aus? Und vor allem, wie kann man es erlernen und anwenden? Dieses Buch hilft Ihnen, den systemischen Ansatz in Theorie und Praxis zu verstehen und entsprechende Coachingtechniken anzuwenden. Es umfasst: ∙--einen detaillierten Überblick über die Theorieentwicklung im systemischen Feld in Abgrenzung zu anderen Theorien, ∙--eine Beschreibung der Charakteristika des systemischen Coachings wie Haltungen und Coaching-Formate, ∙--eine ausführliche Zusammenstellung von Coaching-Instrumenten für Anfänger und Fortgeschrittene, ∙--konkrete Anleitungen zum Einüben der einzelnen Coaching-Instrumente sowie ∙--Ideen, wie systemisches Coaching im Führungsalltag hilfreich sein kann. 160 Seiten, kartoniert, E-Book inside • € (D) 18,00 • ISBN 978-3-7495-0353-7 • Auch als E-Book erhältlich Karin Kiesele Überraschend anders fragen Ob Coaching-Sitzung, Mitarbeitergespräch oder Interview: Wer davon lebt, beruflich die richtigen Fragen zu stellen, wer Dinge herausfinden und sich verständlich machen möchte, der fragt - und führt! Menschen, in deren Beruf Kommunikation zentral ist und die viele Fragen stellen (müssen), unterstützt dieses Buch darin, die richtigen Fragen richtig zu stellen. 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Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Nadja Saoudi, GPM Nürnberg Dr. Thor Möller, con-thor, Ganderkesee Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Peter Thuy (Präsident GPM) Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Hans Knöpfel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Heinz Schelle, GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 33. Jahrgang, 4/ 2022 ISSN 0942-1017 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 Telefax: +49 (0)7071 97 97 11 www.projektmanagement.digital © 2022 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Patrick Sorg eMail: sorg@narr.de Anzeigenverwaltung: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 120 224 12 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ Creative Credit Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum 2 Editorial 4 Interview mit Professor Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM Reportage 8 Sparringspartner statt Kontrollorgan 14 „Der Auftraggeber muss sich vor das Team stellen“ Wissen 18 Der Projektauftraggeber 24 Commercial Project Management (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 30 Was sollten Projektsponsor: innen über Projektdiagnose wissen? 36 Projekt Governance erfolgreich gestalten - Austausch unter Insidern 41 Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der PL 43 Best Practice systemisch-agiles Change-Management 49 Die hohe Kunst des Falschmachens 55 Interview mit Johanna Sieben, PL des Creative Bureaucracy Festivals Nachgefragt 59 Die GPM und die PM-ZERT feiern über 100.000 ausgestellte IPMA Zertifikate PM Forum Leipzig 61 „Endlich wieder live zusammen! “ 63 Von Selbstorganisation redet gerade jeder - aber wie kann man sie entfesseln? 67 Cut ’n’ Shift - die Planungsmethode bei agilen Umsetzungsprojekten 70 Storytelling für Projekte - eine Geschichte 73 Pitchen im Projekt - Pitch as you can! 75 Buchbesprechung Kolumne 76 Bewusst inkompetent - manchmal von Vorteil Aus den DACH-Verbänden 77 GPM Aktiv 79 GPM intern 80 pma intern 81 spm intern 84 Auf ein Wort mit-… Christoph Todt pm_04_2022.indb 1 pm_04_2022.indb 1 02.09.2022 13: 52: 52 02.09.2022 13: 52: 52 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0065 Projektauftraggeber. Eine Rolle zu wichtig für die zweite Reihe EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, die Rollen von Projektleitern und Projektleiterinnen, Scrum Mastern, Product Ownern sowie der Projektteammitglieder sind uns vertraut. Es wurde in zahllosen Publikationen diskutiert und dargestellt, welche Bedeutung diese Rollen haben, wie sie miteinander im Rahmen der Projektabwicklung interagieren, welche Beiträge sie erbringen sollten, in welcher Verantwortung sie stehen und wie sie optimal zum Projekterfolg beitragen können. Eine Rolle, die jedoch kaum je im Mittelpunkt steht, ist die Rolle des Projektauftraggebers bzw. Projektsponsors. Dies aber vollkommen zu Unrecht! Wie groß der Anteil dieser Rolle am Projekterfolg ist, wurde bereits in diversen Studien hervorgehoben. Die Rolle kann von einzelnen Personen, aus dem Senior Management oder aber von einem ganzen Gremium wie einem Lenkungsausschuss übernommen werden. Die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ weist immer wieder auf die hohe Bedeutung dieser Rolle für den Projekterfolg hin. [1] Auf die Impulse dieser Fachgruppe geht auch dieser Heftschwerpunkt zurück. Wir beleuchten, welche Aufgaben und Herausforderungen mit dieser Rolle verbunden sind. Lesen Sie zur Einführung in das Schwerpunktthema den Beitrag von den Mitgliedern der Fachgruppe „PM goes Boardroom“, Michael Atzor, Michael Boxheimer, Thomas Hunziker, Gerhard Ortner, Christian Rudischer und Hartmut Wenzler . Um die unterschiedlichen Facetten der Rolle etwas stärker zu verdeutlichen haben wir zwei Interviews mit Projektauftraggebern geführt. Andreas Brunner , Leiter Ausbau- und Erneuerungsprojekte, und Mitglied der Geschäftsleitung SBB Infrastruktur erklärt im Interview mit Oliver Steeger , welche Rolle und Aufgaben seine Lenkungsausschüsse haben und wie diese zum Projekterfolg beitragen. Im zweiten Interview gibt Mark Kreuscher , Geschäftsbereichsleiter Netze und Prokurist bei der STADTWERK AM SEE GmbH & Co. KG Einblick in seine Rolle als interner Projektauftraggeber für ein Projekt zur Erneuerung des Geoinformationssystems des Stadtwerks. Zusätzlich zur theoretischen Fundierung des Schwerpunktthemas „Projektauftraggeber“ hat die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ zwei Workshopkonzepte entwickelt, in denen sich Verantwortliche für große Investitionsprojekte einerseits und für interne IT-Projekte andererseits regelmäßig treffen. Von den im Rahmen dieser Workshops entwickelten Konzepte berichtet Dorothee Feldmüller in ihrem Beitrag. Neben dem internen Projektauftraggeber lohnt es sich, auch einen Blick auf den externen Projektauftraggeber zu werfen. Diese Perspektive erörtern Hasso Reschke und Gregor Oleniczak in ihrem Beitrag vor allem aus der Perspektive des Commercial Project Managements. Gero Lomnitz ist in diesem Schwerpunkt mit zwei Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven vertreten. Aus der Perspektive von Projektleitern empfiehlt er besser nicht per se von einem idealen Projektauftraggeber auszugehen, und sich so vor Selbsttäuschungen und damit einhergehenden Irrtümern zu schützen. Im zweiten Beitrag erläutert er das Konzept der Projektdiagnose und welchen Nutzen ProjektauftraggeberInnen von einer professionell durchgeführten Projektdiagnose haben können. Über unseren Schwerpunkt hinaus erklären Patrick Huiber und Robert Korn, welche Beiträge ein systemisch-agiles Change-Management leisten kann, um mit typischen Herausforderungen des Projektmanagements wie Unsicherheit, intransparenter Kommunikation und zähen Prozessen umzugehen. Zudem berichtet Sarah-Janina Khayati in einem Interview mit Johanna Sieben über das Creative Bureaucracy Festival, das als das größte internationale Festival für Verwaltungsinnovation unter Beteiligung der GPM in Berlin stattfand. Im Mai 2022 hat die PM-ZERT, die unabhängige Zertifizierungsstelle der GPM, ihr 100.000. Zertifikat nach dem IPMA Standard ausgestellt. Die GPM und die PM-ZERT gratulieren Linda Kröger , die sich neben bestandener IPMA Level C Prüfung auch über den Titel „100.000. Zertifikatsinhaberin“ freuen darf. Im Interview erzählt die IT-Projektleiterin was Projektmanagement für sie persönlich bedeutet und wohin sich diese Disziplin ihrer Meinung nach entwickeln sollte. Nach der Corona-bedingten Auszeit konnte in diesem Jahr das PM Forum wieder live in Leipzig stattfinden. Die Teilnehmer genossen das vielfältige Angebot an den zwei Tagen. Wir berichten in diesem Heft über die Veranstaltung und lassen Sie mit Bild-Impressionen an der Atmosphäre teilhaben. Zugleich stellen Ihnen in diesem und im nächsten Heft die Referenten des PM Forums in kurzen Beiträgen die Inhalte Ihrer Workshops vor. Wir hoffen, dass Sie etwas Appetit entwickeln und wollen hiermit gleich auf den zweiten Teil des PM Forums hinweisen, der am 10. -11. 11. 2022 In digitaler Form stattfinden wird. Direkt im Anschluss an das PM Forum fand in diesem Jahr die GPM Aktiv statt, in der sich der neue Präsident Prof. Dr. Peter Thuy den aktiven GPM Mitgliedern vorstellte und diese sich zusammen mit ihm zwei Tage lang mit der Zukunft der GPM befassten. Auch hierüber finden Sie einen kurzen Bericht. Zudem haben wir diese Veranstaltungen zum Anlass genommen und den neuen Präsidenten der GPM in Leipzig um ein Interview gebeten. In diesem Interview mit Steffen Scheurer und Oliver Steeger gibt Peter Thuy einen ersten Einblick in seine Ziele für die GPM. Wir wünschen dem neuen Präsidenten viel Spaß bei seiner neuen Aufgabe und allzeit eine glückliche Hand für die GPM. Ihr Steffen Scheurer [1] Vgl. hierzu: Feldmüller, D.; Hunziker, T.; Ortner, G.; Rudischer, C. in Heft 3 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2020, S. 55 ff. pm_04_2022.indb 2 pm_04_2022.indb 2 02.09.2022 13: 52: 53 02.09.2022 13: 52: 53 So sollte sich Projektmanagement anfühlen Geben Sie Ihren Projekten neuen Schub Genug Zeit mit der Verwaltung von Projektdaten und komplizierter Teamorganisation verbracht! Optimieren Sie Ihren Planungsaufwand, sodass Sie sich auf das Wichtige konzentrieren können. Wir sorgen dafür, dass Sie den Überblick über alle Projekte und Aufgaben behalten, egal ob klassisch, agil oder hybrid geplant. So fahren Sie in Ihren Projekten effizienter, reagieren schneller und halten Ihr Team optimal abgestimmt. Lernen Sie uns kennen: www.planta.de pm_04_2022.indb 3 pm_04_2022.indb 3 02.09.2022 13: 52: 54 02.09.2022 13: 52: 54 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0066 Interview mit Professor Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM Steffen Scheurer, Oliver Steeger Herr Professor Thuy, Sie wissen, wie man Organisationen entwickelt. Sie haben beispielsweise die „IU Internationale Hochschule“ aufgebaut, eine deutschlandweit aktive Hochschule. Begonnen haben Sie in Bad Honnef mit einer Handvoll Studenten. Heute, zwanzig Jahre später, hat die Hochschule mehrere zehntausend Studenten, und sie ist mit Standorten in ganz Deutschland aufgestellt. Wie hat der Aufbau der Hochschule Sie mit Projektmanagement bekannt gemacht? Professor Peter Thuy: Wir sind in dieser Hochschule über die Jahre durch verschiedene Phasen gegangen - - von einem kleinen „Garagenunternehmen“ mit einigen wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hin zu einer großen Organisation, an der einige hundert Menschen beteiligt sind. Am Anfang haben wir kaum Projektmanagement eingesetzt. Mit zunehmendem Wachstum wurden aber die Projekte größer und komplexer; es waren immer mehr Menschen beteiligt. Wir haben dann sukzessive die Planung und Steuerung der Projekte professionalisiert und uns zu einer projektorientierten Organisation entwickelt. Ich habe während des Wachstums der Hochschule Projektmanagement als Werkzeug zu schätzen gelernt-- als etwas, was das Leben enorm erleichtert. Sie sind als Organisationsentwickler mehr oder weniger in das Projektmanagement hineingewachsen? In etwa. Als wir formal Projektmanagement eingeführt haben, waren wir schon stark gewachsen. Wir hatten erkannt, dass wir in der wachsenden Organisation nicht nur qualifizierte Projektmanagerinnen und Projektmanager brauchten, sondern etwa auch ein Project Management Office oder Steering-Committees. Haben Sie diese positiven Begegnungen mit Projektmanagement jetzt bewogen, sich für das Amt des GPM Präsidenten zu bewerben? Wie gesagt, ich habe Projektmanagement selbst erlebt. Aber ich fürchte, dass das, was letztlich den Ausschlag für meine Bewerbung gegeben hat, recht unspektakulär war. Ich habe die Stellenanzeige der GPM gesehen. Meine Tätigkeit an der Hochschule war zu dieser Zeit beendet. Ich war zwischenzeitlich nicht untätig gewesen. Doch ich war auf der Suche nach etwas Neuem für mich. Da kam die Stellenanzeige der GPM für Sie zur richtigen Zeit? Ja. Die Aufgabe, wie sie in der Stellenanzeige beschrieben war, hat mir gut gefallen. Was das Projektmanagement selbst betrifft: Ich fürchte, auch hier ist die Antwort etwas nüchtern. Projektmanagement ist für mich ein leistungsfähiges Werkzeug, wenn man es richtig für die richtigen Projekte einsetzt. Für die GPM sehe ich gutes Potenzial, mit Projektmanagement positiv in die Gesellschaft hineinzuwirken. Das ist ein wichtiges Potenzial, und es hat mich auch zu meiner Bewerbung motiviert. In die Gesellschaft hineinzuwirken, ist ja nicht nur ein Anliegen der Satzung. Die Außenwirkung ist auch eine große Sehnsucht der GPM und ihrer Ehrenamtlichen. Man hört davon immer wieder! Diese Sehnsucht und das Engagement gefallen mir sehr gut! Doch bei alledem müssen wir ein Faktum im Hinterkopf behalten. Nach meinem Verständnis sieht die Gesellschaft Projektmanagement an sich isoliert nicht als positiven Wert. Kein positiver Wert an sich-- wie darf ich dies genau verstehen? Vielleicht werden mir an dieser Stelle einige Projektmanagerinnen und Projektmanager widersprechen: Projektmanagement ist für mich eine Methode. Richtig angewendet wirkt es sehr hilfreich nach innen auf ein Projekt. Nach außen hin aber pm_04_2022.indb 4 pm_04_2022.indb 4 02.09.2022 13: 52: 55 02.09.2022 13: 52: 55 Interview | mit Professor Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0066 verkörpert Projektmanagement zunächst keinen positiven Wert. Es ist für viele Menschen neutral. Viele denken: Durch Projektmanagement kann man auch Ziele verwirklichen, die schädlich für die Gesellschaft sind. Was folgern Sie daraus? Spielen wir dies an einem Beispiel durch. Nehmen wir an, eine Organisation hilft mit effizient gemanagten Projekten den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Solche Projekte sind-- aus gutem Grund-- ein positiver Wert an sich. In unserer Gesellschaft würde man sagen: Das ist eine gute Sache. Diese Erfolge wurden immerhin auch durch das Projektmanagement erzielt-…! Richtig! Projektmanagement bedeutet Strukturierung und Steuerung. Wir erreichen das Ziel auf effizientem Weg. Doch das ist die Perspektive von innen. Das ist die Perspektive derjenigen, die sich mit Projektmanagement befassen. Aber: Für die Gesellschaft wird Projektmanagement erst zu einer guten Sache, wenn damit gute Ziele verfolgt und erreicht werden. Das bedeutet: Erst finden die Menschen solche Projekte gut. Erst dann, im zweiten Schritt, erkennen sie vielleicht auch den Wert von Projektmanagement. Mit anderen Worten-- die Begeisterung, die viele Projektmanager für Projektmanagement empfinden, wird draußen nicht geteilt? Ich fürchte, die Begeisterung zündet draußen nicht unmittelbar. Draußen fällt die GPM eher durch gute gesellschaftliche Projekte auf, wie sie sie ja heute schon durchführt. Beispielsweise unterstützt die GPM derzeit Frauenhäuser beim Projektmanagement. Sie hilft durch effizientere Projekte, Frauen besser zu helfen. Das ist in den Augen vieler ein positiver Wert. Über solch einen positiven Wert kann die GPM dann auch den Nutzen von Projektmanagement transportieren. Das ist quasi ein Huckepack-Verfahren: Wir in der GPM sollten positive Projekte initiieren und unterstützen. Mit ihnen können wir in die Gesellschaft hineinwirken. Darüber können wir dann auch Projektmanagement in die Gesellschaft tragen. Dieses positive Wirken in die Gesellschaft hinein ist heute ein Ziel vieler Ehrenamtlicher bei der GPM. Es gibt eine Reihe von Schulprojekten oder andere bürgerschaftlich orientierte Projekte. Bisher scheint mir dabei eine Aufgabe zu kurz gekommen: Nämlich die positive Wirkung, die Projektmanagement hat, auch stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Wie sieht es mit der Wirtschaft aus? Vielen Unternehmen muss man den Wert von Projektmanagement heute nicht mehr erklären. Dies liegt daran, dass Projektmanagement im unternehmerischen Kontext ohnehin positiv besetzt ist. Der unternehmerische Kontext richtet sich am Wert der Effizienz aus. Unterstellen wir, dass jeder Unternehmer seine Unternehmensziele möglichst effizient erreichen will-- dann passt Projektmanagement perfekt. Wir in der GPM brauchen da nicht mehr viel zu erklären. Im gesellschaftlichen Kontext müssen wir dagegen auf dieses Huckepack-Verfahren setzen. In Ihrem Dialog mit der GPM haben Sie Zukunftstrends erläutert, aus denen sich gesellschaftliche Projekte ergeben können. Welche Trends könnten für die GPM bedeutsam sein? Wo kann sie sich mit positiven Projekten einbringen? Wir sollten dabei im Blick behalten, dass wir als Verein solche Trends nicht beeinflussen können. Anderes zu behaupten, wäre anmaßend. Aber wir können Beiträge anbieten. Einer dieser Trends ist aus meiner Sicht die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Dass wir mit Blick auf den Klimawandel auf fossile Brennstoffe verzichten müssen- - darüber gibt es einen breiten Konsens. Die Umsetzung indes ist eine große gesellschaftliche Herausforderung. Sie bringt für jeden Einzelnen Veränderungen mit sich. Beispielsweise fahren immer mehr Menschen ein Elektroauto, auch ich. Der Elektroantrieb hat mein mobiles Verhalten verändert. Ich kann nicht mehr spontan wie früher mit dem Auto etwa von Nürnberg nach München oder Hamburg fahren. Das muss geplant werden. In diesem Zusammenhang sind natürlich die Rohstoffversorgung und neue Technologien ein wichtiges Stichwort. Wir brauchen beispielsweise eine veränderte Infrastruktur. Derzeit haben wir ein gut ausgebautes Netz an Tankstellen. In Zukunft brauchen wir stattdessen ein dichtes Netz von Ladesäulen. Niemand weiß im Augenblick, wie die Dekarbonisierung im Detail umgesetzt werden soll. Richtig. Entscheidend wird sein, dass sich auch die Gesellschaft verändert. Es wird künftig vielleicht eine Art Entschleunigung geben. Und wir müssen darüber nachdenken, ob wir weiterhin so kritisch etwa gegenüber Überlandleitungen und Windrädern bleiben können. Über die Dekarbonisierung hinaus sehe ich einen zweiten wichtigen Zukunftstrend, der für uns im Projektmanagement wichtig wird: die Demografie. Demografen sprechen seit mehr als zwanzig Jahren davon, dass die Gesellschaft immer älter werden wird. Inwiefern betrifft dies Projektmanager? Im Jahr 2050 werden wir nur noch rund 33 Millionen Erwerbstätige in unserem Land haben, sofern zwischenzeitlich nichts Außergewöhnliches geschieht. Derzeit sind wir bei rund 45 Millionen. Wir werden also ein Viertel unseres Arbeitskräftepotentials verlieren. Hinzu kommt: Im oberen Teil der Alterspyramide fiebern viele Menschen ihrem Ruhestand entgegen und wollen oft nicht länger als nötig arbeiten. Im unteren Teil der Pyramide finden wir viele Jüngere, die stärker auf Work-Life-Balance achten als frühere Generationen; sie haben neben ihrem Beruf noch andere Projekte und wollen vielleicht nur dreißig Wochenstunden arbeiten. Dies verschärft das Problem der Demografie. Ich bezweifle, dass eine Erhöhung von Arbeitszeit gesellschaftlich gewollt ist. Aus meiner Sicht ist es sinnvoller, auf Digitalisierung und Automatisierung zu setzen. Man kann vermutlich die Personalnot nicht überall durch Digitalisierung lindern. Etwa in Lehre und Ausbildung dürfte dies schwierig werden. Unterschätzen Sie nicht das Potenzial der Digitalisierung! Kürzlich hat ein Hochschullehrer einen Preis bekommen als bester Teaching Assistent beim MIT. Er war online immer ansprechbar für seine Studierenden. Das hat ihn beliebt gemacht. Doch bei der Preisverleihung hat sich herausgestellt: pm_04_2022.indb 5 pm_04_2022.indb 5 02.09.2022 13: 52: 55 02.09.2022 13: 52: 55 Interview | mit Professor Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0066 Nicht er war ansprechbar, sondern sein Chatbot, den er unter dem Radar seiner Hochschule eingeführt hatte. Mit anderen Worten: Die Fragen, die ihm seine Studierenden online stellten, wurden automatisch, digital beantwortet- - und zwar so gut, dass dies niemand bemerkt hat. Augenblick! Kann man die USA mit Europa vergleichen? Wir haben andere Standards beispielsweise hinsichtlich des Datenschutzes. Dies steht einer effektiven Digitalisierung oft im Wege. Das ist richtig. Auf der einen Seite haben wir das strikte System von Regulationen. Die elektronische Krankenakte beispielsweise ist bei uns ein sehr schwieriges Projekt. Auf der anderen Seite laden sich Menschen dutzende von Apps auf ihr Smartphone und geben etwa auf Social-Media-Seiten ihre Daten freiwillig her. Über solche Widersprüche werden wir gesellschaftlich reden müssen. Bislang hat man Digitalisierung häufig deswegen vorangetrieben, weil sie technisch möglich war. Künftig werden wir sie dringend benötigen, um den Arbeitskräftemangel zu bewältigen und die wenigen Arbeitskräfte gesellschaftlich wirksamer einzusetzen. Manche Expertinnen und Experten meinen, dass eine Kassiererin oder ein Kassierer im Supermarkt heute unnötig sei. Man kann diese Menschen viel besser einsetzen. Kurz, da werden viele Projekte auf uns zukommen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz. Viele sind heute besorgt wegen der Energiekrise, wegen unterbrochener Lieferketten und steigender Inflation. Auch Projekten wird dabei vorgeworfen, in der Vergangenheit bestimmte Weichen falsch gestellt zu haben und dadurch die Krisen mitverursacht zu haben. Vielleicht sind in der Vergangenheit im Rahmen von Projekten falsche Entscheidungen getroffen worden. Doch dies liegt nicht an den Methoden des Projektmanagements, etwa der Risikoanalyse. Vor fünf Jahren sind beispielsweise deutsche Solarunternehmen bei ihren Projekten zur Einschätzung gekommen, dass sie zuverlässig mit Solaranlagen aus China beliefert werden- - und zwar aufgrund der damals verfügbaren Informationen. Stellt sich diese Annahme heute als falsch heraus, hat dies nichts mit dem Projektmanagement zu tun. Ich möchte dabei noch auf etwas anderes hinaus. Mir geht es nicht darum, wer wie welchen Fehler in der Vergangenheit gemacht hat. Ich denke, dass wir unsere Null-Fehler-Kultur komplett überdenken sollten. Wir sollten lernen, konstruktiv mit Fehlern umzugehen. Wir werden uns gesellschaftlich besser entwickeln in Deutschland, wenn wir künftig eine höhere Toleranz gegenüber Fehlern haben und uns erlauben, Dinge auszuprobieren. Wir müssen uns in Projekten auch erlauben, mal mit Dingen zu scheitern? Ja. So kommen Projekte heute voran- - durch Ausprobieren, Experimentieren, ans Ergebnis Herantasten, ständiges Anpassen. Wir leben in einer dynamischen Welt; dies haben wir besonders in den letzten drei Jahren gesehen. Die Rahmenbedingungen können sich buchstäblich von heute auf morgen verändern. Projektmanagement ist ein hervorragendes Werkzeug für diese moderne Welt. Besonders agiles Projektmanagement kann dabei helfen, Dynamik mit einer bestimmten Struktur anzugehen. Man ist dann nicht mehr im Treibsand. Projektmanagement bildet eine Grundlage dafür, dass wir das verändern können, von dem wir wissen, dass wir es verändern müssen. Sprechen wir bitte nochmals über Ihre Tätigkeit als GPM Präsident. Anfang Juni haben Sie das Amt angetreten. Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Tätigkeit gesetzt? Ich habe in kurzer Zeit recht viel gelernt über die GPM. Erste Ziele haben sich dabei bereits ergeben. Ein Ziel ist: Die GPM muss bekannter werden. Ich will dazu beitragen, dass die GPM ihre Aktivitäten wieder mehr nach außen richtet, positiv in die Gesellschaft wirkt und dort ihre Schwerpunkte setzt. Dies entspricht auch dem Auftrag ihrer Satzung. Ich sehe meine Aufgabe darin, die GPM zu einer Refokussierung auf ihre Satzung zu führen. Ein anderes Ziel ist: Wir müssen in unseren Reihen vermehrt die sachorientierte Kommunikation in den Vordergrund stellen. Wir müssen zurückfinden zu einer positiven Kommunikationskultur. In der GPM haben wir viele engagierte Ehrenamtliche, gute Initiativen und motivierte, leistungsfähige Geschäftsstellen. Sie wollen sich für gute Projekte und Projektmanagement engagieren. Es lohnt sich, konstruktiv darüber zu reden. Sie haben die vielen Ehrenamtlichen der GPM erwähnt. Wie kann die GPM das Engagement ihrer Ehrenamtlichen besser fördern und nutzen? Der Verein wird von Ehrenamtlichen getragen, und auch viele Trainingsanbieterinnen und Trainingsanbieter engagieren sich im Ehrenamt. Aus meiner Sicht spielen dabei die Fach- und Regionalgruppen eine zentrale Rolle. Sie müssen möglichst konfliktarm geführt werden. Präsidium und die Geschäftsstellen werden den Rahmen bereitstellen und unterstützen, etwa bei Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Aber wir können den Ehrenamtlichen in den Regionen oder den Fachgruppen nicht die ganze Arbeit abnehmen. Dafür ist die Organisation zu klein. Wie werden Sie die Ehrenamtlichen motivieren? Motivation sehe ich nicht als Problem. Ich denke, dass unsere Ehrenamtlichen sehr motiviert sind. Wie gesagt, seitens des Präsidiums und der Geschäftsstellen werden wir ihnen den Rücken freihalten- - zum Beispiel von Streit oder politischen Konflikten. Sie bringen ihre Erfahrung mit Organisationsentwicklung in die GPM. Welche Aufgabe sehen Sie hinsichtlich der Organisationsentwicklung? Ich komme ja von außen. Ich bin neu für die GPM, und die GPM ist zunächst noch neu für mich. Manchmal empfinde ich das so, als ob man als neuer Regisseur ein Theaterstück noch während einer Aufführung übernimmt. Vorher gab es andere Regisseure; die Mitwirkenden haben bestimmte Prägungen erfahren und bestimmte Vorstellungen von der Arbeit und der Kommunikation entwickelt. Da steht nun der neue Regisseur mit seinen eigenen Vorstellungen, wie das Stück gespielt werden soll. Jetzt geht es darum, sich über die verschiedenen Vorstellungen auszutauschen-- im Sinne des Publikumserfolgs. pm_04_2022.indb 6 pm_04_2022.indb 6 02.09.2022 13: 52: 56 02.09.2022 13: 52: 56 Interview | mit Professor Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0066 Konkret? Wie vorhin gesagt, noch lerne ich die GPM besser zu verstehen. Erkennbar für mich ist das Vakuum, das in den letzten Monaten im Präsidium entstanden ist. Wir müssen jetzt dieses Vakuum füllen. Dann sollten wir sehen, wie wir die Strukturen so anpassen, dass sie zu den neuen Aufgaben optimal passen. Also beispielsweise neutral prüfen, ob die Ressourcen gut verteilt sind, sodass wir in der GPM mehr Außenwirkung entfalten können. Dazu gibt es bereits viele gute und erfolgreiche Ansätze, etwa den GPM Zukunftskongress und die Kooperation mit der öffentlichen Verwaltung. Daran können wir anknüpfen. Da liegen also viele Fäden auf dem Tisch-… Ja. Ich schaue derzeit, welche Fäden wir als Erstes aufnehmen können. Prof. Dr. Peter Thuy Prof. Dr. Peter Thuy wurde am 21. Mai 2022 von der Delegiertenversammlung zum Präsidenten der GPM gewählt. Neben dem betriebswirtschaftlichen Studium hat Thuy Berufserfahrung im Verlagswesen und in der Wirtschaftsprüfung gesammelt, ehe er an der Universität Bayreuth im Fach Volkswirtschaftslehre promovierte und habilitierte. Zahlreiche Lehraufträge im In- und Ausland sowie die Gründung und Führung einer Akademie für betriebswirtschaftliche Weiterbildung ergänzen sein Profil. Als Rektor und Geschäftsführer war er dafür mitverantwortlich, dass sich die Internationale Fachhochschule Bad Honnef/ Bonn (heute: IU International University) von einem auf Tourismus- und Hotelmanagement spezialisierten Nischenanbieter zur größten deutschen Hochschule entwickelte. Darüber hinaus ist Prof. Thuy als Gutachter und Kommissionsmitglied im Bereich der Akkreditierung tätig und gehört seit zwölf Jahren dem Vorstand des Verbandes Privater Hochschulen (VPH) an, zu dessen Vorstandsvorsitzenden er 2019 gewählt wurde. Anzeige Project Office ist Enterprise-Software für beeindruckende Projekte wie den Gotthard- Basistunnel. Agiles Teamwork und hohe Prozesssicherheit verbinden sich dabei zu konsequent hybridem Projektmanagement. 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Dies bedeutet auch: Die SBB muss ihre Schienenwege mit allen für den Bahnbetrieb relevanten Anlagen laufend unterhalten, erneuern und ausbauen. Jährlich 2,7 Milliarden Schweizer Franken investiert die SBB in die Erneuerung und den Ausbau der Bahninfrastruktur. Rund 1650 Infrastruktur-Projekte wickeln die SBB parallel ab: von kleineren Bahnhofsanierungen bis zu Großprojekten wie dem Gotthard-Basistunnel oder dem Ausbau des Bahn-Knotenpunkts Zürich. Hinter diesen Projekten stehen nicht nur professionelle Projektteams, sondern vielfach auch leistungsfähige Lenkungsausschüsse. Diese Ausschüsse sind unerlässliche Bindeglieder zwischen Management und Projektorganisation, wie Andreas Brunner, Leiter Ausbau- und Erneuerungsprojekte, und Mitglied der Geschäftsleitung SBB Infrastruktur erklärt. Im Interview erläutert er, welche Rolle und Aufgaben seine Lenkungsausschüsse haben, wie sie zum Projekterfolg beitragen-- und weshalb sie sich in schwierigen Zeiten auf die Seite des Projektes schlagen sollten. Herr Brunner, rund 1650 Infrastruktur-Projekte werden in Ihrem Bereich durchgeführt. Das ist ein immenses Portfolio. Nur die mittleren und großen Projekte haben einen Lenkungsausschuss-- was dennoch eine beeindruckende Zahl an Gremien in Ihrem Bereich ergibt. An welchen Ausschüssen beteiligen Sie sich selbst? Andreas Brunner: In einem zentralen Lenkungsausschuss steuern wir strategisch unser gesamtes Portfolio. In diesem Ausschuss geht es etwa um die Finanzierung des Portfolios, um die Priorisierung einzelner Vorhaben und um die Erreichung strategischer Unternehmensziele. Dort kann beispielsweise beschlossen werden, strategisch dringende Projekte vorzuziehen- - etwa die bauliche Anpassung der Bahnhöfe und Haltestellen an die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes. Auch werden hier die Projekte untereinander so koordiniert, dass Bahnbetrieb und Fahrplan funktionieren. Diesen zentralen Lenkungsausschuss leite ich selbst. Die SBB führt einige Großprojekte aus-- mit Investitionen teils im Milliardenbereich. Beteiligen Sie sich auch hier an Lenkungsausschüssen? Ja, die Ausschüsse für Großprojekte mit hoher strategischer Relevanz leite ich ebenfalls. Ein Beispiel für die Substanzerhaltung ist die Instandsetzung des Hauenstein-Basistunnels, ein Beispiel für ein Ausbauprojekt die Modernisierung des Bahnhofs Lausanne. Darüber hinaus leite ich die Ausschüsse für Projekte, die interne strategische Ziele verfolgen. Interne strategische Projekte? In einem strategischen Projekt befassen wir uns mit dem Aufbau und der Einführung von BIM (Building Information Modeling). Wir wollen unsere Projektierung und Realisierung von Baustellen konsequent digitalisieren. Dieses Projekt ist für unser zukünftiges Zusammenarbeitsmodell von großer Bedeutung. Projekte im Bahnwesen sind bekanntlich komplex. Sie werden, wie Eisenbahner sagen, unter rollendem Rad durchgeführt. Im Straßenverkehr kann eine Straße notfalls gesperrt und Umleitungen ausgeschildert werden. Im Bahnverkehr ist dies kaum möglich. Baustellen haben Auswirkungen auf das gesamte Schienennetz, und sie müssen langfristig auf den Tag genau in Fahrplänen eingetaktet werden-… Es gibt dieses Spannungsfeld zwischen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Bahnbetrieb sowie der Bauausführung. pm_04_2022.indb 8 pm_04_2022.indb 8 02.09.2022 13: 52: 58 02.09.2022 13: 52: 58 Reportage | Sparringspartner statt Kontrollorgan 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0067 Einerseits wollen wir die Infrastruktur erneuern und ausbauen, andererseits wollen wir für unsere Kundinnen und Kunden pünktlich Züge verkehren lassen. Somit ist es eine große Herausforderung, die Auswirkungen auf die Reisenden infolge Bauarbeiten möglichst klein zu halten. Das allerdings ist längst nicht die einzige Herausforderung. Die Projekte- - besonders Großvorhaben-- sind sehr komplex geworden, wie etwa bei Verfahren und Vorschriften. Es kommt immer häufiger zu Einsprachen. Wir sind deshalb äußerst bemüht, etwa mit Stakeholdern, Anwohnern und Behörden rechtzeitig gute Lösungen zu finden. Auf die Umweltverträglichkeit wird dabei großes Gewicht gelegt. Der Einhaltung des Kreditrahmens gilt ebenfalls höchste Aufmerksamkeit. Die Baupreise verändern sich derzeit auf Wochensicht. Dagegen erstrecken sich manch Ihrer Projekte über Jahre. Wie können da die Projekte kalkuliert werden? Das ist genau die Herausforderung, vor der wir stehen. Verursacht durch die Pandemie sowie die Ukraine-Krise steigen beispielsweise Materialpreise rasant an. Immerhin können wir derzeit die notwendigen Baustoffe noch beschaffen. Wir beobachten diese Entwicklung und die Auswirkungen einer sich abzeichnenden Inflation genau, um rechtzeitig Maßnahmen zur Stabilisierung unseres Projektportfolios einzuleiten. Neben den Preisentwicklungen stellt der Fachkräftemangel die gesamte Branche vor eine große Herausforderung. Wir versuchen mit attraktiven Anstellungsbedingungen und interessanten Projekten die notwendigen Fachleute, Projektmanagerinnen und Projektmanager für die SBB zu gewinnen. Zu welchen Problemen genau führen der Mangel an Material und Menschen in Ihren Projekten? Generell kann dieser Mangel zu Verzögerungen bei den Projekten führen. Schlimmstenfalls kommt es zum Stillstand während der Bauausführung, was sich auf den Bahnbetrieb auswirkt. Für Reisende kann es dann zu Unannehmlichkeiten in ihrer Reisekette kommen. Das wollen wir unter allen Umständen vermeiden. Die Herausforderungen, die Sie beschreiben, erzwingen in Projekten häufig grundlegende Entscheidungen-- Entscheidungen, die das Projektteam selbst nicht treffen kann. Sie sind Sache des Auftraggebers und der Lenkungsausschüsse, die diese Entscheidungen herbeiführen müssen. Doch daneben haben Ihre Lenkungsausschüsse noch weitere Rollen, Aufgaben und Funktionen. Sie sind ein Bindeglied zwischen Management und Projektorganisation. Im Sinne eines Überblicks-- für was ist ein Projekt- Lenkungsausschuss bei Ihnen zuständig? Lenkungsausschüsse sind aus verschiedenen Fachabteilungen zusammengesetzt und haben vielfältige Rollen und Zuständigkeiten. Unter anderem versuchen sie, die Kundensicht einzunehmen; sie beurteilen die Auswirkungen der Bauarbeiten und prüfen mögliche Alternativen. Zudem priorisieren sie Schlüsselressourcen bei allfälligen Engpässen und dienen als erste Eskalationsstufe zur Bereinigung von Zielkonflikten. Ich sehe den Lenkungsausschuss zudem als Sparringspartner des Projektteams. Der Ausschuss erörtert mit der Projektorganisation die wesentlichen und essenziellen Fragen des Projekts. Er hinterfragt das Projekt aus verschiedenen Blickwinkeln, auch etwa aus der Sicht von Stakeholdern oder Bahnkunden, und sucht dann gemeinsam mit der Projektorganisation nach Antworten auf diese Fragen. Das heißt-- die kritischen Fragen offen diskutieren? Entscheidend dabei sind Offenheit und Dialog auf Augenhöhe. Es kommt darauf an, dass etwa eine Gesamtbeurteilung des Projekts vorgenommen wird. Zum Beispiel: Wo liegen die Risiken und Chancen? Wie ist das Projekt im Zeitplan unterwegs? Wie und was kommunizieren wir gegenüber den Stakeholdern und der Öffentlichkeit? Dafür braucht es eine gute Beziehung zwischen dem Ausschuss und dem Projekt, ein Vertrauensverhältnis. Am Zugersee wird eine Brücke verschoben. Eines von rund 1650 Infrastruktur-Projekten, die die SBB parallel abwickeln. Foto: SBB pm_04_2022.indb 9 pm_04_2022.indb 9 02.09.2022 13: 52: 59 02.09.2022 13: 52: 59 Reportage | Sparringspartner statt Kontrollorgan 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0067 Es geht also nicht vordergründig um „Aufsicht“ und Kontrolle-- sondern um inhaltlich konstruktive Begleitung des Projekts? Auf jeden Fall! Eine Projektorganisation selbst richtet ihren Fokus stark auf Umsetzung und Zielerreichung. Sie ist häufig von ihren Plänen und ihrem Weg überzeugt. Der Lenkungsausschuss dagegen fragt: Was machen wir, wenn es Hindernisse gibt? Was, wenn der Plan nicht so funktioniert, wie das Projektteam es erwartet? Was sind Alternativen zu diesem Plan? Dafür muss der Lenkungsausschuss auch die Projektorganisation selbst beobachten. Er muss rechtzeitig merken, wenn dort etwas nicht funktioniert. Nicht funktioniert-- zum Beispiel? Da kann es um Fragen gehen, ob die richtigen Fachleute im Projekt sind, ob das Projektmanagement richtig aufgestellt ist oder ob bestimmte Abläufe weiter professionalisiert werden müssen. Auch in dieser Hinsicht sollte der Ausschuss das Projekt nicht allein lassen. Selbstverständlich braucht es eine gewisse Kontrollfunktion in einem Projekt. Diese obliegt grundsätzlich den Rollen und Funktionen der Stammorganisation, wie etwa beim Einkauf, beim Finanzwesen oder bei der Rechtsabteilung. Den Lenkungsausschuss selbst sehe ich aber als Projektsteuerungsorgan und weniger als Kontrollorgan im Sinne von Kontrolle für ein Projekt oder ein Portfolio. Weshalb nicht? Zwischen Lenkungsausschuss und Projektorganisation ist das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zentral. Beide Seiten müssen zu der Erkenntnis kommen, dass sie gemeinsam in einem Boot sitzen und nur gemeinsam das Projekt erfolgreich führen können. Die Projektorganisation sollte von Anfang an spüren: Der Lenkungsausschuss unterstützt sie und hilft ihr vorwärtszukommen. Wie wird solch ein Vertrauen aufgebaut und entwickelt? Nach meiner Erfahrung ist es gut, wenn der Ausschuss mit der verantwortlichen Projektmanagerin oder dem verantwortlichen Projektmanager einen transparenten Dialog führt. Ich empfehle, zu Beginn des Projektes gemeinsam eine Auslegordnung über die Zusammenarbeit vorzunehmen: Wo sind aus Sicht der Projektorganisation Chancen und Risiken des Vorhabens? Was unternimmt die Projektorganisation, um die Chancen zu nutzen und den Risiken vorzubeugen? Besonders durch die frühe Diskussion der Risiken wird anerkannt, dass es in jedem Projekt auch schwierige Aspekte gibt-- über die man sich offen und auf Augenhöhe austauschen will. Der Dialog über die Risiken, Herausforderungen und schwierigen Aspekten des Vorhabens ist damit eine Art „Eisbrecher“? Ja. Er macht deutlich, dass der Lenkungsausschuss wirklich an Fortschritt und Erfolg des Projekts mitwirken will. Dass er Interesse an Erfolg und Wohlergehen des Projekts hat. Dies ist ein bedeutsames Signal. Solche Signale unterstützen die Zusammenarbeit. Sie ergeben sehr gute Anknüpfungspunkte. Wie setzen sich Lenkungsausschüsse bei Ihnen zusammen? Wer ist bei Ihnen in den Ausschüssen tätig? Die Mitglieder des Lenkungsausschusses kommen aus dem Management-- also aus der Hierarchie. Die Leitung des Lenkungsausschusses wird in der Regel durch den hierarchischen Vorgesetzten des Projektleiters wahrgenommen. Die Mitglieder rekrutieren sich aus Leitungsfunktionen der betroffenen Linienbereichen. Vertreter aus dem Finanzbereich wirken mit, häufig auch aus dem Einkauf. Ebenfalls holen wir vielfach Vertreter aus den Eisenbahnverkehrsunternehmungen hinzu, etwa aus dem Personenverkehr und Güterverkehr. Sie sind die Stakeholder der Projekte. Bei Ihnen sind auch Stakeholder im Lenkungsausschuss vertreten? Diese Beteiligung vereinfacht beispielsweise Abstimmungen. Wie Sie eingangs gesagt haben, wir arbeiten unter rollendem Rad. Viele unserer Projekte haben Einfluss auf den täglichen Bahnverkehr, wie etwa durch Sperrzeiten an Baustellen. Über die Stakeholder holen wir die Kundensicht in den Lenkungs- Tunnelarbeiten bei der SBB. Hinter solchen Projekten stehen nicht nur professionelle Projektteams, sondern vielfach auch leistungsfähige Lenkungsausschüsse. Foto: SBB pm_04_2022.indb 10 pm_04_2022.indb 10 02.09.2022 13: 53: 01 02.09.2022 13: 53: 01 project process change agile project process change agile www.nextlevelconsulting.com Experten für Ihren Erfolg. Wir unterstützen Sie dabei, Projekte durchzuführen, Prozesse zu verbessern und Veränderungen so zu steuern, dass Ihr Unternehmen den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen kann. 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Ein Beispiel: Angenommen, wir spielen im Lenkungsausschuss verschiedene Planungsszenarien durch und bei einem Szenarium könnten bauseits die Kosten reduziert werden; jedoch brauchen wir dafür eine Woche mehr Bauzeit. Dies kann aus Projektsicht verlockend sein, die Stakeholder bringen dann aber die Argumente aus Kundensicht ein. Dieses Abwägen der unterschiedlichen Sichten bringt die beste Lösung für das Gesamtsystem. Bei allen Überlegungen hat die Gewährleistung der Sicherheit jedoch oberste Priorität. Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen guten Lenkungsausschuss aus? Welche Qualitäten sollte ein guter Ausschuss haben? Aus meiner Sicht sind drei Punkte wichtig. Erstens, ein Lenkungsausschuss muss überhaupt die Möglichkeit haben, auf die Entwicklung eines Projekts positiven Einfluss zu nehmen, also tatsächlich zu steuern und zu begleiten. Zweitens, die Fähigkeit ist wichtig, die im Projekt auftauchenden Themen, Risiken und Entscheidungen zu antizipieren. Drittens, der Ausschuss braucht eine gute Vernetzung mit den Entscheidungsträgern. Die Mitglieder des Ausschusses sollten im Unternehmen gut vernetzt sein. Dieses Netzwerk hilft, insbesondere in schwierigen Projektphasen, die richtigen Personen zusammenzubringen. Vorhin sagten Sie, dass die Mitglieder Ihrer Lenkungsausschüsse aus dem Linienmanagement kommen. Man hört allgemein, dass für die Arbeit in Lenkungsausschüssen Projekt-Erfahrungen benötigt werden-- oder zumindest das Wissen vorhanden ist, wie Projekte funktionieren. Gute Ausschussmitglieder sind im Idealfall Grenzgänger zwischen Linie und Projekt; sie können sich in beiden Welten bewegen? Das ist richtig. Es ist manchmal anspruchsvoll, Mitglieder für Lenkungsausschüsse im Unternehmen zu finden, die beide Welten gut verstehen. In der Regel gelingt es uns aber, kompetente und auf die Bedürfnisse des Projekts ausgerichtete Lenkungsausschüsse zusammenzustellen. Wie finden Sie Managerinnen und Manager, die beide Seiten verstehen? Wir rekrutieren gezielt Führungskräfte aus der Linie und versuchen sie für die Ausschüsse zu gewinnen. Die Hierarchieebene spielt dabei eine Rolle, die individuelle Vernetzung im Konzern und die geforderte Linienposition. Dann entscheiden wir, wer in welche Gremien passt und welche Beiträge er leisten könnte. Danach lassen wir neue Ausschussmitglieder Erfahrungen sammeln. Viele beginnen in Ausschüssen für mittlere Projekte, lernen die Aufgaben und Arbeitsweisen kennen und beteiligen sich später an den Ausschüssen für größere Projekte. Sie lassen die Mitglieder an ihren Aufgaben wachsen? Im Projektmanagement ist dies nicht anders. Neue Projektmanagerinnen und Projektmanager starten kaum mit einem komplexen und strategisch relevanten Großprojekt. Sie beginnen mit einfacheren Projekten. So muss es auch bei Mitgliedern von Lenkungsausschüssen sein. Bei einem komplexen Infrastrukturprojekt ist es für Ausschussmitglieder äußerst herausfordernd, Sparringspartner des Projekts zu sein. Die Projektorganisation bringt oft sehr viel Erfahrung und Kompetenz mit. Mitglieder von Ausschüssen sollten in der Lage sein, das Projekt in seiner Komplexität zu verstehen und dann die richtigen Fragen zu stellen. Langjährige Erfahrung mit komplexen Großprojekten ist da hilfreich. Weil sonst-- bei einer schwachen Besetzung-- eine Ausschusssitzung zu einer Show des Projektleiters werden kann-…? Dies ist theoretisch möglich. Der Projektleiter könnte feststellen, dass sein Lenkungsausschuss nicht genau erfassen kann, was im Projekt vor sich geht. Er könnte geneigt sein, das Projekt in ein günstiges Licht zu rücken-… … gewissermaßen alle Projekt-Ampeln auf grün stellen? Die Aufgabe des Lenkungsausschusses wird es in diesem Fall sein, dem Projektmanager die richtigen Fragen zu stellen und so das Projekt auf Kurs zu steuern. Bei der Auswahl der Aus- Eine Baustelle eines Großprojekts in Bern. Die Lenkungsausschüsse, die solche Vorhaben begleiten, sind unerlässliche Bindeglieder zwischen Management und Projektorganisation. Foto: SBB pm_04_2022.indb 12 pm_04_2022.indb 12 02.09.2022 13: 53: 02 02.09.2022 13: 53: 02 Reportage | Sparringspartner statt Kontrollorgan 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0067 schussmitglieder ist das Ziel, einen dem Projekt adäquaten Lenkungsausschuss gegenüberzustellen. Zum Beispiel sagte ich vorhin, dass der Linienvorgesetzte des Projektmanagers vertreten ist. Ob dies aber der direkte Vorgesetzte oder ein Vorgesetzter, der eine oder zwei Hierarchiestufen über ihm ist-- dies wird man von Fall zu Fall sehen. Einige Unternehmen bieten ihren Lenkungsausschüssen Schulungen an, teilweise sogar obligatorische. Wie stehen Sie dazu? Bei uns gab es solche Schulungen, die sich jedoch nicht bewährt haben. Die Zahl unserer Ausschussmitglieder ist überschaubar. Manche arbeiten in mehreren Ausschüssen parallel, andere beteiligen sich nur einmal an einem Ausschuss. Der Schulungsaufwand könnte abschreckend auf einige Mitglieder wirken-- vielleicht, weil sie bereits seit zwanzig Jahren in Ausschüssen arbeiten. Wie sollen wir ihnen erklären, dass sie plötzlich an einer Schulung teilnehmen sollen? Sprechen wir bitte über das einzelne Ausschussmitglied. Welche Persönlichkeitsmerkmale sollte die Person für die Arbeit im Lenkungsausschuss mitbringen? Begeisterungsfähigkeit und Neugier sind aus meiner Sicht zentrale Persönlichkeitsmerkmale, um einen Lenkungsausschuss erfolgreich zu leiten. Die Ausschussmitglieder müssen gewillt sein, Dinge zu hinterfragen: Wie geht das Projektteam vor? Was macht es genau? Welche Alternativen gibt es zu dieser Vorgehensweise? Hinzu kommt: Viele Projektteams identifizieren sich mit ihrem Vorhaben und begeistern sich für ihre Arbeit. Der Ausschuss sollte die Begeisterung und die Arbeit des Teams für das Projekt teilen- - bei aller kritischer Distanz. Außerdem brauchen die Mitglieder ein bestimmtes Maß an persönlicher, emotionaler Stabilität. Für die Arbeit im Lenkungsausschuss sind reine Schönwetterpiloten wenig geeignet. Emotionale Stabilität-- wie darf ich dies verstehen? Emotionale Stabilität ist notwendig, um die Verschiedenartigkeit im Team und dadurch eine Auseinandersetzung in der Sache zuzulassen. Speziell in schwierigen Projektphasen kann diesem Merkmal eine Schlüsselrolle zukommen. …-und da dürfen die Ausschussmitglieder keine kalten Füße bekommen? Ganz bestimmt nicht. In solchen Schlechtwetter-Phasen muss sich der Lenkungsausschuss vor das Projekt stellen. Er muss die Kommunikation etwa in die Linienorganisation übernehmen, damit das Projektteam im Hintergrund unbeeinträchtigt arbeiten kann. Menschen, die zu Unruhe oder zu Aktionismus neigen, tun sich mit solchen Situationen schwer. In letzter Konsequenz heißt dies: Wir brauchen im Lenkungsausschuss starke Führungspersönlichkeiten. Sie müssen fähig sein, auch unter Druck Problemlösungen ruhig zu diskutieren und das Projekt wieder auf Kurs zu bringen. Das schließt ein, dass sie die Energie und Motivation erhalten können- - nicht nur für sich selbst, sondern auch im Team. Im Ernstfall muss der Ausschuss Partei nehmen für das Projekt-- und nicht für die Linienorganisation, aus der er stammt? In schwierigen Zeiten bringt es nichts, wenn der Ausschuss das Projekt zusätzlich unter Druck setzt. Er ist mitverantwortlich für das Projekt. Seine Aufgabe ist, der eigenen Linienorganisation die Lage und die Lösungswege zu erklären. Deswegen kommt es so sehr auf das Vertrauensverhältnis zwischen Projekt und Ausschuss an! Die Projektorganisation muss spüren, dass der Ausschuss sich in schwierigen Projektphasen nicht auf die Position des Managements zurückzieht. Die Projektorganisation beobachtet das Verhalten der Mitglieder seines Lenkungsausschusses sehr genau. Dessen müssen sich die Mitglieder eines Ausschusses bewusst sein. Gestatten Sie mir eine Abschlussfrage. Wir haben über die Funktion, Aufgaben und die Verantwortung der Mitglieder in Lenkungsausschüssen gesprochen und die erforderlichen Eigenschaften diskutiert, die Ausschussmitglieder mitbringen sollten. Bei alledem-- was macht die Tätigkeit in einem Lenkungsausschuss attraktiv? Was motiviert Menschen bei den SBB, in den Ausschüssen mitzuwirken? Viele schätzen den Austausch zu sehr spannenden Themen. Ich höre immer wieder, dass Mitglieder im Lenkungsausschuss viel lernen- - besonders, wenn sie sonst mit eher abstrakten Management-Themen zu tun haben. Im Lenkungsausschuss werden sie mit alltäglichen, sehr praktischen Problemen im Projektgeschäft konfrontiert. Also ein Kontrast zur Tagesarbeit? Ja, und das ist für viele attraktiv. Sie finden den Dialog im Ausschuss persönlich sehr bereichernd. Die Mitglieder schätzen es, aktiv ein Vorhaben mitzugestalten und am Ende ein Ergebnis sehen zu können. Sie haben vor Augen, was im Projekt etwa über Monate oder Jahre gewachsen ist. Ich beobachte, dass viele Mitglieder unserer Lenkungsausschüsse persönlich sehr viel Energie und Zufriedenheit aus dieser Arbeit ziehen. Auch ein gewisser Stolz auf das Projektergebnis? Selbstverständlich! Wir feiern übrigens Projekterfolge nicht nur in der Projektorganisation, sondern auch im Ausschuss. Eben weil beide Seiten- - Projektorganisation und Lenkungsausschuss-- unerlässlich sind für diesen Erfolg. Eingangsabbildung: Gleisarbeiten bei St. Gallen. © Foto: SBB Andreas Brunner Andreas Brunner, Mitglied der Geschäftsleitung SBB Infrastruktur, ist diplomierter Ingenieur ETH und seit bald 20 Jahren bei der SBB tätig. In seiner aktuellen Funktion als Leiter des Geschäftsbereichs Ausbau- und Erneuerungsprojekte verantwortet er mit rund 1600 Mitarbeitenden schweizweit ein Portfolio von rund 1650 Projekten mit einem jährlichen Investitionsvolumen von rund 2,7 Milliarden Schweizer Franken. Ein großes Anliegen sind ihm die Chancen der Digitalisierung, welche er unter anderem in seiner Funktion als Vorstandsmitglied des Verbandes «bauen digital Schweiz / building SMART switzerland» fördert. pm_04_2022.indb 13 pm_04_2022.indb 13 02.09.2022 13: 53: 03 02.09.2022 13: 53: 03 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0068 Mark Kreuscher, „Project Owner of the Year“ (pma) „Der Auftraggeber muss sich vor das Team stellen“ Oliver Steeger Geoinformationssysteme helfen Stadtwerken Übersicht zu halten. In dem digitalen System ist das städtische Versorgungsnetz detailliert dokumentiert: Straße für Straße, minutiös bis zu jeder Leitung und jedem Absperrhahn. In dem System finden Mitarbeiter alle Informationen, um beispielsweise neue Anschlüsse für Wasser, Strom oder Gas zu planen. Das STADTWERK AM SEE (Friedrichshafen und Überlingen) sieht in seinem Geoinformationssystem einen wichtigen Baustein für digitalisierte Prozesse. „Wir müssen nicht mehr vor Ort die Sachlage prüfen“, sagt Mark Kreuscher, Geschäftsbereichsleiter Netze und Prokurist bei STADTWERK AM SEE GmbH & Co. KG. Das allermeiste wird vom Schreibtisch aus erledigt. Kürzlich hat das STADTWERK AM SEE sein Geoinformationssystem erneuert. Interner Auftraggeber des Projekts war Mark Kreuscher. Während der Corona-Pandemie arbeitete er eng mit dem Projektteam zusammen. Vorbildlich, wie die PM-Organisation „pma - Projekt Management Austria“ meint. 2021 zeichnete sie Mark Kreuscher aus als „Project Owner of the Year“. Das Stadtwerk am See versorgt Bürger und Unternehmen am Bodensee unter anderem mit Gas, Wasser, Strom, Wärme, E-Mobilität und Breitbandkommunikation. Damit sind Sie auch verantwortlich für die sogenannte “letzte Meile“-- also für die lokalen Kabel, Leitungen und Versorgungseinrichtungen, die Energie und Internet ins Haus bringen. Als Stadtwerk haben Sie präzise Übersicht über diese Infrastruktur. Das Versorgungsnetz liegt größtenteils unter der Straße. Wie hilft Ihnen ein Geoinformationssystem, über diese komplexe, verborgene Welt Übersicht zu halten? Mark Kreuscher: Unsere Software GIS- - die Abkürzung für Geoinformationssystem- - beinhaltet alle geografischen und technischen Informationen. Dieses System kann man sich gut als eine digitale Landkarte vorstellen, wie Sie sie etwa von Navigationsgeräten oder Smartphones her kennen. Ähnlich wie eine App, auf deren Karten man Gebäude, Straßen und sogar Bahnstationen erkennt? Richtig-- nur, dass Sie in unserem System exakt jede Leitung, jeden Absperrhahn, jeden Stromkasten und jeden Hausanschluss erkennen. Jede Art von technischer Anlage ist auf den Zentimeter genau erfasst und mit allen relevanten technischen Informationen dokumentiert. Auf Basis dieser Arbeitsgrundlage können wir überhaupt Netzplanung machen und Planauskünfte geben. Wenn Sie ein Bürger mit einem neuen Hausanschluss beauftragt-- dann erkennen Sie in diesem System genau, wo sich die Leitungen vor dem Haus befinden und wie Sie den Auftrag optimal ausführen können? Wir verfügen heute über hochauflösendes Material, darunter viele Luftbilder. Wir haben eigene Drohnen und sind damit Teile unseres Netzgebietes abgeflogen. Des Weiteren nutzen wir Luftbilder aus öffentlichen Quellen. Heute können wir in diese Fotos hineinzoomen und Detailinfos erkennen-- bis hin zu einer einzelnen Schieberkappe mit ihrer Beschriftung. Wir versuchen, so weit wie möglich alles zu digitalisieren. Wie erklärt sich dieses ehrgeizige Ziel? Wir wollen so viel wie möglich vom Schreibtisch aus planen. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle Informationen am Bildschirm verfügbar haben. pm_04_2022.indb 14 pm_04_2022.indb 14 02.09.2022 13: 53: 04 02.09.2022 13: 53: 04 Reportage | „Der Auftraggeber muss sich vor das Team stellen“ 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0068 Also nicht mehr erst herausfahren und vor Ort prüfen, wie man was anschließen kann? Richtig. Das System ist wirklich sehr umfangreich. Ein Beispiel: Friedrichshafen war früher Rüstungsstandort. Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. In unserem Geoinformationssystem sind beispielsweise Verdachtsfälle auf Munitionsfunde verzeichnet. Ähnliches gilt für potenziell kontaminierte Bodenflächen oder archäologisches Gelände. Man kann sofort erkennen, welche begleitenden Maßnahmen für den Bau nötig sind. Solche Informationen sind für Planung und Ausführung von großer Bedeutung. Offen gesagt, es ist eigentlich selbstverständlich, dass wir über ein Geoinformationssystem verfügen. Wir haben das System, das wir im Kern seit 1993 haben, kürzlichen in einem Projekt erneuert. Dies hat uns strategisch vorangebracht. Strategisch? Inwieweit? Unser strategischer Hauptfokus liegt heute auf automatisierten Prozessen. Wir wollen die Abläufe in unserem Haus digitalisieren und automatisieren. Ein Vorteil ist, dass unsere Mitarbeiter heute von ihrem Schreibtisch aus planen, entscheiden und etwa Baufirmen beauftragen können. Wir müssen uns nicht mehr zu mehreren vor Ort treffen und die Sachlage prüfen. Das spart Kosten, und aus Sicht des Kunden werden Anliegen und Aufträge bei uns wesentlich schneller bearbeitet als früher. Hinzu kommt: Die Auftragsbearbeitung läuft komplett digital von Kundenanfrage, Planung, Genehmigung, Ausschreibung, Beauftragung von Bauunternehmen, Abrechnung mit Auftragnehmern bis hin zur Kundenrechnung und gesamten revisionssichereren Archivierung. Das System, bei dem die Ressourcenplanung funktioniert Ressourcenmanagement Projektportfolio-Management Aufwand- & Kosten-Controlling Projektplanung Unverbindlich online kennenlernen! www.ressolution.ch Scheuring AG +41 61 853 01 54 info@scheuring.ch Obwohl viele Stellen daran mitwirken, hat unser Kunde nur einen Ansprechpartner-- auch dann, wenn er Anschlüsse für Gas, Wasser, Strom und Breitbandkommunikation gebündelt beauftragt. Die Fachbereiche erstellen dann ein Angebot und eine Rechnung-- und nicht, wie früher, für jedes Produkt einzeln. Der Kunde spart also Aufwand und Zeit-… …-und Sie selbst sparen Geld durch schlanke, digitale Prozesse? Natürlich können dadurch Kosten reduziert werden. Die eine oder andere Gebührenerhöhung etwa durch steigende Baupreise können wir dadurch vermeiden. Doch unser Unternehmen versteht sich eher als Qualitätswettbewerber, nicht als Preiswettbewerber. Und das Geoinformationssystem ist ein wichtiger Baustein, unsere Qualität zu verbessern. Eben sagten Sie, dass Sie kürzlich in einem Projekt Ihr Geoinformationssystem erneuert haben. Sie selbst waren interner Auftraggeber des Projekts, haben während der Corona-Pandemie eng mit einem internen Projektteam zusammengearbeitet-- und sind dafür 2021 mit dem Award „Project Owner of the year“ von pma-- Projekt Management Austria ausgezeichnet worden. Der österreichische Verband lobt, wie Sie Ihre Rolle als Auftraggeber des Projekts ausgefüllt und damit zum Projekterfolg beigetragen haben. Wie kam es zu diesem Projekt? Geoinformationssysteme sind nichts Neues für uns, wie gesagt. Der Hersteller hat uns allerdings 2018 mitgeteilt, er werde für das System, das wir damals hatten, den Support einstellen. Wir standen damit vor der Frage, ob wir künftig ohne Support auskommen können- - oder ob wir Ausschau halten müssen nach einer zukunftsweisenden Alternative, die unsere strategischen Belange vielleicht noch besser abdeckt. Die Entscheidung haben wir schnell getroffen: Ein neues System. Deshalb haben wir unser internes Projekt „GIS-Erneuerung“ aufgesetzt. Wir haben eine Potentialanalyse gemacht und die Schwachstellen des alten Systems analysiert. Wir wollten das alte System nicht nur ersetzen; ein Ziel war es, ein für uns leistungsfähigeres System zu bekommen und zusätzlichen Mehrwert zu generieren. Wo lagen aus Ihrer Sicht als Auftraggeber die wesentlichen Herausforderungen dieses Projekts? Das Projekt musste bei uns im Haus neben dem Tagesgeschäft durchgeführt werden. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch ohne zusätzliche Projekte gut ausgelastet. Das heißt: Wir hatten Freiräume für das Team zu schaffen und Aufgaben zu priorisieren. Da war ich als Auftraggeber des Projekts gefragt, Ressourcen jeglicher Art bereitzustellen. Aus Ihrer Erfahrung-- wie kann der Auftraggeber dabei unterstützen? Erstens ist gegenseitiges Vertrauen erforderlich. Ich halte Vertrauen für eine Grundvoraussetzung, damit die Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber und dem Projektteam gelingt. Zweitens Kommunikation über das unmittelbare Projekt hinaus: Ich habe dem Team die Strategie dargelegt, die wir im Unternehmen mit dem Projekt verfolgen. Welche Position hat das Projekt in dieser Strategie? Welches Ziel verfolgen wir mit der Realisierung des Geoinformationssystems? Anzeige pm_04_2022.indb 15 pm_04_2022.indb 15 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Reportage | „Der Auftraggeber muss sich vor das Team stellen“ 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0068 Wie bringt uns das Projekt voran? Also sehr intensiv die Ziele mit der dahinterliegenden Strategie verdeutlicht. Drittens, das Team brauchte Freiraum und klare Leitplanken. Dazu zählt die klare Kommunikation von Deadlines und das Schaffen von Kommunikationsstrukturen. Wie will man als Auftraggeber ins Berichtswesen eingebunden werden? Dazu gehört auch der Rahmen der Zusammenarbeit. Ich wollte, dass das Team selbst lösungsorientiert entscheidet. Also als Auftraggeber dem Team keine Entscheidungen vorgeben? Zumindest keine operativen Entscheidungen etwa zu Projektdetails. Meine Aufgabe war es, Spielraum für solche Entscheidungen zu geben und diesen Spielraum zu verdeutlichen. Als Auftraggeber kann ich bestenfalls Ideengeber sein. Die Fachleute sitzen im Team. Sie haben selbst Projektmanagement gelernt und Projekte geleitet. Juckte es Ihnen in den Fingern, die Führung im Projekt selbst einmal zu übernehmen? Nein. Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Besonders jüngere Mitarbeiter haben andere Herangehensweisen, um Herausforderungen zu lösen. Dies galt besonders für unser Projekt. Ich erwarte nicht, dass ein Projektleiter so arbeitet und entscheidet, wie ich es an seiner Stelle tun würde. Natürlich muss man als Auftraggeber darauf achten, dass die eingeschlagenen Wege innerhalb der Leitplanken bleiben-- und nicht mit Umwegen über Amerika nach Rom führen. Dies bedeutet dann für den Auftraggeber, die Entscheidungen und Arbeitsweise des Teams zu unterstützen. Neben den Freiräumen und Ressourcen gehörte in unserem Projekt auch Knowhow dazu. Wir brauchten Weiterbildung für Teammitglieder und auch zusätzliche Fachexperten im Projekt, teils aus dem eigenen Unternehmen, teils von außen. Um die Bereitstellung muss sich ein Auftraggeber kümmern. Ihr Projekt fiel in die Zeit der Pandemie und des Lockdowns. Wie haben sich diese Erschwernisse ausgewirkt auf Ihr Projekt? So schlimm diese Zeit im Allgemeinen auch war-- sie hat uns im Projekt glücklicherweise keine großen Probleme gemacht. Im Unternehmen hatten wir ohnehin früh auf Digitalisierung gesetzt; mobiles Arbeiten war uns vor der Pandemie bereits bekannt. Wir waren gut vorbereitet. Trotzdem kam es im Team zu Belastungen. Unsere Teammitglieder hatten teils die ganze Familie zuhause. Ich habe dem Team immer wieder erklärt, dass es wichtig war, an den Hauptthemen des Projekts zu arbeiten. Also Prioritäten zu setzen? Natürlich! Ich habe auch nicht die Arbeitsstunden gezählt. Jeder hat sich so organisiert und hat so gearbeitet, wie es bei ihm passte. Also flexibel. Natürlich hat es am Anfang etwas geruckelt, und es brauchte Zeit, bis sich wirklich alle etwa an Videokonferenzen gewöhnt hatten oder mit digitalen Whiteboards umgehen konnten. Auch die persönliche Begegnung fehlte-… Bekanntlich werden viele gute Ideen in der Kaffeeküche produziert. Natürlich. Das haben alle Beteiligten schmerzlich vermisst. Ich habe versucht, das Positive zu sehen-- und dem Team diese Sichtweise klarzumachen. Das hängt stark mit dem Vertrauen zusammen, über das wir eben gesprochen haben. Ich weiß natürlich, dass diese Zeit für mein Team teils schwierig war. Wie haben Sie mit dem Team kommuniziert? Auf Zuruf? Anfangs hatten wir einen regelmäßigen Jour fixe. Später haben wir in der Tat auf Zuruf kommuniziert. Diese Kommunikation ist auch Teil meiner Führungskultur. Meine Mitarbeiter wissen, dass sie mich mit einem Problem ansprechen können- - ganz ohne Termine und Voranmeldung. Generell gesagt: Arbeite ich nicht selbst gerade konzentriert an einer Aufgabe, ist meine Türe offen. Mitarbeiter können mit mir sprechen. Das setzt voraus, dass ich meine Arbeit vernünftig strukturiere. Inwiefern vernünftig strukturiere? Die offene Türe darf für mich kein Lippenbekenntnis sein. Nach meiner Erfahrung sollte man für die Rolle eines Projekt- Auftraggebers Zeit einplanen und zeitliche Flexibilität mitbringen. Also trotz des Tagesgeschäft und der Tagesstruktur sollte man für spontane Fragen und Gespräche mit dem Team bereitstehen. Auch dann, wenn es vielleicht gerade nicht in die Planung passt? Ich habe vorhin das Vertrauen genannt. Also darauf vertrauen, dass jemand Sie nur anspricht, wenn es wirklich wichtig ist? Wenn es für ihn wichtig ist. Für das Team muss die Bereitschaft erkennbar sein, dass sein Auftraggeber den Dialog erlaubt und vor allem die Sorgen und Bedürfnisse des Teams ernst nimmt. Wir hatten zwei Phasen, in denen das Projekt nicht wie erwartet und geplant fortgeschritten ist. Das hat im Team Sorgen und Frustration ausgelöst. Da muss man wirklich zuhören-- auch dann, wenn man vielleicht selbst den Eindruck hat, dass das Team sich mit seinen Wahrnehmungen und Bedenken täuscht. Und das alles nicht so schwierig ist wie es scheint. Ich habe immer versucht, die Wahrnehmungen im Team als wichtig zu erkennen-- und das Team dann zu unterstützen, seine Probleme selbst in eine lösungsorientierte Bahn zu bringen. Einige Projekt-Auftraggeber versuchen, ihren Projektteams den Rücken freizuhalten-- damit diese sich auf ihre Arbeiten konzentrieren können. Gab es auch bei Ihrem Projekt Situationen, in denen Sie sich vor Ihr Team gestellt haben? Natürlich gab es solche Situationen. Wir erleben derzeit eine große Dynamik und Unruhe in der Energiebranche. Früher haben wir vielleicht alle zwei Jahre unsere Unternehmensstrategie angepasst. Heute diskutieren wir die Strategie zwei oder drei Mal im Jahr. Dabei geht es auch immer darum, dass man strategisch richtige Prioritäten setzt. Prioritäten setzen heißt dann auch: Man lässt etwas weg, verzichtet auf etwas oder verändert Projekte. Genau dies fällt vielen Menschen schwer zu verstehen. Es kann schwierig für einige sein, eigene Prioripm_04_2022.indb 16 pm_04_2022.indb 16 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Reportage | „Der Auftraggeber muss sich vor das Team stellen“ 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0068 täten zu verändern oder veränderte Prioritäten nachzuvollziehen. Als Auftraggeber hat man viel zu erklären- - und natürlich auch die schützende Hand über sie halten. Konkret? Unser Projektleiter hat mich öfters angesprochen und mir erklärt, weshalb er nicht weiterkommt. In einigen Projektphasen hatten wir widersprüchliche Ziele und Anforderungen. Dies hat die Arbeiten gelähmt und das Team frustriert. Wie kam es zu diesen Widersprüchen? Wir hatten einen Lenkungsausschuss für unser Projekt. Als Auftraggeber war ich für die Abstimmungen im Lenkungsausschuss zuständig. In dem Ausschuss haben wir beispielsweise diskutiert, ob das Projekt noch im Korridor von Terminen, Budget und Fertigstellung war. Sind die wesentlichen Aufgaben im Projekt umgesetzt worden? Passen die Ressourcen noch zu den Aufgaben? Welche Sichtweisen und Meinungen gibt es zu den unterschiedlichen Themen? Meine Aufgabe war es, dort zu moderieren und Ausgleich zu schaffen. Am Projekt waren mehrere Partner beteiligt und im Ausschuss vertreten, darunter waren auch Gesellschafter in unserem Unternehmen. Da sind unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse und Perspektiven auf das Projekt zusammengekommen. Kleinere Partner wollten beispielsweise auf Features verzichten, zugunsten von Budget und Terminen. Größere brauchten einen erweiterten Funktionsumfang. Wie darf ich mir das genau vorstellen? Die Softwarelösung gibt es in einer Basisversion mit einer Grundausstattung. Für zusätzliche Features muss man bezahlen und Zeit einplanen. Das ist ähnlich wie beim Autokauf. Will ich beim Auto eine vierstufige Sitzheizung, weil ich es häufig im Winter benutze- - dann kostet das Geld und vielleicht auch ein paar Wochen zusätzliche Lieferzeit. Wenn man sich allein ein Auto kauft, sind solche Entscheidungen einfach. Schafft man sich eines gemeinsam an, gehen die Vorstellungen auseinander. Da muss man die individuelle Konfiguration untereinander aushandeln- - möglichst, bevor das Projektteam startet. Aufgabe von Projektauftraggebern ist es, solche divergierenden Erwartungen zusammenzuführen-… …- und möglichst widerspruchslose Ziele daraus zu bilden. Ich habe im Lenkungsausschuss einerseits solche Fragen sorgfältig diskutiert. Andererseits habe ich auch auf Klärung, Einigung und Abschluss gedrängt. Das Projekt brauchte klar definierte Ziele und verlässliche Entscheidungen. Stein des Anstoßes bilden häufig Budget und Terminplan-- also Zeit und Geld. Alle Partner zahlen für das Gesamtpaket der Softwarelösung-- aber einige brauchen nur eine reduzierte Ausstattung-…? Da gab es auch bei uns Diskussionen. Wer zahlt für was? Und wie lange dauert das alles? Diese Diskussion begleitet ein Projekt. Auf der ersten und zweiten Sitzung unseres Lenkungsausschusses schien alles noch recht einfach. Da hieß es: Es passt schon! Später meldete der Projektleiter die eine oder andere kleinere Budgetüberschreitung. Da gab es Stirnrunzeln auf den Gesichtern der Ausschussmitglieder? Selbstverständlich. Und je enger der Zeitrahmen und Budgetrahmen dann wurde, desto mehr drängten die Mitglieder auf Ergebnisse. Da wurden die unterschiedlichen Sichtweisen auf Funktionsumfang und Qualität sichtbar. Es gab Vorschläge, auf bestimmte Features zu verzichten und sie später zu integrieren-- allein, um im Rahmen von Zeit und Kosten zu bleiben. Was spricht dagegen? Mit dem System arbeiten sehr viele Kolleginnen und Kollegen in unseren Unternehmen. Es ergibt keinen Sinn, die Realisierung bestimmter Software-Funktionen zu verschieben nur der Termine wegen. Haben Sie sich einigen können? Haben wir! Doch der Weg war nicht immer leicht. Natürlich kann man als Auftraggeber nicht mit der Faust auf den Tisch hauen. Man braucht für diesen Prozess Fingerspitzengefühl. Jedes der an unserem Projekt beteiligten Stadtwerke hat einen anderen Hintergrund. Manche sind noch kommunale Eigenbetriebe; besonders bei ihnen kann es schnell politisch werden. Das muss man respektieren. Es geht nicht um „richtig“ oder „falsch“. Nein, meistens nicht. Die unterschiedlichen Sichtweisen sind gut nachvollziehbar. Jeder im Ausschuss betrachtet die Situation ja aus seiner eigenen Perspektive. Ich vergleiche das mit einer Kaffeetasse, die aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Der eine sieht den Henkel rechts, der andere links-- und ein Dritter sieht ihn gar nicht. Ähnlich ist es auch bei den Positionen. Auf bestimmte Weise haben alle Recht. Dennoch: Am Ende steht der Auftraggeber in der Verantwortung- - auch gegenüber seinem Team. Er muss Einigungen herbeiführen und sich für klare Ziele einsetzen. Keinesfalls dürfen solche Zielkonflikte an das Team herangetragen werden. Da muss sich der Auftraggeber vor das Team stellen und seine Aufgaben erledigen. Eingangsabbildung: © iStock.com / peterschreiber.media Mark Kreuscher Mark Kreuscher, Geschäftsbereichsleiter Netze und Prokurist beim Stadtwerk am See, verantwortet die Sparten Gas, Wasser, Strom, Wärme, Telekommunikation, E-Mobilität und Dienstleistungen. Er ist studierter Bauingenieur (FH) mit Vertiefung Baubetriebswirtschaft und war schon parallel zum Studium seit 1994 für ein internationales Tief-, Rohr- und Anlagenbau Unternehmen tätig. Er verantwortet dort 1998 bis 2002 die Divisionen Pipelinebau, Telekommunikation und Bohr- und Umwelttechnik im Arabischen- und GUS-Raum sowie seit 2000 im asiatischen Raum. Im Jahr 2004 übernahm er die Division Europe Rohrleitungsbau, Bohrtechnik und die Konzern Auftragskalkulation. 2010 wechselte er an den Bodensee zu den Technischen Werken Friedrichshafen, die 2012 durch Fusion zum Stadtwerk am See wurden. pm_04_2022.indb 17 pm_04_2022.indb 17 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 Leitfaden zur Governance für erfolgreiche Projekte Der Projektauftraggeber M. Atzor, M. Boxheimer, T. Hunziker, G. Ortner, Ch. Rudischer, H. Wenzler Für eilige Leser | Für Projektleiter gibt es schon länger umfangreiche Aus- und Weiterbildungsprogramme. Das passt. Auch der Projektauftraggeber ist eminent wichtig für den Erfolg eines Projektes. Doch Auftraggeber zu sein bedeutet mehr als «fire and forget». Das Projekt muss auch nach der schriftlichen Auftragsvergabe intensiv begleitet werden. Das braucht Zeit und Engagement. Sei dies in einer 1: 1 Situation mit dem Projektleiter oder als Leiter eines Lenkungsausschusses. Zur erfolgreichen Umsetzung gehört also auch ein angemessenes Projektmanagement-Know-how beim Senior Management, das kompakt vermittelt werden kann. In diesem Leitfaden zeigen wir auf, was ein guter Projektauftraggeber mitbringen sollte. Schlagwörter | Projektauftraggeber, Programmauftraggeber, Lenkungsausschuss, Senior Management, Projektleiter, Programmleiter Der Projektauftraggeber ist eminent wichtig für den Erfolg eines Projektes. Doch Auftraggeber zu sein bedeutet mehr als «fire and forget». Das Projekt muss auch nach der Auftragsvergabe intensiv begleitet werden. Wir zeigen, was es dazu braucht. 1. Einführung Neue Vorhaben werden in den verschiedensten Organisationen mit Projekten umgesetzt. Dadurch sind Projekte das wesentliche Element für die Zukunftsgestaltung. Die Rolle des Projektleiters (in diesem Text ist für die Rollen immer m/ w/ d inkludiert) ist inzwischen ausführlich beschrieben und Qualifikations- und Weiterbildungsprogramme sind etabliert. Für den Projekterfolg ist darüber hinaus der Projektauftraggeber sehr wichtig. Durch einen guten Projektauftraggeber sind die Projektziele klar und passen zur Strategie der Organisation. Durch die Interaktionen mit dem Projektleiter und dem Management der Linienorganisation sorgt der Projektauftraggeber für Klarheit im Projektverlauf. Dieser Beitrag dient dazu die Bedeutung des Projektauftraggebers herauszustellen und die Verantwortung und Aufgaben des Projektauftraggebers zu beschreiben. Für Programmauftraggeber gelten die folgenden Ausführungen entsprechend. Die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ der drei deutschsprachigen Projektmanagementgesellschaften GPM, pma und spm befasst sich mit dem Erfolgsbeitrag für die Projektarbeit durch das Top-Management. Aus der Arbeit der Fachgruppe ist diese Publikation entstanden. Die Publikation richtet sich an Führungskräfte, die Projekte beauftragen, aber auch an Top-Führungskräfte, an die Projektauftraggeber berichten. Projektleiter sind gleichermaßen angesprochen und bekommen Impulse für die Zusammenarbeit mit Projektauftraggebern. 2. Die Position des Projektauftraggebers in der Linien- und Projektorganisation Hier wird die Position des Projektauftraggebers zunächst generisch beschrieben, für jedes Projekt wird die Ausprägung der Position im jeweiligen Kontext bestimmt. Der Projektauftraggeber ist meist eine Führungskraft der Linienorganisation. Sie trägt in der Linienorganisation die Verantwortung, dass strategische und / oder operative Ziele ihrer Organisationseinheit erreicht werden. In dieser Rolle kann / wird sie Projekte vorbereiten (lassen) und- - nach ggf. erforderlicher interner Abstimmung und Genehmigung- - beauftragen, die dann dazu beitragen, die (strategischen) Ziele der Linienorganisation zu erreichen. pm_04_2022.indb 18 pm_04_2022.indb 18 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Wissen | Der Projektauftraggeber 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 Beispiel 1: Ein Unternehmen hat ein neues Produkt entwickelt und will es produzieren und vertreiben, um Umsatz und Ergebnis zu steigern. Die zuständige Führungskraft lässt die Planung und den Bau der Produktionsanlagen vorbereiten und den Business Case erstellen. Die erforderlichen internen und externen Genehmigungen werden eingeholt und zunächst der Projektauftrag für die Planung mit dem Projektleiter fixiert. Mit seinem Team plant der Projektleiter die Produktionsanlage und bereitet die Realisierung vor. Die Führungskraft lässt dann den Business Case prüfen und vereinbart den Projektauftrag für die Realisierung der Anlage mit dem Projektleiter. Mit dem Team realisiert der Projektleiter die Produktionsanlagen und übergibt sie nach dem Produktionsanlauf an den Projektauftraggeber und das verantwortliche Werk. Das neue Produkt trägt danach zum Umsatz und Ergebnis des Unternehmens bei. Beispiel 2: Zur Effizienzsteigerung bei Geschäftsprozessen durch Digitalisierung lässt die zuständige Führungskraft Geschäftsprozesse auf organisatorische und technische Szenarien prüfen und entsprechende Business Cases erstellen, auch um die Projekte priorisieren zu können. Die Genehmigung für das wichtigste Projekt wird erteilt oder eingeholt und der Projektauftrag mit dem Projektleiter fixiert. Mit seinem Team plant und realisiert der Projektleiter das Projekt und übergibt die IT-Lösung nach dem Produktionsanlauf an den Projektauftraggeber und seine Organisation zur Nutzung. Der Auftraggeber setzt die geplante Kostensenkung um. Projekt und Business Case (Boxheimer, 2016) In der Projektorganisation trägt die Führungskraft die Verantwortung dafür, dass die Ziele aus dem Business Case für die von ihr beauftragten Projekte erzielt werden-- siehe Abb. unten. Für die Planung und Realisierung des Projektes beauftragt sie einen Projektleiter. Zur Steuerung des Projektes wird, bei größeren und / oder strategisch wichtigen Projekten, ein Lenkungsausschuss (LA) eingerichtet. Die Verantwortung des Projektleiters ist es, die im Projektauftrag festgelegten Ergebnisse zu liefern, damit die Ziele aus dem Business Case erreicht werden können. Für die Umsetzung der Goverance-Strukturen für ein Projekt gibt es in der Praxis eine große Bandbreite an Implementierungsmöglichkeiten: • Es gibt Projekte, bei denen kein Lenkungsausschuss gebildet wird. • Manchmal ist der Auftraggeber nicht Mitglied im Lenkungsausschuss, sondern delegiert diese Aufgabe. • Projekte werden auch aus der Linienorganisation initiiert, ohne dass eine Führungskraft beteiligt ist. Für ein derartiges Projekt wird dann der Auftraggeber „gesucht“. Die Position des Auftraggebers ist im Kontext der Organisation zu sehen, die Projekte ausführt, um spezifische Ergebnisse zu erreichen und ist von vielfältigen Faktoren abhängig: • Der strategischen bzw. operativen Bedeutung eines Projektes für die Ziele der Organisation. • Die Bedeutung, die die Führung der Organisation den Projekten und dem Projektmanagement zuschreibt. • Der Kompetenz des Projektauftraggebers im Projektmanagement. • Der Professionalität des Projektmanagements in der Organisation. • Der Größe des Projektes (Budget, Laufzeit, das mit dem Projekt verbundene Risiko die geplanten Ergebnisse zu erreichen, Anzahl der beteiligten Organisationseinheiten). • Dem im Projekt angewendeten Vorgehensmodell (z. B. V- Modell, SCRUM-…). • Den im Unternehmen allenfalls angewendeten Managementframeworks (z. B. EFQM, SAFe®,-…). Ein Ergebnis aus einer Studie über Governance-Strukturen in Projekten und Programmen soll den aktuellen Stand in der Praxis illustrieren: Jeder dritte Projekt-/ Programmauftraggeber (PAG) gehört der obersten Führungsebene an (Vorstand, Geschäftsführung), ein weiteres knappes Viertel leitet eine Sparte (Geschäftsfeld, Region). Zusammen sind also 57 % aller Auftraggeber Manager mit unternehmerischer Gesamtverantwortung. Erwartungsgemäß ist dieser Anteil bei Programmen höher (70 %) als bei Projekten (54 %). Produkt-, Prozess oder Portfoliomanager findet man deutlich seltener in der Auftraggeberrolle, ebenso Manager mit funktionaler Verantwortung (Abteilungsleiter). pm_04_2022.indb 19 pm_04_2022.indb 19 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Wissen | Der Projektauftraggeber 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 3. Die Rolle des Projektauftraggebers im Lebenszyklus eines Projektes Die verschiedenen Rollenbilder des Projektauftraggebers können differenziert betrachtet werden. Die Erwartungen in diese Rollen lassen sich dabei in mehrere Lebenszyklusabschnitte gliedern: Vor dem Projektstart (in der Vorprojektphase) ist die Rolle des PAG eine sehr aktive und wird von seinen Nutzenerwartungen bzw. strategischen Zielen bestimmt. Die Verantwortung bezieht sich besonders auf: • Projektideen in seinem Verantwortungsbereich werden mit jeweils einem realistischen Business Case entwickelt. • Projektziele werden SMART definiert. • Entscheidungen werden auf Basis der zusammengestellten Informationen getroffen, die mit der Unternehmensstrategie in Einklang stehen. • Für das Projekt erforderlichen Ressourcen (Budget, Personal) werden bereitgestellt. • Ein Anforderungsprofil wird für die Projektleitung entwickelt, eine kompetente Projektleitung gesucht und mandatiert. • Das Projekt wird (schriftlich) beauftragt. Während am Projekt gearbeitet wird, verändert sich die Rolle in eine das Projekt begleitende Richtung. Der Projektauftraggeber hat dabei aber weiter wichtige Verantwortlichkeiten für das Projekt und für den Business Case wahrzunehmen: • Steuerung der Projektleitung gemeinsam mit dem Lenkungsausschuss. • Promotor des Projektes in der eigenen Organisation, aber auch nach außen (z. B. zu Kunden). • Unterstützung der Projektleitung gegenüber internen und externen Stakeholdern. • Unterstützung der Projektleitung dort, wo deren Entscheidungsbefugnis nicht ausreicht (z. B. bei Problemen in der Ressourcenallokation). • Überwachung des Business Case (gegebenenfalls nachkalkulieren). • Intervention (u. a. im Krisenfall) inkl. Entscheidungen über Abbruch, Sistierung oder Change Requests (Scope, Budget, Deadlines). • Projektabnahme. Durch eine aktive Rolle nach dem Projektabschluss hat der Projektauftraggeber die Mittel, den Nutzen des Business Case zu realisieren. Erst dadurch wird aus einem erfolgreichen Projekt auch ein Erfolg für das Unternehmen. Seine Verantwortung umfasst insbesondere: • Sicherung der Akzeptanz für die Projektergebnisse in der Organisation oder beim Kunden. • Einsatz der Projektergebnisse zur Erfüllung des Business Cases. • Aktualisierung des Business Case. 4. Die Rolle des Projektauftraggebers bei verschiedenen Vorgehensmodellen Auf Basis der Größe und Komplexität eines Projektes wird (z. B. im Projektdesign) bestimmt, wie die Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Projektauftraggebers definiert werden, und wie bzw. welche Methoden des Projektmanagements eingesetzt werden. Aufgaben des Auftraggebers im klassischen Projektmanagement: • Klare Projektziele aus der Unternehmens- oder Bereichsstrategie ableiten bzw. auf Basis von Projektideen von Mitarbeitern, Kunden, Wettbewerbern, Innovationsprogrammen oder sonstigen Anregungen etc. entwickeln (lassen). • Business Case erstellen (lassen) als Basis für die Entscheidung, ob ein Projekt beauftragt wird. • Regelmäßig während der Projektlaufzeit prüfen (lassen), ob der Business Case weiterhin funktioniert- - falls erforderlich das Projekt an Veränderungen anpassen oder abbrechen. Funktion der Auftraggeber in der Stammorganisation (Rudischer, 2020) pm_04_2022.indb 20 pm_04_2022.indb 20 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Wissen | Der Projektauftraggeber 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 • Budget und Finanzierung bereitstellen. • Einen Lenkungsausschuss einrichten, die Mitglieder berufen sowie regelmäßige Treffen planen. • Die Mitglieder des Lenkungsausschusses zur Realisierung des geplanten Nutzens verpflichten, nachdem die Projektergebnisse realisiert wurden, und selbst dafür sorgen, dass der Nutzen laut Business Case erreicht wird. • Projektleiter auswählen, beauftragen sowie-- ggf. mit dem Vertreter der künftigen Nutzer des Projektergebnisses- - den Projektauftrag formulieren bzw. an der Formulierung mitarbeiten lassen. • Anstehende Entscheidungen zeitnah treffen. • Regelmäßige Kommunikation mit dem Projektleiter sowie dem Projektteam und dem Senior Management. • Beziehungen zu relevanten Stakeholdern aufbauen und regelmäßig mit ihnen kommunizieren. • Den Projektleiter führen und bei der Lösung von Konflikten unterstützen. • Zwischenergebnisse und das Projektergebnis beurteilen und abnehmen-- ggf. mit dem Vertreter der künftigen Nutzer des Projektergebnisses- - und den Projektleiter sowie das Projektteam entlasten. • Den Projektleiter unterstützen, die Effizienz im Projektmanagement zu steigern (Kommunikation und Zusammenarbeit im Projektteam, Kompetenz der Personen, Verbesserung von Abläufen). • Genügend eigene Zeit für das Projekt reservieren. Mit zunehmender Verbreitung agiler Vorgehensmodelle sollen auch die (damit veränderten) Aufgaben des Auftraggebers im agilen Umfeld betrachtet werden. Das Scaled Agile Framework® (www.scaledagileframework.com, SAFe®) wird zur Planung und Realisierung von Vorhaben mit mehreren / vielen nach agilen Prinzipien arbeitenden Teams eingesetzt. Bei vielen Vorhaben handelt es sich um die kontinuierliche Entwicklung / Weiterentwicklung im Lebenszyklus von Produkten, z. B einer Website, oder um Projekte für Kunden. Hier werden die Aufgaben des Auftraggebers im Konzept von SAFe® dargestellt- - sie sind meist der Rolle des Business Owner (C-level executive) zugeordnet. SAFe® stellt ein umfassendes System für agiles Management von Vorhaben bereit, das alle relevanten Unternehmensebenen und Stakeholder umfasst. SAFe® wurde zunächst für Softwareprodukte eingesetzt, inzwischen wird es aber auch in anderen Bereichen angewendet. Aufgaben des Auftraggebers: • Ziele für die Entwicklung / Weiterentwicklung von Produkten aus der Firmen- oder Bereichsstrategie ableiten bzw. auf Basis von Ideen von Mitarbeitern, Kunden, Wettbewerbern, Innovationsprogrammen oder sonstigen Anregungen etc. entwickeln (lassen), Visionen formulieren und vermitteln. • Business Case erstellen (lassen) als Basis für die Entscheidung, ob die Entwicklung / Weiterentwicklung von Produkten beauftragt wird, der Business Owner ist verantwortlich, dass der angestrebte geschäftliche Nutzen erreicht wird. • Regelmäßig während des Lebenszyklus prüfen (lassen) ob der Business Case weiterhin funktioniert, die Backlogs weiter realisiert werden- - falls erforderlich das Vorhaben an Veränderungen anpassen oder stoppen. • Budget und Finanzierung bereitstellen bzw. das Funding unterstützen. • Anstehende Entscheidungen zeitnah treffen. • Regelmäßige Kommunikation mit Product Management, Release Train Engineer und Systemarchitekt(en), den Projektteams sowie weiteren relevanten Stakeholdern bei Anlässen wie Program Increment (PI) Planning, System Demo, Iteration Retrospective, Release Management. • Beitragen, die Effizienz zu steigern (z. B. im Inspect & Adapt event, sowie durch die Kompetenzentwicklung der Personen und die Verbesserung von Abläufen), die operative Umsetzung liegt bei den Teams. • Genügend eigene Zeit reservieren. • Bei verschiedenen Anlässen wie den im 3-monatigen Zyklus stattfindenden Portfolio-Planung, Program Increment (PI) Planning den geschäftlichen Kontext darstellen und den Backlog nach dem angestrebten geschäftlichen Nutzen priorisieren, um den besten Nutzen für die Organisation zu erreichen. • Unterstützen bei der Implementierung von SAFe® und Skalierung der Agilität. • Unterstützen beim Backlog Refinement (auf Feature-Ebene). • Monitoren von eventuellen externen Abhängigkeiten. • Fachlicher Ansprechpartner sein für die Epics, für die er zuständig ist (als Epic Owner). • Teamziele beim Program Increment (PI) Planning bewerten. • Probleme lösen, die die Teams aus eigener Kraft nicht beseitigen können. In der Praxis werden größere Unternehmen mit mehreren Frameworks parallel arbeiten (müssen). Je nach Vorhaben passt mehr der Produkteentwicklungsansatz wie z. B. SAFe®, bei Projekten wird es jedoch besser mit dem klassischen Projektmanagement-Ansatz funktionieren. Wichtig: Agilität ist auch in klassisch geführten Projekten möglich und erwünscht. Wie ein Lenkungsausschuss (LA) mit mehr oder weniger Agilität funktionieren kann, zeigt ein Praxisbeispiel der Schweizer Bundesbahnen. Die linke Spalte in der Tabelle zeigt die Methodik mit Steuerung, Kooperation und Organisation. Die anderen vier Spalten zeigen die Ausprägungen „Klassisch“ (ganz links) bis „Agil“ (ganz rechts). Die Funktion des Auftraggebers in der Rolle des LA-Leiters ist je nach Ausprägung der Agilität eine Andere. 