PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de Digitalisierung und KI im Projektmanagement Ausgabe 1/ 2024 | 35. Jahrgang Informationen und Anmeldung unter: www.pm-forum.de PM FORUM LIVE IN HAMBURG 6. - 7. JUNI 2024 PM FORUM DIGITAL VON ÜBERALL 7. - 8. NOVEMBER 2024 HIGHLIGHT EVENT DER MENSCHEN. METHODEN. LÖSUNGEN. Der bedeutendste Treffpunkt der Projektmanagement-Community Zweimal im Jahr das GPM Highlight Event Jetzt Ticket sichern! 1 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 01/ 2024 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Nadja Saoudi, GPM Nürnberg Dr. Thor Möller, prometicon projects GmbH, Bremen Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Peter Thuy (Präsident GPM) Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Ingrid Giel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 35. Jahrgang, 01/ 2024 ISSN 2941-0878 Verlag: UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 Telefax: +49 (0)7071 97 97 11 www.projektmanagement.digital © 2024 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Patrick Sorg eMail: sorg@narr.de Anzeigenverwaltung: Oliver Solbach eMail: solbach@narr.de Anzeigenverkauf: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 120 224 12 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © Miha Creative/ Shutterstock.com Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form verwendet (generisches Maskulinum). Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter und beinhalten keine Wertung. Impressum 2 Editorial Reportage 4 Ein „Hilfsmotor“ mit Start-up-Feeling 10 „Wir verstehen uns als Start-up! “ Wissen 15 Die Projektcharakteristik determiniert das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten 20 Zwischen Hype und Realität: Künstliche Intelligenz im Projektmanagement 24 Digitaler Wandel: Wie MS Teams und KI das Arbeiten in Projekten revolutionieren 30 Handlungsempfehlungen zur sicheren und digital souveränen Nutzung generativer KI- Systeme 36 Benötigen wir einen Booster für Start-ups im Bereich der KI? 41 Einsatz von KI entlang des Risikomanagement- Prozesses von Projekten: Spezifische Tools, Anwendungsszenarien und Barrieren 48 KI und Projektmanagement-Governance 51 Chinas neue Herausforderungen im F&E- Projektmanagement 54 Die GPM auf dem KGSt-Forum in Hamburg 56 KGSt-Vorstand Dr. Klaus Effing im Interview 58 Die GPM setzt ein Zeichen für innovative Bildung 63 GPM Baumspende - Gemeinsam den Wald der Zukunft gestalten PM Forum 65 Kluge Personalentscheidungen für die neue Arbeitswelt Kolumne 67 Der mentale Energietrunk Aus den DACH-Verbänden 68 GPM intern Die GPM Fach- und Regionalgruppen 69 pma intern 70 spm intern 72 Auf ein Wort mit-… Lars Nielsen 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0001 Liebe Leserinnen und Leser, mit dem Start von ChatGPT ist das Thema Künstliche Intelligenz (KI) schlagartig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Dabei sehen wir mit ChatGPT nur die „Spitze des Eisbergs“. Längst haben digitale Technologien und KI begonnen, alle Lebensbereiche zu durchdringen. Die rasante Entwicklung der Digitalisierung und der KI revolutioniert derzeit auch das Projektmanagement und eröffnet neue Möglichkeiten Projekte effizienter und erfolgreicher zu gestalten. Effizienzvorteile ergeben sich aus der Automatisierung vieler Routinetätigkeiten: beispielsweise der Erstellung von Berichten, der Zuweisung von Ressourcen oder der Überwachung von Zeitplänen. Solche Aufgaben können heute schon durch intelligente Algorithmen erledigt werden. Durch den Einsatz von Echtzeitdaten und durch KI-gestützte Analysen können frühzeitig Muster und Trends identifiziert werden, die auf Chancen oder Risiken in Projekten hindeuten. Damit werden fundiertere Entscheidungen möglich, die den Projekterfolg sichern oder sogar steigern helfen. Darüber hinaus verbessern digitale Tools und Plattformen auch die Kommunikation und Zusammenarbeit, etwa für Projektteams, die über Kontinente verteilt sind. Die Nutzung von Digitalisierung und KI im Projektmanagement bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Mit dem Einsatz von KI ändern sich Arbeitsabläufe und Aufgaben der Mitarbeiter. Darauf müssen sie mit Schulungen vorbereitet werden: Mitarbeiter müssen lernen, wie mit KI-Systemen kommuniziert wird und wie man die von ihnen generierten Erkenntnisse interpretiert und verwenden kann. Außerdem wirft der Einsatz von KI ethische Fragen auf, insbesondere hinsichtlich Entscheidungsfindung, möglicher Biases und denkbarer Diskriminierung. Auch die Fragen der Datensouveränität und des Datenschutzes müssen geklärt werden. Nicht zuletzt das sich schnell verändernde rechtliche Umfeld birgt Herausforderungen. Insgesamt gesehen: Digitalisierung und KI sind im Projektmanagement inzwischen unverzichtbare Werkzeuge. Sie helfen, die Wettbewerbsfähigkeit in Projekten zu steigern, Projekte effizienter und effektiver zu managen-- mit einem Wort: langfristig erfolgreich zu sein. Wir werden in diesem Heft unterschiedliche Facetten der Digitalisierung und des Einsatzes von KI im Projektmanagement beleuchten. Starten wir mit einem Einblick in die Digitalisierungsprojekte der Stadt Hamburg. René Binnewerg und Marina Zöfeld leiten das DigiLab des LSBG. Sie wirken durch Digitalisierungsprojekte daran mit, Mobilität und Verkehr in Hamburg in ein neues Zeitalter zu führen. Lesen Sie dazu unseren Report und unser Interview. Martin Barth und Margit Sarstedt zeigen in ihrem Beitrag, wie die Projektcharakteristik das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten determiniert. Vivien-Jana Gaida und Mahir Kulalic erklären die vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten von KI in Projektmanagement-Tools. Wie indes die Digitalisierung praktisch das Arbeiten in Projekten revolutioniert- - dies zeigen Clemens Drilling und Helmut Klausing am Beispiel von MS Teams und KI. Beim Einsatz von generativen KI-Systemen ist besonders darauf zu achten, dass sensible Daten nicht abfließen oder missbraucht werden; auch rechtliche Probleme dürfen nicht auftreten. Ralf Schweifler und Harald Wehnes legen Handlungsempfehlungen zur Auswahl und Nutzung von KI-Systemen vor. Christian Bernert untersucht, wie Deutschland seine Startup-Landschaft umgestalten und KI-Unternehmen effektiv unterstützen kann. Er zeigt Wege, wie die Unterstützung deutscher KI-Start-ups ähnlich erfolgreich werden kann wie in den USA. Vincent Lächelt, Jose Arroyo Portillo und Timo Braun betrachten in ihrem Beitrag die typischen Prozessschritte im Risikomanagement und untersuchen, welche Potenziale und Herausforderungen der Einsatz von KI in den jeweiligen Prozessschritten mit sich bringt. Michael Boxheimer gibt in seinem Beitrag einen Überblick, wie KI die Projektmanagement Governance unterstützen kann und welche Einsatzfelder vorhanden sind. China strebt eine globale Rolle im Bereich der Forschung und Entwicklung an. Staatliche Förderprogramme in Schlüsselbereichen sollen China zum Innovationsführer in vielen Bereichen machen, unter anderem auch in der KI der nächsten Generation. Welche Rolle dabei das Projektmanagement in China spielen kann, untersucht Karl Waldkirch in seinem Beitrag. Darüber hinaus berichten wir aus der GPM. Lesen Sie zu den Aktivitäten der GPM den Bericht sowie das Interview von Maximilian Hahn zum KGSt-Forum. Es handelt sich um den größten Kommunalkongress Deutschlands. Anne Hoffmeister, Antje Leitert, Peter Pürckhauer und Jürgen Uhlig-Schoenian berichten in ihrem Beitrag über die erstmalige Vergabe des Siegels „Projektorientierte Schule“ (POSCH) an drei berufsbildende und eine allgemeinbildende Schule. Abschließend berichtet Nadia Saoudi über die Baumspendenaktion der GPM anlässlich der Mitglieder-Jubiläen 2023. Künstliche Intelligenz - das Schwerpunktthema des aktuellen Heftes-- wird uns in den kommenden Jahren noch vielfach beschäftigen. Ich hoffe, Sie werden in unserem Heft interessante Aspekte zur Digitalisierung und zur Verwendung der KI im Projektmanagement für sich entdecken. Vielleicht können Sie sogar die eine oder andere Anregung für den zukünftigen Einsatz in ihren Projekten mitnehmen. Dies würde mich sehr freuen. Ich wünsche Ihnen auch im Jahr 2024 interessante und erfolgreiche Projekte! Ihr Steffen Scheurer Editorial Digitalisierung und KI im Projektmanagement Verleihen Sie Ihren Projekten neuen Schub Mit Teamgeist und Software-Power zum Projekterfolg Die Verwaltung von Projektdaten und die aufwendige Teamorganisation kosten Sie viel Zeit? Mit den PLANTA-Tools optimieren Sie Ihren Planungsaufwand, sodass Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können. Die Software-Suite sorgt dafür, dass Sie den Überblick über alle Projekte und Aufgaben behalten, egal ob klassisch, agil oder hybrid geplant. So fahren Sie in Ihren Projekten effizienter, reagieren schneller und halten Ihr Team perfekt abgestimmt. Lernen Sie PLANTA kennen: www.planta.de 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0002 Wie ein DigiLab die öffentliche Verwaltung verändert Ein „Hilfsmotor“ mit Start-up-Feeling Oliver Steeger Was der estnische Kollege über konsequente Digitalisierung erklärte, rang Marina Zöfeld und René Binnewerg Staunen ab. Jeder Bürger Estlands, so sagte ihnen der Kollege, hat eine persönliche Nummer, eine ID. Diese ID ist wie der Schlüssel zu seinem persönlichen digitalen Datentresor. In diesem Tresor sind zentral Daten hinterlegt, etwa der Führerschein, ÖPNV-Tickets, Stromrechnungen oder Telefondaten. Sofern es der Bürger ausdrücklich erlaubt, können Behörden und Privatunternehmen aus diesem Datentresor Informationen abrufen oder dort hinterlegen. Beispielsweise sehen Ärzte den Impfstatus ein. Oder Verkehrsunternehmen überprüfen den Wohnort. Alles transparent und gemäß europäischem Datenschutz. Was die beiden Hamburger staunen ließ, war nicht die Software selbst. Sondern die Tatsache, dass diese Digitalisierung so breit akzeptiert wird. Bis in die Behörden hinein. Das estnische Modell führte ihnen auch vor Augen, weshalb sich Deutsche mitunter so schwer tun mit der Digitalisierung. Es ist nicht die Technik. Sondern die Akzeptanz. Digitalisierung kann Arbeitsweisen, Vorstellungen von Datenschutz oder liebgewonnene Gewohnheiten verändern. Das hat man in Deutschland nicht besonders gerne. Dies ist der Stachel, der Marina Zöfeld und René Binnewerg im Fleisch sitzt. Sie leiten das DigiLab im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer Hamburg, kurz: LSBG. Und sie sind Projektmanager. Sie wollen daran mitwirken, Mobilität und Verkehr in ein neues Zeitalter zu führen. Mit Digitalisierung. Das mag etwas groß klingen, sagen sie. Aber: Sind vier Millionen Menschen in der Hansestadt künftig intelligenter geleitet unterwegs- - dann macht dies einen Unterschied. Zum einen für die in die Jahre gekommene Infrastruktur Hamburgs. Zum anderen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. „Wenn wir die Menschen mit digitalen und verlässlichen Angeboten zum Umdenken bekommen, ist das ein Riesenschritt“, sagen sie. Etwa, indem die Hamburger andere Verkehrsmittel wählen. Statt Auto beispielsweise den Bus oder die Bahn. Doch bevor andere umdenken können, muss ihre Behörde umdenken. Das weiß man im LSBG. Anstöße dafür kamen auch von René Binnewerg und Marina Zöfeld-- und von ihrem hochagilen „DigiLab“, dass sie mit einigen Mitstreitern gegründet haben. Im DigiLab treibt René Binnewerg gemeinsam mit Marina Zöfeld die digitale Transformation der Hamburger Infrastruktur voran. Dort entstand beispielsweise Software zur Stauprognose, für Verkehrsmanagement und zur Koordination von Baumaßnahmen. Derzeit arbeiten sie an einer Software, die lernen kann und Verkehrsmanagement mit künstlicher Intelligenz verbindet. Das ist, wie die beiden meinen, ein neuer Weg. Manchmal auch ein mühsamer Weg: Von ihren Projekten und der agilen Arbeitsweise müssen sie andere immer wieder überzeugen. „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“, zitiert René Binnewerg den Dichter Franz Kafka. Hamburg lebt von seinen Wegen, um in diesem Wortbild zu bleiben. Buchstäblich. Die Infrastruktur ist das Kapital der Hansestadt. Sie liegt an einem Verkehrsknotenpunkt. Wer in Europa von Ost nach West oder von Süd nach Nord reist-- der muss häufig Hamburg passieren. Zudem hat Hamburg den größten Seehafen Deutschlands und drittgrößten Containerhafen Europas. Seine Infrastruktur ist Segen und Fluch zugleich. Segen für die prosperierende Handelsmetropole. Und Fluch: Hamburg kann den wachsenden Verkehr kaum noch aufnehmen. Die Kapazität platzt aus allen Nähten. Hinzu kommt die laufende Instandhaltung an Straßen und Brücken. Rund 700 Mitarbeiter sind im LSBG für weite Teile der Hamburger Infrastruktur zuständig-- von den Hauptverkehrsadern bis hin zu Elbbrücken oder Nebenstraßen im Stadtgebiet. René Binnewerg kam 2016 zum LSBG. Er sollte Prozessmanagement-Projekte durchführen. Er traf auf Marina Zöfeld. Sie ist seit 2010 im LSBG und zu dieser Zeit Projektleiterin in der Strategischen Organisationentwicklung. „Wir stellten ziemlich schnell fest, dass wir bestimmte Dinge sehr ähnlich sahen“, erklärt sie. Eine Erkenntnis: Es braucht Veränderung im LSBG. Für diese Veränderung braucht die Verwaltung Unterstützung. Unterstützung in Form eines „Hilfsmotors“ wie René Binnewerg es nennt-- eines „DigiLabs“ als Keimzelle für Digitalisierung und neues Projektmanagement. Dass es nicht einfach sein würde, solch einen Digitalisierungs-Hilfsmotor durchzusetzen - darüber machten sich Marina Zöfeld und René Binnewerg keine Illusionen. Man wies ihre Ideen zurück. Ein klares, hartes „nein“. Das schmerzte. repräsentative Studie zum Anteil der Projektarbeit in Deutschland 2023 uvk.de Reportage | Ein „Hilfsmotor“ mit Start-up-Feeling 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0002 Doch der Schmerz tat etwas, das nicht im Drehbuch einer Verwaltung stand: Er stachelte die beiden DigiLab-Visionäre weiter an. Um ihre Hartnäckigkeit und die zwingende Logik ihrer Argumente kam man auf Dauer nicht herum. Zumal es sich bei Marina Zöfeld und René Binnewerg um loyale Mitarbeiter handelt. Sie spielen mit offenen Karten und sind bis zur Selbstaufgabe der Sache verpflichtet. Dann die revidierte Entscheidung: Macht einfach! Allerdings ohne weitere Mitarbeiter, ohne Budget und ohne weitere Unterstützung. Dies reichte den beiden fürs Erste. „Macht einfach“ heißt für sie-- machen! Zwei Glücksfälle kamen ihnen zu Hilfe. Der eine Glücksfall: Hamburg bekam Ende 2017 den Zuschlag für den ITS-Weltkongress 2021, dem weltweiten Leitkongress für intelligente Transportsysteme. Hamburg wollte sich als weltoffene Stadt mit zukunftsweisender Mobilität präsentieren. Die Hansestadt hatte nun Projekte aufzusetzen: Es mussten intelligente Transportsysteme in Hamburg auf die Beine gestellt werden. Der zweite Glücksfall waren die „Dieselmilliarde“, das Bußgeld der Autokonzerne nach dem Dieselskandal. Die Politik wollte mit den Milliarden schnellstmöglich Verkehrsprojekte fördern- - und rief auf, sich um Zuwendungen zu bewerben. Marina Zöfeld und René Binnewerg ließen sich dies nicht zweimal sagen. Sie brachten ihre Anträge auf den Weg. Macher-Typen. Plötzlich waren Projekte für das DigiLab greifbar und Geld im System. Was nun fehlte waren Mitarbeiter. „Wir durften noch kein Personal einstellen“, berichtet Marina Zöfeld, „deshalb unterstützten uns externe Berater in den Projektteams.“ Das kleine Team des DigiLabs schrieb eilig Beraterstellen aus, ein oft zeitraubender Verwaltungsakt. „Häufig stand bürokratisch gegen pragmatisch“, sagt René Binnewerg. Innerhalb eines Jahres stockte das Team auf sechs externe Berater auf und holte Projekte zur Digitalisierung herein. Dr. Melanie Mergler, damals externe Beraterin und heute feste LSBG-Mitarbeiterin, spürte den Start-up-Spirit inmitten einer Behörde. „Wir hatten solche Projekte noch nie gemacht. Es gab nicht einmal anderswo Vergleichsprojekte dazu“, berichtet sie, „und wir sollten solche Vorhaben innerhalb eines Jahres umsetzen! “ Zigtausende Baustellen an Straßen und Brücken fallen in Hamburg an, wie in jeder anderen Großstadt auch, immer verbunden mit Fahrbahnverengungen, Straßensperren, Ausweichverkehr und Stau. Eine Vielzahl von Playern mischen mit: etwa Bezirks-Tiefbauämter, Wasserversorger, Bahnen, Hafenbehörde, Stromnetzbetreiber. Lange Zeit lief die Abstimmung zwischen den Playern auf konventionellem Wege: auf Sitzungen, in denen Excel-Listen diskutiert wurden. Doch häufig wurden Straßen dann doch mehrmals hintereinander gesperrt- - weil der eine Leitungen erneuerte und ein halbes Jahr später der andere Kabel verlegte. „2017 hat der LSBG eine digitale Lösung mit Hilfe eines Dienstleisters entwickelt, die eine Koordination zwischen den bauenden Playern ermöglichte“, sagt René Binnewerg. „Die Lösung erlaubt es, auf digitaler Basis systematisch miteinander zu reden, gemeinsam zu planen und Projekte abzustimmen.“ Er meint die Software ROADS City (Roadwork Administration and Decision System). Dank ROADS sind heute alle wesentlichen Baumaßnahmen in der Stadt Hamburg auf einer digitalen Oberfläche zu erkennen-- und zwar auf einen Blick. Die städtischen Baustellen-Partner greifen auf die Daten zum Beispiel mittels einheitlicher Touch Tables zu: Planungstische mit großflächigem Touch-Display. Darüber hinaus gibt es auf jedem Rechner einen Zugang zum System. Über diese beiden Wege haben die Partner Zugang zum gleichen Datenbestand. Sie können sehen, wann, wo, von wem und in welchem Zeitraum welche Baustelle geplant ist-- und wie ihre eigenen Baumaßnahmen in den Gesamtplan passen. Das Prinzip ist einfach: Das System präsentiert den Beteiligten eine interaktive Straßenkarte. In dieser Karte wird jede geplante Baumaßnahme so früh wie möglich erfasst (städtische Baumaßnahmen haben eine Vorlaufzeit von bis zu fünf Jahren! ). Auf der Karte springen die Wechselwirkungen zwischen den Baumaßnahmen deutlich ins Auge: Hindernisse werden deutlich und Abhängigkeiten sichtbar. Das System ermöglicht dann Planspiele: Was bedeutet es für den Verkehr, wenn beispielsweise eine Baustelle um ein halbes Jahr vorgezogen wird? Oder mit einer anderen, späteren Baustelle zusammengelegt wird? Sogar spezielle Details wie Umleitungen, Schwerlastrouten oder Ferien und Großevents kennt das System mittlerweile. Dieses abgestimmte Vorgehen funktioniert nur, wenn bei allen Beteiligten die Prozesse für eine Baumaßnahme gleich ablaufen. Damit ist René Binnewerg beim Projektmanagement. Ein gemeinsamer Prozessablauf, sagt er, eröffnet die Chance zu kooperieren und gemeinsam zu bauen. Sein Team erarbeitete ein „Prozesshaus“ für und gemeinsam mit den Partnern, ein einheitliches Prozess-Raster für Baumaßnahmen. Anfangs war es nicht leicht, die Partner für dieses Prozesshaus zu gewinnen. Doch René Binnewerg hielt ihnen die Vorteile vor Augen, die sie selbst aus den abgestimmten Prozessen ziehen. Beispielsweise können die Partner Kooperationen bilden und Baumaßnahmen zusammenlegen. Beispielsweise reißt der Stromversorger eine Straße auf und verlegt seine Stromleitungen. Dann legt der Gasversorger seine Leitung daneben-- und schließt die Baustelle wieder. Die Kosten werden geteilt. Solche Synergien sind im Budget zu spüren. Eigentlich genial. Nur-- der Bürger selbst spürt wenig von dem Benefit, der ihm durch die Software entsteht. Er könnte ihn spüren. Er steht weniger im baustellenbedingten Stau. Doch das spürt man nicht. Wie auch? Nur Stau tut weh. „Nicht- Stau“ bleibt unbemerkt. Dies findet René Binnewerg ein Stück weit tragisch. Die Arbeit der Ingenieure und die sorgfältige Koordinierung wird draußen kaum gesehen, sagt er, und nach einer kurzen Pause fügt er an: „Der LSBG steckt voller Helden, die selten als Helden erkannt werden.“ Dies schließt auch die Helden im DigiLab ein: 2019 offiziell gegründet hat das Lab einen Senkrechtstart hingelegt. Heute arbeitet hier ein vierzigköpfiges Team. Die Vorreiter-Rolle, die das DigiLab deutschlandweit einnimmt, ist unbestritten. Besucher aus anderen Städten geben sich die Klinke in die Hand. Im vergangenen Jahr informierte sich der Münchener Stadtrat bei den Smart-City-Pionieren in Hamburg. Kooperationen mit Städten wie Stuttgart, München oder Dortmund haben sich entwickelt. 2021 stellte sich das DigiLab organisatorisch um auf einen Community-Ansatz (ohne klassische Büros) und selbstorgani- Reportage | Ein „Hilfsmotor“ mit Start-up-Feeling 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0002 sierende Teams. Das DigiLab warb Fachkräfte unter anderem aus Indien an; sie sind nun festangestellt bei der Stadt Hamburg. Englisch gilt als Zweitsprache im DigiLab, KI als unabdingbare Schlüsseltechnologie. Die Räume des Labs gleichen mehr einem kalifornischem Tech-Start-up als einer hansestädtischen Verwaltung. Eingerichtet wurden ein Studio für Ton- und Videoaufzeichnung, ein Raum für virtuelles Arbeiten mit VR-Brille sowie ein Drohnen- Leitstand. Da gibt es Sprossenwände, Sitzsäcke und Trimmräder an den Arbeitsplätzen. Zwei Mitarbeiterinnen haben leuchtende Acrylbilder auf die Flurwände gemalt. Das Team nutzt Sitzecken für Besprechungen oder zum Brainstormen; sie sitzen unter Fototapeten der Elbphilharmonie oder des alten Elbtunnels. René Binnewerg und Marina Zöfeld halten dies für nötige und sinnvolle Investitionen. Fachkräfte zu gewinnen ist nicht leicht, schon gar nicht für eine Verwaltung. Sie können im DigiLab nicht die in der internationalen Wirtschaft üblichen Gehälter zahlen. Doch in einer Verwaltung kann man mit Vorteilen punkten, die die profitorientierte Wirtschaft nicht bietet: Etwa, einen Beitrag zu Mobilitätswende und urbaner Gesellschaft zu leisten. Für Klimaschutz, Gemeinwohl und nachhaltige Zukunft zu arbeiten. Dies spricht Menschen an, die ähnlich intrinsisch motiviert sind wie René Binnewerg, Marina Zöfeld und alle anderen im Team. Nur- - solche Fachkräfte erwarten ein modernes Arbeitsumfeld. Sie wollen bei der Führung auf Augenhöhe sein, Verantwortung übernehmen und sich persönlich weiterentwickeln. Sie suchen das agile Mindset, das René Binnewerg und Marina Zöfeld gemeinsam aufgebaut haben. Die beiden DigiLab-Gründer halten ihre Begegnung für einen Glücksfall- - auch, weil sie in vielem grundverschieden sind (was sich am Ende wieder ergänzt). René Binnewerg ist Volkswirt, Marina Zöfeld Wirtschaftspsychologin. Er geht mit starker Präsenz auf Menschen zu, sie blickt mit psychologischer Brille auf Menschen. „Sie unterstützen sich in ihren Stärken und gleichen ihre Schwächen aus“, sagt Dr. Melanie Mergler, „diese Dynamik strahlt auf das gesamte Team im DigiLab aus.“ Eines haben sie aber gemeinsam. Den Rebellengeist. Rebellengeist kann zwei Wege nehmen: Entweder verdeckt, konspirativ und eigennützig. Oder offen, selbstlos, der Sache verpflichtet und pragmatisch. Marina Zöfeld und René Binnewerg gehen den zweiten Weg. Sie geben acht, den Bogen nicht zu überspannen. Sie suchen Ausgleich und überzeugen durch Erfolge. „Natürlich kann man probieren, bestimmte Neuerungen durchzusetzen“, sagt Marina Zöfeld, „früher oder später läuft man gegen die Wand“. „Besser ist es, Menschen mitzunehmen, indem man ihnen die Vorteile vor Augen führt, die ihnen das Projekt bringt, und sie selbst diese erleben lässt.“ Dazu gehört auch, dass René Binnewerg und Marina Zöfeld mit ihrer Arbeit „anschlussfähig“ bleiben für die Verwaltung. Ein Beispiel: Statt auf rein agiles Projektmanagement setzen sie auf eine hybride Form: Sie bringen Elemente aus dem agilen und klassischen Projektmanagement zusammen. Agilität hilft, flexibel und schnell Ideen umzusetzen. Agilität ist wie eine Aufforderung: Machen! Anfangen! Ausprobieren! Dies spricht René Binnewerg aus dem Herzen. Wieder Franz Kafka: Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Indes, die klassischen Steuerungsmethoden zielen auf die Entscheidungsebene in der Verwaltung, orientieren sich strukturiert an Plänen und Regeln. Diese Elemente bilden gewissermaßen die Verbindungspunkte aus der agilen Welt zur Verwaltungsorganisation: etwa über Phasenpläne, Meilensteine und Abrechnungspunkte beim Controlling. „Wir arbeiten für die Verwaltung mit klassischen Elementen des Projektmanagements, doch das Mindset im DigiLab ist agil“, fasst Marina Zöfeld zusammen, „wir brauchen die Agilität, um nutzerorientierte Produkte für die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln.“ Mit seinen Projekten hat das DigiLab-Team vielfach noch „unter der Motorhaube“ gearbeitet- - und, wie René Binnewerg sagt, „meistens die Symptome gelindert“. Mit Digitalisierung Chefredakteur Professor Steffen Scheurer betrachtet im DigiLab das dreidimensionale Modell einer Hamburger Brücke. Foto: Oliver Steeger Reportage | Ein „Hilfsmotor“ mit Start-up-Feeling 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0002 dazu beigetragen, beispielsweise Stau zu reduzieren- - etwa durch besser koordinierte Baustellen oder Echtzeit-Übersicht über Absperrungen. Dies alles heilt noch nicht die eigentliche Krankheit: die chronische Überlastung der Hamburger Straßen vor allem durch Autoverkehr. Das Therapiekonzept jetzt heißt: digital unterstützte Verkehrswende und vernetzte Mobilität. Das neue Projekt „#transmove“ ist der Schritt dorthin, sagt René Binnewerg: „Ein großer und wichtiger Schritt in die Zukunft der digital gestalteten, urbanen Mobilität.“ Gewissermaßen der heilige Gral der Digitalisierung von Infrastruktur. Dr. Melanie Mergler leitet die Entwicklung dieser Softwarelösung gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Christian Messerschmidt. Sie erklärt die Idee hinter ihrem Projekt: Die KI-gestützte Software hilft den Hamburger, das individuell passende Verkehrsmittel zu wählen und dadurch schneller in der Stadt voranzukommen. Und hilft der Verwaltung, intelligenter den Verkehr zu steuern. Dr. Melanie Mergler holt etwas aus, um “#transmove“ zu erklären. In Städten wird Mobilität sorgfältig geplant. Bislang geschah dies mit sogenannter Verkehrsmodellierung. Stark vereinfacht gesagt: Mit soziologischen (Bevölkerung), geographischen (Wo sind Wohnquartiere? Schulen? Bürozentren? ) sowie historischen Verkehrsdaten wurde ein Modell des städtischen Verkehrs entwickelt. Dieses Modell ermöglichte es, Mobilität zu gestalten: etwa Buslinien einzurichten oder zu verändern, Fahrpläne zu entwickeln, Straßen zu bauen oder Ampelschaltungen zu verbessern. Das Problem: Die Verkehrsmodelle stützten sich häufig auf zwei bis drei Jahre alte Daten-- und waren recht statisch. Menschen, die unterwegs sind, verhalten sich dynamisch. Sie entscheiden je nach Wetter, Verkehrslage oder individueller Situation, ob sie mit dem Auto fahren, mit dem Bus, der Bahn oder dem Fahrrad. Und dies jeden Tag aufs Neue. Beispielsweise bei sonnigem Wetter sind in Hamburg viele Radfahrer unterwegs. Bei schlechtem Wetter nicht. Bisherige Verkehrsmodelle berücksichtigen diese Dynamik nicht. Wie viel Busse und Bahnen mehr eingesetzt werden müssen, wenn es morgen zum Berufsverkehr regnet-- darauf hat solch ein System keine Antwort. Das neue System „#transmove“ verfolgt einen Systemwechsel, an dem das DigiLab zusammen mit der PTV Group, Workplace Solutions und dem KIT Karlsruhe (Institute of Technology) arbeitet. Zum einen verarbeitet die Software Echtzeitdaten. Zum anderen arbeitet sie präziser, da sie agentenbasiert ist. Dies bedeutet: Die Software bildet den Verkehr in Hamburg virtuell mit rund vier Millionen digitalen Agenten nach. Jeder dieser digitalen Agenten steht stellvertretend für einen Hamburger Bürger. Diese digitalen Agenten verhalten sich wie die realen Bürger. Sie kaufen ein, fahren zur Arbeit, gehen zur Schule oder Uni, besuchen Freunde oder machen einen Ausflug an den Stadtrand. Es ist, als ob vier Millionen Datenpunkte auf einem virtuellen Stadtplan zu Fuß unterwegs sind, auf dem Fahrrad, im Auto, im Bus oder in der Bahn. Menschen, die ganz normal ihrem Alltag nachgehen. Was geschieht, wenn plötzlich die echten Bürger gestört werden? Angenommen durch morgendliches Schneetreiben mit Eisglätte? Was dann geschieht, zeigen die virtuellen Stellvertreter- - die Agenten- - in einer weiteren Ausbaustufe der Simulation. Die Agenten versuchen, mit der neuen Situation umzugehen. Einige bleiben vielleicht daheim. Doch die meisten wechseln vom Auto oder Fahrrad zu Bus und Bahn (wobei „die meisten“ bei vier Millionen Einwohner heißt: hunderttausende). Dies bedeutet zweierlei: Erstens, es müssten mehr Busse oder andere Mobilitätsangebote (etwa Carsharing) auf die Straßen und mehr Züge auf die Schienen, um den zusätzlichen Bedarf zu bewältigen. Zweitens, die Bürger brauchen auf einer App frühzeitig individuelle Hinweise, mit welchen Verkehrsmitteln sie heute am schnellsten etwa zum Arbeitsplatz oder in die Schule kommen. So etwas ist alles andere als trivial. Wer in das Verkehrsgeschehen einer Millionenstadt eingreift, etwa durch ÖPNV-Empfehlungen oder veränderte Ampelschaltungen-- der muss die Konsequenzen dieser Eingriffe kennen. Wie verändert es den Dr. Melanie Mergler und Dr. Christian Messerschmidt, Projektleiterin und Product Owner des Projektes #transmove, zeigen auf einem Dashboard die aktuelle Hamburger Verkehrslage. Foto: Oliver Steeger Reportage | Ein „Hilfsmotor“ mit Start-up-Feeling 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0002 Verkehr, wenn man 200.000 Bürgern den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV empfiehlt? Solche Simulationen erlaubt #transmove. Es rechnet verschiedene Szenarien durch, entwickelt Prognosen und legt Empfehlungen vor. Mehr noch: #transmove lernt aus seinen Empfehlungen der Vergangenheit. Das System schaut nach, welche zurückliegenden Empfehlungen in einer ähnlichen Situation gut funktioniert haben und erfolgreich waren. „Dafür setzen wir künstliche Intelligenz ein“, erklärt Dr. Melanie Mergler. Und: „#transmove“ kann dann perspektivisch beispielsweise die aktuelle Situation mit ähnlichen aus der Vergangenheit vergleichen und erfolgversprechende Maßnahmen empfehlen.“ Hat sich in der Vergangenheit bei Glatteis eine erhöhte Taktung der Bahnen bewährt? Oder eine veränderte Ampeltaktung, um den Weg freizumachen für Busse? Der Vorteil von #transmove liegt auf der Hand. Bürger können schon bald morgens ihre persönliche Mobilität für den Tag besser planen. Bis Ende 2024 werden die von #transmove erstellen Mobilitätsprognosen in die Hamburger App „hvv switch“ integriert. Dann zeigt die App, welches Verkehrsmittel für den jeweiligen Nutzer aktuell optimal ist: Bus, Bahn-- oder vielleicht der E-Scooter? Die App stellt die schnellste Verbindung zusammen. Dieses Projekt verfolgt nicht das Ziel, den Autoverkehr abzuschaffen- - sondern die Mobilitätssysteme intelligent miteinander zu vernetzen. Diese intelligente Verknüpfung von Systemen könnte die Brücke in die Zukunft sein und den wachsenden Verkehr in Hamburg bewältigen helfen. Sicher ist: Die wachsende Mobilität ist ein Grundbedürfnis unserer Zeit. Die Frage ist nicht das „was“, sondern das „wie“. Würden mehr Menschen auf Busse, Bahnen oder Fahrräder umsteigen, könnte dies letztlich auch die Hamburger Straßen und Brücken entlasten, die heute am Limit stehen. Zudem könnte dies den Klimawandel bekämpfen helfen. René Binnewerg behauptet selbstbewusst, dass der Kampf gegen Klimawandel in dichtbesiedelten Metropolregionen entschieden wird, nicht in der Fläche. Kluge Digitalisierung in der Hansestadt sowie ein vielseitiges Angebot an Fortbewegungsmöglichkeiten kann hunderttausende Menschen überzeugen, auf das eigene Auto zu verzichten. Die Projekte in Hamburg bilden dabei einen großen Hebel. Doch das Auto ist nach wie vor des Deutschen liebstes Kind. Nehmen also die Hamburger die digitale Mobilitäts-Unterstützung in ihrem Alltag aufgeschlossen an- - ebenso aufgeschlossen wie die Menschen in Estland ihre ID, den Schlüssel zum ihrem persönlichen Daten-Tresor? Marina Zöfeld und René Binnewerg haben ihre Behörde von der Digitalisierung überzeugt. Die Chancen stehen gut, dass sie jetzt auch die Hamburger Menschen mitnehmen werden. Eingangsabbildung: Marina Zöfeld und René Binnewerg, die Gründer des DigiLabs. Foto: LSBG Anzeige 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0003 Mit dem „DigiLab“ zur Mobilitätswende in Hamburg „Wir verstehen uns als Start-up! “ Steffen Scheurer, Oliver Steeger Hamburg gilt bundesweit als Smart-City-Vorbild. Viermal hat der Branchenverband Bitkom der Hansestadt den ersten Platz beim jährlichen „Smart City Index“ zuerkannt, zuletzt 2022. Zu dieser Auszeichnung leistete auch das DigiLab des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer Hamburg einen Beitrag. Im DigiLab entwickeln rund 40 Spezialisten intelligente Digitalisierungsprodukte für Verkehrsmanagement und Verwaltungsprozesse. Zudem arbeiten sie am Ingenieursarbeitsplatz der Zukunft. Auf Besucher wirkt das DigiLab wie ein kalifornisches Tech-Start-up mitten in einer Behörde. Und tatsächlich verändern hier die Leiter Marina Zöfeld und René Binnewerg die Verwaltungskultur. Im Interview berichten sie, welchen Beitrag die Digitalisierung zur Mobilitätswende leistet, wie Digitalisierung Verwaltungsprozesse zukunftsfest macht-- und weshalb sie die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Stakeholdermanagement investieren. Frau Zöfeld, Herr Binnewerg, 2017 hatten Sie die Idee für das DigiLab im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer Hamburg. 2019 folgte die Gründung, ab 2021 wurde das DigiLab weiter verstetigt. Seither ist das Lab enorm gewachsen. Für wen genau führen Sie Digitalisierungsprojekte im DigiLab durch? Marina Zöfeld: Unsere digitalen Produkte kommen am Ende immer den Bürger: innen zugute, direkt oder indirekt. Direkt für bessere Mobilität in Hamburg. Dies spüren sie. Und indirekt, indem wir intern bei der digitalen Transformation unterstützen-- was wiederum eine positive Wirkung auf die Mobilität hat. René Binnewerg: Wir sind auf fünf Feldern unterwegs: Erstens, wir erarbeiten Lösungen für den Bereich Verkehrsmanagement, um die Mobilitätswende in Hamburg voranzutreiben. Zweitens, wir entwickeln Digitalisierungsprodukte für den Bereich Tiefbau mit den zugehörigen Bauprozessen. Unsere Infrastruktur braucht dringend Erneuerung und weiteren Umbau und Ausbau. Wir gehen bei der Arbeitsweise neue Wege- - mit Digitalisierung und hybridem Projektmanagement. Drittens, wir entwickeln zum Beispiel KI-unterstützte Tools, welche uns in der täglichen Arbeit helfen. KI unterstützende Tools? Etwa Chatbots? René Binnewerg: Chatbots trifft es nicht ganz, aber Algorithmen der künstlichen Intelligenz, die uns Arbeit abnehmen können, beispielsweise für Bürgeranfragen hier im Landesbetrieb. Bisher bearbeiten zwei Vollzeitkräfte die Anfragen und Kommentare rund um Lichtsignalanlagen auf Hamburger Straßen. Die Zahl der Anfragen nimmt stetig zu. Deshalb kam beispielsweise die Idee auf, einen „fachlichen Helfer“ zu entwickeln, der automatisiert Arbeit abnimmt, die Anfragen vorsortiert und auch Antwortvorschläge entwirft. Verstanden! Was machen Sie noch? René Binnewerg: Wir befassen uns damit, durch Voranbringen der digitalen Transformation die Arbeitsweise in unserem Landesbetrieb zu verändern. Beispielsweise entwickeln wir für die Personalabteilung KI-basierte Visualisierungs- und Reportingmöglichkeiten auf Knopfdruck. Damit kann die Abteilung Personalarbeit effektiver durchführen. Und wir setzen auf ein breites Netzwerk und erhalten teilweise Aufträge von Dritten. So kooperieren wir beispielsweise mit dem Digital Hub Mobility oder arbeiten mit anderen Städten wie München und Stuttgart aktiv zusammen. Marina Zöfeld: Die Zahl der Projekte ist in den vergangenen vier Jahren stark gewachsen. Derzeit begrenzen wir es ein wenig. Wir wollen den Fokus auf Tiefbau und Mobilität halten-- was übrigens ein faszinierendes und vielversprechendes All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren | abo@narr.de expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Foto von Jon Tyson auf Unsplash Reportage | „Wir verstehen uns als Start-up! “ 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0003 Thema für Digitalisierung ist. Damit haben Städte und Metropolregionen einen großen Hebel, eine zukunftsfähige Infrastruktur zu entwickeln und Klimaschutz voranzubringen. Inwiefern einen großen Hebel? René Binnewerg: Viele Städte und Kommunen initiieren Projekte für beispielsweise attraktive Bürger-Apps und Dashboards. Jedoch höre ich auch häufig, dass die Verwaltung zunächst ihre Prozesse verbessern soll, um etwa Probleme im Ausbau der Infrastruktur zu lösen oder die Mobilitätswende zu schaffen. Quasi erst einmal die Hausaufgaben machen-…? René Binnewerg: Wir würden sagen, beides zahlt bipolar aufeinander ein. Dies berücksichtigen wir bei unseren Projekten. So verbessern wir zum Beispiel das Baustellenmanagement in Hamburg in dem Prozesse organisationsübergreifend vereinheitlicht werden, alle relevanten Informationen in einem gemeinsamen Tool für alle bauenden Parteien bereitgestellt werden und somit beispielsweise eine Zusammenlegung von Baumaßnahmen organisationsübergreifend ermöglicht wird. Dies kann wiederum zu Staureduzierung führen-… Marina Zöfeld: …- auch, wenn Bürger: innen dies vielleicht nicht unmittelbar spüren. Mittelbar werden Baustellen diverser Bauender besser aufeinander abgestimmt und abgewickelt. So dauern sie vielleicht nicht mehr so lange oder werden als Kooperationsmaßnahme organisationsübergreifend durchgeführt. Besucher Ihres DigiLabs äußern häufig Staunen über Ihre technischen Möglichkeiten. Es gibt hier beispielsweise einen Drohnenleitstand für professionell ausgebildete Drohnenpiloten. René Binnewerg: Richtig. Wir planen hier Drohnenmissionen, führen sie durch und werten die Daten aus. Die Daten aus den Flügen machen die Planung, Wartung und den Ausbau der Hamburger Infrastruktur einfacher. Man kann Sie also beauftragen, beispielsweise eine Baustelle abzufliegen, um den Baufortschritt zu verfolgen? René Binnewerg: Ja genau. Ein simples Beispiel: Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit ist es bei manchen bedeutenden Baustellen sinnvoll, den Baufortschritt zu dokumentieren und entsprechend zu kommunizieren. Des Weiteren gibt es viele andere, deutlich komplexere Anwendungsfälle, für die wir Drohnen einsetzen. Solche Drohneneinsätze sind ein Beitrag zum Ingenieursarbeitsplatz der Zukunft. Wir wollen die Ingenieur: innen im LSBG künftig mit aktuellen und hochwertigen Daten zu verschiedenen Anwendungsfällen versorgen. Das trägt zur Effizienz der Arbeit bei. Wer sich bei Ihnen umschaut, kommt um den Eindruck nicht umhin, dass es sich beim DigiLab mehr um ein Start-up handelt als um einen Teil einer öffentlichen Verwaltung. René Binnewerg: Wir verstehen uns hier durchaus als Startup! Damit dürften Sie die Managementkultur einer öffentlichen Verwaltung gegen den Strich kämmen. Agilität ist vielen Verwaltungen fremd. René Binnewerg: Langsam! Richtig ist, dass wir im DigiLab ein agiles Mindset haben. Wir arbeiten aber mit hybriden Projektmanagement-Ansätzen. Das heißt, wir verwenden für die nutzerorientierte Entwicklung die agilen PM-Elemente. Die klassischen PM-Elemente setzen wir ein, um bei der Steuerung anschlussfähig für die Verwaltung zu bleiben. Zum Beispiel? Marina Zöfeld: Bei der Produktentwicklung haben wir Rollen wie Product Owner, Scrum Master und selbstorganisierte Entwicklerteams. Wir setzen auf flexible Werkzeuge wie Vision, Product Backlog oder User Stories. Unsere Kommunikation ist nach dem Pull-Prinzip ausgerichtet, beispielsweise durch Sprint Reviews und Burndown-Charts. Änderungen nehmen wir in kurzen Iterationszyklen nach Anwender: innenfeedback vor. Mittlerweile haben wir auch einen eigenen Agile Coach, der unsere Teams im „Doing“ begleitet. René Binnewerg: Die klassischen Elemente in unserem hybriden Ansatz sind deutlich näher an der Weise, wie Projekte in einer Verwaltung gesteuert werden. Wir verwenden beispielsweise klassische Ansätze für Risikomanagement oder Budgetmanagement. Auch die Rollen sind kompatibel mit einer Verwaltung: Es gibt die klassischen Auftraggeber: innen, Lenkungsgruppen, Projektleiter: innen, Teilprojektleiter: innen und Projektmitarbeitenden. Die Kommunikation erfolgt nach Push-Prinzipien, etwa mit Statusberichten, Protokollen und in Sitzungen. Und auch die Werkzeuge sind klassisch, etwa der Projektplan, Phasenplan oder Strukturplan. Haben Sie damit das „Magische-Dreieck“-Denken mit definierten Zielen aus der klassischen Projektmanagement-Welt integriert? René Binnewerg: Ja. Diese klassischen Elemente stellen den Anschluss zur Kernverwaltung her- - über Meilensteine, Abrechnungspunkte und Controlling. Diese Connection-Points sind wichtig für die Verwaltung. Die Hansestadt Hamburg ist Mitglied der GPM. Hat auch dies geholfen bei der Einführung Ihres hybriden Ansatzes? René Binnewerg: Das hat definitiv geholfen, weil Hamburg dem IPMA-Standard folgt. Dieser Standard wurde in allen Hamburger Behörden verpflichtend eingeführt. Ohne Zertifikat beziehungsweise einer adäquaten Ausbildung leiten hier immer weniger ein Projekt. Das beobachten wir überall in der Stadt. Und das finden wir auch gut. War Ihre Verwaltung besonders offen für Ihre Arbeitsweise im DigiLab? Marina Zöfeld: Nicht besonders offen. Unsere Verwaltung ist eigentlich nicht anders als andere Verwaltungen auch. Wir müssen hier immer wieder von unserer Arbeit überzeugen und die Vorteile unserer Arbeitsweise kommunizieren. Unsere besondere Position in einer Behörde führt auch dazu, dass wir eine große Menge an Stakeholder: innen haben, die wir erreichen und mitnehmen müssen. Das bedeutet letztlich auch einen erhöhten Arbeitsaufwand und Bedarf an Ressourcen. Reportage | „Wir verstehen uns als Start-up! “ 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0003 Wie hoch schätzen Sie den Anteil Ihrer Arbeitszeit, den Sie für das Stakeholdermanagement aufwenden? Marina Zöfeld: Gut fünfzig Prozent. Etwa die Hälfte des Tages. Aber das Stakeholdermanagement ist tief in die Projektarbeit integriert. Das ist nicht etwas, was man „on top” macht. Fünfzig Prozent-- das ist viel! René Binnewerg: Zum einen haben wir eine breite Vielfalt von Stakeholder: innen. Zum anderen müssen wir bestimmte Stakeholdergruppen nicht nur einmal gewinnen, sondern mehrmals. Inwiefern mehrmals? René Binnewerg: Personen wechseln. Beispielsweise kann sich die Politik mit jeder Wahl ändern. Solche personellen Wechsel können grundsätzliche Auswirkungen haben. Vieles wird neu gedacht und umgestellt. Man muss wieder von Neuem beginnen, die Menschen für das DigiLab und seine Projekte zu gewinnen? René Binnewerg: Ja. Neues Personal, etwa in der Politik oder auf Führungsebene, hat Ideen und möchte Signale setzen. Unsere Projekte sind oftmals äußerst komplex und nicht sofort einfach durchdringbar. Es gehört zu unserer Aufgabe, diese Projekte immer wieder zu erklären und Menschen dafür zu gewinnen. Aber letztlich bleiben die Themen, die es zu bewegen gilt-- und das macht es wieder einfacher. Nämlich die Herausforderungen von Infrastruktur, Mobilität, Fachkräftemangel bei Ingenieur: innen oder der demografische Wandel im Allgemeinen. Wir im DigiLab arbeiten konsequent an Lösungen. Wie gelingt es Ihnen, Stakeholder zu überzeugen? René Binnewerg: Zum einen durch Erfolge. Zum anderen dadurch, dass wir den jeweiligen Stakeholder: innen jeweils die Vorteile aufzeigen, die sie durch unsere Arbeit bekommen. Wir lassen sie erleben, dass wir gemeinsam mit ihnen ein Problem lösen, ungeliebte Aufgaben automatisieren- - wodurch sie beispielsweise spürbar Zeit gewinnen oder neue Tools zur Arbeitserleichterung erhalten. Selbst erfolgreich zu sein heißt also auch andere erfolgreich zu machen? Ihre Probleme und Schmerzpunkte aufzuspüren und sie zu lösen? René Binnewerg: Das ist aus meiner Sicht der Kern von Stakeholdermanagement. Dies bringen wir auch unseren Projektmanager: innen bei: Durch geschicktes Stakeholdermanagement Promotor: innen finden. Und was gibt es Besseres als eine Win-win-Situation für alle zu schaffen? Marina Zöfeld: Ich verstehe dies als strategisches Stakeholdermanagement. Dabei geht es nicht nur darum, die Probleme und Schmerzpunkte aufzuspüren und dann eine Lösung anzubieten-- sondern die Betroffenen in die Lösungsgenerierung einzubinden. Dazu gehört auch, Entscheider abzuholen und ihnen zu verdeutlichen, welche Erwartungen sie etwa als Lenkungsgruppenmitglieder erfüllen müssen, damit ein Projekt erfolgreich durchgeführt werden kann René Binnewerg: Im Grunde haben sich Entscheider anfangs gegen Lenkungsgruppen gewehrt. Sie waren nicht immer bereit, daran teilzunehmen. Wir haben dann intensive Gespräche mit unseren internen Auftraggebern geführt, um ihnen deutlich zu machen, wie wichtig diese Gruppen sind. Wir haben die Mitglieder der Lenkungsgruppen sogar für ihre Rolle als Lenkungsgruppenmitglied ausgebildet. Weshalb ausgebildet? Marina Zöfeld: Für die Projektleitung ist es wichtig, dass ihre Lenkungsgruppe auf einer gewissen Ebene die gleiche Sprache spricht und zumindest ihre AKV in diesem Zusammenhang kennt und diese wahrnimmt. Zu unserem Verständnis-- was sind AKVs? Marina Zöfeld: AKVs sind die jeweiligen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung etwa von Projektleitern oder eben von Mitgliedern der Lenkungsgruppe. Durch gezielte Schulungen vermitteln wir den benannten Lenkungsgruppenmitgliedern sowie den Auftraggebern unserer Projekte die wesentlichen Rollen und deren AKV sowie ein Grundverständnis für Projektmanagement. Mittlerweile gibt es sogar offizielle Schulungen vom Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) für Lenkungsgruppenmitglieder. René Binnewerg: Man muss den Mitgliedern von Lenkungsgruppen klarmachen, welche AKVs sie in ihrer Rolle erfüllen sollten-- und welche zum Beispiel ein: e Projektleiter: in erfüllen muss. Bestimmte Themen gehören allein in den Kompetenzbereich der Projektleitung. Wir haben den Führungskräften, die in der Lenkungsgruppe vertreten sind, klargemacht: Finger weg von diesen Themen! Von den AKVs der Projektleiter: innen! Eher untypisch für eine Verwaltung-… René Binnewerg: Das ist richtig. So wurden auch in unserer Verwaltung bisher keine Projekte gemacht. Doch das starre System in Verwaltungen entsteht auch dadurch, dass Verantwortung so lange hochdelegiert wird, bis sie etwa bei den Amtsleitungen sind- - und dort wird entschieden. Dies passt nicht zu erfolgreichem Projektmanagement oder gar einem agilen Start-up wie unserem DigiLab, bei dem es auf zügigen Erfolg und Nutzer-Fokussierung ankommt. Vorhin haben Sie vom Wechsel der zentralen Personen in Stakeholdergruppen gesprochen. Vor einiger Zeit gab es solch einen markanten Wechsel in der Politik. Nach der zurückliegenden Wahl in Hamburg haben wir jetzt einen grünen, jungen Senator. Er setzt sich stark für die Verkehrswende ein. René Binnewerg: Der Wechsel hat hier im Landesbetrieb zu größeren Veränderungen geführt. Neben einem neuen Senator hatten wir kurz zuvor auch eine neue Geschäftsführung bekommen und durch den Aufbau der Autobahn GmbH einen gesamten Geschäftsbereich „Fernstraßen“ an den Bund abgegeben. Die übergeordnete Behörde wurde sukzessive umgebaut. Es trägt heute das Oberziel im Namen- - Mobilitätswende. Die Aufträge an den Landesbetrieb haben sich entsprechend dem neuen Umfeld angepasst. Mobilitätswende-- was ist damit genau gemeint? René Binnewerg: Bis vor Kurzem war die Hamburger Infrastruktur ganz auf Autos und Individualverkehr ausgelegt. Jetzt gilt es die Mobilitätswende hier in Hamburg erfolgreich umzu- Reportage | „Wir verstehen uns als Start-up! “ 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0003 setzen. Mehr Bürger: innen sollen das Fahrrad nehmen, zu Fuß gehen oder in Busse und Bahnen einsteigen. Dies braucht vermutlich auch einen Umbau der Infrastruktur-… René Binnewerg: Ja. Wir bauen in Hamburg beispielsweise gerade eine neue U-Bahnlinie. Bald werden auch autonome S- Bahnen fahren. Durch den Neubau von hunderten neuen Bushaltestellen können neue Buslinien entstehen oder bestehende erweitert werden. Dies hilft, die Taktung zu verkürzen und mehr Züge auf die Schiene und mehr Busse in die gesamte Stadt zu bringen. Ich denke, da ist eine Menge in Bewegung. Wir unterstützen diese Mobilitätswende mit digitalen Produkten, etwa mit dem Projekt „#transmove“ (siehe Bericht) . Die Mobilitätswende bedeutet für viele Menschen Veränderungen. Veränderungen finden nicht immer Beifall. Sie bedeuten, Gewohnheiten zu verändern und auf Liebgewonnenes zu verzichten. Der neue Verkehrssenator Dr. Anjes Tjarks hat gesagt, die Verkehrswende werde wehtun-- auch der Verwaltung, die man für die Einschränkungen verantwortlich macht. Wie gehen Sie damit um? René Binnewerg: Der Senator hat dabei auch gesagt, dass wir unsere Erfolge zeigen müssen. Darauf kommt es an. Es ist immer eine Frage, wie man diese Erfolge kommuniziert. Damit sind wir wieder beim Stakeholdermanagement. Wir müssen als Verwaltung lernen, unsere Erfolge präsenter nach außen zu tragen. Dr. Anjes Tjarks geht dabei aus unserer Sicht mit gutem Beispiel voran. Ihr Senator-- ein Vorbild in Sachen Kommunikation auch für Sie? Marina Zöfeld: Ja, auf jeden Fall. Transparenz und Kommunikation sind auch im Projektmanagement essenziell. Stakeholdermanagement heißt, Dinge immer wieder zu erklären und nicht müde dabei zu werden. Dabei müssen wir zum einen erklären, warum wir etwas machen und weshalb es möglicherweise Einschränkungen gibt- - und auch die Erfolge zur Sprache bringen. Und zwar nicht nur einmal, sondern ständig und über viele verschiedene Kanäle. Das ist auch unsere Botschaft an unsere Projektteams: Macht mehr Promotion für eure Projekte! Stakeholdermanagement ist eine zentrale Aufgabe im Projektmanagement-- besonders in öffentlichen Verwaltungen! Eingangsabbildung: © iStock.com / piola666 Marina Zöfeld Marina Zöfeld ist Fachbereichsleiterin in der Freien und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und leitet dort das DigiLab gemeinsam mit René Binnewerg. Sie ist verantwortlich für die operative Führung sowie für die strategische Weiterentwicklung des Digi- Labs. Schwerpunkt ihres Schaffens ist die Leitung des Programms Ingenieursarbeitsplatz der Zukunft. Sie verantwortet im DigiLab speziell das Themenfeld Intelligente Infrastruktur und technische Transformation. Vor allem die Kombination von Projektmanagement, Organisationsentwicklung und Digitalisierung treibt sie an. Sie ist gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau und hat BWL sowie Wirtschaftspsychologie studiert. Ihre berufliche Karriere startete sie bei der TRi TOP GmbH im Produktmanagement, bevor sie 2010 zum Großprojekt „Sprung über die Elbe“ zum LSBG wechselte. In den folgenden Jahren leitete sie als zertifizierte Projektleiterin (IPMA Level B) verschiedene Projekte aus den Bereichen Personal sowie IT. Foto: privat Marina Zöfeld René Binnewerg René Binnewerg ist Fachbereichsleiter in der Freien und Hansestadt Hamburg, Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und leitet dort das DigiLab gemeinsam mit Marina Zöfeld. Er ist verantwortlich für die operative Führung sowie für die strategische Weiterentwicklung des DigiLabs. Als verantwortlicher Manager für kognitives Computing und künstliche Intelligenz liegt sein Hauptaugenmerk auf der Weiterentwicklung von hybridem Projektmanagement, dem Ausbau von KI-Projekten und dem Aufbau eines Drone-as-a-service-Geschäftsfelds. Er hat Volkswirtschaftslehre in Hamburg studiert und ist zertifizierter und akkreditierter PM-Trainer der deutschen Gesellschaft für Projektmanagement. Seine berufliche Karriere begann er als Offizier bei der Bundeswehr und setzte diese als zertifizierter Projektleiter (IPMA Level B) bei einer Unternehmensberatung sowie dem Studierendenwerk Hamburg fort. Seit 2016 leitet er Projekte und Programme für seinen „Heimathafen“ Hamburg. Foto: LSBG René Binnewerg 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0004 Die Projektcharakteristik determiniert das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten Martin Barth, Margit Sarstedt Für eilige Leser | In diesem Artikel werden die Interdependenzen zwischen den Ausprägungen der Projektcharakteristika und dem Einsatzpotenzial Künstlicher Intelligenz (KI) untersucht. Dafür werden auf Basis der wesentlichen Projektkriterien und anhand der beiden Dimensionen der sozialen Komplexität einerseits und der Unbestimmtheit von Aufgabenstellung und Lösungsweg andererseits erste Aspekte der Limitierung des KI-Einsatzpotenzials abgeleitet. Zusätzlich erfolgt eine Verortung der drei grundsätzlichen Projektmanagement-Methodengruppen innerhalb der zweidimensionalen Darstellung. Im Einklang mit diesen Erkenntnissen wird ein konsistentes Gesamtbild-- ausgehend von der Projektcharakteristik, über das durch dieses limitierte KI-Einsatzpotenzial, bis hin zu der zielführenden Projektmanagement-Methodik-- geformt. Abschließend leiten die Autoren grundlegende Empfehlungen für den KI-Einsatz in differenten Projektumgebungen ab und zeigen weiterhin die daraus resultierende perspektivische Rolle eines Projektmanagers auf. Schlagwörter | Projektcharakteristik, KI-Einsatzpotenzial, Methodengruppen des Projektmanagements, Projektarten, Projektmanagementkompetenzen, Projektmanager, Künstliche Intelligenz 1. Spannungsfeld zwischen Projekten und KI Ein Projekt ist ein durch bestimmte Kriterien abgrenzbares, neues und einmaliges Vorhaben. Anwendungen der KI dagegen greifen immer auf bekanntes und dokumentiertes Wissen zurück. Dieser Widerspruch wirft für den möglichen Einsatz von KI-Algorithmen im Projektumfeld grundlegende Fragen bzgl. Umfang und Tiefe des KI-Lösungspotenzials auf. Bevor nun der Einsatz von KI diskutiert werden kann, ist der Begriff selbst näher zu beleuchten. Neben der traditionellen Einteilung in die schwache KI und die starke KI [2], die sich durch die Nutzung von Algorithmen-- für bestimmte Anforderungen einerseits, und die vom menschlichen Verstand nicht zu unterscheidenden Reaktionsvorgänge andererseits-- unterscheiden, kann eine Kategorisierung vor allem entlang der verwendeten Wissensbasis (wissensbasiert, datenbasiert, generativ) [1] vorgenommen werden. Eine rein wissensbasierte KI greift auf eine von Experten explizit vordefinierte und begrenzte Datenbasis zu, die Entscheidungen eines menschlichen Experten auf Basis dieser vorherigen Eingabe unterstützen oder gar nachbilden kann. Die Algorithmen bestehen aus programmierten Entscheidungsabläufen und haben Zugriff auf Definitionen, logische Zusammenhänge, Kausalitäten etc., die Entscheidungen des Systems bleiben jedoch jederzeit nachvollziehbar. Dagegen steht einer datenbasierten KI als Datenbasis grundlegend das gesamte, derzeit elektronisch vorhandene Wissen des Internets zur Verfügung. Dabei ist es das Ziel, in diesen Datenmengen durch automatische Analyse von Bildern, Texten, Sprache oder anderen Daten, und ohne vorherige Eingrenzungen des Entscheidungsspektrums, Strukturen und Zusammenhänge zu identifizieren (Mustererkennung). Durch die Verwendung von trainierten neuronalen Netzen entstehen auf Seiten der KI somit Reaktionen, die für den Außenstehenden nicht mehr transparent sind. Generative KI schließlich bezieht sich auf einen selbstgenerierenden-- nahezu schöpferischen- - Algorithmus, der zum Beispiel im Internet vorhandene Artikel, Bilder oder anderweitige Informationen scannt, dass daraus extrahierte Einzelwissen mittels einer ihr einprogrammierten Logik miteinander verknüpft, und daraus schließlich eigene Analysen und Synthesen in Text-, Bild- oder sonstiger Form präsentiert. Die Ausgabeformen der KI sind dabei an die menschlichen Ausdrucksmöglichkeiten angepasst. In den weiteren Betrachtungen in diesem Artikel wird KI in einem generischen, alle diese Level umfassenden Sinn ver- Wissen | Die Projektcharakteristik determiniert das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0004 wendet. Auf eine für die Beurteilung konkreter Fälle notwendige differenziertere Betrachtung wird hier bewusst verzichtet. 2. Das Wesen von Projekten als Herausforderung des KI-Einsatzes Die Herausforderung von Projekten liegt in deren Management (Planung, Durchführung, Steuerung, Kontrolle), wofür sich im Lauf der Zeit zunehmend neue Konzepte und Werkzeuge [3] herausgebildet haben. Durch die Anpassung dieser Konzepte auf die jeweilige Charakteristik der verschiedenartigen Projekte, sowie durch das Entstehen ganzer Projektmanagementorganisationen kam es zu einer Diversifizierung der verwendeten Normen und Standards. Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) [4], das amerikanische Project Management Institute (PMI) [5], das britische Office of Government Commerce (OGC) [6] und die europäische International Project Management Association (IPMA®) [7] stellen in ihren jeweiligen Projektdefinitionen alle die Einmaligkeit, die Zielvorgabe und die Begrenzung von Zeit und Ressourcen als Kernkriterien eines Projektes fest. Während DIN, IPMA® und OGC darüber hinaus noch das Vorliegen einer projektspezifischen Organisation als Kriterium definieren, hebt die Projektdefinition der IPMA® auf den interdisziplinären Charakter von Projekten ab und stellt in ihrer ICB 4.0 [7] Kompetenzanforderungen an Projektmanager und Teammitglieder zusammen. Dabei werden die sozialen Interaktionen im Kompetenzbereich der „persönlichen und sozialen Kompetenzen“ abgedeckt. Selbstreflexion und Selbstmanagement, persönliche Integrität und Verlässlichkeit, persönliche Kommunikation, Beziehungen und Engagement, Führung, Teamarbeit, Konflikte und Krisen, Vielseitigkeit, Verhandlungen und generelle Ergebnisorientierung schätzt die IPMA® als notwendige „People-Skills“ eines Projektmanagers ein, ohne die ein Projekt kaum zielführend zum Abschluss zu bringen ist. [8] Der Projektleiter benötigt und benutzt umfangreiche kognitive, menschliche, sensorische und emotionalen Fähigkeiten, um auf jegliche Situation angepasste Lösungen zu kreieren. Auch hierfür werden zwar KI-Anwendung bspw. über die Verwendung von neuronalen Netzen trainiert, allerdings sind die Aufgaben, welche dieses sehr hohe Maß an menschlichen Fähigkeiten erfordert, im Projektmanagement äußerst vielfältig. Der sozialen Interaktion sowie dem Grad der sozialen Komplexität scheint demnach bzgl. Bewertung und Umfang des KI-Einsatzpotenzials eine wesentliche Bedeutung zuzukommen, welche nachfolgend genauer betrachtet werden soll. 3. KI-Lösungspotenzial in Abhängigkeit der Projektcharakteristik In Anerkennung der Tatsache, dass es nahezu so viele Projektkonstellationen (Situation, Zusammensetzung, Rahmenbedingungen-…) gibt, wie es Projekte gibt, basieren wir unsere Argumentation nun auf eine der gebräuchlichsten Einteilungen, die von Kuster vorgetragene Vier-Felder-Matrix [9]. Auf den beiden Achsen der Darstellung sind die Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg in horizontaler Richtung sowie die soziale Komplexität in vertikaler Richtung aufgetragen. Dabei entstehen vier Bereiche, die Kuster mit den Begriffen Standardprojekte (diese können standardisiert abgewickelt werden), Akzeptanzprojekte (klare Aufgabe, deren Endresultat jedoch Überzeugungskraft gegenüber den Stakeholdern benötigt), Potenzialprojekte (Aufgaben mit offenen Fragestellungen, jedoch nur einem kleinen Kreis an Mitwirkenden und Interessensträgern), sowie Pionierprojekte (risikoreiche Vorhaben mit hohem Neuigkeitsgehalt und vielen Betroffenen) belegt. Die Frage ist also, in welcher der in der Vier-Felder-Matrix dargestellten Projektarten welche Art von KI in welchem Umfang zielführend eingesetzt werden kann. Dies soll anhand der etwas pointierten Darstellung in Abbildung 1 diskutiert werden. Betrachten wir zunächst ein typisches Standardprojekt, in dem grundlegend alle Anforderungen klar sind und auch auf der Ebene der sozialen Interaktion keinerlei Herausforderungen existieren. Ein dieser Beschreibung angenähertes Projekt könnte eine Ersatzbeschaffung einer defekten Anlage sein, die es zu ersetzen gilt, für die eine klare Spezifikation vorliegt und die ohne personelle Komplikationen ausgetauscht werden kann. Wir bewegen uns hier- - wie eigentlich immer in dem Gebiet der Standardprojekte- - an der Grenzlinie zwischen einem Projekt (neue Anlage) und dem Tagesgeschäft (Ersatzbeschaffung). Eine KI-Lösung könnte all dieses, basierend auf ihrem Algorithmus, planen und dann entweder selbst durchführen (Bestellung) oder direkt in Auftrag geben (Technikereinsatz). Die KI kann insofern hier einen menschlichen Projektleiter im Extremfall vollumfänglich ersetzen, da die sozialen Fähigkeiten und sensorischen Möglichkeiten hierbei nicht benötigt werden. Man könnte sagen, KI wirkt als „agierende Einheit“. Bei steigender sozialer Komplexität ist oft ein geschickter Umgang mit menschlichen Widerständen und Emotionen erforderlich, um eine Akzeptanz des Projektergebnisses herbeizuführen. Als Beispiel solcher Akzeptanzprojekte sei hier eine unternehmensinterne Umstrukturierung betrachtet. Berücksichtigt man nun die oben diskutierten Limitierungen der KI sowohl im sensorischen Wahrnehmen als auch im empathischen Erfassen sozialer Situationen, so erscheint die KI als nicht ausreichend, es benötigt vielmehr das menschliche Element, um Belegschaft und Kunden gegenüber mit Fingerspitzengefühl zu agieren. KI kann insofern nicht mehr als „agierende Einheit“ eingesetzt werden, es kann dem menschlichen Projektmanager jedoch in einem sehr umfangreichen Sinne als ein „komplexes Werkzeug“ dienen (komplexe Planmodellierung, ablauforganisatorische Simulation etc.), welches er in seiner Rolle als „Handwerksmeister des Projektmanagements“ [3] in Ergänzung zu seinem übrigen Handwerkszeug einsetzen kann. Für Potenzialprojekte ist die soziale Komplexität wiederum recht gering, jedoch sind die Projektziele und die zu beschreitenden Lösungswege zu Beginn des Projektes nur recht vage definiert. Als Beispiel können einfache Marketingprojekte oder die Entwicklung eines neuen Werkstoffs durch ein Expertenteam gelten. Die verschiedenen Ansätze und Lösungswege sind zu durchdenken und auszutesten. Eine KI kann hier systematisch vorgehen und durch Recherche von existierenden Daten eine auf der Vergangenheit basierende Lösung anbieten. Ein „Erspüren“ der Zukunft (das sogenannte Bauchgefühl) und die erfinderische Sicht in die Zukunft (den sogenannten „educated guess“) kann eine KI zum heutigen Zeitpunkt jedoch nur sehr bedingt bis gar nicht einbringen. Wissen | Die Projektcharakteristik determiniert das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0004 Bei der Frage, ob KI dies in der Zukunft wird leisten können, stößt man unweigerlich an den Grenzbereich von Technik und Glauben, und man landet in der philosophischen Fragestellung, was die Maschine zur Maschine und den Menschen zum Menschen macht. Auch wenn die Autoren die Beschäftigung mit diesem Grenzbereich der Wissenschaften für spannend und wichtig halten, muss für diese Frage auf den zukünftigen gesellschaftlichen Dialog verwiesen werden. Festzuhalten ist, dass auch bei Potenzialprojekten KI als „komplexes Werkzeug“ einsetzbar ist. Kommen wir zu dem verbleibenden Feld der Pionierprojekte. Hier treten die Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg in Kombination mit einer hohen sozialen Komplexität auf. Bei der Suche nach einem Beispiel hierfür könnte ein technisch noch unreifes Vorhaben mit gleichzeitig hohem Finanzbedarf aus öffentlichen Mitteln dienen-- gedacht sei beispielsweise an das Projekt eines menschlichen Fluges zum Mars. Hier tritt der Bedarf an menschlichem Erfindergeist einerseits und zwischenmenschlichem Fingerspitzengefühl andererseits in Kombination auf. KI kann für einige der anfallenden Aufgaben selektiv als unterstützendes Hilfsmittel eingesetzt werden, die sachliche und soziale Komplexität müssen nach Einschätzung der Autoren jedoch primär von einem menschlichen Projektmanager umfangreich und inspiriert durchdacht werden. Nun gibt es in dem Betrachtungsfeld aber nicht nur vier diskrete Projektarten. Es handelt sich vielmehr um ein kontinuierliches Feld, welches durch die zwei Dimensionen (Soziale Komplexität und Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg) aufgespannt wird und somit die Verortung der jeweiligen Projekte mit derer individuellen Charakteristik erlaubt. Die drei Graustufen in der Darstellung (Abb. 1) zeigen das KI-Einsatzpotenzial in Abhängigkeit dieser Projektcharakteristik. Die Skala reicht nun über das Feld verteilt von „KI nimmt eine agierende Rolle bzgl. der Lösung von Managementaufgaben ein“, über „KI wird als komplexes Werkzeug in Managementaufgaben eingesetzt“ bis hin zu „KI wird als unterstützendes Hilfsmittel in einzelnen Managementaufgaben eingesetzt“ und kann dabei natürlich auch Zwischenstufen annehmen. Zusammenfassend: In den helleren, ursprungnahen Bereichen kann KI sehr umfänglich- - bis hin zu dem Punkt der Übernahme der eigenständigen Projektsteuerung eingesetzt werden. In dem mittleren Bereich verliert die KI jegliche steuernde Funktion, verbleibt aber ein wertvolles Werkzeug im Projektgeschehen, dass der Projektmanager als Ressource oder Tool je nach Art des Projektes und situativ angepasst zum Einsatz bringen kann. Innerhalb der schwächsten Stufe des KI-Einsatzpotenzials agieren die Anwendungen nur noch als Hilfsmittel für stark abgrenzbare Einzelaufgaben (Texterstellung, Übersetzungen, Warnhinweise im Projektablauf etc.). Folglich wird der Projektmanager in Zukunft zu entscheiden haben, für welche Aufgaben er KI wann und mit welchen Grenzen einsetzt, was Auswirkungen auf die Anforderungen an die Skills des Projektmanagers der Zukunft haben wird. Dieser muss nun nicht mehr nur sein Team führen sowie Management und weitere Stakeholder zufriedenstelle, sondern muss auch Möglichkeiten und Limitationen der KI kennen. Im Sinne der Zuordnung von Projektmanagementmethoden und Vorgehensmodellen zu den diskutierten Bereichen der KI-Einsatzmöglichkeiten verbleibt noch die Frage, welche Korrelation zwischen den bisherigen Erkenntnissen und den Methodenfeldern der klassischen, agilen und hybriden Methodenfamilien besteht. Dies soll nachfolgend diskutiert werden. Abbildung 1: Intensität des Einsatzes von KI für verschiedene Arten von Projekten in der Vier- Felder-Matrix von Kuster (Eigene Darstellung in Anlehnung an [9]) Wissen | Die Projektcharakteristik determiniert das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0004 4. Die Projektmanagementmethodik als Indikator für das Einsatzpotenzial von KI Auf Basis der Stacey-Matrix [10] und dem Cynefin-Framework [11, 12] wurden die zielführenden Projektmanagement-Methoden für unterschiedliche Projektcharakteristiken bereits verortet. Nachfolgend wird im Einklang mit diesen Überlegungen der Anwendungsraum für die drei Methodengruppen (klassisch, hybrid, agil) in Abhängigkeit der Parameter der sozialen Komplexität und der Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg skizziert. Aus der Überlagerung beider Gedankengänge (die Einsatzpotenziale der KI einerseits sowie die Methodengruppen andererseits) ergibt sich folglich eine gleichzeitige Aussage zu dem Umfang des KI-Einsatzpotenzials und der zielführenden Projektmanagementmethodik eines Projektes. In Abbildung 2 sind die Lösungsräume der grundsätzlichen Methodengruppen dargestellt. Sind Aufgabe und Lösungsweg zur Erreichung eines Projektziels (eher) klar (bspw. bei Vorliegen eines Lastenhefts), so empfiehlt sich der Einsatz von klassischen Methoden. Nimmt jedoch die soziale Komplexität ein sehr ausgeprägtes Maß an, sodass hierarchische Berichtswege oder andere divisionale Kommunikationsvorgehen der Komplexität der Kommunikationsnotwendigkeiten nicht mehr gerecht werden, so sollte die klassische Methodik durch parallele oder integrierte agile Elemente ergänzt werden. In diesem Abschnitt des Diagramms (sehr hohe soziale Komplexität, (eher) klare Aufgabe) empfiehlt sich demnach eine hybride Vorgehensweise mit eher klassisch dominierender Basismethodik [13]. Ist ein Projekt durch eine eher unbestimmte Aufgabe und einen offenen Lösungsweg charakterisiert und ist die soziale Komplexität überschaubar, so empfiehlt sich der Einsatz einer agilen Methodik. Agile Methoden sind allerdings nur bis zu einem bestimmten Grad an sozialer Komplexität in der Lage zielführende Vorgehensweisen zu definieren und innerhalb dieser Wertschöpfung zu generieren. Steigt die soziale Komplexität über dieses Niveau, so empfiehlt sich die Implementierung klassischer Elemente in die weiterhin führende agile Basismethodik. [13] Zwischen agiler und klassischer Methodik eher ausgewogene hybride Vorgehensweisen empfehlen sich im Lösungsraum zwischen den klassischen und agilen Methodengruppen bei mittlerer Klarheit des Lösungsweges und geringer bis hoher sozialer Komplexität. Nachfolgend sollen nun Implikationen dieser grundsätzlichen methodischen Aktionsräume in Relation zu den KI-Einsatzpotenzialen erläutert werden. Klar ersichtlich ist, dass das KI-Einsatzpotenzial bei klassisch gemanagten Projekten am höchsten ist (was in Anbetracht der oben schon aufgezeigten unmittelbaren Nachbarschaft zu den nicht-projektbasierten operativen Prozessen verständlich ist). Für Projekte, in denen agile Methoden angewandt werden, bietet KI als komplexes Werkzeug deutliche Effizienzpotenziale, der KI-Funktionsweise kommt innerhalb agiler Methoden deren iterativer Charakter entgegen. Aufgrund der Heterogenität der hybriden Varianten am wenigsten abgrenzbar ist das KI-Einsatzpotenzial für Projekte, die mittels hybrider Grundmethodik gesteuert werden. Dieses liegt jedoch kaum im Bereich der agierenden KI. Im Fall des hybriden Vorgehens sind detaillierte Aussage ebenfalls ableitbar, erfordern allerdings eine genauere, vorausgehende Analyse. Dabei kommt es darauf an, wo das individuelle Projekt tatsächlich im Lösungsraum der hybriden Grundmethodik zu verorten ist. Diese Darstellung ermöglicht somit die Etablierung eines generischen Grundverständnisses bzgl. der Zusammenhänge Abbildung 2: Dreiklang von Projektcharakteristik, KI-Einsatzpotenzial und Methodengruppen des Projektmanagements (Eigene Darstellung) Wissen | Die Projektcharakteristik determiniert das Potenzial der KI-Einsatzmöglichkeiten 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0004 zwischen Projektcharakteristik, KI-Einsatzpotenzial und den grundlegenden Methodengruppen des Projektmanagements. 5. Ambidextrie des KI-Einsatzes in Projekten In diesem Artikel haben die Autoren den Einsatz von KI unter Berücksichtigung der verschiedenen Projektcharakteristika sowohl theoretisch als auch praktisch beleuchtet. Es wurde gezeigt, über welches evolutionär ausgeprägte emotionale und empathische Gerüst der Mensch verfügt und im Projektkontext auch verfügen muss. Ausgehend von der Erkenntnis, dass es KI erstens an physischer und emotionaler Sensorik, sowie zweitens an intuitivem Gespür in komplexen Umfeldern mangelt, konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von KI in Projekten davon abhängt, inwieweit dieserart Sensorik im konkreten Projekt benötigt wird. Ausgehend von den Dimensionen der sozialen Komplexität und der Unbestimmtheit von Aufgabe und Lösungsweg wurde hergeleitet, dass sich in diesem Feld Bereiche ergeben, in denen KI jeweils als „agierende Einheit“, als „komplexes Werkzeug“ oder als „unterstützendes Hilfsmittel“ zum Einsatz kommen kann. Die Grenzen zwischen diesen Bereichen sind nicht scharf, vielmehr kann von fließenden Übergängen ausgegangen werden. Es obliegt dem Management und dem Projektmanagement, hier situativ die richtige Wahl für den Einsatz von KI zu treffen. Je standardisierter ein Projekt ist, desto umfangreicher kann KI auch steuernd eingesetzt werden. Je komplexer die sozialen Zusammenhänge und je unklarer Ziele und Wege sind, umso mehr ist der Mensch gefragt. Weiterhin konnte aufgezeigt werden, dass auch die Einsatzgebiete der drei grundsätzlichen Methodengruppen des Projektmanagements von der Projektcharakteristik abgeleitet werden können. Demnach ist das KI-Einsatzpotenzial bei Vorliegen einer Projektcharakteristik, welche den Einsatz (eher) klassischer Projektmanagementmethoden vorsieht grundsätzlich höher einzuschätzen, als dies bei Vorliegen einer Projektcharakteristik mit empfehlenswertem Einsatz von agiler oder teilweise auch hybrider Methodik der Fall ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Projektleiter zukünftig nicht nur Takt- und Inspirationsgeber gegenüber seinem Team, sondern auch gegenüber der KI sein wird. Letztere muss er in seinen Projekten sinnvoll, individuell und passgenau nutzen. Der Projektleiter bleibt also- - ausgenommen von einfachen Standardprojekten-- letztendlich der Steuerer seines Projektes. Literatur [1] Ebert, C.; Louridas, P. (2023). Generative AI for Software Practitioners. IEEE Software, Software, IEEE, IEEE Softw, 40(4), 30-38. https: / / doi-org.pxz.iubh.de: 8443 / 10.1109 / MS.2023.3265877. [2] Liu, B. (2021). “Weak AI” is Likely to Never Become ’Strong AI’, So What is its Greatest Value for us? . [3] Barth, M.; Sarstedt, M. (2022). Der Projektmanager als Handwerksmeister. Projektmanagement Aktuell 33 (2), 62-65. [4] Deutsches Institut für Normung e. V. (2020). DIN 69 901-5. Projektmanagement. Projektmanagementsysteme. Teil 5: Begriffe. Beuth. Prof. Dr. Martin Barth Herr Barth ist Professor für Projektmanagement im Fachgebiet Wirtschaft und Management an der IU Internationale Hochschule. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt er sich mit den Dynamiken, Konzepten und Nutzenpotenzialen des modernen Projektmanagements. Weiterhin untersucht er auf dem Gebiet der M&A-Forschung spezifische vertikale, indirekte Post-Merger-Integrationsprozesse. Kontaktanschrift: https: / / www.iu.de / hochschule / lehrende / barth-martin/ eMail: martin.barth@iu.org Prof. Dr. Margit Sarstedt Frau Sarstedt ist Professorin für Technologie- und Projektmanagement im Fachgebiet Wirtschaft und Management an der IU Internationale Hochschule. Basierend auf ihrer mehr als zwanzigjährigen Berufserfahrung in der produzierenden Industrie liegen ihre Forschungsinteressen im Einsatz verschiedener Projektmanagementmethoden in operativen und organisatorischen und Veränderungssituationen. Internet: www.iu.de / hochschule/ lehrende/ sarstedt-margit/ eMail: margit.sarstedt@iu.org [5] Project Management Institute. (2021). A guide to the project management body of knowledge (PMBOK® Guide) (7. Aufl.). Project Management Institute. [6] Axelos Ltd. (2017). Managing successful projects with PRINCE2 (2017 Ed.). TSO (The Stationary Office). [7] International Project Management Association & GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (2017). Individual Competence Baseline für Projektmanagement. Version 4.0 / Deutsche Fassung. [8] Schütz, M. (2022). Projektmanagement eine Einführung aus sozial- und organisationswissenschaftlicher Sicht. Springer Gabler. [9] Kuster, J. (2022). Handbuch Projektmanagement: Agil- - Klassisch-- Hybrid. Springer. [10] Stacey, R. D., Griffin, D. & Shaw, P. (Hrsg.). (2000). Complexity and emergence in organizations. Complexity and management: Fad or radical challenge to systems thinking? Routledge. [11] Snowden, D. J./ Boone, M. E. (2007). A leader’s framework for decision making. Harvard Business Review, 85. Jg., Heft 11, 68-77. [12] Rubin, K. S. (2014). Essential Scrum: Umfassendes Scrum-Wissen aus der Praxis. Mitp. [13] Barth, M.; Reidick, J.; Sarstedt, M. (2023). DAS Projektmanagementkontinuum. Projektmanagement Aktuell 34 (3), 56-61. Eingangsabbildung: © iStock.com / NicoElNino 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0005 Zwischen Hype und Realität: Künstliche Intelligenz im Projektmanagement Vivien-Jana Gaida, Mahir Kulalic Für eilige Leser | Künstliche Intelligenz (KI) prägt bereits heute viele Aspekte unseres Alltags und hat einen bedeutenden Einfluss auf verschiedene Branchen. Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Bedeutung von KI in einer Projektmanagement- Software. Von der Entwicklung einer klaren Projektstruktur bis zur automatischen Priorisierung von Aufgaben bietet KI vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten im PM. Doch nicht selten wird der Begriff ‘KI’ inflationär und willkürlich verwendet. Somit ergeben sich klare Erwartungen an eine KI: Sie soll die Arbeit erleichtern und die Kompetenz von einer Projektleitung verbessern, während diese zielführend KI in Projekten einsetzt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Wunsch für das Jahr 2024 und darüber hinaus ist, dass KI dort, wo sie eingesetzt wird, echte Arbeitserleichterungen bietet, die ihrem Namen gerecht werden. Schlagwörter | KI-Unterstützung, Projektmanagement-Tool, KI-Washing Künstliche Intelligenz zählt zweifellos zu den Schlüsseltechnologien in der digitalen Ära. Die KI lässt kaum einen Bereich unberührt und ist in vielen Branchen ein präsentes Diskussionsthema. Computer sind längst nicht mehr bloße Rechenmaschinen oder Datenverarbeiter, die Befehle ausführen-- sie lernen kontinuierlich dazu, treffen selbstständig Entscheidungen und agieren (fast) wie denkfähige Wesen. Diese Entwicklung polarisiert: Innovationstreiber sehen darin eine große Chance, während Kritiker eine Bedrohung fürchten, weil die Grenzen zwischen Mensch und Maschine zunehmend verschwimmen. Nicht nur in jungen Generationen ist eine Kenntnis von KI-Diensten vorhanden-- so gaben laut Statista sogar 63 Prozent der 43bis 60-Jährigen an, durchaus mit dem Konzept der Künstlichen Intelligenz vertraut zu sein. [1] Hierbei wird allerdings nicht deutlich, was die befragten Personen unter KI eigentlich verstehen. Wie Künstliche Intelligenz unseren Alltag schon heute gestaltet Bereits jetzt ist KI ein permanenter Begleiter in unserem Alltag-- oft unbemerkt und ohne großes Nachdenken. Sie unterstützt bei simplen Aufgaben, gibt Tipps und Empfehlungen und macht unser Leben in vielen Bereichen leichter und komfortabler. Von personalisierten Vorschlägen in Online-Shops bis hin zu autonomen Fahrzeugen. KI hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, verändert. Und auch in der Berufswelt hat KI bereits einen bedeutenden Einfluss. In der Medizin nutzen Ärzte KI beispielsweise dazu, um medizinische Befunde auf MRT-Bildern zu analysieren, damit Krankheiten schneller sowie genauer diagnostiziert werden können. Im Bankwesen wird bereits auf KI gesetzt, um betrügerische Aktivitäten zu überwachen oder verdächtige Muster zu erkennen. Die Wissenschaft fasst unter „Künstlicher Intelligenz“ z. B. die automatische Bilderkennung, natürliche Sprachgenerierung oder auch die Prozessoptimierung. [2] Auch im modernen Projektmanagement gewinnt Künstliche Intelligenz zunehmend an Bedeutung- - von automatisierten Analysen komplexer Datenstrukturen bis zur Optimierung von ganzen Arbeitsprozessen. In diesem Artikel werden wir einen genaueren Blick darauf werfen, an welchen Stellen es sinnvoll ist, KI speziell im Projektmanagement zukünftig einzusetzen, damit Unternehmen und Teams ihre Ziele schneller und Projekterfolge effizienter erreichen. Smarte Lösung: Anwendungsbereiche von KI im modernen Projektmanagement In vielen Branchen hat Projektmanagement einen hohen Stellenwert und einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von Organisationen. Die effiziente Planung, Durchführung und Wissen | Zwischen Hype und Realität: Künstliche Intelligenz im Projektmanagement 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0005 Sichtung von Projekten sind zentrale Bausteine, um strategische Ziele zu erreichen und Wettbewerbsvorteile zu erlangen. In diesem Kontext spielt Künstliche Intelligenz eine immer größer werdende Rolle, da sie das Projektmanagement in vielerlei Hinsicht unterstützen kann. Von der ersten Projektstruktur bis hin zur Prio- Vergabe Effektives Projektmanagement ist eine oft sehr anspruchsvolle Herausforderung, die die Planung, Steuerung und das Screening von Ressourcen, Zeit und Budget erfordert, um sicherzustellen, dass die gesetzten Ziele erreicht werden. Die Projektleitung steht vor der Aufgabe, komplexe Abläufe zu koordinieren, Teammitglieder zu führen und unvorhergesehene Hindernisse zu bewältigen. In diesem Kontext spielt die Verwendung eines Projektmanagement-Tools eine zentrale Rolle. Eine der grundlegenden Aufgaben im Projektmanagement ist die Entwicklung einer klaren Projektstruktur und eines detaillierten Projektplans. Dabei könnte Künstliche Intelligenz zukünftig entscheidend unterstützen. Die Integration von KI in eine Projektmanagement-Software ermöglicht es, Daten aus vergangenen Projekten zu analysieren, Muster und Trends zu erkennen und auf dieser Grundlage Empfehlungen für die optimale Projektstruktur oder den Zeitplan zu geben. Die Unterstützung durch KI erstreckt sich jedoch über die Projektstruktur hinaus. In der Aufgabenverwaltung und Ressourcenzuweisung kann KI die Qualifikationen und Verfügbarkeit von Teammitgliedern analysieren, um Aufgaben effizient zuzuweisen und die individuellen Stärken optimal zu nutzen. Ein weiterer innovativer Aspekt ist die automatische Priorisierung von Aufgaben. Die Einbindung von KI in das Aufgabenmanagement ermöglicht nicht nur mehr Effizienz, sondern stärkt auch die Resilienz von Projektteams gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen. In Echtzeit kann die KI auf Veränderungen reagieren, beispielsweise den plötzlichen Ausfall eines Teammitglieds. Sie setzt automatisch Prioritäten neu und verteilt Aufgaben, um sicherzustellen, dass das Projekt trotz unvorhergesehener Hindernisse nahtlos weiterläuft. Diese dynamische Anpassungsfähigkeit schafft eine neue Ebene der Flexibilität. KI als Unterstützung zur Risikoerkennung Ein weiterer potenzieller Bereich, in dem KI zukünftig eine Rolle spielen kann, ist die Risikoerkennung. Die Identifizierung von Risiken ist ein Schlüsselaspekt des Projektmanagements. KI kann dabei Prozesse unterstützen, indem sie Daten erforscht, innovative Lösungen und Ideen vorschlägt, und bei der Risikoanalyse historische Daten sowie externe Faktoren berücksichtigt, um potenzielle Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren. Der kontinuierliche Überblick über die Entwicklung des Projektfortschritts durch KI gibt automatische Warnungen bei Abweichungen von den geplanten Zielen aus und ermöglicht so eine frühzeitige Intervention. Insgesamt ist die Abgrenzung zwischen Künstlicher Intelligenz und einem einfachen Algorithmus oft schwierig zu ziehen. Dennoch ist klar, dass KI das Projektmanagement nicht nur effizienter, sondern auch flexibler und reaktionsfähiger gestaltet. Von KI-Washing und tatsächlichen Mehrwerten Spätestens seit dem kometenhaften Einschlag von OpenAIs ChatGPT [3] ist das Thema KI im Mainstream angekommen. Ob öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Technik-Journalismus oder LinkedIn-Business-Blase: Es lässt sich attestieren, dass das Wort „KI“ inflationär genutzt wird. Der Hype ist nicht nur Teil eines öffentlichen Diskurses- - angefangen beim EU-Parlament (Stichwort: „AI Act“) [4] bis hin zur Universität (Stichwort: „Hausarbeiten“) [5]. Vielmehr ist er, vereinfacht gesagt, Teil des technischen Fortschritts, wie das Rad, Mobilfunk oder Computer allgemein. Diesem Fortschritt will sich praktisch niemand entziehen. Ganz im Gegenteil: Jetzt auch irgendetwas mit KI zu machen, stärke das eigene Image als Innovationstreiber. Das erinnert in seinen Zügen an das sogenannte „Greenwashing“. Mit Blick auf Künstliche Intelligenz könnte man also von KI-Washing sprechen. Unzählige Unternehmen münzen bestehende Funktionen, Formeln oder Logiken auf das Wort „KI“ um. Selbst, wenn am Ende kaum etwas davon im Thema steckt. Jenes „KI-Washing“ reicht von Objekterkennung für Smartphone-Kameras, über Smart-Home-Automation bis in das Feld der professionellen Software-- etwa für Projektmanagement. Als Anbieter eines Projektmanagement-Tools ist das Thema KI qua Produktpolitik ein „heißes Eisen“. Der schmale Grat für viele der 650 weiteren Anbieter [6] liegt darin, mit einem KIgebrandeten Funktionsumfang echte Mehrwerte zu generieren und eben kein KI-Washing zu betreiben. Wie Software-Unternehmen das Thema KI managen sollten Aus dieser Herausforderung und auch aus der Innensicht eines Software-Unternehmens wird schnell klar: Der Anspruch lautet, keine falschen Versprechungen zu geben. Gleichzeitig sollen die KI-Boni beim Datenschutz möglichst sicher sein. Grundsätzlich sollte die Bezeichnung „KI“ also nur dann fallen, wenn auch echte KI-Technologien, wie beispielsweise Large Language Models (LLM), dahinterstehen. Es ist eindeutig, dass viele Funktionalitäten, die heute mit dem Wort „KI“ beworben werden, noch in den Kinderschuhen stecken. Das gilt unabhängig von der Bewertung ihrer Praxistauglichkeit. Eine generative KI, die zum Beispiel Beschreibungen in einem Ticket oder einer Aufgabe tippt, ist als Gedankenstütze schon mal hilfreicher, als sich alleine den Kopf zu zerbrechen. Im schlimmsten Fall fehlen die Aufgabenbeschreibung oder ein aussagekräftiger Titel- - „Besprechung“ kann schließlich alles oder nichts bedeuten. Insgesamt bie- Abbildung 1: KI erkennt Zusammenhänge und unterstützt bei innovativen Prozessen. pixabay / Alexas_Fotos Wissen | Zwischen Hype und Realität: Künstliche Intelligenz im Projektmanagement 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0005 ten aber erst noch umfangreichere Einsatzszenarien einen Ausblick darauf, wie das Thema „KI im Projektmanagement“ einen echten, vielzitierten Mehrwert schafft. Im Austausch mit Projektleitern, Nutzern von PM-Software und auch ganzen Teams kristallisiert sich dabei eine Herausforderung schnell heraus: Der Start mit einem- - sprichwörtlichen-- weißen Blatt Papier. Fragen im Sinne von „ Wie fange ich an? “ sind gerade bei der initialen Planung für viele Projektleiter eine Hürde. An diesem Punkt kann eine KI bestens ansetzen, um direkt im Tool Ideen zu liefern oder Fragen zur Projektstruktur zu beantworten. Eine Internetrecherche zeigt: Das Wissen über konkrete Projekte, z. B. für Bau [7], Eventmanagement [8] oder Qualitätsmanagement [9] findet sich vielerorts in hoher Qualität. In Summe liegt es aber einem einzelnen Projektmitarbeiter nicht vor. KI zur Inspiration und als Wissensdatenbank Eine KI könnte dieses Wissen passgenau für die jeweilige Anfrage nutzen und Vorschläge für die Projektplanung kreieren. Fragen könnten auch auf verschiedenen Ebenen beantwortet werden, ausgehend von der Komplexität und dem Hintergrund. Stellt ein Software-Entwickler eine technische Frage, kann die Antwort ebenso zielgruppengerecht sein wie bei einem Projektplaner mit einem anderen Blickwinkel. Mit der Erfahrung aus der Projekt- und Managementberatung sollte immer ein wichtiges Bestreben darin liegen, die ersten Schritte im Projekt zu vereinfachen: Visuell, prozessual, aber auch durch inhaltliche Vorschläge. Daher steht eine solche Ambition groß auf der Agenda. Ergänzend kann eine KI wichtige Hinweise bei der Projektplanung und -steuerung geben. Ist der Fortschritt in Gefahr, die Mitarbeiterauslastung zu hoch oder die Datenqualität nicht ausreichend für eine Bewertung, gibt es einen Hinweis. Frühwarnsysteme gibt es bereits, bspw. bei anstehenden oder gerissenen Deadlines oder widersprüchlicher Terminplanung bei voneinander abhängigen Themen. In Zukunft kann das noch flexibler, präziser und projektübergreifender erfolgen. Solche KI-Bausteine lassen sich in jeder Projektphase identifizieren. Bei der Planung, der Ausarbeitung (wie z. B. den o. g. Aufgabenbeschreibungen), der Begleitung des Projektes (durch o. g. Empfehlungen) oder zum Abschluss mit einem automatisierten Bericht (inklusive individueller Optimierungsvorschläge für das nächste Projekt, die auf Knopfdruck als Lessons Learned umgesetzt werden können). KI für und nicht anstelle von Menschen Doch trotz dieser in Zukunft denkbaren Vorteile, sollten die Erwartungen klar sein: Eine KI soll und wird den Menschen im Projekt nicht ersetzen, sondern soll ihn unterstützen. Projekte sind durch Menschen erfolgreich und sollten von ihnen geleitet werden, weil sie die Lebensrealität kennen: Die Zusammenarbeit mit Kollegen, Dienstleistern und Partnern und das Feingefühl für Prioritäten oder Investitionen. Hinzu kommen Emotionen, Empathie, Fingerspitzengefühl in der Zwischenmenschlichkeit sowie moralische Werte, Weltbilder und soziale Rahmen, die alle Einfluss auf Entscheidungen und Zusammenarbeit im Projekt haben. Am Ende soll die KI kompetenten Projektmanagern und Beteiligten dabei helfen, ihren Job noch besser und schneller zu erledigen. Diese wiederum sollten sich auf eine Zukunft mit KI-Unterstützung vorbereiten, damit sie-- über kurz oder lang-- in puncto Effizienz nicht ins Hintertreffen geraten. In diesem Sinne ist der Wunsch für KI im Projektmanagement für das Jahr 2024 und darüber hinaus: Da, wo KI dransteht, sollen Nutzer eine wirkliche Arbeitserleichterung erhalten, die dem Namen auch gerecht wird. Abbildung 2: Eine solche Projektstruktur könnte zukünftig von einer KI ganz automatisch erstellt werden 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0005 Literatur [1] https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 1373261/ umfrage/ umfrage-zur-kenntnis-von-ki-diensten-indeutschland/ #: ~: text=Tats%C3%A4chlich%20zeigt%20 sich%2C%20dass%20in,KI%2DSysteme%20vertraut%20 zu%20sein.(Stand: 21. 12. 2023) [2] https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/ kuenstliche-intelligenz-ki-40 285/ version-263 673 (Stand: 21. 12. 2023) [3] https: / / assets.kpmg.com/ content/ dam/ kpmg/ xx/ pdf/ 2023/ 03/ the-potential-impact-of-chatgpt-and-thenew-ai-on-business.pdf (Stand: 20. 12. 2023) [4] https: / / ec.europa.eu/ commission/ presscorner/ detail/ en/ ip_23_6473 (Stand: 20. 12. 2023) [5] https: / / www.rz.uni-wuerzburg.de/ fileadmin/ 42 010 000/ 2023/ ChatGPT_und_Pruefungsrecht.pdf (Stand: 20. 12. 2023) [6] https: / / www.capterra.com.de/ directory/ 30 002/ projectmanagement/ software (Stand: 20. 12. 2023) [7] https: / / www.letsbuild.com/ de/ blog/ bauprojekt management-eine-checkliste-der-grundlagen (Stand: 20. 12. 2023) [8] https: / / tim-brettschneider.com/ 5-einfache-methodenum-agiles-projektmanagement-im-online-marketing-zunutzen/ (Stand: 20. 12. 2023) [9] https: / / www.stmwi.bayern.de/ fileadmin/ user_upload/ stmwi/ publikationen/ pdf/ 2021-02-24_Qualitaets management_BF_2021-02.pdf (Stand: 20. 12. 2023) Vivien-Jana Gaida Vivien-Jana Gaida recherchiert und schreibt für den factro Blog (www. factro.de). Nach ersten Erfahrungen beim Handelsblatt und der Wirtschaftswoche, ist sie nun Teil des Marketing-Teams bei factro. In Artikeln teilt sie ihr Fachwissen über die moderne Arbeitswelt, Digitalisierung, Projektmanagement- und Collaboration-Software. Mahir Kulalic Mahir Kulalic verantwortet bei factro (www.factro.de) die Themen Website und Analytics. Dabei befasst er sich mit aktuellen Trends, Technologien und Tools. Dank seinen vorherigen Erfahrungen, u. a. als IT-Redakteur bei ComputerBase und Experte für Suchmaschinenoptimierung bei ALDI Nord, kennt er sowohl den Markt als auch die Einführung neuer Tools in Unternehmen. © iStock/ Mirel Kipioro … mehr als Technik Smart. Effizient. KI-basiert: PROJEKTE AUF DEM NÄCHSTEN LEVEL. Du fragst dich wie? Software und IT-Skill up für Projekmanager*innen findest du unter: www.vdi-wissensforum.de/ ITpm Anzeige Eingangsabbildung: © KI ist mittlerweile fester Bestandteil unseres Alltags. pixabay/ geralt 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0006 Digitaler Wandel: Wie MS Teams und KI das Arbeiten in Projekten revolutionieren Clemens Drilling, Helmut Klausing Für eilige Leser | Der digitale Wandel ist ein Prozess, der durch die fortschreitende Entwicklung und Verbreitung von digitalen Technologien gekennzeichnet ist. Künstliche Intelligenz (KI) ist eine der wichtigsten digitalen Technologien, die es ermöglicht, komplexe Probleme zu lösen, Daten zu analysieren und menschliche Fähigkeiten zu erweitern oder zu ersetzen. New Work ist ein Konzept, das sich auf neue Formen der Arbeit bezieht, die flexibler, selbstbestimmter und sinnstiftender sind als traditionelle Arbeitsmodelle. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen bietet Microsoft Teams eine zentrale Plattform zur effektiven und flexiblen Zusammenarbeit, Kommunikation und Datenfreigabe, insbesondere in geschäftlichen Umgebungen. Schlagwörter | Künstliche Intelligenz, Projekt-Office, Digitalisierung, New Work, Chat GPT, Copilot Schon seit Charles Darwin ist bekannt, dass nicht die stärkste Spezies überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderung reagiert. Die digitale Transformation bezieht sich auf einen tiefgreifenden Wandel, den Unternehmen und Organisationen durchlaufen, wenn sie digitale Technologien in ihre Geschäftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen integrieren. Ziel der digitalen Transformation ist es, die Effizienz und Produktivität zu steigern, Innovationen zu fördern, neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen und eine bessere Kunden- und Mitarbeitererfahrung zu bieten. Neben der Implementierung neuer Technologien geht es auch um die Weiterentwicklung der Organisationsstruktur und -kultur sowie die Entwicklung neuer Fähigkeiten und Kompetenzen bei den Mitarbeitern und damit neuer Formen der Zusammenarbeit. Dabei ist künstliche Intelligenz (KI) eine Schlüsselkomponente dieses Wandels, da sie es Maschinen ermöglicht, zu lernen, Muster zu erkennen und komplexe Aufgaben auszuführen, ohne ausdrücklich programmiert zu werden [1]. Damit verändert sich die Art und Weise, wie wir unsere Arbeit erledigen. New Work bezieht sich auf neue Arbeitsmodelle und Organisationsstrukturen, die auf Flexibilität und Kreativität der Mitarbeiter setzen. Dies hat direkt einen Wandel in der Führungs- und Arbeitskultur zur Folge im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit, lebenslangem Lernen und der Akzeptanz von Veränderung als Normalität. Hier kann KI dazu beitragen, routinemäßige Aufgaben zu automatisieren, wodurch Raum für kreative und anspruchsvollere Tätigkeiten geschaffen wird. Der Einsatz von KI und anderen digitalen Technologien verändert die Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeitskräfte. Es entstehen neue Berufsfelder, während andere obsolet werden. Dies führt zur Notwendigkeit lebenslangen Lernens, um sich an die ständig ändernden Anforderungen anzupassen. Hierbei spielt auch die Akzeptanz von KI eine wesentliche Rolle. Der Zusammenhang zwischen digitalem Wandel, KI und New Work ist eng verwoben und wechselseitig. Einerseits ermöglichen digitale Technologien wie KI neue Arbeitsformen, die auf Zusammenarbeit, Kreativität und Innovation basieren. Andererseits erfordern diese auch eine Anpassung an die digitalen Herausforderungen, wie zum Beispiel den Umgang mit Daten. Es ist wichtig, dass wir die Entwicklung von KI bewusst und verantwortungsvoll vorantreiben, um die Vorteile zu maximieren und potenzielle Risiken zu minimieren. Regulierungen, ethische Richtlinien und eine breite gesellschaftliche Debatte sind notwendig, um sicherzustellen, dass KI zum Wohle der Menschheit eingesetzt wird („digitale Ethik“). Neben diesen Chancen besteht vor dem Hintergrund zunehmender Gefährdung durch Cyberangriffe die dringende Notwendigkeit einer Motivation und Schulung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abwehr von Cyberangriffen. Für das Projektmanagement bedeutet dies, dass sich Arbeitsweise und Kommunikation aller Beteiligten im Projekt Wissen | Digitaler Wandel: Wie MS Teams und KI das Arbeiten in Projekten revolutionieren 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0006 verändert haben. Spätestens seit der Corona-Krise haben sich nach Jahren schleppenden Fortschritts in der Einführung leistungsfähiger Technologien neue Formen effektiver Zusammenarbeit herausgebildet. Diese bringen jedoch auch neue Herausforderungen in Bezug auf die Zusammenarbeit im Projektteam mit sich, da Projektarbeit grundsätzlich immer mit enger Zusammenarbeit der einzelnen Mitarbeiter verbunden ist. KI und Online- Plattformen haben das Management von Projekten in den letzten Jahren grundlegend verändert und die Weiterentwicklung vor allem auf dem Gebiet der KI geht stürmisch voran [2]. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen bietet Microsoft Teams eine zentrale Plattform zur effektiven und flexiblen Zusammenarbeit, Kommunikation und Datenfreigabe, insbesondere in geschäftlichen Umgebungen. Wir haben uns auf die Suche nach Beispielen gemacht, die das bisher Beschriebene in die Praxis transferieren. In 2022 / 2023 haben wir das Management mehrerer Projekte übernommen, die ohne digitale Werkzeuge unmöglich gewesen wären. Wir haben beispielsweise Prüfgeräte für Mikroskope und neuartige Aufzugsysteme entwickelt. Die Projektteams haben sich nie in Präsenz getroffen. Unser Projekt-„Büro“ ist eine digitale Collaboration-Plattform gewesen- - in unserem Fall Office 365 mit Teams von Microsoft. Die gesamte Arbeit im Projekt hat online stattgefunden. Mittlerweile begleiten wir einen international tätigen Konzern mit 90.000 Mitarbeitenden in 90 Ländern und mehr als 400 Einzelgesellschaften beim globalen Rollout dieser Plattform. Wir führen alle Bildungsmaßnahmen durch und erleben dabei, wie sich die Zusammenarbeit selbst verändert. Bildung nach den Bedürfnissen der Stakeholder In unseren Projekten findet parallel zu den Arbeiten an den Projektgegenständen sehr oft auch die Weiterbildung aller Projektbeteiligten in Projektmanagement statt. Wir schaffen dadurch die gemeinsame Sprache, die wir für eine effiziente Arbeit miteinander benötigen. Hier können wir sehr nachvollziehbar die Auswirkungen des Digitalen Wandels für Bildung (nicht nur) in Projekten darlegen. Während vor Corona nahezu alle Trainings in Präsenz stattgefunden haben, wurden diese Trainings zunächst 1: 1 in den virtuellen Raum verlegt. Dann aber hat eine Veränderung dieser Settings in mehreren Schritten stattgefunden: Statt ganzer Trainingstage sind wir dazu übergegangen, mehrere Halbtage anzubieten, damit die Konzentration der Teilnehmenden gewährleistet bleibt. Pausen werden viel konsequenter als zuvor eingehalten. Die Online-Plattform bietet uns die Möglichkeit, vielfältige Medien zur Wissensvermittlung einzusetzen und auch in Kleingruppen oder individuell zu arbeiten. Bei Bedarf kann Skript in der Muttersprache mitlaufen und wir können, wenn alle Teilnehmenden zustimmen, das Training aufzeichnen und dann auf der Plattform zur Verfügung stellen. Die Erstellung von Listen mit den Anwesenden übernehmen die Plattformen. Mit Teilnehmenden vom amerikanischen Kontinent starten die Trainings früh am Morgen und enden zur Mittagszeit, bei Teilnehmenden aus dem asiatischen Raum beginnen wir in der Regel um 16.00 Uhr und enden gegen 20.30 Uhr. Zeitansagen im Training werden stets für alle Zeitzonen gegeben, eine Stunde vor Beginn erhalten die Teilnehmenden eine kurze Erinnerungsmail. Damit sind wir näher an der Arbeitsrealität unserer Teilnehmenden. Wir designen einen Teil der Bildungsmaßnahmen als Onlinekurse zum Selbststudium. Zur Überprüfung des individuellen Fortschritts gibt es Bereiche mit Fragen und Antworten. In Ergänzung dazu finden Live-Online-Sessions statt, in denen Inhalte diskutiert und Fragen beantwortet werden können. Bei Themen der sozialen Kompetenzerweiterung kann dann ein Tag auch in Präsenz stattfinden. Die überragend positive Resonanz auf solche Trainings hat uns zu weiteren Schritten ermutigt. 1. Wir bieten für wichtige Projektthemen 60-90 Minuten dauernde Projekt-„Talks“ und Projekt-„Cafes“ an. Diese starten mit einem kurzen Impulsvortrag, dem sich eine Dialogrunde anschließt. 2. Wir bieten allen Stakeholdern für eine Dauer vom 45 Minuten Sessions mit Einzelcoaching an, die konkrete Situationen aus dem Projektalltag in den Austausch bringen. Damit sind wir unmittelbar an den „Schmerzpunkten“ des Projektgeschäftes und können wertvolle konkrete Impulse geben. Zusammenfassend stellen wir fest, dass wir durch die Möglichkeiten der digitalen Plattformen bei Bildungsmaßnahmen deutlich mehr auf die Bedürfnisse unserer Stakeholder eingehen können und dass durch die erwähnten 1: 1 Coachings die Lernkurve signifikant ansteigt. Schnelle Entscheidungen-- partizipativ Stakeholder wollen heute mitgestalten und mitbestimmen. Das gilt insbesondere für die Mitglieder des Projektteams. Besonders wichtig für diesen Trend ist die Forderungen, Entscheidungen gemeinsam (partizipativ) zu treffen. Wir haben in unseren Projekten eine Auswahl partizipativer Entscheidungstechniken eingeführt, die je nach Wichtigkeit und Tragweite Anwendung finden. Das fängt bei einfachen Mehrheitsabfragen an, die wir in der Regel über den Besprechungs-Chat durchführen (Anzahl der „Likes“ für eine der Alternativen), es geht über eine Mehrfach-Punkteabfrage, „Aus der Mitte wählen“, „konsultativem Fallentscheid“ und der „Widerstandsabfrage“ bis hin zu etwas aufwändigerem Verfahren wie der „kollegialen Einwandintegration“. Die Plattform MS Teams unterstützt uns dabei beispielsweise mit den sogenannten Loop-Elementen im Beitragsbereich (und seit kurzem auch im Chatbereich), der Umfrage-App „Forms“ oder dem „Whiteboard“ mit vorgefertigten Entscheidungs-Templates. Wir überlegen uns mit jeder Entscheidung auch, welche Gültigkeitsdauer sie haben sollen. Das nimmt bei kontroversen Entscheidungsfällen oft die Schärfe aus der Diskussion. Die Dokumentation sowohl des Prozesses (Meinungsäußerungen, Empfehlungen, Erklärungen) wie auch der Ergebnisse wird von den Plattformen gewährleistet. Das virtuelle Projekt-Office-- ein asynchroner Ort für alle im Projekt Aus unserer Erfahrung ist es ein Meilenstein von Collaborations-Plattformen, dass sie DER gemeinsame „Ort“ für die Projektteams sind, unabhängig von der Frage der Unternehmenszugehörigkeit. Auch Vertreter des Auftraggebers und von Wissen | Digitaler Wandel: Wie MS Teams und KI das Arbeiten in Projekten revolutionieren 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0006 Lieferanten sind Mitglieder oder „Gäste“ auf den Plattformen. Damit sind die technologischen Voraussetzungen für Co-Creation zwischen den Vertragsparteien gegeben. Und dass sie die orts- und zeitunabhängige Zusammenarbeit multimedial fördern. In einigen unserer Projekte haben der Chat- und Beitragsbereich das Mail-System als Kommunikationsmittel vollständig abgelöst. Dokumente im Bearbeitungsstatus bis zur Abnahme durch die auftraggebende Seite sind für alle Teammitglieder auf der Plattform einseh- und veränderbar. Das Konzept der Dateizugriffsberechtigungen ist außerordentlich benutzerfreundlich und Ausdruck der Philosophie vertrauensvoller sowie transparenter Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Für einen Konzern, wie den, den wir begleiten, und der mehrere zehntausend Mitarbeitende im Außendienst beschäftigt, ist es außerordentlich wichtig, dass auch diese Mitarbeiter während ihrer Reisetätigkeiten einen gleichwertigen Zugang zur Plattform zur Verfügung gestellt bekommen. Dann können sie je nach persönlicher Ausstattung und Neigung entweder das Notebook, ein Tablet oder das Smartphone verwenden. Beiträge zu Projektinhalten und auch Projektberichten werden von den Verantwortlichen in Form von Video-Clips zur Verfügung gestellt. Diese werden am Monatsende beispielsweise in einem Projektbericht der „OneNote-App“ zusammengefasst. Diese App wird in nahezu allen unseren Projekten dafür verwendet, ausnahmslos alle Besprechungsprotokolle in einem System abzulegen und sehr oft auch noch während der Besprechung zu verfassen. Dabei wechseln sich die Teammitglieder meist im Protokollieren ab und befinden am Ende über die Gültigkeit des Protokolls. Was in früheren Zeiten nicht selten Tage und Wochen an Abstimmungsarbeit bedeutete, schließen wir heute in der Regel innerhalb eines Tages ab. Der Einsatz von KI-Elementen steigt in atemberaubender Geschwindigkeit Basierten die ersten öffentlichen Gehversuche mit ChatGPT noch auf den Sprachmodellen GPT-3 bzw. GPT-3.5 (GPT steht für Generative Pre-trained Transformer), einem Sprachmodell der dritten Generation, startete OpenAI, das Unternehmen hinter der KI, im März 2023 bereits mit GPT-4. Diese KI ist mit zehnmal mehr Daten trainiert worden als ihre Vorgänger. Damit versteht sie jetzt weit mehr als nur kurze Texte und noch mehr Sprachen, sie kann 25.000 Wörter als Input verarbeiten und sogar Bilder lesen, wie ein Video von OpenAI zeigt [3]. Damit macht diese KI einen ersten Schritt in Richtung Multimodalität, was bedeutet: ChatGPT kann nicht mehr nur Text verstehen, sondern die dargebotenen Informationen mit mehreren Sinnesmodalitäten auch wahrnehmen und verarbeiten. Und es „versteht“ dabei nicht nur den Inhalt von Bildern, sondern kann sogar erklären, was man mit den verbliebenen abgebildeten Inhalten in einem Kühlschrank kochen kann, warum eine Zeichnung lustig ist oder was passiert, wenn man die Schnur eines Luftballons durchschneidet, der auf dem Bild zu sehen ist: Er fliegt davon. Es verwandelt sogar eine einfache Bleistiftskizze auf einer Serviette in eine funktionierende Website, prüft komplexe Verträge auf juristische Fehler, erstellt Steuererklärungen oder programmiert Videospiele auf Befehl. „Indem sie die Sprache beherrscht, ergreift die KI den Generalschlüssel zur Zivilisation“, schrieb Historiker Yuval Harari in einem bemerkenswert kritischen Gastbeitrag der New York Times zum Thema [4]. Auch Spiegel-Kolumnist und Journalist Sascha Lobo sagt voraus: „Die Veränderungen durch KI werden wirkmächtig sein wie einst die Industrialisierung. Höchste Zeit also, dass wir uns dieser neuen Technologie stellen.“ [5] Die Plattform Office 365 bietet zahlreiche intelligente Dienste, welche die tägliche Arbeit erleichtern. Hier sind einige der KI-Funktionen, die heute bereits im Einsatz sind: Outlook-Ereignisse: Outlook identifiziert in Ihrem Posteingang Nachrichten, in denen es beispielsweise um Flugbuchungen, Veranstaltungen oder Paketzustellungen geht und erstellt daraus automatisch einen Kalendereintrag mit allen wichtigen Daten. PowerPoint (Design)-Ideen: PowerPoint bietet eine Funktion, die Ihnen hilft, mit nur einem Klick ansprechende Designs zu erstellen. Texte, Auflistungen oder Zeitangaben erhalten über die Designideen einen neuen Anstrich. Die App „Designer“ unterstützt die Erstellung von Bildern und grafischen Elemente auf Basis textueller Beschreibungen. PowerPoint Vortrags-Feedback: Wird ein Vortrag mit Bordmitteln von PowerPoint aufgezeichnet (Audio und Video), kann die vortragende Person entweder direkt während des Vortrags oder anschließend ein Feedback erhalten über die Sprachgeschwindigkeit, Anzahl von verwendeten Füllwörtern, Tonhöhe, ob den Zuschauern in die Augen geblickt wurde, oder der Blick zu oft von ihnen weggewandert ist. Excel-Ideen: Excel identifiziert aus Ihren Daten Highlights, Trends, Ränge, Verteilungen oder Ausreißer und liefert passende Berichte. Sie können dann entscheiden, welche Informationen für Sie nützlich sind und mit einem Klick eine Pivot-Tabelle zusammen mit einem geeigneten Diagramm erzeugen. Diktieren: Mit der Diktieren-Funktion können Sie allein über Ihre Sprache komplette Texte in Word, Excel oder PowerPoint erzeugen. Dabei wird nicht nur das Gesprochene in einzelne Textbausteine umgewandelt, sondern am Ende auch ein passender Satz gebildet. Entscheidungsunterstützung: Microsoft 365 bietet eine Vielzahl von Tools, welche die Entscheidungsfindung erleichtern. Dazu gehören „Power BI“, das Benutzern es ermöglicht, Daten zu visualisieren und zu analysieren, sowie „Delve“, welches relevante Informationen und Dokumente schnell findet. Management Zusammenfassungen: Office 365 sendet in konfigurierbaren Zeitabständen Mails mit Zusammenfassungen von Aktivitäten und Kommunikation und weist Sie auf anstehende Termine hin. Was wird kommen? Microsoft startet mit Teams in diesem Jahr in eine „neue Ära“ und hat eine von Grund auf neu entwickelte Version von Teams vorgestellt, die per Public Preview sofort genutzt werden kann. Die "neue Ära" soll mit mehr Geschwindigkeit, Leistung, Flexibilität und Intelligenz eingeläutet werden. Das neue Teams soll für Microsoft auch die Basis für eine Vielzahl von KI-Lösungen sein. Angekündigt sind hier bereits eine Funktion zur intelligenten Zusammenfassung verpasster Meeting-Inhalte und Copilot für Microsoft Teams. Microsoft „Copilot“ basiert auf Chat GPT-4 und arbeitet mit Benutzern zusammen, um Informationen in Echtzeit aus ihren Daten und Apps zu sammeln. Copilot erfasst natürliche Wissen | Digitaler Wandel: Wie MS Teams und KI das Arbeiten in Projekten revolutionieren Sprachbefehle, um Inhalte zu erstellen, Daten zu analysieren, Präsentationen zu erstellen und einiges mehr. Hier sind einige der Funktionen: Erstellung von Inhalten: Copilot kann helfen, Inhalte wie E-Mails oder Berichte zu erstellen. Sie können einfach Ihre Gedanken in natürlicher Sprache ausdrücken, und Copilot wird Ihnen helfen, Ihre Ideen in klare und prägnante Inhalte umzusetzen. Datenanalyse: Copilot kann helfen, Daten aus verschiedenen Quellen zu analysieren und dann Trends und Muster zu erkennen. Sie können dann entscheiden, welche Informationen für Sie nützlich sind und mit einem Klick eine Pivot-Tabelle zusammen mit einem geeigneten Diagramm erzeugen. Präsentationserstellung: Copilot kann helfen, ansprechende Präsentationen zu erstellen, indem es Ihnen Vorschläge für Layouts, Designs und Farben gibt. Sie können dann auswählen, welche Vorschläge am besten zu Ihrem Inhalt passen. (Live-)Übersetzung: Copilot kann helfen, Dokumente, Abschnitte und Begriffe in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Markieren Sie hierzu einen Abschnitt und entscheiden Sie, in welche Zielsprache Sie Ihren Text übersetzen lassen wollen. Alles Weitere übernimmt die Microsoft KI für Sie. In Meetings können Sie sich die Untertitel live übersetzen lassen Fazit Für die Arbeit in Projekten sind digitale Werkzeuge und digitale Plattformen, die mehr und mehr KI-unterstützte Funktionalitäten zur Verfügung stellen, nicht mehr wegzudenken. Sie führen zu mehr Effizienz und unterstützen- - ja bedingen geradezu-- eine neue und an vielen Stellen deutlich effektivere Zusammenarbeit („New Work“). Zwar stehen uns mit Collaborations-Plattformen mächtige Werkzeuge zur Verfügung, es fehlt vielerorts aber noch an organisationalen Strukturen und Prozessen sowie einer Kultur, die ein autonomes, zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten in Projekten unterstützen. Vereinbarungen für den mobilen Arbeitsplatz werden genauso flächendeckend benötigt wie flexible Absprachen bezüglich Arbeitszeiten. DEN ÜBERBLICK IN IHREN PROJEKTEN ERHALTEN Mit unserem CAS im Projektmanagement erhalten Sie nicht nur das theoretische Wissen, sondern auch die praktische Erfahrung und die Fähigkeiten, um in der dynamischen Welt des Projektmanagements erfolgreich zu sein. Kalaidos Fachhochschule Tel. 044 200 19 19 www.kalaidos-fh.ch beratung@kalaidos-fh.ch B E R A T E N L A S S E N ! JE T Z T PERSÖ NLICH Anzeige Die Nutzung von KI-gestützten Tools ermöglicht es, repetitive und zeitraubende Aufgaben zu automatisieren und gibt Projektverantwortlichen mehr Zeit für strategische Überlegungen und eine bessere Steuerung der Projekte. Die Führung von Projektteams, Kulturarbeit in Projekten und strategische Entscheidungen können so endlich im Mittelpunkt stehen. Auswirkungen auf die Projektarbeit Das Projektmanagement erfährt tiefgreifende Veränderungen, wenn Unternehmen digitale Technologien in ihre Geschäftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen integrieren. Projekte sind zeitlich begrenzte Vorhaben, die ein konkretes Ziel verfolgen und oft interdisziplinär und dynamisch sind. Um in solchen Projekten erfolgreich zu sein, braucht es digitale Kompetenzen, wie zum Beispiel die Fähigkeit, mit KI-Systemen zu interagieren, Daten zu nutzen oder digitale Tools anzuwenden. Außerdem braucht es eine New Work-Kultur, die auf Vertrauen, Autonomie und Lernen basiert und die Mitarbeiter motiviert und befähigt, sich an die sich wandelnden Anforderungen anzupassen. Als Konsequenz muss sich das Projektmanagement auf eine Vielzahl von Veränderungen einstellen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, aber auch um sich vor Risiken zu schützen. In welchem Maße künftige Herausforderungen im Projektmanagement bewältigt werden, hängt nicht zuletzt von der Gestaltung der Unternehmenskultur ab. Diese Verbindungen zeigen, wie der digitale Wandel, die Integration von KI und die Prinzipien von New Work gemeinsam eine transformative Kraft in der Arbeitswelt ausüben und neue oder veränderte Verhaltensweisen in Wechselbeziehung zueinander stehen. Organisationen, die diese Elemente erfolgreich kombinieren, können agiler, innovativer und besser auf die Herausforderungen der modernen Wirtschaft reagieren. KI hat bereits heute und wird in Zukunft zunehmend einen großen Einfluss auf das Projektmanagement haben. Insgesamt kann KI das Projektmanagement verbessern, indem es Zeit spart, die Effizienz erhöht, die Entscheidungsfindung Wissen | Digitaler Wandel: Wie MS Teams und KI das Arbeiten in Projekten revolutionieren 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0006 verbessert, personalisierte Erfahrungen bietet, das Risikomanagement verbessert und die Zusammenarbeit erleichtert. KI kann jedoch keinesfalls als Ersatz für menschliche Interaktion und Zusammenarbeit gesehen werden. Abgrenzung KI kann in der Projektarbeit sehr gut Tätigkeiten übernehmen, bei denen gleiche oder ähnliche Aufgaben stetig durchgeführt werden müssen wie Dateneingabe, Überwachung von Fortschritten oder die Erstellung von Berichten. Da Projektarbeit viele menschliche Fähigkeiten voraussetzt, welche mit Methoden der KI nicht geleistet oder gar ersetzt werden können, ist es sehr unwahrscheinlich, dass KI den menschlichen Aspekt des Projektmanagements je vollständig ersetzen wird. Dabei ist wichtig zu beachten, dass KI-Systeme keine menschliche Intelligenz oder Urteilsvermögen ersetzen können und dass alle Projektmitarbeiter mit ihren spezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten weiterhin eine maßgebliche Rolle im Projektmanagement spielen werden. Zu diesen menschlichen Fähigkeiten gehören Kommunikation, Führung, Problemlösung, kritisches Denken und Entscheidungsfindung. Stattdessen könnte KI dazu beitragen, die Effizienz und Genauigkeit von Prozessen im Projektmanagement zu verbessern und Projektmitarbeiter bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, indem sie relevante Daten und Einblicke bereitstellt. Insgesamt wird die Rolle von KI im Projektmanagement wahrscheinlich eine unterstützende sein und keine Bedrohung für Arbeitsplätze in diesem Bereich darstellen. Kulturwandel im Zeitalter von KI und Cyberangriffen Beim Einsatz von KI und zur Abwehr von Cyberangriffen benötigen wir eine Kultur, die Sicherheit und Schutz der Privatsphäre aller Nutzer priorisiert. Transparenz ist unerlässlich. Mitarbeiter, ob im Unternehmen oder in der Projektarbeit, müssen verstehen können, wie ihre Daten verarbeitet werden und welche Maßnahmen zum Schutz ihrer Privatsphäre ergriffen werden. Unternehmen und Entwickler müssen offen und transparent über ihre Praktiken kommunizieren und den Nutzern die Kontrolle über ihre Daten geben. Die Implementierung von KI-Technologien kann die Art und Weise verändern, wie Mitarbeiter ihre Arbeit ausführen. Möglicherweise müssen sie neue Fähigkeiten erlernen oder ihre bestehenden Fähigkeiten anpassen, um mit der Technologie umzugehen. Dies kann dazu führen, dass einige Mitarbeiter sich unsicher oder unwohl fühlen und möglicherweise Widerstand gegen die Einführung von KI-Technologien zeigen. Sowohl beim Einsatz von KI und gleichzeitig dem Schaffen von Schutzmaßnahmen gegen Cyberangriffe benötigen wir eine Kultur, die darauf abzielt, die Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre aller Beteiligten zu garantieren. Ausschlaggebend ist jedoch am Ende ein Kulturwandel in der Organisation selbst hin zu einer Sicherheitskultur. Dies betrifft in hohem Maße die Überzeugung der Mitarbeiter in Bezug auf Sinn und Zweck von KI, aber auch hinsichtlich notwendiger Sicherheitsmaßnahmen. Dies beginnt bereits mit der Erzeugung von Achtsamkeit gegenüber Bedrohungen im alltäglichen Arbeiten. Nur wenn es gelingt, Mitarbeiter nachhaltig zu motivieren und zu sensibilisieren, besteht eine Erfolgsaussicht. Wissen um die Informationssicherheit kann Probleme nicht lösen, sondern die Anwendung des Wissens in konkreten und zum Teil stressigen Arbeitssituationen. Denn Unwissenheit ist der größte Schwachpunkt in der Abwehr von Cyberangriffen. Die Übernahme der Gesamtverantwortung durch die oberste Führung ist aber unabdingbar. Informationssicherheit ist primär Chefsache und liegt nicht in der Alleinverantwortung der IT. Literatur [1] appliedAI Initiative GmbH: https: / / www.appliedai.de, 24. 