5. Entscheidungen des Projektauftraggebers Vor dem Projektstart und während der Projektlaufzeit werden vom Projektauftraggeber verschiedene Entscheidungen getroffen. Jede Entscheidung basiert auf Entscheidungsvorlagen, die in der Projektvorbereitung von der beauftragten Arbeitsgruppe und während des Projektes vom Projektleiter mit dem Projektteam erstellt werden. Die erste Entscheidung, die getroffen werden muss, ist es, ob das Vorhaben umgesetzt werden soll oder nicht. Dazu wird eine Arbeitsgruppe beauftragt, aus einer Projektidee die Informationen zusammenzutragen, die benötigt werden, um über die Umsetzung zu entscheiden. Diese Informationen werden im Business Case dokumentiert. pm_04_2022.indb 21 pm_04_2022.indb 21 02.09.2022 13: 53: 06 02.09.2022 13: 53: 06 Wissen | Der Projektauftraggeber 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 • Annahmen zu Kosten- und Zeitplanung während der Planung und Realisierung des Vorhabens. • Rahmenbedingungen für die Umsetzung festlegen. • Frühe Phase der Risikoanalyse und Risikomanagement der Nutzenrealisierung. • Annahmen zu Umsätzen, Kosten während der Nutzung des Ergebnisses. Falls zur Entscheidung über die Umsetzung weitere Gremien erforderlich sind, liegt es in der Verantwortung des Projektauftraggebers dafür zu sorgen, dass die Entscheidungsvorlage diesen Gremien (z. B. einem Portfoliogremium) präsentiert und die Entscheidung gefällt wird. Nach positiver Umsetzungsentscheidung muss die passende Organisationsform gefunden werden: Manche Vorhaben können in den bestehenden Strukturen der Linienorganisation umgesetzt werden, in vielen Fällen wird jedoch ein Projekt oder eine Kette aus mehreren Projekten (z. B. Planungs-, Realisierungs- und Rolloutprojekt) besser geeignet sein. Möglicherweise werden die Projekte auch im Rahmen eines bestehenden Programms beauftragt oder zu einem neuen Programm zusammengefasst. Die Herbeiführung dieser Entscheidung liegt wiederum in der Verantwortung des Projektauftraggebers, er wird dabei auf die in der Organisation vorhandene PM-Expertise (z. B. eines PM Office oder erfahrener Projekt- und Programmmanager) zurückgreifen. Im Projektverlauf muss der Projektauftraggeber sicherstellen, dass über das weitere Vorgehen entschieden wird, wenn es zu Abweichungen zur ursprünglichen Planung kommt. Dabei kann der Projektauftrag geändert werden oder das Projekt sistiert, aber auch abgebrochen werden. Solche Entscheidungen hängen unter anderem davon ab: • Wie sich Rahmenbedingungen verändert haben bzw. wie man sich anpassen kann. • Ob (neue) Wettbewerber mit neuer Technologie auf den Markt kommen. • Ob die Annahmen des Business Case über die Nutzung des Projektergebnisses (z. B. erwartete Umsätzen) aufrechterhalten werden können oder unrealistisch werden. • Ob das Projekt im Plan bleibt oder wesentliche Abweichungen auftreten (z. B. Krise im Projektteam, Technologie nicht funktionsfähig, mehr Zeit oder Kosten erforderlich). Zum Projektende werden die Projektergebnisse vom Projektauftraggeber abgenommen, und der Projektleiter wird bei Erreichung der Projektziele entlastet. Für den geschäftlichen Erfolg gemäß dem Business Case ist der Auftraggeber / der Lenkungsausschuss verantwortlich. Klassisch oder Agil im Lenkungsausschuss (SBB AG, 2021) pm_04_2022.indb 22 pm_04_2022.indb 22 02.09.2022 13: 53: 06 02.09.2022 13: 53: 06 Wissen | Der Projektauftraggeber 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 6. Fähigkeiten und Kompetenzen des Projektauftraggebers Grundlegende Kenntnisse des Projektauftraggebers finden sich in den Kompetenzfeldern „People“, „Project“, „Perspective“ der ICB4 (International Competence Baseline) der IPMA. Letztlich sind es vor allem zwei Elemente, die die Qualität des Projektauftraggebers definieren: • ein gutes Geschäftsverständnis und • Persönlichkeit. Das grundlegende Geschäftsverständnis ist die Voraussetzung dafür, Fehlentwicklungen, Risiken und Chancen frühzeitig zu erkennen, um so klare Projektaufträge zu formulieren. Je komplexer und technologiegetriebener die Geschäftsmodelle sind, desto weniger reichen Erfahrung und gesunder Menschenverstand aus. Dann wird es notwendig, die Strukturen und Abläufe von Projekten auch im Detail zu verstehen. Eine starke Persönlichkeit ist eine Voraussetzung, um in einem konsensgeprägten Umfeld erfolgreich Gehör zu finden, Entscheidungen voranzubringen und kritische Bemerkungen zuzulassen. Darüber hinaus sind spezifische Kompetenzen vor allem in den folgenden Bereichen erforderlich: • Risikomanagement aus dem Verständnis des Geschäftes betreiben. • Leadership, Funktion als Vorbild. • Mindset für Business Excellence, Project Excellence. • People Management: Communication, Teambuilding, Collaboration. • Business Management and Administration, Marketing. • Negotiation, Politics, Governance. • Fachliche Kenntnisse, Marktkenntnisse. • Steigerung der Effektivität & Effizienz im Projektmanagement. • Steigerung der Effektivität & Effizienz von Geschäftsprozessen. • Personalentwicklung, Organisationsentwicklung. Literatur Boxheimer, Michael: PM für Führungskräfte, unveröffentlichtes Manuskript, 2016 GAPPS-- Global Alliance for Project Performance Standards: A Guiding Framework for Project Sponsors, Sydney, 2015 IPMA- - International Project Management Association: Individual Competence Baseline for Project, Programme & Portfolio Management Version 4.0 (ICB 4), Zürich Schweiz, 2015 Rudischer, Christian: Governancestrukturen in Projekten und Programmen, PM goes Boardroom, 2020 http: / / www.rudischer.consulting / ext / pmgb / Ergebnisbericht_Governancestrukturen.pdf SBB AG: LA Guide für Vertreter in Lenkungsausschüssen, Divisionen Markt- und Produktion Personenverkehr, unveröffentlichtes Manuskript, 2021 Eingangsabbildung: © iStock.com / sesame Dr. Ing. Michael Atzor Senior Consultant, atzorconsult eMail: dr.michael.atzor@gmail.com Michael Boxheimer Michael Boxheimer Projekt- und Prozess- Managementsysteme eMail: mib@boxheimer-projects.com Thomas Hunziker Thomas Hunziker, MAS Projektmanagement Leiter des Project Management Office, Schweizerische Bundesbahnen SBB, Divisionen Markt- und Produktion Personenverkehr eMail: thomas.hunziker3@sbb.ch Prof. (FH) Dr. Gerhard Ortner Prof. (FH) Dr. Mag. Gerhard Ortner Fachhochschulprofessor, Masterstudiengang Projektmanagement und Organisation, Fachhochschule des BFI Wien gerhard.ortner@fh-vie.ac.at Dr. Christian Rudischer Dr. Christian Rudischer Rudischer Management Consulting eMail: christian@rudischer.consulting Hartmut Wenzler Hartmut Wenzler Executive Director DPMO KARL STORZ SE & Co. KG Email: hartmut.wenzler@karlstorz.com pm_04_2022.indb 23 pm_04_2022.indb 23 02.09.2022 13: 53: 06 02.09.2022 13: 53: 06 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Commercial Project Management (CPM) aus Auftraggeber-Sicht Gregor Oleniczak, Hasso Reschke Für eilige Leser | Commercial Project Management (CPM) ist ein unverzichtbarer Baustein im Projektmanagement geworden, vor allem bei größeren Auftragnehmern. Dabei werden alle nicht-technischen Aufgaben von der Projektentstehung über die Projektrealisierung bis hin zum Projektabschluss in einer Hand zusammengefasst. Für den Project Manager stehen meistens die technischen Aufgaben im Vordergrund. Aber auch im nicht-technischen Kontext steigt die Komplexität. Für eine erfolgreiche Projektarbeit müssen deshalb auch kaufmännische und vertragliche Aufgaben qualifiziert bearbeitet und erfüllt werden. Dies gilt insbesondere im internationalen Projektumfeld. Für den Auftraggeber sind als Pendant zum Auftragnehmer die kommerziellen Themen ähnlich wichtig, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Auf der Auftraggeber-Seite werden große Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte (z. B. Häfen, Energietrassen, Fertigungsanlagen) initiiert, geplant und realisiert. Für die Projektdurchführung müssen eine Reihe an Firmen mit der Realisierung beauftragt werden. Je nach Geschäftszweck, Betriebsgröße und speziellen Projektanforderungen ist das Aufgabenspektrum unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Zuge der stetig wachsenden nicht-technischen Anforderungen an die Projekte ist eine Aufgabenteilung zwischen Projektmanager und dem Commercial Project Manager hilfreich/ essenziell und Garant für erfolgreiche Projektarbeit. CPM muss sich auch in Deutschland weiter etablieren. Deshalb hat die GPM 2019 eine Fachgruppe gegründet. Diese beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des CPM. Ihre Mitglieder kommen aus der einschlägigen deutschen Industrie und Wirtschaft. Dort wurde u. a. ein englischsprachiger Zertifikatslehrgang für CPM entwickelt, der in diesem Jahr an der FOM-Hochschule in Siegen Premiere hat. Schlagwörter | Commercial Project Management, komplexe Aufgaben im Projektmanagement, Auftraggeber, Auftragnehmer, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Techniker und Kaufmann, Projekterfolg, Aufgaben Commercial Project Management, GPM Fachgruppe CPM Was ist Commercial Projektmanagement? Commercial Project Management (CPM) ist ein wichtiger Baustein für erfolgreiche Projektarbeit. Die Project Manager sind meist technisch orientiert und sehen sich zunehmend großen Herausforderungen ausgesetzt, die komplexen Ziele im Projektgeschäft zu erreichen. Für eine erfolgreiche Projektarbeit müssen auch kaufmännische und vertragliche Aufgaben qualifiziert bearbeitet und erfüllt werden. Dies trifft vor allem auf Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte zu, ebenfalls auf IT- Vorhaben sowie beauftragte Dienstleistungsprojekte. Wichtig ist CPM auch im internationalen Kontext, weil hier vielfältige länderspezifische Anforderungen zusammenkommen und zu beachten sind. Bei all diesen Vorhaben nimmt der Commercial Project Manager (CPMgr) eine besondere Rolle ein: • Commercial Project Management fasst alle nicht-technischen Aufgaben in der Projektentstehung und Projektrealisierung in einer Hand zusammen • Der CPMgr koordiniert die verschiedenen kaufmännischen Fachstellen/ Abteilungen projektbezogen und wirkt eng zusammen mit dem technischen Projektleiter. Bisher fand CPM in Fachdiskussion und Literatur nur für Auftragnehmer Aufmerksamkeit. Es ist bei vielen, meist großen Unternehmen oft schon seit vielen Jahren installiert und pm_04_2022.indb 24 pm_04_2022.indb 24 02.09.2022 13: 53: 07 02.09.2022 13: 53: 07 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Buchtitelbild: Commercial Project Management (VDMA Verlag, 2017) Übersicht der Aufgaben und Verantwortung des CPMgr (Oleniczak, 2018) © Fotocredits/ Shotshop.com gel um Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Alle öffentlichen Auftraggeber sind an das Vergaberecht und die entsprechenden Vorschriften gebunden. Halb-öffentliche Auftraggeber Es sind halbstaatliche Einheiten für besondere Aufgaben wie z. B. Trinkwasser- und Energieversorgung sowie Verkehr, teilweise mit besonderem Rechtsstatus. Ihre Projekte sollen die wichtigsten Entwicklungs- und Versorgungsbereiche des Landes unterstützen. Als Beispiele seien genannt: Rundfunkanstalten wie ARD und ZDF, Deutsche Bahn, Autobahn GmbH des Bundes, Landwirtschaftliche Rentenbank, Hamburger Hafen, Flughafen Frankfurt und viele andere. Auch sie unterliegen dem Vergaberecht. Privatwirtschaftliche Unternehmen Sie stehen im privaten Eigentum und verfolgen wirtschaftliche Ziele, vor allem die Gewinnerzielung. Als Beispiele sind zu nennen: BASF, Bayer Leverkusen, Claas, Mercedes-Benz, Siemens, BMW und viele andere. Sie unterliegen nicht dem öffentlichen Vergaberecht, sondern haben sich (zumindest bei Großunternehmen) eigene hausinterne Regelungen zur Bearbeitung ihrer Investitionsvorhaben gegeben. KMUs Die zu den privatwirtschaftlichen Unternehmen zählenden KMUs sind insofern besonders zu erwähnen, weil bei ihnen in der Regel seltener Investitionsprojekte anstehen und deshalb entsprechende organisatorische Vorgaben oft nicht oder nur rudimentär vorhanden sind. Die wesentlichen Aufgaben im Commercial Project Management Die vielfältigen Aufgaben im CPM sind im nachfolgenden Schaubild dargestellt. aus der erfolgreichen Projektarbeit nicht mehr wegzudenken. Für den Auftraggeber als Pendant zu Auftragnehmer sind aber die kommerziellen Themen ähnlich wichtig, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Wen betrifft CPM als Auftraggeber? Der Auftraggeber (national, international) investiert meist in große Infrastruktur- und Anlagenbauprojekte (z. B. Häfen, Energietrassen, Fertigungsanlagen). Um seine Projekte zu realisieren, beauftragt er eine Reihe an Firmen, die ihn bei der Realisierung seiner Vorhaben unterstützen. Als Gruppen von Auftraggebern sind ersichtlich: Öffentliche Auftraggeber Dazu zählen beispielsweise Ministerien, Kreisverwaltungen, Bundesländer, Krankenkassen, Stiftungen, Universitäten, Kultureinrichtungen, kommunale Eigenbetriebe usw. Sie verfolgen öffentliche Zwecke und vergeben in jedem Jahr Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages an private Unternehmen. Hierbei handelt es sich in aller Repm_04_2022.indb 25 pm_04_2022.indb 25 02.09.2022 13: 53: 08 02.09.2022 13: 53: 08 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Je nach Geschäftszweck und Betriebsgröße ist das CPM Aufgabenspektrum unterschiedlich stark ausgeprägt. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Unternehmen international auftritt, selbst produzierend ist oder aber als öffentliches bzw. privatwirtschaftliches Unternehmen agiert. Interessenlagen des Auftraggeber und des / der Auftragnehmer Gleichgerichtete Interessen Generell kann man davon ausgehen, dass sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer das Interesse haben, das in Frage stehende Projekt erfolgreich (für beide Seiten) abzuschließen. Das ergibt sich schon aus dem Vertrag, der zwischen beiden Beteiligten geschlossen wird. Der Auftraggeber hat primär das Interesse, einen bei sich erkannten Bedarf bestmöglich und kostengünstig zu bedienen (z. B. Aufbau von Produktionsanlagen), der Auftragnehmer ist an der Bearbeitung des Projekts interessiert, weil er damit für sich Beschäftigung und Umsatz generiert und ein möglichst gutes finanzielles Ergebnis erzielen will. Spannungen in den „gleichgerichteten“ Interessen ergeben sich dann, wenn der Vertrag Lücken oder Unklarheiten aufweist. Dann beginnt jede Seite, den Vertrag in ihrem Sinne zu interpretieren und es kommt zum Streit, gelegentlich sogar vor Schieds- oder ordentlichen Gerichten. Andererseits wird es wohl keinen Vertrag geben, der zu 100 % sicher und verlässlich ist. Insoweit kommt es auf die beiden Vertragspartner und ihr Verhältnis zueinander an, inwieweit sie der gemeinsamen Zielsetzung den Vorrang geben oder Partikularinteressen in den Vordergrund rücken, um „Vorteile“ herauszuholen. Grundsätzliche Interessengegensätze Aus der Natur der Konstellation ergeben sich aber auch klare Interessengegensätze, die im Vorfeld verhandelt und in dem Vertrag verankert werden müssen oder Gegenstand einer Regelung im aktuellen Fall während der Projektbearbeitungszeit sind. Als Regelungspunkte kommen vor allem in Frage: • Preis, Währung, Zahlungsbedingungen und -procedere • Erkennen von Risiken und ihre Berücksichtigung beim Auftraggeber oder Auftragnehmer • Leistungsumfang, Klarheit und Vollständigkeit der Beschreibung • Aktualität technischer Gegebenheiten, Berücksichtigung technologischer Weiterentwicklungen • Qualitätsanforderungen, Erfüllung und Nachweis • Gewährleistung: Umfang, Zeitrahmen, Procedere • Regelungen bei Vertragsstörungen • Informations- und Berichtspflicht (wechselseitig) • Beistellungen des Auftraggebers (z. B. Informationen, Flächen und Medien, Personal) • Genehmigungen und Bewilligungen (als Voraussetzung für die Realisierungsfähigkeit des Projekts) • Berücksichtigung lokaler oder übergeordneter Gesetze und Regelungen • Formale Regelungen wie anzuwendendes Recht, vertragswirksame Kommunikation, Fristen Die Liste ist nicht abgeschlossen. Die Punkte gegensätzlichen Interesses müssen Verhandlungsgegenstand zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sein. Wenn es sich um Ausschreibungen handelt oder anderweitige generelle Regelungen (z. B. AGB) angezogen werden, sind viele dieser Punkte zunächst geregelt. Es muss aber geprüft werden, ob diese „generellen“ Regelungen ausreichen und, ob sie für das konkrete Projekt passend sind. Ablauf des Projekts Der zeitliche Ablauf eines Projekts ist aus Sicht des Auftraggebers und des Auftragnehmers unterschiedlich. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht die unterschiedlichen Blickwinkel: Sicht des Auftraggebers und Auftragnehmers in Projekten (Reschke, 2022) pm_04_2022.indb 26 pm_04_2022.indb 26 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Für den Auftraggeber beginnt die Betrachtung mit dem Erkennen von Bedarf (Produktionskapazität, Qualitätsverbesserung, verbesserte Wirtschaftlichkeit etc.). Sofern dieser Bedarf beim Auftraggeber priorisiert wird, entsteht daraus ein Projekt. Dieses führt beim Auftraggeber zu einer Prä-Projektphase, in der ein Projektkonzept erarbeitet und auf Realisierbarkeit hin geprüft wird. Weiterhin werden die finanziellen Rahmenbedingungen geklärt. Wenn der Auftraggeber für sein Projekt intern die Freigabe erzielt oder erklärt hat, beginnt die nähere Definition des Projekts, insbesondere die Festlegung von Anforderungen. Dies ist eine vorwiegend technische Aufgabe, bei der entweder hausinterne Ingenieurabteilungen oder externe Ingenieurdienstleister tätig werden. Dem CPMgr obliegt in diesem Zusammenhang, auf die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen technischen Konzeptionen zu achten und diese zu bewerten. Da der Auftraggeber die definierten Projektaufgaben nicht mit eigenen Kräften ausführen kann, müssen nun die Ausschreibungsunterlagen erarbeitet werden. Erst mit diesen kann man an den Markt herantreten und Angebote einholen. Nach Abschluss der Ausschreibung hat der Auftraggeber die eingegangenen Angebote zu bewerten, was üblicherweise in mindestens zwei Schritten erfolgt: Eine Grobbewertung führt zu einer verkürzten Liste „ernsthafter“ Angebote (short list), mit denen man sich unter technischen und kaufmännischen Aspekten näher beschäftigt. Sofern Vertragsverhandlungen (rechtlich) möglich sind, erfolgen diese nun, um die Konditionen des gesamten Projekts zu verhandeln und festzulegen. Hier geht es, wie oben schon dargestellt, um das Finden von Lösungen für die oben dargestellten Interessengegensätze. Wenn der Vertrag verhandelt ist oder der Zuschlag erteilt wurde, beginnt für den Auftragnehmer oft erst das Projekt mit der Abarbeitungsphase bis hin zum Bau / Auslieferung, Montage und Inbetriebnahme. Der Auftraggeber hat hier vor allem die Aufgabe der qualifizierten Projektbegleitung in Form von Project Controlling, um die vertragsgemäße Erbringung der Leistung sicherzustellen. Für den Auftragnehmer ist hier aber der Arbeitsschwerpunkt mit Engineering, Procurement, Fertigung, Auslieferung (Logistik), Aufbau, Montage und Inbetriebnahme. Das Projekt kommt für beide Partner zu seinem Ende, wenn die vom Auftragnehmer erbrachte und nachgewiesene Leistung vom Auftraggeber abgenommen und für vertragsgemäß erklärt wird und die Schlusszahlung des Auftraggebers erfolgt ist. Ggfs. gibt es eine Nachlaufphase für Gewährleistung und / oder Serviceleistungen. Projektorganisation und Steuerung Bei Auftragsprojekten baut der Auftragnehmer in der Regel eine Projektorganisation für seinen Auftrag auf. Der Auftraggeber baut seine Projektorganisation nach den Erfordernissen des Projektvorhabens auf. Große und komplexe Projekte werden meistens auch im Rahmen einer autonomen Projektorganisation realisiert. Der Aufgabenumfang ist so umfangreich, dass es sinnvoll ist, für das Projekt eigene Projektmitglieder vollumfänglich abzustellen. Der Projektmanager und der CPMgr arbeiten ausschließlich für das eine große Projekt und sind dort auch organisatorisch angesiedelt. Zunehmend findet man eine partnerschaftliche Ausprägung Wesentliche Faktoren für einen erfolgreichen Einsatz des CPM: • Einsatz von qualifiziertem Personal • Berücksichtigung in der Aufbauorganisation • Festlegung der Aufgabenverteilung zwischen CPMgr und PM • Voller Zugang zu allen projektrelevanten Informationen • Regelmäßiger Informationsaustausch/ Dialog • Zugang und Verständnis für die Technische Seite („eigenes Bild auf der Baustelle“) der Zusammenarbeit zwischen Techniker und Kaufmann auf Augenhöhe. In anderen Fällen ist der Projektmanager alleiniger Verantwortlicher und der CPMgr fungiert als eine Art kaufmännischer Projektsteuerer, der den Techniker unterstützt und die kaufmännischen Aufgaben zuarbeitet. Beide Ausprägungen können durchaus sinnvoll sein und sind davon abhängig, wie komplex das Projekt ist, wie lange es läuft und, wie das hausinterne Verständnis von Projektmanagement ist. In den meisten Fällen wird beim Auftraggeber für mittelgroße Projekte die klassische Matrix-Projektorganisation gewählt, bei der die Projektmitglieder eine organisatorische Zugehörigkeit in ihrer Fachabteilung der Linienorganisation haben und durchaus an mehreren Projekten mitarbeiten. Der CPMgr ist dann im kaufmännischen Bereich angesiedelt, erbringt die erforderlichen Aufgaben für mehrere Projekte und ist nicht auf ein Projekt alleine konzentriert. Wenn Projektvorhaben nicht so häufig anfallen, beispielsweise bei KMUs einmal alle zehn Jahre (z. B. Umbau der eigenen Werkshalle) lohnt sich nicht, eine große autonome Projektorganisation aufzubauen. Die Mitarbeiter arbeiten dann für das Projekt und nehmen gleichzeitig ihre ihnen zugewiesene Linienaufgaben wahr. Risikomanagement und Absicherung Beauftragung Der Auftragnehmer sichert sich bei der Beauftragung beispielsweise mittels einer Bürgschaft des Auftraggebers ab, damit kein Zahlungsausfall bei der Herstellung und anschließenden Lieferung des zu liefernden Produktes droht. Projektrealisierung Der Auftraggeber muss sich wiederum gegenüber dem Auftragnehmer absichern, dass dieser die beauftragte Leistung tatsächlich erbringt (Vertragserfüllungsbürgschaft) und die Leistung als Abschlag nur maximal in dem Umfang zur Auszahlung kommt, wie sie vom Auftragnehmer erbracht worden ist. In der Regel werden maximal 80 % der erbrachten Leistung bezahlt. Werden seitens des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer sog. Vorauszahlungen vorgenommen, für die keine bisherigen Gegenleistungen seitens des Auftragnehmers erbracht worden sind, sollte die Zahlung entsprechend gegenüber einer entsprechenden Bankbürgschaft abgesichert werden. KMUs tragen ein hohes Risiko, da die Absicherungen in der Regel teuer sind, tragen insbesondere KMUs ein hohes Risiko. Das kann dazu führen, dass die Projekte unrentabel werden. pm_04_2022.indb 27 pm_04_2022.indb 27 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Gewährleistung nach Projektabschluss Nach dem technischen Projektabschluss erfolgt die kaufmännische Abrechnung. Hier ist bereits mit der Beauftragung darauf zu achten, dass der Auftragnehmer nach Fertigstellung des Auftrages und der Abnahme auch dem Gewährleistungsanspruch nachkommt. In der Regel werden hierfür sogenannte Gewährleistungsbürgschaften vom Auftragnehmer gefordert und für den Zeitraum der Gewährleistung beim Auftraggeber hinterlegt. Was sind die Aufgabenfelder beim Auftraggeber? Der CPMgr hat ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet abzudecken. Je nach organisatorischer Ausprägung und je nach Geschäftszweck des Unternehmens ist für das Zusammenspiel zwischen dem Projektmanager, der in der Regel als Techniker fungiert, sowie dem CPMgr, der vornehmlich die kaufmännischen Aufgaben abdeckt, eine unterschiedliche Aufgabenteilung vorhanden/ festzustellen. Der CPMgr arbeitet eng mit dem Projektmanager zusammen, so dass eine Reihe von Aufgaben letztlich im Ergebnis zusammen abgestimmt werden. Dies bietet ebenso die Chance, dass sich beide Projektpartner die Aufgaben aufteilen und somit parallel und eigenständig zugleich Aufgaben effizient abwickeln können. Im Zuge der stetig wachsenden Anforderungen an die Projekte ist eine Aufgabenteilung zwischen Projektmanager und CPMgr hilfreich/ essenziell und Garant für erfolgreiche Projektarbeit. Zu den Aufgaben des CPM gehören je nach Ausprägung vor allem: • Projektentwicklung / Projektinitiierung • Bedarfsbewertungen • Anforderungskonzeption • Festlegung Zielkosten • Kostenmanagement • Kostenplanung und -steuerung • Kalkulation / Budgetierung von Projekten • Wirtschaftlichkeitsanalysen • Soll-/ Ist Abweichungen • Änderungsmanagement • Projektfinanzierung • Ermittlung Finanzierungsbedarf: Liquiditätsplanung/ Mittelabflussplanung • Abschluss von Finanzierungsverträgen • Termine: • Terminplanung und -steuerung • Soll-/ Ist Abweichungen • Änderungsmanagement • Monetäre Bewertung von Terminabweichungen • Leistung: • Leistungsplanung und -steuerung • Änderungsmanagement • Variantenuntersuchungen • Abweichungsanalysen • Leistungsfeststellung • Versicherungen • Beauftragung von Versicherungsleistungen • Schadensregulierung • Verträge: • Mitwirkung / Erarbeitung der Vergabestrategie • Mitwirkung bei der Festlegung des Vergabeartenplans • Vertragsvorbereitung und -gestaltung • Vertragsverhandlungen • Vertragsabschluss und Beauftragung • Anti-Claimmanagement / Nachtragsbearbeitung • Kooperations- und Konsortialverträge • Risiken/ Chancen: • Risiko-/ Chancenidentifikation, -analyse, -bewertung • Risiko-/ Chancenbehandlung • Risikoüberwachung und -fortschreibung • Reporting: • Controlling und Reporting von Projekten • Projektdokumentation Empfehlungen für CPM beim Auftraggeber Die Auftragnehmer verfügen aufgrund ihrer ständigen Bearbeitung von Projekten über ein umfangreiches Erfahrungspotenzial zu Projektmanagement und zu CPM. Dieses lässt sich auch für das Projektmanagement beim Auftraggeber nutzen. 1. Bei den Auftragnehmern ist häufig eine Form von Projektorganisation unter Einbeziehung von CPM vorzufinden. Der Auftraggeber sollte ebenfalls eine seiner Rolle entsprechende Form des PM für seine Projekte entwickeln. Wichtig ist insbesondere die Zusammenfassung oder Koordination in einer Hand. 2. Auch für den Auftraggeber sind vielfältige nicht-technische Fragen mit einem Projekt verbunden. Es bietet sich, je nach Charakter des Projekts, an, die kommerziellen und vertraglichen Aspekte für das Projekt in einer Hand zusammenzuführen (Commercial Project Manager, CPMgr) 3. So wie der Auftragnehmer technische Projektlösungen über die Kalkulation wirtschaftlich bewertet, ist auch beim Auftraggeber eine wirtschaftliche Bewertung der Projektanforderungen notwendig. Dies hat der CPMgr zu leisten. 4. Jedes laufende Projekt bringt immer wieder Fragen, Alternativen, Änderungen und oft auch unerwartete Störungen mit sich. Auf der Auftragnehmer-Seite ist hierfür der PM (und ggfs. der CPMgr) zuständig. Es geht sowohl um sachgerechte und wirtschaftliche wie auch rasche Lösungen, um den Fortgang des Projekts nicht zu behindern. Da viele Projektstörungen auch auf den Auftraggeber durchschlagen, ist es, im Interesse einer zügigen Fortführung des Projekts, ebenfalls hilfreich, wenn hier ein PM (und ggfs. ein CPMgr) des Auftraggebers rasch im Sinne des Projekts handeln, geeignete Lösungen entwickeln und im Hause zügig abstimmen kann. 5. Auftraggeber und Auftragnehmer sind durch das Projekt verbunden. Die Art und Weise, wie die Verbindung von den beiden beteiligten Seiten und damit den handelnden Personen gelebt wird, bestimmt in nicht geringem Maß den Erfolg des Projekts. Es ist daher zu empfehlen, dem PM und CPMgr beim Auftragnehmer entsprechende Partner auf der Auftraggeber-Seite gegenüberzustellen, die auch dauerhaft für das Projekt verantwortlich sind. Ein häufiger Wechsel der Ansprechpartner erweist sich meist als schädlich für das Projekt. Fachgruppe CPM Commercial Projektmanagement muss sich auch in Deutschland weiter etablieren. Dazu hat die GPM 2019 eine Fachgruppe CPM gegründet. Diese beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung des Themas Commercial Project Management. Die pm_04_2022.indb 28 pm_04_2022.indb 28 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 Wissen | Commercial Projektmanagement (CPM) aus Auftraggeber-Sicht 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0070 Mitglieder kommen aus der deutschen Industrie und Wirtschaft. Die Aufgaben umfassen: • Forschung und Entwicklung zum Thema CPM • Bearbeitung von Fachartikeln und Fachempfehlungen • Erfahrungsaustausch und Durchführung von Fachtagungen • Weiterbildung und Zertifizierung • Kommunikation und Marketing von CPM im deutschsprachigen Raum. Entwickelt wurde zwischenzeitlich bereits das Fachbuch „Commercial Project Management, erschienen im VDMA Verlag (2017) sowie die „Standards“ für CPM, erschienen bei der GPM (2020). Außerdem wurde von den Mitgliedern der Fachgruppe CPM zusammen mit der GPM, der PM ZERT sowie der Hochschule FOM ein Online-Zertifikatslehrgang für Berufstätige entwickelt, der im August 2022 Premiere hatte (www.fom. de / commercial-project-manager). An der Entwicklung waren vor allem Experten aus der einschlägigen Wirtschaft mit ihren Praxisbeiträgen beteiligt. Die Zertifikate qualifizieren die Teilnehmer u. a. für folgende Aufgaben: • kaufmännische Projektsteuerung • Auftragsbearbeitung und Auftragsabwicklung eines Projekts unter Berücksichtigung optimaler Kosten • Kalkulation von Projekten • Planung / Terminierung der Projektabläufe • Analysieren und Bewerten der Chancen und Risiken eines Projekts • Controlling und Reporting von Projekten • Vertragsabwicklungen Die Fachgruppe steht allen Interessenten, die aktiv etwas zur Weiterentwicklung des CPM beitragen können und wollen, offen (https: / / www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen / themenfokussierende_fachgruppen / commercial_project_management.html). Literatur Commercial Project Management: Die kaufmännische Seite im Projekt Oliver Steeger, PM-aktuell Heft 5 / 2019, S. 51-55 Commercial Project Managementterra incognita Hasso Reschke, Gregor Oleniczak, Lorenz Schneider PM-aktuell Heft 1 / 2018 S. 65-69 Die Rolle des Projektauftraggebers für den Projekterfolg Reinhard Wagner et al. PM-aktuell Heft 2 / 2017 S. 35-42 Commercial Project Management H. Reschke, L. Schneider, G. Oleniczak (Hrsg.) VDMA-Verlag Frankfurt, 2017 ISBN: 978-3-8163-0716-7 Standard für Commercial Project Management Ein Ergebnis der GPM-Fachgruppe CPM Roland Fleissig, Hasso Reschke ISBN 978-3-924 841-81-2 (E-Book) (Erhältlich über GPM) Eingangsabbildung: © iStock.com / Meindert van der Haven Nutzen und Vorteilhaftigkeit von Commercial Project Management: • Erfordernis von CPM aufgrund zunehmender Komplexität der Projekte und damit in der Aufgabenstellung • Ressourcenengpass / Fachkräftemangel (immer weniger MA bearbeiten zunehmend mehrere Projekte) • Generationswechsel und Chance für die Wirtschaft und Industrie • Die kaufmännische Kompetenz gibt dem Management die Sicherheit, dass bei Projektentwicklungen nicht nur die technischen Aspekte berücksichtigt werden- - die Wirtschaftlichkeit eines Projekts wird im Frühstadium kritisch beurteilt. • Der kaufmännische Projektpartner sorgt für eine qualifizierte und vollständige kaufmännische Abwicklung des Projektes- - rechtzeitige Bearbeitung nicht-technischer Belange (z. B.: Initiierung Change-Requests, Vorbereitung der Genehmigung) • Der technische Projektleiter kann sich ganz auf die technischen Aufgaben im Projekt konzentrieren. • Mit Commercial PM eröffnet sich die Möglichkeit, dass Projektverantwortliche im Sinne des Projekts auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Gregor Oleniczak Der gelernte Bankkaufmann und diplomierte Volkswirt ist seit vielen Jahren für die Kostensteuerung und kaufmännische Abwicklung von Infrastrukturprojekten am Frankfurter Flughafen (Flugsteig A-Plus, Passanger-Transfer System Station F, u. a.) verantwortlich. Er ist Gründungsmitglied der Fachgruppe Commercial Project Management bei der GPM und Mitherausgeber des gleichnamigen Buches „Commercial Project Management“, erschienen im VDMA Verlag. Dr. Hasso Reschke Dr. Hasso Reschke: vormals Professor für Betriebswirtschaftslehre und Projektmanagement, Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule München. Gründungsmitglied und langjähriger Vorstand der GPM Dt. Gesellschaft für Projektmanagement. Zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen. Leiter des Hochschulprogramms: Projektkaufmann (2000). Gründungsmitglied in der Fachgruppe „Commercial Project Management“ der GPM. pm_04_2022.indb 29 pm_04_2022.indb 29 02.09.2022 13: 53: 09 02.09.2022 13: 53: 09 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0071 Was sollten Projektsponsor: innen über Projektdiagnose wissen? Gero Lomnitz Für eilige Leser | In diesem Beitrag wird erläutert, was Projektdiagnose bedeutet und welchen Nutzen Projektsponsoren von einer professionellen Diagnose haben. Review ist im Unterschied zur Diagnose ein sehr bekannter Begriff im Projektmanagement. In Reviews werden u. a. mangelnde Zielerreichung, Prioritätenprobleme, Budgetüberschreitungen, Informationsprobleme und auch die Zusammenarbeit im Team ermittelt. Der wesentliche Unterschied zur Projektdiagnose besteht darin, dass in Reviews selten die dahinterliegenden Kernursachen analysiert werden. Durch eine Projektdiagnose werden Interessenkonflikte, Machtprozesse, paradoxe Entscheidungen, Wiederholungsmuster oder verlagerte Probleme gezielt ermittelt. Die Leser erfahren, worauf Projektsponsoren vom Beginn bis zum Ende der Projektdiagnose achten sollten. Im Sinne der vereinfachten Lesbarkeit wude mit Gender-Formen flexibel umgegangen. Schlagwörter | Projektdiagnose, Review, Diagnoseprozess, Systemgrenze, Rollenklärung, Datensammlung, Diagnosefelder, Psycho-Logik, Diagnosebericht 1. Ziel des Beitrags Was haben Projektsponsoren mit Projektdiagnose zu tun, warum sollten sie sich dafür interessieren? Reicht nicht ein guter Statusbericht oder ein Review aus, um sich über den Zustand des Projektes gründlich zu informieren? Selbstverständlich muss der Sponsor wissen, wie es um den Grad der Zielerreichung des Projektes steht. Dabei geht es immer um die gleichen Fragen: • Werden die Projektziele im vereinbarten Zeitraum erreicht? • Wird das Budget eingehalten? • Wie steht es um die Verfügbarkeit der Projektmitarbeiter: innen? • Welche Risiken sind aufgetreten bzw. könnten auftreten? Wenn bei der Beantwortung dieser Fragen Probleme deutlich werden, dann sollte ermittelt werden, welche tieferen Gründe hinter solchen Symptomen wie Zeit- und Budgetüberschreitungen, Gefährdung der Sachziele oder mangelnde Abstimmung im Team liegen. Und genau das kann eine fundierte Projektdiagnose leisten. Sie erfahren, was Projektdiagnose bedeutet und welchen Nutzen Sponsor: innen von einer professionell durchgeführten Diagnose haben. Entscheidungsträger benötigen im Gegensatz zum Diagnostiker kein Detailwissen über Projektdiagnose, doch Antworten auf folgende Fragen bieten ihnen Chancen, qualifizierte Projektdiagnosen zu beauftragen und letztlich die Ergebnisse zu nutzen. In meinen Beitrag gehe ich auf folgende Fragen ein: • Was bedeutet Projektdiagnose und was unterscheidet sie vom Review? • Wann ist eine Diagnose sinnvoll? • Worauf muss bei der Auftragsklärung für eine Projektdiagnose geachtet werden? • Welche Aufgaben und Verantwortung hat der Auftraggeber einer Diagnose? • Was muss die Auftraggeberin über die Datensammlung und Datenaufbereitung wissen? • Welche Bedeutung haben Methoden der Datenerhebung für die Diagnose? • Wodurch zeichnet sich ein guter Diagnosebericht aus? Auf Grundlage meiner langjährigen Erfahrung als Projektdiagnostiker möchte ich einige Antworten auf die Fragen geben. Mein Beitrag richtet sich vor allem an Projektsponsoren: innen. Nun bin ich mir nicht sicher, ob viele Sponsoren: innen sich für dieses bisher weitgehend unbekannte Thema interpm_04_2022.indb 30 pm_04_2022.indb 30 02.09.2022 13: 53: 10 02.09.2022 13: 53: 10 Wissen | Was sollten Projektsponsoren: innen über Projektdiagnose wissen? 