01. 2024. [2] Bernert, C.; Scheurer, S; Wehnes, H. (Hrsg.): KI in der Projektwirtschaft- - Was verändert sich durch KI im Projektmanagement? , GPM, UVK Verlag, 2024. [3] OpenAI: Introducing GPT-4: https: / / www.youtube.com/ watch? v=--khbXchTeE, 24. 01. 2024. [4] Harari, Yuval u. a.: You Can Have the Blue Pill or the Red Pill, and We're Out of Blue Pills. In: The New York Times, https: / / www.nytimes.com/ 2023/ 03/ 24/ opinion/ yuval-ha rari-ai-chatgpt.html, Stand: 24. 03. 2023. [5] Lobo, S.: Eines der mächtigsten Instrumente der Menschheitsgeschichte. In: Der Spiegel, https: / / www. spiegel.de/ netzwelt/ netzpolitik/ chatgpt-das-machtvoll ste-instrument-das-je-vom-menschen-geschaffen-wur de-a-b03b5672-2452-45f3-b177-df554d134467#, 15. 03. 2023. Eingangsabbildung: © iStock.com / fizkes Clemens Drilling Geschäftsführender Gesellschafter der Klausing und Kollegen GbR. Internationaler Portfolio- und Projektmanager mit langjähriger Erfahrung im Teambuilding und dem Aufbau sozialer Kompetenzen in Projektsystemen. Seine Schwerpunkte sind Projekte und Beratungsleitungen zur Einführung von PM-Systemen, New Work, Collaboration-Plattformen für die Digitale Transformation und Nachhaltigkeit. Prof. Dr.-Ing. Helmut Klausing Geschäftsführender Gesellschafter der Klausing und Kollegen GbR. Leitung internationaler Projekte und langjährige Geschäftsverantwortung als Obere Führungskraft bei der Siemens AG und der EADS Deutschland GmbH über mehrere Standorte im In- und Ausland; Gründer und Alleingeschäftsführer eines mittelständigen Tochterunternehmens; Vorstand des VDE und Präsident der GPM. Seine Schwerpunkte sind die frühzeitige Erarbeitung von Strategien und Methoden zur Umsetzung von Schlüsselthemen der Digitalen Transformation sowie die Gestaltung einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur. tiven und nachhaltigen Vermittlung von (Fach-)Wissen Bausteinen zur effekmit den wichtigsten verlag.expert 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0007 Wie können KI-Systeme sicher und digital souverän eingesetzt werden? -- Ein Leitfaden Handlungsempfehlungen zur sicheren und digital souveränen Nutzung generativer KI-Systeme Ralf Schweifler, Harald Wehnes Für eilige Leser | Die rasant an Bedeutung gewinnenden generativen KI-Systeme, wie ChatGPT und Co., haben einen Mega-Hype erzeugt. Doch müssen wir auch vermehrt die Fallstricke, Risiken und Gefahren dieser neuen Technologie beachten. Nicht um den Hype zu brechen, sondern um einen sicheren und zukunftsorientierten Einsatz von KI-Systemen zu gewährleisten. Eine Schlüsselrolle haben dabei die Auswahl des KI-Systems und dessen Bereitstellungsart. Ausgehend von aktuellen Problembeispielen werden die besonderen Herausforderungen für das Management und die größten Einsatzrisiken analysiert. Daraus resultierend wird erläutert, was beim Einsatz von generativen KI-Systemen besonders zu beachten ist, um beispielsweise Abfluss und Missbrauch sensibler Daten oder rechtliche Probleme zu vermeiden. Die resultierenden Handlungsempfehlungen zur Auswahl und Nutzung von KI-Systemen werden in einem Leitfaden (MVP) für Unternehmen, staatliche Einrichtungen und Individuen übersichtlich zusammengefasst. Dieser Leitfaden wird laufend weiterentwickelt. Die jeweils aktuelle Fassung ist auf der Plattform https: / / digital-sovereignty.net abrufbar. Die Autoren freuen sich über Feedback und Ergänzungsvorschläge. Schlagwörter | Handlungsempfehlungen, Auswahl KI-Systeme, Generative KI-Systeme, Foundation Modelle, ChatGPT, Herausforderungen, Risikomanagement, Leitfaden, sensible Daten, Digitale Souveränität, Datensouveränität Der Einsatz von KI-Systemen entwickelt sich rasant und exponentiell mit bisher nie dagewesenen Chancen aber auch enormen Herausforderungen für Unternehmen, staatliche Einrichtungen und die Gesellschaft. Das gewaltige Spektrum an Möglichkeiten zum Einsatz von KI in der Projektwirtschaft wird in [1] mit 25 Beiträgen von insgesamt 50 Autorinnen und Autoren umfassend beleuchtet. Am KI-Einsatz und den damit verbundenen revolutionären Möglichkeiten kommt heute kaum jemand vorbei. Einige wenige Unternehmen haben bereits jahrelange Erfahrungen, die meisten sind allerdings noch in der Erprobungsphase, die von massiver Dynamik geprägt ist. Es ist wichtig von Anfang an dabei zu sein, um nicht einem fahrenden Zug hinterherschauen zu müssen. Aber der Einsatz muss auch strategisch geplant und mit Augenmaß erfolgen, wobei auch die potentiellen Risiken einzukalkulieren sind. 1. Herausforderungen Unabhängig von der aktuellen Euphorie muss beim KI-Einsatz stets hinreichendes Basiswissen vorhanden sein und eine sorgfältige Zieldefinition, Planung und Vorbereitung vorausgehen. Dabei ist u. a. zu bedenken, dass die neue Technologie zu „Halluzinationen“ neigt, „Tatsachen“ erfindet und diese sogar überzeugend formuliert. Der Abfluss vertraulicher Daten kann dadurch schneller passieren als je zuvor, wie publik gewordene Beispiele [2] zeigen. Selbst Großunternehmen der IT-Branche, wie z. B. Samsung, tun sich diesbezüglich schwer. Amazon, Apple und 12 weitere große Unternehmen haben vorsorglich Beschränkungen für ihre Mitarbeiter verhängt, da sie Datenlecks durch die Nutzung von ChatGPT befürchten [3], und OpenAI ist leider 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0007 weit davon entfernt, transparent zu machen, wie eingegebene Daten verwendet werden. Halluzinationen sind besonders kritisch zu bewerten, wenn es um juristische und medizinische Themen oder um Wahlen geht. Es gibt inzwischen eine Reihe von Fällen, in denen ChatGPT Aktenzeichen zu nicht existenten Gerichtsakten erfunden [4] und Falschinformationen zu Wahlen verbreitet hat [5].Abbildung 1 zeigt beispielhaft eine von ChatGPT erfundene „Wahrheit“, die leicht als Fake erkennbar ist. 2. Potentielle Risiken Digitale Souveränität wird vom IT-Planungsrat der Bundesregierung definiert als „ die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können “ [6]. Digitale Souveränität bedeutet, dass Bürge- Abbildung 1: Halluzination von ChatGPT 3.5 (Beispiel) rinnen und Bürger, Staat, Organisationen und Unternehmen ohne Bevormundung anderer Staaten oder Big-Tech-Monopolen im digitalen Raum frei handeln können. Sie bildet die Grundlage für wirtschaftliche Prosperität, Sicherheit und den Erhalt unserer Sozialsysteme. Auf den Punkt gebracht: Ohne Digitale Souveränität keine Zukunft für unseren Wirtschaftsraum und unsere Gesellschaft [7]. Man muss sich bewusst machen, dass durch eine bedenkenlose Nutzung von KI-Systemen besorgniserregende Risiken mit irreversiblen Charakter für unsere Digitale Souveränität entstehen können. Die wichtigsten Risiken beim Einsatz generativer KI-Systeme in Bezug auf Digitale Souveränität werden nachfolgend kurz erläutert. Verlust von Datenschutz und Datensouveränität Grundvoraussetzung für ein funktionierendes KI-System bilden Algorithmen und Daten. Die Daten dienen zum Training der Foundation Modelle und werden in großen Mengen benö- Für jede Branche die passende Lösung projektron.de/ branchen PROCESSES Projektportfolio Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Angebote und Rechnungen Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA, BPMN Anzeige Wissen | Handlungsempfehlungen zur sicheren und digital souveränen Nutzung 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0007 tigt, um die Genauigkeit und Richtigkeit der Ergebnisse zu erhöhen und um die sehr aufwendige menschliche Qualitätsbewertung zunehmend zu automatisieren. Diese Daten werden aus den verschiedensten Quellen- - vorzugsweise aus dem Internet-- gesammelt. Woher die Trainingsdaten stammen, ist oftmals nicht transparent. Eine gängige Praxis ist auch das Sammeln von Daten aus der Nutzung der KI-Systeme. Selbst kommerzielle Angebote garantieren nicht, dass eingegebene, potentiell sensible Daten für andere Nutzer nicht als Antwort generiert werden. Somit ergeben sich enorme Risiken bzgl. des Datenschutzes und damit auch der Datensouveränität, da die Anwender de facto nicht bestimmen können, was mit den von ihnen eingegebenen Daten passiert. Cybersecurity KI-Systeme sind anfällig für Angriffe und Missbrauch. Durch die fortschreitenden Fähigkeiten und den Zugriff auf eine Unmenge von Daten steigt die Gefahr von Cyberangriffen, die durch KI-Systeme ausgeführt werden können. Darüber hinaus können KI-Systeme Sicherheitslücken in Software-Quellcodes schneller aufspüren, um selbständig Schadcode zu generieren, der diese Sicherheitslücken ausnutzen kann. Ein noch viel zu wenig beachtetes Sicherheitsrisiko. Verlust von Wissen und steigende Abhängigkeit Von der Nutzung von Navigationssystemen ist bekannt, dass Menschen durch einen Dauereinsatz ihren Orientierungssinn verlieren können [8]. Bei einem unreflektierten Verlassen auf die Ergebnisse von KI-Systemen sind die Auswirkungen wesentlich kritischer und können in den Verlust wichtiger Kompetenzen münden bzw. den Aufbau eigener Erfahrungen und Kompetenzen verhindern. In der Programmierung verlernen zum Beispiel potentiell unerfahrene Nutzer die Fähigkeiten bzw. sind nicht mehr selbstständig dazu in der Lage, Probleme zu lösen bzw. Software professionell zu programmieren und vor allem deren Qualität zu beurteilen. Verstärkt wird die bereits bestehende beängstigende digitale Abhängigkeit durch die Nutzung von Produkten ausländischer Tech-Monopolisten, wie Copilot für Microsoft 365. Sollten diese z. B. durch geopolitische Ereignisse ihre Dienste einstellen müssen, so besteht für die betroffenen Unternehmen und staatlichen Einrichtungen die Gefahr der kompletten Handlungsunfähigkeit [9]. Falsche Informationen KI-Systeme sind in der Lage Deepfakes zu erstellen. Diese täuschend echt aussehenden Videos oder Bilder zeigen vor allem Personen des öffentlichen Lebens und werden zur Verbreitung falscher Informationen und Propaganda genutzt. Des Weiteren besteht das Risiko von Halluzinationen, indem KI- Systeme dem Kontext entsprechende Inhalte erfinden und diese Aussagen mit echt wirkenden, aber gar nicht existierenden, Quellen untermauern. Dadurch wird nicht nur die digitale Souveränität bedroht. Da KI-Systeme in der Lage sind, Meinungen zu beeinflussen und Fakten glaubwürdig zu verändern bzw. vermeintliche zu erfinden, gefährdet dies die demokratische Grundordnung der Gewaltenteilung und eines freien Journalismus. Ethik und Vorurteile KI-Systeme können aufgrund von unvalidierten und vorgefilterten Trainingsdaten [10] oder unangemessener Algorithmen voreingenommen sein (Bias). Dies kann zu ethischen Problemen führen, wie Diskriminierung oder unfairem Verhalten gegenüber bestimmten Personengruppen. Verlust von geistigem Eigentum und Urheberrechtsprobleme Rechtliche Fragen zum geistigen Eigentum können entstehen, insbesondere wenn KI-Systeme auf Daten zurückgreifen, deren Herkunft unklar ist. Die Nutzung von Daten oder Algorithmen, die durch das Urheberrecht geschützt sind, kann rechtliche Konsequenzen haben, wie beispielsweise Schadensersatzforderungen, Unterlassungsansprüche oder juristische Verfahren (vgl. Klage der New York Times gegen OpenAI). 3. Notwendige Management-Entscheidungen Ohne Top Management Entscheidung kein Einsatz von KI. Vor dem Einsatz von KI-Systemen müssen die Verantwortlichen von Unternehmen und Organisationen wichtige strategische Entscheidungen- - unter Abwägung von Chancen und Risiken-- treffen. Hierzu gehören: • Zielsetzung und Einsatzgebiete: Klare strategischen Ziele sind zu definieren, die durch den Einsatz erreicht werden sollen. Soll das System den Kundensupport verbessern, interne Prozesse optimieren, den Programmierbereich unterstützen oder andere spezifische Funktionen erfüllen? • Einstellung von KI-Experten: Sowohl für die Planung als auch für den Einsatz sind Fachexperten erforderlich. Neben der Einstellung ist auch die KI-Ausbildung vorhandener Mitarbeiter und der damit verbundene Aufbau von KI-Expertise wichtig. • Rollen und Verantwortlichkeiten: Durch die Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten wird sichergestellt, dass alle Aspekte des KI-Einsatzes abgedeckt werden. Typische Rollen sind: Projektportfoliomanager, Projektmanager, Datenschutzbeauftragte, Spezialisten der beteiligten Fachbereiche und IT-Experten. Durch juristische Expertise muss sichergestellt werden, dass der Einsatz rechtlich einwandfrei ist und Unternehmens-, Kundendaten und Daten von Geschäftspartnern ausreichend geschützt sind. • Vorgehensmodell: Die KI-Welt ist derzeit durch eine große Dynamik und „moving targets“ geprägt. Daher bietet sich der Einsatz von agilen Vorgehensmodellen an, z. B. Lean Startup in Kombination mit ScrumBan. • KI-Systemauswahl: Die Sicherheit eines KI-Systems ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere wenn es um den Schutz sensibler Daten, die Vermeidung von Sicherheitslücken und die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen geht. Aus rechtlichen Gründen sollten daher möglichst KI-Systeme von Anbietern eingesetzt werden, die ihren juristischen Hauptstandort in der EU haben, wie z. B. Aleph Alpha, DeepL, Mistral AI, Neuroflash, Stable Diffusion oder Synthesia. Die gleichen Voraussetzungen sollten auch die Service-Provider (Cloud-Anbieter) erfüllen, sofern kein Inhouse-Betrieb erfolgt. Für sensible Daten muss stets eine Wissen | Handlungsempfehlungen zur sicheren und digital souveränen Nutzung 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0007 interne Lösung, das bedeutet gekapselte Systeme, angestrebt werden, um Datenabfluss zu vermeiden und Datensouveränität von Beginn an sicherzustellen. • Kommunikation und Schulung: Für die Einführung sind Kommunikationsstrategien zu entwickeln sowie Mitarbeiter-Schulungen durchzuführen, damit die KI-Systeme sicher, digital souverän und effektiv genutzt werden können. 4. Handlungsempfehlungen Das Hauptziel dieses Beitrags ist, den Lesern praxisnahe Handlungsempfehlungen zu geben. Die hier aufgeführten Empfehlungen wurden in einer aktuell noch laufenden Masterarbeit von Herrn Ralf Schweifler (Mitautor), Universität Würzburg, erstellt und unterliegen einem permanenten Ergänzungs- und Änderungsprozess. Sie sind im Folgenden auf verschiedene Stakeholder aufgeteilt. Handlungsempfehlungen für staatliche Einrichtungen Die Stärkung der technologischen und digitalen Souveränität Deutschlands ist das Leitmotiv der Digital- und Innovationspolitik (Digitalstrategie 2022 [11]) der Bundesregierung. Da KI-Systeme häufig in Clouds bereitgestellt werden, wurden bei der Erstellung der Handlungsempfehlungen auch die „Kriterien für Souveräne Clouds“ der Datenschutzkonferenz 2023 [12] berücksichtigt. Transparenz, Datensouveränität, Kontrollierbarkeit, Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit sind für einen sicheren KI-Systemeinsatz unabdingbar. Auswahl des KI-Systems • Es dürfen ausschließlich KI-Systeme europäischer Anbieter zum Einsatz kommen. • Kein Einsatz von KI-Systemen von Anbietern mit Monopolstellung am digitalen Markt, da dadurch bestehende digitale Abhängigkeiten verstärkt und digitale Souveränität geschwächt wird. • Das verwendete KI-System muss entweder in Eigenregie, bei einer Organisation des öffentlichen Rechts oder von einem Anbieter mit juristischem Hauptstandort in der EU betrieben werden. • Bei externen KI-Systemen müssen die Daten auf Servern von Unternehmen mit juristischem Hauptstandort in der EU gespeichert und verarbeitet werden. • Anforderungen der DSGVO und des AI Acts müssen erfüllt sein. Kommunikation und Schulung der Mitarbeiter • Mitarbeiter sind über die Möglichkeiten und Grenzen des KI-Einsatzes aufzuklären. • Mitarbeiter sind zu sensibilisieren, dass bei der Nutzung keine personenbezogenen Daten, Daten von Dritten oder sensible Informationen eingeben werden und keine Urheberrechtsverletzungen stattfinden. Umgang mit erhaltenen Antworten • Inhalte, die falsch sind oder suspekt wirken, müssen geprüft werden. Inhalte, die zur Veröffentlichung erstellt wurden, müssen validiert werden. • Anstößige, diskriminierende oder rassistische Inhalte sollten stets gemeldet werden. • Chatbots, die zur öffentlichen Nutzung durch Bürger entwickelt werden, müssen vor der Veröffentlichung auf unangemessene Inhalte sowie deren Resistenz gegenüber gängiger Methoden des KI-Jailbreakings, wie Prompt-Injections, geprüft sein. Darüber hinaus muss eine Funktionalität zur Meldung unangemessener Inhalte bereitgestellt werden. Handlungsempfehlungen für Unternehmen Anders als bei den notwendigen, strengen Vorgaben für die staatlichen Akteure werden hier nur Empfehlungen ausgesprochen. Unternehmensverantwortliche müssen Risiken und Chancen selbstständig abwägen. Sie sollten im Sinne der digitalen Souveränität agieren, um Abhängigkeiten zu minimieren und innovationsfähig zu bleiben. Auswahl des KI-Systems • Nutzung von On-Premise-Lösungen sichern Datensouveränität. • Rechtsstandort und Datenhoheit (sehr wichtig bei Eingabe sensibler Daten): Der juristische Hauptstandort des KI-Systemanbieters sollte in der EU sein, gleiches gilt für den Hosting Partner, falls das System nicht selbst gehostet wird. In diesem Fall sollten auch die physischen Standorte der Serversysteme in der EU sein. • Monopolstellung des Anbieters: Hat der Anbieter eines infrage kommenden KI-Systems eine Monopolstellung am digitalen Markt, so sollte unbedingt eine Alternative mit vergleichbarer Leistung gesucht werden, da sonst Stärkung der Monopolstellung und verstärkte digitale Abhängigkeit. • Die Risikoklassen des AI Acts sind zu beachten. Nutzung externer KI-Systeme • Keine Eingabe sensibler Daten („Kronjuwelen“ des Unternehmens), wie Vertrags- und Ausschreibungsdaten, Passwörter, Kundendaten, Geschäftspartnerdaten, Nutzernamen, Code, interne Dokumente etc. • Risiko von unternehmensspezifischem Know-how-Verlust prüfen und proaktiv Gegenmaßnahmen treffen. Mitarbeiterschulungen • Mitarbeiter über Möglichkeiten und Grenzen von KI-Tools aufklären. • Mitarbeiter bezüglich unbeabsichtigter Weitergabe von Betriebsgeheimnissen, Urheber- und Datenschutzverletzungen sensibilisieren. Umgang mit erhaltenen Antworten • Mehrere Quellen konsultieren und sich nicht nur auf die KI verlassen. • Generierte Inhalte, die veröffentlicht werden sollen, müssen durch einen erfahrenen Experten geprüft werden, bspw. Senior-Entwickler für QA bei Software. • Anstößige, diskriminierende oder rassistische Inhalte sollten stets gemeldet werden. • Bei Themen, die nicht so einfach auf traditionellem Weg validierbar sind: Gleicher Prompt in einem anderen (vom Unternehmen erlaubten externen) KI-System eingeben. Wissen | Handlungsempfehlungen zur sicheren und digital souveränen Nutzung 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0007 Handlungsempfehlungen für Individuen Die Handlungsempfehlungen für Individuen stellen reine Empfehlungen dar, um die digitale Souveränität eines jeden Einzelnen bestmöglich zu wahren und zu steigern. Da die meisten Personen im privaten Umfeld gängige kostenlose KI-Modelle, wie ChatGPT, nutzen und nicht die Möglichkeit haben, eigene zu hosten, ist es besonders wichtig auf Datensouveränität und Datenschutz zu achten und den richtigen Umgang zu erlernen. Auswahl des KI-Systems • Die KI sollte auf die persönlichen Ziele und Bedürfnisse ausgelegt sein, um das beste Ergebnis aus den Anfragen zu erzielen. • Wenn es möglich und sinnvoll ist, sollten Alternativen genutzt werden bzw. alternative Wege in Kombination mit KI- Lösungen. • Wenn immer möglich sollten KI-Systeme europäischer Anbieter mit Hosting in der EU eingesetzt werden. Private Nutzung eines KI-Systems • Einsatzspektrum: Persönliche Weiterbildung; Brainstorming, Recherche, Zusammenfassungen etc. • Kritisch: Lebensläufe mit ChatGPT teilen, um Feedback zu erhalten, u. ä. • Fehlendes eigenes Know-How kann zu fehlerhaften Antworten des KI-Systems führen, die kaum überprüfbar sind. Umgang mit erhaltenen Antworten • Kritischer Umgang mit den vom KI-System generierten Ergebnissen trotz überzeugender Formulierungen und Inhalte. • Mehrere Quellen konsultieren und sich nicht nur auf die KI verlassen. • Anstößige, diskriminierende oder rassistische Inhalte sollten stets gemeldet werden. 5. Fazit und Ausblick Die digitale Abhängigkeit Deutschlands hat ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Experten sprechen bereits davon, dass wir uns auf dem Weg in eine digitale Kolonie befinden. Vor diesem Hintergrund sind die Chancen und Risiken von KI-Systemen vor ihrem Einsatz besonders kritisch zu prüfen. Die aktuelle Euphorie soll damit nicht gestoppt oder reduziert, sondern in sichere und digital souveräne Bahnen gelenkt werden. Zu Beginn des Beitrags wurden die wichtigsten Herausforderungen und Risiken beleuchtet, die mit dem Einsatz von KI-Systemen verbunden sind: Verlust von Datenschutz, Datensouveränität, Wissen und geistigem Eigentum sowie die Gefahren bezüglich Cybersecurity, steigender digitaler Abhängigkeit, Diskriminierungen, Urheberrechtsverletzungen u. ä. Vor einem KI-Einsatz in Unternehmen und Organisationen sind stets strategische Managemententscheidungen zu treffen. Um die aufgeführten Risiken zu vermeiden, müssen bei der Auswahl eines KI-Systems neben der Leistungsfähigkeit stets auch die Aspekte Sicherheit und digitale Souveränität berücksichtigt werden. Konkret bedeutet dies vorrangig KI-Systeme einzusetzen, die von Anbietern stammen, die der EU-Gesetzgebung unterliegen. Falls die Systeme nicht selbst betrieben werden, muss sichergestellt sein, dass auch die Betreiber (Service Provider) ihren juristischen Hauptsitz in der EU haben und die physischen Systeme in der EU stehen. Das Management muss auch die notwendigen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen KI-Einsatz schaffen: Zielsetzung, Organisation und Prozesse, Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen, Vorgehensmodell, Kommunikation, Schulung etc. Aufgrund der hohen Dynamik am „KI-Markt“ haben wir es mit einem „moving target“ zu tun. Dementsprechend muss auch das Management agil agieren. Für die Unternehmen ist besonders wichtig, dass ihre digitalen „Kronjuwelen“ ausreichend geschützt sind. Den Mitarbeitern ist der Paradigmenwechsel in der Verantwortlichkeit bewusst zu machen: Während bisher die interne IT die Mitarbeiter vor einer falschen IT-Verwendung geschützt hat, tragen beim Einsatz eines externen KI-Systems die Mitarbeiter selbst die Verantwortung für eine fehlerhafte Nutzung. Hauptziel dieses Beitrags ist, den Lesern praxisnahe Handlungsempfehlungen zu geben. Diese Liste der Empfehlungen ist nicht abschließend. Die Autoren freuen sich über Feedback, Ergänzungs- und Änderungsvorschläge. Die jeweils aktuelle Fassung ist auf der Plattform https: / / digitalsovereignty.net abrufbar. Um zukünftig das Auswahlverfahren für KI-Systeme zu erleichtern, benötigen wir in Deutschland dringend breit gestreute KI-Labore, die zum einen in der Lage sind KI-Systeme zu testen, aber auch KI-Systemen Gütesiegel zu verleihen [13]. Zusätzlich ist es notwendig, dass angewandte Wissenschaft, die Industrie und vor allem KMUs an diesen KI-Laboren beteiligt werden. Literatur [1] Bernert, C.; Scheurer, S.; Wehnes, H. (2024): KI in der Projektwirtschaft, UVK Verlag, München. [2] Donath, A. (2023): Samsung-Ingenieure geben ChatGPT vertrauliche Daten preis. https: / / www.golem.de/ news/ kuenstliche-intelligenz-samsung-ingenieure-leakeninterne-daten-an-chatgpt-2304-173 220.html [3] Mok, A. (2023): Amazon, Apple, and 12 other major companies that have restricted employees from using ChatGPT. https: / / www.businessinsider.com/ chatgptcompanies-issued-bans-restrictions-openai-ai-amazonapple-2023-7 [4] Hiltscher, J. (2023): ChatGPT erfindet Gerichtsakten. https: / / www.golem.de/ news/ halluzination-chatgpterfindet-gerichtsakten-2305-174 509.html [5] Endt, C.; von Lindern, J. (2023): Microsofts Chatbot verbreitete Falschinformationen zu Landtagswahlen. https: / / www.zeit.de/ digital/ 2023 - 10/ bing-ki-microsoftbayern-landtagswahl-falschinformationen [6] Bundesministerium des Inneren (2020): Digitale Souveränität. https: / / www.cio.bund.de/ Webs/ CIO/ DE/ digitaleloesungen/ digitale-souveraenitaet/ digitale-souveraeni taet-node.html Wissen | Handlungsempfehlungen zur sicheren und digital souveränen Nutzung 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0007 Ralf Schweifler Ralf Schweifler ist Masterstudent der Informatik an der Universität Würzburg. In seiner Masterarbeit behandelt er das Thema „Digitale Nachhaltigkeit: Betrachtung und Evaluation von digitaler Souveränität in Verbindung mit der Nutzung von KI“. eMail: ralf.schweifler@stud-mail.uni-wuerzburg.de Prof. Dr. Harald Wehnes Prof. Dr. Harald Wehnes hat jahrzehntelange Erfahrungen als Führungskraft und Projektmanager in der Wirtschaft und Großforschung. Seit 2000 hält er Vorlesungen zu Projektmanagement und Start-ups an der JMU Würzburg. Bei der GPM leitet er seit 2024 die Fachgruppe „PM an Hochschulen“, die mit 400 Professoren und Dozenten des PM das größte Hochschulnetzwerk im deutschsprachigen Raum ist. Seit Anfang 2024 ist er Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik e. V. Julius-Maximilians-Universität Würzburg Institut für Informatik Am Hubland 97 074 Würzburg eMail: wehnes@informatik.uni-wuerzburg.de [7] Wehnes, H.; Bacharach, G. (2023): Digital souveränes Projektmanagement- - Wie geht das? Projektmanagement aktuell , 34 (5), 50-54. [8] Weber, C. (2023): Verlieren wir durch Navis unseren Orientierungssinn? https: / / www.zeit.de/ zeit-wissen/ 2015/ 02/ orientierung-verlust-navigationsgeraete [9] Mahn, J.; Wölbert, C. (2020): Die riskante Abhängigkeit der Bundesrepublik von amerikanischen IT-Riesen. https: / / www.heise.de/ hintergrund/ Die-riskante-Ab haengigkeit-der-Bundesrepublik-von-amerikanischen-IT- Riesen-4 881 155.html [10] Weiß, E. M. (2023): Google ändert Nutzungsbedingungen: Alles darf für KI-Training genutzt werden. https: / / www.heise.de/ news/ Google-aendert-Nutzungsbedingungen-Alles-darf-fuer-KI-Training-genutzt-werden-9 207 556.html [11] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): Digitalstrategie 2022. https: / / bmdv.bund.de/ Shared Docs/ DE/ Anlage/ K/ presse/ 063-digitalstrategie.pdf? __ blob=publicationFile [12] Datenschutzkonferenz (2023): Kriterien für Souveräne Clouds. https: / / datenschutzkonferenz-online.de/ media/ weitere_dokumente/ 2023-05-11_DSK-Positionspapier_ Kritierien-Souv-Clouds.pdf [13] Mittelstand-Digital Zentrum WertNetzWerke (2024). https: / / www.mittelstand-digital-wertnetzwerke.de Eingangsabbildung: © iStock.com / Blue Planet Studio Anzeige Welche Möglichkeiten haben Start-ups und KMUs, mit den gegebenen Mitteln und Fähigkeiten ihre Zielmärkte so zu analysieren, dass sich adäquate Entscheidungen treffen lassen? Welche Quellen und Strategien eignen sich für eine sachgemäße Marktrecherche und welche Entscheidungsmethoden sollten zum Einsatz kommen? Einer der häufigsten Gründe, warum Start-ups, Solo-Entrepreneure und Innovationsprojekte von KMUs scheitern, ist der, dass sie ihre Märkte falsch einschätzen. In diesem Buch erfahren Sie, welche Methoden und Prozesse geeignet sind, um ein Scheitern zu vermeiden. Dabei wird die Marktrecherche eng an die Entwicklung des Geschäftsmodells gekoppelt und es werden konkret umsetzbare Handlungsempfehlungen gegeben, welche die besonderen Herausforderungen innerhalb der frühen Gründungsphase und im Innovationsprozess berücksichtigen. Sebastian Pioch Von der Marktrecherche zum innovativen Geschäftsmodell Erfolgskonzepte für Start-ups und KMUs 1. Auflage 2024, 191 Seiten, €[D] 29,90 ISBN 978-3-381-11081-0 eISBN 978-3-381-11082-7 Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spra cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kultur wissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0008 Chancen für KI-Start-ups in der Projektwirtschaft Benötigen wir einen Booster für Start-ups im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI)? Christian Bernert Für eilige Leser | Nutzen und Bedeutung einer Start-up-Förderung für die KI-Anwendung in der Projektwirtschaft. Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren die globale Wirtschaft und insbesondere die Start-up-Welt revolutioniert. KI-Technologien bieten nicht nur innovative Lösungen für komplexe Probleme, sondern eröffnen auch neue Geschäftsmöglichkeiten und Märkte. Für Start-ups ist dies eine beispiellose Chance zur Differenzierung vom Wettbewerb und zur Erschließung neuer Wertschöpfungsketten durch den Einsatz von KI. Ein Blick auf das Silicon Valley, das weltweit als Mekka der Technologie- und Start-up-Szene gilt, zeigt, wie KI-Start-ups durch ein Ökosystem aus Kapital, Talenten und Innovationskultur gefördert werden. Die Region ist bekannt für ihre Pionierarbeit in der Technologiebranche. Sie hat zahlreiche erfolgreiche KI-Unternehmen hervorgebracht, die von einer einzigartigen Kombination aus Risikokapital, Expertise und unterstützender Infrastruktur profitieren. Im Vergleich dazu steht Deutschland vor der Herausforderung, ein ähnlich dynamisches und unterstützendes Umfeld für KI-Start-ups zu schaffen, denn unser Land verfügt über eine starke technologische und wirtschaftliche Basis. Ziel dieses Artikels ist es, zu untersuchen, wie Deutschland seine Start-up-Landschaft umgestalten und KI-Unternehmen ähnlich effektiv unterstützen kann wie das Silicon Valley. Durch die Analyse der Erfolgsfaktoren des Silicon Valley und der aktuellen Situation in Deutschland werden Wege aufgezeigt, wie die Unterstützung deutscher KI-Start-ups ähnlich erfolgreich werden kann. Schlagwörter | Start-up, Silicon-Valley, Risikokapital, KI-Förderung, Inkubator-Programme, KI-Netzwerke, KI-Labor, KI- Lernwerkstatt Silicon Valley als Vorbild Silicon Valley hat sich seit den 1950er Jahren als globales Zentrum für Hightech-Industrie und Softwareentwicklung etabliert und gilt als Synonym für technologische Innovation und Unternehmertum. Ursprünglich geprägt durch führende Universitäten wie Stanford und die Nähe großer Technologieunternehmen, wurde das Tal schnell zum Hotspot talentierter Ingenieure und visionärer Unternehmer. Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg des Silicon Valley ist der Kapitalzugang. Risikokapitalgeber und Angel-Investoren, die nicht nur Kapital, sondern auch wertvolle Beratung und Netzwerke zur Verfügung stellen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung innovativer Start-ups. Diese reichhaltige Finanzierungslandschaft ermöglicht den Start-ups ein schnelles Wachstum und die Umsetzung ihrer innovativen Ideen. Ein weiterer Faktor ist der Talentpool. Die vielfältigen Möglichkeiten, finanzielle Anreize und die Kultur der Zusammenarbeit im Silicon Valley ziehen hochqualifizierte Fachkräfte Wissen | Benötigen wir einen Booster für Start-ups im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI)? 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0008 aus der ganzen Welt an. Diese Konzentration von Talenten schafft ein Umfeld, in dem Wissen und Ideen frei fließen. Das wiederum fördert Innovationen. Die Innovationskultur im Silicon Valley ist einzigartig und von einer Mentalität geprägt, die darauf abzielt, sich selbst zu übertreffen. Eine Mentalität des "Scheiterns als Lernprozess" und eine Offenheit für neue Ideen prägen diese Kultur. Diese Kultur ermutigt Unternehmer, Risiken einzugehen und kreative Lösungen zu entwickeln. Dies führt zu bahnbrechenden technologischen Fortschritten. Einige der erfolgreichsten Start-ups im Bereich der künstlichen Intelligenz haben ihre Wurzeln im Silicon Valley. Beispiele für Start-ups, die in diesem einzigartigen Umfeld gedeihen, sind Unternehmen wie OpenAI, bekannt für bahnbrechende Entwicklungen in der KI-Forschung, oder Waymo, führend in der Technologie für autonome Fahrzeuge. Diese Unternehmen profitieren nicht nur von der finanziellen Unterstützung, sondern auch von der Atmosphäre der Zusammenarbeit und der Förderung von Innovationen, die das Silicon Valley zu bieten hat. Das Silicon Valley dient daher als leuchtendes Beispiel dafür, wie ein unterstützendes Ökosystem dazu beitragen kann, dass Start-ups auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz zum Erfolg geführt werden können. Das Silicon Valley bietet wertvolle Einblicke und Inspiration für andere Regionen, die ähnliche Erfolge in diesem Bereich erzielen wollen. Status quo der Gründungsförderung in Deutschland In Deutschland, einem Land, das für seine technologische Stärke und Innovationskraft bekannt ist, hat die Förderung von KI-Start-ups in der Projektwirtschaft gerade erst begonnen. KI-Start-ups stehen vor besonderen Herausforderungen und Chancen, trotz einer starken industriellen Basis und einer fortschrittlichen und breiten Forschungslandschaft. Eine Kombination aus staatlichen Initiativen, privaten Investitionen und akademischen Partnerschaften prägt die aktuelle Förderlandschaft für KI-Start-ups in Deutschland. Staatliche Programme wie der "Innovationswettbewerb KI" und die "Strategie Künstliche Intelligenz" der Bundesregierung haben die Förderung der Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien zum Ziel. Allerdings ist der Zugang zu Risikokapital im Vergleich zum Silicon Valley nach wie vor begrenzt. Dies erschwert das Wachstum und die Skalierung von KI-Start-ups. Die Umsetzung von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte ist eine der größten Herausforderungen für deutsche KI-Startups. Die Forschung in Deutschland ist exzellent. Es fehlt jedoch häufig an der notwendigen Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, um diese Innovationen kommerziell zu verwerten. Zudem ist die Bereitschaft, in risikoreiche, innovative Projekte zu investieren, geringer ausgeprägt als in den USA. Gleichzeitig bietet Deutschland einzigartige Chancen für KI-Start-ups. Dies gilt insbesondere für Branchen wie die Automobilindustrie, den Maschinenbau und die Gesundheitswirtschaft. In diesen Branchen gibt es eine große Menge an Daten und Anwendungsfällen für KI-Lösungen. Darüber hinaus fördert die starke industrielle Basis des Landes die Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups, was zu innovativen Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz führen kann. Verglichen mit dem Silicon Valley, wo es eine ausgeprägte Venture Capital- und Innovationskultur gibt, fehlt in Deutschland eine ähnlich dynamische und risikobereite Start-up-Kultur. Dies spiegelt sich in einer geringeren Anzahl von Startups im Bereich der KI und einer langsameren Wachstumsrate wider. Zur Entfaltung des vollen Potenzials von KI in der Projektwirtschaft bedarf es in Deutschland einer stärkeren Vernetzung von Forschung, Wirtschaft und Kapitalgebern sowie einer Kultur der Förderung und Wertschätzung von Innovation und unternehmerischem Risiko in der Gesellschaft. Eckpunkte für die Förderung von KI-Start-ups Um KI-Start-ups in der Projektwirtschaft zu unterstützen, müssen verschiedene Schlüsselelemente zusammenwirken, die für den Erfolg in diesem dynamischen und anspruchsvollen Feld entscheidend sind. Netzwerke und Mentoring: Starke Netzwerke aufzubauen, ist für KI-Start-ups unerlässlich. Diese Netzwerke bieten nicht nur Zugang zu potenziellen Kunden und Partnern. Sie ermöglichen auch den Zugang zu wertvollem Wissen und Erfahrungen. Das Mentoring, das von erfahrenen Unternehmern und Fachleuten angeboten wird, kann den jungen Unternehmen dabei helfen, häufige Fallstricke zu vermeiden und ihre Geschäftsstrategien zu verfeinern. In Ländern wie den USA und Israel unterstützen zahlreiche Accelerator- und Inkubator-Programme Start-ups durch intensives Coaching und Vernetzung mit Branchenexperten. Dies führt zu einer höheren Erfolgsquote. Investitionen und Finanzierung: Entscheidend für die Entwicklung und Skalierung von KI-Start-ups ist die Verfügbarkeit von Kapital. In Regionen wie dem Silicon Valley ermöglicht der große Pool an Risikokapitalgebern und Angel-Investoren Start-ups eine schnelle Umsetzung ihrer innovativen Ideen. In Deutschland sind ähnliche Strukturen im Aufbau. Allerdings ist die Risikobereitschaft der Investoren oft geringer. Die Schaffung attraktiverer Rahmenbedingungen für KI-Start-ups könnte eine wesentliche Stärkung dieses Sektors sein. Forschung und Entwicklung fördern: Für die Entwicklung fortschrittlicher KI-Technologien ist eine enge Verzahnung von akademischer Forschung und Start-up-Welt unerlässlich. Deutschland verfügt bereits über eine exzellente Forschungslandschaft, es fehlen jedoch häufig Mechanismen zur Umsetzung von Forschungsergebnissen in kommerzielle Anwendungen. Förderprogramme, die eine engere Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft unterstützen, könnten dazu beitragen, diesen Transfer zu beschleunigen. Erfolgreiche Fördermodelle aus anderen Ländern: Ein Blick auf Beispiele aus dem Ausland kann hier wertvolle Erkenntnisse liefern. In Israel, das oft als "Start-up-Nation" bezeichnet wird, hat eine enge Zusammenarbeit zwischen der Regierung, dem Militär und der Privatwirtschaft ein fruchtbares Umfeld für Start-ups im Bereich KI geschaffen. Singapur wiederum hat eine führende Rolle bei der Entwicklung der KI übernommen, dank staatlicher Initiativen und Investitionen in Bildung und Forschung. Diese Modelle zeigen, dass eine Kombination aus staatlicher Unterstützung, privaten Investitionen und einer starken Bildungs- und Forschungsinfrastruktur von entscheidender Bedeutung für den Erfolg von Start-ups im Be- Wissen | Benötigen wir einen Booster für Start-ups im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI)? 