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0071 essieren. Deshalb richtet sich mein Beitrag auch an Projektmanager oder Portfolio Manager, möglicherweise finden sie Anregungen, um mit Entscheidungsträgern über den Nutzen von Projektdiagnosen zu reden. In der Regel sind Projektsponsoren auch Auftraggeber der Projektdiagnose. Um Irritation zu vermeiden, benutze ich den Begriff Sponsor stets im Sinne Projektsponsor. Auftraggeber verwende ich im Sinne von Auftraggeber von Projektdiagnosen. In vielen Fällen ist der Projektsponsor gleichzeitig Auftraggeber der Untersuchung. Als Sponsor ist er notwendigerweise Teil der Untersuchung. Mein Beitrag basiert auf meinem Buch „Projektdiagnoseauch hinter die Kulissen des Projektes schauen“ [1], wobei es einen wesentlichen Unterschied gibt. In Abgrenzung zum Buch liegt der Fokus dieses Beitrags auf der Rolle der Auftraggeber von Diagnosen. Deshalb gehe ich nicht auf das Handwerk der Diagnose, auf Methoden und Regeln und weitere wichtige Themen ein. Projektdiagnostiker: innen müssen sich selbstverständlich mit Grundlagen, Modellen und Methoden der Projektdiagnose beschäftigen, um diese interessante und verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen. 2. Was versteht man unter Projektdiagnose und wie unterscheidet sich Diagnose vom Review? Im Unterschied zur Projektdiagnose ist Review ein geläufiger Begriff im Projektmanagement. Zum Abschluss einer Phase oder zum Projektende werden Reviews durchgeführt, um die erreichten Ergebnisse und den Projektverlauf zu untersuchen, damit Lernprozesse für die weitere Projektarbeit nachhaltig erreicht werden. Zum einen geht es um den Grad der Zielerreichung, neben den inhaltlichen Ergebnissen wird auch die zeitliche, finanzielle und personelle Situation des Projektes analysiert. Zum anderen werden die PM-Prozesse, die Einhaltung der PM-Standards, die Nutzung der Tools oder die angewandten Planungsmethoden untersucht. Häufig ist auch die Zusammenarbeit im Projektteam oder der Informationsfluss im Projekt Bestandteil von Reviews. Hier gibt es klare Überschneidungen zur Diagnose, denn auch Projektdiagnostiker: innen analysieren Rollen, Prozesse, Regeln und die angewandten Methoden sowie die Zusammenarbeit Projekt. Wie unterscheidet sich dann Projektdiagnose von Review? • Im Gegensatz zum Review werden bei einer Projektdiagnose keine technischen, inhaltlichen Probleme untersucht. Mit anderen Worten, in der Diagnose werden nicht die Qualität einer Softwarelösung oder die Ursachen technischer Probleme im Rahmen einer Produktentwicklung ermittelt. Wenn es „nur“ um die Untersuchung der fachlichen Probleme oder um die Einhaltung des Projektmanagement-Prozesses im Unternehmen geht, sollte man von Review und nicht von Projektdiagnose sprechen. • In Reviews werden mangelnde Zielerreichung, Prioritätenprobleme, Zeit-, Budgetüberschreitungen, Informationsprobleme oder Probleme mit Lieferanten ermittelt. Unbestritten, diese Themen sind außerordentlich wichtig. Der entscheidende Unterschied zur Projektdiagnose besteht darin, dass in Reviews selten die Kernursachen ermittelt werden, die hinter den Symptomen wie unklare Prioritäten, Terminprobleme oder schlechter Informationsfluss lie- Leitung mit „Lissy“ jederzeit auf dem Laufenden Man wird ja mal träumen dürfen: Wäre es nicht schön, wenn es eine Software gäbe, die es Ihnen als Projekt- und Geschäftsleitung ermöglicht, sich mit ein paar Mausklicks selbst einen Überblick über Trends von wichtigen Unternehmenskennziffern zu verschaffen? Wenn Sie sich nicht erst im Firmenmeeting berichten lassen müssten, an welcher Stelle im Unternehmen es gerade hakt? Wenn Sie sich zu jeder Zeit auf dem Dashboard anschauen könnten, wie sich der Projektfortschritt, aber auch Auftragslage und Reklamationen entwickeln - und zwar in Echtzeit? Deshalb haben wir mit dem Leitungsinformationssystem „Lissy“ eine agile Software-Lösung entwickelt, die Sie jederzeit über Ihre Firma ins Bild setzt und über den Stand Ihrer Projekte informiert. Sie vergleicht u.a. beliebige Planungs-, Produktions- und Vertriebsangaben mit den Daten aus den Vorjahren und wirft die Abweichungen aus, stellt Soll- und Ist-Größen einander gegenüber und gibt Maximum- und Minimum-Werte aus dem gesamten Zeitraum an. Das können andere IT-Lösungen auch, sagen Sie? Stimmt. Doch unsere Software liefert schnell und unkompliziert genau die Infos, die Sie gerade benötigen, damit Sie in jeder Situation angemessen reagieren können. „Lissy“ als flexibles Werkzeug kann beliebige Kennziffern aus verschiedensten Insellösungen automatisch zusammenführen. Und Sie bestimmen selbst, welche Kennziffern Sie angezeigt haben möchten - immer wieder neu und ohne einen IT-Spezialisten zu bemühen. Denn das dauert und kostet, und die Anforderungen ändern sich rasch. Programmierkenntnisse sind nicht nötig. www.stella-systemhaus.de Anzeige pm_04_2022.indb 31 pm_04_2022.indb 31 02.09.2022 13: 53: 10 02.09.2022 13: 53: 10 Wissen | Was sollten Projektsponsoren: innen über Projektdiagnose wissen? 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0071 gen. Meist werden vertiefende, hintergründige Fragen zu unklaren Zuständigkeiten, schleppenden Entscheidungsprozessen, Interessenkonflikten oder Machtprozessen nicht be- und durchleuchtet, sei es, dass es nicht gewollt ist, diese Themen ausgeblendet werden oder der Reviewer sich nicht traut. Das macht den Unterschied zwischen Review und Projektdiagnose aus, denn durch die Diagnose werden Interessenkonflikte, Machtprozesse, paradoxe Entscheidungen, Wiederholungsmuster oder verlagerte Probleme gezielt ermittelt und analysiert. Doch allein mit der Auflistung der Probleme oder Konflikte ist es nicht getan, sondern durch eine profunde Diagnose wird deutlich, wie und warum bekannte, manchmal schon längst bekannte Probleme nicht gelöst werden. Auch der Umgang mit Problemen ist demnach Bestandteil der Diagnose, d. h., Diagnostiker müssen sich auch mit den Mustern der Konfliktstabilisierung beschäftigen. Bei der Projektdiagnose geht es immer um die Logik und die Psycho-Logik der Probleme. 2.1 Anlässe für Projektdiagnose Im Wesentlichen gibt es zwei Anlässe für Diagnosen. 1. Wenn sich das Projekt in einer Schieflage befindet und anzunehmen ist, dass die Ursachen nicht rein sachlicher, technischer Natur sind, sondern durch unklare Rollen, mangelnde Zusammenarbeit, Entscheidungsprobleme, Konflikte oder politische Einflüsse verursacht werden. 2. Projektdiagnosen werden für besonders kritische Projekte durchgeführt. Dabei kann es sich beispielsweise um ein wichtiges Kundenprojekt oder um ein Folgeprojekt eines gescheiterten Projektes handeln. 2.2 Überblick über den Diagnoseprozess Die Projektdiagnose kann abhängig vom Detaillierungsgrad in fünf Phasen unterteilt werden. Beginnend mit der Auftragsklärung geht es über die Datensammlung und -aufbereitung bis zur Ergebnispräsentation. Hier endet die Projektdiagnose, denn Entscheidungen über Folgemaßnahmen gehören nicht mehr zur Diagnose. Die Verantwortung der Diagnostizierenden endet also mit der Präsentation und sie geht dann auf den Projektsponsor über. Über diesen Rollenwechsel müssen sich Projektsponsoren und Diagnostiker bewusst sein. Fünf Phasen des Diagnoseprozesses Phase 1 . Auftragsklärung inklusive Initiierungsphase Relevante Punkte für die Diagnose klären. Kontext der Diagnose verstehen. 2. Datensammlung Mit geeigneten Methoden die Situation des Projektes ermitteln. 3. Datenanalyse Ergebnisse der Datensammlung zu einem sinnvollen Gesamtbild ausarbeiten und bewerten. 4. Bericht ausarbeiten Ergebnisse mit konkreten Empfehlungen klar formulieren. 5. Präsentation Ergebnisse offen, ungeschönt präsentieren. 3. Auftragsklärung im Rahmen der Diagnose Die Bedeutung eines klaren Projektauftrags wird sowohl in der Praxis als auch in der Projektmanagementlehre zurecht betont. Das gilt auch für die Projektdiagnose. Alle Beteiligten müssen das gleiche Verständnis haben, was durch die Diagnose erreicht werden soll und wie es zu erreichen ist. Das sind die beiden Kernpunkte der Auftragsklärung, die Auftraggeber der Diagnose stets beachten müssen. Folgende Punkte müssen geklärt werden, um eine solide Basis für die Projektdiagnose zu schaffen: • Ziele der Diagnose mit der inhaltlichen Abgrenzung klären • Systemgrenze für die Diagnose festlegen • Rollen im Diagnoseprozess vereinbaren • Vorgehensweise klären • Abstimmungsprozesse für die Diagnose vereinbaren • Rechtliche Rahmenbedingungen klären • Organisatorische Punkte festlegen • Zeitplan für die Diagnose bestimmen • Aufwandschätzung, Kosten klären Ich gehe hier nur kurz auf die große Bedeutung der Systemgrenze und die Rollen im Diagnoseprozess ein, zwei Themen, die für die Auftragsklärung besonders wichtig sind; was nicht bedeutet, dass die anderen Punkte zu vernachlässigen sind. In meinem Buch „Projektdiagnose, auch hinter die Kulissen des Projektes schauen“ [2] werden alle Punkte erläutert. 3.1 Die Systemgrenze für die Projektdiagnose bestimmen Durch eine sinnvolle Festlegung der Systemgrenze wird die organisatorische Reichweite der Projektdiagnose bestimmt. Was ist damit gemeint? Fälschlicherweise wird häufig Projekt mit Projektteam gleichgesetzt. Unbestritten, das Team ist ein zentrales, wenn nicht das zentrale Subsystem des Projektes, aber es ist nicht identisch mit dem Projekt. Auch die Projektsponsorin, das Steering Committee, Linienmanager und weitere Stakeholder gehören zum Projekt. Durch die Bestimmung der Systemgrenze wird erst klar, wer befragt wird und welche Fragen sich daraus ergeben. Im Rahmen der Auftragsklärung und manchmal noch im weiteren Projektverlauf muss überlegt werden, welche internen und ggf. externen Personen befragt werden müssen, um ein aussagekräftiges Bild über die Situation des Projektes zu erhalten? Sollen beispielsweise die Mitglieder des Steering Committee, die Portfoliomanagerin und Vorgesetzte von Teammitgliedern befragt werden? Soll die Meinung des Lieferanten zur Zusammenarbeit ermittelt werden? Auftraggeber: innen einer Diagnose müssen sich vergewissern, ob die Diagnostizierenden das gleiche Verständnis über die Systemgrenze haben. Auftraggeber können erwarten, dass Diagnostiker in der Lage sind, sie bei der Bestimmung der Systemgrenze fundiert zu beraten. Man sollte sich für diese Aufgabe genügend Zeit nehmen, Nachlässigkeit hat hier keinen Platz. 3.2 Rollen verbindlich klären Wie in Projekten müssen auch für die Projektdiagnose Aufgaben und Verantwortungen vereinbart werden. Hier eine Übersicht über die zu klärenden Rollen: • Aufgaben und Verantwortung des Auftraggebers der Diagnose pm_04_2022.indb 32 pm_04_2022.indb 32 02.09.2022 13: 53: 10 02.09.2022 13: 53: 10 Wissen | Was sollten Projektsponsoren: innen über Projektdiagnose wissen? 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0071 • Rollen anderer Entscheidungsträger: innen wie Projektsponsor, Mitglieder des Steering Committee oder Project Portfolio Manager. Auch die Rolle der Personalvertretung muss geklärt werden, denn Befragungen sind oft mitbestimmungspflichtig. • Aufgaben, Verantwortung der Diagnostiker • Wer soll bei der Vorbereitung mitwirken? Das kann sich auf die Auswahl der Fragen und auf methodische Themen beziehen. • Wer soll wann befragt werden? Die Reihenfolge der Interviews kann die Datensammlung beeinflussen. • Wer wird wann und wie über die Ergebnisse der Diagnose informiert? • Wer ist verantwortlich für Entscheidungen und Folgemaßnahmen, die sich aus der Diagnose ergeben? Im Folgenden gehe ich auf die Aufgaben und Verantwortung der Auftraggeber einer Diagnose ein. • Der Auftraggeber der Projektdiagnose entscheidet über die Auswahl der Diagnostiker: innen. • Projektsponsoren müssen selbstverständlich befragt werden, denn sie sind nicht selten Teil des Problems, weil sie z.B. keine klaren Entscheidungen treffen oder sich zu wenig Zeit für ihre Aufgaben nehmen. Diesen Rollenkonflikt müssen sie sich bewusst machen. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihr Verhalten ggf. im Datenfeedback präsentiert wird. • Die Auftraggeber: innen einer Diagnose müssen alle Beteiligten über den Hintergrund und die Ziele der Diagnose informieren. • Die Projektdiagnose endet mit der Präsentation der Ergebnisse. Dann übernimmt der Auftraggeber der Diagnose die Verantwortung. Diagnostiker: innen sind nicht für die Entscheidung über mögliche Maßnahmen zuständig. Dieser Rollenwechsel muss bei der Auftragsklärung besprochen werden. 4. Datensammlung Um Diagnosen professionell durchzuführen, empfiehlt es sich, zwischen den klassischen Diagnosefeldern, die teilweise auch Bestandteil von Reviews sind und den Fragen aus dem Bereich der Psycho-Logik zu unterscheiden. Alle Beteiligten sollten wissen, dass beide Diagnosefelder zur Projektdiagnose gehören. 4.1 Klassische Diagnosefelder Die Aufzählung beinhaltet wichtige Diagnosefelder (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Immer handelt es sich dabei um Hard- und Softfacts. Die Diagnostiker empfehlen die Themen, die Auftraggeber der Diagnose prüfen, ob die Auswahl ihren Vorstellungen entspricht. • Ziele, Scope und Priorität des Projektes • Vorgeschichte, Kontext des Projektes • Projektorganisation, Rollen und Eskalationsprozess • Projektleitung (Know-how, zeitliche Verfügbarkeit, Standing der Projektleitung) • Projektteam (Zusammensetzung, Verfügbarkeit, Erfahrung, Entscheidungskompetenzen, Zusammenarbeit, Konflikte etc.) • Steering Committe (Zusammensetzung, Arbeitsweise) • Weitere interne und externe Stakeholder des Projektes • Vorgehensweise im Projekt • Projektplanung (Methode, Dokumentation) • Abhängigkeiten zwischen Teilprojekten bzw. Arbeitspaketen • Risiken • Moving Targets • Projektstatus, Meilensteine, Budget (Soll-Ist und Trend) • Dokumentation und verwendete Tools • Kommunikation und Information im Projekt • Akzeptanz des Projektes im Unternehmen 4.2 Hinter die Kulissen des Projektes schauen Diagnosefelder aus dem Bereich der Psycho-Logik Allein die bloßen Feststellungen, „notwendige Entscheidungen im Steering Committee werden immer wieder hinausgeschoben“ oder „schlechter Informationsfluss im Team“ beschreiben Symptome, liefern jedoch keine Ursachenanalyse. Diagnose hat den Anspruch, die dahinterliegenden Ursachen mit der notwendigen Tiefe zu erklären. Haben die Mitglieder Abb: Systemgrenze eines Projektes pm_04_2022.indb 33 pm_04_2022.indb 33 02.09.2022 13: 53: 10 02.09.2022 13: 53: 10 Wissen | Was sollten Projektsponsoren: innen über Projektdiagnose wissen? 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0071 des Steering Committees die Notwendigkeit jetzt zu entscheiden nicht erkannt? Blockieren Interessenkonflikte zwischen Organisationseinheiten den Entscheidungsprozess? Welche Bedeutung hat das Steering Committee im Unternehmen? Auf solche Fragen müssen Antworten gefunden werden, um die Kernprobleme zu verstehen und nachhaltige Lösungen zu finden. Entscheidungsträger sollten verstehen und akzeptieren, dass Problemerkennung eine notwendige Voraussetzung jeder Diagnose ist, doch Probleme können häufig erst dann gelöst werden, wenn die Beteiligten auch den Umgang (ihren Umgang) mit den Problemen begreifen. Ausgewählte Diagnosefelder zur Psycho-Logik Die Analyse der Psycho-Logik des Projekts ist ein weites Feld. Es würde den Rahmen des Beitrags deutlich sprengen, auf alle Aspekte einzugehen. Ich beschränke ich mich auf die Themen „Widersprüche“, „Wiederholungsmuster“ und „Problemverlagerungen“, denn diese Phänomene treten in Projekten immer wieder auf. 1. Widersprüche, Paradoxien Widersprüche, paradoxe Entscheidungen oder Anweisungen treten in Projekten häufiger auf als auf den ersten Blick vermutet: • Das Projekt hat höchste Priorität, doch Projektmitarbeiter: innen stehen nur unzureichend zur Verfügung. • Stichwort Empowerment: Das Projektteam soll möglichst selbstständig entscheiden. Doch selbst bei einfacheren Entscheidungen greifen Führungskräfte oder Projektsponsoren in den Entscheidungsprozess ein, sei es aus mangelndem Vertrauen oder aus Furcht, Einfluss zu verlieren. Projektdiagnose muss strukturell und personell bedingte Widersprüche und die damit verbundenen Konsequenzen für die Projektarbeit aufzeigen. 2. Wiederholungsmuster In Interviews wird betont, dass die Probleme im Projektteam längst bekannt sind und immer wieder darüber diskutiert wird, aber sie werden nicht gelöst. Diagnostisch interessant ist die Frage, wie oft über die Probleme bereits gesprochen worden ist und mit welchem Resultat. Wenn mehrmals erfolglos eskaliert wurde oder Diskussionen im Team sich ständig im Kreis drehen, dann gehören solche Wiederholungsmuster unbedingt in den Diagnosebericht. Die Projektleitung, das Team oder Entscheidungsträger müssen sich mit diesem Phänomen kritisch auseinandersetzen. So müssen beispielsweise folgende Fragen beantwortet werden: • Seit wann besteht das Problem im Team? • Was wurde bisher unternommen, um das Problem zu lösen? • Was hindert das Team daran, das Problem zu lösen? • Kann das Problem im Team überhaupt gelöst werden? 3. Problemverlagerungen in Projekten Organisationen sind Druckweitergabe-Systeme. Das bedeutet, Druck wird von einem Subsystem (z. B. Steering Committee) auf ein anderes (z. B. Projektteam) verlagert. Das geschieht höchst selten aus böser Absicht, sondern in der Regel wird es verursacht durch Komplexität, Zeitdruck, mangelnde Kenntnisse bei Entscheidern, unklare Entscheidungsprozesse oder Interessenkonflikte. Subsysteme können Entscheidungsträger: innen (Personen und Gremien), Kunden oder Lieferanten sein. Interessenkonflikte im Management-Board oder Kompetenzgerangel zwischen Organisationseinheiten werden dort nicht geklärt und so werden die Probleme in das Projektteam verschoben. Durch die Macht eines Lieferanten können dessen interne Probleme auf das Projektteam des Kunden verlagert werden. Oft wird die Problemverlagerung zum Zeitpunkt einer Entscheidung nicht erkannt und in vielen Fällen zeigen sich die Auswirkunen der Verlagerung erst später, man spricht dann von Fern- und Nebenwirkungen. Wer ein Projekt diagnostizieren will, muss auf jeden Fall Problemverlagerungsprozesse auf seinen Radarschirm haben. Dieser systemische Blick gehört zur Kernkompetenz der Diagnostiker: innen. 4.3 Methoden der Datensammlung Die richtigen Fragen zu stellen ist eine Sache, eine andere, die Fragen richtig zu stellen. Das bedeutet, die Methodenauswahl und das handwerkliche Können richtig zu fragen, darf für die Datensammlung nie unterschätzt werden. Für diese Themen sind die Diagnostiker zuständig. Aber der Auftraggeber einer Projektdiagnosen sollte das Thema nicht ganz außer Acht lassen. Sollen die Meinungen mit Hilfe eines Fragebogens ermittelt werden? Sind neben Einzelinterviews oder auch Gruppeninterviews sinnvoll? Lohnt sich ein Diagnose-Workshop mit dem Kernteam oder dem Steering Committee? Es gibt nicht den einzig wahren Weg für die Datensammlung, sondern der Einsatz der Methoden muss von Fall zu Fall überlegt werden. Doch eines ist gewiss, Interviews sind für die Datensammlung unverzichtbar und durch Fragenbögen nicht zu ersetzen. Die Auftraggeber sollten sich das methodische Vorgehen von den Diagnostiker: innen erklären lassen und darauf achten, inwieweit diese sich mit diesem Thema auskennen. Wichtige Punkte zur Datensammlung Informationen über das Projekt werden auf unterschiedliche Weise ermittelt, das Spektrum reicht von der Dokumentenanalyse, über Interviews, Fragebogen bis zu Workshops. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden werden in diesem Beitrag nicht beschrieben, stattdessen möchte ich auf einige generelle Themen zur Datensammlung kurz eingehen, die auch für die Auftraggeber einer Diagnose interessant sind. • Stärken und Schwächen ermitteln Selbstverständlich müssen Probleme ermittelt werden, deshalb wird normalerweise eine Diagnose durchgeführt. Dennoch sollte auch nach den Stärken in der Projektarbeit gefragt werden. Wenn man nur das Schlechte sieht, kommt man schnell zu einem einseitigen Bild und zu falschen Empfehlungen. • Konsens und Unterschiede festhalten Es ist normal, dass sich in einer Diagnose Konsens und Dissens zeigen, die Beteiligten verschiedene Sichtweisen über die Stärken und Schwächen der Projektarbeit äußern oder Probleme sehr unterschiedlich beschreiben und bewerten. Einige sind mit dem Informationsfluss zufrieden, andere meinen, die Informationen könnten reduziert werden und Dritte fühlen sich schlecht informiert. Entscheidend ist, dass im Rahmen der Diagnose Konsens und Dissens erkannt, analysiert und aufgezeigt werden. Jeder pm_04_2022.indb 34 pm_04_2022.indb 34 02.09.2022 13: 53: 11 02.09.2022 13: 53: 11 Wissen | Was sollten Projektsponsoren: innen über Projektdiagnose wissen? 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0071 Diagnosebericht muss den Konsens und die Unterschiede zu den einzelnen Diagnosefeldern unbedingt aufzeigen. • Hierarchische Einflüsse möglichst vermeiden Projektdiagnosen können durch mehr oder minder subtilen Druck von Führungskräften, durch direkte und indirekte Einflussnahme auf die Datensammlung oder den Bericht in eine gewünschte Richtung gelenkt werden, die der Diagnose nicht unbedingt förderlich ist. Professionelle Diagnostiker: innen sollten negativen Einflüssen souverän begegnen und den Auftraggeber auffordern, einzugreifen, wenn der Druck zu stark wird. • Oberflächlich versus zu detailliert Wer zu oberflächlich fragt, wird keine substanziellen Informationen erhalten. Wer nach Schema F einem Fragenkatalog folgt, wird keine fundierten Erkenntnisse gewinnen. Andererseits darf man sich nicht zu tief in Details verlieren. Interviewer: innen sollten prüfen, ob Fragen, die allzu sehr in die Tiefe führen, noch einen angemessenen Beitrag für die Analyse liefern oder über das Ziel hinausschießen. Die gewonnenen Daten müssen schließlich verwertbar sein. Diagnose erfordert, in Befragungen eine gute Balance zwischen Breite und Tiefe zu finden, was nicht immer einfach ist. 5. Datenaufbereitung und Diagnose-Bericht Diagnose ist ein Informationsverarbeitungsprozess. Das erfordert, dass die vielen Aussagen aus den Befragungen sinnvoll thematisch geordnet (clustern) und gründlich analysiert werden, denn nur so lassen sich die Informationen bewerten und Empfehlungen ausarbeiten. Es stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Daten geordnet werden können, um die Stärken und Schwächen des Projektes im Systemzusammenhang zu verstehen. Strukturelle und personelle, fachliche und politische Ursachen müssen verstanden werden, um sinnvolle Zusammenhänge herzustellen. Damit sind hohe Anforderungen an Diagnostiker: innen verbunden, dessen müssen sich alle Beteiligten bewusst sein. Diagnosebericht Ein aussagekräftiger Diagnosebericht bildet die Basis für Entscheidungen. Noch so gut geführte Interviews nutzen nichts, wenn der Bericht schlecht ausgearbeitet wird. Der Umfang des Berichtes hängt von der Anzahl der Fragen und der Interviewten ab. Außerdem hängt er von den Vorgaben der Auftraggeber: innen ab. Manche fordern einen detaillierten Bericht, andere möchten nur eine Kurzfassung mit den wesentlichen Erkenntnissen und Empfehlungen. Bereits in der Auftragsklärung sollte über den Umfang des Berichtes gesprochen werden. Zu empfehlen ist ein ausführlicher Bericht und eine Management Summary. Kriterien eines guten Diagnoseberichtes • Die Aussagen dürfen nicht verfälscht wiedergegeben werden, d. h., verwässernde Verallgemeinerungen oder Streichung von Aussagen sind nicht akzeptabel. • Die Aussagen müssen verständlich sein. Unklare Aussagen führen zu Interpretationen und niemandem ist damit geholfen, wenn diverse Interpretationsmöglichkeiten im Raum herumschwirren. • Gute Formulierungen und die richtige Wortwahl sind wichtig. Inhalte und Sprache des Berichtes sollten zum Lesen animieren. Zu oft werden die üblichen Schlagworte wie „Synergieeffekte fehlen“ oder „Komplexität reduzieren“ verwandt, statt in einer lebendigen, begreifbaren Sprache zu schreiben und die Empfehlungen zu konkretisieren. Nicht alle Diagnostiker können gute Berichte schreiben, deshalb sollten Auftraggeber ihre Erwartungen bezüglich des Berichtes bereits in der Auftragsklärung mitteilen. • Die Reihenfolge der Cluster sollte mit Bedacht ausgewählt werden. Zum einen müssen thematische Verknüpfungen beachtet werden und zum anderen spielt die Dramaturgie des Berichtes eine Rolle. Diagnostiker sollten sich genau überlegen, welches Thema wann im Bericht erscheint. • Zum Diagnosebericht gehören auf jeden Fall konkrete Empfehlungen und falls erforderlich auch Kommentare zu einzelnen Themen. So ist es beispielsweise für die Adressaten interessant, zu erfahren, wie häufig ein Problem genannt wurde. • Mit der Präsentation der Ergebnisse endet die Diagnose. Für Entscheidungen über mögliche Maßnahmen sind in der Regel die Projektsponsor: innen verantwortlich, auf keinen Fall die Projektdiagnostiker. [1] Gero Lomnitz, Projektdiagnose, auch hinter die Kulissen des Projektes schauen, UVK Verlag, München 2021. [2] Gero Lomnitz, Projektdiagnose, auch hinter die Kulissen des Projektes schauen, UVK Verlag, München 2021, S. 33-58 [3] Ebenda, S. 42 Eingangsabbildung: © iStock.com / z_wei Gero Lomnitz Gero Lomnitz arbeitet seit vielen Jahren als Berater, Trainer und Coach für namhafte Unternehmen und Non-Profit Organisationen im In- und Ausland. Er hat zahlreiche Beiträge über Projektmanagement veröffentlicht und Lehraufträge an verschiedenen Universitäten wahrgenommen. Zuletzt ist sein drittes Buch „Projektdiagnose- - auch hinter die Kulissen des Projektes schauen“ erschienen. pm_04_2022.indb 35 pm_04_2022.indb 35 02.09.2022 13: 53: 11 02.09.2022 13: 53: 11 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0072 Führungskräfte-Workshops der Fachgruppe „PM goes Boardroom” Projekt Governance erfolgreich gestalten-- Austausch unter Insidern Dorothee Feldmüller Für eilige Leser | Austausch über erfolgreiche Projekt Governance unter Führungskräften, die diese gestalten-- dazu hat die Fachgruppe zwei Workshop-Serien ins Leben gerufen, in denen sich Verantwortliche für große Investitionsprojekte einerseits und für interne IT-Projekte andererseits regelmäßig treffen. Daraus hat sich zum Beispiel eine Sammlung von Dos und Dont‘s in der Steuerungsarbeit entwickelt und ein Modell für die erfolgreiche Steuerungsarbeit. Abgesehen von Regeln zur Governance sehen beide Gruppen die weichen Faktoren auf der Führungsebene als wichtig an- - ein Thema, das mehr Beachtung verdient. Unterschätzte Risiken oder überschätzte Business Cases sind Probleme, die nicht allein durch Regeln, sondern insbesondere durch einen ehrlichen und offenen Umgang damit zumindest verkleinert werden können. Schlagwörter | Projektauftraggeber, Projektmanagement, Projekt-Portfoliomanagement, Lenkungsausschuss, Projekt Management Office, Senior Management, Unternehmensführung, General Management, Projekt Governance Gut gestaltete und durch die Führungskräfte gelebte Projekt Governance ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Projekte. Die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ veranstaltet regelmäßig Austausch unter Führungskräften im vertraulichen Rahmen zu den damit verbundenen Fragestellungen. Welches sind Themen, die in den beiden Workshop-Gruppen zur Sprache kommen, welche Empfehlungen gibt es aus dem Kreis des Senior Management? Workshops mit Führungskräften-- Idee und Zielsetzung Die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ der drei deutschsprachigen Projektmanagement-Gesellschaften GPM, pma und spm befasst sich seit 2014 mit dem Erfolgsbeitrag für die Projektarbeit durch das Senior Management. Über die Arbeit der Fachgruppe wurde bereits mehrfach in dieser Zeitschrift berichtet ([1], [2], [3]). Zielsetzung der Fachgruppe ist eine Verbesserung der Arbeit der typischen Projektsteuerungsgremien wie Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss, sowie eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Projektmanagement und diesen Steuerungsgremien im Sinne einer erfolgreichen Projektarbeit. Diese Zielsetzung beinhaltet die Aufgabe, Wissen und Erfahrungen zum Erfolgsbeitrag des Senior Management bei der Projektarbeit auch außerhalb der PM Community bekannt zu machen. Das Teilen und Reflektieren der Ergebnisse der Fachgruppenarbeit, insbesondere aber auch ein Erfahrungsaustausch mit und unter Führungskräften wird die Zusammenarbeit zwischen Senior Management und Projektmitwirkenden verbessern, so die Idee. Dafür hat die Fachgruppe ein Workshop-Angebot erarbeitet, und Führungskräfte dazu eingeladen. Um in einem interaktiven Workshop einen vertraulichen und zielführenden Austausch zu ermöglichen, wurde der Teilnehmerkreis klein gehalten und vom Organisationsteam anhand selbst gewählter Kriterien „von Hand verlesen“. Dabei erschien in der Fachgruppe als ein wichtiges Kriterium für die Teilnehmerauswahl, dass die Teilnehmenden vergleichbare Funktionen bzw. Positionen haben mit ähnlichen Interessenslagen. Wichtige Rahmenbedingung ist weiterhin, dass die Kontaktdaten vertraulich behandelt werden, ebenso wie alle beim Workshop ausgetauschten Informationen vertraulich pm_04_2022.indb 36 pm_04_2022.indb 36 02.09.2022 13: 53: 12 02.09.2022 13: 53: 12 Wissen | Projekt Governance erfolgreich gestalten-- Austausch unter Insidern 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0072 behandelt werden müssen, dafür ist unter den Teilnehmenden ein gemeinsames Verständnis zu Beginn des Workshops herzustellen. Nach längerer Vorbereitung mit Unterstützung auch der Ansprechpartner für Unternehmensmitglieder bei der GPM sind dann zwei Serien von Workshops mit Führungskräften entstanden: • Workshop für Führungskräfte mit Aufsichtsfunktion in großen Investitionsprojekten („XXL-Investitionen“) Im November 2019 haben sich zum ersten Mal acht Führungskräfte aus verschiedenen großen Unternehmen und Branchen in den drei D-A-CH-Ländern getroffen, zu diesem Zeitpunkt noch in Präsenz. Die Vertreter aus Unternehmen der Telekommunikation, Chemie- und Pharma-Industrie sind seitdem regelmäßig zusammengekommen, durch die Pandemie-Situation bedingt nach einer kleinen Unterbrechung dann in einem virtuellen Format, und mit wenigen Wechseln von Personen. Gemeinsam haben sie das Ziel und die Motivation, große Investitionsprojekte erfolgreich zu steuern-- bedingt durch die Pandemie waren und sind Pharma-Unternehmen hier sogar besonders gefordert. • Workshop „Governance von IT-Projekten erfolgreich gestalten“ („IT“). Eine zweite Workshop-Serie, die sich an Projektverantwortliche für interne IT-Projekte in Anwendungsunternehmen richtet, wurde im März 2021 begonnen und trifft sich seitdem regelmäßig in einem virtuellen Format. Auch dieser Kreis ist gemischt aus verschiedenen Branchen. Über einige Ergebnisse des Austauschs berichten wir im Folgenden, und kennzeichnen diese je nach Zugehörigkeit mit „XXL-Investitionen“ bzw. „IT“. Dos and Don‘ts in der Arbeit der Projektsteuerung (XXL-Investitionen) Was ist aus Sicht hochrangiger Führungskräfte für die praktische Arbeit in einem Projekt-Lenkungsausschuss zu empfehlen, wovor oder wann sollte man sich in Acht nehmen? Die gesammelten „Dos and Don’ts“ haben wir geclustert nach den drei Themenbereichen Projekt, Lenkungsausschuss und weiche Faktoren und Kultur-- unmittelbar wird hier deutlich, dass den Erfahrungsträgern durchaus bewusst ist, dass (Miss-)Erfolgspotenzial für die Projektarbeit eben auch bei den Führungskräften, die diese steuern, liegt. • Projekt Projektziele, Rollen und Verantwortlichkeiten sollten gut definiert und strukturiert sein, Risikomanagement muss betrieben werden, ein Änderungsprozess muss etabliert sein und gelebt werden. Entscheidungspunkte müssen bewusst wahrgenommen und beschritten werden, und bei Entscheidungen sollten immer Alternativen benannt werden. All dies gehört zu gutem Projektmanagement und überrascht nicht-- wird in der Praxis aber nicht immer so gut umgesetzt, wie es wünschenswert wäre, und es obliegt Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss, dies einzufordern. • Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss Von sich selbst fordern die Führungskräfte, den Business Case klar formuliert zu haben, den Lenkungsausschuss klein, aber fein und mit Kompetenz- - auch PM-Kompetenz- - zu besetzen, und auch frühzeitig, so dass dann Projekt und Umfeld ermächtigt werden können. Kritisch sehen sie es, wenn Konflikte oder Risiken nicht offen benannt werden, wenn das Berichtswesen zu komplex oder unzureichend ist. Kritisch ist es auch, wenn Führungskräfte Mikromanagement ins Projekt hinein betreiben. • Weiche Faktoren und Kultur Vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten vom Projektteam bis zum Lenkungsausschuss und den Stakeholdern und frühzeitiges Team-Building auch auf der Ebene der Projektsteuerung stehen an erster Stelle. Umgekehrt sollte es im Problemfall kein Fingerpointing geben. Kommunikationsebenen sollten eingehalten werden, und Einzelinteressen hinter den Gesamtinteressen des Projektes zurückstehen. Auch wenn dies keine statistisch relevante Erhebung darstellt, erscheint uns diese Zusammenstellung als ein Kondensat langjähriger Erfahrungen und Reflexion und damit eine hilfreiche Handreichung für erfolgreiche Projektsteuerung. Modell für erfolgreiche Steuerungsarbeit (XXL- Investitionen) Im gemeinsamen Gespräch daraus abgeleitet haben wir mit den Führungskräften ein Modell für erfolgreiche Steuerungsarbeit, das drei Säulen der Steuerungsarbeit aufzeigt, die durchaus gleichwertig gesehen werden: Geregelte Prozesse, kompetente Mitglieder, die in guter Kultur zusammenarbeiten, wie in Abbildung 1 dargestellt. Projektlebenszyklus für Investitionsprojekte und wichtige Interaktionen im Projektlebenszyklus (XXL-Investitionen) Große Investitionsprojekte in den im Workshop vertretenen Unternehmen folgen einem „klassischen“ Phasenmodell, bei dem typischerweise ein vorgeschlagener Business Case ausgearbeitet wird, mit einem Konzept und einem Projektvorschlag unterlegt und dann umgesetzt wird, sofern Markt und hausinterner Ideen-Wettbewerb Profitabilität versprechen und die Ressourcen verfügbar sind. Einigkeit herrschte im Austausch zwischen den Führungskräften, dass eine frühzeitige Beteiligung der Umsetzungsverantwortlichen sehr wünschenswert ist. Dies wird in Unternehmen durchaus unterschiedlich gehandhabt. Die bekannte Gefahr, dass Ideen den Umsetzern „über den Zaun“ geworfen werden, die sich nicht so gut oder nicht zu den kalkulierten Kosten und Zeiträumen umsetzen lassen wie zuvor gedacht, ist nach wie vor ein Störfaktor in der Projektarbeit. Ein frühzeitig eingesetzter Projektauftraggeber und der Lenkungsausschuss können und müssen hier Verantwortung übernehmen. Die Magie der „ersten Zahl“- - das Ergebnis einer ersten groben Kalkulation-- gehört auch in diesen Kontext. Ein professionell arbeitender Lenkungsausschuss weiß mit den Unsicherheiten der frühen Zahlenwerke umzugehen. Immer wieder werden Risiken nicht ernst genommen. Große Investitionsprojekte sind hier besonders empfindlich, der Spagat zwischen begeisterter Präferenz von einem Investitionsvorhaben und seriöser und fortwährender Prüfung der Risiken ist nicht immer gelungen und hat auch bei namhaften Unternehmen schon zu teuren Fehlschlägen geführt. Das Mopm_04_2022.indb 37 pm_04_2022.indb 37 02.09.2022 13: 53: 13 02.09.2022 13: 53: 13 Wissen | Projekt Governance erfolgreich gestalten-- Austausch unter Insidern 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0072 dell hilft, die richtigen Fragen zu stellen: Sind die Prozesse zum Risikomanagement richtig definiert, einschließlich einer Vermeidung von Interessenskonflikten und Machtkonzentration? Haben die Beteiligten die notwendigen Kompetenzen? Ist die Kultur derartig, dass schwierige Nachrichten auch offen überbracht und diskutiert werden können? Nach dem offenen Austausch über die typischen Probleme großer Investitionsvorhaben und auch von Good Practices konnten die Führungskräfte bereichert in ihren Unternehmensalltag zurückkehren-- bereichert um einen geschärften Blick „worauf es ankommt“ und ein paar Insider-Tipps. Typische Rollen und Kompetenzen (XXL- Investitionen) Es ist hilfreich, wenn die Mitglieder des Lenkungsausschuss Erfahrungen und Kompetenzen im Projektgeschäft mitbringen. Durch Coaching oder gezielte Qualifizierungsmaßnahmen lassen sich diese entwickeln, sofern Defizite bestehen. Die Herausforderung hier passgenaue Maßnahmen anzubieten haben wir bereits an anderer Stelle angesprochen [2]. Bei den Schweizerische Bundesbahnen gibt es ein verpflichtendes Qualifizierungsprogramm für Mitglieder von Lenkungsausschüssen [4]. Kultur im Lenkungsausschuss (XXL-Investitionen) Team-Building für Projektteams wird häufig eingesetzt, um das Klima der Zusammenarbeit für ein Projekt zu fördern. Aber welcher Lenkungsausschuss bzw. welche*r Vorsitzende eines Lenkungsausschusses kümmert sich aktiv und offen um das Klima der Zusammenarbeit? Geeignete Maßnahmen könnten informelle Zusammenkünfte sein, eine Geschäftsordnung für den Lenkungsausschuss, ein externer Coach, der den Lenkungsausschuss begleitet- - um nur einige bewährte Praktiken zu nennen. Eines der Unternehmen praktiziert regelmäßig informelle Zusammenkünfte vor der offiziellen Sitzung des Lenkungsausschuss, um kritische Punkte vorab anzusprechen, Optionen zu sondieren und den offiziellen Sitzungstermin von Überraschungen freizuhalten. Große (Investitions-)Projekte rechtfertigen starke Bemühungen um den Projekterfolg- - deren Kosten klein sind im Vergleich zu den Kosten, die bei einem Fehlschlag entstehen. Insofern lohnen sich die Bemühungen- - und das oben beschriebene gemeinsam entwickelte Modell für die Projektsteuerung teilen die Führungskräfte, die bis heute dem Anliegen treu geblieben sind, gerne mit weiteren Interessierten. Governance in internen IT-Projekten (IT) Interne IT-Projekte sind einigen der Fachgruppen-Mitglieder als besondere Herausforderung in Bezug auf Governance bekannt. Auch bei der von der Fachgruppe durchgeführten Studie zur Ausgestaltung von Governance-Strukturen [3] gab es Hinweise darauf, dass hier in der Praxis häufig Schwächen in der Umsetzung auftreten. Es wird mehr reagiert und versucht die verschiedenen Interessensvertreter zu „zähmen“, statt Governance proaktiv entsprechend der Empfehlungen und Rahmenwerke zu gestalten. Als die Fachgruppe die Planung für den Start einer weiteren Workshop-Serie zu internen IT-Projekten startete, bildete der Bericht über diese offenkundigen Schwächen den Stoff für den Key-Note-Vortrag des ersten Workshops und den Start der Diskussion. Tatsächlich bildeten Schwierigkeiten bei der Definition eines Business Case einen Schwerpunkt bei den vertiefenden Diskussionen in Kleingruppen, neben der häufig gestellten Aufgabe an die IT, agile Ansätze zu verfolgen und das Unternehmen bei seiner „Agile Journey“ zu begleiten. Eine besondere Herausforderung für die Erstellung eines Business Case bildet der Umgang mit sogenannten Hype- Steering Committee (SC) HOW: • Business Case und Projektauftrag klar definieren • Regelwerk für Projektarbeit festschreiben (Project Governance) • Rolle und Verantwortung des SC festlegen (Handlungsanweisungen) • Qualifikation und Rolle der SC-Mitglieder sicherstellen Prozesse Rollen und Verantwortung des SC entlang des Project Life Cycle Kompetenzen SC-Mitglieder: Kompetenzen (fachlich/ persönlich) Kultur Kultur im SC: Teamklima WHY: Erfolg für Projekt und Geschäft Abbildung 1: Modell für erfolgreiche Steuerungsarbeit pm_04_2022.indb 38 pm_04_2022.indb 38 02.09.2022 13: 53: 13 02.09.2022 13: 53: 13 Wissen | Projekt Governance erfolgreich gestalten-- Austausch unter Insidern 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0072 Themen, bei denen ein neues Thema mit besonderer Erwartungshaltung in die Organisation gebracht wird. Auch wenn solch eine Situation sich voraussichtlich immer einmal wiederholen wird, gibt es positive Erfahrungen damit, den Nutzen eines Projektes im Sinne von Benefit Management regelmäßig zu überprüfen. Je einfacher und prägnanter- - „Management-tauglicher“-- der Nutzen beschrieben ist, desto besser lässt sich dieser Prozess leben. Konkretes Beispiel aus einer Organisation: Es gibt zum Nutzen einen One-Pager, der vom Management systematisch und regelmäßig für eine Viertelstunde betrachtet wird. Auch die Benennung eines Nutzenverantwortlichen hat sich in der Praxis bewährt. In dieser Diskussion ist durch den Austausch ein werthaltiges „Take away“ für die Teilnehmer entstanden. Der Einsatz von agilen Ansätzen erscheint manchem IT-Verantwortlichen auch als Hype-Thema mit zum Teil unpassenden Erwartungen. Plangesteuerte Ansätze haben je nach Projektinhalt und -größe und Ausgangssituation in der Organisation weiterhin auch ihre Berechtigung. Das gekonnte Miteinander beider Ansätze sowohl in einem Projekt wie auch auf der Portfolio-Ebene bereitet nach wie vor Schwierigkeiten. Es fehlt an „Entspanntheit“ wie auch an Erfahrungen dazu. In jedem Fall wird der Timeboxing-Ansatz aus der agilen Welt sehr positiv gesehen. Die Taktgebung und die Flexibilität agiler Ansätze hilft in vielen Fällen, Business-Vertreter in IT-Projekten einzubinden, besser als im plangesteuerten Vorgehen-- so die Einschätzung der Workshop-Teilnehmer. Austausch anhand von Show-Cases (IT) Die Workshop-Serie zur Governance von internen IT-Projekten wurde fortgesetzt mit der Absicht, aus dem Kreis der Teilnehmenden einen praktischen Show-Case vorzustellen und daraus dann Themen für den Austausch in Kleingruppen abzuleiten. Der Austausch in der ganzen Gruppe im Wechsel mit der Arbeit in Kleingruppen wird jeweils für einen virtuellen Workshop mit einem Thema geplant, ganztägig mit reichlich Pausen- dieser Planungsansatz hat sich mittlerweile bewährt. Im ersten Show-Case wurde ein langjähriges großes Programm zur Einführung eines Product-Lifecycle-Management- Systems vorgestellt. Die Abgrenzung von Projekt und Betrieb, von Projekt und Linie erwiesen sich hier als Zündstoff, der in anderen Organisationen nachempfunden werden konnte. Auch hier spielt ein gut definierter Business Case bzw. die Steuerung über passende und separate Budgets eine Schlüsselrolle. Die Tatsache, dass Linienarbeit und Unterschriftskompetenz häufig höher angesehen ist als ergebnisorientierte Projektarbeit, kam in den Untersuchungen der Fachgruppe auch schon zu Beginn zur Sprache [1] und bleibt problematisch: Qualifiziertes IT-Projektpersonal wandert daher gerne in die Linie ab. Bei einem weiteren Workshop beinhaltete der vorgestellte Show-Case ein Projekt, das eigentlich ein permanentes Anliegen der Organisation repräsentierte und für das passende Governance-Strukturen erst erarbeitet werden mussten. Die anschließende Diskussion hatte Kriterien zur Bewertung und Priorisierung in Projekt-Portfolien zum Thema, und auch deren Komplexität bzw. die dafür notwendigen Kompetenzen. In den Lösungsansätzen zu diesen „harten“ Problemen, für die sachlich fundierte Lösungen gesucht werden, taucht auch bei den