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0008 reich der künstlichen Intelligenz ist. Wie das Kieler Institut für Wirtschaft bereits 2021 schrieb, hat China in seinem 14. Fünfjahresplan angekündigt, die Grundlagenforschung zu stärken und verstärkt grundlegende Innovationen zu in den Schlüssel- und Kerntechnologien, unter anderem auch der künstlichen Intelligenz zu tätigen. Insgesamt wird deutlich, dass die Unterstützung von KI- Start-ups in der Projektwirtschaft ein vielschichtiges Unterfangen ist. Es erfordert eine Kombination aus Netzwerken, Finanzierung, Forschungsförderung und erfolgreichen internationalen Modellen. Durch die Integration dieser Elemente ist Deutschland in der Lage, ein Ökosystem zu schaffen, das KI-Start-ups effektiv unterstützt und fördert. Fallstudien: Deutscher KI-Start-ups Deutschland hat in den letzten Jahren einige beeindruckende KI-Start-ups hervorgebracht, die ansatzweise von den in diesem Artikel diskutierten Unterstützungsmethoden profitiert haben. Diese Fallstudien zeigen, wie verschiedene Elemente wie Netzwerke, Investitionen und Forschungskooperationen zum Erfolg beitragen. DeepL: Eines der bekanntesten Beispiele ist DeepL, ein Unternehmen, das sich auf maschinelle Übersetzung spezialisiert hat. Ursprünglich als Teil von Linguee gegründet, hat sich DeepL dank seiner fortschrittlichen KI-Algorithmen schnell einen Namen gemacht. Die Übersetzungen von DeepL werden oft als genauer und natürlicher als die der Konkurrenz angesehen. Dieser Erfolg ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass DeepL über ein starkes Netzwerk verfügt und von erfahrenen Unternehmern und Technologieexperten beraten und unterstützt wird. Durch die enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen konnte DeepL auf dem neuesten Stand der KI-Forschung bleiben und innovative Lösungen entwickeln. Ada Health: Ein weiteres herausragendes Beispiel ist Ada Health, ein Berliner Startup, das eine KI-basierte Gesundheits- App entwickelt hat. Die App ermöglicht es Nutzern, Symptome einzugeben und erhält daraufhin eine Einschätzung möglicher Gesundheitsprobleme. Ada Health profitierte von einer Kombination aus privaten Investitionen und staatlicher Förderung. Die App wurde in Zusammenarbeit mit medizinischen Experten entwickelt. Dabei wurden strenge Datenschutzrichtlinien eingehalten. Ada Health zeigt, wie KI-Start-ups innovative Gesundheitslösungen schaffen können, die auch die Rahmenbedingungen der DSGVO konsequent einhalten. Dabei wird die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gefördert. Celonis: Ein weiteres beeindruckendes Beispiel ist Celonis, ein Münchner Startup, das sich auf Process Mining spezialisiert hat. Celonis nutzt KI, um Geschäftsprozesse zu analysieren und zu optimieren. Profitieren konnte das Unternehmen dabei von einem starken Netzwerk in der deutschen Industrielandschaft, wodurch ein schnelles Wachstum möglich wurde. Celonis hat seine Technologie weiterentwickelt und ist durch Investitionen von Risikokapitalgebern und die enge Zusammenarbeit mit Großunternehmen zum Weltmarktführer in seinem Bereich geworden. Artisense: Artisense, ein Start-up-Unternehmen im Bereich der Technologie für autonome Fahrzeuge, ist ein weiteres Beispiel für den Erfolg deutscher Start-ups im Bereich KI. Das Unternehmen arbeitet bei der Entwicklung seiner KI-basierten Lösungen für autonomes Fahren eng mit Automobilherstellern zusammen und profitiert von der starken Automobilindustrie in Deutschland. Durch diese Zusammenarbeit konnte Artisense nicht nur seine Technologie verbessern, sondern auch wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse der Industrie gewinnen. Diese Fallstudien zeigen, wie verschiedene Faktoren zum Erfolg von Start-ups im Bereich der künstlichen Intelligenz in Deutschland beitragen. DeepL und Ada Health illustrieren die Bedeutung von Netzwerken und Forschungskooperationen, während Celonis und Artisense zeigen, wie wichtig Investitionen und die Zusammenarbeit mit etablierten Industrien sind. Jedes dieser Unternehmen hat von einem spezifischen Aspekt des deutschen Gründerökosystems profitiert, sei es durch staatliche Förderung, private Investitionen oder die starke industrielle Basis des Landes. Insgesamt veranschaulichen diese Fallstudien das Potenzial der KI-Technologie in Deutschland und wie die im Artikel diskutierten Methoden zum Erfolg von Startups beitragen können. Sie zeigen, dass ein vielschichtiges Unterstützungssystem aus Netzwerken, Finanzierung und Forschungsförderung entscheidend für die Entwicklung erfolgreicher KI-Startups ist. Konkrete Schritte zur Verbesserung Um die Unterstützung von KI-Start-ups in Deutschland zu verbessern, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Diese betreffen sowohl die politischen Rahmenbedingungen als auch die Infrastruktur für Innovationen und Kooperationen. Politische Rahmenbedingungen: Die Schaffung eines förderlichen politischen Umfelds ist von zentraler Bedeutung für das Wachstum von Start-ups im Bereich KI. Dies umfasst die Anpassung von Gesetzen und Vorschriften zur Erleichterung von Innovationen bei gleichzeitiger Gewährleistung ethischer Standards und Sicherheitsstandards. Eine wichtige Maßnahme wäre die Vereinfachung der Verfahren für die Gründung und Finanzierung von Start-ups zur Erleichterung des Zugangs zu Kapital. Darüber hinaus könnten steuerliche Anreize für Investitionen in KI-Startups geschaffen und die Forschung in diesem Bereich gefördert werden. Ziel der Politik sollte auch die Unterstützung des digitalen Wandels in allen Bereichen der Wirtschaft und der Ausbau der digitalen Infrastruktur sein. Innovationszentren und Inkubatoren ausbauen: Innovationszentren und Gründerzentren (Inkubatoren) spielen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Start-ups. Sie bieten nicht nur Räumlichkeiten und Ressourcen. Sie ermöglichen auch den Zugang zu Mentoring, Netzwerken und Kapital. Insbesondere in den KI-Hotspots könnten in Deutschland mehr solcher Zentren entstehen. Sie sollten eng mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. So wird der Technologietransfer erleichtert und die Start-ups erhalten Zugang zu den neuesten Forschungsergebnissen. Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern: Entscheidend für die Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien ist die Zusammenarbeit zwischen akademischen Einrichtungen und der Industrie. Der Staat könnte Programme initiieren, die solche Partnerschaften fördern und finanziell unterstützen. Ziel wäre die Erleichterung des Austauschs von Wissen und Ressourcen zwischen Wissen | Benötigen wir einen Booster für Start-ups im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI)? 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0008 Hochschulen und Unternehmen sowie die Beschleunigung der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen. Innovationsförderung mit KI-Lernwerkstätten und Testlabore: KI-Lernwerkstätten und Testlabore dienen als Brutkästen für neue Ideen und Technologien. Sie ermöglichen es Forschern und Entwicklern, innovative Ansätze in der KI zu erforschen. Diese Einrichtungen fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen, was für die Entwicklung von KI-Anwendungen in spezialisierten Bereichen unerlässlich ist. KI-Lernwerkstätten bieten die notwendige Infrastruktur, um Prototypen unter realen Bedingungen zu testen, was für die Entwicklung praxisnaher KI-Lösungen entscheidend ist. Zur Qualitätssicherung können Algorithmen und Modelle rigoros getestet werden, um ihre Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Fairness sicherzustellen. Skill-Entwicklung: Sie bieten Schulungen und Workshops an, um Fachkräfte in den neuesten KI-Technologien und -Methoden auszubilden, was für die Förderung von Startups im KI- Bereich von Bedeutung ist. Venture Capital und Rolle der KfW: Im Jahr 2018 haben US-amerikanische Unternehmen über 2.700 transnationale Patente [1] zu Künstlicher Intelligenz angemeldet. Für China beläuft sich dieser Wert, gemäß Fokus Volkswirtschaft, auf knapp 1.550 Patente. Im Vergleich dazu meldeten deutsche Unternehmen lediglich gut 400 transnationale Patente zu Künstlicher Intelligenz an [2]. Die wichtigsten Gameplayer auf dem deutschen Risikokapitalmarkt sind der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) als Stimme und das Gesicht der Beteiligungsbranche in Deutschland und das Deutsche Börse Venture Network (DBVN). Das 2015 gegründet DBVN gilt mittlerweile als das größte Netzwerk für Wachstumsfinanzierung und „Capital Market Readiness“ in Europa. Der Fokus liegt neben einem effizienten Kapitalzugang auf einem umfangreichen Netzwerk- und Trainingsangebot. Aus dem 200+ Wachstumsunternehmen und 450+ Investoren umfassenden Netzwerk sind bereits 13 Börsengänge und zahlreiche Trade Sales hervorgegangen. Nicht schwer zu erraten, dass für Start-ups derartige Kapitaleinstiegsszenarien eher Ausnahmen darstellen. Förderung von Hochschulen: Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung: Bis zu 133 Mio. EUR plant der Bund [3]. Ankerkunde „Staat“: Als größter Beschaffer von IT-Produkten (Software, Dienstleistungen, Hardware) wäre die intensive Förderung von KI-Startups durch den Staat mehr als angebracht. Wie Zeit Online am 30. Dezember 2023 berichtet, befürchtet Kartellamtschef Mundt, dass Google, Amazon oder Microsoft durch künstliche Intelligenz ihre Marktmacht weiter ausbauen. Gefährlich seien vor allem datengetriebene Netzwerke. Durch die Umsetzung dieser und weiterer Maßnahmen kann Deutschland ein Umfeld schaffen, das KI-Start-ups effektiv unterstützt und damit die Grundlage für eine erfolgreiche und innovative KI-Zukunft legt. Fazit und Ausblick Sowohl Herausforderungen als auch Chancen ergeben sich aus der Analyse der KI-Start-up-Landschaft in Deutschland im Vergleich zum Silicon Valley. Während sich das Silicon Valley durch den Zugang zu Kapital, einen großen Pool an Talenten und eine ausgeprägte Innovationskultur auszeichnet, steht Deutschland vor der Aufgabe, ähnliche Bedingungen zu schaffen. Schlüsselelemente wie die Bildung von Netzwerken, Mentoring, Investitionen und die Förderung von Forschung und Entwicklung sind von entscheidender Bedeutung für den Erfolg von KI-Start-ups. Die Fallstudien deutscher KI-Startups wie DeepL, Ada Health, Celonis und Artisense zeigen, dass trotz bestehender Herausforderungen signifikante Fortschritte erzielt wurden. Diese Erfolgsgeschichten sind ein gutes Beispiel dafür, dass Deutschland das Potenzial hat, ein florierendes Ökosystem für KI-Start-ups zu entwickeln. Für die Zukunft ist es entscheidend, dass Deutschland seine Stärken nutzt, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft intensiviert und ein innovations- und unternehmerfreundliches Umfeld schafft. Nur so kann Deutschland auf der globalen Bühne der KI erfolgreich sein. Zusätzliche Hinweise Studien McKinsey & Company, „The State of AI in 2020“ Die Akzeptanz hat sich seit 2017 mehr als verdoppelt, obwohl der Anteil der Unternehmen, die KI einsetzen, in den letzten Jahren zwischen 50 und 60 Prozent stagnierte. Eine Reihe von Unternehmen, die den größten finanziellen Nutzen aus KI ziehen, haben weiterhin einen Vorsprung vor der Konkurrenz. manager magazin 12 / 2023 Die neuen Rockstars unter den Gründern Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Klimawandel- - überall hofft man auf Lösungen aus den Laboren. Sechs Gründerteams wie KI-Koryphäen Feiyu Xu und Hans Uszkureit erzählen, was sie treibt. MIT Technology Review 10 / 2023 Bösartige Superintelligenz und Verschmelzung mit Maschinen: Einblicke in die Gedanken des Chefwissenschaftlers im exklusiven Gespräch über seine Ängste vor der Zukunft der KI und warum sie ihn dazu gebracht haben, den Schwerpunkt seines Lebenswerks zu ändern. WirtschaftsWoche 08 / 2023 „KI, die mehr versteht“ Daumen hoch? Hier pitchen Start-ups ihre Geschäftsideen- - und unser Experte verrät, ob er investieren würde. Diesmal: Semantha. Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI 09 / 2022 Studie zum Förderfeld „Digitalisierung und Innovation“ im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Bertelsmann Stiftung 2020 REINHARD MOHN PREIS 2020 Innovationskraft stärken. Potenziale erschließen. Bitkom 2013 Positionspapier 9 Vorschläge für eine wirksame Startup-Politik Endnoten: [1] Transnationale Patentanmeldungen sind Anmeldungen in Patentfamilien mit mindestens einer Anmeldung bei der World Intellectual Property Organization (WIPO) über das PCT-Verfahren oder einer Anmeldung am Europäischen Patentamt. Vgl. Neuhäusler, P. und O. Rothengatter (2020): Patent Applications- - Structures, Trends and Re- Wissen | Benötigen wir einen Booster für Start-ups im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI)? cent Developments 2019, Studien zum deutschen Innovationssystem 4-2020. [2] Vgl. Schmoch, U. et al. (2021): Identifizierung und Bewertung von Zukunftstechnologien für Deutschland. Endbericht für die KfW, Fraunhofer ISI, Dezember 2020, im Erscheinen. [3] Siehe https: / / www.gwkbonn.de/ fileadmin/ Redaktion/ Dokumente/ Papers/ BLV_KI_in_der_Hochschulbildung. pdf, letzter Abruf: 02. 01. 2024. Eingangsabbildung: © iStock.com / Nuthawut Somsuk Christian Bernert Christian Bernert ist Direktor der Lean Program Management Academy und mit über 40-jähriger Berufserfahrung Prinzipal in den Bereichen Lean Management und Project Management. Aktuell erweitert er die Bausteine um das ESG-SDG Assessment, um vor allem KMUs den Einstieg in eine nachhaltige Unternehmensführung zu erleichtern. Zudem ist er gefragter Experte bei Konsultationen im BMWI zum Thema nachhaltige Beschaffung mit dem Schwerpunkt Digitale Souveränität. E-Mail: c.bernert@lpm.academy Internet: www.lpm.academy https: / / orchid.org / 0000-0002-5869 - 5146 Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, grundlegend verändert. Auch im Bereich des Projektmanagements hat KI das Potenzial, grundlegende Änderungen herbeizuführen - eine Entwicklung, die in diesem Buch eingehend untersucht und bewertet wird. Es konzentriert sich auf zentrale Aspekte rund um die KI, die sich in vier Abschnittsüberschriften widerspiegeln: Problemstellungen und Chancen, Methodenunterstützung, Herausforderungen im Projektmanagement sowie Unterstützung von Projektfunktionen. Dieser Band ist damit nicht nur ein Leitfaden für KI im Projektmanagement, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion über die sich verändernde Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Die Herausgeber und Autor: innen bieten wertvolle Einblicke und Anregungen, die Chancen von KI zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen zu meistern, die diese neue Ära mit sich bringt. Christian Bernert, Steffen Scheurer, Harald Wehnes (Hrsg.) KI in der Projektwirtschaft Was verändert sich durch KI im Projektmanagement? Projektmanagement neu denken 1. Auflage 2024, 349 Seiten €[D] 49,90 ISBN 978-3-381-11131-2 eISBN 978-3-381-11132-9 Buchtipp Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spra cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kultur wissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Anzeige 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses von Projekten: Spezifische Tools, Anwendungsszenarien und Barrieren Vincent Lächelt, Jose Arroyo Portillo, Timo Braun Für eilige Leser | Projekte sind per se risikobehaftet und diese Risiken begleiten mitunter den gesamten Projektverlauf, wobei im Laufe des Projekts auch neue Risiken hinzukommen oder bisherige Risiken wegfallen können. Risiken können den Verlauf maßgeblich beeinflussen, deshalb müssen sie fortlaufend identifiziert, analysiert, bewertet und aus den Ergebnissen Handlungsoptionen abgeleitet werden. Dieser etablierte und von klassischer PM-Software unterstütze Prozess kann durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) qualitativ angereichert werden. Im Mittelpunkt des Beitrags steht daher der Abgleich von typischen Prozessschritten im Risikomanagement und der Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Werkzeuge je Prozessschritt. Dabei werden pro Schritt spezifische KI-Tools und deren Anwendungspotenzial erörtert. Damit soll aufgezeigt werden, welche Potenziale und auch Herausforderungen im Risikomanagementprozess unter Einsatz von KI existieren, und wie KI ProjektmanagerInnen in den einzelnen Schritten unterstützen kann. Hierdurch ist einerseits mit Effizienzgewinnen zu rechnen, andererseits aber auch mit einer höheren Präzision und Qualität von Risikoanalysen. Schlagwörter | Künstliche Intelligenz (KI), Risikomanagement, Tools, Barrieren 1 Einleitung Projekte sind per se risikobehaftet und diese Risiken begleiten mitunter den gesamten Projektverlauf, wobei im Laufe des Projekts auch neue Risiken hinzukommen oder bisherige Risiken wegfallen können. Die erfolgreiche Planung und Umsetzung von Projekten sind somit abhängig von einer Verkettung positiv verlaufender Aktivitäten [1]. Da dies im realen Projektgeschehen eine utopische Annahme ist, ergeben sich vielfältige Konsequenzen aus den Risikofällen, wie beispielsweise Termin- und Kostenüberschreitungen oder Qualitätsanpassungen und viele weitere. In manchen Fällen kann der Eintritt von Risiken den Abbruch bzw. das Scheitern von Projekten zur Folge haben. Resultierend aus dieser Situation müssen sich Praktiker der Problematik stellen. Risiken müssen im Kontext kurzer Zeitabschnitte identifiziert, analysiert, bewertet und aus den Ergebnissen Handlungsoptionen abgeleitet werden. Um mit den auftretenden Risiken in Projekten adäquat umgehen zu können, ist ein systematisches Risikomanagement-Konzept notwendig. In der ISO-Norm 31 000: 2018, ist die Rede davon, dass Risikomanagement einen „Wertbeitrag für die Organisation schafft und diesen Beitrag schützt“. Dennoch wird das Risikomanagement in Projekten häufig vernachlässigt bzw. als Aufgabe verstanden, die nur zur Erfüllung organisatorischer oder rechtlicher Vorgaben durchgeführt wird [2]. Die Digitale Transformation führt zu tiefgreifenden Veränderungen auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene- - selbstverständlich die Projektarbeit miteingeschlossen [3]. In jüngster Vergangenheit hat die Entwicklung von KI, die eng mit der Digitalisierung verwoben ist, einen Diskurs darüber eröffnet, dass verschiedene Bereiche des Lebens ganz neu durchdacht und die Mensch-Maschine-Interaktion in ein neues Verhältnis gebracht werden müssen. Das wohl bekannteste Beispiel für ein KI-Werkzeug ist ChatGPT, das in den letz- Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 ten Monaten besonders viel Aufmerksamkeit erfahren und die Tür geöffnet hat für eine große Bandbreite weiterer Tools, teilweise auf der Basis von ChatGPT, teilweise aber auch unabhängig davon. Mit Blick auf das Risikomanagement in Projekten ergeben sich eine Reihe an Ansatzpunkten, bei denen KI-Tools über den gesamten Risikomanagementprozess zur Steigerung von Effizienz und Effektivität beitragen können. Zunächst sollten KI, Maschinelles Lernen (Machine Learning / ML) und Tiefes Lernen (Deep Learning / DL) und deren Beziehung eingeordnet und die Begriffe geklärt werden. Abbildung 1 ist eine erste Darstellung der Einordnung der Begriffe, die im weiteren Verlauf genauer beschrieben sind. [4] Generell soll KI menschliches Verhalten und menschliche Intelligenz verarbeitet durch Maschinen oder Systeme reproduzieren. Das Maschinelle Lernen (ML) sind Methoden (Algorithmen) die aus Daten oder Erfahrungen lernen und die analytische Modellbildung automatisiert. In diesem Bereich gibt es verschiedene Arten von Algorithmen für maschinelles Lernen wie überwachtes, unbeaufsichtigtes, halbüberwachtes und verstärkendes Lernen. Außerdem kann das Deep Learning, das zu einer breiteren Familie von maschinellen Lernmethoden gehört, Daten in großem Umfang intelligent analysieren. Deep Learning DL steht auch für Lernmethoden aus Daten, bei denen die Berechnung durch mehrschichtige neuronale Netze und Verarbeitung erfolgt. Der Begriff „ Deep “ bezieht sich auf die mehreren Ebenen die Daten durchlaufen, um das Modell zu erstellen. [4] Im Folgenden werden zunächst die wesentlichen Schritte des Risikomanagementprozesses skizziert, innerhalb derer anschließend spezifische Anwendungsoptionen von KI-Tools vorgestellt werden. 2 Ansatzpunkte für KI im Risikomanagementprozess Die DIN-Norm 69 901-5: 2009-01 beschreibt das Risikomanagement in Projekten als „systematische Anwendung von Managementgrundsätzen, -verfahren und -praktiken zwecks Ermittlung des Kontextes sowie Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung / Bewältigung, Überwachung und Kommunikation von Risiken“. Daraus kann, wie in nachfolgender Darstellung aufgezeigt folgender Risikomanagement-Prozess abgeleitet werden: Die Risiko-Strategie und Risiko-Politik ist der Ausgangspunkt des Risikomanagements. Diese spiegeln einerseits die Risikopräferenzen wider und berücksichtigen andererseits die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen [5]. Darüber hinaus werden Ziele für das Risikomanagement und dessen Umfang hierbei festgelegt. Auch sollte in diesem Stadium übergeordnet eine organisationale Haltung zur Risikopräferenz entwickelt werden (risikoavers, risikoneutral, risikofreudig). Bis zu diesem Punkt erscheint der Faktor Mensch in seiner dispositiven Funktion als Entscheider unerlässlich-- eine KI kann in dieser Phase allenfalls Vorschläge unterbreiten. In der Fortführung und Umsetzung diese Weichenstellungen kann KI jedoch bereits eine größere Rolle spielen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Etablierung eines Frühwarnbzw. Frühaufklärungssystems oder bei der Erarbeitung von Maßnahmen zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Die Risiko-Identifikation soll zunächst alle relevanten Projektrisiken erfassen und dokumentieren. Dies kann auch verschiedene Weisen erfolgen, u. a. zählen zu den gängigen Methoden Kreativitätstechniken oder der Rückgriff auf Erfahrungen. Darüber hinaus können auch Expertenbefragungen oder -tagungen zur Identifikation genutzt werden. Da diese als Grundlage für die weiteren Aktivitäten im Risikomanagementprozess dient, ist dieser Schritt von besonderer Bedeutung. Um ein besseres Verständnis für die Risiken zu erlangen, ist an dieser Stelle eine Einordnung in Risikoarten empfehlenswert. Die hierfür lassen sich beispielsweise externe Risiken (wie gesetzliche Vorschriften, Naturgewalten), unternehmensspezifische Risiken (wie Organisation, Kommunikation), leistungswirtschaftliche Risiken (Produktion oder Forschung & Entwicklung) sowie finanzwirtschaftliche Risiken (wie Marktpreise, Liquidität) unterscheiden [6]. Eine Verwendung von KI-Tools in diesem Bereich erscheint insofern naheliegend, als dass bei der Risiko-Identifikation regelmäßig auf Erfahrungsdaten und -analogien zurückgegriffen wird. Abhängig vom Lernmodell der KI könnte dieser hier eine große Bedeutung zukommen. Im zweiten Schritt der Risiko-Analyse und -bewertung werden die identifizierten Risiken beurteilt. Hierfür werden üblicherweise verschiedene Faktoren zur Bewertung herangezogen. Zunächst fließen die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen bei Risikoeintritt mit ein. Darüber hinaus können weitere Parameter, wie der Eintrittszeitpunkt im Projektverlauf oder die Eintrittshäufigkeit herangezogen werden. Die Beurteilung kann sowohl qualitativ als auch quantitativ oder in einer Mischform erfolgen [6]. Ähnlich wie bereits im vorangegangenen Prozess kann KI auch hier potenziell einen Beitrag leisten, weil ein möglichst ganzheitliches Screening erfolgen soll-- die KI könnte ProjektmanagerInnen insofern dabei helfen, an möglichst alle Eventualitäten zu denken. Die anschließende Risiko-Steuerung teilt sich in zwei wesentliche Elemente, die Risikominderung sowie die Eventualfallplanung. In beiden Fällen werden Lösungen zum Umgang mit Risiken entwickelt. Die entwickelten Maßnahmen sind so zu konzipieren, dass sie einerseits dem Minimierungsgrundsatz entsprechen (Maßnahmenkosten kleiner als Risikokos- Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Künstlicher Intelligenz, Maschinellem und Tiefem Lernen [4] Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 ten) und andererseits keine neuen Risiken entstehen. Anhand des Minimierungsgrundsatzes lassen sich nach Bea et al. [5] vier Strategien voneinander abgrenzen: • Risikovermeidung: Die Risikovermeidungsstrategie schließt das Risiko aus. Diese Strategie ist nicht auf alle Risiken anwendbar und kann Opportunitätskosten zur Folge haben. • Risikoverminderung: Mit der Risikoverminderung oder -verringerung wird versucht entweder das potenzielle Schadensausmaß oder die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos zu senken. • Risikoüberwälzung: Das Risiko wird (meist vertraglich) an Dritte (Lieferanten, Versicherungen- …) übertragen. Der Preis für die Risikoübernahme hängt dabei von den Machtverhältnissen der Vertragsparteien sowie deren Verhandlungsgeschick ab. • (Rest-)Risikoübernahme: Die Risikoübernahme beschreibt die Akzeptanz der Risiken, die sich nach der Anwendung des Minimierungsgrundsatzes nicht (weiter) reduzieren lassen. Im Bereich der Risiko-Steuerung sind Spezialanwendungen denkbar, die von einer KI übernommen werden könnten, beispielsweise, um im Bereich der Risikoüberwälzung juristische Gegebenheiten überprüfen zu lassen. Der Kreislauf endet mit der Risikoüberwachung und -kommunikation. Dieser Schritt ist in zwei wesentliche Tätigkeitsfelder zu untergliedern. Einerseits die Beobachtung der Risiken selbst sowie Überwachung und Kontrolle der Maßnahmen und anderseits die Kommunikation von Risiken. Das Risikopotenzial kann sich über den Projektverlauf hinweg ändern und getroffene Maßnahmen müssen ggf. nachgebessert oder verändert werden, um weiterhin effektiv zur Risikobewältigung beizutragen. Gerade die Verfolgung des Verlaufs von Top-Risiken ist elementar. Die Risikokennzahlen aus der Risikobewertung sollten deshalb (mindestens) zu Berichtszeitpunkten neubzw. nachkalkuliert werden. Die Risikokommunikation als zweiten organisatorischen Aspekt der Risikoüberwachung ist Ausgangspunkt für den Informationsfluss rund um Risiken. Hierfür ist ein Kommunikationskonzept sowie Berichtswesen notwendig, um die wichtigen Informationen bezüglich der Risikosituation zu jedem Zeitpunkt sowohl barrierefrei als auch transparent an (die richtigen) Adressaten zu übermitteln. Auch in dieser Phase könnte der KI durchaus eine effizienzsteigernde Rolle zukommen, beispielsweise um fragmentierte Informationen zügig in Berichtsform aufzubereiten. [1, 5, 6] 3 Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Tools zu Risikomanagementprozessschritten Die Zahl der KI-Anwendungen steigt stetig und deren Halbwertszeit ist meist gering. Um dennoch einen Überblick über die aktuelle Situation zu erhalten, wurden die laut „Generative AI“ Top 200 KI-Tools analysiert. Nachfolgende Tabelle ordnet vorselektierte Werkzeuge einzelnen Prozessschritten des Risikomanagements zu und liefert damit eine erste Übersicht, welche KI-Werkzeuge in den einzelnen Prozessschritten angewendet werden können. Diese Zuordnung resultiert aus einem analytischen Prozess bei dem das in Themen des Projektmanagements informierte Co-Autorenteam die Beschreibung der KI-Tool Funktionen gesichtet und dann durch argumentative Rationalisierung in einen Zusammenhang zu den Risikomanagement-Phasen gesetzt hat. Im Unternehmenskontext und unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen und Beteiligter ist anzumerken, dass diese Einordnung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt- - zumal die Entwicklung neuer Tools sehr dynamisch erfolgt. Die Tabelle dient insofern als erste Einschätzung zur potenziellen Anwendbarkeit in einzelnen Phasen des Risikomanagements. Abhängig von Faktoren, wie der Unternehmensgröße, des Wachstums und aktuelle Effizienzparameter sowie der strategischen Ausrichtung ist diese Einordnung in den jeweiligen Kontext zu setzen. Dennoch ist festzuhalten, dass bereits eine Vielzahl an Werkzeuge existiert, der konkrete Anwendungsfall muss abschließend individuell geprüft werden. Abbildung 2: Risikomanagementprozess Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Schrittbezeichnung Tools Risiko-Strategie (Anzahl: 26) • AIFYN • Alan AI • Base64.ai Document AI • Bing • ChatGPT • Claude • Copilot • Coveo • CustomGPT • CustomGPT AI • Ellie.ai • Galileo AI • GetMagicalAI • Ghostwriter • HumanAI Tech • InvtAI • Ivy.ai • Leap • Log Analyzer Pro GPT • LongShotAI • Motion AI • Quickchat AI • Scribe • Supernormal • Vitra.ai • Whimsical Risiko-Identifikation (Anzahl: 35) • Afforai • AIFYN • Alan AI • Apex • AskYourPDF • Base64.ai Document AI • Bearly • Bing • ChatGPT • Claude • Copilot • Copysmith • Coveo • CustomGPT • Ellie.ai • Explainpaper • HumanAI Tech • InvtAI • Leap • Leexi • Log Analyzer Pro GPT • LongShotAI • Neuronsinc • Notion • PromptGenie • Quickchat AI • Sembly AI • Stelo AI • Sturdy • Supernormal • tl; dv • UncovAI • Wordtune • ZAIA-- Zendy AI Assistant 4 Potenziale und Herausforderungen unter Einsatz von KI im Risikomanagementprozess Im nachfolgenden Abschnitt werden die verschiedenen Potenziale in den Prozessschritten herausgearbeitet und anhand von persönlichen Einschätzungen ergänzt, beginnend mit der Risiko-Strategie als Ausgangspunkt des Risikomanagements. Im Wesentlichen kann durch die Gestaltung des gesamten Prozesses sowie durch schrittweise Dokumentation und Aufbau für die individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens bzw. Projekts durch KI-Modelle unterstützt werden. Die individuellen Prozessschritte können beispielsweise mit ‚Leap‘ KI-gestützter Workflows erstellen, um Aufgaben zu automatisieren. Leap greift dabei auf verschiedene Modelle wie LLMs oder Dall-E zurück, anhand von No-Code-Services Prozesse zu automatisieren. Der Zugang ist also nicht nur für Experten möglich, sondern kann Teams kollaborativ erstellt und verwaltet werden, um die damit eine Effizienzsteigerung zu erreichen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit bietet ‚Scribe‘. Die Anwendung erlaubt es Prozesse in Echtzeit in Schritt-für- Schritt-Anleitung zu überführen. Gerade dies erleichtert einerseits die Dokumentation und andererseits das Festhalten der Strategie sowie der dafür geltenden Rahmenbedingungen im Projekt respektive Unternehmen. Risiko-Identifikation Die wesentlichen Vorteile, die Vorwegnahme von Risiken, durch eine frühzeitige Identifikation kann Vorwarnungen für schnelles Eingreifen oder Notfallpläne liefern. Häufig wird Risikomanagement jedoch in Zeiten von Unsicherheit eingesetzt. Die auftretenden Kosten sind zwar beim Eintreten unvorhergesehener Ereignisse höher, dennoch sollte die Risiko- Identifikation kontinuierlich und systematisch durchgeführt werden [7]. ‚Large Language Models‘ können im Zusammenhang der Risikoidentifikation beispielsweise Texte und Informationen aufgreifen, diese verarbeiten (vervollständigen, zusammenfassen oder ähnliches) und basierend auf den Trainingsdaten sogar Fragen beantworten. Die KI-Anwendungen können somit bei der Risiko-Identifikation einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn auf historische Daten zurückgegriffen wird und aus diesen wiederum Unsicherheiten reduziert werden können. Spezielle Individualisierbare LLMs bieten das Potenzial die Risiko-Identifikation für den unternehmensspezifischen Kontext maßzuschneidern. Ein Beispiel dafür ist ‚CustomGPT’. Diese GPT-Anwendung indiziert Unternehmensdaten und liefert damit weitere Inputdaten zur Anreicherung der Risiko- Identifikation. Tabelle: Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Tools Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Risiko-Analyse Die Risiko-Analyse inklusive der Risikobewertung ist mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. KI-Anwendungen können spezifische Herausforderungen in diesem Kontext reduzieren und ermöglichen eine Zeitersparnis durch individualisierbare Algorithmen. Trainierte Deep Learning oder Machine Learning Algorithmen sind in der Lage Risiken anhand von historischen Daten und weiteren Inputdaten zu bewerten. ‚LogAnylzerGPT‘ kann beispielsweise Log-Dateien aus verschiedenen Systemen analysieren, um daraus ein besseres Verständnis für Endnutzer zu erzeugen und darüber hinaus auf Veränderungen, Trends und Anomalien hinweisen, die zukünftig zu Problemen führen könnten. Das größte Potenzial in der Risiko-Analyse liegt jedoch bei individualisierbaren Machine Learning oder Deep Learning Algorithmen, die auf konkrete Problemstellungen trainiert sind. Risiko-Steuerung Die Risiko-Steuerung befasst sich mit der Maßnahmenplanung sowie der Eventualfallplanung. ‚Large Language Models erlauben den Nutzern beispielsweise ein besseres Verständnis von schwerverständlichen Dokumenten und erlauben dadurch eine Zeitersparnis bei der konkreten Maßnahmenentwicklung für Risiken. Das Abwälzen von Risiken ist eine der Maßnahmen in der Risikosteuerung. Da dies häufig vertraglich geregelt wird, ist eine erste Rechtseinschätzung diesbezüglich ein großartiger Ausgangspunkt. ‚AILawyer‘ ermöglicht rechtliche Fragestellungen kostengünstig vorzubereiten, bevor kostspielige Rechtsdienstleistungen angefragt werden müssen. Darüber hinaus können Vertragsdokumente einer ersten Rechtsprüfung unterzogen werden. Ergänzend dazu profitieren Juristen / Rechtsabteilungen durch Automatisierung von Routinetätigkeiten in diesem Umfeld ebenfalls. Schrittbezeichnung Tools Risiko-Analyse (Anzahl: 14) • Anyword • Apex • Base64.ai • Bing • Claude • Copilot • Coveo • Document AI • InvtAI • Leap • Log Analyzer Pro GPT • Neuronsinc • Stelo AI • Sturdy Risiko-Steuerung (Anzahl: 7) • Claude • AskYourPDF • Explainpaper • Scribe • Copilot • Bing • AI Lawyer Risiko-Überwachung (Anzahl: 51) • Afforai • AIFYN • Alan AI • Apex • AskYourPDF • Bearly • beepbooply • Bing • Canva: AI Slide Creator • ChatGPT • Claude • Copilot • Copysmith • CustomGPT AI • DALL-E 2 • Decktopus AI • ElevenLabs • Explainpaper • GetMagicalAI • Ghostwriter • Grammarly • HumanAI Tech • IllumiDesk • JAMR.AI • Jurny.com • Leap • Leexi • Leonardo AI • Log Analyzer Pro GPT • LongShotAI • Minitlify • Neuronsinc • New Relic • NLPearl.ai • Otter.ai • PromptGenie • Propel • Quickchat AI • Scribe • Sembly AI • SidekickAI • SlidesAI.io • Stelo AI • Sturdy • Supernormal • Textcraft AI • tl; dv • UncovAI • Vitra.ai • Windsor • Wordtune Fortsetzung Tabelle: Zuordnung unterstützungsfähiger KI-Tools Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 Risiko-Überwachung Das größte Potenzial ergibt sich in der Risiko-Überwachung. Risiken und dazugehörige Informationen zu kommunizieren ist ein wesentlicher Bestandteil der Risiko-Überwachung. ‚Large Language Models‘ und ‚Difussion models‘, wie Dall- E bieten hier-für besonders viele Möglichkeiten für die Verarbeitung und Repräsentation von Daten in Bildern oder Grafiken. Diese wiederum eigenen sich, um adressatengerechte Berichte zu erstellen und zu verteilen. Darüber hinaus lassen sich wesentliche Prozessschritte und Inhalte schnell und einfach visualisieren und für die weitere Nutzung verarbeiten. ‚Sembly‘ automatisiert den Dokumentationsprozess von Meetings. Meetingaufzeichnungen können transkribiert werden und Meetingnotizen werden automatisch mitprotokolliert. Daraus resultiert eine Verbesserung auf verschiedenen Ebenen. Auf der Individualebene: Die Details von Besprechungen können festgehalten und bei Bedarf direkt übermittelt werden. Dies erleichtert die Kommunikation und weist auf resultierende Verpflichtungen/ Aufgaben hin. Auf Teamebene kann so langfristig die Besprechungshäufigkeit reduziert werden und wichtige Entscheidungen, Probleme, Aktionen und vieles mehr stehen allen Mitgliedern zur Verfügung. Auf Unternehmensebene kann eine Verbesserung Produktivität durch die Reduzierung von verschwendeter Besprechungszeiten erzielt werden. Insgesamt wird der adressatengerechte Informationsfluss verbessert. Die meisten der dargestellten Anwendungen basieren auf ‚Large Language Models‘. Aufgrund der hohen Anzahl ebendieser sollen noch die größten Barrieren für deren Einsatz aufgezeigt werden. Obwohl die Potenziale von ‚Large Language Models‘ enorm sind, gibt es für deren Anwendung einige Barrieren. Zu diesen zählen Hadi et al. [10] unter anderem: • Bias LLMs können Biases aufweisen. Dies ist auf die Daten zurückzuführen, die zum Training des Modells verwendet wurden. Wenn diese Daten bereits ‚befangen’ sind, führt dies häufig zu Verzerrung der Wahrnehmung oder Meinungsbildung. Dies wiederum kann ungenaue oder sogar diskriminierende Analysen oder Empfehlungen zur Folge haben. • Halluzination In bestimmten Fällen versuchen Modelle fehlende Wissens- oder Kontextlücken durch Annahmen zu füllen, die auf Mustern basieren, die während des Trainingsprozess erlernt wurden. Die Resultate sind falsch, fiktiv oder irreführend und werden als Halluzinationen des Modells definiert. Hannigan et al. [8] bezeichnen diese Ergebnisse als ‘Botshit’ mit dem menschlichen Gegenpart ‚Bullshit‘. • Schwierigkeiten in Bereichen der Rechtschreibung Bestimmte Modelle weisen Schwierigkeiten in der Bearbeitung von Aufgaben, wie beispielsweise die Rechtschreibprüfung auf. • Fehler in der Argumentation Aufgrund von Ambiguität in einer Eingabeaufforderung oder bei inhärenten Beschränkungen des Modells können Fehler bei logischen Schlussfolgerungen die Folge sein. [9]. • Fehlende Transparenz in der Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen LLMs weißen einen gigantischen Umfang an Parametern auf, die resultierende Komplexität und der Umfang dieser Modelle führt jedoch zu einer Herausforderung hinsichtlich der Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Aufgrund der stetig wachsenden Parameterzahl der Modelle wird auch deren Entscheidungsprozess stetig schwerer greifbar. Darüber hinaus erschwert der Mangel an Transparenz den Erkenntnisprozess, welche Eingabe zu welchem Ergebnis führt. Übliche Trainingsprozesse umfassen häufig Daten aus unterschiedlichen Quellen, die Muster und Korrelationen aufweisen und folglich zu Verzerrungen in der Interpretation und Assoziation des Modells führen. Die Konsequenz ist, dass eine präzise Erklärung der Einflussfaktoren für die Entscheidung nicht oder nur schwer möglich ist. • Irreführende oder böswillige Eingabeaufforderungen Personen könnte beispielsweise irreführende Eingabeaufforderungen einfügen, um damit Einschränkungen zu umgehen oder sogar den Output des Modells böswillig zu manipulieren. 5 Fazit Large Language Models bieten trotz vieler Einschränkungen Potenzial zur Unterstützung in verschiedenen Aufgabengebieten des Projektmanagements. Für das Risikomanagement konnten bereits erste Ansatzpunkte für den Einsatz von LLMs und anderen KI-Modellen aufgezeigt werden, dennoch bleibt offen, wie mit den Herausforderungen weiter umgegangen wird und es besteht systematisch ein Bedarf an Orientierung, beispielsweise in Form von KI-Piloten [11]. Erste Untersuchungen zur Verbesserung beispielsweise der Bias-Herausforderung existieren bereits, dennoch ist die tatsächliche Anwendung im Unternehmenskontext an vielen Stellen noch fragwürdig und wird sich im Laufe der nächsten Jahre verfestigen. Diese Momentaufnahme liefert nur einen geringen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten und hat sicherlich nur eine kurze Halbwertszeit, da die Entwicklungen im Kontext von KI-Modelle rasant fortschreiten. Gerade ethische Herausforderungen im Einsatz und Umgang mit KI wird weiterhin eine offene Baustelle bleiben. Zudem ist zukünftig zu untersuchen, welche spezifischen KI-Anwendungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) nutzbar sind und wie diese Lösungen sich kosteneffizient in Unternehmens- und Projektprozesse integrieren lassen. Dies erfordert nicht nur eine Sensibilisierung und Übersicht über das Angebot, sondern auch weitere Maßnahmen wie Schulungen für Anwender sowie Entwickler. Demgegenüber bestehen für große Unternehmen mit entsprechenden finanziellen Ressourcen ganz andere Möglichkeiten, indem eigene Lernmodelle aufgestellt werden, bei denen die KI beispielsweise auf umfassende Daten aus internen ERP- Systemen zugreifen kann. Dies bringt- - gerade in Deutschland- - jedoch schnell Folgeprobleme mit sich, insbesondere im Datenschutz bzw. in der betrieblichen Mitbestimmung. 1 Literatur [1] Jakoby, Walter (2015): Projektmanagement für Ingenieure. Ein praxisnahes Lehrbuch für den systematischen Projekterfolg. 3., aktualisierte u. erw. Aufl. 2015. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Wissen | Einsatz von KI entlang des Risikomanagement-Prozesses 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0009 [2] Willumsen, P./ Oehmen, J./ Stingl, V./ Geraldi, J. (2019): Value creation through project risk management. In: International Journal of Project Management 37 (5), S. 731-749. DOI: 10.1016 / j.ijproman.2019.01.007. [3] Braun, T./ Müller-Seitz, G. (2023): Digitale Transformation: Wandel durch Projekte. 1. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen. [4] Sarker, I. H. (2021): Machine Learning: Algorithms, Real- World Applications and Research Directions. In: SN computer science 2 (3), S. 160. DOI: 10.1007 / s42 979-021- 00 592-x. [5] Bea, F. X./ Scheurer, S./ Hesselmann, S. (2020): Projektmanagement. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. München: UVK Verlag (Betriebswirtschaftslehre, 2388). [6] Seidel, U. M. (2011): Kapitel 2: Grundlagen & Konzepte Grundlagen und Aufbau eines Risikomanagementsystems. In: Andreas Klein (Hg.): Risikomanagement und Risiko-Controlling. Moderne Instrumente, Grundlagen und Lösungen. 1. Auflage 2011. Freiburg: Haufe Lexware (Haufe Fachpraxis). [7] Niederman, F. (2021): Project management: openings for disruption from AI and advanced analytics. In: ITP 34 (6), S. 1570-1599. DOI: 10.1108 / ITP-09-2020-0639. [8] Hannigan, T./ Mccarthy, I./ Spicer, A. (2023): BEWARE OF BOTSHIT: HOW TO MANAGE THE EPISTEMIC RISKS OF GE- NERATIVE CHATBOTS. In: Business Horizons. [9] White, J./ Fu, Q./ Hays, S./ Sandborn, M./ Olea, C./ Gilbert, H./ Elnashar, A./ Spencer-Smith, J./ Schmidt, D. C. (2023). A Prompt Pattern Catalog to Enhance Prompt Engineering with ChatGPT (arXiv: 2302.11382). arXiv. https: / / doi. org / 10.48550 / arXiv.2302.11382 [10] Hadi, M. U./ Tashi, q. a./ Qureshi, R./ Shah, A./ Muneer, a./ Irfan, M./ Zafar, A./ Shaikh, M. B./ Akhtar, N./ Wu, J./ Mirjalili, S. (2023): A Survey on Large Language Models: Applications, Challenges, Limitations, and Practical Usage. DOI: 10.36227 / techrxiv.23 589 741.v1. [11] Lächelt, V./ Arroyo Portillo, J./ Braun, T. (2024): KI-Pilot zur Unterstützung von Entscheidungen in ambiguen Situationen in Projekten, in: Bernert, C./ Scheurer, S./ Wehnes, H. (Hrsg.): KI in der Projektwirtschaft. Tübingen: UVK Verlag, S. 169-178. Eingangsabbildung: © iStock.com / NicoElNino Autorenfotos: © Sascha Mannel Universität Kassel, Fachgebiet Projektmanagement in der Digitalen Transformation, Heinrich-Plett-Straße 40, D-34109 Kassel (Affiliation aller Autoren) Vincent Lächelt, M. Sc. Vincent Lächelt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen dabei im Risikomanagement und Controlling von Projekten, unter anderem zur Verbesserung der Akzeptanz sowie Wirtschaftlichkeit von Verkehrsinfrastrukturprojekten in Deutschland sowie zur Verbesserung der Lehre im Kontext der Digitalen Transformation. Neben der Forschung begleitet Vincent Lächelt das Thema Wissensvermittlung in verschiedenen Kontexten, wie Organisationen, Projekten und der Hochschulbildung. Jose Arroyo Portillo, M. Sc. Jose Arroyo Portillo ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel. Seine Forschungsexpertise liegt in der Nutzung fortschrittlicher Techniken des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, um die makroökonomischen Ergebnisse von Projekten in unserer Gesellschaft zu analysieren. Außerdem entwickelt er innovative Forschungsmethoden, um das Feld voranzubringen, und verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der es ihm ermöglicht, die zentrale Rolle von Projekten bei der Erreichung gesellschaftlicher Ziele zu verstehen. Univ.-Prof. Dr. Timo Braun Timo Braun ist Professor für Projektmanagement in der Digitalen Transformation an der Universität Kassel sowie geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeitswissenschaft und Prozessmanagement. Er ist Teil der internationalen Review Boards des International Journal of Project Management sowie des Project Management Journals und hat selbst auch mehrfach dort publiziert. Er ist Preisträger des Global Research Awards der IPMA (International Project Management Associations) im Zusammenhang mit seiner Habilitation sowie des Deutschen Studienpreises Projektmanagement für seine Dissertation. Timo Braun ist der GPM seit vielen Jahren verbunden über Forschungsprojekte, seine vorherige von der GPM mitfinanzierte Juniorprofessur an der FU Berlin, sowie sein Engagement in mehreren Gremien. Weitere Informationen: siehe http: / / timobraun.com 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0010 KI und Projektmanagement-Governance Michael Boxheimer Für eilige Leser | Künstliche Intelligenz (KI) bezieht sich auf die Entwicklung von Computeralgorithmen und -systemen, die in der Lage sind, menschenähnliche kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Lernen, Sprache, Entscheidungsfindung und Problemlösung zu imitieren. KI-Technologien wie Neuronale Netze, Deep Learning, Maschine Learning, Large Language Models sind verfügbar, werden weiterentwickelt und in Anwendungssystemen eingesetzt. Software wird für alle Unternehmensbereiche angeboten, der aktuelle Hype gibt hier weiteren Schwung für neue Systeme sowie für Investitionen in Ideen von Start-up Firmen. Für die Projektmanagement-Governance bieten KI basierte Systeme ebenfalls umfangreiche Nutzenpotentiale. Die Implementierung bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, die neue Kompetenzen erforderlich machen. Es empfiehlt sich daher nicht lange zu zögern und abzuwägen, sondern die Kompetenzen aufzubauen und Projekte durchzuführen. Schlagwörter | Neuronale Netze, Deep Learning, Machine Learning, Large Language Model, Projektmanagement- Governance Projektmanagement-Governance Bei der Governance für die Projektwelt handelt sich um den Teil der Corporate Governance, der sich auf Projekte, Programme und Portfolios (PP&P) bezieht. Sie beinhaltet unter anderem die Bereitstellung und wirksame Kommunikation strategischer Sichten, der Politik, der Richtlinien, der Führung, der Entscheidungen, der Überwachung und Steuerung der Leistungsfähigkeit sowie der Lenkung einer nachhaltigen Entwicklung der organisationalen Kompetenz für das Management von Projekten. Project Governance wird auch als die Aufsicht über Projekte, Programme und Portfolios verstanden. Mit diesen Ausführungen wird deutlich, dass Project Governance eine zentrale Aufgabe der übergeordneten Leitungsfunktionen ist. Das Topmanagement muss sich dieser Aufgabe annehmen und so die Voraussetzungen für ein leistungsfähiges Management von Projekten, Programmen und Portfolios schaffen Projektmanagement-Governance bezieht sich auf die Steuerung und Kontrolle von Projekten in einer Organisation. Ziel ist es sicherzustellen, dass sie effektiv und effizient durchgeführt werden. Dazu werden Regeln, Verantwortlichkeiten, Prozesse und Richtlinien festgelegt, die für die Planung, Durchführung und Überwachung von Projekten gelten. Die Projekte sollen die strategischen und operativen Ziele der Organisation unterstützen und gleichzeitig Risiken minimieren. Hier folgen einige wichtige Aspekte der Projektmanagement-Governance: • Rollen und Verantwortlichkeiten: In einer Projektmanagement-Governance-Struktur werden klare Rollen und Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten definiert. Dazu gehören Projektmanager, Projektteams, Auftraggeber, Lenkungsausschüsse und Stakeholder. • Richtlinien und Standards: Für die Organisation werden Richtlinien und Standards festgelegt, die die Methoden und Prozesse für das Projektmanagement beschreiben. Diese können sich auf die Auswahl von Projektmanagementmethoden, Dokumentationsanforderungen, Risikomanagementpraktiken und andere relevante Aspekte beziehen. • Entscheidungsgremien: Projektmanagement-Governance kann die Einrichtung von Entscheidungsgremien wie Lenkungsausschüssen oder Gremien für das Management der Projektportfolios beinhalten. Diese Gremien sind dafür verantwortlich, strategische Entscheidungen bezüglich der Projektauswahl und -priorisierung zu treffen. Wissen | KI und Projektmanagement-Governance 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0010 • Projektbewertung und -auswahl: Es werden Kriterien festgelegt, nach denen Projekte bewertet und ausgewählt werden. Dies kann auf finanziellen Kennzahlen, strategischen Zielen oder anderen Faktoren basieren, die für die Organisation wichtig sind. • Risikomanagement: Die Governance-Struktur legt auch fest, wie Risiken im Zusammenhang mit Projekten identifiziert, bewertet und gemanagt werden. Dies umfasst die Festlegung von Eskalationsverfahren für kritische Risiken. • Überwachung und Berichterstattung: Die Governance-Struktur definiert, wie die Fortschritte und Leistung der Projekte überwacht und berichtet werden. Dies kann die Erstellung von regelmäßigen Berichten und Statusupdates einschließen. • Verträge und Beschaffung: Wenn externe Ressourcen oder Dienstleistungen für Projekte benötigt werden, werden in der Projektmanagement-Governance Regeln für die Vertragsvergabe und Beschaffung festgelegt. • Veränderungsmanagement: Da sich Projektumfelder und -bedingungen ändern können, umfasst die Governance auch Mechanismen für das Veränderungsmanagement, um sicherzustellen, dass Projekte flexibel auf Änderungen reagieren können. • Wissensmanagement: Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus abgeschlossenen Projekten werden in das Wissensmanagement einbezogen, um zukünftige Projekte zu verbessern. Dies kann die Erstellung von Best Practices und die Schulung von Mitarbeitern umfassen. Projektmanagement-Governance ist entscheidend, um sicherzustellen, dass Projekte erfolgreich abgeschlossen werden und die Ziele einer Organisation unterstützen. Eine effektive Governance-Struktur bietet Transparenz, klare Kommunikation und klare Verantwortlichkeiten, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Projekte in der gewünschten Qualität, termingerecht und innerhalb des Budgets abgeschlossen werden. KI und Projektmanagement-Governance Künstliche Intelligenz (KI) kann in verschiedenen Bereichen der Projektmanagement-Governance unterstützen, indem sie effizientere und datengesteuerte Entscheidungsprozesse ermöglicht. Hier sind einige Möglichkeiten dargestellt, wie KI eingesetzt werden kann: • Automatisierung von Routineaufgaben: KI kann repetitive Aufgaben wie die Aktualisierung von Projektplänen, die Verfolgung von Budgets und die Erstellung von Statusberichten unterstützen und automatisieren. Dies spart Zeit und Ressourcen für das Projektteam. • Früherkennung von Risiken: KI kann Muster in Projektdaten erkennen und frühzeitig auf potenzielle Risiken hinweisen. Dies ermöglicht es Projektmanagern und Stakeholdern, proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um Probleme zu vermeiden oder abzumildern. • Ressourcenmanagement: KI kann bei der Optimierung der Ressourcenzuweisung helfen, indem es Daten über die Verfügbarkeit von Teammitgliedern, Lieferanten und anderen Ressourcen analysiert und Empfehlungen für deren Einsatz und effiziente Nutzung gibt. • Predictive Analytics: KI kann Prognosen für Projekttrends und -ergebnisse erstellen, basierend auf historischen Daten und aktuellen Parametern. Dies unterstützt die Entscheidungsfindung und die Anpassung von Projektzielen und -strategien. • Kommunikation und Kollaboration: KI-gestützte Chatbots und virtuelle Assistenten können bei der Kommunikation und Zusammenarbeit im Projektteam helfen, indem sie häufig gestellte Fragen beantworten, Informationen bereitstellen und Aufgaben delegieren. • Datenauswertung: KI kann große Mengen an Projektdaten analysieren und Muster erkennen, die für das Management und die strategische Ausrichtung von Projekten von Bedeutung sind. Dies kann zur Verbesserung der Projektperformance beitragen. • Ressourcenprognose: KI kann bei der Vorhersage des zukünftigen Ressourcenbedarfs für Projekte unterstützen, indem sie historische Daten und aktuelle Projektinformationen analysiert. Dies erleichtert die Kapazitätsplanung und Budgetierung. • Echtzeitüberwachung: KI kann Echtzeitdaten aus verschiedenen Projektquellen sammeln und analysieren, um Projektmanager über den aktuellen Status zu informieren und bei Bedarf automatisch Alarme auszulösen. • Personalentwicklung: KI kann personalisierte Schulungs- und Entwicklungspläne für Teammitglieder erstellen, basierend auf deren Fähigkeiten und den Anforderungen des Projekts. • Compliance und Governance: KI kann bei der Überwachung der Einhaltung von Richtlinien und Standards in Projekten helfen, indem sie Abweichungen erkennt und Warnungen generiert. Es ist wichtig zu beachten, dass KI nicht nur eine technologische Lösung ist, sondern auch eine Kultur des datengesteuerten Denkens und Handelns erfordert. Die Implementierung von KI in die Projektmanagement-Governance erfordert klare Ziele, Schulung der Beteiligten, Aufbau von Kompetenzen und eine sorgfältige Integration in die bestehenden Prozesse. Wenn jedoch richtig eingesetzt, kann KI dazu beitragen, die Effizienz, Transparenz und Erfolgsrate von Projekten in einer Organisation erheblich zu verbessern. Voraussetzungen, damit KI die Projektmanagement-Governance unterstützt Damit Künstliche Intelligenz (KI) die Projektmanagement-Governance unterstützen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen und Schritte erfüllt sein. Wie bei allen Projekten ist ein Beitrag zu operativen oder strategischen Zielen notwendig. Darüber hinaus sind hier einige wichtige Überlegungen skizziert: • Use Case und klar definierte Projektziele: Damit KI- Anwendungen in die Projektmanagement-Governance Bildnachweis: © iStock.com/ ArtHead- Wissen | KI und Projektmanagement-Governance 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0010 nutzbringend integriert werden können, sind geeignete Use Cases zu identifizieren und ein/ mehrere geeignete Use Case auszuwählen sowie klare Projektziele und -anforderungen festzulegen. Die KI ist darauf auszurichten, diese Ziele zu unterstützen. Für die ersten Projekte zur Implementierung von KI-Anwendungen können die Ziele und Anforderungen durchaus bescheiden sein, damit die gewünschten Projektergebnisse und Nutzen erreicht werden und Kompetenzen aufgebaut werden können. • Verfügbarkeit von Daten: KI-Systeme benötigen eine ausreichende Menge qualitativ hochwertiger Daten, um Muster und Trends zu erkennen. Es ist wichtig sicherzustellen, dass Daten des Projektmanagements konsistent erfasst und gespeichert werden. Dabei sind auch Themen wie Datensicherheit, Privatsphäre und ethische Themen zu betrachten. • Datenqualität und -bereinigung: Die Daten, die der KI zur Verfügung gestellt werden, müssen sauber, konsistent und aktuell sein. Es ist oft notwendig, Datenbereinigungsprozesse zu implementieren, damit die Daten eine zuverlässige Basis für KI-Anwendungen darstellen. • Technologische Infrastruktur: Die Organisation muss über die notwendige technologische Infrastruktur verfügen, um KI-Systeme effektiv zu unterstützen. Dies kann die Bereitstellung von Rechenleistung, Speicher und Cloud- Hosting umfassen. Ein weiteres Thema ist zu entscheiden, ob die Services intern oder bei externen Betreibern laufen. • Die passende KI-Technologie, Software und Dienstleister: Es gibt verschiedene Arten von KI-Technologien, wie neuronale Netze, Deep Learning, Machine Learning, Large Language Models und andere. Im Ergebnis steht die Auswahl der Technologie und der Partner, die am besten zu den Anforderungen und Use Cases passen. Am Markt sind proprietäre als auch Open-source-Technologien verfügbar. • Trainieren, Testen und Validieren des Modells: Die KI-Software ermöglicht es, aus zugrunde liegenden Daten durch „Training“ die Muster für Entscheidungen aufzubauen, zu lernen und Wissen zu generieren, ohne- - wie bisher-- explizit programmiert zu werden. Eine qualitativ gute und zum geplanten Use Case passende Datenbasis ist eine wesentliche Grundlage für das Training der KI-Software. Je nach KI-Anwendung sind unterschiedliche Mengen an Daten bereitzustellen. Nachdem das Modell trainiert wurde, wird es getestet und validiert, um sicherzustellen, dass es die geforderten Ergebnisse liefert. • Implementieren Sie Ihr Modell: Schließlich wird das Modell implementiert und in die vorhandenen Systeme integriert, um es in der Praxis einzusetzen und den Nutzen zu realisieren, den die KI-Anwendung als Mehrwert für das Projektmanagement bietet. • Prüfen und Aktualisieren: Es gilt das Modell regelmäßig zu überwachen und zu aktualisieren, um sicherzustellen, dass es weiterhin genau und produktiv ist. KI-Systeme und -Algorithmen werden ständig weiterentwickelt und verbessert. Die Organisation sollte einen Mechanismus für die kontinuierliche Verbesserung und Anpassung der KI-Systeme implementieren. Verfügbare Softwarelösungen variieren in ihren Funktionen und Schwerpunkten, sodass die Auswahl davon abhängt, welche spezifischen Anforderungen vorliegen und welche Ziele angestrebt werden. Die verschiedenen Optionen müssen analysiert werden, um sicherzustellen, dass die gewählte Software gut zu dem Projektmanagement System und der Governance-Struktur passt. Die Ergebnisse, die KI basierte Anwendungen erzeugen, sind überraschend konkret und scheinen unmittelbar nutzbar zu sein. Die kritiklose Nutzung der Ergebnisse bringt jedoch Risiken mit sich, da die Ergebnisse im Einzelfall nicht konkret nachvollziehbar sind. Empfehlenswert ist es daher, die Ergebnisse zumindest in Stichproben durch Fachleute prüfen zu lassen und im Zweifel die Datenbasis und das Training des Modells zu erneuern. KI basierte Systeme bieten für die Projektmanagement-Governance-- wie für andere Unternehmensbereiche-- umfangreiche Nutzenpotentiale. Die Implementierung bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, die neue Kompetenzen erforderlich machen. Es empfiehlt sich daher nicht lange zu zögern und abzuwägen, sondern die Kompetenzen aufzubauen und Projekte durchzuführen. Eingangsabbildung: © dataimasu-- stock.adobe.com Michael Boxheimer Michael Boxheimer war im Management und Projekt-Management tätig, initiierte Projekte zur Organisationsentwicklung von Unternehmen mit Schwerpunkt Projektgeschäft, um Kompetenzen und Prozesse zu verbessern und wettbewerbsfähiger zu werden. In Projekten war und ist Künstliche Intelligenz vielfach ein Thema da viele KI basierte Applikationen für die Unternehmensbereiche zur Verfügung stehen und große Nutzenpotenziale realisiert werden können. Heute ist er als selbständiger Berater, Trainer und Coach für Management und Projekt-Management tätig und arbeitet mit seinen Kunden an konzeptionellen und operativen Themen. Michael Boxheimer hat einen akademischen Hintergrund in Business Administration sowie einen M.A. (Systemische Beratung) erworben. Er hält Zertifikate in Projektmanagement von IPMA, APMG (UK) und Scaled Agile Inc. Kontakt: mib@boxheimer-projects.com 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0011 Chinas neue Herausforderungen im F&E-Projektmanagement Karl Waldkirch Für eilige Leser | Verklärt, am Ende, desillusioniert, so sieht die westliche Welt die wirtschaftliche Supermacht China. Die Bundesregierung und die EU-Zone schwelgen in der Vorstellung, China sei nur Werkbank für die Welt. Doch China strebt nach mehr, eine globale Rolle im Bereich Forschung und Entwicklung. Zielbezogen wurden allein im Geschäftsjahr 2022 insgesamt 456 Milliarden US-Dollar diesem Bereich zugeführt. Das entspricht 2,55 Prozent des Bruttosozialprodukts und ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von mehr als zehn Prozent. Schlagwörter | High-Tech, Auslandskapital, Konflikte, Nachforderungsmanagement, Innovationsmanagement, Knowhow-Transfer, Agiles Projektmanagement, Scrum Innovationen sind in China politisch prioritär und werden mit weitreichenden Maßnahmen landesweit umgesetzt. Chinas Ziele sind sehr ambitioniert: Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben sollen sich im Rahmen des 14. Fünfjahresprogramms der wirtschaftlichen Entwicklung (2021-2025) jährlich um mehr als sieben Prozent erhöhen und damit einen Prozentpunkt über den Vorgaben für die Wirtschaftsleistung von mehr als sechs Prozent. Allein für die Grundlagenforschung will das Land noch in diesem Jahr knapp elf Prozent mehr Geld bereitstellen. Für die künftige Entwicklung wurden verschiedene Schlüsselbereiche definiert, die gezielt gefördert werden: Künstliche Intelligenz der nächsten Generation, Quanteninformation, Hirnforschung, Halbleiterproduktion, Genforschung und Biotechnologie, klinische Medizin und Gesundheit. Ferner sollen auch mehr Labore zur Erforschung von Quanteninformation und künstlicher Intelligenz eingerichtet werden. Elektrofahrzeuge und der neue Mobilfunkstandard 5G haben ebenfalls Priorität. Die 5G-Durchdringung soll in den kommenden fünf Jahren auf 56 Prozent steigen. Zudem wird die Erforschung des Weltraums, der Tiefsee und der Polargebiete vorangetrieben. Die jüngsten Erfolge in der Luft- und Raumfahrt können sich sehen lassen: China landete im Mai dieses Jahres erstmals auf dem Mars. Bislang haben es nur die Vereinigten Staaten geschafft, ein Erkundungsfahrzeug auf dem Roten Planeten zum Einsatz zu bringen. Gleichzeitig wird seit einigen Monaten eine bemannte Raumstation aufgebaut. Die- Raumstation, die mindestens zehn Jahre lang in Betrieb sein soll, ist Teil einer ehrgeizigen Weltraum-Strategie Chinas, mit der die Volksrepublik zu den USA aufschließen will. High-Tech aus dem Ausland wird honoriert. Für innovative Auslandsunternehmen gibt es erhebliche Steuererleichterungen bzw. andere Investitionsanreize. Seit 2017 soll Spitzentechnologie aus dem Ausland nach China fließen, flankiert mit massiven Steuervergünstigungen. Als Steueranreiz für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten chinesischer Unternehmen können qualifizierte F&E- Ausgaben während eines Steuerjahres mit einem 50%igen Superabzug vom steuerbaren Einkommen der chinesischen Körperschaftsteuer abgezogen werden. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Wie die Übersicht über die Forschungs- und Entwicklungszentren internationaler Unternehmen in China (seit dem Jahre 2019 bis heute) zeigt, sind mittlerweile alle Weltunternehmen mit Rang und Namen aktiv oder bauen deren F&E-Basis stark aus. Wissen | Chinas neue Herausforderungen im F&E-Projektmanagement 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0011 Positiver Domino-Effekt Intelligentes Auslandskapital garantiert der chinesischen Volkswirtschaft einen riesigen Wettbewerbsvorteil. Denn Chinas Innovationsmanagement setzt wie in anderen Wirtschaftsbereichen auf Know-how-Transfer und intelligentes Kapital aus dem Ausland. Die Strategie ist nachvollziehbar: Die mehr als 300.000 Beschäftigten in den ausländischen Forschungseinrichtungen sollen in der angewandten Forschung und im Forschungsmanagement einen Schneeballeffekt bewirken. Viele Forschungseinrichtungen in den Staatsbetrieben leiden unter Überbesetzung und ineffizientem Management. Ähnlich wie bei den 100-prozentigen Auslandsunternehmen kann von westlichen Lohn- und Anreizsystemen und anderen Vergütungsmodellen für Diensterfindungen profitiert werden. Steuerliche Vorteile für Innovationen und Zollerleichterungen sollen den Zuzug von Auslandsinvestitionen nachhaltig sichern. Für ausländisch investierte Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen greift die besondere Rolle des chinesischen Staates bei der Förderung von Innovationen. Seit 2010 stieg die Zahl der Forschungs- und Entwicklungszentren um 40 Prozent. Laut der offiziellen Quelle des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie der VR China hat sich die Beschäftigtenzahl der Researcher von 595.000 im Jahre 2012 auf 716.000 im Jahre 2021 erhöht. Dementsprechend stiegen auch die Investitionen von 26 auf 45 Milliarden USD im gleichen Zeitraum. Auch die Anzahl der Patentanmeldungen ausländischer Forschungseinheiten erhöhten sich von 68.000 (2012) auf 241.000 im Jahre 2021. Shanghai kristallisiert sich immer stärker als Chinas Think- Tank heraus. Die Zahlen für die Jahre 2019 bis 2023 belegen eindeutig diesen Trend. Bemerkenswert ist: Die Hälfte aller privaten Forschungseinrichtungen wurde im Wirtschaftsraum Shanghai angesiedelt. Zwei weitere Forschungscluster entstanden in Nordchina rund um Peking sowie im südchinesischen Perlflussdelta, mit jeweils einem Viertel der chinesischen Forschungszentren. Mit intelligentem Auslandskapital an die F&E- Weltspitze Das Reich der Mitte setzt auf unternehmerische Investitionen aus dem Ausland. Durch die globale Werkbank müssen ausländische Unternehmen auch F&E-Fachabteilungen vor Ort installieren, um mit den lokalen Firmen konkurrieren zu können. Schätzungsweise jedes DAX-Unternehmen verfügt im F&E- Bereich einen Outpost in China. Der europäische Mittelstand durch sämtliche Branchen adaptiert seine Produkte vor Ort an die chinesischen Marktgegebenheiten. Von Produktanpassung bis Parallelentwicklung In der Zusammenarbeit mit China können Erfolge erzielt werden, obwohl sich der Markt, die Kultur und auch der Entwicklungsprozess von Europa unterscheiden. Soll in China für den chinesischen Markt kostengünstig produziert werden, ist es sinnvoll, dass die Produkte zum einen nicht „over engineered“ sind und andererseits Bauteile enthalten, die lokal günstig eingekauft werden können. Um solche Produktanpassungen zu realisieren, ist eine profunde lokale Marktexpertise notwendig. Und es müssen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in China aufgebaut werden, die solche Modifikationen an einem bestehenden Produkt vornehmen können. In China wird erfahrungsgemäß schneller entwickelt. Die Risikobereitschaft, mit einem Prototyp in den Markt zu gehen, ist höher, während die Projekte in Europa je nach Vorgehensweise in der Regel von Beginn an sehr strukturiert durchgeplant werden und der Prototypen-Test im Feld erst am Ende der Entwicklung erfolgt. Durch eine Parallelentwicklung zusammen mit chinesischen Partnern kann von beiden Vorgehensweisen profitiert und am Ende ein marktgerechtes und erfolgreiches Produkt angeboten werden. Projektmanagement entscheidet über Erfolg In staatlichen Entwicklungseinrichtungen erstickt noch viel Innovation in verknöcherten Hierarchien des Staatsapparates. Zu wünschen wären flache Entscheidungsstrukturen mit hoher Transparenz. Oft ist es schwierig, ein spezielles Forschungsprojekt in eine bestehende Organisationsstruktur zu integrieren. Die Projektorganisation wird horizontal in die Linienorganisation eingebettet. Die Mitarbeiter bleiben disziplinarisch in der Linie, jedoch bekommt der Projektleiter für die Dauer des Projektes Zugriff auf die Ressourcen. Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse liegen allein in seiner Hand. Im chinesischen Umfeld ist es gewöhnungsbedürftig, wenn ein Mitarbeiter neben der Projekttätigkeit weitere Tätigkeiten ausübt, gleichzeitig der Linienvorgesetze jedoch die Weisungs- und Entscheidungsbefugnis hat. Der Konflikt ist vorprogrammiert, da die Linienvorgesetzten meist andere Interessen als die Projektmitglieder haben. Intensive Kommunikation sowie ein gekonntes Konfliktmanagement sind erforderlich. Agiles Projektmanagement und Scrum Agiles Projektmanagement basiert auf Selbstabstimmung und Koordination anstatt auf starren Richtlinien, detaillierten Planungen und Dokumentationen. Das Projektteam muss zu Flexibilität und ständiger Anpassung bereit sein. Voraussetzung ist eine regelmäßige Absprache und Abstimmung im Team. Wissen | Chinas neue Herausforderungen im F&E-Projektmanagement 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0011 Scrum ist eine Form des agilen Projektmanagements mit besonderen Regeln und Rollen. Es setzt auf Transparenz der Projektfortschritte und die Beseitigung von Hindernissen im gesamten Projektteam inklusive Kunden. Die Ergebnisse werden in regelmäßigen Abschnitten kontrolliert. Hierbei werden nicht nur die Ergebnisse überprüft, sondern auch die Vorgehensweisen. Des Weiteren werden Zieldefinitionen, Pläne und Vorgehen nicht komplett festgelegt, sondern ständig angepasst und detailliert. Die sozialistische Plan- und Kommando-Wirtschaft ist die etablierte Organisationsform in China - mit rigider Planung von oben nach unten. Dies lässt - ähnlich wie in der fünf Jahrtausende währenden feudalistischen Monarchie - der Eigeninitiative keinen Freiraum. Hinzu kommt, dass die konfuzianische Doktrin meistens stark durch autoritäre Arbeitsstrukturen dominiert ist. Die beschriebenen Managementprozesse setzen bei den Projektmitgliedern jedoch ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Selbstabstimmung und Entscheidungsfreudigkeit voraus. Eskalationsmanagement und Konfliktlösungspotenziale Als eine weitere Methode im Projektmanagement ist das Eskalationsverfahren eine festgelegte Vorgehensweise, die klar definiert, in welcher Form und mit welchen Vorarbeiten an welche nächsthöhere Stufe der Organisationshierarchie die Entscheidung weitergegeben wird. Konflikte im Projektmanagement gehören zum Tagesgeschäft, sie belasten und fordern. Bei unterschiedlichen Meinungen und Vorstellungen, die als Konflikt aufeinandertreffen können, hat professionelles Konfliktmanagement das Ziel, Konflikte erst gar nicht eskalieren zu lassen. Es muss Verständnis füreinander geweckt und gesichtswahrende Kompromisse müssen gefunden werden. Neben dem möglichen Gesichtsverlust spielen die Kollektivität und auch das Bedürfnis nach Harmonie eine große Rolle. Des Weiteren wird in China stark auf Hierarchien geachtet. Einen Ranghöheren zu kritisieren oder gar zu übergehen ist ein unverrückbares „No-Go“. Änderungs- und Nachforderungsmanagement Bei der Durchführung eines Projekts können immer auch Änderungswünsche auftreten. Diese können einerseits durch die Marktanforderungen, anderseits vom Auftraggeber selbst, beispielsweise dem Mutterkonzern, verursacht werden. All diese Änderungen müssen exakt erfasst, beschrieben, bewertet, genehmigt und dokumentiert werden. Hierfür ist das Änderungsmanagement zuständig. Dem professionellen Projektmanagement widerstrebt es, wenn Ziele bewusst schwammig ausgelegt werden, um viel Spielraum bei der späteren Auslegung zu haben. Außerdem wird der Projektfortschritt durch die fehlende Entscheidungsfähigkeit und Dr. Karl Waldkirch Dr. Karl Waldkirch ist CEO der ASC- Asia Success Company, Neustadt/ Shanghai/ Hongkong, und berät, coacht und gewinnt Personal im Asiengeschäft. eMail: karl.waldkirch@ascwaldkirch.de Internet: www.asc-seminar zentrum.de | www.asc-waldkirch.de langwierige Verhandlungen behindert. Bei Forschungsprojekten sind in der Termin- und Budgetplanung planerische Reserven für auftretende Änderungen unbedingt einzukalkulieren. Formal folgt auf die Änderungsgenehmigung das Nachforderungsmanagement, das eine Budgeterhöhung und Terminverschiebung bedingt. Zu den besonders Herausforderungen gehört, dass bei chinesischen Projekten zum eigentlichen Kick-off allzu oft noch keine genauen Zieldefinitionen und Leistungsbeschreibungen vorhanden sind. Das ist der dortigen Schnelligkeit und Flexibilität geschuldet. Präventiv ist es zudem unerlässlich, sich mit dem Knowhow-Abfluss konstruktiv auseinanderzusetzen. In China kommt es immer wieder zu Abwerbungen von Spitzenkräften durch Mitbewerber. Hier sollten ein geeignetes Bindungsprogramm mit Bonussystem und leistungsorientierter Entlohnung greifen. Auch das Thema Industriespionage ist zu beachten. Ausgeklügelte Sicherheitssysteme und eine rigide HR-Governance können dem mit wachsamen Augen entgegenwirken. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Igor Kutyaev 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0012 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Die GPM auf dem KGSt-Forum in Hamburg Maximilian Hahn Unter dem Motto „Willkommen in der Netzwerkkommune“ fand vom 27. bis 29. 09. 