IT-Führungskräften immer wieder das Wort „Vertrauen“ und „Kultur“ auf. „The hard stuff is easy; it’s the soft stuff that’s hard” ([5], S. 113). Diese Erfahrung aus langjähriger Projektarbeit bringt es auf den Punkt, dass der Faktor Mensch in Projekten von der Ausführungsbis zur Steuerungsebene eine große Rolle spielt. Im Kontext der Projekt Governance ist dies nach unserer Wahrnehmung bislang nicht oft thematisiert worden und verdient mehr Beachtung in Theorie und Praxis. Zusammenfassung und Ausblick Der Austausch unter gleichgesinnten Führungskräften mit ähnlichen Herausforderungen hat- - so ist es in den Feedback-Runden immer wieder verlautet- - die Teilnehmenden bereichert. Durch den ehrlichen und offenen Austausch in vertraulicher Runde kehren die Teilnehmer mit neuen Blickwinkeln und inspirierenden Ansätzen gestärkt in ihre eigene Organisation zurück- - mit guten Ideen aus dem Teilnehmerkreis, und sicher ebenso dem Gefühl, dass auch andere „nur mit Wasser kochen“. Parallel zur Workshop-Serie begann die COVID-19-Pandemie, was Gelegenheit gab, sich auch über die Erfahrungen mit dieser neuen Herausforderung unter den Teilnehmern auszutauschen. Das derzeit virtuelle Format der Workshops erleichtert den Zugang und wird von der Mehrheit der Teilnehmer gewünscht, unabhängig von der Pandemie-Situation. Der informelle Kontakt unter den Teilnehmern bleibt dadurch eher gering, das ist sicherlich ein Nachteil. Es haben sich dennoch einige wertvolle Vernetzungen auch jenseits der Workshops ergeben, ebenso wie die Fachgruppe Kontakte und Mitglieder gewinnen konnte. Es ist anzunehmen, dass der Zugewinn des Erfahrungsaustauschs über die Zeit abnimmt, so dass die Workshop- Serien nicht über lange Zeit fortgeführt werden können und müssen. So lange neue Themen bzw. neue Interessierte attraktiv genug sind, wird die Fachgruppe diese anbieten und auch in den sozialen Medien der PM-Gesellschaften darüber berichten. Die Fachgruppe ist überzeugt, mit diesen Aktivitäten zur Stärkung des Projektmanagements auch und vor allem außerhalb der PM Communities beizutragen. Die Bedeutung der Projekt Governance nach draußen zu tragen, sieht die Fachgruppe weiter als eine nicht einfache Herausforderung. Eine Webseite, die die Aktivitäten und Empfehlungen aufzeigt und unabhängig von den PM-Gesellschaften ist, ist daher in Aufbau: www.projectgovernance.eu. Ein Benchmark-Tool, um die Statusbestimmung einer Organisation in Bezug auf die Ausübung der Projekt Governance Rollen zu bewerten, zu vergleichen und Entwicklungsfelder zu identifizieren, stellt die Fachgruppe zur Verfügung unter https: / / surveys.rudischer.consulting / index. php / 757 811? lang=de, erreichbar auch über den QR-Code in Abbildung 2. In der Fachgruppe wirken mit: Michael Atzor, Harald Bader, Michael Boxheimer, Dorothee Feldmüller, Rüdiger Geist, Thomas Hunziker, Tobias Kreutter, Gerhard Ortner, Christian Rudischer, Ralf von Breitenbach, Hartmut Wenzler. Ein herzlicher Dank geht an Michael Atzor und Harald Bader, die diesen Bericht einem Review unterzogen haben! pm_04_2022.indb 39 pm_04_2022.indb 39 02.09.2022 13: 53: 13 02.09.2022 13: 53: 13 Wissen | Projekt Governance erfolgreich gestalten-- Austausch unter Insidern 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0072 Weitere Informationen und Möglichkeiten, mit der Fachgruppe in Kontakt zu treten, finden Sie auf der Website www. pm-goes-boardroom.de. Die Fachgruppe dankt allen, die die Arbeit in den letzten Jahren unterstützt haben: den drei Verbänden für die finanzielle Unterstützung sowie allen, die unsere Arbeit im Erfahrungsaustausch unterstützt haben. Literatur [1] Feldmüller D., Ortner G., Hunziker T. (2017): „ “ In: projektMANAGEMENT aktuell 2 / 2017, S. 24-29. [2] Feldmüller D., Hunziker T. Ortner G., Rudischer C. : Projektauftraggeber und Lenkungsausschuss als Erfolgsfaktor. In: aktuell 3 / 2020, S. 53-59. [3] Rudischer, Christian; Feldmüller, Dorothee; Ortner, Gerhard: Rollen in der Projekt Governance, in: projektMA- NAGEMENT aktuell 5 / 2020, Nürnberg 2020, S. 50-56. [4] Hunziker T., Bachmann T.: Mehr PM Know-how für den Lenkungsausschuss., Projektmagazin 14 / 2015, https: / / www.projektmagazin.de / artikel / mehr-pm-know-how-fuer-den-lenkungsausschuss_1 101 675. [5] Merrow, E.; Nandurdikar, N.: Leading Complex Projects, Wiley, Hoboken 2018. Eingangsabbildung: © iStock.com / Rawpixel Abbildung 2: Link zum Benchmark-Tool der Fachgruppe zur Projekt Governance Prof. Dr. rer. nat. Dorothee Feldmüller Prof. Dr. rer. nat. Dorothee Feldmüller ist Professorin für Wirtschaftsinformatik auf dem Campus Velbert / Heiligenhaus der Hochschule Bochum. Zuvor war die promovierte Mathematikerin lange Jahre in der IT tätig, sie leitete als freie Projektleiterin und Beraterin zahlreiche IT-Projekte in Unternehmen. Seit 2004 ist sie auch aktiv bei der GPM. Anschrift: Hochschule Bochum Campus Velbert / Heiligenhaus, Kettwiger Str. 20, 42 579 Heiligenhaus, Tel. +49 2056 5848 - 16 721 E-Mail: d.feldmueller@gpm-ipma.de Anzeige Michael Hesseler Human Resource Management 4.0 Kluge Personalentscheidungen für die neue Arbeitswelt 1., Auflage 2022, 359 Seiten €[D] 49,99 ISBN 978-3-7398-3013-1 eISBN 978-3-7398-8013-6 Dieses Buch nimmt die Leser: innen mit auf eine Reise durch das unwegsame Gelände der Digitalisierung. Professionelles HRM muss die damit einhergehenden Veränderungen mit klugen Entscheidungen initiieren und begleiten, um zusammen mit anderen Unternehmensbereichen den wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Der Autor folgt dabei den praktischen Erfahrungen und wählt einen interdisziplinären Zugriff aus den Perspektiven der Betriebswirtschaft, der Soziologie, der Psychologie und Sozialpsychologie sowie der Neurowissenschaften, der Informatik, der Arbeitswissenschaft und letztlich der Unternehmensethik. Zukunftsorientiert berücksichtigt er v.a. die künstliche Intelligenz sowie die Bio- und Nanotechnologie hinsichtlich der Deckung des Bedarfs an Personalressourcen durch die Generationen Y und Z. pm_04_2022.indb 40 pm_04_2022.indb 40 02.09.2022 13: 53: 14 02.09.2022 13: 53: 14 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0073 Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der PL Gero Lomnitz Enttäuschungen beruhen auf Täuschungen. Täuschungen entstehen durch Verhaltensweisen anderer, beispielsweise durch falsche Aussagen, leere Versprechungen, Lügen oder Intrigen. Doch Täuschungen werden auch durch Selbsttäuschungen verursacht, mit anderen Worten, man macht sich etwas vor, geht von unreflektierten Annahmen aus, der Wunsch ist die Mutter oder der Vater des Gedankens. Was bedeutet das für die Projektleitung und ihr Verhältnis zu Auftraggeberinnen und Auftraggebern? Lesen Sie weiter: Den idealen Auftraggeber, die ideale Auftraggeberin, welche Projektmanager: innen hätten so etwas nicht gerne? Im Idealfall vereinigen sich folgende Merkmale: Ausreichender Sachverstand (nicht zu verwechseln mit Detailkenntnissen), Interesse am Projekt, Entscheidungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen (sprich Macht) sowie Budget. Doch die Verhältnisse sind leider nicht immer so. Erstaunlicherweise gehen manche Projektmanager: innen davon aus, dass die Auftraggeber: innen dem Idealzustand mehr oder minder entsprechen. In der Praxis ist es empfehlenswert, sich von diesen Illusionen zu befreien. Wenn Sie weiter träumen wollen, dann können Ihnen die nachfolgenden Empfehlungen helfen. Auf jeden Fall ist es besser, folgende Irrtümer zu vermeiden: 1. Irrtum Der Auftraggeber muss mir einen klaren Auftrag erteilen. Bevor ich mit meiner Arbeit beginnen kann, muss der Auftraggeber mir einen klaren, möglichst gründlich ausgearbeiteten Projektauftrag geben, denn er muss schließlich wissen, was er will. Oft eine Illusion, denn Auftraggeber sind oft fachlich gar nicht in der Lage, einen detaillierten Projektauftrag auszuarbeiten und selbst wenn sie dazu fachlich in der Lage wären, fehlt ihnen meist die Zeit. 2. Irrtum Der Auftraggeber weiß genau, was er will. Der zweite Irrtum steht in enger Nachbarschaft mt dem ersten.Häufig basiert er auf einer Omnipotenzphantasie in Leitung. Das Management hat sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt, die Enscheidungsträger kennen sich aus, sie wissen, was richtig ist. Werden sie nicht gerade deshalb besser bezahlt? Was für einem fahrlässigen Irrtum unterliegt die Projektleitung, denn sie hat die Verantwortung, in einem möglichst intensivem Austausch mit dem Auftraggeber die Ziele und Rahmenbedingungen zu klären. Die Projektleitung muss den Auftraggeber beraten, unrealistische Erwartungen bezüglich Ziele, Zeit und Kosten klar aufzeigen, auch dann, wenn die Gespräche schwierig sind. Doch nach wie vor gilt die Aussage: „Gute Projektleiter: innen müssen unbequem sein, wenn es die Sache verlangt“, unbequem im Sinne des konstruktivem Ungehorsams. 3. Irrtum Der Auftraggeber steht hinter dem Projekt. Selbstverständlich kann die Projektleitung erwarten, dass sich der Auftraggeber für das Projekt einsetzt und Blockaden wegräumt, wenn die Projektleitung dazu nicht in der Lage ist. Hinter dieser Erwartung steht der Anspruch an den Auftrager, setz Dich für Dein Projekt ein. Dieser Anspruch ist absolut richtig, doch manche Projektleiter: innen mussten erkennen, dass der Auftraggeber nicht über die notwendige Standfestigkeit verfügt. Besonders nett wird es, wenn einerseits die Bedeutung des Projektes betont wird und andererseits notwendige Entscheidungen nicht getroffen werden. Was folgt pm_04_2022.indb 41 pm_04_2022.indb 41 02.09.2022 13: 53: 16 02.09.2022 13: 53: 16 Wissen | Mythen über den Auftraggeber aus Sicht der PL 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0073 daraus? Die Projektleitung sollte die eigenen Annahmen kritisch hinterfragen, manchmal ist ein Desillusionierungsprozess notwendig. 4. Irrtum Der Auftraggeber verfügt über Durchsetzungsmacht, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die Stunde der Wahrheit kommt spätestens bei Interessenkonflikten, Widerständen auf Führungsebene gegen die Projektziele oder bei Ressourcenproblemen. Hier sind Auftragger: innen gefordert, hier zeigt sich, ob und wie sie ihre Verantwortung wahrnehmen können und wollen. Statt von der Machtfülle des Auftraggebenden einfach auszugehen, sollte die Projektleitung bereits zu Projektbeginn prüfen, ob der Auftragger über die notwendige Power verfügt. Zugegeben, das ist nicht immer einfach, dennoch eine sinnvolle Investition in die Zukunft des Projektes und machnmal auch der Projektleitung. 5. Irrtum Das Interesse des Auftraggebers hat sich im Verlauf des Projektes nicht geändert. Wer meint, das zu Projektbeginn geäußerte Interesse des Auftraggebers wäre eine stabile Angelegenheit, verfügt entweder nicht über Erfahrung oder die Person ist allzu blauäugig. Interessen des Sponsors können sich im Projektverlauf ändern, was heute ganz wichtig ist, kann morgen einige Stufen herunterfallen. Das geschieht teilweise informell an der Projektleitung vorbei, selten aus böser Absicht, sondern eher aus Nachlässigkeit oder Zeitdruck. Daraus ergeben sich für die Projektleitung klare Konsequenzen: • Nicht wundern, wenn es passiert, sondern es als Teil der Realität verstehen. • Die Interessen oder besser gesagt, Veränderungen der Interessen aufmerksam verfolgen. • Statt zu lamentieren, sollte die Projektleitung mit dem Auftraggeber über dieses Thema sprechen und mögliche Auswirkungen-- Probleme oder Risiken-- deutlich aufzeigen. 6. Irrtum Der Auftraggeber kennt seine Rolle und lebt sie auch. Selbstverständlich kennen und akzeptieren Auftraggeber ihre Aufgaben und Verantwortungen genau, sonst wären sie schließlich nicht in dieser Position. Sie wissen, dass sie sich nicht in die operative Arbeit des Teams einmischen und von Mikromanagement sind sie meilenweit entfernt. Selbstverständlich nehmen sie sich Zeit für Gespräche, wenn es die Situation erfordert und über Änderungen in den Rahmenbedingungen informieren sie die Projektleitung zeitnah. Wer diese Erfahrungen gemacht hat, arbeitet in einer Organisation, in der Projektmanagement vorzüglich etabliert ist! Wer das aber glaubt und gegenteilige, sprich: negative Erfahrungen gemacht hat, sollte sich von seinen Illusionen verabschieden und stattdessen versuchen, mit dem Auftraggeber die Rollen und die damit verbunden Erwartungen zu klären. Zugegeben, nicht immer ganz einfach, aber auf jeden Fall lohnenswert. Eingangsabbildung: © iStock.com / gerenme Gero Lomnitz Gero Lomnitz arbeitet seit vielen Jahren als Berater, Trainer und Coach für namhafte Unternehmen und Non- Profit Organisationen im In- und Ausland. Er hat zahlreiche Beiträge über Projektmanagement veröffentlicht und Lehraufträge an verschiedenen Universitäten wahrgenommen. Zuletzt ist sein drittes Buch „Projektdiagnose-- auch hinter die Kulissen des Projektes schauen“ erschienen. Anzeige Gerald Pilz Revolution am Arbeitsplatz Wie wir in Zukunft arbeiten werden 1., Auflage 2022, 155 Seiten €[D] 29,99 ISBN 978-3-7398-3094-0 eISBN 978-3-7398-8094-5 Das Buch informiert anschaulich über die Entwicklungen und Studien im Bereich neuer Arbeitsformen. Der Autor spannt dabei den Bogen von New Work und Arbeiten 4.0 sowie Home Office und Remote Work über die Zunahme der Digitalen Nomaden bis hin zur Gig Economy in der Weltwirtschaft. Konkrete Fallbeispiele und innovative Ansätze aus aller Welt geben einen Einblick in diese spannenden Themen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Fachkräfte im Personalbereich und Führungskräfte in Unternehmen und anderen Organisationen. pm_04_2022.indb 42 pm_04_2022.indb 42 02.09.2022 13: 53: 17 02.09.2022 13: 53: 17 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0074 „Weil das morgen noch so ist, weil das immer schon so war” Best Practice systemisch-agiles Change- Management Patrick Huiber, Robert Korn Für eilige Leser | Gesteigerte Unsicherheit, intransparente Kommunikation und zähe Prozesse. Für diese wesentlichen Herausforderungen im Projektmanagement bietet das systemisch-agile Change-Management praktikable Ansätze. In diesem Artikel werden vier besonders wirksame davon vorgestellt. In den Grundsätzen des agilen Projektmanagements sowie des systemischen Change-Managements finden wir einige Parallelen, wie z. B. die Strukturierung in Zyklen und einen empirischen Entwicklungsprozess. Nicht zuletzt deshalb werden komplexe Prozesse wie Change-Vorhaben immer öfter agil und systemisch konzipiert und umgesetzt. Für die aktuellen Herausforderungen im Projektmanagement in Form gesteigerter Unsicherheit, intransparenter Kommunikation und einer unübersichtlichen Tool-Landschaft bieten sich vier konkrete Maßnahmen an: 1. Zeit in die Auftragsklärung investieren. 2. Einen lebendigen Kick-off-Workshop gestalten. 3. Ein hybrides Kollaborationssystem entwickeln. 4. Eine selbstorganisierte Arbeitsstruktur in variablen Zyklen. In diesem Artikel werden diese vier Schlüsselfaktoren erläutert und mit schnell anwendbaren Tools ergänzt. Schlagwörter | Systemisches Change-Management, Agiles Projektmanagement, Hybrides Arbeiten, Vertrauen in Teams, Digitale Tools „Hier ist hier und jetzt ist jetzt, doch jetzt ist jetzt schon nicht mehr da“. Diese und viele andere Weisheiten aus dem Song „Weil das morgen noch so ist, weil das immer schon so war” der Elektropop-Band Großstadtgeflüster könnten als parodierende Hommage an derzeitige Change-Manager: innen verstanden werden. Die derzeitigen Herausforderungen, vor denen Change- Vorhaben und die darin gesteuerten Projektmanagement- Prozesse stehen, spüren alle externen wie internen Berater: innen, Projektmanager: innen und -mitglieder sowie Führungskräfte in ihrer täglichen Arbeit am eigenen Leib: • Gesteigerte Unsicherheit durch wirtschaftlich-politische und gesellschaftliche Turbulenzen, konkret z. B. in Form von Ab- oder Umbaumaßnahmen • Hybride, oft intransparente Kommunikationsstruktur und herausfordernde virtuelle Führung der Projektteams • Unübersichtliche Anzahl an digitalen Tools und großen Datenmengen • Zunehmende Planungsunsicherheit und Budgeteinschränkungen im Projektverlauf Angesichts der aktuell deutlich spürbaren Komplexität gewinnen agile Methoden weiterhin an Bedeutung und Aufmerksamkeit. Weniger prominent, aber mit einigen grundsätzlichen Parallelen zum agilen Projektmanagement ist das systemische Change-Management. Um nur einige zu nennen: Beide Disziplinen lehnen einen subjektiven Wahrheitsanspruch an eigene und fremde Lebensrealitäten ab, zeichnen sich durch empirisches Vorgehen in Zyklen aus und stellen Dialoge und gemeinsames Lernen in den Vordergrund. Die zwei Ansätze im systemisch-agilen Projektmanagement vereint, vermögen uns dadurch einige interessante Denkanstöße für die eigene Projektarbeit zu schenken. Um praktisch anwendbare Beispiele zu finden, haben wir uns zu diesem Zweck in unserem Beratungsunternehmen fifty1 umgehört und unsere Berater: innen gefragt, von welchen Best-Practice-Beispielen im Projektmanagement der letzten pm_04_2022.indb 43 pm_04_2022.indb 43 02.09.2022 13: 53: 18 02.09.2022 13: 53: 18 Wissen | Best Practice systemisch-agiles Change-Management 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0074 Monate sie uns erzählen können. In diesem Artikel möchten wir Ihnen daraus abgeleitet vier Schlüsselfaktoren vorstellen, die wir als besonders ausschlaggebend ansehen. Schlüsselfaktor #1: Zeit investieren in die Auftragsklärung „ Gegen nichts und wieder nichts weiß niemand keinen guten Rat” Gerade in turbulenten Zeiten wie den jetzigen werden Change-Projekte aufgrund von vielseits ausgeübtem Zeitdruck zu hastig und mit einer unklaren Ausarbeitung des Ziels begonnen. Wir erleben immer wieder, dass bei genauem Nachfragen durchaus relevante Herausforderungen zu Tage treten, die die vom Management vorgegebenen Ziele relativieren oder komplementieren (nicht zuletzt aufgrund derer langfristigen und strategischen Denkweise). Um ein scharfes Zielbild zu entwickeln, sollten Sie deshalb in die Organisation hineinhören: Dialoge starten, Interviews führen, Daten aus Mitarbeiterumfragen nutzen. Erst wenn viele Perspektiven von diversen Disziplinen, Charakteren und Hierarchieebenen eingeholt wurden, haben Sie die Chance sich ein ganzheitliches Bild von Projektziel und -einflussfaktoren zu machen. Machen Sie sich bewusst, wer die wichtigsten Stakeholder und Schnittstellenpartner: innen sind (intern wie extern) und laden Sie sie zu halbstündigen Interviews ein. Sie werden überrascht sein, wie erzählfreudig Ihre Gesprächspartner: innen sind und auf welche Wertschätzung Ihr ernstgemeintes Interesse stößt. Die Gespräche sind erfolgreich durchgeführt, es wurden unzählige Kaffees getrunken und Worte gewechselt. Sie sitzen nun auf einem wertvollen Haufen an Erzählungen und Ideen. Wie können Sie diesen Schatz an Informationen nutzen? Erstens: Konzentrieren. Schauen Sie, ob Sie Regelmäßigkeiten und Handlungsmuster erkennen. Zweitens: Formulieren Sie aus diesen Dingen Hypothesen darüber, was die Stärken und Herausforderungen im Rahmen des Projektes aus Ihrer Sicht sind [1]. Dabei geht es nicht darum, eine Erklärung im Sinne eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs für Ihre Beobachtungen zu finden, sondern sie als zusammenfassende Wahrnehmung mit Ihren Kolleg: innen zu besprechen und diverse Sichtweisen auf den Sachverhalt zu erlangen. Drittens: Nutzen Sie die Hypothesen in einer Sparring-Diskussion, um gemeinsam mit dem Projektteam und den Stakeholdern klare und motivierende Ziele zu formulieren. Mit dem letzten Schritt sind wir bereits bei Schlüsselfaktor #2: Dem lebendigen Kick-off-Workshop. Schlüsselfaktor #2: Der lebendige Kick-off- Workshop „ Back den Teig solang er frisch ist, wenn er steht, dann wird er hart” Im systemischen Change-Management werden drei ineinandergreifende Bereiche beschrieben, die für einen erfolgreichen Wandel bearbeitet werden müssen: Strategie, Strukturen und Menschen. All diese Faktoren münden wiederum in der Führung und zeigen sich in der Kultur der Organisation. [2]. Dieses holistische Organisationsentwicklungsmodell bietet eine praktische Orientierung für das Aufsetzen eines erfolgreichen Projektes. Strategie: Jedem Projekt geht eine Notwendigkeit, eine Idee und ein Vorhaben voraus. Zu Beginn des Workshops muss die Notwendigkeit verstanden, die Idee energetisiert und das Vorhaben zu einem gemeinsamen Vorhaben gemacht werden. Deshalb ist es wichtig, dass in einem transparenten und emotionalen Impuls zu Beginn alle Projekt-Teilnehmer: innen von dem Projektvorhaben überzeugt werden. Das gelingt am besten mit fachkundigen Speaker: innen, einem Austausch in Kleingruppen und einer anschließenden Diskussion im Plenum. Ein Impuls (vom lat. „stoßen, treiben”) hat jedoch immer nur dann einen wirksamen Effekt, solange ein Input besteht. Danach ist der wahre Schlüssel zum Umsetzungswillen die Volition (von lat. „wollen, wünschen”). Diese entsteht erst durch ein kraftvolles Ziel, durch eine fantasievolle Vorstellung einer möglichen Zukunft und durch den Glauben an die Möglichkeit, in Kollaboration mit Anderen etwas Großartiges erschaffen zu können. Eine effektive Methode, um ein solches Ziel zu definieren sind Vision Walks. Das sind 20-30-minütige Spaziergänge- - virtuell oder physisch- - , in denen sich die Teilnehmer: innen zu zweit zu konkreten Fragen austauschen: „Wie sieht meine erhoffte Zukunft aus und wie werden ich und meine Kunden bzw. Nutzer sie im Arbeitsalltag konkret spüren? Woran wird sich diese erhoffte Zukunft messen lassen? ” Das können klassische Kennzahlen, neue Verhaltensweisen, ein innovatives Produkt oder aber auch notwendige Folgeprojekte sein. Teilen Sie die Ziele im Plenum und prüfen Sie sie auf Vereinbarkeit mit den vom Management vorgegebenen Zielen. Die konkrete Zielbeschreibung kann hier als wichtigster Faktor im beginnenden Projektmanagement gesehen werden. Denn sowohl Strukturen als auch die Arbeitsweise inklusive des Führungsstils hängen hiervon ab. Deshalb sollte sie auch zu Beginn des Workshops stattfinden. Menschen: Im agilen Manifest aus dem Jahr 2001 heißt es: „Individuals and interactions over processes and tools” [3]. In einer Zeit von virtueller Kommunikation, der Automatisierung redundanter Arbeitsschritte und KI-gestützter Projektplanung muss dieses Postulat in Bezug auf das Projektmanagement relativiert werden. Worin dieser Satz aber Recht behält: Zu den absoluten Erfolgsfaktoren von High-Performing-Teams gehören nach wie vor ein ausgeprägtes Vertrauen im Team und eine daraus resultierende psychologische Sicherheit [4, 5, 6]. Was heißt das konkret? Vertrauen hat viele Facetten. Hier eine Übersicht und die dazugehörigen vertrauensbildenden Maßnahmen, die wir im Kick-off-Workshop nutzen: 1. Die wahrgenommene Kompetenz der Kolleg: innen. Sie wird dadurch beeinflusst, wie qualifiziert das Team als Ganzes aufgestellt ist. Die meisten von uns haben irgendwann im Leben gelernt, dass eine gesunde, selbstbewusste Selbstdarstellung oft mit Arroganz oder Narzissmus einhergeht, was jedoch nicht der Realität entspricht. Holen Sie die großen Persönlichkeiten aus Ihren Projektkolleg: innen heraus. Nutzen Sie in der Vorstellungsrunde des Workshops einfache Fragen wie: „Was ist mein größter persönlicher Erfolg bisher im Unternehmen? Wobei kann ich andere gut unterstützen und Fachexpertise einbringen? ” Mit dieser Aufforderung zum Glänzen werden sich alle Propm_04_2022.indb 44 pm_04_2022.indb 44 02.09.2022 13: 53: 18 02.09.2022 13: 53: 18 Wissen | Best Practice systemisch-agiles Change-Management 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0074 jektteilnehmer: innen sicherer fühlen und das beeinflusst unmittelbar den nächsten Faktor. 2. Das gegenseitige Wohlwollen. Es beschreibt, welche positiven Absichten in der Zusammenarbeit mit Anderen bestehen. Also, inwiefern Unterstützung in schwierigen Situationen und eine allgemein offene Haltung erwartet werden können. In einem eintägigen Workshop investieren wir deshalb zu Beginn eine volle Stunde nur damit, menschliche Beziehungen im Team aufzubauen. Das kann durch eine Beschreibung der eigenen Wünsche und Befürchtungen im Plenum oder dem Entdecken von Gemeinsamkeiten wie Interessen und Lebenssituationen sein. 3. Die Integrität: Sie beschreibt, inwiefern Regeln der Zusammenarbeit ernst genommen werden, zum Beispiel das Einhalten von Deadlines oder die Erreichbarkeit. Diskutieren Sie gemeinsam Spielregeln, die festlegen, wie schnell zum Beispiel auf Mails reagiert werden sollte oder wie verpflichtend die Teilnahme an Regelmeetings ist. Diese Regeln sollten für alle sichtbar festgehalten und in regelmäßigen Abständen auf ihre Sinnhaftigkeit hin reflektiert werden. 4. Transparenz in der Kommunikation. Sie ist wichtig für die Nachvollziehbarkeit von Verhalten und Entscheidungen, aber auch das Teilen relevanter Informationen wie Projektschritte und -vorhaben. Das gilt insbesondere für virtuelle Projektteams. Sie wird gefördert durch transparente Task- Management-Systeme, Gruppenchats, präzise Arbeitsdokumentationen, und explizites Nachfragen bei Unklarheiten. Doch selbst mit klaren Zielen und gestärktem Vertrauen ist ein Projekt immer nur so stark wie seine Struktur. Schlüsselfaktor #3: Das hybride Kollaborationssystem „ Sind zu viele Köche fleißig, na dann haben wir den Salat” Kaum ein Projekt wird heutzutage noch an nur einem Standort abgewickelt. Spätestens wenn Feedbackgeber: innen, Kunden oder Lieferanten einbezogen werden, müssen Meetings virtuell oder hybrid gestaltet werden. Was vor wenigen Jahren noch nach Science-Fiction klang, wird dabei in naher Zukunft Realität sein: Hologramme in virtuellen Meetings oder Maschinen, die für uns Aufgaben terminieren und Mails schreiben. Schon längst zum Alltag gehört dagegen die Weiterentwicklung von Kommunikationstools zu zentralisierten Kollaborationsplattformen. Egal ob Microsoft Teams, WebEx Teams oder Google Suite- - all diese Plattformen integrieren mittlerweile Tools zum Termin- und Taskmanagement, Roadmap-Visualisierung, Meeting-Durchführung, schriftlicher Kommunikation, Kreativarbeit, Schichtplanung, Dokumentenbearbeitung und vieles mehr. Ein erster Schritt beim Aufsetzen einer Projektstruktur ist deshalb immer, die richtigen Tools auszusuchen und sich bewusst zu machen, wie relevant und in welchem Kosten-Nutzen-Verhältnis die Einführung eines neuen Tools im Projekt ist. Abhilfe kann hierbei die Tool-Checkliste aus Abbildung 2 bieten. Kommunikationskanäle schlank halten Projektmanager: innen in großen Unternehmen stehen trotz der zuvor beschriebenen Zentralisierung oft vor der Herausforderung, aus einer riesigen Tool-Landschaft diejenigen herauszusuchen, die alle benötigten Funktionalitäten bieten und dennoch eine schlanke Projektkoordinierung ermöglichen. In Abbildung 3 ist dargestellt, welcher Kommunikationskanal für welchen Zweck am besten geeignet ist. Diese Matrix teilt bestehende Kollaborationstools in zwei Dimensionen ein. Die horizontale Achse beschreibt die Synchronität der Kommunikation. Das heißt, ob vom Senden einer Information bis zu ihrem Empfang viel Zeit vergeht (asynchron) oder sie unmittelbar ist (synchron). Die vertikale Achse beschreibt den Informationsgehalt zwischenmenschlicher Kommunikation. Die schriftliche Kommunikation beschränkt sich auf den rein inhaltlichen Informationsgehalt beziehungsweise unserer Interpretation davon. Audiovisuelle Kommunikation hingegen hat einen hohen Anteil paraverbaler Kommunikation. Zusätzlich zum Inhalt können Stimme, Intonation, Gestik und Mimik wahrgenommen Abbildung 1: Erfolgsfaktor: Einen lebendigen Kick-Off- Workshop gestalten pm_04_2022.indb 45 pm_04_2022.indb 45 02.09.2022 13: 53: 18 02.09.2022 13: 53: 18 Wissen | Best Practice systemisch-agiles Change-Management 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0074 werden. Sie können diese Matrix nutzen, um in Ihrem Projekt regelmäßig zu reflektieren, ob der aktuell genutzte Kommunikationskanal Ihrem Zweck dient oder ob es eine einfachere, effizientere Lösung zur Koordinierung im Projektteam gibt. Schlüsselfaktor #4: Selbstorganisation in variablen Zyklen „ Und es kommt immer alles anders und vor allem als geplant” Das selbstorganisierte Arbeiten in variablen Zyklen hat viele Vorteile- - sowohl in Bezug auf Qualität und Geschwindigkeit der Ergebnisse als auch auf die psychologische Verfassung des Projektteams, welches in Change-Prozessen nicht selten stressige und überfordernde Phasen erlebt. Aus unserer Erfahrung werden durch zyklisches Arbeiten drei wesentliche Hindernisse bewältigt, die sowohl in klassisch als auch agil geführten Projekten ordentlich Sprengkraft bieten: 1. Stakeholder können nur schwer effizient in Reviews eingebunden werden, weil wenig Ziel- und Prozessverständnis und damit wenig zeitliche Investitionsbereitschaft besteht. 2. Explodierende Kosten in disruptiven, globalen und nicht vorhersagbaren Ereignissen führen zu späten Change Requests oder gleich zu einem Projektstopp. 3. Erhöhter Arbeitslast und Unsicherheit wird mit einer überbordenden Anzahl an Meetings und ineffektiver Maßnahmen begegnet, statt mit zunehmendem Umsetzungsfokus und zielgerichteter Kommunikation. Anhand eines beispielhaften Change-Projektes mit einem Kunden unserer Beratung möchten wir im Folgenden kurz aufzeigen, wie Sie diesen Hindernissen in Ihrem Projekt durch die Strukturierung in variablen Zyklen optimal begegnen können. Do it your own way Die IT-Abteilung des genannten Kunden befindet sich 2021 in einer schwierigen Situation. Während die Entwicklungsabteilung bereits agil arbeitet, fällt der klassisch organisierten Systemadministration die Priorisierung und Strukturierung der anfallenden Aufgaben schwer und sie fühlt sich abgehängt. Als Ziele für die Teamentwicklung werden erstens die Erhöhung der Performance, zweitens die selbstorganisierte Bearbeitung und Abwicklung eingehender Aufgaben und drittens die Stärkung als zuverlässiger Partner in der Organisation definiert. Nach einer detaillierten Auftragsklärung und dem Kick-off- Workshop werden dreiwöchige Arbeitszyklen zur Zielerreichung festgelegt. Diese Zyklen bestehen aus: • Einem halbtägigen Start-Workshop, in welchem die Ziele und die Arbeitsmethode für den jeweiligen Zyklus festgelegt werden. • Darauf folgend die eigenständige Arbeitsphase des Teams, in welchem es an der Umsetzung der Ziele arbeitet. • Abgeschlossen wird diese mit einem zweiten halbtägigen Review-Workshop, in welchem die Fortschritte den Stakeholdern präsentiert und gemeinsam reflektiert werden. • Begleitende Befähigungsmaßnahmen für das Management in Form von Coaching, um Verständnis und Führungskompetenzen für die schnellere Wirksamkeit der Teamentwicklung ermöglichen zu können. • In individuell geregelten Abständen werden darüber hinaus Retrospektiven durchgeführt, in welchen der Prozess Abbildung 2: Checkliste: Neues Tool einführen? pm_04_2022.indb 46 pm_04_2022.indb 46 02.09.2022 13: 53: 18 02.09.2022 13: 53: 18 Wissen | Best Practice systemisch-agiles Change-Management 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0074 insbesondere mit Blick auf Wirksamkeit und die gemeinsame Arbeitskultur auf den Prüfstein gestellt wird. Der Erfolg dieser Herangehensweise basiert auf drei essenziellen Vorteilen: 1. Sowohl das Team als auch die Stakeholder können sich an einen gleichmäßigen Zyklus und die darin beinhalteten Meetings gewöhnen. Dabei ist es egal, ob ein solcher Zyklus zwei, drei oder vier Wochen dauert. Die in den Workshops geschaffene Transparenz hinsichtlich der Arbeitsmethodik und der Ergebnisse erzeugen Motivation und Veränderungswille. 2. Die Kosten in einem komplexen Projekt werden planbar. Zyklen sind unabhängig voneinander durchführbar und werden gleichbar einzelnen Beratungsprojekten abgerechnet. Hierdurch kann sich der Kunde basierend auf den individuellen Bedürfnissen und eigenen finanziellen Möglichkeiten entscheiden, wann und in welchem Umfang eine Beratungsleistung durchgeführt werden soll. Er erhält mehr Planungssicherheit. 3. Die Länge der Zyklen und damit die Intensität der Beratung kann flexibel angepasst und in jedem Zyklus geändert werden. Die Beratung kann sich damit an die Arbeitslast und Bedürfnisse des Kunden adaptieren. Der Gewohnheitseffekt geht nicht verloren, sondern die Abstände zwischen den Meetings werden schlicht kürzer. Dieses Modell hat natürlich nicht nur Vorteile. Für uns als Beratungsdienstleister birgt es die Gefahr, dass die erhöhte Buchungsflexibilität zu einem vorzeitig gestoppten oder verminderten Projektumfang führt. Gleichzeitig geben wir etwas von unserer Planungssicherheit ab, indem wir dem Kunden die individuelle Bestelloption unserer Zyklen anbieten. Wir sehen das jedoch als notwendige Entwicklung einer Agilisierung des Projekt- und Kundenmanagements auf der Seite der Dienstleister. Als Resümee können wir sagen, dass die Arbeit in Zyklen von Kunden so gut angenommen wird, dass die Vorteile der Strukturierung und eines guten Kundenverhältnisses diese Nachteile bei Weitem überwiegen. Fazit und Ausblick „ Doch ist die Nacht erstmal zu Ende, dann beginnt ein neuer Tag” Natürlich gilt wie in jedem komplexen Organisationsumfeld: Es gibt keine Patentlösungen im Projektmanagement, sondern nur fördernde und hemmende Vorgehensweisen. Jede noch so wirksame Methode und auch das ausgefeilteste Vorgehensmodell scheitern, wenn Kultur und Mindset der Mitarbeiter: innen dem Erreichen des Projektziels entgegenstehen. Bei allen Prognosen gesteigerter technologischer Projektsteuerung und Automatisierung wird es deshalb weiterhin unumgänglich bleiben, durch menschenzentrierte Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen einen positiven Einfluss auf das Projektmanagement in Unternehmen zu nehmen [7]. Die mögliche Planbarkeit und langfristiges strategisches Handeln in Projekten werden für Unternehmen abnehmen. Das wird sich besonders im Change-Management zeigen, welches in Zukunft zunehmend organisch, bottomup-getrieben und in Form einer Kernkompetenz aller Mitarbeiter: innen gestaltet wird. Wir hoffen, dass Ihnen die bis hierhin beschriebenen Methoden und Impulse in Ihrer täglichen Arbeit weiterhelfen. Haben Sie zusätzliche Fragen und Anregungen? Kontaktieren Sie uns. Wir freuen uns immer über einen co-kreativen Austausch und die Weiterentwicklung unserer Ideen. Abbildung 3: Virtuelle Kommunikationskanäle auf einen Blick pm_04_2022.indb 47 pm_04_2022.indb 47 02.09.2022 13: 53: 19 02.09.2022 13: 53: 19 Wissen | Best Practice systemisch-agiles Change-Management 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0074 Patrick Huiber Patrick Huiber: Hat als langjährige Führungskraft im internationalen R&D Management bereits IT-Entwicklungsprojekte vor 20 Jahren agil durchgeführt. Er begleitet für die Beratungsfirma fifty1 Unternehmen vom Teambis Executive-Level rund um das Thema nachhaltiges, sinnerfülltes Arbeiten bis zur Entwicklung von Organisation und Strategie. fifty1 GmbH Margaretenstraße 70 1050 Wien / Österreich E-Mail: patrick.huiber@fifty1.co Website: www.fifty1.co Robert Korn Robert Korn: Berät Teams und Organisationen zu den Themen Agile Transformation, moderne Führungsarbeit und kollaborative Unternehmenskultur. Sein Fokus liegt auf der Synergie zwischen menschlicher Organisation und den Möglichkeiten digitaler Kommunikationstechnologien. Literatur [1] Königswieser, Roswita / Hillebrand, Martin: Einführung in die systemische Organisationsberatung. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg, 9. Ausgabe, 2017, S. 48. [2] Heitger, Barbara / Serfass, Annika: Unternehmensentwicklung: Wissen, Wege, Werkzeuge für morgen. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht GmbH, Freiburg, 2015, S. 49. [3] Agiles Manifest: https: / / agilemanifesto.org/ . Stand: Juni 2022. [4] Studienergebnisse der Google Studie “Aristotle”, abrufbar unter Google re: work: https: / / rework.withgoogle.com/ . Stand: Juni 2022 [5] Breuer, Christina / Hüffmeier, Joachim / Hertel, Guido: Does Trust Matter More in Virtual Teams? A Meta-Analysis of Trust and Team Effectiveness Considering Virtuality and Documentation as Moderators. Journal of Applied Psychology, 101, 2016, S. 1151-1177. [6] Breuer, Christina / Hüffmeier, Joachim / Hertel, Guido: Vertrauen per Mausklick: Wie Vertrauen in virtuellen Teams entstehen kann. In: PersonalQuarterly. Wissenschaftsjournal für Personalpraxis, 2. Ausgabe, 2017, S. 10-16. [7] Auth, Gunnar / Dürk, Christian / Jokisch, Oliver: Per Autopilot zum Projekterfolg? Einsatzpotenziale Künstlicher Intelligenz im Projektmanagement. In: Mikuzs, M., Volland, A., Engstler, M., Hanser, E. & Linssen, O. (Hrsg.), Projektmanagement und Vorgehensmodelle 2018-- Der Einfluss der Digitalisierung auf Projektmanagementmethoden und Entwicklungsprozesse. Gesellschaft für Informatik, Bonn. 2018, S. 27-40. Eingangsabbildung: © iStock.com / natasaadzic Dieter Brendt, Olaf Mackowiak Führung in der Technik 1., Auflage 2021, 177 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8169-3467-7 eISBN 978-3-8169-8467-2 Mitarbeitende zielgerichtet und effektiv führen zu können, ist ein Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg. In diesem Buch werden den Leser: innen durch die direkte Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in ver- Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in ver- Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in ver gleichbaren Situationen Denkanstöße und Tipps geboten, um ihren Führungsstil zu analysieren und darauf aufbauend zu optimieren. Es werden bewährte Maßnahmen und Techniken zur effizienten Gestaltung und Beherrschung der vielfältigen Anforderungen im sich schnell verändernden technischen wie gesellschaftlichen Umfeld vorgeschlagen, die praxisgerecht im Führungsalltag eingesetzt werden können. Anzeige pm_04_2022.indb 48 pm_04_2022.indb 48 02.09.2022 13: 53: 20 02.09.2022 13: 53: 20 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0075 Mach bloß nicht alles, was Chef und Kunde verlangen! Die hohe Kunst des Falschmachens Patrick Schmid Für eilige Leser | Wer macht, macht Fehler-- meist ohne Absicht, jedoch frei nach Shakespeare: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Eine besonders perfide Methode sind „Die 4 Imperative des Falschmachens“. Erster: Mach am besten alles selbst! Wenn das Projektteam nicht liefern kann oder will. Anstatt MinderleisterInnen erst einmal dezidiert nach dem zu fragen, was sie aufhält oder schlicht zu insistieren. Zweiter: Mach alles, was Chef und Chefin wollen! Anstatt deren geniale Ideen zunächst auf den Backlog zu setzen oder auf den Hauptsatz des Agilen Projektmanagements zu verweisen. Dritter: Mach’s so wie immer! Anstatt alte Zöpfe abzuschneiden und rigide Regeln zu ignorieren, wofür es nur eine einzige Voraussetzung braucht. Und viertens: Mach, was die Kundschaft will! Anstatt zu dokumentieren und zu eskalieren. Schlagwörter | Imperative des Falschmachens, kalte Rückdelegation, Interventionen, Backlog, Agiles Projektmanagement, Mut zu Neuem, Claims Management, Eskalation In Projekten geht es im Endeffekt ums Machen? Das glauben viele. Tatsächlich geht es vorrangig um „Die 4 Imperative des Falschmachens“: Mach alles, was der Chef verlangt! Mach am besten alles selbst! Mach, was der Kunde will! Und: Mach alles so wie immer! Es gibt eine Menge kompetenter und erfahrener Expertenstimmen zum Thema Projektmanagement- - wir kennen sie alle. Doch in den letzten Monaten der permanenten Weltkrisen wuchsen mir bei Beratung und Training ganz andere Stimmen ans Herz: jene der Praktikerinnen und Praktiker in ihren ganz konkreten Projekten. Sie haben ganz reale, konkrete Probleme und Fragen, zu denen sie ad hoc pragmatische Lösungen erwarten. Ihr Pragmatismus ist dabei unübertroffen und artikuliert sich häufig in beißend-erheiterndem Sarkasmus. So kritisierte vor einiger Zeit eine gestandene Projektleiterin bei einem Konzern einen lieben Kollegen ironisch mitten im Seminar mit: „Vergiss doch dein Team, wenn es dir derart Ärger macht! Mach am besten alles selber! “ Der Seminarsaal brach in tosendes Gelächter aus. (Fast) alle erkannten sich darin wieder- - und steuerten spontan ihre eigenen „Imperative des Falschmachens“ bei: Was man beim Machen alles falschmachen kann. Wir betrachten im Folgenden vier dieser in der Praxis leider sehr verbreiteten „Kunststücke des Falschmachens“. Mach am besten alles selber! Weil, einleuchtende Begründung: Projektleiter oder Projektleiterin können es doch eh‘ am besten-- sonst wären sie nicht in dieser Position! Zumindest denken das viele von uns ganz spontan und leider auch regelmäßig, wenn sie im Projekt mit ansehen und vor allem erleiden müssen, was einige Kollegen und Kolleginnen so alles anstellen und abliefern. Manchmal zum Haare raufen! Einfach nicht gut genug- - oder viel zu spät. Oder beides. Die spontane, oft unreflektierte Schlussfolgerung vieler betroffener Managerinnen und Manager: Dann macht man’s doch lieber selber! Da weiß man wenigstens, dass es gut wird. Ist ja wohl klar! Wenn das so klar und logisch ist-- warum haben wir dann ein so ungutes Gefühl dabei? Zum einen: Vom Team hängen gelassen zu werden, macht kein gutes Gefühl. Zum andern: Sich die Aufgaben anderer aufzuhalsen-- dito. Überdies ist das die sicherste Art und Weise, sich in wenigen Jahren körperlich oder geistig-moralisch (oder beides) zu Tode zu arbeiten. Einmal davon abgesehen: Das macht keinen Spaß! Jedenfalls nicht nachhaltig. Der kurzfristige Nutzen langfristigen Ärgers Kurzfristig macht die Arbeitsübernahme durch Leiter oder Leiterin natürlich schon Spaß-- sonst würde es niemand mapm_04_2022.indb 49 pm_04_2022.indb 49 02.09.2022 13: 53: 22 02.09.2022 13: 53: 22 Wissen | Die hohe Kunst des Falschmachens 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0075 chen: Feuerwehrmann und -frau springen für das- - grob gesprochen-- versagende Teammitglied ein und ernten den verdienten Lorbeer fürs Retten vom Arbeitspaket des Kollegen oder der Kollegin! Doch langfristig? Burnout, Burn-on, Stressfraktur der eigenen Motivationsstruktur. Dafür ist so ein Projektteam auch nicht wirklich da: dass der Leiter oder die Leiterin ständig seine Versäumnisse ausbügeln. Umgekehrt ist ein Team auch nicht dazu da, uns immer wieder hängen zu lassen. Trotzdem übernehmen wir immer wieder (zu) viele Aufgaben der lieben Kollegen und Kolleginnen. Warum? Weil es nötig ist? Auf den ersten Blick: ja. Wenn wir jedoch eine ganz konkrete Rettungsaktion zum Beispiel in einer formellen Projektretrospektive betrachten, gestehen mir viele Feuerwehrmänner und -frauen hinter vorgehaltener Hand: „So nötig wie sich das akut anfühlte, war das rückblickend wohl doch nicht. Und jetzt gewöhnen sich einige im Team zu allem Unglück auch noch daran, dass ich ihnen alles abnehme, was ein wenig unangenehm ist! “ Also warum machen wir das? Wer (sich) fragt, der führt Weil wir es faktisch besser können? Manchmal schon, aber nicht so oft, wie wir anderer Leute Aufgaben erledigen. Wenn ich chronisch überlastete Projektleiterinnen und Projektleiter frage, ist die häufigste Antwort: „Gute Frage. Habe ich mich noch nie ernsthaft gefragt. Warum mache ich das eigentlich so oft? “ Das ist eine unangenehme Frage. Sie geht ans Eingemachte. Wenn an dieser Stelle also jemand aus Gründen der Schmerzvermeidung wegklicken oder überblättern möchte: vollstes Verständnis! Für alle anderen: Erkenntnis macht Gutes besser. Wenn wir ehrlich mit uns sind- - und auch das ist eine lohnende Übung-- erkennen wir früher oder später: Wir bürden uns zu oft zu viel selber auf, weil wir zu schnell schießen. Das ist in anderem Kontext eine Schlüsselkompetenz: Entschlussfreude, Tatendrang, schnelle Reaktion, Durchsetzungsfähigkeit, Macherqualität. Hier nicht. Im Gegenteil: Wir übernehmen nicht unbedingt zu viel, aber erfahrungsgemäß in fast allen Sündenfällen zu schnell. Zwei simple, aber effektive Tools Wir übernehmen auch noch diese zusätzliche Aufgabe; gestresst, frustriert, mit Bluthochdruck und aus der Hüfte schießend- - anstatt erst einmal denjenigen, der sie eigentlich übernommen hatte, zu fragen: „Was ist los? Warum schaffst du das nicht (rechtzeitig, im besprochenen Umfang)? Was bräuchtest du- - abgesehen von einem 28-Stunden-Tag- - damit du diese Aufgabe ins Ziel bringst? Hast du vielleicht den Aufwand unterschätzt, der in Wirklichkeit viel höher ist? Könntest du zumindest eine Light-Version erledigen? Wie könntest du’s doch noch irgendwie unterbringen? Zumindest zwei Drittel davon? Was hält dich auf und wie können wir das abstellen, überwinden, abmildern? “ Wenn derart nachhakende Leiterinnen und Leiter dann das restliche Drittel der Aufgabe übernehmen, ist das immer noch um zwei Drittel besser als die Totalübernahme. Anstatt führend zu fragen, könnte man auch insistieren: „Komm, lass mich nicht hängen! Lass das Team und das Projekt nicht im Stich! “ Fragen und Insistieren-- zwei nützliche und vor allem einfache Techniken, die vor zu schnell übernommener kalter Rückdelegation schützen. Manchmal höre ich aus der Praxis: „So einfach soll das gehen? Glaube ich nicht! “ Dann rege ich an, doch einfach eine Strichliste zu führen: Wann funktioniert das? Wann nicht? Hinterher stellen wir dank Strichliste in der Regel fest: Das nützt wohl. Wie es eine Projektmanagerin im Seminar formulierte- - und spontan Beifall erhielt: „Selbst wenn das nur in der Hälfte der Fälle wirkt, fahre ich damit um die Hälfte besser und vor allem entlasteter als vorher! “ Unter uns gesagt: Es funktioniert in weitaus mehr als 50 Prozent der Anwendungen. Und alle sind zufrieden: Projektleiterin und Projektleiter werden entlastet, das Projekt kommt schneller voran und auch der Kollege, der uns ohne diese kleine Intervention hätte hängen lassen, ist zufriedener. Denn keiner, der uns hängen lässt, ist darüber wirklich glücklich (Sadisten sind seltener als man glaubt). Fragen und Insistieren sind lediglich zwei kleine Interventionen, um Stress und Überlastung der Projektleitung zu verhindern und Projekte zu beschleunigen. Es gibt etliche mehr, deren Diskussion hier den Rahmen sprengen würde. Wichtig ist allein: Niemand braucht spontan einzuspringen und die Arbeit anderer zu übernehmen-- wenn interveniert wird. New Africa - stock.adobe.com pm_04_2022.indb 50 pm_04_2022.indb 50 02.09.2022 13: 53: 23 02.09.2022 13: 53: 23 Wissen | Die hohe Kunst des Falschmachens 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0075 Mach alles, was Chef oder Chefin wollen! Wenn Chef oder Chefin einen klaren Auftrag erteilen, führt man ihn aus. Natürlich. Im normalen Arbeitsleben. Deshalb meinen viele Projektmanagerinnen und -manager, dass das auch im Projekt so sein muss. Ein verständlicher, aber immer noch ein Irrtum. Einer unserer Klienten, erfolgreicher Bereichsleiter, erzählt: „Jedes Mal, wenn ich mit unserem Geschäftsführer von der Zentrale in eines unserer Werke fahre, steige ich mit drei neuen Projekten aus dem Auto! Und auf der Rückfahrt: dito! Wir sind völlig überlastet. Was soll ich machen? “ Der beste Rat ist spontan einleuchtend, aber auf den ersten Blick erschreckend: Mach es nicht! Wer immer alles macht, was Chef oder Chefin sagen, produziert unweigerlich eine galoppierende Überlastung seines Teams und seiner selbst und damit Projekt-Pannen und Fehler aus reiner Überlastung. Genau genommen passieren diese Pannen und Fehler nicht, weil man macht, was Chef oder Chefin sagen, sondern weil man es zu schnell macht. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen „schnell“ und „zu schnell“. Wer zu schnell ist, macht Fehler. Den häufigsten dieser Fehler haben alle, die im Projektmanagement arbeiten, schon (mindestens) einmal erlebt: Die Projektmanagerin oder der Projektmanager kommen nach den ersten Projektwochen zu Chef oder Chefin, präsentieren stolz die ersten Ergebnisse und ernten nicht das verdiente Lob, sondern einen verdutzten bis verärgerten Kommentar: „So habe ich mir das aber nicht vorgestellt! “ Warum? Zu schnell losgelaufen. Zu schnell gemacht, was Chef oder Chefin wollten-- ohne genau zu klären, was genau er oder sie will. Hektik ist nicht Schnelligkeit Warum legen wir oft zu schnell los? Am häufigsten höre ich aus der Praxis: „Eben weil es der Chef ist! Da fackelt man nicht lange- - da macht man! “- - „Bei diesem Termindruck muss das zackzack gehen, da kannst du nicht lange überlegen! “-- „Ich war von der Idee so begeistert, dass ich spontan losgelegt habe! “ Das sind gute Gründe? Nein. Das sind Versuchungen. Eine Projektleiterin bei einem Anlagenbauer hat diese Versuchung durchschaut; sie sagt: „Ich muss mir das verkneifen. Ich darf nicht jedes Mal sofort ein Projekt starten, wenn unsere Abteilungsleiterin eine geniale Idee hat. Denn diese Schnellschüsse produzieren unheimlich viele Projektleichen. Wir starten und starten- - und machen nicht die Hälfte der gestarteten Projekte fertig! “ Wie man Chefs und Chefinnen fragt „In Ehrfurcht erstarren“ ist ein geflügeltes Wort. Im Projektmanagement passiert oft das Gegenteil: Die Geschäftsführung hat eine Idee? Da legen viele vor Ehrfurcht blitzbeschleunigt los. „Wenn die Geschäftsleitung das will, muss man das machen! “ Nein, muss man nicht. Nicht machen, sondern hinterfragen. Auftragsklärung. Mit zwei Arten von Fragen. Die erste Frage ist generell: Meinen Chef oder Chefin wirklich ein Projekt-- oder haben sie „nur“ eine gute Idee? Wer seine Vorgesetzten kennt, erkennt das meist, wenn er oder sie kurz nachdenkt, anstatt gleich loszulegen. Wer ihn oder sie nicht so gut kennt, findet es mit folgender Ankündigung heraus: „Tolle Idee! Die setze ich sofort auf unsere Ideen-Liste! “ Manche sagen dazu auch: „unser Backlog- - für später“. Denn: Manchmal ist eine gute Idee einfach nur eine gute Idee und manche Führungskraft bedankt sich sogar für den Eintrag in die Ideen-Liste. Wenn nicht, wird sie sofort aufklären: „Das ist nicht bloß eine Idee-- da müssen wir was machen! “ Also doch: Projekt. Aber eben erst dann. Schon allein mit diesem Tool reduzieren Sie die Anzahl der neuen Projekte und damit Ihre Überlastung. Die zweite Art der Fragen-… …-ist für den Fall, dass die Führung tatsächlich ein Projekt anstoßen möchte. Dann legt man ebenfalls nicht gleich los, sondern fragt nach, damit man in die richtige Richtung losrennt: Was wollen wir mit dem Projekt erreichen? Wofür genau brauchen wir es? Womit messen wir den Erfolg? Wie passt das Projekt in die Landschaft vorhandener Projekte? Welche (spontan korrekturwürdigen) Vorstellungen hat die Führung von den nötigen Kapazitäten und Ressourcen? Wer diese Fragen (und einige andere) nicht stellt, ist garantiert zu schnell. Wer dagegen auf diese Weise fragt, reduziert die Anzahl der tatsächlichen neuen Projekte mit minimalem Aufwand optimal. Was wäre maximal? Agiles Projektmanagement: Immer nur eines! Das Maximum der Entlastung bietet das agile Credo: Mach immer nur ein Projekt, mach es fertig- - und dann erst das nächste! Fang (jeweils pro Projektleiter und -team) niemals mehrere gleichzeitig an! Ja, das ist extrem oder eben agil. Und ja, es gibt tatsächlich Unternehmen, die das so machen-- und es sind nicht nur Start-ups. Auch immer mehr klassische Unternehmen folgen diesem agilen Hocheffizienz-Credo. Die abgeschwächte Version lautet: Fang nie zu viele simultan an! Das ist der Lean-Ansatz. Dann startet man eben nicht 50 Projekte auf einmal, sondern erst einmal 20 und danach die nächsten 20. Fazit: Eile mit Weile Jede innovative Führungskraft hat generell mehr Ideen als Kapazitäten, also sollten er, sie oder spätestens Projektleiterin oder Projektleiter priorisieren und fokussieren-- und nicht spontan losrennen. Manchmal muss man eine gute Idee einfach nur eine gute Idee sein lassen. Mach’s so wie immer! Wir alle machen das gelegentlich. Wir folgen im Projekt leider oft wider besseres Wissen und zähneknirschend unnötigen, oft unsinnigen, zeitraubenden, überkommenen und starren Vorgaben, Regelungen oder Gewohnheiten mit meist üblen Folgen: Zeitverlust, Ressourcenverschwendung, Selbstsabotage, Misserfolg, Frust, Stress. Wenn die Folgen so klar absehbar sind-- warum machen wir das dann? Weil es in aller Regel- - denken, hoffen und fühlen wir- - besser ist, etwas Altbewährtes, Gewohntes, das nicht wirklich auf die aktuelle Situation und Aufgabenstellung passt, stur zu wiederholen, als uns auf sachlich dringend angeratenes pm_04_2022.indb 51 pm_04_2022.indb 51 02.09.2022 13: 53: 23 02.09.2022 13: 53: 23 Wissen | Die hohe Kunst des Falschmachens 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0075 Neuland zu wagen. Selbst wenn alles in uns schreit: Du musst dir was Neues einfallen lassen! Das Alte funktioniert hier garantiert nicht! Warum machen wir dann nicht etwas Neues? Gewohnt schlägt sinnvoll Grob gesagt: Wir begehen lieber eine kolossale Zeit- und Ressourcenverschwendung mit einer alten Gewohnheit, Vorschrift, Routine oder Methode, anstatt etwas Neues zu wagen, das sehr viel sinnvoller wäre. Wir ertragen einen Fehler beim Alten eher als einen Erfolg beim Neuen. Denn Neues empfinden viele deutlich bedrohlicher als Altes. Zwar braucht diesen alten Ballast faktisch niemand- - aber wer weiß, was passiert, wenn ich ihn tatsächlich weglasse! Schlimmer: Wer weiß, was ein (vorgesetzter) Prinzipienreiter mir vorwirft, wenn ich eine fallweise unsinnige Regelung einfach ignoriere! Also setzen wir wieder zwei, drei, vier Tage dran, verlieren Zeit, opfern Ressourcen und gefährden den nächsten Meilenstein, aber Hauptsache: Alles so gemacht wie immer! Das ist dem Mutlosen wichtiger als fast alles andere. Wenn das so ist, liegt die Lösung nahe: Mut zu Neuem Mut zur Lücke, Mut zum weniger ist mehr, zum Weglassen, zum Abschneiden alter Zöpfe. Mut dazu, bei diesem konkreten Projekt, dieser spezifischen Aufgabe, diesem bestimmten Arbeitspaket wirklich nur das zu machen, was im gegebenen Fall geboten und angemessen, verhältnismäßig, sinnvoll und vor allem effizient ist. Mach, was nötig ist-- nicht mehr. Dinge, die noch vor drei Jahren sinnvoll waren, sind es heute womöglich nicht mehr. Also weg damit! Das ist doch gerade Kern der agilen Philosophie: Wir sind so schnell, so flexibel und so gut wie nur möglich, eben weil wir keinen Ballast mitschleppen. Uns fehlt es nicht an Kompetenz, sondern gelegentlich an Mut. Wenn ich das so formuliere, merke ich in Coaching, Beratung und Seminar schnell: Alle horchen auf. Weil alle Angst haben, alte Routinen zu ignorieren. Doch wenn man nicht die Angst thematisiert, sondern den Mut, alte Zöpfe abzuschneiden, merkt jeder förmlich, wie der Mut wächst. Man kann sich selbst auch mutig reden, mutig denken. Es hilft dabei die Unterstützung der Peer Group-- oder von einem Mentor, einer Mentorin. Wird Mut thematisiert, fallen Praktikerinnen und Praktikern oft erstaunliche Geschichten ein. Geschichten, die Mut machen Um nur eine herauszugreifen; die Geschichte einer Projektleiterin, die lange unter der Entscheidungsarthrose ihrer Organisation litt: Wann immer sie eine Entscheidung brauchte, wartete sie Tage darauf, was die Projekte in Summe Wochen kostete, für die sie nichts konnte, für die sie aber am Ende geradestehen musste. Jedes Mal schickte sie die Entscheidungsgrundlage los und bat um eine schnelle Entscheidung-- und wartete. Und wartete. Nachdem sie sich Mut geholt hatte, schnitt sie den alten Zopf ab. Sie bittet heute nicht mehr um Erlaubnis. Sie mailt oder sagt dem Verantwortlichen, wie die Lage ist, welche Optionen offenstehen und für welche sich das Team entschieden hat. Mit der Anfügung: „Wenn Sie eine andere Option vorziehen, bitte ich um schnellstmögliche Rückmeldung, da wir, um Zeit zu sparen, bereits die gewählte Option aktiviert haben.“ Die Verantwortlichen toben vor Wut, weil sie sich übergangen fühlen? Das war die Angst einiger im Team. Und exakt das war sie: eine Angst. Keine Tatsache. Tatsächlich sagen die meisten Verantwortlichen heute: „So geht’s doch auch. Und so geht’s schneller. Wenn ich nicht einverstanden bin, kann ich ja immer noch widersprechen.“ Das alte Genehmigungsverfahren wurde durch das neue Widerspruchsverfahren ersetzt. Ganz informell. Die Projekte sind seither um Wochen schneller. Mut lohnt sich Immer. Selbst wenn mutiges Neues mal einen Fehler produziert, weil es so mutig und neu ist: Alle fühlen sich danach besser- - weil sie mutig, eigenständig und innovativ waren! Mut belohnt sich praktisch selbst. Mach alles, was der Kunde will! Es gibt Kundschaft, die ist bei der Endabnahme nie zufrieden. Eigentlich hast du alles geliefert, was versprochen war, aber der Kunde oder die Kundin will noch etwas und danach noch etwas und so weiter. Bei externer Kundschaft ist das besonders ärgerlich, weil es die Endabnahme verzögert und damit verzögert sich auch die Zahlung, was bereits einen starken Hinweis auf das eigentliche Ziel gibt: Kundin oder Kunde wollen Zeit gewinnen, um nicht sofort zahlen zu müssen. Deshalb reiten sie auf Kleinigkeiten herum und suchen nach Stellen im Projekt, wo irgendetwas sein oder gewesen sein könnte. Eine Projektleiterin hat aktuell so einen Kunden und klagt: „Wir arbeiten im Projekt schon seit zwei Monaten kostenlos nach-- wer soll das bezahlen? “ Wer kann es sich leisten, der unbezahlte Sklave seines Kunden zu sein? Die eigenen Leute wollen schließlich auch bezahlt werden und womit, wenn der Kunde nicht zahlt, sondern immer noch Nachforderungen stellt? Also was tun? rangizzz - stock.adobe.com pm_04_2022.indb 52 pm_04_2022.indb 52 02.09.2022 13: 53: 23 02.09.2022 13: 53: 23 Wissen | Die hohe Kunst des Falschmachens 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0075 Was ist überhaupt vereinbart worden? Erschreckend oft höre ich auf diese Frage eine Antwort, die beginnt mit: „Ich glaube, wir haben damals gesagt, dass-…“ Wieso „glauben“? Und wieso „gesagt“? Warum nicht „wissen“ und „geschrieben“? Ohne eine klare Antwort darauf haben wir bei renitenter Kundschaft keine Chance. Da steht gesprochenes Wort gegen gesprochenes Wort und da verlieren wir, weil die Kundschaft im Endeffekt nicht zahlt. Sie sitzt am längeren Hebel. Gewinnen kann nur, wer etwas Schriftliches hat und das möglichst umfangreich, konkret und präzise. Ich kann nicht fassen, wie oft so eine schriftliche Vereinbarung fehlt oder unzureichend verfasst wurde. Warum? Weil viele Verantwortliche denken: „Wir verstehen uns doch! Ist ja eigentlich auch alles klar, ist ein reines Routine-Projekt! “ Doch das nützt nichts, wenn auf Kundenseite nur ein einziger Verantwortlicher wechselt- - dann gilt plötzlich nichts mehr von dem, was eben noch so klar war. Wie das Sprichwort sagt: Wer schreibt, der bleibt-- von unberechtigten Nachforderungen verschont. Harte Bandagen! Bei manchen Kundinnen oder Kunden wird schnell klar: Der oder die legt es wirklich darauf an! Was dann? Dann gelten die harten Regeln des Claims Management. Zum Beispiel: „Sofort Gegenrechnung aufmachen! “ Der Kunde droht beispielsweise: „Ich ziehe euch was ab! Ihr habt im Umfang X zugesagt, aber dann zwei Wochen zu spät geliefert! “ Harte Gegenrechnung: „Weil ihr eine Woche zu spät den vorausgegangenen Meilenstein freigegeben habt und wir danach eine Woche warten mussten, bis wieder Kapazität frei war! “ Und wieder gilt: Nicht behaupten, sondern belegen! Zum Beispiel: „Sehen Sie hier die Aktennotiz vom 18.4., gegengezeichnet von Ihrem Herrn Müller! “ Dokumentation ist alles. Schön, wenn man sie nicht braucht, aber wenn man sie braucht, ist man ohne aufgeschmissen. Eskaliere! Erfahrene Projektleiter eskalieren recht schnell. Sie eiern nicht lange mit dem renitenten Kunden herum, sondern geben nach oben ab. Sie erkennen ab einer bestimmten Konfliktschärfe ihre Grenzen und holen die Kavallerie. Wie ein Projektleiter es formuliert: „Dann habe ich das vom Tisch und muss mich nicht mehr drüber aufregen. Genau dafür haben wir den Geschäftsführer, dafür wird er bezahlt, das übersteigt meine Gehaltsklasse.“ Die Trivialität der Wirklichkeit Es macht Freude, ist unglaublich erhellend und vor allem lohnend, sich mit den ganz konkreten und realen Problemen von Projektführungskräften auseinanderzusetzen. Vor allem, wenn sie in so unterhaltsam-ironischer Artikulation wie die „Imperative des Falschmachens“ aus der Praxis tönen. Manchem Experten mögen sie trivial erscheinen- - den betroffenen Führungskräften ganz sicher nicht. Sie erwarten Lösungen. Sie verdienen sie. Eingangsabbildung: © Krakenimages.com - stock.adobe. com Patrick Schmid Patrick Schmid, Dipl.-Ing., PMP, ist Gesellschafter und Geschäftsführer von PS Consulting. Seit über 25 Jahren berät und schult er Unternehmen und Projektleiter aus den unterschiedlichsten Branchen im erfolgreichen Projektmanagement. Er hält weltweit Seminare und Vorträge und ist Autor verschiedener Bücher, wie z. B. „Erfolgreiches Projektmanagement: einfach- - praktisch- - agil“. In diesem Jahr feiert die PS Consulting GmbH ihr 25-jähriges Jubiläum. Seit Patrick Schmid die inzwischen vielfach zertifizierte Beratung 1997 zusammen mit seiner Ehefrau Ulrike Reißer gründete, ist ihr Stab dank anhaltenden Erfolgs auf 25 Trainer, Berater und Mitarbeiter angewachsen. Internet: www.psconsult.de eMail: info@psconsult.de Telefon: 07 456 7957 260 pm_04_2022.indb 53 pm_04_2022.indb 53 02.09.2022 13: 53: 23 02.09.2022 13: 53: 23 Modelle, Methoden und Instrumente der Projektdiagnose praxisnah vermittelt uvk.de uvk.de pm_04_2022.indb 54 pm_04_2022.indb 54 02.09.2022 13: 53: 32 02.09.2022 13: 53: 32 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0076 Interview mit Johanna Sieben, PL des Creative Bureaucracy Festivals Sarah Khayati, Maximilian Hahn Das Creative Bureaucracy Festival ist das größte Festival für Verwaltungsinnovation. Über 1.000 nationale und internationale kreative Bürokratinnen und Bürokraten sowie Changemaker und über 150 Speaker aus 36 Ländern nahmen am 2. Juni im Berliner Radialsystem an der Veranstaltung teil. Die GPM beteiligte sich erneut als Programmpartnerin, um das Potenzial von Projektmanagement für kollaborative Innovation im Öffentlichen Sektor und die Bewältigung gegenwärtiger und anstehender Transformationsprozesse zu verdeutlichen. Wir haben mit Johanna Sieben, der Projektleiterin des Festivals gesprochen: Liebe Johanna, wieso ein Festival für kreative Bürokratie? Ein Festival für die kreative Bürokratie war lange überfällig, denn der Öffentliche Sektor ist viel kreativer als wir alle denken! Wir wollen die Kreativität im öffentlichen Sektor fördern und ein Netzwerk bauen, durch welches Personen und Projekte miteinander vernetzt werden und dadurch voneinander lernen und profitieren können. Kreative Problemlösungen, kreative und mutige Herangehensweisen braucht der Öffentliche Sektor ganz dringend um die großen Probleme unserer Zeit angehen zu können. Wir wollen den Innovator: innen eine Bühne und eine Stimme geben, Innovation feiern, radikale neue Wege ausprobieren und die Energie des Öffentlichen Sektors wecken, um eine positive Transformation anzustoßen. Oder, um es mit den Worten unseres Festivalpräsidenten Charles Landry zu sagen: Eine Bewegung von einer „nein, weil-…“ zu einer „Ja, wenn-…“- Kultur anstoßen. Ihr schaut nicht nur bundesweit, sondern auch international, über den Tellerrand und auf Strukturen, Herausforderungen und Herangehensweisen von Verwaltungen auf der ganzen Welt. Steht die deutsche Verwaltung da vor mehrheitlich individuellen Problemen oder sind die Herausforderungen überall gleicher Natur? Es ist sehr spannend zu sehen, wie sich einige Herausforderungen im Vergleich sehr ähneln, andere sich jedoch eklatant unterscheiden. Eine besondere Herausforderung in Deutschland ist natürlich die Digitalisierung, die ja nicht immer ganz reibungslos abläuft und bei welcher es enorme Hindernisse gibt, die diese auch teils stark ausbremsen. Und gerade da ist der internationale Austausch großartig, weil man sehen kann, wie Hindernisse in anderen Ländern überwunden werden und welche Inspiration wir in Deutschland aus diesen Projekten ziehen können, aber auch erkennt, wo die Grenzen liegen. Dänemark steht beispielsweise an einem ganz anderen Punkt beim Thema Digitalisierung, aber die Gesetzeslage z. B. beim Thema Datenschutz ist auch eine völlig andere. Und genau da anzusetzen und kreative Lösungen durch internationale Inspiration zu finden, ist unglaublich spannend. Ein Thema, welches gerade alle Verwaltungen weltweit fast gleichermaßen beschäftigt, ist der Umgang mit dem Klimawandel. Das ist eine Herausforderung, der sich der öffentliche Sektor überall stellen muss, jedoch sind die konkreten Projekte oft sehr individuell, da sich die örtlichen Gegebenheiten sehr unterscheiden. Der internationale Austausch ist etwas, was unser Festival enorm bereichert, da wir immer wieder bemerken, dass wir trotz aller Unterschiede am Ende alle am gleichen Tisch sitzen, vor den gleichen Herausforderungen stehen und wir gemeinsam am meisten erreichen können. pm_04_2022.indb 55 pm_04_2022.indb 55 02.09.2022 13: 53: 33 02.09.2022 13: 53: 33 Wissen | Interview mit Johanna Sieben, PL des Creative Bureaucracy Festivals 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0076 Die GPM begleitet das Creative Bureaucracy Festival seit 2019. In diesem Jahr haben wir unsere Zusammenarbeit intensiviert, um die Bedeutung professioneller Projektmanagement-Strukturen in der Öffentlichen Verwaltung noch stärker in den Fokus zu rücken. Wie sehr gehören Projektkultur und begleitende Umsetzungskompetenzen zu einer modernen und zukunftsfähigen Verwaltung? Wir sehen sehr deutlich, dass eine Projektkultur Veränderung fördert und dazu führt, dass Kompetenzen sehr zielgerichtet eingesetzt werden können und die Verwaltung schnell in aktives Handeln übergehen kann. Natürlich steht die öffentliche Verwaltung hierbei vor ganz anderen Herausforderungen, als es z. B. ein Start-up tut, aber genau deswegen freuen wir uns zu sehen, wie an vielen Stellen Voraussetzungen geschaffen werden, in denen professionelle Projektmanagement-Strukturen etabliert werden können. Die Zukunft wird von uns allen noch wesentlich mehr Flexibilität fordern und um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Systeme etabliert werden, um diese Flexibilität zu ermöglichen. Dabei ist es natürlich sehr wichtig, dass diese Strukturen und Veränderungen sensibel eingeführt werden. Keine Verwaltung wird von einem auf den anderen Tag agiles PM einführen und damit glücklich sein. Deswegen ist es wichtig, dass Veränderungen begleitet werden und Vorgehensweisen systematisiert werden. Ich bin davon überzeugt, dass in vielen Bereichen die Projektarbeit und eine Projektkultur Herausforderungen vereinfacht, umsetzbarer macht und große Projekte überschaubar werden. Durch einen sinnvollen Einsatz von Ressourcen kann mithilfe von Projektarbeit Silodenken überwunden und Veränderung kann greifbar und machbar werden. Wenn ich mir die Frage stelle, wie das Problem der Digitalisierung gelöst werden kann, werde ich natürlich keine Antwort finden. Wenn ich aber das Projekt „Online Anmeldung von Eheschließungen“ aus Wiesbaden anschaue, sehe ich wie durch die Arbeit in Projekten innerhalb von kürzester Zeit eine fassbare Veränderung passiert ist und das motiviert und inspiriert natürlich unglaublich. Gibt es Projekte aus dem Öffentlichen Sektor, die dich ganz besonders beeindruckt haben? Welche Faktoren machen Deiner Ansicht nach den entscheidenden Unterschied? Mich beeindrucken vor allem die Projekte, die den Menschen ins Zentrum stellen und die eine direkte Veränderung bewirken. Natürlich sind auch die großen Prozesse und Entwicklungen wichtig, aber zu sehen, wie ein Projekt eine direkte Veränderung bewirken kann, ist großartig, macht Mut, weckt Hoffnung und gibt anderen ein Gefühl von „Ich kann das auch“. Ich glaube, dass dieses Empowerment einer der Schlüssel zu einer gelungenen Transformation ist. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat z. B. ein übergreifendes Team von agilen Coaches gebildet, welches die Transformationsvorgänge begleitet und dort kann man einen sehr konkreten Impact erkennen: Die Mitarbeitenden erhalten Handwerkszeug, welches ganz konkret in der eigenen Abteilung einsetzbar und direkt praktisch anwendbar ist und so wird Veränderung spürbar und erlebbar und man wird selber ein Teil der Veränderung anstatt von außen zuzuschauen. Ein anderes sehr beeindruckendes Projekt ist „Zero Malaysia“, eines unserer Gewinnerprojekte aus unserem Digital GPM Key-Note von Astrid Beger, Fachgruppenleiterin Bau- und Infrastruktur pm_04_2022.indb 56 pm_04_2022.indb 56 02.09.2022 13: 53: 33 02.09.2022 13: 53: 33 Wissen | Interview mit Johanna Sieben, PL des Creative Bureaucracy Festivals 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0076 Kick-off Day, dessen Initiatorinnen wir auch beim Live Festival begrüßen durften. ZWM erarbeitet simple und anwendbare Ressourcen, die den Bürger: innen einen Zero Waste Lifestyle näherbringen. Diese Ressourcen sind extrem lösungsorientiert, anwendbar und lokal, sodass ein Transfer ins eigene Leben sehr direkt stattfinden kann. Für mich sind zentrale Faktoren für gelungene Projekte deren Anwendbarkeit und Umsetzbarkeit, was nicht bedeutet, dass diese Projekte nicht sehr komplex sind. Aber es muss möglich sein, ein Projekt, dessen Nutzen und dessen Use Case in einem Satz zu erklären, auch für Menschen, die sich mit dem Thema noch nicht intensiv beschäftigt haben. Mit dem Creative Bureaucracy Festival organisiert ihr regelmäßig eine Veranstaltung mit mehr als 1.000 Teilnehmenden und einem zweisprachigen Programm mit Speakern aus rund 36 Ländern. Wie ist Euer Team aufgestellt? Arbeitet ihr in Projektstrukturen und nutzt begleitende Methoden? Unser Team arbeitet sehr stark mit den Methoden des agilen Projektmanagements, vor allem Scrum, nutzt aber auch Tools des klassischen PMs. Für mich als Projektleitung sind Projektmanagement-Strukturen großartig, um einerseits ein so komplexes Projekt sinnvoll zu strukturieren, so dass das Team gut arbeiten kann und andererseits, um die Interessen Die GPM und ihr Präsidium vor Ort von links nach rechts: Claudia Jahnke, Julia Branske, Sabine Kapsammer, Maximilian Hahn, Sarah Khayati, GPM Präsident Prof. Peter Thuy, Astrid Beger, Lukas Jochum Grußwort zur Eröffnung von Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramts pm_04_2022.indb 57 pm_04_2022.indb 57 02.09.2022 13: 53: 34 02.09.2022 13: 53: 34 Wissen | Interview mit Johanna Sieben, PL des Creative Bureaucracy Festivals 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0076 aller Beteiligten wahrzunehmen. Es kann natürlich erst einmal überfordern, wenn man gleichzeitig ein Bühnenbild verantwortet, Speaker: innen aus Mexiko einfliegen muss und ein Hygienekonzept entwickelt, aber durch das Aufteilen in Arbeitspakete und einen klaren (aber flexiblen! ) Projektplan, wird es übersichtlich. Das Projekt in kleinere Teilprojekte herunterzubrechen, welche jeweils von derjenigen Person mit den größten Kompetenzen in diesem Bereich eigenständig verantwortet wird, bietet uns die Möglichkeit, alle Ressourcen bestmöglich zu nutzen und öffnet Türen der Weiterentwicklung für alle Mitarbeitenden. Gegenwärtige und anstehende Transformationsprozesse setzen Verwaltungen unter großen Druck. Ein Schlüssel für gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit liegt in unserer Kompetenz, Veränderung zu gestalten und Ideen und Initiativen umzusetzen-- in Projekten. Um den Wandel gemeinwohlorientiert zu gestalten, braucht es eine Kultur des gemeinsamen Erfolgs, den Aufbau organisationaler und individueller Kompetenzen auf allen Ebenen, förderliche Rahmenbedingungen-- und vieles mehr. Welche zentralen Anknüpfungspunkte und Potenziale siehst du vor diesem Hintergrund für die Partnerschaft mit dem CBF? Welche Schwerpunkte setzt oder plant ihr in den kommenden Jahren bzw. in 2023? Krisen sind ja auch immer ein Motor von Transformation. Sowohl wir als Individuen als auch die öffentliche Verwaltung haben gar keine andere Wahl mehr, als uns den Herausforderungen zu stellen. Die Herangehensweisen von gestern lösen nicht die Probleme von morgen und um ehrlich zu sein, oft nicht einmal die von heute. Wir sehen immer wieder, dass Kollaboration und Kooperation Themen sind, die alle bewegen und die auf große Resonanz stoßen. Abteilungsübergreifend Erfolge zu feiern, gemeinsam Veränderung anzustoßen und in Zusammenarbeit Kompetenzen zu entwickeln sind Erfolgsfaktoren, die nachhaltige Veränderung beeinflussen und stabile Strukturen für die Zukunft bauen. Das gelingt sehr oft mit der Projektarbeit und genau diese Umsetzbarkeit wollen wir weiter fördern und feiern. Wir als Creative Bureaucracy Festival freuen uns, dass wir diese Dinge gemeinsam mit unseren Partnern auf die Beine stellen können, oder mehr als das: Creative Bureaucracy, das sind nicht nur die Personen hinter den Kulissen, das sind wir alle, die ein Teil davon sind und sein wollen. Gemeinsam mit unseren Partnern können wir noch radikaler denken, in verschiedenen Formaten neue Ideen entwickeln und neue Wege gehen und weiterhin, so wie Astrid Beger im GPM Main Stage Beitrag dieses Jahr, den Menschen ins Zentrum stellen. Wir wollen den Erfolgen und dem Scheitern einen Raum geben. Wir wollen noch konkreter erarbeiten, wie Rahmenbedingungen für Veränderung geschaffen werden können und Methoden erforschen, wie diese gestaltet werden können. 2023 wird sicherlich ein herausforderndes Jahr werden: steigende Energiepreise, politisch angespannte Situationen, fortschreitender Klimawandel und ein Gesundheitssystem, das unter Druck steht, sind Themen, die uns begleiten werden. Und genau da wollen wir hinsehen: Welche Projekte haben innerhalb schwieriger Bedingungen Erfolge gefeiert und neue Wege eröffnet, diese Probleme anzugehen? Wo ist durch mutige und radikale Entscheidungen Veränderung möglich gemacht worden und wie kann heutzutage Stabilität, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit für alle gemeinsam angegangen werden? Wir sind gespannt auf tolle Projekte, auf unerwartete Tools und Methoden und auf neue Wege der Zusammenarbeit! Links zum Interview: creativebureaucracy.org/ discover/ videos/ rund-um-dasja-wort-alles-online-die-anmeldung-der-eheschliesung-mitvideoident/ creativebureaucracy.org/ discover/ videos/ der-ruf-nach-demwerkzeugkoffer-die-agile-coaches-des-bmas-packen-aus/ creativebureaucracy.org/ discover/ videos/ inspiring-citizensto-live-sustainably-how-malaysians-do-it/ Eingangsabbildung: Johanna Sieben, Projektleitung Creative Bureaucracy Festival Weitere Informationen zum Creative Bureaucracy Festival und der Main Stage Beitrag der GPM auf der Homepage: www.creativebureaucracy.org Johanna Sieben Johanna Sieben ist seit März 2021 beim Creative Bureaucracy Festival, seit Juni 2021 als Projektleitung. Davor führte sie 5 Jahre ihr eigenes Unternehmen im Bereich Relocation. Johanna ist Geisteswissenschaftlerin und Scrum Master und hat einen Hintergrund im agilen Projektmanagement. Zusammengefasst also: professionelle Problemlöserin. Sarah Khayati Sarah Khayati ist studierte Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlerin. Bildung als prägende Komponente einer zukunftsfähigen Gesellschaft beschäftigt sie besonders. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Projektorientierung. Charakterisiert durch interdisziplinäres und kollaboratives Arbeiten sind Projekte schließlich ganz besonders geeignet, um mit immer komplexer und dynamischer werdenden Anforderungen umzugehen. Sarah Khayati leitet seit 2016 als Sprecherin die Stabstelle Bildung der GPM. Bis Juli 2022 hat Sie die GPM Stabstelle Public Affairs kommissarisch verantwortet. Maximilian Hahn Maximilian Hahn studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Politische Systeme & Europa. Seit 2020 ist er für die GPM in der Stabsstelle Public Affairs tätig. Seit Oktober 2021 betreut er als Politischer Referent operativ und inhaltlich unterstützend die Veranstaltungsbeteiligungen der Stabsstelle sowie weitere Aktivitäten im Rahmen des Aktionsprogramms „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“. pm_04_2022.indb 58 pm_04_2022.indb 58 02.09.2022 13: 53: 34 02.09.2022 13: 53: 34 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0077 Die GPM und die PM-ZERT feiern über 100.000 ausgestellte IPMA Zertifikate Im Fokus dieser Ausgabe: Linda Kröger, die 100.000. Zertifikatsinhaberin. Eine GPM Zertifizierung bescheinigt Projektmanagementwissen auf allerhöchstem Niveau. Sie ist nicht nur international anerkannt und genießt hohes Ansehen vom entscheidenden Personenkreis. Eine Zertifizierung nach dem IPMA Standard bescheinigt auch, zu den über 100.000 Menschen zu gehören, die in Deutschland und weltweit Verantwortung, Kompetenz, Werte und Integrität in ihre Projekte hinaustragen und damit die Projekte von morgen sicher und erfolgreich steuern können. Im Mai 2022 hat die PM-ZERT, die unabhängige Zertifizierungsstelle der GPM, ihr 100.000. Zertifikat nach dem IPMA Standard ausgestellt. Die GPM und die PM-ZERT gratulieren GPM Schnuppermitglied Linda Kröger, die sich neben bestandener IPMA Level C Prüfung auch über den Titel „100.000. Zertifikatsinhaberin“ freuen darf. Zu diesem besonderen Anlass haben wir Frau Kröger ein Kombiticket für das Neue PM Forum 2022 geschenkt und ihr bei dieser Gelegenheit gleich ein paar Fragen rund um das Thema Projektmanagement gestellt. Im Interview erzählt die junge IT-Projektleiterin was Projektmanagement für sie persönlich bedeutet und wohin sich diese Disziplin ihrer Meinung nach entwickeln sollte. Frau Kröger, was möchten Sie den Leserinnen und Lesern über sich erzählen? Linda Kröger: Ich wohne in Münster, bin 27 Jahre alt und bei der Firma Communardo als IT-Projektleiterin und Business Consultant tätig. Menschen in meinem Umfeld würden mich als strukturierte und fokussierte Person beschreiben, die andere gerne begeistert, mitzieht und die Dinge konkret werden lässt. Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen und seit wann und weshalb sind Sie GPM Mitglied? Mein Weg zum Projektmanagement hat sich eher zufällig nach meinem dualen Studium der Wirtschaftsinformatik ergeben. Ich habe mit der Zeit bemerkt, dass es mir im Gegensatz zu anderen sehr leicht fällt, Strukturen zu schaffen, Pläne zu verfolgen und Teams anzuleiten- - und dass es mir auch noch Spaß macht. So habe ich begonnen, Projekte zu leiten und das Projekt- und Projektportfoliomanagement intern mit aufzubauen. In Projekten bin ich diejenige, die dafür sorgt, dass die verschiedenen Zahnräder ineinandergreifen. Dazu gehört z. B., dass „Mensch“ und „IT“ gemeinsam betrachtet und Erwartungshaltungen verschiedener Zielgruppen integriert werden. Auch durch die Komplexität im IT-Umfeld gehört die IPMA Zertifizierung bei Communardo zum Werkzeugkasten der Projektleiterinnen und Projektleiter, daher habe ich nun die Level C Zertifizierung abgeschlossen und freue mich, seit April 2022 ein aktives Mitglied im GPM Netzwerk zu sein. Was bedeutet für Sie Projektmanagement und was gefällt Ihnen dabei? Ich beobachte häufig, dass Projektmanagement auf Budgetcontrolling und Terminkoordination reduziert wird. Für mich bedeutet Projektmanagement „Führung“. Und je nach Team und Projektkontext kann diese Führung eher fachlich, menschenbezogen oder methodisch ausgeprägt sein. Als Projektleiterin sehe ich es als meine Verantwortung an, einen Rahmen zu schaffen, in dem das Projektteam produktiv wirksam werden kann- - und möchte. Natürlich halte ich dabei auch das Budget im Auge und koordiniere Termine, aber vielmehr geht es mir darum, Leitplanken am Wegesrand aufzubauen, Nachgefragt-- die Interview-Reihe der GPM Frau Linda Kröger im Interview pm_04_2022.indb 59 pm_04_2022.indb 59 02.09.2022 13: 53: 35 02.09.2022 13: 53: 35 Wissen | Die GPM und die PM-ZERT feiern über 100.000 ausgestellte IPMA Zertifikate 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0077 zu erklären wohin der Weg führt und zu unterstützen, wenn das Team durch Stolpersteine oder Nebel ausgebremst wird, eine Abzweigung auftaucht oder jemand über die Leitplanken hinausgeschossen ist. Das bedeutet also konkret: mithilfe von Strukturen die Projektkomplexität im Team aufteilen, Gelassenheit und Vertrauen weitergeben, Transparenz zu Erwartungen und Fortschritt schaffen, die positive Stimmung aufrechterhalten und ansprechbar sein. Wohin wird sich das Projektmanagement in den kommenden Jahren entwickeln bzw. wohin muss es sich Ihrer Meinung nach als Disziplin weiterentwickeln? Für die weitere Entwicklung des Projektmanagements sehe ich vor allem den Bedarf, ein Gleichgewicht zwischen den drei Dimensionen des IPMA Kompetenzmodells herzustellen. Die sozialen (People) und kontextbezogenen Kompetenzen (Perspective) sind weiter zu stärken, damit die methodischtechnischen Kompetenzen (Practice) noch effektiver werden. IT-Projekte sind das beste Beispiel: Was nützt ein IT-Tool, das zu 100 Prozent den definierten Anforderungen an Qualität, Kosten und Zeit entspricht, wenn es am Ende aufgrund vergessener Compliance-Vorgaben nicht genutzt werden darf oder von den Anwenderinnen und Anwendern nicht akzeptiert wird? Im Change Management Standard „Prosci“ heißt es so schön „Kein Change Management ohne Projektmanagement“. So sollte auch „Kein Projektmanagement ohne Change Management“ zu einem Leitsatz werden, der das Handeln der Projektleitung prägt. Jetzt online lesen in unserer neuen eLibrary www.pmaktuell.de Der Online-Zugriff ist in den Leistungen für GPM Mitglieder inbegriffen. Noch kein GPM Mitglied? Schreiben Sie uns unter mitglieder@gpm-ipma.de. Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Anzeige pm_04_2022.indb 60 pm_04_2022.indb 60 02.09.2022 13: 53: 35 02.09.2022 13: 53: 35 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0078 Die Freude war groß in der PM-Community: Endlich wieder „live“ zusammen sein. Nach zwei Jahren Pandemie gemeinsam die Welt des Projektmanagements im „Neuen Jetzt“ erkunden. Von den Besten lernen. Wissen teilen. Sich begegnen. Auf dem Neuen PM Forum2022 im Pentahotel Leipzig war dieses Zusammensein wieder möglich. „Das ist für mich ganz wunderbar“, sagte eine Teilnehmerin, „ich habe mich riesig darauf gefreut, die Community zu treffen.“ 250 PM-Fachleute und 33 Referenten kamen im Sommermonat Juli in Leipzig zusammen. In 22 Workshops und vier Best Practices lokaler Unternehmen gab es jede Menge Impulse zum Nachdenken und Mitmachen. Die seit 1983 bestehende Flaggschiff-Veranstaltung stellte sich mit einem runderneuerten Konzept vor. Die GPM hat das PM Forum verschlankt und mehr auf den Punkt gebracht. Interaktiver und strukturierter war das Programm-- jetzt mit Schwerpunkt auf Workshops, Netzwerken und Austausch. Das Neue PM Forum wird künftig jährlich an einem anderen Ort stattfinden, und auf der Tour durch die Republik stehen auch lokale Projekte im Fokus. Doch vor allem: Die wichtigste Projektmanagement-Konferenz im deutschsprachigen Raum ist hybrid geworden. Künftig wird das GPM Highlight Event zweimal im Jahr stattfinden, einmal im Sommer als Präsenzveranstaltung und als digitaler Kongress im Herbst. So findet das diesjährige PM Forum Digital am 10. und 11. November 2022 statt (weitere Informationen unter pm-forum.de). Für den neuen GPM Präsidenten Professor Dr. Peter Thuy war das PM Forum eine Gelegenheit, sich der PM-Community vorzustellen. Er hatte einen Monat zuvor sein Amt angetreten. In seiner Eröffnungsrede verwies er auf die Herausforderungen für die Zukunft, darunter der Klimawandel mit der Pflicht zur CO 2 -Reduktion, die neue geopolitische Lage und der demografische Wandel (siehe auch das Interview mit Prof. Thuy in diesem Heft) . Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordere tiefgreifende Transformationsprozesse-- eine Aufgabe auch für das Projektmanagement. „Wir alle sind mitverantwortlich dafür, wo die Reise zukünftig hingeht“, sagte er, „als GPM müssen wir sehen, was Projektmanagement für eine verantwortungsbewusste Weltgemeinschaft erreichen kann und muss.“ Hier erkenne er einen klaren Auftrag für die PM-Community. Gleich vier Projekte aus der Gastgeberstadt Leipzig präsentierten sich auf dem Neuen PM Forum. Aleksandra Lewandowska (Leipziger Verkehrsbetriebe) stellte innovative Lösungen für die Arbeitswelt der Zukunft vor. In Zukunft wird der Schreibtisch „digital, virtuell und mobil“. Die Leipziger Verkehrsbetriebe haben dazu das Projekt MADAM („Mobile Arbeit wird digital- - digitale Arbeit wird mobil“) aufgelegt. In diesem Projekt entwickelt das Unternehmen gemeinsam mit den Beschäftigten innovative Lösungen für digital-mobile Prozesse und realisiert diese im Rahmen agiler Projekte. Aleksandra Lewandowska zeigte, wie diese agilen Projekte in der Praxis funktionieren- - und welche Rolle der Mensch in einer zunehmend digitalisierten und technologiegetriebenen Arbeitswelt einnimmt. Dirk Liesch (Dirk Liesch Consult) erläuterte ein Umweltprojekt zum Bienenschutz. Wildbienen sind gefährdet. Die Initiative „Lebenswertes Chemnitz“ und die „Mauerbienen- Aktion“ setzt sich für den Schutz gefährdeter Wildbienen-Arten ein. In einem Projekt haben sich die Organisationen unter anderem das Ziel gesetzt, eine alternative Bestäubung von Pflanzen in möglichst vielen Gärten und Grundstücken zu etablieren. Heute hat dieses Projekt über 500 Unterstützer, und es gilt als Beispiel für weitere Regionen. So einfach und logisch dieses Projekt klingt- - es verläuft nicht ohne Hindernisse. Dirk Liesch zeigte, welche Umwege das Projekt nehmen musste. Dr. Martin Backhaus vom Mitteldeutschen Rundfunk berichtete anhand von Aktionen und Methoden aus der Praxis von Changemanagement in einem Großprojekt. Veränderungsmanagement, so erklärte er in seinem Erfahrungsbericht, bildet einen zentralen Pfeiler in der Projektstrategie eines Großprojekts. Er zeigte, wie sich dieses Veränderungsmanagement ergebnisorientiert entwickelt. Komplexitätstreiber sind dabei die eigenständigen Kulturen und Werte der zu harmonisierenden Verwaltungsprozesse und Strukturen 250 PM-Fachleute und 33 Referenten auf dem neuen PM Forum in Leipzig „Endlich wieder live zusammen! “ pm_04_2022.indb 61 pm_04_2022.indb 61 02.09.2022 13: 53: 35 02.09.2022 13: 53: 35 PM Forum Leipzig | „Endlich wieder live zusammen! “ 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0078 von unabhängigen Organisationen. In seinem Vortrag zeigte Dr. Martin Backhaus, wie Veränderungsanforderungen und Transformationschancen identifiziert werden, um darauf aufbauend eine Veränderungs- und Transformationsstrategie für ein Großprojekt zu entwickeln. Auch gab er Hinweise darauf, wie Veränderungsmanagement implementiert werden kann. Marc Pecquet (TotalEnergies) erklärte, wie ein Energie- Unternehmen sich nachhaltig wandelt. Der Öl- und Gasproduzent will künftig noch stärker in erneuerbare Energien investieren und hat mit Blick auf die Klima-Herausforderungen eine umfangreiche Transformation gestartet. Marc Pecquet, der eine eigens dafür neu geschaffene Abteilung leitet, gab Einblicke in aktuelle Vorhaben, die mit dem Wandel zusammenhängen. Er erläuterte beispielsweise das Projekt „LeunaPower2Fuels“, das sich mit dem Bau und der Integration einer Produktionsanlage für nachhaltige strombasierte Flüssigkraftstoffe befasst. Dabei erklärte er, wie eine der größten Raffinerien Deutschlands CO2-Neutralität erreichen wird, welche Projekte es dafür braucht und welche Bewertungen diese im Vorfeld durchlaufen. Mit interaktiven Workshops zum Mitmachen deckte die GPM ein breites Spektrum aktueller PM-Themen ab. Zu den angebotenen Themen zählten PM-Trends und -Methoden, beispielsweise Projektdiagnose, Selbstorganisation und Effizienz im Projekt. Auch impulsgebende Ansätze wurden diskutiert, darunter Storytelling, Neurographik und agile Games. Nicht zuletzt konnten die Teilnehmer ihre persönlichen Skills schulen und zum Beispiel Techniken für Moderation, Stressregulierung oder Pitchen lernen. Zu den verschiedenen Angeboten des Neuen PM Forum finden Sie weitere Informationen in den folgenden Beiträgen der Referenten. Ein Höhepunkt des Kongresses: Das Networking BBQ am Abend, an dem die Teilnehmer eine erste Quintessenz ihrer Erfahrungen vom ersten Veranstaltungstag zogen. Rundum zufrieden äußerten sich die Teilnehmer nach dem eineinhalbtägigen Fachprogramm. Einige meldeten zurück, dass sie Fachthemen wie Projektstruktur und Entscheidungen im neuen Licht sehen und sich damit weiter befassen wollen. Auch die Bedeutung des Teams war für einzelne Teilnehmer ein wichtiges „Takeaway“. „Ohne Projektteam geht nichts“, sagte eine Teilnehmerin, „diese einfache Wahrheit ist mir wieder einmal mehr bewusst geworden.“ Eine schöne Geste hielt das Organisationsteam am Ende der Veranstaltung bereit. Es verteilte Briefpapier und Umschläge. Dann bat es die Teilnehmer, auf den Briefumschlag die eigene Adresse zu schreiben- - und auf dem Briefpapier persönliche Notizen festzuhalten, etwa auf dem Event gewonnene Erkenntnisse, Erinnerungen an die beiden Tage oder an das, was sie sich auf dem PM Forum vorgenommen haben. Diese Briefe wird die GPM zu einem späteren Zeitpunkt an die Teilnehmer verschicken. Sie sollen das in Erinnerung rufen, was die Teilnehmer im Juli erlebt und erfahren haben: In Leipzig, wo die PM-Community das erste Mal wieder richtig „live“ war. Entdecken, wie Zusammenarbeit besser funktioniert: PM-Fachleute auf einem interaktiven Workshop Workshops luden zum Entdecken und spielerischen Lernen ein. Foto: Paul Hahn pm_04_2022.indb 62 pm_04_2022.indb 62 02.09.2022 13: 53: 36 02.09.2022 13: 53: 36 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0079 Bericht aus einem Workshop auf dem neuen PM Forum in Leipzig am 7. 7. 2022 Von Selbstorganisation redet gerade jeder-- aber wie kann man sie entfesseln? Claudia Bretzke, Klaus Wagenhals Selbstorganisation-- Was ist das überhaupt und warum interessiert das gerade so viele? Der Workshop von Claudia Bretzke und Klaus Wagenhals war gut besucht: 20 Kolleg*innen fanden den Weg in den Raum P15 im Penta Hotel in Leipzig und waren gespannt darauf, was dort passieren würde. In der ersten Runde Kleingruppen-Arbeit war die Begriffsbestimmung Thema und die Frage, wie jede / r durch das Thema berührt ist. Es zeigt sich, dass das Verständnis von Selbstorganisation bei den Teilnehmern von »sich selbst besser organisiert kriegen« bis zu »eine Form des selbständigen Arbeitens im Team finden« reichte. Klaus erinnerte daran, dass Selbstorganisation aus systemischer Sicht nicht mit »Selbstmanagement« (=Zeitmanagement) verwechselt werden sollte und insofern nicht »eingeführt« werden kann wie ein neues Managementmodell; vielmehr ist das ein bestimmendes Element in jedem System, dessen Wirkung aber natürlich behindert, ausgebremst, zugelassen »entfesselt« (daher der Titel unseres WS) werden kann. Selbstorganisation entsteht auch nicht quasi »automatisch«, wenn man z. B. Scrum einführt und die neuen Rollen-Sets wie ScrumMaster oder ProductOwner implementiert. (vgl. dazu die Klärungsversuche in ChangeX Nr. 4 / 21 und folgende) Warum hat dieser Begriff in den letzten paar Jahren so eine herausragende Bedeutung gewonnen? Weil sich die Anforderungen an Organisationen und Beschäftigte stark verändert haben auf der Basis von • weiterer Internationalisierung der Geschäftstätigkeit und der Dynamik der Märkte • Umsetzung einer nächsten Digitalisierungswelle • Anhaltender Agilisierung (stärkere Dezentralisierung, Abbau von Hierarchien und Abteilungsgrenzen, Einführung neuer Rollen-Sets mit mehr Verantwortung und Entscheidungs-Befugnis vor Ort-…) • Generations- und Wertewandel: Generation Y und Z haben den Anspruch mehr selbstverantwortlich ihre Arbeit zu gestalten. Sie möchten sich und das, was sie können, mehr einbringen, wünschen sich mehr Autonomie und weniger »Entfremdung« bei der Arbeit. • weiter zunehmender Geschwindigkeit von Innovationen, Komplexität von Situationen und Produkten • … Diese Trends provozieren die Notwendigkeit, dass sich die Menschen in einer Organisation selbst steuern, dass sie sich einbringen gemäß Ihren Kompetenzen, entfalten und Ideen generieren gemäß den Anforderungen des Kunden bzw. der Märkte. Wenn es also prinzipiell als wichtiges (Organisations-/ Steuerungs-Element) jeder Organisation inhärent ist, dann geht es nicht um das Einführen von Selbstorganisation, sondern um das Beobachten, wo und wie die Selbstorganisation bereits klappt und warum und wie diese Impulse wirkungsvoll gefördert werden können und wie da, wo sie sich nicht zeigt, Anregungen gegeben werden können, dass sie Raum hat, sich zu entfalten. Die 2. Frage in den Kleingruppen »wie seid Ihr durch das Thema persönlich berührt und welche Frage habt Ihr dazu? « sollte also »Cases“/ Fragestellungen zur weiteren Bearbeitung im WS generieren; diese ließen wir in positiv und negativ einsortieren (siehe Tabelle 1). pm_04_2022.indb 63 pm_04_2022.indb 63 02.09.2022 13: 53: 36 02.09.2022 13: 53: 36 PM Forum Leipzig | Von Selbstorganisation redet gerade jeder-- aber wie kann man sie entfesseln? 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0079 Fragen zum Check des Ordnungsmusters • Wie werden die Aufgaben verteilt? Und von wem? • Wer sind also die Bearbeiter/ die Rollenträger und welche Verantwortung ist mit der jeweiligen Rolle verbunden? • Wie wird zusammengearbeitet, wer definiert das? • Wer bewertet, in welcher Arbeitssituation welche Ordnung hilfreich/ effizient/ zielführend ist und interveniert entsprechend? • Wo ist wieviel Selbstorganisation hilfreich und wo ist sie sogar kontraproduktiv? • Welche Rolle haben dabei die Führungspersonen? • Welchen Reifegrad bzgl. Selbstorganisation haben die Mitarbeiter*innen? Was brauchen Sie, um mehr selbstorganisiert zu arbeiten? Die in Kleingruppen bearbeiteten Themen Um die Kleingruppen überschaubar zu halten, wurde eine soziometrische Wahl mit insgesamt fünf Themengebern durchgeführt, um dann zwei Fallgeber zu bekommen: • Im einen Fall ging es um die Frage: wie kriegt man das im Team in Selbstorganisation hin, dass nicht nur »Rosinenpickerei« stattfindet-- also diejenigen Aufgaben ausgewählt werden, die Spaß machen, eine fachliche Herausforderung sind und ggf. hohes Image bei den Chefs bringen- - sondern alle Aufgaben, die anfallen- - also z. B. auch Reporting, »Füttern des PM-Systems«, Protokoll-Schreiben-- vom Team übernommen werden. (Fall 1) • Im zweiten Fall ging es um die Frage, wie in einem Team das »agile mindset« verankert werden und ein dazu passendes Verhalten provoziert werden kann, zu dem ja auch die Selbstorganisation gehört. (Fall 2) positiv und negativ einsortieren: klare Ziele, Erfahrungen mit Unklarheiten bzgl. Bedeutung, was mit Selbstorganisation gemeint war, für alle im Team nachvollziehbare Ableitung von Aufgaben, Erfahrungen mit Vorschriften, wie´s zu sein hat, Selbstverwirklichungsmöglichkeit ansprechen und dann auch umsetzen, unklare Rahmenbedingungen, Vertrauensvorschuss, mit einem unpassenden Führungsstil (Anordnung statt Erproben, zu schnell zu viel erwarten, einfach »Setzen« von Selbstorganisation als Erwartung-…) bei der Rollenklärung auf die Bereitschaft von Verantwortungsübernahme achten, mit mangelnder oder »schlampiger« Kommunikation (wie z. B. das Zulassen von Sätzen wie »man müsste mal…« und alles geht weiter wie bisher). Zeitnehmen für Klärungen und Offenheit bzgl. anderen Einschätzungen, bzgl. möglichen Bedenken-…, Fehlertoleranz, auf gute Selbsteinschätzung achten u. a. Tabelle 1 Abb. 1: Wesentliche Elemente / Voraussetzungen von Selbstorganisation pm_04_2022.indb 64 pm_04_2022.indb 64 02.09.2022 13: 53: 39 02.09.2022 13: 53: 39 PM Forum Leipzig | Von Selbstorganisation redet gerade jeder-- aber wie kann man sie entfesseln? 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0079 Claudia stellte zur Bearbeitung der Fälle das Entwicklungs- Format »kollegiale Beratung« vor: »kollegiale Beratung« ist eine Form der Beratung die durch die anwesenden Kolleg*innen stattfindet und einige Voraussetzungen sowie Regeln hat: Zentral ist dabei die Haltung: der / die Fallgeber / in steht im Mittelpunkt des Interesses (und nicht die eigene Erfahrung, der eigene Ansatz, die erste schnelle Lösung)-- d. h., es geht um Neugier, Aufmerksamkeit, genaues Zuhören, um sich ein Bild vom Anderen und dessen Projektwelt zu machen, sich »einzufühlen« usw., darum »sich einzulassen«, gute Fragen stellen- - in Kombination mit den Anderen, mit deren Hilfe der Fallgeber ggf. auf eigene Lösungen zu seiner Frage kommt. Als Ergebnisse aus der dann folgenden Kleingruppen- Arbeit konnten wir im Plenum Folgendes festhalten: • zu Fall 1 (»konkretes Funktionieren von Selbstorganisation-- auch bei »unbeliebten Aufgaben«): durch die Fragen veränderte sich deutlich die Perspektive: es konnte jetzt stärker die Orientierung des gesamten Teams an allen Aufgaben in den Blick genommen werden- - es ging also nicht mehr darum, dass einer nicht so funktioniert, wie man sich das selbst vielleicht idealerweise vorgestellt hat-- und dann darum immer wieder zu checken, ob bzw. inwieweit die Gesamtzahl der Aufgaben (einigermaßen) gerecht auf die vorhandenen Rollenträger*innen verteilt ist. Dabei spielt einerseits eine wichtige Rolle, ob oder wieweit es gelungen ist, die Gesamtsicht des Projekts inkl. seiner Ziele und der Vision der Projekt-Mitarbeitenden vom zu erreichenden Projektergebnis zu verankern und andererseits mit geeigneten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Verantwortung nicht nur für einzelne Aufgaben-Pakete übernommen wird, sondern fürs Vorankommen im gesamten Projekt. • zu Fall 2 (»Umsetzung des sog. »agilen mindsets«): über die Befragung durch die Kolleg*innen wurde deutlich, dass der Ansatz mit dem »agilen mindset« zu mechanistisch, ggf. auch zu formal und zu kurz gedacht war; vielmehr ginge es ja darum mit dem Team herauszuarbeiten, was denn die neuen Herausforderungen auf der Haltungs-, der Denk-, der Gefühls-Ebene sowie auf der Team- und Führungs-Ebene sind, wenn die Selbstorganisation »entfesselt« wird. Und infolgedessen, wäre es hilfreich, sich darauf einzulassen, von jedem / r Einzelnen zu erfahren, wo er/ sie sich gerne selbständig einlassen würde und was er/ sie dafür braucht, das auch wirklich in die Tat umsetzen zu wollen / können. • Insofern ergab sich das learning, vorsichtig mit dieser Metapher vom »mindset« zu sein (auch wenn alle so tun, als wäre völlig klar, was das genau sein soll und dass diese Denke und Haltung Voraussetzung für Selbstorganisation und damit »agiles Arbeiten« sei). Weil sie die Illusion nährt, man könne Verhalten im Projekt durch schlichtes »Umdenken« verändern-- ohne Berücksichtigung der emotionalen Bewertungen von Situationen/ Aufgaben/ Rollen, Beziehungen usw. Wir wissen, dass sich das manche Projektleiter*innen so wünschen-- dennoch ist es nicht realistisch und wohl immer noch-- auch im agilen Umfeld-- ein Grund für das Scheitern von Projekten bzw. von Umstellungen auf »agil«. • Aus dieser Gruppe wurde berichtet, dass es noch nicht so gut gelungen sei, die Fragen so zu stellen, dass der Fallgeber tatsächlich gute Ideen aus der Befragung mitnehmen konnte; sie zogen daraus den wichtigen Schluss, dass man ggf. eine »Übungsrunde« zur passenden Formulierung und Abstimmung der Fragen einbauen sollte, um bessere Ergebnisse erzielen zu können. Das nehmen wir gerne als Anregung mit. Zum Schluss wurde in der Zusammenfassung nochmal auf die Materialien, die die WS-Leiter zusammengestellt haben, verwiesen: (s. die beiden Folien und die Literaturbzw. linkliste)-- insbesondere auf die Aktivitäten, wenn man will, dass sich die Menschen an ihre Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, erinnern und dass sie dann auch so handeln: pm_04_2022.indb 65 pm_04_2022.indb 65 02.09.2022 13: 53: 39 02.09.2022 13: 53: 39 PM Forum Leipzig | Von Selbstorganisation redet gerade jeder-- aber wie kann man sie entfesseln? 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0079 Literatur Mehr als bloße Selbstorganisation: eine Erkundung | verschiedene Interviews mit Changeu. a. Expert*innen in: ChangeX ab 2021-- insbesondere Borgert,S., am 14. 4. 21 Eigene Materialien Die Kraft aus dem Selbst, Maja Storch/ Julius Kuhl, Huber-Verlag, 2013 Narbeshuber, E.u.J., mindful leadership, Barth-Verlag, München, 2019 Claudia Bretzke Claudia Bretzke ist Diplom-Informatikerin und leitet seit mehr als 30 Jahren Projekte. Seit 2006 ist sie erfolgreich als selbstständige Projektmanagerin tätig. Für ihre Kunden leitet sie große Projekte oder Programme mit dem Ziel Softwaresysteme in der Zielorganisation zu implementieren. Sie arbeitet regelmäßig mit Teams, die mehr oder weniger selbstorganisiert sind. Claudia Bretzke ist aktives Mitglied und Leiterin der GPM Fachgruppe »Next Generation Leadership« (ehemals Führung im Projekt). Dr. Klaus Wagenhals Dr. Klaus Wagenhals, arbeitet mit seinem Netzwerk metisleadership (2007 gegründet) für (internationale) Technologie-Projekte mit dem Focus auf »Excellence« und »Problemlösung“/ »innovation« sowie für Umbau-Projekte in Richtung agil; darüber hinaus ist er Coach von Projektmanagern und mittleren Führungskräften. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit zukunftsorientierter Führung und wirkungsvollem Change. Er hat zahlreiche Beiträge in Blogs, Zeitschriften und Büchern zu obigen Themen veröffentlicht und ist Mitglied in der GPM Fachgruppe „next generation leadership“. Schröder / Oesterreich,: Die Organisation der Selbstorganisation" in: Zeitschrift für Organisationsentwicklung Nr. 2 / 2019 Schweinschwaller,S., G.Zepke, Selbstorganisation konkret, Wien, 2021 pm_04_2022.indb 66 pm_04_2022.indb 66 02.09.2022 13: 53: 43 02.09.2022 13: 53: 43 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0080 Agile Umsetzungsprojekte kommunikativ und transparent planen Cut ’n’ Shift-- die Planungsmethode bei agilen Umsetzungsprojekten Sven Dellermann, Madlen Keller Für eilige Leser | Die Methode Cut ’n’ Shift wurde basierend auf praktischen Erfahrungen im Projektmanagement entwickelt. Als Grundlage dienten die Rahmenbedingungen von Planungen zum Erreichen der gesteckten Projektziele. In vielen Projekten werden die einzelnen Planungen der Umsetzungsteams durch diese in Excel erstellt und an übergeordnete koordinierende Stellen weitergeleitet. Das Resultat sind viele unabgestimmte Einzelpläne, die aufwendig durch E-Mail-Korrespondenz korrigiert werden müssen und nie richtig fertig werden. Im Laufe des Projekts werden so viele Abhängigkeiten erst spät erkannt. Die Aktualisierungen sind zeitaufwändig und können zu kostenintensiven Anpassungen und Projektverzögerungen führen. Cut ’n’ Shift setzt genau an dieser Stelle an. Die Methode wird durch ihr Konzept permanent während der gesamten Projektlaufzeit durchgeführt und das am besten auf mindestens zwei verschiedenen Detaillierungsebenen. Die Erstellung des Projektplans erfolgt während eines Workshops, bei dem die Umsetzungsteams die Planung erstellen, untereinander abstimmen und anschließend den bereits untereinander abgestimmten Plan den Schnittstellenpartnern sowie den Stakeholdern vorstellen. Anmerkungen werden permanent notiert und dokumentiert. Ziel des Workshops ist das Commitment aller drei Einheiten-- Umsetzungsteams, Schnittstellenpartner und Stakeholder. Dieser Gesamtworkshop wird regelmäßig wiederholt. Darüber hinaus sollten die Umsetzungsteams neben dem Sprintplanning Planungen über einen Zeitraum bis zu einem Jahr nach dem gleichen Konzept für sich erstellen. Diese Erkenntnisse fließen dann wieder in den Gesamtprojektplan ein. Schlagwörter | Projektplanung, agiles Projektmanagement, Cut ’n’ Shift Agiles Vorgehen in Projekten ist heute zum Standard geworden-- was nicht verwunderlich ist, denn innerhalb der Projektlaufzeit ändern sich die Rahmenbedingungen, Anforderungen und der eigene Wissensstand permanent. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Laufzeit an sich, denn je weiter etwas in der Zukunft liegt, desto unklarer ist, was einem auf dem Weg zum Projektende erwarten wird. Was bedeutet das für uns? Wir wissen, dass unser Bild von der Zukunft nur schemenhaft ist und sich nur unter heutigen Annahmen zeichnen lässt. Wir könnten also den einfachen Weg gehen und sagen »darum kann man gar nicht richtig planen« und somit alles auf uns zukommen lassen. Hierdurch werden wir aber dazu gezwungen, nur zu reagieren und können das eigene Projektgeschehen nicht selbst gestalten. Des Weiteren ist es für Unternehmen / Organisationen wichtig zu wissen, was wann mit dem eingesetzten Kapital umgesetzt wird, um daraus strategische Entscheidungen ableiten zu können. Den Grundstein bildet die Akzeptanz, dass die Zukunft unsicher und schwer planbar ist Unsere Erfahrung basiert auf IT-Projekten, die nach Scrum aufgebaut sind. Die Planungsmethode Cut- ’n’- Shift greift nicht in das durch Scrum definierte Planning ein. Sie ist das Bindeglied zum Gesamtprojektplan und macht damit den Blick auf das Ganze sichtbar. Den Prozess der Planung kann man sich grob mit drei Kreisen vorstellen. Der Mittelpunkt steht für heute. Innerhalb der Grenzen des ersten Kreises kann alles klar erkannt werden. Wir befinden wir uns hier in einem Zeitraum bis ca. vier Wochen. Der zweite Kreis liegt schon etwas weiter entfernt. Die Objekte darin können gesehen werden, aber kleinere Details bleiben verborgen. Die zeitliche Einordnung liegt hier zwischen einem und maximal zwölf Monaten. Der dritte und letzte Kreis reicht bis zum Projektende und kann dementsprechend auch eine große zeitliche Spanne von mehreren Jahren umfassen. Hier können nur noch Umrisse großer Dinge sowie starke Leuchtfeuer-- die Meilensteine-- erkannt werden. Jetzt legen wir dieses Modell auf einen Zeitstrahl. Je weiter die Kreise sich in Richtung Zukunft bewegen, desto detailreicher werden die Objekte, gleichzeitig verlieren die in der Vergangenheit liegenden an Schärfe. Die Methode Cut- ’n’- Shift betrachtet alle drei Kreise und akzeptiert dabei die oben genannten Bedingungen. Aus diesem Grund wird der Prozess nicht nur einmal zum Projektstart, sondern in regelmäßigen Abständen wiederholt. Gleichzeitig sollten alle Umsetzungsteams dazu ermutigt werden, selbst einen Plan im Kreis zwei zu erstellen und hierbei die pm_04_2022.indb 67 pm_04_2022.indb 67 02.09.2022 13: 53: 43 02.09.2022 13: 53: 43 PM Forum Leipzig | Cut ’n’ Shift-- die Planungsmethode bei agilen Umsetzungsprojekten 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0080 Granularitätsstufe tiefer zu wählen, aber oberhalb des Sprintplannings. Aus diesem Modell ergeben sich folgende Vorzüge für die Anwendung von Cut ’n’ Shift: • regelmäßige und festgelegte Wiederholungen • regelmäßige Synchronisierungen der unterschiedlichen Granularitätsstufen • regelmäßiger Austausch aller Projektbeteiligten Überträgt man nun das Modell auf ineinandergreifende, unterschiedlich große Zahnräder, kann man sehen, wie sich diese gegenseitig beeinflussen. Auf der kleinsten Stufe steht das Sprintplanning. Dieses wird in kurzen Abständen durchgeführt und dreht sich daher sehr schnell. Die Erkenntnisse der Sprints fließen in die Cut ’n’ Shift Teamplanungen, die dem mittleren Zahnrad entsprechen, ein. Diese Synchronisation erfolgt ungefähr einmal monatlich. Auch hier können sich wieder neue Erkenntnisse ergeben, die wiederum Auswirkungen auf andere Umsetzungsteams und damit auf den Gesamtprojektplan, das größte Zahnrad, haben. Daher wird dieser auch mindestens halbjährlich aktualisiert. Das bedeutet, dass eine Umplanung auf Sprintebene am Ende Auswirkungen auf den Gesamtprojektplan hat und diese Erkenntnisse frühzeitig mit allen Beteiligten auf allen Ebenen, vom Entwickler bis zum Management, diskutiert und entsprechende Entscheidungen getroffen werden können. Die Verantwortlichkeiten der Pläne je Zahnrad können den Projektrollen zugeordnet werden: • 1. Sprintplanning-= PO + Team, operative Einheiten, Umsetzungseinheiten • 2. Cut ’n’ Shift Teamplanungen-= operatives Management, Projektleiter, Abteilungsleiter, Rollen aus dem kleinen Zahnrad • 3. Cut ’n’ Shift Projektplanung- = strategisches Management, Rollen aus kleinem und mittlerem Zahnrad Für die Planungen im Zahnrad eins und zwei reichen die operativen Einheiten aus, für das regelmäßige Nachjustieren des Gesamtprojektplans müssen aber alle Beteiligten anwesend sein. Hierfür ist auch wichtig, dass die zuvor ausgewählten Teilnehmenden mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind. Das Vorgehen bei Cut ’n’ Shift befähigt Personen dazu, Entscheidungen fundiert treffen zu können, da Auswirkungen und Konsequenzen der Entscheidungen direkt aufgezeigt werden und die Projektbeteiligten über die gesamte Projektdauer auf den aktuellen Kenntnisstand gebracht werden. Während des Cut ’n’ Shift Workshops werden Hierarchien abgebaut, alle reden miteinander und es wird ein gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Situationen geschaffen. Allen Projektbeteiligten wird das Gesamtziel immer wieder verdeutlicht und der Fokus auf dieses geschärft. Abbildung 2: Die Projektpläne greifen als Zahnräder, die sich gegenseitig bedingen, ineinander uns hier in einem Zeitraum bis ca. vier Wochen. Der zweite Kreis liegt schon etwas weiter entfernt. Die Objekte darin können gesehen werden, aber kleinere Details bleiben verborgen. Die zeitliche Einordnung liegt hier zwischen einem und maximal zwölf Monaten. Der dritte und letzte Kreis reicht bis zum Projektende und kann dementsprechend auch eine große zeitliche Spanne von mehreren Jahren umfassen. Hier können nur noch Umrisse großer Dinge sowie starke Leuchtfeuer - die Meilensteine - erkannt werden. Jetzt legen wir dieses Modell auf einen Zeitstrahl. Je weiter die Kreise sich in Richtung Zukunft bewegen, desto detailreicher werden die Objekte, gleichzeitig verlieren die in der Vergangenheit liegenden an Schärfe. Abbildung 1 Sichtbarkeiten während der Projektlaufzeit als Modell Die Methode Cut’n’Shift betrachtet alle drei Kreise und akzeptiert dabei die oben genannten Bedingungen. Aus diesem Grund wird der Prozess nicht nur einmal zum Projektstart, sondern in regelmäßigen Abständen wiederholt. Gleichzeitig sollten alle Umsetzungsteams dazu ermutigt werden selbst einen Plan im Kreis zwei zu erstellen und hierbei die Granularitätsstufe tiefer zu wählen, aber oberhalb des Sprintplannings. Aus diesem Modell ergeben sich folgende Vorzüge für die Anwendung von Cut `n` Shift: o regelmäßige und festgelegte Wiederholungen o regelmäßige Synchronisierungen der unterschiedlichen Granularitätsstufen o regelmäßiger Austausch aller Projektbeteiligten Zeitpunkt: heute Zeitraum: heute - 1 Monat Zeitraum: 1 Monat - 12 Monate Zeitraum: 12 Monate - Projektende heute 1 Monat - 1 Monat x - 1 Jahr 1 Jahr Projektende Abbildung 1: Sichtbarkeiten während der Projektlaufzeit als Modell pm_04_2022.indb 68 pm_04_2022.indb 68 02.09.2022 13: 53: 44 02.09.2022 13: 53: 44 PM Forum Leipzig | Cut ’n’ Shift-- die Planungsmethode bei agilen Umsetzungsprojekten 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0080 Das Vorgehen in Kurzform A-= Anfang, Auftrag, Annahmen Passt die Methode zu den Projektanforderungen und den geltenden Rahmenbedingungen? Trägt die Projektleitung das Vorgehen mit? B-= Bedingungen, Basteln oder Bestellen Cut ’n’ Shift Workshop vorbereiten: Wer sind die Umsetzungsteams? Wer sind die Schnittstellenpartner? Wer sind die Stakeholder? Wie lang geht das Projekt? Wie fein ist die Granularität in der geplant wird? Wie lange muss der Workshop angesetzt werden? C-= Cut ’n’ Shift, Creativity, Creation, Commitment Durchführung des Workshops: Spielregeln erklären, die Teams zur kreativen Arbeit motivieren und den offenen Austausch stärken. Risiken und offene Punkte klären und / oder dokumentieren. Im Anschluss werden die erforderlichen Commitments aller Beteiligten (Umsetzungsteams, Schnittstellenpartner, Stakeholder) eingeholt. Das Commitment gilt unter den zu diesem Zeitpunkt geltenden Rahmenbedingungen. D-= Dokumentation Das Ergebnis des Workshops wird gesichert und allen zur Verfügung gestellt. E-= Etablierung, Evaluierung Wiederholte Durchführung des Workshops, um schnell auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren zu können und die Transparenz im Projekt zu steigern. Sven Dellermann Sven Dellermann ist Gründer und Senior Consultant der Firma Solufi GmbH. Er arbeitet und berät bereits seit über zehn Jahren im Projektmanagement. Als zertifizierter Business Moderator nutzt er nicht nur die gängigen Workshopmethoden, er entwickelt regelmäßig neue, innovative Ansätze, um Problemstellungen in Workshops zu bearbeiten. sven.dellermann@solufi.de www.solufi.de Madlen Keller Madlen Keller ist Senior Consultant bei der Solufi GmbH. Sie arbeitet und berät bereits seit über zehn Jahren im Prozess- und Projektmanagement. Als Mediatorin und Project Management Professional (PMP) erkennt sie die Kundenbedürfnisse und geht auf diese zielgerichtet ein. Die Moderation von Workshops gehört zu ihrem Standardportfolio. madlen.keller@solufi.de www.solufi.de Ulrich Engelmann, Martin Baumann Zielführend moderieren Kompetenzen - Methoden - Wege zum Gesprächserfolg 1., Auflage 2022, 438 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8252-5689-0 eISBN 978-3-8385-5689-5 In der Teamarbeit wird Moderation zum Erfolgsfaktor, der jedoch häufig unterschätzt wird. Ausgehend vom persönlichen Kompetenzniveau verknüpft dieses Buch Grundlagen und Methoden zu Wegen, um Ihre persönliche Entwicklung individuell zu begleiten: Einsteiger: innen finden hilfreiche Checklisten und Basistechniken für ihre ersten Moderationen, Fortgeschrittene wertvolle Praxistipps und Methoden für den Ausbau ihrer Moderationskompetenz. Profis schließlich genießen eine raffinierte Aussicht auf weniger bekannte Techniken und neue Anwendungen. Weiterführende Exkurse zum Meeting-Management und zur Online-Moderation runden den Anwendungshorizont ab. Ob in Beruf, Studium oder Ehrenamt - derart ausgestattet gelingen Ihre eigene sowie die Entwicklung Ihres Teams durch zielführende Moderation. Anzeige pm_04_2022.indb 69 pm_04_2022.indb 69 02.09.2022 13: 53: 45 02.09.2022 13: 53: 45 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0081 Storytelling für Projekte-- eine Geschichte Alexandra Kampmeier Das Dilemma einer Projektidee Es war einmal eine Projektidee, die war wirklich beeindruckend: Bis obenhin gespickt mit Fachwissen, die Diagramme leuchteten in sämtlichen Farben und eine Tabelle jagte die nächste. Wieso um alles in der Welt war ihre Vision noch keine Wirklichkeit geworden? Warum nahm sie niemand wahr? Die Leute müssten ihrem geistigen Vater doch die Bude einrennen, so genial war die Idee! Doch egal, wohin er ging und seine Vorträge hielt, egal, wie detailliert er die Zahlen, Daten und Fakten auf seinen Folien präsentierte-- nach spätestens zwei Minuten hörte niemand mehr zu, stattdessen starrten alle auf ihre Handys. Was nutzten alle Informationen, wenn sich keiner dafür interessierte? Die Projektidee verdrückte ein paar Tränen, schnäuzte einmal lautstark und zog sich in eine Schublade zurück. Wer weiß, wie lange sie dort lag? Eines Tages wehte ihr plötzlich ein frischer Wind um die Nase. Die Lade war geöffnet worden und die Idee hörte eine Stimme: »Huhu, ist hier jemand? « Es war die Begeisterung auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Dabei stieß sie auf die niedergeschlagene Projektidee. Diese begann sofort ihr Leid zu klagen. Am Ende seufzte sie. »Ich bin so gut aufgestellt, aber niemand hört mir zu! « »Kein Wunder«, sagte die Begeisterung. »Du bist ein Ausbund an Informationen, hoch komplex, total verschachtelt. Das versteht kein Mensch! Ohren sind für so etwas nicht geschaffen, die brauchen kurze Sätze. Gib ihnen Bilder, die sie mit deinen Informationen verknüpfen können. Nimm sie mit ins Kopfkino.« Die Projektidee schaute skeptisch. »Schön und gut, aber wie mache ich das? « Die Begeisterung grinste. »Storytelling ist das Zauberwort. Geschichten erzählen. Starte deine Präsentation mit einer Story, mit einem Bild. Erzeuge bei deinem Publikum ein Gefühl und es wird dir aufmerksam zuhören. Denk dran: ›Die Katze saß auf einer Decke’ ist keine Geschichte. ›Die Katze saß auf einer Hundedecke’ sehr wohl.* Hör zu, ich verrate dir etwas-…« Das Geheimnis einer guten Geschichte Die Begeisterung erzählte davon, dass eine Story immer einen Konflikt haben muss, den es zu lösen gilt. »Ohne Konflikt ist jede Geschichte langweilig! «, ereiferte sie sich. »Und es gibt nichts Schlimmeres, als sein Publikum zu langweilen! Versuche Begeisterung auszulösen, überrasche die Menschen, verblüffe sie mit etwas, was sie nicht erwartet haben. Erkläre ihnen nicht nur, dass du eine einfache Lösung für ein kompliziertes Problem hast-- lass es sie erleben! Geschichten dafür findest du überall: Berichte wie das Projekt zustande kam. Erzähle von einem glücklichen Kunden oder einer zufriedenen Kundin. Verrate mit welchen Schwierigkeiten du zu kämpfen hattest und wie du sie überwunden hast. Wie wäre es, wenn du so anfängst-…« Die Begeisterung beugte sich zur Projektidee hinüber und die beiden steckten die Köpfe zusammen. Bald schon ging ein Strahlen über ihre Gesichter. »So machen wir’s! « Nun mussten sie ihren genialen Einfall nur noch dem Entdecker der Projektidee zukommen lassen-… Leider ist nicht überliefert, auf welche Weise es ihnen gelang. Doch als der Urheber das nächste Mal seine Idee präsentierte, begann er mit folgenden Worten: »Wie Sie wissen, entstand manch’ ein bedeutendes Projekt in einer Garage. Meins hingegen kam in einer Schublade zur Welt. Und das war so-…« Wie die Geschichte zu Ende ging? Nun, es heißt, dass die Idee begeisterte und erfolgreich umgesetzt wurde. Und alle sollen glücklich und zufrieden gelebt haben-- bis ans Projektende-… Bei mir funktioniert das nicht Vielleicht schmunzeln Sie jetzt. Möglicherweise haben Sie während des Lesens Ihre Stirn gerunzelt. Oder Sie denken: »Ist ja ganz nett, aber in meinem Bereich klappt das nicht.« Wirklich nicht? Egal wie wissenschaftlich oder technisch, wie vermeintlich trocken Ihr Bereich auch sein mag- - er wird unter Garantie Stoff für eine kurze Einstiegsstory liefern. Ohne Folien. Ohne Zahlen. Ohne Statistiken. Damit bereiten Sie den Boden für die theoretischen Informationen, die Sie dann im Anschluss an die Story ergänzen können. Begeistern Sie statt lediglich zu informieren. Mit einer guten Geschichte erlangen Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer. Denn die beste Botschaft nutzt nichts, wenn sie nicht verstanden wird. Storytelling ist Kommunikation. Gerade mit der Flut an Informationen, die ständig auf uns einprasselt, ist es schwierig, Botschaften aufzunehmen und zu behalten. Viele Zahlen und Daten sind zu abstrakt, um sie sich zu merken, unser Gehirn hat Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Menschen lieben Geschichten Geschichten erzeugen Bilder. Bilder erzeugen Emotionen. Emotionen und Bilder werden in unserem Gehirn im limbischen System wahrgenommen. Dieser Teil ist älter und stärker als unsere Vernunft. Auch wenn wir oft den Eindruck haben, rational und faktenbasiert zu entscheiden, haben Gepm_04_2022.indb 70 pm_04_2022.indb 70 02.09.2022 13: 53: 46 02.09.2022 13: 53: 46 PM Forum Leipzig | Storytelling für Projekte-- eine Geschichte 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0081 hirnforscher entdeckt, dass eine Entscheidung ohne Gefühle nicht möglich ist. Wollen wir Menschen erreichen, inspirieren und bewegen, so müssen wir ihre Gefühle ansprechen. Stimmung erzeugen Mit welchem Gefühl sollen die Zuhörenden in Ihre Präsentation gehen? Zeigen Sie bereits vor der eigentlichen Präsentation ein Bild auf der Leinwand, das genau diese Atmosphäre begünstigt. Wählen Sie als Hintergrund ein Foto von einem Sandstrand, auf dem zwischen Palmen eine Hängematte baumelt, wenn Sie davon sprechen, dass die Urlaubsanträge durch das neue Tool zukünftig wesentlich vereinfachter ausgefüllt und genehmigt werden können. Was spricht dagegen, einen rauchenden Kopf, einen verzweifelten Menschen zu zeigen, wenn der neue Prozess einen enormen Mehraufwand aller Beteiligten erfordert? Damit signalisieren Sie, dass Sie wissen, was in den Köpfen der Zuhörenden vorgeht. Das setzt allerdings auch voraus, dass Sie die Situation positiv auflösen, um Ihr Publikum nicht in dieser bedrückten Stimmung zu belassen. Eine Vorausschau mit Happyend kann hier Wunder bewirken. Storys verbinden Fakten und Gefühle. Sie sprechen Herz und Hirn an. Und deshalb prägen sich Fakten, die mit Hilfe einer Story erzählt werden, besser ein als Fakten ohne Erzählung. Storytelling ist wie Joggen Es gibt geborene Geschichtenerzähler: innen. Doch die sind eher selten. Erzählen will geübt sein. So wie das Joggen. Allzu gerne ziehen wir uns Laufschuhe an und rennen einfach los. Am Ende wundern wir uns, dass die Knie schmerzen, der Rücken mault, die Füße Blasen werfen. Niemand käme hingegen auf die Idee, eine Ski-Piste hinunterzusausen, ohne wenigstens die Grundkenntnisse gelernt zu haben. Um eine Geschichte so zu erzählen, dass sie Wirkung zeigt, braucht es mindestens drei Dinge: 1. eine Botschaft: Was will ich erreichen, wer ist meine Zielgruppe? 2. einen dramaturgischen Aufbau: Wie ist die Situation, was der Konflikt, wie die Lösung? 3. und Übung, Übung, Übung. Finden Sie Bilder Schauen Sie einfach bei sich selbst: Wann tauchen in Ihrem Inneren Bilder auf? Wenn Sie erklären, dass etwas ungefähr 70 x 100 Meter misst-- oder wenn es so groß ist wie ein Fußballfeld? Läuft Ihnen das Wasser im Mund zusammen, wenn Sie an Gebäck denken? Oder ist es eher das Croissant, das Franzbrötchen, der Krapfen? Womit können Sie Ihre Zahlen vergleichen? Welche Redewendung könnte zu Ihrer Aussage passen? Notieren Sie sich kleine Begebenheiten aus dem Alltag-- und kreieren Sie daraus kurze Geschichten. Probieren Sie es aus-- Sie werden staunen. Viel Vergnügen! *Soll John le Carré gesagt haben. Alexandra Kampmeier Über Alexandra Kampmeier- - Storytelling im Business Die zertifizierte Profi-Erzählerin bietet: eigene Bühnenprogramme - Workshops rund ums Thema Storytelling, - Vorträge über Tabus & Trauer in Unternehmen, - Unterstützung in Change Prozessen durch maßgeschneiderte Storys, - Beratung, wie Botschaften angenehm verpackt werden können-- ohne Wahrheiten zu verdrehen, - Vortragscoaching. pm_04_2022.indb 71 pm_04_2022.indb 71 02.09.2022 13: 53: 46 02.09.2022 13: 53: 46 Damit agiles Projektmanagement nicht nur in der Theorie stets zum Erfolg führt. uvk.de pm_04_2022.indb 72 pm_04_2022.indb 72 02.09.2022 13: 53: 52 02.09.2022 13: 53: 52 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0082 Pitchen im Projekt-- Pitch as you can! Vaya Wieser-Weber Du reitest dein Projekt auf der sanften Welle des perfekten Zeitmanagements. Das Budget umhüllt dich, wie ein warmes Handtuch und die Qualität deines Projektes strahlt wie die knusprige Bräune eines relaxten Strandbodies-- herrlich! Doch diese Tagträume eines Projektmanagers zerplatzen leider häufig bereits mit dem allerersten Pitch für ein Projekt. Durch ungenügend vorbereitete Pitches werden Entscheidungen verzögert, Verantwortlichkeiten nicht geklärt oder auftauchende Unsicherheiten nehmen den Schub aus dem Projekt. Damit sind der Ritt auf der perfekten Welle und das ideale Zeitmanagement schnell verpufft. Und Zack! Befinden wir uns im Strudel des magischen Bermuda-Dreiecks aus Zeitdruck, Abstrichen bei der Qualität und schwer kalkulierbaren Kosten. Dabei bringst du als Projektmanager bereits alle wichtigen Eigenschaften und Fähigkeiten mit, um beim Pitchen nicht zu kentern: Menschenkenntnis, Kommunikationsgeschick und Einfühlungsvermögen, operative Planung und Steuerung von Abläufen. Diese Fähigkeiten gezielt und strukturiert auf einen Pitch angewendet, wirst du in Zukunft deine Projekte auch an verschiedene Akteure wie Auftraggeber, Sponsoren, Stakeholder und Lenkungskreise gut verkaufen können. Dabei wirst du oft unausweichlich mit den unterschiedlichen Interessen und Zielen von verschiedenen Parteien konfrontiert. Wie also motivierst du unterschiedliche Beteiligte zu einer Entscheidung, mit der möglichst alle zufrieden sind? Pitch planen-- Spot auf die Zielgruppe Erfolg kommt von Vorbereitung- - und die beginnt im Kopf. Dein Mindset ist dabei dein wichtigster Überzeugungsfaktor. Du bist der Botschafter deines Projektes, das dem Unternehmen hilft, weiterzukommen! Deine innere Haltung wirkt sich automatisch auch auf dein Verhalten und damit auf deine positive Ausstrahlung aus. Deine Zielgruppe im 4 Mat System Um ein »Go« für dein Projekt zu bekommen, musst du wissen, wen du genau in deinem Pitch überzeugen musst. Mache dir bewusst, wie die entsprechenden Entscheider ticken. Wie treffen sie ihre Entscheidungen und welche Interessen verfolgen sie? Brauchen sie dazu viele Detailinformationen? Lassen sie sich von Leidenschaft für das Thema mitreißen oder wollen sie lieber kühle Statistiken sehen? Bei der Vorbereitung auf deine Zielgruppe kann Dir das 4 Mat System helfen. Es unterteilt deine Gesprächspartner in 4 Grundtypen, die du nach ihren unterschiedlichen Informations-Vorlieben entsprechend in deinem Pitch überzeugen solltest. 1. Motivation: Der Warum-Typ ist relativ häufig anzutreffen. Er möchte vor allem wissen, warum soll man das Projekt machen. Was daran ist interessant, nutzbringend etc. 2. Wissen: Der Was-Typ ist ein Faktenmensch. Ihn erreichst du am besten mit Daten, Zahlen und Fakten. 3. Demo: Der Wie-Typ ist ein echter Praktiker, der wissen will, wie die konkrete Anwendung funktioniert. 4. Debriefing: Der Was-wäre-wenn-Typ denkt im Konditional. Gib ihm am besten ein Nutzenversprechen für die Zukunft. Wozu dient das Projekt (noch)? Was zieht es für Kreise? Sammle all diese Informationen und richte die Art deiner Präsentation gezielt auf diese Bedürfnisse aus. Pitch bauen-- knackig mit Fokus Mit deiner Zielgruppen-Matrix im Hinterkopf geht es an die eigentliche Erstellung des Pitchs. Hier solltest du deine Themen, Inhalte und Empfehlungen kurz, knackig und vor allem verständlich auf den Punkt bringen. Dein Ziel ist es nicht nur, dass den Entscheidern und Lenkungskreisen Vorteile und Nutzen schnell deutlich werden. Du willst sie vor allem in die Lage versetzen, klare und schnelle Entscheidungen zu treffen. • Eröffnung: Gestalte den Überblick • Fasse in einer halben Minute mit einigen wenigen, prägnanten Sätzen dein Projekt zusammen! • Visualisierung • Nutze wenig Text-- und stattdessen ausdrucksstarke Bilder oder klare Graphiken. • Sei persönlich und erzähle Geschichten aus dem Projekt. • Fokus auf die Zielgruppe • Sammle die Argumente für dein Projekt mit Blick auf die anwesenden Interessenvertreter. • Verfahre ähnlich mit den Gegenargumenten: Finde plausible Erklärungen, die gegen diese sprechen. Generell gilt: Vermittle so viele Informationen wie nötig- - und so wenig wie möglich. Pitch halten-- der Showdown Bühne frei und all eyes on you! Die gute Nachricht bei all der getroffenen Zielgruppen-Arbeit ist, eine positive Grundhaltung kommt bei allen gleichermaßen gut an. Vergiss also nicht: Du bist der Botschafter deines Projektes. Geh mit dem Flow und atme durch, bevor du startest. Das ist dein Moment, deine Chance eine Verbindung herzustellen. Halte daher Augenkontakt und sprich direkt mit deinem Publikum- - und nicht mit deinen Folien. pm_04_2022.indb 73 pm_04_2022.indb 73 02.09.2022 13: 53: 52 02.09.2022 13: 53: 52 PM Forum Leipzig | Pitchen im Projekt-- Pitch as you can! 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0082 Der Einstieg-- Sprung ins kalte Wasser Natürlich kannst du geräuschlos ins Becken gleiten- - aber wenn du wenig Zeit für deinen Pitch hast, nimm besser Anlauf, spring in hohem Bogen und schlage ein paar Wellen-… Soll heißen: Sorge bei deinem Einstieg für Aufmerksamkeit. Das funktioniert am besten mit einer Einleitung zu einem aktuellen Thema, das zum Projekt hinführt. Dafür eignet sich eine persönliche Geschichte mit Betroffenheit (»Bei meinem letzten Projekt kam es fast zum Scheitern, weil- …«), eine Pressenachricht (»Die Bundesregierung startete gestern einen Aufruf zum Energiesparen, darum sollten wir jetzt dringend- …«) oder ein Kundenfeedback (» Die folgenden drei Kundenbeschwerden aus der letzten Woche zeigen deutlich, dass-…«). Alle wach? Dann gib einen kurzen, knackigen Überblick zu den Inhalten, die du jetzt präsentieren wirst. Die Mitte-- den Weg freimachen Im ersten Part des Hauptteils präsentierst du deine Inhalte nach dem 4 Mat System. Im zweiten Teil rollst du dann den Teppich für eine schnelle Entscheidung aus, indem du die Einwandvorwegnahme anwendest. Nachdem du bereits in der Vorbereitung alle wahrscheinlichen Bedenken, Einwände und Rückfragen erarbeitet und beantwortet hast, gehst du damit jetzt proaktiv in die Offensive: »Jetzt fragen Sie sich bestimmt-…«, »Sie haben vielleicht den Einwand, dass-…«, »Natürlich denken Sie sich jetzt zu Recht, das könnte zu XY führen- …«. Beantworte die von dir selbst erbrachten Einwände so plausibel, dass alle nur noch nicken können und gib im Anschluss Raum für Fragen. Vaya Wieser-Weber Vaya Wieser-Weber ist geschäftsführende Gesellschafterin der Impulspiloten GmbH mit Fokus auf dem Bereich Akademie. Zudem inspiriert sie seit 2001 als Speakerin, Trainerin, Moderatorin und Autorin. Sie ist u. a. lizenzierte NLP™Trainerin, DBVC und Deep OCEAN zertifizierter Coach und im Vorstand und Akademie-Expertenrat der GSA als auch im Präsidium des BDTV. Kontakt: info@impulspiloten.de www.impulspiloten.de www.vaya.live Der Anschlag-- mach den Sack zu Wenn niemand mehr dagegen sein kann, weil alle Einwände ausgehebelt und das Für und Wider bereits beantwortet sind, nutze dieses Gefühl von Einigkeit und Kopfnicken für dein Projekt. Hier ist der perfekte Moment für deinen Call To Action, bei dem du die Freigabe, den Zuschlag oder die Unterschrift einforderst. Wer jetzt noch immer keine Entscheidung treffen will, dem kannst du getrost die Folgen der Verzögerung als Worst-Case-Szenario vor Augen halten: »Wir leben in einer Welt, in der sich die Bedingungen von einer Sekunde zur anderen ändern können. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann wird-…«. Nutze dabei das Projektmanagement-Dreieck mit den gegenseitigen Auswirkungen von Zeit, Kosten und Qualität. Und dann reite die Welle-- mit (hoffentlich) Sonne im Gesicht und Wind im Rücken! Janine Tychsen Frauen, geht in Führung! 90 Tage Führungsmuskeltraining 1., Auflage 2022, ca. 180 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-7398-3116-9 eISBN 978-3-7398-8116-4 Wie kommen Frauen in Führungspositionen? Dieses Buch sprengt Klischees und regt zum Perspektivwechsel an. Um das “Warum-ist-das-alles-so? ” dürfen sich andere kümmern. Führungsmuskeltraining richtet seine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt und wie jede mit ihrer Persönlichkeit Führung gestalten kann. Die Autorin legt die Verantwortung für die eigene Karriere in die Hände jeder einzelnen Frau. Anzeige pm_04_2022.indb 74 pm_04_2022.indb 74 02.09.2022 13: 53: 53 02.09.2022 13: 53: 53 75 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0083 Heinz Schelle Madauss, B.-J.: Was Projektleiter wissen müssen. Essentials, Springer Vieweg Berlin 2022, ISBN 978-3-662-65300-5, 76 S., Preis 14,99 Euro Als 1983 die erste Auflage des Buches „Projektmanagement“ von Bernd Madauss erschien, durfte ich das Werk in den Mitteilungsblättern (Vorläufer von Projektmanagement aktuell) der GPM besprechen. Meine Freude wuchs bei der Lektüre von Seite zu Seite. Zwar hatte sich bereits seit dem INTERNET (heute IPMA)-Weltkongress 1979 in Garmisch-Partenkirchen mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass Projektmanagement ein Führungskonzept für Erst- und Einmal-Vorhaben ist und sich nicht, wie leider vor allem in Deutschland geschehen, auf Netzplantechnik reduzieren lässt. In der deutschsprachigen Lehr- und Handbuchliteratur hatte sich diese wichtige Einsicht, die heute selbstverständlich ist, allerdings bis dahin noch kaum niedergeschlagen. Renommierte wissenschaftliche Institutionen behielten diese verengte Sicht noch lange bei. Meine Kollegen in der GPM und ich lernten eine neue Welt und Sicht des Projektmanagements kennen, obwohl wir die Fixierung auf die Netzplantechnik natürlich schon länger aufgegeben hatten. Da war z. B. von Konfigurationsmanagement die Rede, einer Teildisziplin, die für die meisten projektorientierten Unternehmen in der Bundesrepublik damals völlig unbekannt war, von umfassendem Qualitätsmanagement und von Vorgehensmodellen. Auch eine Vorstellung von der US-amerikanischen Manual-Literatur, die uns nicht zugänglich war, bekamen wir. Wie die hohe Zahl von Auflagen zeigt, wurde das Werk schnell zum Bestseller und zur Bibel des Projektmanagements. Man sprach sehr bald von „dem Madauss“ wie von „dem Duden“ oder „dem Brockhaus“. Mit der beschriebenen Pioniertat wurde Madauss zu einem der Väter und Wegbereiter des Projektmanagements in unserem Land. Hasso Reschke hat in der Nummer 2 / 2018 unserer Zeitschrift die 7. Auflage besprochen. Was ist der Grund für den Erfolg des Werkes von Madauss? Die Antwort ist leicht: Der Autor kennt die Probleme des Projektmanagements vor allem in der kommerziellen Raumfahrt nicht nur aus der Literatur, sondern aus einer überaus umfangreichen praktischen und verantwortungsvollen internationalen fünfzigjährigen Managementtätigkeit. Sein Curriculum Vitae liest sich wie ein Who is Who der europäischen Luft- und Raumfahrt. Klangvolle Namen wie z. B. MBB, ELDO und SES gehören dazu. Er war Projektleiter des ersten Paneuropäischen Fernsehsatelliten ASTRA 1A. Jetzt hat er einen kleinen Leitfaden folgen lassen, in dem auf die 8. Auflage des großen Werkes Bezug genommen wird, sozusagen die Summe seines langen Wirkens. Der Autor, der als Professor auch viel Lehrerfahrung hat, klärt zunächst die Rolle des Projektmanagers und unterscheidet dann • Fachspezifische Kernaufgaben, • Programmatische Aufgaben und • Kosten und Verträge Zu den fachspezifischen Kernaufgaben zählt er Projektanforderungen, Lastenheft und Pflichtenheft, das Konzept des Lebenszyklus, unterteilt in die Konzeptphase, die Definitionsphase, die Entwicklungsphase und die Folgephasen, den Projektstrukturplan und die Arbeitspakete, die Projektplanung untergliedert in Termin- und Ablaufplanung, Meilensteinplan und Zeitschätzung, die Systemtechnik aufgegliedert in systemtechnische Prozesse, Spezifizierung, Spezifikationsbaum und Schnittstellen, Qualitätsmanagement incl. Risikomanagement. Die programmatischen Kernaufgaben enthalten die Grundsätze der Organisation, das Informationsmanagement, Dokumentations- und Konfigurationsmanagement, Project control und schließlich Projektkosten und -verträge sowie „Earned Value Management“. Zu jedem Punkt liefert der Autor, wie schon erwähnt, eine knappe, erfahrungsgetränkte Erläuterung, die durch Regress auf das große Werk* vertieft werden kann. Dabei verwendet der Verfasser stets die deutschen und äquivalenten englischen Begriffe, mit denen er natürlich bestens vertraut ist. Alles in allem Projektmanagement in nuce von einem der weiß, worüber er redet. *Madauss, B.J.: Projektmanagement, Theorie und Praxis aus einer Hand. 8.-Aufl., Berlin, 2020/ 21, ISBN 978-3-662-59383-7 Buchbesprechung Was Projektleiter wissen müssen pm_04_2022.indb 75 pm_04_2022.indb 75 02.09.2022 13: 53: 54 02.09.2022 13: 53: 54 76 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0084 Jens Köhler Priesberg trifft Ehrlich vor der Kaffeemaschine. Er sieht, wie sein Kollege auf die Starttaste drückt, aber keinen Becher untergestellt hat. Der Kaffee strömt in die Auffangschale und spritzt dabei Ehrlich auf die Kleidung. Er merkt es jetzt auch und schimpft: „So etwas Dummes! “ Priesberg versucht ihn abzulenken: „Ich habe da eine Frage: Eine Kollegin aus unserem Projektteam beherrscht eine wichtige Projektsteuerungsmethode hervorragend, sie ist außerhalb des Teams bekannt und wird häufig um Rat gefragt. Innerhalb des Teams wurden diese Fähigkeiten noch nicht einmal wahrgenommen. Das ist doch erstaunlich? “ Ehrlich zuckt mit den Schultern: „Und, was ist daran neu? Bestimmte Fähigkeiten werden in einer Organisation halt nicht gefragt und damit auch nicht abgerufen.“ Priesberg gibt nicht auf: „Wenn es so wäre. Seit einiger Zeit interessiert sich das Team aber für ihre Fähigkeiten.“ „Ja, schön“, ruft Ehrlich laut und wischt sich gerade Kaffeeflecken vom Hemd. „Dann werden die Fähigkeiten halt gebraucht, das ist doch prima.“ Er stellt die Tasse unter das Gerät und diesmal funktioniert es auch mit dem Kaffee. „Jaja“, insistiert Priesberg, „das Projektteam reagiert eher irritiert als zustimmend. Meine Kollegin wird jetzt schief angesehen, wenn sie außerhalb des Projekts berät. Anderseits weiß das Team selbst nicht so recht, was es mit der Steuerungsmethode anfangen soll-- ich verstehe das nicht.“ Inzwischen ist es Ehrlich gelungen, einen großen Schluck aus seiner Tasse zu trinken, ohne etwas zu verschütten. „Das Projektteam wacht auf, so wie ich es gerade tue“, entgegnet er. „Geht das auch ein bisschen systematischer“, entgegnet Priesberg jetzt selbst genervt. Ehrlich erwidert: „Dein Team war im Zustand der unbewussten Inkompetenz-- daher konnte es die Methode deiner Kollegin weder wertschätzen noch erkennen. Die Methode war einfach nicht sichtbar! Erinnere dich an deine Zeit, bevor du Auto gefahren bist. Wann hast du erst erkannt, dass du nicht Autofahren kannst? “ Priesberg gibt kleinlaut zu: „Nach der ersten Fahrstunde.“ Ehrlich grinst: „Prima. Den Zustand nach dem Beginn deiner Fahrausbildung nennen wir ‚bewusste Inkompetenz‘. Und genau in diesem Zustand befindet sich jetzt dein Projektteam. Das Team weiß, dass es die Projektsteuerungsmethode deiner Kollegin nicht beherrscht, hat aber irgendwie erkannt, dass es sie benötigt.“ Priesberg entgegnet: „Ja, das ist doch prima für die Kollegin. Sie kann sich jetzt voll einbringen.“ Ehrlich ist zurückhaltend: „Da wäre ich vorsichtig. Das Projektteam ist gerade dabei, eine eigene Lernkurve zu starten. Es wird sich in dieser Phase herausbilden, wie diese Methode später eingesetzt werden wird. Die bewusste Inkompetenz ist ein Toröffner! Jetzt beginnt das Team die Methode zu verstehen und zaghaft auszuprobieren.“ „Na und? Das kann die Kollegin doch jetzt beschleunigen und zeigen, was sie drauf hat“, insistiert Priesberg. Ehrlich entgegnet. „Wenn die Kollegin jetzt den Ton vorgibt, ohne auf die anderen Rücksicht zu nehmen, kann es passieren, dass die Methode nie richtig gelernt und daher abgelehnt wird, weil das Team keine eigenen Erfahrungen sammeln kann. Die Kollegin ist ihrem Team weit voraus und kann Ratschläge an kritischen Stellen geben-- aber: Beobachtung statt Belehrung ist hier gefragt.“ Priesberg denkt nach: „Mag sein, aber wie kann sie sich dann einbringen? Am Ende steht sie als Verliererin da, weil sie ihren Beitrag nicht zeigen konnte.“ „Moment“, fällt ihm Ehrlich ins Wort, „es gibt noch eine weitere Phase: Die Phase der bewussten Kompetenz. Erinnerst du dich noch an deine ersten Fahrversuche nach der bestandenen Prüfung? “ „Sehr genau sogar. Und ich war froh, wenn ich anfangs Unterstützung in Gestalt eines Beifahrers hatte. Das hat so manch brenzlige Situation entschärft“, resümiert sich Priesberg. „Und in dieser Phase kann die Kollegin wie eine Beifahrerin wirken und sprichwörtlich ‚Händchen halten‘ und Führung übernehmen. Denn nur so kommen wir in die letzte Phase, die der unbewussten Kompetenz. Auf dem Weg dorthin begegnen sich die Kollegin und ihr Team auf Augenhöhe- - es lernt die Methode zu beherrschen und zu schätzen“, fasst Ehrlich zusammen. „Ganz anders als bei der Kaffeemaschine“, kann sich Priesberg nicht verkneifen. „Dort warst du unbewusst inkompetent.“ „Na dann bin ich aber froh, dass ich jetzt bewusst inkompetent bin, und lernen kann, wie man den Kaffeeautomaten bedient, ohne sich die Kleidung zu verschmutzen“, schließt Ehrlich spitz. Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Kolumne Bewusst inkompetent-- manchmal von Vorteil Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch- - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM- Alltag geben. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ/ IM, 67056 Ludwigshafen eMail: jens.koehler@basf.com pm_04_2022.indb 76 pm_04_2022.indb 76 02.09.2022 13: 53: 55 02.09.2022 13: 53: 55 77 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0085 „Gemeinsam-- Gestalten -- GPM“. Unter diesem Motto stand die diesjährige 14. GPM Aktiv 2022 in Leipzig. Auf Einladung des Präsidialrates (Dr. Dagmar Börsch, Peter Richter, Claudia Simon, Dr. Reinhard Wagner und Johannes Wille) diskutierten die ehrenamtlich Aktiven der GPM Trends, Konzepte und Ideen für die Entwicklung des Vereins. „Wir wollen mit der GPM die bekannteste Adresse für Projektmanagement in Deutschland sein“, erklärte Peter Richter, Mitglied des Präsidialrates. Dies gelinge der GPM nur gemeinsam mit allen Beteiligten. Er rief die Ehrenamtlichen auf, zusammenzustehen für eine nachhaltige, erfolgreiche Zukunft. Dem stimmte GPM Präsident Professor Dr. Peter Thuy zu. „Wir müssen die GPM in Zukunft bekannter machen, mit Projekten, die wir unterstützen.“ Er habe in den ersten Wochen seiner Amtszeit den Eindruck gewonnen, dass in der GPM viele Menschen zusammenarbeiten, die das Projektmanagement in Deutschland voranbringen wollen. „Ich will mit ihnen nach vorne schauen“, sagte er, „da haben wir viel zu tun.“ Die GPM tue viel Gutes-- über das sie noch nicht genug spricht. Auf der GPM Aktiv wurde in der Vergangenheit schon mehrfach der Keim für heute erfolgreiche Initiativen und Projekte gesetzt. Im „Open Space“- - eine Methode für Großgruppenmoderationen- - bringen die Teilnehmer ihre Ideen ein, ergreifen die Initiative und finden zu gemeinsamen Aktionen zusammen. Mit dieser Methode gelang es auch in diesem Jahr, den Ideenschatz der ehrenamtlich Aktiven zu heben. Wer Ideen mitgebracht hatte, fand auf der GPM Aktiv die ideale Plattform diese auf Augenhöhe zu diskutieren und konstruktives Feedback zu erhalten. Aus einfachen Stichwörtern entwickelten sich in der Gruppendiskussion häufig Mini-Konzepte, die die Beteiligten nach der Veranstaltung weiterführen wollen. Präsident Professor Dr. Peter Thuy im Gespräch mit GPM Ehrenamtlichen 14. GPM Aktiv: Ein „Open Space“ für gute Ideen pm_04_2022.indb 77 pm_04_2022.indb 77 02.09.2022 13: 53: 55 02.09.2022 13: 53: 55 GPM | 14. GPM Aktiv: Ein „Open Space“ für gute Ideen 78 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0085 Erörtert wurden Vorschläge wie “Irritiere das System-- Das Potenzial von Irritation nutzen“. Themen wie „Projektorientierte Schule“ oder „PM-Entwicklung für die nächsten sieben Generationen“ wurden intensiv beleuchtet. Einige Gruppen entwickelten Ansätze für die Qualifizierung von Regionalleitern sowie Best Practices in der Regionalarbeit. Die innovativen Impulse zur Nachhaltigkeit und zu gesellschaftlichen Beiträgen machten die zunehmende Bedeutung dieser beiden Themen für den Verein sichtbar. Für viele Teilnehmer war die Veranstaltung nach der Pandemie ein Neuanfang und ein „Schritt nach vorne mit viel Austausch“, wie es ein Aktiver zusammenfasste. Moderator Gunnar Marx brachte es am Ende der Veranstaltung auf den Punkt: „Einer unserer Erfolgsfaktoren ist, dass es wunderbar klappt mit Gemeinsamkeit und Vertrauen.“ Eingangsabbildung: Foto: Paul Hahn Ideen und Strategien wurden lebhaft auf der 14. GPM Aktiv 2022 erörtert pm_04_2022.indb 78 pm_04_2022.indb 78 02.09.2022 13: 53: 56 02.09.2022 13: 53: 56 79 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0086 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Die GPM Fach- und Regionalgruppen Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM Dresdner Verkehrsbetriebe GmbH www.dvb.de pmo@dvbag.de Wir bewegen Dresden-- mit Straßenbahnen, Bussen, Bergbahnen und Fähren. Werktags sind über eine halbe Million Fahrgäste mit uns unterwegs. Als Mobilitätsdienstleister bieten wir Bürgern und Gästen der Landeshauptstadt Dresden einen schnellen, sicheren und pünktlichen ÖPNV. Das wichtigste Thema des PM ist die strategische Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Dresdner Verkehrsbetriebe für die Zukunft. Einzelne Projekte behandeln unter anderem beispielsweise die Elektrifizierung der Busflotte, neue Mobilitätsformen der Zukunft, die Entwicklung einer neuen Straßenbahngeneration für Dresden, die Sicherstellung und Optimierung der Infrastruktur sowie die Digitalisierung in unterschiedlichsten Unternehmensbereichen. Austausch zu aktuellen Themen und Entwicklungen im Projektmanagement, Aufbau von Netzwerken und Unterstützung bei der Suche nach qualifiziertem Personal. Wisst International Consulting GmbH www.wisstinternational.com tobias.wisst@ wisst-international.com jana.wisst@ wisst-international.com Wir sind Projektmanagement- Dienstleister. Von der Initialisierung bis zum Abschluss unterstützen wir unsere Kunden im Projektmanagement (sowohl kapazitiv als auch mit Know-how) insbesondere in den Bereichen des Produkt-/ Produktionstransfers sowie in der Neuproduktentwicklung in den Branchen Medizintechnik, Automotive (Car Digitalization) und Pharma. Unsere Mission bei WIC ist es, mit leidenschaftlicher Energie und professionellem Know-how, Lösungen für jede Art von Projektherausforderung zu bieten. Wir sind davon überzeugt, dass die einzigartige Kombination aus Fachsowie Branchenwissen und Persönlichkeit zu einem erfolgreichen Projektmanagement führen. Austausch mit anderen PM-Expertinnen und Experten sowie Leistung eines Beitrags zur Weiterentwicklung einer der wohl wichtigsten Berufsfelder in der Zukunft. TransnetBW GmbH, Bereich Technik & Projekte www.transnetbw.de Bernd Brendle, b.brendle@transnetbw.de Die TransnetBW GmbH betreibt das Strom-Übertragungsnetz in Baden-Württemberg. Mit diesem Transportnetz sichern wir die Stromversorgung der Region, in Deutschland und in Europa. Wir steuern und kontrollieren Energieflüsse im Netz, sorgen für Instandhaltung, Netzplanung und Netzentwicklung. Zahlreiche Stromhändler, Kraftwerks- und Verteilnetzbetreiber im In- und Ausland zählen zu unseren Kunden. Mit unseren Projekten optimieren, verstärken und bauen wir unser Netz, um die Versorgungssicherheit jederzeit zu gewährleisten. Wir schaffen damit die Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Unsere Aufgaben umfassen das gesamte PM-Portfolio. Wir möchten frühzeitig von neuen Trends erfahren, unser Netzwerk erweitern und damit neue Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch und Sparring schaffen. Die derzeit 39 Regionalsowie 38 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen.html bzw. www.gpm-ipma.de / ueber_uns / regionen.html pm_04_2022.indb 79 pm_04_2022.indb 79 02.09.2022 13: 53: 57 02.09.2022 13: 53: 57 80 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0087 Welchen Stellenwert hat Projektmanagement? Brigitte Schaden: Einen sehr hohen. Ich denke, dass Kompetenzen in Projektmanagement für jeden Beruf wichtig sind, ganz egal, wo und was man macht. Projektmanagement ist eine Qualifikation, die heute überall gebraucht wird. Was sind typische Kompetenzen im Projektmanagement? Wer in Projekten arbeitet, muss oft Neuland betreten. Der resiliente Umgang mit Unsicherheiten, Risiken, wechselnden Stakeholdern, Komplexität und der Dynamik all dieser Faktoren sowie soziale Kompetenzen sind typisch für das Arbeiten im Projektmanagement. Wie gehen Projektmanager*innen mit den aktuellen Krisen um? Viele Organisationen sind heute von Krisen betroffen und gefordert, ihr Geschäftsmodell oder ihre Arbeitsweisen zu verändern. Projektmanager*innen sind ja auch Krisenmanager*innen und daher aktuell besonders gefragt. Doch auch sie müssen mit den eigenen Ressourcen gut Haus halten können, resilient sein. Wie hat sich die Arbeitsweise verändert? Die Unterschiede zwischen Projekt- und Linienarbeit verschwimmen. Auch in der Linie ist die Dynamik der Veränderung gestiegen, Rahmenbedingungen können sich schnell ändern. Agile Modelle, die hohe Flexibilität ermöglichen, werden sowohl in der Linie als auch in Projekten genutzt. Viele Unternehmen kooperieren auch mit Start-ups, die an Innovationen arbeiten. Was bedeutet das für Führungskräfte? In Zukunft wird es andere Führungspersönlichkeiten brauchen. Und je mehr sich Teams selbst organisieren können, desto weniger werden wir eine hierarchische Führung benötigen. Projektarbeit gilt als die Organisationsform des 21. Jahrhunderts. Sie entspricht dem Bedürfnis der jüngeren Generation nach Flexibilität und Abwechslung. Aus den DACH-Verbänden | pma intern pma Präsidentin Brigitte Schaden im Interview über die steigende Bedeutung von Projektarbeit in herausfordernden Zeiten. „Man muss oft Neuland betreten“ pma Mitglied vor den Vorhang Wirtschaftsuniversität Wien 1020 Wien, Welthandelsplatz 1 www.wu.ac.at / en / pmg/ Ansprechpartnerin: a.o.Univ. Prof. Dr. Martina Huemann martina.huemann@wu.ac.at Hauptgeschäftsgebiet Die Project Management Group (PMG) bietet zukunftsorientierte Ausbildung und Forschung zu Projektmanagement und dem Management projektorientierter Organisationen an. Die WU Wien ist mit 22.000 Studierenden die größte Wirtschaftsuniversität in Europa. PM-Aufgaben und Bedeutung Mit der Mission „With projects we create the future” tragen wir aktiv zur Gestaltung von Österreich als projektorientierter Gesellschaft bei. Unter der Leitung von a.o. Prof. Dr. Martina Huemann werden internationale Forschungsprojekte mit hoher Praxisrelevanz durchgeführt. Jährlich bilden wir mehr als 200 zukünftige Projektmanager*innen aus, darunter 20 hochqualifizierte Absolvent*innen des internationalen PMBA Programms „Project Management“. pma focus 2022: Getting stuff done Am 13. Oktober 2022 begibt sich Österreichs größter Projektmanagement-Kongress auf Spurensuche. Unter dem Motto "getting stuff done- - Projektmanagement für alle" werfen wir einen Blick auch auf „projektuntypische“ Bereiche, um zu sehen, wie weit PM-Methoden mittlerweile verbreitet sind. Nützen Sie auch die Möglichkeit, digital dabei zu sein. Infos & Anmeldung: www.pma.at pm_04_2022.indb 80 pm_04_2022.indb 80 02.09.2022 13: 54: 01 02.09.2022 13: 54: 01 81 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0088 Aus den DACH-Verbänden | spm intern Eröffnung, mit spm-Präsidentin Dr. Ingrid Giel (Foto spm) spm Frühjahrstagung 2022-- Donnerwetter! In ruhigen und stürmischen Zeiten zum Projekterfolg In unruhigen Zeiten gelernt, hielt der Schweizerische Verband für Projektmanagement spm seine Frühjahrstagung wieder im selben Format ab: vor Ort im Careum Zürich und online. Und unruhige Zeiten im Projektmanagement standen auch im Fokus der Tagung, die mit Prof. Dr. Hallers Keynote ‘Wertschätzung und Kränkung in der Arbeitswelt’ eindrücklich startete. Ein gutes Arbeitsklima trägt am meisten zur Attraktivität eines Arbeitgebers bei, der Lohn steht erst an 6. Stelle. Und in Projekten ist der Teamgedanke noch zentraler. Ständig ins Wort fallen, hinter dem Rücken schlecht über jemanden reden oder das Vorenthalten wichtiger Informationen sind Beispiele von kränkendem Verhalten, das in organisierter Form als Mobbing bekannt ist. «Was kränkt, macht krank» und so verwundert es nicht, dass fehlende Wertschätzung zu psychosomatischen Leiden oder Burn-out führen kann. Wir leben im Zeitalter des Narzissmus und zugleich in einer Krise der Wertschätzung, meint Prof. Dr. Haller. Dafür gab er uns 10 Möglichkeiten, Kränkungen zu entmachten, mit auf den Weg und sein Vortrag wirkte noch lange nach. Noch vor der Kaffeepause ging es um Essen- - aber nicht für den eigenen Magen, sondern als Mittel der Friedensförderung. Martin Roth, der Präsident von Cuisine sans frontières, berichtete von ‘Projektarbeit in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit’, mit Beispielen aus Libanon, Ecuador und Burkina Faso, wo soziale Strukturen wieder aufgebaut werden durch gemeinsames Essen und Verdienstmöglichkeiten durch Gastroausbildungen gegeben werden. Gastgeber sein und den Menschen in den Mittelpunkt stellen sind Erfolgsfaktoren von Cuisine sans frontières, die auch auf Projektleitung zutreffen. Dass ein Versöhnungsessen sogar Krieg verhindern kann, beweist die Kappeler Milchsuppe, deren Rezept wir mitnehmen konnten. pm_04_2022.indb 81 pm_04_2022.indb 81 02.09.2022 13: 54: 02 02.09.2022 13: 54: 02 Aus den DACH-Verbänden | spm Frühjahrstagung 2022-- Donnerwetter! 82 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0088 Aktuelle Bedrohungslagen abwenden und Unternehmen sichern ist das tägliche «Brot» der Krisen- und Sicherheitsexpertin Bettina Zimmermann, die uns aufzeigte, wie man «erfolgreich aus der Krise» führt. Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus Chance und Gefahr, aber ohne Vorbereitung durch Organisation (Krisenstab), Infrastruktur («war room») und Prozesse (Führungstätigkeit) kann man Krisen nicht abwehren. Und professionelle Krisenkommunikation ist in der heutigen Zeit ohne Redaktionsschlüsse unabdingbar. Vorausschauend planen und Worst Case Szenarien ausarbeiten gehören deshalb auch zum Projektmanagement. Auf rätoromanisch heisst vorwärts ‘inavant’ und so heisst auch das Entwicklungsthema, das sich mit der ‘Arbeit bei ewz im Wandel’ beschäftigt und von Daniela Maag, Projektleiterin Unternehmensentwicklung bei ewz, vorgestellt wurde. Ob Kunden-, Bau- oder Innovationsprojekt- - alle Projektleitenden bei ewz hatten ähnliche Fragen und die in den letzten Jahren aufgekommenen neuen Methoden wie Agile, DevOps, Lean oder Design Thinking erhöhten den Wissens- und Fortbildungsbedarf. Priorisierung im Portfoliomanagement verhindert, dass Querschnittsfunktionen wie Informatik durch zu viele gleichzeitige Projekte «unter die Räder» kommen und die Unterstützung des Kulturwandels durch ein Agiles Kompetenzzentrum, das nicht die Tools, sondern den Mindset in den Mittelpunkt stellt, sind die Wege, die der Arbeit bei ewz «neue Energie» brachten. Vom Donnerwetter im Titel der Tagung zur Wettervorhersage ist es nicht weit, und so erinnerte uns der bekannte Meteorologe und Leiter der SRF Meteo-Redaktion, Thomas Bucheli, daran, dass es der gewöhnliche Fehler der Menschen ist, dass wir bei gutem Wetter nicht an Sturm denken. Für gute Prognosen ist das Denken in Szenarien essenziell und die Teams müssen jeweils selbständig arbeiten und sich gegenseitig weiterbilden, das wird auch nicht durch sogenannte ‘künstliche Intelligenz’ obsolet und gilt genauso für Projekte. Das gute Team hilft dann auch, den Stress klein zu halten, denn Stress sei Arbeit geteilt durch Freude, zitierte Herr Bucheli den früheren ETH-Präsidenten Ralph Eichler. Mit ‘Macht und Magie der wohlgewählten Worte’ beschäftigt sich die UN-Dolmetscherin, Kommunikations-Strategin und Autorin Susanne Kilian. Worte wirken und lösen Emotionen aus und was wir immer wieder hören, wird zu unserer Wirklichkeit, wodurch jede / r die Welt anders sieht. Auch in Projekten sollten wir Worte wohl wählen und statt an Problemen an Lösungen arbeiten, ‘und’ statt ‘aber’ verwenden oder mehr auf das Dürfen denn das Müssen fokussieren, rät Frau Kilian. Keine Luftshow, sondern das Programm Air2030 erwartete uns als nächstes, bei dem es um die Erneuerung der 20 Jahre alten Systeme zur Sicherung des Schweizer Luftraums geht und das uns von Peter Winter, dem Leiter Kompetenzbereich Luftfahrtsysteme vorgestellt wurde. Die 4 Projekte in diesem Programm sind wie die Beleuchtung, Verteidiger, Stürmer und Coach bei einem Fussballspiel, allerdings muss integrierte Luftverteidigung 365 Tage, 7 mal 24 Stunden funktionieren und nicht nur 90 Minuten. Eine offene, transparente Kommunikation war der Schlüssel zum Erfolg im Evaluationsprozess Neues Kampfflugzeug, das beim IPMA Global Excellence Award 2021 Bronze in der Kategorie Grossprojekte gewann. Zwischen allen Vorträgen bewiesen uns Martin Villiger und Daniel Küffer mit Saxophonen und Flügel, dass man aus kleinem Input grosse Wirkung erzielen kann: inspiriert durch Tonleitern oder Töne, die das Publikum vorgab, verschiedene Wetterlagen oder das Bild des spm liessen sie mit Abschluss, mit spm-Projektteam und Projektleiter Beat Dietziker (Foto spm) pm_04_2022.indb 82 pm_04_2022.indb 82 02.09.2022 13: 54: 02 02.09.2022 13: 54: 02 Aus den DACH-Verbänden | spm Frühjahrstagung 2022-- Donnerwetter! 83 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0088 Instant Composing faszinierende Klanglandschaften entstehen. Zu Beginn des letzten Vortrags wurde dem Publikum dann «angedroht», es müssten nun zehn Personen ausgesucht werden, um auf der Bühne ein Lied zu singen. Damit führte uns Rinaldo Manferdini, Mentaltrainer und Geschäftsführer von MENTAL DRIVE GmbH vor, dass Druck selbstgemacht ist, wir können immer auch anders reagieren, denn ‘Verlierer denken anders. Sieger auch’. Eine herausfordernde Situation können wir nicht ändern, aber am Denken, Fühlen und Handeln lässt sich ansetzen. Mentaltraining hilft dabei und wenn man sich verbessern will, muss einen Kritik interessieren. Siegertypen sind gnadenlos mit den eigenen Schwächen, weiss Herr Manferdini zu berichten und obwohl es kein Rezept für alle gibt, können wir Projektleitende uns den Gedankenstopp und das Tief-Durchatmen bei negativen Gedanken als nützliches Tool mitnehmen. Natürlich gab es wie immer auch gute Gelegenheiten für das Knüpfen von neuen und Pflegen von alten Kontakten aus dem Projektmanagement-Umfeld. Und wer einen der Vorträge verpasst hat oder nochmals sehen möchte, kann dies in der Mediathek im Eventportal tun. Margarete Nuber Russland 3 Spanien 1 Schweden 1 Portugal 1 Rang IPMA Level A IPMA Level B IPMA Level C IPMA Level D 1 China Deutschland China Deutschland 2 Deutschland China Deutschland China 3 Schweiz Dänemark Indien Schweiz 4 Russland Schweiz Russland Österreich 5 Iran Russland Kasachstan Niederlande 6 Dänemark Österreich Österreich Iran 7 Kroatien, Indien, Panama, Ukraine Indien Schweiz Indien 8 Frankreich Finnland Irland 4LC Top Performers 2021 Jahr 2021 IPMA Delta: Anzahl Zertifikate Jahr 2021 Erstzertifizierung: Anzahl 4LC Zertifikate Auch in stürmischer Zeit war die Rangfolge international ähnlich wie in den Vorjahren. Hans Knöpfel, spm-Vorstand pm_04_2022.indb 83 pm_04_2022.indb 83 02.09.2022 13: 54: 02 02.09.2022 13: 54: 02 84 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0089 Auf ein Wort mit-… Christoph Todt, „Director Transformation & Change“ bei der TUI Von Martina Peuser Zur Person | Christoph Todt ist „Director Transformation & Change“ bei den TUI Airlines. Aktuell begleitet er die Transformation und Konsolidierung der fünf europäischen Fluggesellschaften zu einer virtuellen Airline. Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? Eher zufällig, eigentlich wollte ich ja Pilot werden. Die Faszination des Fliegens hat mich nie losgelassen. Nach meinem Studium zum Wirtschaftsingenieur wollte ich unbedingt für eine Fluggesellschaft arbeiten. Das ging aber nur über den Umweg einer Topmanagementberatung für die Aviation-Branche. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Mein erstes Großprojekt zur Kostenoptimierung der damaligen Hapag-Lloyd Fluggesellschaft. Ähnliche Erfahrungen bei LTU haben mich als Finanzchef dazu bewogen, den Vorstand von frühzeitigen Ergebnisverbesserungsmaßnahmen zu überzeugen. Am Ende wurden wir mit einer deutlichen Übererreichung des ursprünglichen Targets belohnt. An welchem Projekt arbeiten Sie gerade? Neben der organisatorischen Transformation der TUI Airlines arbeiten wir an einer Nachhaltigkeitsstrategie. Ein Zeithorizont deutlich jenseits von 10 Jahren macht dieses Thema spannend, aber auch anspruchsvoll. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? Wir arbeiten mit wenigen verpflichtenden Standards und Tools. Den Einsatz von Methoden passen wir an den Erfolg unserer Projekte an. Die meisten operativen Projekte werden nach der Wasserfall-Methode abgearbeitet, bei IT-Systemen sind wir agiler. Welche historischen Projekte bewundern Sie am meisten? Der Bau des Eifelturms mit den Technologien und dem Wissen von damals-- Chapeau! Was wäre Ihr Traumprojekt? Ich würde gerne an einem Projekt mitarbeiten, das klimaneutrales Fliegen im kommerziellen Bereich zum Ziel hat. Es ist eine herausfordernde Aufgabe etwas zu erreichen, was man sich heute noch nicht vorstellen kann. Was zeichnet Sie als Projektmanager besonders aus? Ich meine ein gutes Gespür für Menschen und Situationen zu haben. Ganz ohne KPIs sagt mir mein Gefühl, wenn ein Projekt nicht läuft. Dafür muss ich die Zusammenhänge aber selbst verstanden haben. Die Zeit in der Beratung war hier eine harte, aber gute Schule für mich und lehrte mich unter anderem auch den zielorientierten Umgang mit Stakeholdern. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? Die aktive Beteiligung an Veränderungen motiviert mich. Ein „Nein“ oder „das geht nicht“ hat mich schon immer angespornt, etwas trotzdem zu versuchen. Denn häufig mangelt es nur an Veränderungsbereitschaft. Welche Tipps haben Sie für den Projektmanagement-Nachwuchs? Sie sollten immer neugierig, hartnäckig und zielorientiert bleiben und in Projekten ihre Umsetzungsstärke und Führungsqualitäten testen. Welche Eigenschaften schätzen Sie an Projektmanagern*innen am meisten? Ehrlichkeit, Kreativität und Reaktionsgeschwindigkeit. Toll ist es auch, wenn jemand alle Eventualitäten durchspielen kann, um Risiken präventiv zu vermeiden. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Glück? Das Gefühl, eine schwierige Aufgabe gemeinsam mit dem Team gemeistert zu haben. Was ist für Sie das größte Unglück im Projektmanagement? Stakeholder, die sich nicht am Projekt beteiligen und desinteressiert sind. Kurz vor Projektende erklären sie einem dann die Welt und machen sich wichtig. Was geben Sie den Lesern mit auf den Weg? Wer den Dingen auf den Grund geht, ist im Vorteil. Wer präzise Fragen stellt, bekommt die richtigen Antworten. Wer eine gesunde Skepsis hat, wird Risiken früh erkennen. Wer gut kommuniziert, vermeidet Missverständnisse. Prof. Dr. Martina Peuser Prof. Dr. Martina Peuser ist Professorin für allgemeine BWL, insbesondere Organisation und Projektmanagement, an der Leibniz Fachhochschule in Hannover. Als Inhaberin des „Institut für praxisnahe Mittelstandberatung” ist sie Expertin für kundenzentrierte, agile Organisationsstrukturen und begleitet Unternehmen dabei, ihre Strukturen mit dem Fokus auf Kunden flexibel anzupassen. pm_04_2022.indb 84 pm_04_2022.indb 84 02.09.2022 13: 54: 03 02.09.2022 13: 54: 03 PM Forum Digital WANDEL BEGLEITEN. PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN. VERANTWORTUNG LEBEN. Zwei halbe Tage: Impulsgebende Vorträge und inspirierende Praxisbeispiele DAS NEUE PM FORUM Menschen. Methoden. Lösungen. Der bedeutendste Treffpunkt der PM-Community Jetzt informieren und Ticket sichern: www.pm-forum.de Eine Veranstaltung der 10. UND 11. NOVEMBER 2022 Martina Angela Friedl Systemisches Coaching Was macht systemisches Coaching im Detail aus? Und vor allem, wie kann man es erlernen und anwenden? Dieses Buch hilft Ihnen, den systemischen Ansatz in Theorie und Praxis zu verstehen und entsprechende Coachingtechniken anzuwenden. Es umfasst: ∙--einen detaillierten Überblick über die Theorieentwicklung im systemischen Feld in Abgrenzung zu anderen Theorien, ∙--eine Beschreibung der Charakteristika des systemischen Coachings wie Haltungen und Coaching-Formate, ∙--eine ausführliche Zusammenstellung von Coaching-Instrumenten für Anfänger und Fortgeschrittene, ∙--konkrete Anleitungen zum Einüben der einzelnen Coaching-Instrumente sowie ∙--Ideen, wie systemisches Coaching im Führungsalltag hilfreich sein kann. 160 Seiten, kartoniert, E-Book inside • € (D) 18,00 • ISBN 978-3-7495-0353-7 • Auch als E-Book erhältlich Karin Kiesele Überraschend anders fragen Ob Coaching-Sitzung, Mitarbeitergespräch oder Interview: Wer davon lebt, beruflich die richtigen Fragen zu stellen, wer Dinge herausfinden und sich verständlich machen möchte, der fragt - und führt! Menschen, in deren Beruf Kommunikation zentral ist und die viele Fragen stellen (müssen), unterstützt dieses Buch darin, die richtigen Fragen richtig zu stellen. Impulse, Übungen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen führen direkt in die Praxis und bieten einen hohen Mehrwert, u. a. zu folgenden Themen: ∙--Mit Fragen Ziele erreichen ∙--Vom Wesen der Fragen ∙--Fragen und ihre Wirkung ∙--Fragetypen 176 Seiten, kartoniert, E-Book inside • € (D) 28,00 • ISBN 978-3-7495-0357-5 • Auch als E-Book erhältlich Isa Schlott Coaching im Grenzbereich Noch Unsicherheit oder schon Angst? Stress oder Burn-out? Perfektionismus oder Zwang? Die Grenzen zwischen Coaching und Therapie sind fließend und selbst für Profis nicht immer leicht zu ziehen. Um als Coach zu entscheiden, ab wann doch Psychotherapie angezeigt ist, muss man wissen, wo die rechtlichen und fachlichen Grenzen liegen. Zugleich braucht man wirksame therapeutische Tools, um Klient: innen verantwortungsvoll auch in schwierigen Situationen unterstützen zu können. Allen Coaches liefert Isa Schlott in diesem Profiratgeber praxiserprobte Werkzeuge. Sie lernen zu erkennen, wann die Grenze erreicht ist, ab der eine Behandlung durch medizinisch-therapeutische Profis zwingend ist, und erfahren, welche Tools auch im Grenzbereich zwischen Coaching und Therapie gute Erfolge bringen. 240 Seiten, kartoniert, E-Book inside • € (D) 28,00 • ISBN 978-3-7495-0350-6 • Auch als E-Book erhältlich Neue Coaching-Bücher bei Junfermann www.junfermann.de - Wir liefern versandkostenfrei! Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de Vom Kleinunternehmer über den Mittelstand bis hin zu weltweit agierenden Konzernen: Mit Projektron BCS und Projektron BCS.start bieten wir Ihnen die passende Lösung. Für klassische, agile oder hybride Projekte. Projektmanagement- Software auswerten koordinieren planen projektron.de BCS im dunklen Modus Auftraggeber Eine Rolle zu wichtig für die zweite Reihe Ausgabe 4/ 2022 | 33. Jahrgang