2023 im Congress Center Hamburg (CCH) das alle drei Jahre veranstaltete KGSt-Forum statt. Mit über 4.500 Präsenzteilnehmenden sowie 2.750 digitalen Gästen aus mehr als 600 Kommunen konnte sich das Forum als der größte Kommunalkongress Deutschlands präsentieren. Die KGSt ist die Gemeinschaftsstelle für kommunales Verwaltungsmanagement. Sie ist ein von Städten, Gemeinden und Landkreisen getragener Fachverband für Verwaltungs- und Managementthemen. Die GPM kann bereits auf eine Kooperation mit der KGSt seit 2017 zurückblicken. Insbesondere auf der Ebene des Ehrenamts kooperieren die GPM Fachgruppe PM in der ÖV und der Innovationszirkel Projektmanagement in Kommunen als Äquivalent auf Seiten der KGSt. Neben einem Stand, bei welchem sich zahlreiche Mitarbeitende der kommunalen Verwaltungen zum ehrenamtlichen Engagement in den Fach- und Regionalgruppen, den Publikationen als auch dem Weiterbildungs- und Zertifizierungsangebot der GPM informieren konnten, beteiligte sich die GPM auch an zwei inhaltlichen Veranstaltungen auf dem Forum. Am ersten Tag des Kongresses fand unter Moderation von Dr. Thor Möller (ehem. GPM Präsident) und Hendrik Ewens (KGSt) eine Paneldiskussion unter dem Motto „Projekte machen Zukunft-- Die richtigen Rahmenbedingungen für Projektmanagement schaffen“ statt. An der Diskussion beteiligten sich Susanne Kaletta (Stadt Lünen), Dr. Anke Saebetzki (Freie Hansestadt Bremen) und Dr. David Thyssen (Bundesstadt Bonn). Die interaktive Veranstaltung begann mit zwei Umfragen im Publikum. Einerseits erfragten die Moderatoren durch ein Umfragetool, wie wichtig das Publikum Projekte für die Zukunft ihrer Verwaltung einschätzt. Hier zeigte sich mit einem Ergebnis von 330 Stimmen für die Antwortmöglichkeiten wichtig / sehr wichtig zu 5 Stimmen für neutral / unwichtig, dass Projekte als integrales Verwirklichungsinstrument zur Umsetzung relevanter Zukunftsweichen in der Verwaltung angesehen werden. Andererseits erfragten die Moderatoren jedoch auch, inwiefern das Publikum ihre Verwaltung auf die Arbeit in Projekten vorbereitet sieht. Hierbei zeigte sich ein deutlich anderes Bild. Mehr als die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie ihre Verwaltung nicht gut bzw. weniger gut auf die Arbeit in Projekten vorbereitet sehen. Diese Ergebnisse verdeutlichten, dass einerseits der Bedarf an Projektmanagement sehr hoch ist, andererseits Projektmanagement-Kompetenz in vielen Verwaltungen unzureichend verankert ist. In ihren Impulsvorträgen griffen die Referent/ -innen diese Ergebnisse auf und schilderten, welche Weichen sie in ihrer Verwaltung gestellt haben. An verschiedenen Beispielen erläuterten die Referent/ -innen, wie ein Projekt, Portfolio- und Programmmanagement gelingen kann. So erläuterte Dr. David Thyssen dem Publikum, wie die Stadt Bonn im Bereich der Klimaneutralität ein adäquates Programmmanagement aufbaute, um einen Dschungel aus zahlreichen Projektportfolios und Einzelprojekten zu strukturieren. Dr. Thyssen unterstrich, wie wichtig dabei ein Programmbüro ist, welches nicht nur als Dienstleister fungiert, sondern auch als Innovationstreiber innerhalb der Organisation. Zudem verwies er auch auf die essenzielle Rolle von Lenkungsausschüssen bei der übergreifenden Kommunikation und der Legitimierung von gemeinsamen Entscheidungen in Projekten. Susanne Kaletta und Dr. Anke Saebetzki unterstrichen in ihren Impulsen ein strukturiertes Vorgehen beim Aufbau von Projektstrukturen in einer Verwaltung. Beide Referentinnen gingen insbesondere auf das Thema Projektmanagement-Office ein, welches eine Stelle eigens zur Definition der internen PM-Methodologie und der Beratung von Projekten ist. Die Etablierung eines PMO konstituiert somit einen wichtigen Meilenstein beim Aufbau von PM-Strukturen. Aus den DACH-Verbänden | Die GPM auf dem KGSt-Forum in Hamburg 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0012 An diesen Impuls fand thematisch anknüpfend der größte interaktive Workshop „Das Projektmanagementoffice- - Wie jede Kommune davon profitieren kann“ statt, der in beachtlicher Geschwindigkeit ausgebucht war. In enger Zusammenarbeit organisierte ein nationales Verwaltungs-Netzwerk unter dem Hamburger Dach des Projekt-Wissenscenters, ehrenamtlich Aktive der GPM aus der Fachgruppe „PM in der öffentlichen Verwaltung“ und der KGSt aus dem Innovationszirkel „Projektmanagement in Kommunen“ gemeinsam diese Veranstaltung, die sowohl die Teilnehmenden, als auch alle Akteur/ -innen begeisterte: Das Publikum erhielt zum Einstieg einen intensiven Impuls, in dem Lutz Liffers (Büro für Projekt- und Veränderungsmanagement Bremen) und Sabine Meister (Projekt-Wissenscenter Hamburg) die typischen Schwierigkeiten in der Projektarbeit in der Verwaltung verdeutlichten. Das Publikum erhielt außerdem eine kompakte Bauanleitung für das eigene PMO. Diese Bauanleitung besteht aus 6 Schritten und beginnt mit der Ermittlung der bereits bestehenden Projekt-Aktivitäten und Bedarfe in der Organisation. In einem zweiten Schritt geht es darum, die Bedarfe von PMO-Kund/ -innen zu identifizieren, um konkret festzustellen, welche Hilfestellungen das PMO bieten sollte, um Projekte erfolgreicher zu machen. Die darauffolgenden Schritte drehen sich um die PM-Reifegradbestimmung der Organisation, um bereits vorhandene Ressourcen für ein PMO definieren zu können. Im vorletzten Schritt wird festgelegt, welche einzelnen Leistungen das PMO anbieten soll und wie diese konfiguriert werden. Final wird der Auftrag für das PMO vereinbart. In diesem wird basierend auf den vorher genannten Schritten festgehalten, welchen Auftrag das PMO hat, welche Ressourcen bereitgestellt werden und in welchen Schritten vorgegangen wird. Dann ging es auf die interaktiven „Inseln“: ob Einsteiger/ innen, Expert/ -innen, Mitarbeitende auf operativer Ebene oder für die Entscheider/ -innen-Ebene- - für alle gab es den richtigen Einstieg. Beim Inselgeflüster konnten sich die Teilnehmenden zu den verschiedenen Facetten eines PMOs informieren und intensiv austauschen. Bei diesem KGSt-Forum in Hamburg ist eines sehr deutlich geworden-- es gibt bereits fortgeschrittene Expertisen in der öffentlichen Verwaltung. Wir müssen die großen Potenziale der PMOs für die professionelle Projektarbeit unterstützen und nutzen. Die Führungsebenen müssen dafür die mutigen Entscheidungen treffen und PMOs aktiv in ihrer Entwicklung unterstützen. Wir als GPM sagen: vielen Dank. Denn ohne das wertvolle Engagement von engagierten PM-Vorreiter/ -innen aus Hamburg, Bremen, Kerpen oder Hameln-Pyrmont und die breite Unterstützung diverser Co-Moderator/ -innen ihres Verwaltungsnetzwerkes aus ganz Deutschland wären diese Veranstaltungen nicht möglich gewesen. Besonders hervorzuheben ist die Unterstützung von Dr. Thor Möller und Sabine Meister, welche diese Veranstaltung im Rahmen der strategischen Kooperation zwischen der GPM und der Stadt Hamburg initiiert und gesteuert haben. Die GPM bedankt sich herzlich bei allen Akteur/ -innen sowie der KGSt. Das nächste Forum wird 2026 stattfinden. Quelle: KGSt Quelle: KGSt Das Publikum erhielt zum Einstieg einen intensiven Impuls, in dem Lutz Liffers (Büro für Projekt- und Veränderungsmanagement Bremen) und Sabine Meister (Projekt- Wissenscenter Hamburg) die typischen Schwierigkeiten in der Projektarbeit in der Verwaltung verdeutlichten. Das Publikum erhielt außerdem eine kompakte Bauanleitung für das eigene PMO. Diese Bauanleitung besteht aus 6 Schritten und beginnt mit der Ermittlung der bereits bestehenden Projekt-Aktivitäten und Bedarfe in der Organisation. In einem zweiten Schritt geht es darum, die Bedarfe von PMO-Kund/ -innen zu identifizieren, um konkret festzustellen, welche Hilfestellungen das PMO bieten sollte, um Projekte erfolgreicher zu machen. Die darauffolgenden Schritte drehen sich um die PM- Reifegradbestimmung der Organisation, um bereits vorhandene Ressourcen für ein PMO definieren zu können. Im vorletzten Schritt wird festgelegt, welche einzelnen Leistungen das PMO anbieten soll und wie diese konfiguriert werden. Final wird der Auftrag für das PMO vereinbart. In diesem wird basierend auf den vorher genannten Schritten festgehalten, welchen Auftrag das PMO hat, welche Ressourcen bereitgestellt werden und in welchen Schritten vorgegangen wird. Quelle: Projekt-Wissenscenter Hamburg Quelle: Projekt-Wissenscenter Hamburg 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0013 KGSt-Vorstand Dr. Klaus Effing im Interview Aus den DACH-Verbänden | GPM intern René Mittelstädt Sehr geehrter Herr Dr. Effing, vielen Dank, dass Sie die Zeit für dieses Interview gefunden haben. Sie sind der Vorstand der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt). Einige Leserinnen und Leser, die bisher noch nicht in Kontakt mit der KGSt gekommen sind, mögen sich vielleicht fragen, was die KGSt denn genau macht. Könnten Sie die maßgeblichen Aufgaben und Aktivitäten der KGSt kurz erläutern? Dr. Klaus Effing: Die KGSt ist ein kommunaler Verband, der vor fast 75 Jahren in Köln als Entwicklungszentrum des kommunalen Managements gegründet wurde. Mitglieder sind rund 2.500 Städte, Kreise und Gemeinden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, darunter alle kreisfreien Städte Deutschlands und 93 % der deutschen Landkreise. Daneben gehören der KGSt zahlreiche korrespondierenden Mitglieder an, wie z. B. kommunale Spitzen-Verbände, Behörden, kirchliche und gemeinnützige Einrichtungen sowie Stiftungen. Gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern aus Kommunen erarbeiten die Expertinnen und Experten der KGSt Strategien und Lösungen für Kommunalverwaltungen im Finanz-, Organisations-, Personal- und Informationsmanagement. Zentrale Aufgabe der KGSt ist die Weiterentwicklung der Managementkompetenz ihrer Mitglieder und deren Beschäftigten. Wir helfen, das kommunale Management jeden Tag etwas effektiver und effizienter zu gestalten. Wir haben die Verwaltungsevolution im Blick! Kommunen sind ein maßgeblicher Akteur bei der Gestaltung konkreter Lebensumstände der Bürgerinnen und Bürger. Viele Dinge, die auf anderen Ebenen beschlossen werden, müssen letztendlich auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Nichtsdestotrotz werden in vielen politischen Debatten Kommunen und ihre Perspektiven neben der Bundes- und Landesebene vernachlässigt. Teilen Sie diese Einschätzung? Und falls ja, wie kann der Stimme von Kommunen in der politischen Debattenkultur mehr Gewicht verliehen werden? Auch wir als KGSt haben die Erfahrung gemacht, dass bei vielen Themen der Fokus vor allem auf Bundes- und Landesebene gerichtet ist und die Situation der Kommunen nicht ausreichend berücksichtigt wird. Verbesserungen können erreicht werden durch eine frühzeitige und umfassende Einbindung der Perspektiven und Bedürfnisse von Kommunen in Entscheidungsprozesse auf höherer politischer Ebene. Auch der regelmäßige Dialog und Austausch sollte gefördert werden. Eine Stärkung der Autonomie von Kommunen durch Neubewertung von Zuständigkeiten, Ressourcenverteilung und finanzieller Ausstattung würde für Kommunen mehr Handlungsspielraum bei der Umsetzung politischer Entscheidungen bedeuten. Zusätzlich sollte die Bedeutung der kommunalen Ebene stärker in der Öffentlichkeit kommuniziert werden, um das Bewusstsein für die Rolle der Kommunen als unmittelbare Gestalter des Lebens der Bürgerinnen und Bürger zu schärfen. Nun fand im September 2023 das KGS t-Forum als zentraler Kommunalkongress in Hamburg mit über 4 . 500 Präsenz-Teilnehmenden aus zahlreichen Kommunen statt. Auch die GPM hat sich als einer von vielen Partnern beteiligt. Das Motto des Forums lautete: „Willkommen in der Netzwerkkommune“. Während des Forums wurde oftmals betont, dass dies das zentrale kommunale Leitbild darstelle. Was genau können sich die Leserinnen und Leser unter der „Netzwerkkommune“ vorstellen? Der Begriff Netzwerkkommune beschreibt ein modernes, ganzheitliches Verständnis des kommunalen Handlungs- und Aufgabenbereichs. Angesichts tiefgreifender Transformationsprozesse, denen Verwaltungen entgegensehen, liegt der Netzwerkkommune ein systemisches Denken zugrunde. Das beinhaltet den Einbezug aller relevanten Akteure des „Ökosystems“ sowohl innerhalb der Verwaltung und kommunaler Betriebe als auch außerhalb beispielsweise mit Blick auf die jeweilige Stadtgesellschaft sowie Nachbarkommunen, Land und Bund. Die Kommune der Zukunft nutzt das Potenzial ihres gesamten Netzwerks. Eine Netzwerkkommune 1. handelt wirkungs- und ergebnisorientiert sowie strategiekonform. 2. entscheidet evidenzbasiert. 3. ist handlungs- und anpassungsfähig. 4. handelt flexibel in unterschiedlichen Rollen. 5. denkt und handelt kollaborativ. 6. setzt Methoden kompetent ein. 7. handelt potenzialorientiert. 8. arbeitet nutzendenzentriert. 9. richtet sich daten- und prozessorientiert aus. 10. handelt souverän und offen. Auf der einen Seite sind systemische Betrachtungen wichtig und helfen dabei komplexe Systeme verständlich und nachvollziehbar darzustellen. Auf der anderen Seite neigen diese Betrachtungen auch zur Oberflächlichkeit, insbesondere wenn es darum geht, Probleme und Potenziale zu identifizieren. Wo sehen Sie gegenwärtig die maßgeblichen Probleme der Kommunen? Würden Sie diese Probleme als eher systemisch bezeichnen? Gibt es maßgebliche Unterschiede zwischen großen und kleinen Kommunen? Die größten Herausforderungen der Kommunen liegen aus unserer Sicht sowohl für große und kleine Kommunen in folgenden Problemfeldern: Wissen | KGSt-Vorstand Dr. Klaus Effing im Interview 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0013 Finanzielle Herausforderungen: Viele Kommunen stehen vor finanziellen Belastungen, insbesondere im Kontext der Pandemie und steigender Ausgaben für soziale Dienstleistungen, Bildung und Infrastruktur. Es handelt sich um ein systemisches Problem. Demografischer Wandel: Der demografische Wandel berührt in unterschiedlicher Ausprägung nahezu sämtliche Fachbereiche einer Kommune. Deshalb erfordert seine Bewältigung ein übergreifendes, integratives und nachhaltiges Demografiemanagement. Notwendig ist sowohl die Entwicklung und Umsetzung fachlich-inhaltlicher Handlungsprogramme als auch ein managementfeldbezogenes Handeln. Dies geschieht aus den Perspektiven des Organisations-, Personal-, Informations- und Finanzmanagements. Es handelt sich ebenfalls um ein systemisches Problem. Digitalisierung: Digitalisierung ist in Deutschland noch immer ein schleppender Prozess. Die Digitalisierung des Status quo, also bestehender analoger Prozesse, verändert nicht zwangsläufig und vor allem nicht flächendeckend etwas und bleibt weit hinter den Möglichkeiten der Digitalisierung zurück. Es braucht mutige, konsequente und einschneidende Veränderungen. Ein weiteres systemisches Problem. Wir müssen in Deutschland auch darauf achten, dass wir im öffentlichen Bereich nicht nur Risiken und Gefahren der KI sehen, sondern insbesondere deren Chancen und Vorteile für die Gesellschaft und auch die Kommunalverwaltungen nutzbar machen. Umwelt und Nachhaltigkeit: Die Bewältigung von Umweltproblemen, der Klimawandel und die Förderung nachhaltiger Entwicklung sind wichtige Herausforderungen für Kommunen. Dies erfordert oft systemisches Denken, um langfristige Lösungen zu entwickeln. Innerhalb dieser Problembereiche gibt es durchaus auch unterschiedliche Herausforderungen für große und kleine Kommunen. Große Kommunen haben möglicherweise mit komplexeren Verwaltungsstrukturen und vielfältigeren Bedürfnissen zu kämpfen, während kleinere Kommunen möglicherweise begrenztere Ressourcen und weniger Handlungsspielraum haben. Seit Jahren wird deutlich, dass die klassische Linienorganisation, die maßgeblich durch Struktur und Hierarchie geprägt ist, nicht mehr allen Problemstellungen der Verwaltung gerecht werden kann. Immer mehr Kommunen setzen dabei auf eine zunehmende Projektorientierung in ihren Strukturen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Und welche Potenziale sehen Sie in einem professionellen Projektmanagement für die kommunale Verwaltung? Projektmanagement ist aus dem kommunalen Alltag nicht mehr wegzudenken. Generell wird mit der Einführung von Projektmanagement-- unabhängig davon, ob klassische oder agile Methoden verwendet werden-- die interne und externe Zusammenarbeit verbessert, da ein gemeinsames Vorgehen klar definiert wird. Ein einheitliches Verständnis von Projektarbeit entsteht, da die Regeln und Erwartungshaltungen transparent dargestellt werden. Sein volles Potenzial entfaltet Projektmanagement in Krisensituationen. Durch gefestigte Kommunikations- und Arbeitsstrukturen bei gleichzeitiger Flexibilität und kurzen Interaktionszyklen ermöglichen insbesondere die Methoden des agilen Projektmanagements eine verlässliche, kollaborative und zielgerichtete Zusammenarbeit. Das Agilitätskonzept sorgt für einen praxisnahen und effektiven Umgang mit Komplexität, weil es kürzere Zyklen als das klassische Projektmanagement verwendet und in diesen kurzen Zyklen fortlaufend reflektiert, ob sich die Rahmenbedingungen und Anforderungen in Bezug auf das Ziel geändert haben. Agiles Projektmanagement eignet sich daher besonders für Projekte, in denen die Lösung weitgehend unbekannt ist und völlig neu entwickelt werden muss. In zahlreichen Gesprächen und Veranstaltungen wurde auf dem KGS t-Forum deutlich, dass Kommunen im Bereich des Projektmanagements an sehr verschiedenen Stellen stehen. Einige beginnen erst, sich diesem Thema zu nähern, während andere schon dezidierte Projektstrukturen aufgebaut und ihr Personal entsprechend qualifiziert haben. Welchen Rat würden Sie Kommunen geben, welche auf organisationaler Ebene mit der Etablierung neuer Strukturen beginnen? Welche Tipps würden Sie insbesondere kleineren Kommunen geben? Für eine erfolgreiche Projektarbeit sind vor allem zwei Dinge notwendig: Verantwortungsübernahme und Rollenklarheit! Die wichtigste Voraussetzung ist, dass Führungskräfte die Organisation von übergreifenden Vorhaben mittels Projektmanagement überhaupt zulassen! Ebenso wichtig ist Rollenklarheit. Nur wenn Führungskräfte ihre Steuerungsverantwortung und ihre Rollen in Projekten kennen und ausfüllen, können sie den Projekterfolg maßgeblich unterstützen. Durch gefestigte Kommunikations- und Arbeitsstrukturen bei gleichzeitiger Flexibilität und kurzen Interaktionszyklen ermöglichen insbesondere die Methoden des agilen Projektmanagements eine verlässliche, kollaborative und zielgerichtete Zusammenarbeit. Zum Abschluss möchten wir auf die Zukunft blicken. Wo sehen Sie gemeinsame Anknüpfungspunkte für die KGSt und die GPM bei der Mission, die Kommunen in Deutschland bei der Bewältigung von Zukunftsaufgaben zu unterstützen? KGSt und GPM arbeiten bereits seit vielen Jahren erfolgreich zusammen, unter anderem im Innovationszirkel „Projektmanagement in Kommunen“. Gemeinsam geht es darum, die Situationen in den Kommunen zu reflektieren und Zukunftsthemen zu identifizieren. Die KGSt steuert relevante Arbeitsergebnisse und Erkenntnisse bei und gewinnt Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung kommunaler Managementthemen. Vonseiten der GPM werden Hintergründe, Standards und aktuelle Entwicklungen im Projektmanagement sowie Ergebnisse relevanter gesellschaftspolitischer Diskussionen eingebracht. Es geht um die Förderung des interkommunalen Erfahrungsaustausches, um Vernetzung und den Blick „über den Tellerrand“ und die Weiterentwicklung von Methoden, Strategien und Qualifizierungen des kommunalen Projektmanagements. Vielen Dank für das Interview. 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0014 Anne Hoffmeister, Antje Leitert, Peter Pürckhauer, Jürgen Uhlig-Schoenian Für eilige Leser | Am 7. November 2023 wurde in Berlin erstmalig das Siegel „Projektorientierte Schule“ (POSCH) an drei berufsbildende und eine allgemeinbildende Schule vergeben. Dies ist ein großer Meilenstein des langjährigen Bemühens der GPM Fachgruppe „PM macht Schule“, die wichtigsten Schritte des professionellen Projektmanagements in Unterricht und Schule zu verankern. Mit dem Konzept „Projektorientierte Schule“ wurden diese Aktivitäten auf ein neues Niveau gehoben. Im Fokus steht nicht mehr nur der Unterricht, sondern stehen nun auch die gesamte Schule und ihr Umfeld. Damit nehmen auch Schulleitungen und Funktionsstellen-Inhaberinnen und -Inhaber an den Fortbildungen zur Unterrichts- und Schulentwicklung teil. Die systemische Perspektive ermöglicht eine nachhaltigere Verankerung von Projektmanagement in der Schule. Außerdem stellt das Siegel vor dem Hintergrund der zurzeit extrem belastenden Rahmenbedingungen für die beteiligten Schulen eine besondere Anerkennung dar. Das Projekt POSCH basiert auf einer umfassend bekannten und mittlerweile oft beschriebenen Problemstellung „Wie können wir Lernende auf Arbeitsplätze vorbereiten, die noch nicht existieren? Wie können wir sie befähigen, gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, die noch nicht absehbar sind, und Technologien zu nutzen, die es noch nicht gibt? Was brauchen Lernende, um sich in einer vernetzten Welt zurechtzufinden, in der sie verschiedene Perspektiven und Weltanschauungen verstehen und wertschätzen, respektvoll mit anderen interagieren und verantwortungsbewusst für Nachhaltigkeit und kollektives Wohlergehen eintreten sollen? “ ([1], Seite 8) Zur Lösung dieses Problems wurden internationale und nationale Konzepte mit Lösungsansätzen erarbeitet: von der UN / UNESCO, der OECD und der KMK sowie den einzelnen Bundesländern. Von den 17 Nachhaltigkeitszielen, die die Weltgemeinschaft 2015 in der Agenda 2030 verabschiedet hat, betrifft das Ziel Nr. 4 zwar explizit den Bereich Bildung, aber es ist unbestritten, dass Bildung essenziell ist für den Erfolg aller 17 nachhaltigen Entwicklungsziele. Die daraufhin von der UNESCO entwickelte Bildungsagenda 2030 stellt einen Leitfaden zum tieferen Verständnis und zur Förderung einer effektiven Umsetzung der gesetzten Ziele dar. Als Strategie für den Kompetenzerwerb wird hier dargestellt, dass „über die Beherrschung arbeitsspezifischer Fertigkeiten hinaus auch ein Schwerpunkt auf die Entwicklung komplexer kognitiver und nichtkognitiver Fähigkeiten / Schlüsselkompetenzen gelegt werden muss, wie Problemlösung, kritisches Denken, Kreativität, Teamwork, Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenzen, die in einer großen Bandbreite an Berufsfeldern genutzt werden können“. ([2] Seite 7) Der OECD Lernkompass 2030 greift die von der UNESCO formulierten Kompetenzziele auf und erweitert sie um „prozedurales Wissen“, also „ein Verständnis dafür, wie man einerseits eine Aufgabe ausführt und anderseits durch strukturierte Prozesse arbeitet und lernt. Es ist besonders nützlich bei der Lösung komplexer Probleme.“ ([1], Seite 61) Die BNE-Roadmap der UNESCO von 2021 wird noch konkreter und benennt projektbasiertes Lernen als einen möglichen Weg zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele ([3], Seite 8). Auf nationaler Ebene finden sich diese Ziele in den Empfehlungen der KMK, z. B. in der ergänzenden Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt“: „Eine zukunftsorientierte Lernkultur, die im Besonderen die Lebens- und Arbeitswelt der Lernenden in den Mittelpunkt stellt, sollte auch gesellschaftliche Kreativstrukturen im Sinne einer Bearbeitung von Problemlösungsprozessen durch Kooperation, Kommunikation sowie Kollaboration-- beispielsweise in agilen Arbeitsweisen und im Bewusstsein der Nutzung von Ressourcenverhältnissen-- zunehmend aufgreifen ([4], Seite 11). Auf institutioneller schulischer Ebene gibt das „Startchancen- Programm“ auf der Basis einer Bund-Länder-Vereinbarung ab dem Schuljahr 2024 / 25 vor, dass „Startchancen-Schulen ihre Schul- und Unterrichtsentwicklung problembewusst und lösungsorientiert gestalten-- von der Bestandsaufnahme über die Zielfindung bis hin zur Durchführung und Implementation von Maßnahmen sowie deren Evaluation“. ([5], Seite 2) Die oben beschriebenen Ziele und Strategien der Kompetenzentwicklung im 21. Jahrhundert können durch projektbasiertes Lernen erreicht werden. Das Projekt POSCH nimmt durch seine Ausrichtung auf beide Prozesse neben der Unterrichtsentwicklung auch die Schulentwicklung in den Blick. Es kann damit der zunehmend an Schulen gestellten Forderung nach einer kompetenten Steuerung komplexer Prozesse der Unterrichts- und Schulentwicklung begegnen. Siegel „Projektorientierte Schule“ (POSCH) erstmalig verliehen! Die GPM setzt ein Zeichen für innovative Bildung GPM | Die GPM setzt ein Zeichen für innovative Bildung 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0014 Der „Projektgedanke“ Bereits im 20. Jahrhundert gelang es dem amerikanischen Pädagogen und Philosophen John Dewey (1859-1952), theoretisch und praktisch zu demonstrieren, wie Lernen an realen Handlungsabläufen und tatsächlichen Problemsituationen die Entwicklung der Persönlichkeit der Lernenden fördert. Er gilt als Begründer der sogenannten Projektmethode. Im Zentrum steht der Gedanke, dass die Praxis eine ideale Grundlage für intensive und nachhaltige Lernerfahrungen bildet. Dewey propagiert das Lernen an realen Handlungsabläufen und tatsächlichen Problemsituationen, die lösungsorientiert bearbeitet werden. Damit legte Dewey den Grundstein für eine Pädagogik, die eine partizipative und emanzipatorische Gestaltung des Lernens begründet. Projektmanagement und Pädagogik Mit den oben skizzierten Merkmalen kann die Projektmethode quasi als Vorstufe zum Projektbasierten Lernen (PBL) betrachtet werden. Die systematische Planung eines Projekts allerdings spielt bei der Projektmethode eine untergeordnete Rolle. Beim PBL dagegen liefert das professionelle Projektmanagement die Systematik zur • Analyse der Ausgangssituation (Projektsteckbrief, Umfeldanalyse), • präzisen Zielbestimmung (Zielsystem) und • Arbeitsplanung (Phasenplan, Projektstrukturplan) mit den Verantwortlichkeiten der einzelnen Teammitglieder. Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt darin, dass es beim PBL nicht um die Bearbeitung eines Themas geht, sondern um die Lösung eines komplexen Problems (Projektauftrag) mit gesellschaftlicher Relevanz oder einem konkreten Nutzen für den Auftraggeber. Die Authentizität der Projektarbeit sorgt dafür, dass die Motivation der Schülerinnen und Schüler gestärkt wird und sie eher bereit sind, Anstrengungen zur Problemlösung auf sich zu nehmen. Dabei müssen Bezüge zu den Inhalten eines oder mehrerer Fächer hergestellt werden, um den Lehrplanvorgaben gerecht zu werden. Bei den sogenannten Projektwochen, die häufig am Ende eines Schuljahres durchgeführt werden, wenn die Zensuren bereits feststehen, ist das eher nicht der Fall. Nachhaltigkeit des Konzepts „PM macht Schule“ Vor fast 20 Jahren wurde das Konzept „PM macht Schule“ von der GPM in Kooperation mit der Universität Bremen und dem Landesinstitut für Schule in Bremen entwickelt und erstmalig im Unterricht der Fachoberschule umgesetzt. 2007 erschien die erste Auflage des Leitfadens „Projektmanagement macht Schule“, der in enger Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort erstellt wurde. Im Laufe der letzten 15 Jahre wurden durch Lehrtrainerinnen und Lehrtrainer der GPM einige hundert Lehrkräfte fortgebildet. Das Fortbildungsangebot der Fachgruppe „PM macht Schule“ beschränkte sich dabei bisher auf mehrtägige Workshops, in denen gemeinsam mit Lehrkräften Lernumgebungen entwickelt wurden, die es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, weitgehend selbstorganisiert Projekte zu planen und durchzuführen. Grundlage hierfür ist der Leitfaden „Projektmanagement macht Schule“, welcher mittlerweile in der 7. Auflage vorliegt ([6]). Allerdings stellten wir immer häufiger fest, dass zwar die fortgebildeten Lehrkräfte das PBL in ihrem eigenen Unterricht weitgehend umsetzten, aber eine Ausstrahlung in die gesamte Schule selten stattfand. Um eine schnellere und effektivere Verbreitung von „PM macht Schule“ zu erreichen, mussten wir unser Konzept grundlegend überarbeiten. Neben einer stärkeren Digitalisierung unseres Fortbildungsangebotes konzentrierten wir uns darauf, nicht nur die fortbildungsbereiten Lehrkräfte, sondern das gesamte System Schule in den Blick zu nehmen. Diese systemische Sichtweise sollte es uns ermöglichen, die verschiedenen Ebenen und Akteure in die Implementierung von „PM macht Schule“ einzubeziehen und somit eine breitere Wirkung zu erzielen. Der aktuelle Lehrkräftemangel und die damit verbundenen Probleme der Unterrichtsversorgung stellten uns vor besondere Herausforderungen. Aus Sicht der Unterrichtsorganisation (Stundenpläne, Fächerverteilung, Lehrkräfteeinsatz etc.) sind Projekte zunächst nur Störungen. Sie sprengen das konventionelle Zeitraster, denn Projektarbeit im 45- oder 90-Minutentakt ist weniger sinnvoll. Für Meetings der Lehrkräfte-Projektteams ist zudem ein Zeitfenster im Stundenplan einzubauen. Aber Teamarbeit ist in Schulen noch immer nicht überall etabliert. Deshalb fehlen oft auch Räume, in denen sich Lehrkräfte ungestört auf den Unterricht vorbereiten oder Projekte gemeinsam planen können. Für die Fachgruppe „PM macht Schule“ stellte sich daher die Frage, wie das Konzept trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen weiterverbreitet und gleichzeitig nachhaltiger werden kann. So entstand das Pilotvorhaben „Projektorientierte Schule“ (POSCH). Das Pilotvorhaben „Projektorientierte Schule“ (POSCH) Das Konzept zur Projektorientierten Schule wurde Anfang 2020 geboren. Es war die Idee, valide Kriterien für eine projektorientierte Schule und einen Prozess für eine nachhaltige Stärkung der Projektorientierung von Schulen gemeinsam mit diesen zu erarbeiten, zu erproben und durch eine Siegelverleihung zu würdigen. Das Qualitätssiegel sollte von den Schulen als pädagogisch hochwertig wahrgenommen werden und gleichzeitig die Minimalstandards des kompetenzbasierten Projektmanagements der GPM erfüllen. Dieses Vorhaben stieß sowohl beim Präsidenten der GPM als auch bei der Bildungssenatorin von Berlin auf positive Resonanz. So wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen der GPM und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin abgeschlossen, um dieses Konzept mit drei Pilotschulen gemeinsam zu entwickeln. Die Voraussetzungen für das Pilotprojekt waren in Berlin besonders günstig, weil sich schon seit Jahren der Arbeitskreis „PM lohnt sich“ der Fortbildung für Lehrkräfte der beruflichen Schulen darum bemühte, das Wissen und die Erfahrungen aus den PM-Workshops auch an andere Kolleginnen und Kollegen weiterzuvermitteln. Dank dieser Multiplikatorinnen und Projektbasiertes Lernen bedeutet: Selbstständiges Erschließen der Welt durch planvolles Handeln und Reflektieren, Lösen komplexer Probleme im Team und Finden nützlicher Lösungen. GPM | Die GPM setzt ein Zeichen für innovative Bildung 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0014 Multiplikatoren, die sich zum Teil auch zu Lehrtrainerinnen und -trainern der GPM qualifizierten, konnten in Berlin an den berufsbildenden Schulen mehr als 500 Lehrkräfte geschult werden und ein Netzwerk von PM praktizierenden Lehrkräften entstehen. Aus diesem Netzwerk wurden schließlich drei engagierte berufliche Schulen für das Pilotprojekt gewonnen. Zentrale Ziele des dreijährigen Projektes mit den drei berufsbildenden Schulen waren: • Stärkung der systematischen Nutzung von Elementen des professionellen Projektmanagements in allen Bereichen der Schulentwicklung (Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung), • Stärkung der nachhaltigen Verankerung des Projektbasierten Lernens im Unterricht nach dem Konzept „PM macht Schule“, • Entwicklung eines Siegels „Projektorientierte Schule“ unter Einbeziehung der Schulen in einem partizipativen Prozess. In einem co-konstruktiven Prozess zwischen der FG „Projektmanagement macht Schule“ und den beteiligten Schulen sollten Kriterien für die Beurteilung der Projektorientierung an den Schulen entwickelt werden, die am Ende des Projekts schließlich einen Maßstab für die Vergabe des Siegels liefern können: einer Auszeichnung für Schulen, die ihre Schul- und Unterrichtsentwicklung auf der Basis von Projektmanagement organisieren wollen und das Konzept des Projektbasierten Lernens im Unterricht eingeführt haben. Im Herbst 2021 fand das Kick-off-Meeting mit den drei Berliner beruflichen Schulen statt- - der Start für die Implementierung eines partizipativen Prozesses, der bewusst die wichtigsten Stakeholder (Schulleitung, Schulverwaltung, Fortbildungskoordinatoren, Lehrkräfte) des Vorhabens „POSCH- Konzept“ einbezog: • Berufliche Schule für Sozialwesen Pankow mit ca. 800 Lernenden in Berufsfachschul-, Fachoberschul- und Fachschul- Bildungsgängen, • Max-Bill-Schule (Oberstufenzentrum Planen Bauen Gestalten) mit ca. 2700 Lernenden in verschiedenen dualen Berufsausbildungen sowie der Berufsvorbereitung, der Berufsfachschule und studienqualifizierenden Bildungsgängen und • Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik mit ca. 1600 Lernenden in verschiedenen dualen Berufsausbildungen sowie der Berufsvorbereitung, der Berufsfachschule und studienqualifizierenden Bildungsgängen. Das Entwickeln eines gemeinsamen Verständnisses konnte nur durch das Arbeiten in „iterativen Schleifen“ gelingen. Dies war zeitaufwendig, aber notwendig, um die Komplexität des Vorhabens zu reduzieren. Trotz der großen Unterschiedlichkeit der beteiligten Schulen in der Umsetzung des Projektmanagements wurden sowohl ein gemeinsames Ziel definiert als auch schulindividuelle Möglichkeiten, den Weg dahin zu gestalten, sichtbar gemacht. Nur dadurch konnte erreicht werden, dass dieser Weg von den drei Schulgemeinschaften insgesamt und nicht nur von einzelnen Lehrkräften oder Schulleitungen getragen wurde. Aus einem im Frühjahr 2021 an einer niedersächsischen Schule durchgeführten PM-Workshop ergab sich eine für das Vorhaben POSCH interessante Situation. Das Schulzentrum Jork, eine Oberschule mit gymnasialem Zweig, interessierte sich ebenfalls für das Siegel und bekundete eine große Bereitschaft, an der Erarbeitung der POSCH-Kriterien mitzuarbeiten. Die Schulleitung hatte die Idee bereits mit dem Kollegium und der Elternschaft diskutiert und deren Zustimmung erhalten. Auch der Schulträger wurde informiert und unterstützte das Vorhaben. Das Vorhaben „Projektorientierte Schule“ umfasste damit zwei Teilvorhaben: 1. Pilotprojekt „Projektorientierte Schule- - Berufsbildende Schulen Berlin“, 2. Pilotprojekt „Projektorientierte Schule-- Schulzentrum Jork“ (Niedersachsen, allgemeinbildende Schule). Im Herbst 2023 konnten die vier Pilotschulen mit dem Siegel „Projektorientierte Schule“ ausgezeichnet werden. Die Siegelverleihung fand im Rahmen des Fachtages der Berliner beruflichen Schulen zum Thema „Projektbasiertes Lernen als Beitrag zu einer personalisierten Lernkultur“ statt und wurde vom Präsidenten der GPM Herrn Prof. Thuy und der Berliner Staatssekretärin für Bildung Frau Henke gemeinsam vorgenommen. ([7]) Wirkung des Projektes Mit dem Projekt wird die Qualität und Nachhaltigkeit der von GPM-Lehrtrainerinnen und Lehrtrainern durchgeführten Lehr- Siegelverleihung an die Max-Bill-Schule. V.l.n.r: Herr Prof. Thuy, Frau Kugel, Herr Klein (SL), Frau Willuweit, Frau Henke Das GPM-POSCH-Team. Herr Uhlig-Schoenian, Frau Leitert, Frau Hoffmeister, Herr Pürckhauer GPM | Die GPM setzt ein Zeichen für innovative Bildung 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0014 kräftefortbildungen zum Projektbasierten Lernen und zur Schulentwicklung auf der Grundlage des Konzepts „Projektmanagement macht Schule“ gesichert. Somit werden die strategischen Ziele der GPM, in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen das Verständnis zu schaffen, dass für nachhaltigen Projekt-Erfolg sowohl Methoden als auch persönliche und soziale Kompetenzen notwendig sind, direkt unterstützt. Zudem werden die flächendeckende Verbreitung des Konzepts „Projektmanagement macht Schule“ und der Aufbau einer Community „Projektorientierte Schulen“ und somit die Netzwerkstrategie der GPM unterstützt. Rolle der GPM Fachgruppe „PM macht Schule“ (PMmS) Das Projekt ist von den Mitgliedern der FG „PM macht Schule“ koordiniert und durchgeführt worden. Die bereits von der FG entwickelten Kriterien für die Vergabe des Siegels Projektorientierte Schule wurden als Impuls im gemeinsamen Entwicklungsprozess mit den Schulen vorgelegt und von den Lehrkräften an die realen Bedingungen der Lehr-/ Lernprozesse im Unterricht angepasst. Die aktiven Lehrtrainerinnen und Lehrtrainer (Mitglieder der FG) übernahmen, gemeinsam mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Fortbildung für die Lehrkräfte der beruflichen Schulen im Land Berlin, die Qualifizierung von Lehrkräften und Schulleitungsmitgliedern. Der Prozessverlauf Um die Nachhaltigkeit eines POSCH-Vorhabens zu gewährleisten, steht am Anfang eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem zuständigen Kultusministerium (hier die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin) und der GPM. Nach dieser Initialisierung wird das Vorhaben durch die Schulverwaltung bei den jeweiligen Schulen bekannt gemacht und um Interessensbekundung gebeten. Bestandteil der Interessenbekundung ist eine Selbsteinschätzung der Schule auf Basis des entwickelten POSCH-Kriterienkatalogs. Nach Zulassung zum aktiven Prozess durch die GPM werden die Lehrkräfte und Schulleitungen der beteiligten Schulen in den PMmS-Konzepten geschult und beginnen mit ihren Projekten auf Unterrichts- und Schulentwicklungsebene. Auf der Basis der vorgelegten Grobplanung für die Projekte erfolgt die Bewerbung und anschließende Siegelverleihung durch eine Jury. Die Schulen setzen bis zum Ende des darauffolgenden Schuljahres die Projekte um und teilen die Ergebnisse mit der Fachgruppe und der Community. Fazit Das POSCH-Team (Peter Pürckhauer, Jürgen Uhlig-Schoenian, Anne Hoffmeister, Antje Leitert) ist stolz, dass das Pilotprojekt wie geplant abgeschlossen werden konnte. Die Fachgruppe hofft nun, dass auch andere Bundesländer dem Berliner Beispiel folgen und Projektorientierung ein selbstverständlicher Bestandteil der jeweiligen Schulprogramme werden wird. Die GPM verbessert mit diesem neuen Ansatz ihre Sichtbarkeit im Bildungsbereich. Das bietet die Chance, künftig auch Schulen als korporative Mitglieder für die GPM zu gewinnen. Literatur [1] Schleicher, Andreas: OECD Lernkompass 2030- - OECD- Projekt Future of Education and Skills 2030, Rahmenkonzept des Lernens, 2019, https: / / www.oecd.org/ education/ 2030-project/ contact/ OECD_Lernkompass_2030.pdf [2] N. N.: Homepage der Deutschen UNESCO Kommission, https: / / www.unesco.de/ bildung/ agenda-bildung-2030/ bildung-und-die-sdgs, Seite 7 [3] N. N.: Bildung für nachhaltige Entwicklung, Deutschen UNESCO Kommission, 2021 https: / / www.bne-portal.de/ bne/ de/ news/ roadmap_deutsch.html [4] N. N.: Lehren und Lernen in der digitalen Welt, KMK, 2021, https: / / www.kmk.org/ fileadmin/ veroeffentlichungen_beschluesse/ 2021/ 2021_12_09-Lehren-und-Lernen-Digi.pdf GPM | Die GPM setzt ein Zeichen für innovative Bildung 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0014 [5] N. N.: Eckpunkte zum Startchancen-Programm, 2023, https: / / www.bmbf.de / bmbf / de / bildung / startchancen / startchancen-programm_node.html [6] N. N.: Homepage der GPM, https: / / www.gpm-ipma. de / politik-gesellschaft / bildung / pm-an-schulen#c2099 Anne Hoffmeister Anne Hoffmeister, Stabsstelle Qualitätsmanagement für die Schulische Berufliche Bildung, SenBJF Berlin (Dipl.-Kauffrau, Studienrätin, DAS Bildungs- und Wissenschaftsmanagement) verfügt über eine 30-jährige Erfahrung in allen Bereichen der beruflichen Bildung junger Menschen: im betrieblichen Bereich der freien Wirtschaft, als freiberufliche Dozentin und Autorin, als Lehrerin und Fachbereichsleiterin in Berufsschulen sowie als Schulaufsicht in der Bildungsverwaltung. Aktuell ist Anne Hoffmeister als Qualitätsmanagerin der Schulischen Beruflichen Bildung in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin tätig. Sie ist Mitglied der GPM-Fachgruppe „Projektmanagement macht Schule“. eMail: a.hoffmeister@gpm-ipma.de Antje Leitert Antje Leitert, Berufliche Schule für Sozialwesen Pankow, Fortbildung für Lehrkräfte der beruflichen Schulen Berlin Diplom-Handelslehrerin seit 1993 mit Erfahrung in der Unterrichts- und Schulentwicklung verschiedener beruflicher Schulen: als Lehrerin, Fachleiterin, Qualitätsbeauftragte sowie als PM-Fortbildnerin für Lehrkräfte. Ihr Fokus liegt auf der stetigen Weiterentwicklung des Lernens, z. B. durch Lernen in Modellunternehmen, Entwicklung personalisierten Lernens, Implementierung Projektbasierten Lernens, und der Mitwirkung an den dafür erforderlichen Change-Prozessen in der Organisation Schule. Aktuell ist Antje Leitert als Ausbildungsbereichsleiterin an der Beruflichen Schule für Sozialwesen in Pankow tätig und leitet den Arbeitskreis „Projektmanagement lohnt sich“ der Fortbildung für Lehrkräfte der beruflichen Schulen Berlins. In der GPM, engagiert sie sich im Leitungsteam der Fachgruppe „Projektmanagement macht Schule“ eMail: a.leitert@gpm-ipma.de Peter Pürckhauer Peter Pürckhauer, Geschäftsführer TIME4PM GmbH Berater, Trainer und Coach für Projektmanagement mit Erfahrung in internationalen Projekten und Programmen seit 1995. Er ist in verschiedenen Branchen (z. B. IT, Life Science, Finanzen, Luft- und Raumfahrt und andere) und Ländern auf bisher drei Kontinenten tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Menschen und Organisationen im Rahmen einer agilen und nachhaltigen Transformation der Projektkultur. Seine Kompetenzen sind u. a. von der IPMA als Senior Project and Programme Manager (Level B), Trainer und Coach zertifiziert. In der GPM, engagiert er sich in mehreren Fachgruppen, insbesondere in PM macht Schule und PM goes sustainable. In der IPMA, dem globalen Dachverband der GPM, ist er u. a. in der SIG ESG an der Entwicklung des Standards für Nachhaltigkeit im Projektmanagement beteiligt. Internet: www.time4pm.com eMail: peter.puerckhauer@time4pm.com Jürgen Uhlig-Schoenian Jürgen Uhlig-Schoenian, Leiter der Fachgruppe Projektmanagement macht Schule seit ihrer Gründung 2009. Stationen seiner beruflichen Laufbahn: Studium der Elektrotechnik (TH Kaiserslautern), Studium Gewerbelehramt (TU Darmstadt), 18 Jahre Unterricht an einer gewerblich-technischen Berufsschule, erste PM-Erfahrungen in OE-Projekten als wiss. Mitarbeiter an der Uni Bremen, Projektleiter und Curriculumentwickler bei der Senatorin für Bildung in Bremen, deutschlandweit erste erfolgreiche Implementierung von PM im Unterricht der Fachoberschule, Co-Autor der Leitfäden „PM macht Schule“, Ausweitung des Konzepts auf alle Bildungsgänge und Schularten der Sekundarstufen I und II. Seit der Pensionierung verstärktes Engagement in der Fachgruppe mit dem Ziel des Roll-outs von PM macht Schule in möglichst allen Bundesländern. eMail: j.uhlig-schoenian@gpm-ipma.de [7] N. N.: Homepage der GPM, https: / / www.gpm-ipma. de / ueber-die-gpm / aktuelles / detail / verleihung-desgpm-siegels-projektorientierte-schule 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0015 GPM Baumspende-- Gemeinsam den Wald der Zukunft gestalten Nadia Saoudi Zur Ehrung ihrer langjährigen Vereinsmitglieder hat die GPM im vergangenen Jahr in Kooperation mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald eine eigene Baumspendenaktion ins Leben gerufen. Mit dieser setzt sich die GPM aktiv dafür ein, die Lebensquelle Wald auch für zukünftige Generationen zu schützen und zu bewahren. Im Rahmen der Jubiläen 2022 konnten insgesamt 236 Nadelbäume im Hofoldinger Forst ihre Wurzeln schlagen. Dieses Jahr werden wir, sobald das Wetter es wieder zulässt, für 275 GPM Jubilaren einen Laubbaum setzen. Zusätzlich erhalten alle eine persönliche Baumurkunde mit den GPS Koordinaten ihres Baumes. Wie GPM Mitglieder Bäume wachsen lassen Seit 2018 sind durch den Klimawandel 5 % der gesamten Waldfläche Deutschlands (500.000 Hektar) abgestorben und auf einer Fläche von 2,85 Millionen Hektar akut bedroht. Der Wald ist einer der größten CO 2 -Speicher unseres Planeten. Andauernde Dürren und Schädlingsbefall setzen den Wald zusätzlich unter Stress. Um weiteres Waldsterben zu verhindern, muss der Wald klimaresilient umgebaut werden. Nachhaltiges Handeln und der Schutz unserer Ökosysteme bilden wichtige Säulen im gesellschaftlichen Engagement der GPM. Deshalb ist das Fokusthema Nachhaltigkeit mit ihren Dimensionen Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit mittlerweile fest im strategischen Überbau und dem Leitbild der GPM verankert. Um dieser Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern, der Umwelt und der Gesellschaft gerecht zu werden, hat die GPM im Rahmen der Jubiläen ihrer langjährigen Mitglieder eine eigene Baumspendenaktion zur Aufforstung einheimischer Wälder ins Leben gerufen. In Kooperation mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) hat sich die GPM dazu verpflichtet, mindestens einmal jährlich für jedes Mitglied mit rundem Jubiläum einen Baum für bayrische Wälder zu spenden. Damit setzt die GPM nicht nur ein Zeichen für Nachhaltigkeit und Umweltschutz, sondern auch ein Zeichen der Wertschätzung für ihre langjährigen Mitglieder, deren anhaltende Treue und persönliches Engagement das Herzstück der Vereinstätigkeit bilden. Anlässlich der Mitglieder-Jubiläen 2023 werden insgesamt 275 Setzlinge im Hofoldinger Forst bei München Wurzeln schlagen. Für die Stadt München erfüllt der Hofoldinger Forst eine wichtige Funktion für frische Luft und sauberes Trinkwasser, bietet Pflanzen und Tieren Lebensraum und schafft einen beliebten Rückzugs- und Erholungsort für die Bevölkerung. Fehlende Niederschläge, heiße Sommer, Sturm- und Schneebruchschäden sowie der sich ausbreitende Borkenkäfer haben in den vergangenen Jahren massive Schäden hinterlassen und zu vielen abgestorbenen Bäumen geführt. Deshalb setzt sich die SDW Landesverband Bayern e. V. mit Hochdruck dafür ein, das Waldgebiet auf den fortschreitenden Klimawandel vorzubereiten. Gemeinsam Zukunft gestalten Als gemeinnütziger Fachverband möchte die GPM ihre gesellschaftliche Verantwortung für eine intakte Umwelt und eine lebenswerte Welt auch in das Vereinsleben hineintragen. Die Unterstützung und das tatkräftige Engagement ihrer Mitglieder ermöglichen es der GPM ihre Energie dorthin zu lenken, wo die größte Wirkung für zukünftige Generationen erzielt werden kann. Die GPM Baumspende ist ein Ausdruck der Wertschätzung und des Dankes, die bei allen ein gutes Gefühl hinterlässt. GPM | GPM Baumspende-- Gemeinsam den Wald der Zukunft gestalten 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0015 Die GPM ehrt ihre Jubilaren 2023 für ihre langjährige Mitgliedschaft und Treue. Nicht alle Mitglieder möchten namentlich genannt werden, das berücksichtigen wir natürlich: GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy bei der Baumpflanzaktion im Münchner Wald 2023 Ehrungen vierzig Jahre Mitgliedschaft: Bredemeier Electronics GmbH Ehrungen dreißig Jahre Mitgliedschaft: Axel Smyk Sonja Schade Jochen Hartmann Robert Stadler Dirk Noellen Michael Bernhardt Ehrungen zwanzig Jahre Mitgliedschaft: René Windus Heinz-Georg Andreas Kories Matthias Kuempel Nicole Schelter Ulrich Meier Oliver Issler Korneli Management GmbH & Co. KG Stefan Fuest Markus Preißler Uwe Wenzel Uwe Kopp Martin Bialas Rolf Obladen Janine Willms-Zorn Dietmar Grupe Genius Brains GmbH Ehrungen zehn Jahre Mitgliedschaft: Stephan Reinisch Matthias Weiser Frank Meißner Steffen Scheurer Rainer Reimers Alice Dempel Frank Wittig Silke Schönert Peter Maier Christine Kassler AMPM Consulting GmbH Mario Sebast MK Competence Consulting & Coaching Diethelm Arnold Monika Preu Stephan Paul Consulting Jens Vogel Pascal Niggemann Dirk Liekmeier Katrin Holtorf Robert Große-Ahlert Dieter Ebhart Mathias Walter Advantage-IT GmbH Klaus Hüppchen Christine Schmöller Matthias Rak Marco Unland Ole Hansen Martin Ratzmann Ralf Snyders Silke Haag Thomas Wuttke Helge Koch-Eschweiler Martin Spitzer Wolfgang Azadi Robert Schenk Tobias Lahmer Georg Walcher Jana Schwemm INCOVIS Akademie GmbH Diehl Defence GmbH & Co. KG Frank Rieske SKF GmbH Ulrich Lintker Marcel Vogt Franz Xaver Kollmer Frank Kopplin David Fügner Rüdiger Goersch Monika Buob Burkhard Krebs 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0016 Buchbesprechung Kluge Personalentscheidungen für die neue Arbeitswelt Thor Möller Michael Hesseler: Human Resource Management 4.0. UVK Verlag, 2022, 359 Seiten, Softcover, ISBN: 978-3-7398-3013-1, Preis: 49,99 Euro Der Fachkräftemangel hat sich in 2023 zu einer großen Problematik in nahezu allen Branchen entwickelt und macht natürlich auch nicht vor dem Projektmanagement halt. Für das Projektmanagement ist es zwar kein neues Problem, die erforderlichen Stellen mit entsprechendem Personal zu besetzen und das Team unter oft schwierigen Bedingungen im Projekt zu halten und zu motivieren. Aber es ist eine neue Schärfe entstanden, die sich in den nächsten Jahren sicherlich noch zuspitzen wird. Umso mehr ist es erforderlich, gut ausgebildete Fachkräfte für das Projektmanagement insgesamt und einzelne Projekte zu gewinnen, zu motivieren und zu binden. Personal- und Projektmanagement müssen neue und intensivere Wege der Zusammenarbeit gehen. Dabei ist insbesondere ein neuer Blick auf eine geänderte und die künftige Arbeitswelt erforderlich. Das Buch Human Resource Management 4.0 von Michael Hesseler liefert dafür eine große Menge grundlegender Informationen und praktischer Hinweise. Der Autor bringt als promovierter Sozial- und promovierter Wirtschaftswissenschaftler eine eher seltene Doppelqualifikation mit, die die gesamte Thematik umfassend und neu darstellt. Zudem beleuchtet er die Themen als Wissenschaftler und Praktiker aus einem langen und intensiven Arbeitsleben in der Arbeits- und Organisationswissenschaft und Praxis, sodass praktisch für jeden Leser neues Wissen sowie eine Vielzahl von Impulsen enthalten sind. Aus dieser besonderen Melange gelingt mit vielen Beispielen und Arbeitshilfen der schwierige Spagat einer kompromisslosen und starken Zukunftsorientierung bei der Darstellung der Thematik, ohne dabei jahrzehntealte Erkenntnisse zu vernachlässigen. Ein wesentlicher und integraler Bestandteil des Buches ist die Employability bezüglich der zunehmenden Digitalisierung inklusive der Potenziale künstlicher Intelligenz. Diese Entwicklungen erzeugen einen enormen Strukturwandel mit dem Wegfall oder kompletten Neuausrichtung vieler Jobs. Ohne hinreichende digitale Kompetenzen wird künftig kein anspruchsvoller Job mehr ausführbar sein. Die Abholung und Begleitung der Menschen auf diesem Weg entwickelt sich mehr und mehr zu einem kritischen Erfolgsfaktor für einzelne Buchbesprechung | Kluge Personalentscheidungen für die neue Arbeitswelt Organisationen und ganze Volkswirtschaften. Einen besonderen Fokus legt das Buch dabei auf die Generation Y und Generation Z. Der inhaltliche Aufbau des Buches erläutert zunächst die Transformation der Arbeitswelt durch Technik. Darauf aufbauend beschreibt es die gesellschaftlichen Transformationsfaktoren (Makro-Ebene), die Transformation des Unternehmensumfeldes (Meso-Ebene) und die bewusste Transformation des Human Resource Managements (Mikro-Ebene). Anschließend zeigt es die neue berufliche Organisation der Arbeit (Bedarfsseite) auf und wie professionelles Human Resource Management darauf eingehen kann (Bedarfsdeckung). Es folgen diverse HR-Aufgaben u. a. von der Planung, Controlling und Verwaltung bis hin zum Informationsmanagement und Gesundheits- und Betreuungsmanagement. Daraufhin diskutiert es Wahn und Wirklichkeit der Rationalisierung. Abschließend stellt das Buch eine Systematik zur Bewertung von HRM-Systemen dar. Zudem gibt es digitale Zusatzmaterialien, die auf den Internetseiten des Verlags heruntergeladen werden können. Das Buch ist gründlich strukturiert und erfrischend zu lesen. Dabei eignet es sich zum Stöbern und punktuellen Lesen ebenso wie zum Durcharbeiten ganzer Kapitel. Eine Vielzahl an Aufzählungen wird ergänzt durch Tabellen und Abbildungen. Letztere könnten etwas lesbarer und moderner gestaltet werden. Fazit Das Buch Human Resource Management 4.0 beinhaltet ein Feuerwerk an Wissen und praktischen Impulsen zur Thematik. Es ist daher eine solide Investition und unbedingt lesenswert für jede Führungskraft und alle, die es einmal werden wollen. Es kann vor allem Praktikern zum Verbessern ihres Vorgehens dienen. Aber auch Nachwuchskräfte können es für ihre Aus- und Weiterbildung nutzen. Insbesondere auch für im Projektmanagement tätige Personen ist es eine besondere Empfehlung, da der Mensch längst als Schlüsselerfolgsfaktor in Projekten erkannt ist und sich durch den steigenden Fachkräftemangel ganz neue Herausforderungen ergeben. Trotz enormer Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten ist das Thema Human Resource Management im Projektmanagement allerdings immer noch nicht ausreichend repräsentiert. Die vielfältigen Impulse des Buchs können eine Vielzahl an Erleichterungen und Optimierungen der Projektarbeit herbeiführen und somit den Erfolg einzelner Projekte, Programme und Portfolios und somit ganzer Organisationen steigern. Eingangsabbildung: © iStock.com / nicolamargaret Die medienübergreifende Publikation Transforming Cities berichtet über Städte im Wandel, über die weltweite Urbanisierung und ihre Auswirkungen. Anspruch ist die ganzheitliche Analyse und Aufbereitung von Kernfaktoren zur aktiven Gestaltung der Stadt von morgen. www.transforming-cities.de Das sind unsere Themen 2024: 1 Kommunale Wärmewende 2 Offene und sichere Städte 3 Prinzip Schwammstadt 4 Transformation urbaner Mobilität Call for Papers 2024 Wir freuen uns über Ihre Beitragsvorschläge. Anzeige 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0017 Jens Köhler Priesberg betritt frustriert das Büro von Ehrlich. „Ich habe gleich zweimal verloren: Gegen den neuen KI-Chatbot chatGPT und gegen die Argumentation eines eingebildeten Kollegen.“ „Schwierige Zeiten“, entgegnet Ehrlich, „wenn sowohl die KI als auch die Menschen gegen einen sind.“ „Dabei wollte ich die Menschen gegen die KI verteidigen“, antwortet Priesberg resigniert. „Wie ist das Gespräch abgelaufen? “, fragt Ehrlich. „Der Kollege meinte begeistert, dass chatGPT fast alle Berufe, auch den des Projektleiters, überflüssig mache“, erläutert Priesberg und fährt fort: „Ich eröffnete das Gespräch, in dem ich darauf hinwies, dass die praktische Erfahrung von Projektführungskräften doch niemals durch eine KI ersetzbar ist.“Ehrlich unterbricht ihn: „Lass‘ mich raten, er entgegnete, chatGPT habe doch sicher eine Projektmanagement-Zertifizierung bestanden.“ Priesberg winkt müde ab: „Nicht nur das, man müsse nur die aktuelle Situation im Projekt zusammenfassen und Fragen an chatGPT stellen. Dann kämen Lösungsvorschläge heraus, die besser als menschliche sind.“ Ehrlich fasst zusammen: „Also gabst du energetisch entladen und mit dem Bewusstsein auf, zukünftig keine Arbeit mehr zu haben.“ Ehrlich legt eine Pause ein und holt tief Luft: „Es ist alles eine Frage der Energie. Wirkungsvolle Kommunikation ist Energiemanagement im Gehirn. Und zwar in deinem Kopf und dem deines Gegenübers.“ Priesberg stutzt: „Ich dachte, Kommunikation sei eine Sache der Worte. Und nun kommt noch die Energie dazu.“ Ehrlich legt los: „Zuerst die Prinzipien-- erstens: Sei selbst Meister deiner Energie. Lasse sie nicht durch dein Gegenüber, sei es Mensch oder chatGPT, einnehmen. Zweitens: Lenke den Energiefluss deines Gegenübers in die für dich gewünschte Richtung. Und drittens: Fragen ist wichtiger als reden.“ Ehrlich macht eine Pause und spricht dann im vollen Brustton der Überzeugung: „chatGPT wird uns alle überflüssig machen.“ Priesberg, jetzt hellwach, antwortet: „Woher weißt du das? Beweise es mir! “ Ehrlich antwortet selbstsicher: „chatGPT besteht die Projektmanagement-Zertifizierung. Dadurch kann es jede Frage beantworten und ist den Praktikern, die dicke Handbücher lernen und später anwenden müssen, haushoch überlegen.“ Priesberg antwortet: „Glaubst du, dass eine Zertifizierung allein ausreicht, um Projekte meistern zu können? “ Ehrlich zahlt es mit gleicher Münze heim: „Du hast sicher ein Gegenbeispiel.“ Priesberg überlegt. Er wirkt unsicher, da ihm nichts einzufallen scheint, hat aber plötzlich eine Idee: „Kann chatGPT Körpersprache und menschliches Verhalten spiegeln? “ Ehrlich antwortet: „Eins zu Null für dich. Es spricht bei Menschen die Spiegelneuronen nicht an, die für die Übertragung von Emotionen wichtig sind.“ Priesberg resümiert wie im Schlussplädoyer: „Und damit fehlt die Komponente, welche für Vertrauen im Projektteam essenziell ist. Und ohne Vertrauen hat ein Projekt noch nie funktioniert. chatGPT kann uns also nicht weiterhelfen.“ Zur Enttäuschung von Priesberg antwortet Ehrlich: „Doch! “ „Ich hatte gehofft, dass ich nun die schlagenden Argumente habe“, spricht Priesberg. Ehrlich greift ihm unter die Arme: „Naja, ich habe auch etwas anderes vor, als abends mich in Regelwerken zu vertiefen.“ Priesberg schnippt mit den Fingern: „Klar. Das Ding kann uns spezifische Antworten zu bestimmten Prozeduren liefern.“ Ehrlich fragt unschuldig: „Einfach so? “ Priesberg antwortet schnell: „Natürlich kommt es darauf an, wie die Eingabe an chatGPT erfolgt, also der Prompt formuliert wird. Da steckt menschliche Intelligenz drin.“ Ehrlich verbeugt sich und fasst zusammen: „Zwei zu Null für dich. Der Mensch spielt zwei wichtige Rollen: Erstmal kann durch ihn Vertrauen im Team erst entstehen und zweitens füttert menschliche Intelligenz die Maschine. Ich weiß also gar nicht, wo dein Problem war.“ Priesberg entgegnet trocken: „Ha, hätte ich auf deine erste Behauptung nicht mit einer Frage geantwortet, dann wäre ich wieder in meiner Endlosschleife gefangen gewesen.“ Er lächelt: „Die Frage schließlich gab mir Zeit, weitere Munition zu sammeln und von deiner Strategie abzulenken, sich nur auf die Dokumentation zu beschränken.“ „Und ab dort hattest du die Führung übernommen mit dem Thema ‚Vertrauen‘ einen Anker gesetzt, an dem du dich weiterhangeln konntest“, stellt Ehrlich fest. „Und darüber hinaus hast du eine Mensch-Maschine Perspektive für Projektmanagement skizziert.“ Priesberg lacht: „Na dann wenden wir die Erkenntnisse gleich an und beziehen chatGPT in die nächsten Aktivitäten ein.“ Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Kolumne Der mentale Energietrunk Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0018 Die GPM Fach- und Regionalgruppen Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM TANTIVE GmbH www.tantive.gmbh Jürgen Leger, juergen.leger@tantive.gmbh Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden Unterstützung über den klassischen Life-Cycle eines Softwareprojekts. Von der ersten Analyse der Produktvision bis hin zur Auslieferung. Begleitet wird das durch Skills in agilen und klassischen Vorgehensweisen und der Möglichkeit von Trainings aller genannten Inhalte, entweder punktuell oder abgerundet als gesamtes Schulungskonzept. Projektmanagement-Unterstützung im Rahmen der Software-Projekte unserer Kundinnen und Kunden. Netzwerken, Know-how Austausch, Weiterbildung, Zertifizierungen MICAS AG www.micas.de / karriere Frau Kunz, personal@micas.de Die MICAS AG steht für hochwertige und innovative Elektronik- und Sensorlösungen für die Gebäudetechnik. Koordination, Steuerung und Dokumentation der Entwicklungsprojekte in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam. Besetzung der Stelle des Projektmanagers durch geeignete Kandidaten. Asseco Solutions AG assecosolutions.com PMO: Karsten Röttger, karsten.roettger@assecosol.com Die Asseco Solutions AG ist Hersteller und Projektierer der ERP-Lösung APplus. Wir bedienen unterschiedlichste Branchen des Mittelstands wie beispielsweise den Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau, den Automotive-Sektor, Serienfertigung, Großhandel oder Dienstleistungssektor. Die Asseco Solutions AG ist Teil der polnischen Asseco-Gruppe, dem größten Softwarehersteller Mittel- und Osteuropas. Als Projektierer unserer eigenen ERP-Lösung gehört dem Projektmanagement die maximale Aufmerksamkeit und ist letztendlich Teil des Geschäftsmodells. Wir freuen uns, ein Teil des großen und kompetenten Netzwerks der GPM sein zu dürfen. Wir werden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen der IPMA-Level weiter qualifizieren. Die derzeit 39 Regionalsowie 34 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen.html bzw. www.gpm-ipma.de / ueber_uns / regionen.html Aus den DACH-Verbänden | GPM intern 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0019 Aus den DACH-Verbänden | pma intern Erfolgreiche IPMA® Validierung stärkt pma als Vorreiter im Projektmanagement pma Präsidentin Brigitte Schaden: „Die IPMA® Validierung bescheinigt pma höchste Qualität! “ © pma / L. Schedl Im vergangenen Jahr wurde die Zertifizierungsstelle von pma-- Projekt Management Austria einer alle drei Jahre stattfindenden Qualitätsprüfung durch die IPMA®, die International Project Management Association, unterzogen. Diese Prüfung umfasste die Stabilität der Organisation und des Managements, die Performance, die Kundenzufriedenheit sowie die Qualität der Zertifizierungsprozesse. Mehr als 1.500 Personen haben 2023 ihr Wissen und ihre Erfahrungen im Projektmanagement durch eine pma / IPMA® Zertifizierung in Österreich erfolgreich unter Beweis gestellt. Ein Zertifikat nach pma / IPMA® gilt als Nachweis für Qualität und hat sich als wesentlicher Faktor in der Karriereplanung etabliert. Auch für Unternehmen bietet eine Zertifizierung nach pma / IPMA® viele Vorteile, schafft ein gemeinsames Projektverständnis und sichert Qualitätsstandards im Projektalltag- - auch über Landesgrenzen hinweg. „Wir freuen uns sehr über das äußerst positive Ergebnis der Qualitätsprüfung und die Wertschätzung für das gesamte Team“, sagt pma Präsidentin Brigitte Schaden. tätshandbuch sichert die Qualität der Zertifizierungsprozesse. Besonders hervorgehoben werden die solide Führung und die engagierten Mitarbeiter*innen der pma Zertifizierungsstelle. Mit der Innovationsbereitschaft und den hohen Qualitätsstandards ist pma somit auch für die Zukunft des Projektmanagements bestens aufgestellt. Informationen zum Zertifizierungsangebot von pma finden Sie hier: pma.at/ de/ zertifizierung pma Mitglied vor den Vorhang Kontron Transportation GmbH Lehrbachgasse 11 1120 Wien www.kontron.com / ktrdn pma auf Wachstumskurs pma nimmt am österreichischen Projektmanagement-Markt eine Vorreiterrolle ein. Mit ihrem 50-jähriges Bestehen genießt die Organisation einen ausgezeichneten Ruf und baut auf ein enges Netzwerk zu Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Wie aus dem Validierungsbericht der IPMA® hervorgeht, zeigt das Zertifizierungsverfahren von pma „einen hohen Reifegrad“. Eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Zertifizierungen nehmen die engagierten und erfahrenen Assessor*innen ein. Auch die Zahlen zeichnen ein positives Bild: Über tausend Zertifizierungen auf Level D werden jedes Jahr durchgeführt, und der Trend bei Level C-, Bsowie Agile Leadership-Zertifizierungen zeigt ebenfalls nach oben. Ein umfassendes Quali- Hauptgeschäftsgebiet Wir sind ein Anbieter von End-to-End-Kommunikationslösungen für Mission-Critical Networks. Unser Unternehmensfokus liegt in der zuverlässigen und effizienten Produktion, Vermittlung und Verarbeitung von Sprach-, Daten- und Videoinformationen. PM-Aufgaben Unsere Projektmanager*innen leiten Projekte im Bereich von Missional Critical Networks, die Themen wie Engineering, Aufbau, Inbetriebnahme sowie die Abnahme und das Going-Live von Telekommunikationslösungen im Bahnumfeld beinhalten. PROJECTING FUTURE/ S ’24 17. Oktober 2024 Info & Anmeldung zur hybriden Veranstaltung www.pma.at/ focus FRÜHBUCHER BONUS bis 30.06.! 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0020 Aus den DACH-Verbänden | spm intern Warum sich bei der IPMA® in Agile Leadership zertifizieren lassen? Maja Schütz, Mitglied Geschäftsleitung + Leiterin Services VZPM Der Verein zur Zertifizierung von Personen im Management (VZPM) führt im Auftrag des spm- - Fachverband im Projektmanagement in der Schweiz- - die Zertifizierungen der IPMA durch. Er wollte von zertifizierten Personen wissen, warum sie sich für eine Zertifizierung IPMA Agile Leadership entschieden haben und welchen Nutzen sie darin sehen. Die Statements zeigen ein paar wesentliche Punkte auf, welche an den Zertifizierungen der IPMA geschätzt werden, nämlich dass-… …- die Zertifizierungen auf der praktischen Erfahrung der Kandidat: innen basieren. …-im Zertifizierungsprozess die eigene Leistung reflektiert werden muss. …- sie auf verschiedene Projektarten anwendbar sowie methodenneutral sind. Hier sind die Antworten der zertifizierten Personen. Michèle Rota, Bundesamt für Informatik und Telekommunikation, IPMA Level A agile «Im Rahmen der erfolgreichen Transformation meiner Organisation in eine SAFe-Kultur habe ich in den letzten Jahren umfassende Erfahrungen im Aufbau agil ausgerichteter Arbeitsorganisationen und Kundenprojekte gesammelt. Mit bereits vorhandenem Level C Zertifikat war es für mich daher selbstverständlich, nun auch die agile Zertifizierung der IPMA anzustreben, um meine Kompetenzen in der agilen Welt nachzuweisen. In meiner Verantwortung für zahlreiche Kundenaufträge ist es mir besonders wichtig, dass meine Teams und ich die passende und erfolgversprechendste Methodik sowie die für uns geeignetsten Werkzeuge je nach Situation und Anforderungen auswählen können. Die Zertifizierung im Bereich Agile Leadership integriert sich daher ideal in mein derzeitiges Arbeitsumfeld und unterstreicht meine persönliche Arbeitsphilosophie im Umgang mit Menschen und komplexen Aufgabenstellungen. Es ist mir wichtig, dass die Mitarbeitenden, Lieferanten und Kunden in meinen Projekten Freude an der Projektarbeit haben, Zusammenhänge verstehen und Kritik als Quelle zur Optimierung betrachten. Während des Assessments konnte ich meine Fähigkeiten und meine eigene Projektarbeit reflektieren, was mich noch einmal mehr darin bestärkt hat, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Das Zertifikat der IPMA schätze ich besonders, da es meine Kompetenzen seriös und kritisch erfasst und international anerkannt bestätigt. » Siro Gennari, xhuma GmbH, Product Owner und Project Manager, IPMA Level B agile «Im Jahr 2015 absolvierte ich erfolgreich die Zertifizierung IPMA Level C. Seitdem entwickelte ich mich beruflich in einem Softwareunternehmen weiter und konnte dort grössere agile Vorhaben mit mehr Verantwortung übernehmen. Sobald ich über genügend Erfahrung in Agile Leadership verfügte, strebte ich eine diesbezügliche Zertifizierung an. Mich überzeugt, dass für das Absolvieren der Zertifizierungen der IPMA praktische Erfahrungen gefordert sind und dass diese die Grundlage für die Beurteilung meiner Kompetenzen bilden. Den Zertifizierungsprozesses habe ich genutzt, um meine theoretischen Kenntnisse zu erneuern und zu vertiefen. Es war eine wertvolle Gelegenheit, meine Arbeit zu reflektieren, nicht zuletzt in Bezug auf Erfolge, Herausforderungen und Learnings. Mittlerweile bin ich in unserem Unternehmen für Vorhaben auf Mandatsbasis verantwortlich. Mein Zertifikat verschafft unserem Unternehmen auf dem Markt einen Vorteil, hilft Ausschreibungen zu gewinnen und wirkt als Türöffner.» Pascal Imhof, ACE project services ag, Projektleiter, IPMA Level B agile «Zu Beginn meiner Karriere nutzte ich die traditionelle Wasserfallmethode im Projektmanagement. Mit steigender Komplexität, vor allem in der Softwareentwicklung, wurden klare Anforderungsspezifikationen herausfordernd. Die Einführung agiler Methoden ermöglichte mir eine flexiblere Reaktion auf unvorhergesehene Anforderungen. Allerdings ziehe ich einen hybriden Ansatz vor, um situationsgerecht auf Kundenbedürfnisse einzugehen und das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Aus den DACH-Verbänden | Warum sich bei der IPMA® in Agile Leadership zertifizieren lassen? 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0020 Ich strebte eine Zertifizierung an, die nicht nur auf einer Prüfung basierte, sondern es mir ermöglichte, meine Kompetenzen praxisorientiert nachzuweisen. Die Teilnahme am Zertifizierungsprozess erforderte den Nachweis meiner praktischen Erfahrung sowohl im Projektmanagement als auch in agilen Vorhaben. Die Zertifikate der IPMA bieten auf dem Markt die Möglichkeit, die Kompetenzen von Projektleitenden umfassend einzuschätzen. Während des Zertifizierungsprozesses frischte ich meine theoretischen Kenntnisse auf. Ein wesentliches Element des Assessments bestand für mich in der kritischen Reflexion meiner Arbeit, insbesondere im Rahmen des Interviews mit erfahrenen und kompetenten Assessoren.» Tatjana Kropp, Axpo Group, Head HR Transformation & Technology, IPMA Level B agile «In meinen früheren Anstellungen habe ich bereits umfassende praktische Erfahrungen im klassischen und agilen Projektmanagement sammeln können. Bei meiner aktuellen Arbeitgeberin war ich zunächst für die internen Ausbildungsangebote unter anderem auch für Projektmanager: innen verantwortlich. In dieser Zeit absolvierte ich erfolgreich die Zertifizierung IPMA Level D, vor allem auch um selbst zu sehen, was hier vermittelt wird und wie umfangreich eine Vorbereitung zur Zertifizierung ist. In meiner neuen Rolle bin ich wieder im Programm- und Projektmanagement tätig und verantworte unterschiedliche Projekte, die entweder "klassisch", agil oder hybrid abgewickelt werden. Da ich die Zertifizierungsprozesse der IPMA bereits kannte und deren Abläufe mich überzeugen, entschied ich mich, die Zertifizierung IPMA Level B agile anzugehen. Aus meiner Sicht passt der Ansatz der Zertifizierungen der IPMA bestens zu denjenigen Projektarten, welche ich zu verantworten habe. Am Zertifizierungsprozesses schätze ich die Reflexion meiner bisher als Projektleiterin erbrachten Leistungen sowie die theoretische Auseinandersetzung mit Themen des Projektmanagements. In Ergänzung dazu habe ich eine rollenbasierte Zertifizierung absolviert.» Christian Sterr, adesso Schweiz AG, Projektleiter, Trainer und Coach, IPMA Level C agile «Ich wollte meine in einem agilen Umfeld erbrachten Leistungen nachweisen und strebte deshalb eine entsprechende Zertifizierung an. Zu diesem Zeitpunkt verfügte ich bereits über eine Zertifizierung IPMA Level B in Projektmanagement. Somit war es für mich naheliegend, beim VZPM eine Zertifizierung in Agile Leadership zu absolvieren. Bei den Zertifizierungen der IPMA überzeugt mich, dass diese auf Erfahrungen und Kenntnissen aus der Praxis basieren. Zudem fand ich die Reflexion meiner Arbeit im Rahmen des Zertifizierungsprozesses äusserst positiv. Mir gefällt, dass dabei mein eigener Beitrag zum Projekterfolg beurteilt wurde und ich mich mit meinen Stärken und Schwächen auseinandersetzen musste. Auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber spielte der Leistungsnachweis durch die IPMA eine wichtige Rolle. Und auch bei Ausschreibungen wird heute häufig der Nachweis von Zertifikaten der IPMA gefordert. Mit meinem Zertifikat kann ich meine Kompetenzen problemlos nachweisen.» Jann Steiner, Solution Architect, Neue Zürcher Zeitung AG (NZZ), IPMA Level D agile «In unserem Unternehmen setzen wir seit Jahren auf agile Methoden und Arbeitsweisen. Um einen entsprechenden Nachweis zu erlangen, hatte ich mich entschlossen, eine Zertifizierung IPMA Level D agile anzugehen. Obwohl eine Weiterbildung keine Pflicht für die Erlangung des Zertifikats IPMA Level D ist, machte ich eine Weiterbildung. Ich wollte mein theoretisches Wissen verbessern, einen Einblick in das «klassische» Projektmanagement erhalten und eine Vorbereitung für die Prüfung IPMA Level D durchlaufen. Die Zertifizierungen der IPMA überzeugen mich insbesondere wegen ihrer Fokussierung auf Kompetenzen. Zudem geniesst die IPMA einen ausgezeichneten Ruf und deren Zertifikate sind international anerkannt. Für mich war es in Bezug auf die Qualität entscheidend, dass ich eine Zertifizierung in der Schweiz absolvieren kann, selbst wenn die Prüfungen online stattfinden. » 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 01/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2023-0021 Auf ein Wort mit-… Lars Nielsen, Projektportfoliomanager und Teamleiter bei der Hannover Rück SE Zur Person | Er ist u. a. verantwortlich für Projektmanagementcoaching sowie die Weiterentwicklung der Hannover Rück Projektmanagementstandards und -software. Martina Peuser Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? Bereits zur Schulzeit bin ich durch Hobbies wie bspw. die Organisation von Veranstaltungen mit „Projekten“ in Kontakt gekommen. Bei einer Young Crew Convention während meines Wirtschaftsingenieurstudiums lernte ich die GPM kennen. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Das Projekt, in dem ich die bislang größte Verantwortung übernommen habe. Die weltweite Einführung von SAP S / 4 HANA für einen in Hannover ansässigen Lebensmittelhersteller. Die Zeit war lehrreich und fordernd. Das Projekt wurde von vielen externen Dienstleistern begleitet, beinhaltete eine große Budgetverantwortung und hohen Termindruck. An welchem Projekt arbeiten Sie gerade? Ich bin Projektportfoliomanager und habe damit diverse Projekte im Überblick. Mit meinem Team helfe ich Projekten u. a. durch Coaching, Governance und Softwareunterstützung erfolgreich zu sein. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? In der Hannover Rück existieren verschiedene Vorgaben und Methoden auf Portfolio-, Programm- und Projektebene. Auch sind wir nun kürzlich GPM / IPMA Firmenmitglied geworden und lassen uns davon inspirieren, was dort geboten wird. Welche historischen Projekte bewundern Sie am meisten? Mich hat zuletzt eine Geschichte über die Erkundungsfahrten von James Cook fasziniert. Heute würden wir das als „Projekte“ bezeichnen. Sie sind ein beeindruckendes Unterfangen unter unglaublicher Unsicherheit. Was zeichnet Sie als Projektmanager besonders aus? Als Projektportfoliomanager befinde ich mich permanent in einem Balance-Akt. Für das Senior-Management bis zum Vorstand bin ich Dienstleister für fundierte Entscheidungen. Im Portfolio gestalte ich eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Hauptsächlich geht es darum, Konflikte zu lösen und Komplexität auszuhalten. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? It is a people’s business! Die Zusammenarbeit mit Menschen motiviert mich. Welche Tipps haben Sie für den Projektmanagement-Nachwuchs? Fangt frühzeitig damit an, neben den normalen Studieninhalten in Projektmanagement-Fähigkeiten zu investieren. Projektmanagement ist viel mehr als Gantt-Charts. Man kann nicht früh genug damit anfangen die Soft Skills zu entwickeln. Die sind entscheidend. Welche Eigenschaften schätzen Sie an Projektmanagern*innen am meisten? Gute Projektmanager: innen können ein Mindestmaß an Struktur in unbekannte Situationen bringen. So bieten sie für das Team einen Rahmen, in dem es wirksam sein kann. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Glück? Mir fällt dazu ein Zitat von John Hannibal Smith ein: „I love it, when a plan comes together.” Was sind zukünftige Trends? In Zukunft sehe ich Projektmanagement-Tools, die Muster und Abweichungen erkennen und nicht nur Standardarbeiten abnehmen können. Soft Skills werden dann zum USP von Projektmanager: innen. Zudem nehmen virtuelle Meetings im Projektmanagement immer mehr zu. Was geben Sie den Lesern mit auf den Weg? Ein Zitat von Herrn Eric Schott während meines Studiums: „Gutes Multiprojektmanagement erkennt man daran, wie viele Projekte gestoppt werden.“ Diese Aussage ist hart, aber wahr. Prof. Dr. Martina Peuser ist Professorin mit den Schwerpunkten Projektmanagement und Organisation, Unternehmensberaterin und Keynote Speakerin. Als Entwicklerin des Multi Top Performance Radar (MTPR ©) begleitet sie Unternehmen bei der Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit zu agilen und absolut kundenorientierten Marktführern. In ihrer Kolumne gibt sie spannende Kurzeinblicke in Lebensläufe und Gedanken von im Projekt tätigen Personen. PRAXIS KOMMUNIKATION ist das Magazin für angewandte Psychologie in Coaching, Training und Beratung. Wir berichten aus der Praxis der Veränderungsarbeit. Coaches und Trainer lassen sich bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen und schreiben über ihre eigenen Erfahrungen mit Methoden, Tools, Klienten und Beratungssituationen. Theoretische Ansätze und neue Forschungserkenntnisse kommen bei uns nicht zu kurz - wir bereiten sie verständlich auf und laden zum Weiterdenken ein. Wir geben Orientierung über Trends, neue Konzepte und Entwicklungen in der Trainings- und Beratungsbranche - das alles geprägt von einem humanistischen Menschenbild. www.pkmagazin.de PRAXIS KOMMUNIKATION jetzt probelesen! Das E-Journal bieten wir ab sofort zum dauerhaft vergünstigten Preis von € 55,00 an! PRAXIS KOMMUNIKATION gibt es im Zeitschriftenhandel und im Abo als Print- und E-Journal. Testen Sie uns - bestellen Sie unter www.junfermann.de das günstige Probe-Abo (3 Hefte für € 25,00 inkl. Versandkosten). Das Magazin für Profis. Und solche, die es werden wollen. Bachelor Projekt- & Prozessmanagement berufsbegleitendes Onlinestudium 100 % Praxistransfer staatl. 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