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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
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UVK Verlag Tübingen
71
2024
353 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de Projekte touristischer Infrastruktur Ausgabe 3/ 2024 | 35. Jahrgang Wer verdient wie viel im Projektmanagement und wo stehen Sie? Lohnt sich eine Karriere im Projektmanagement? Verdiene ich genug? Was sind die Gehaltstreiber? Sind Karrieren im PM immer noch männlich? Und welche Rolle spielt inzwischen die KI im Projektmanagament? Die GPM Studienreihe „Gehalt und Karriere im Projektmanagement“ schafft Klarheit zu diesen und vielen weiteren Fragen! Machen Sie mit! Ihre Teilnahme ist ein wertvoller Beitrag dazu, die Professionalisierung des Projektmanagements weiter voranzutreiben. Studienschwerpunkt der diesjährigen Erhebung: Künstliche Intelligenz. Inwieweit kommt KI im Projektkontext bereits zur Anwendung und welche Auswirkungen hat das auf das Tätigkeitsfeld Projektmanagement? Unter allen Teilnehmenden verlost die GPM 3 Apple iPads! Lesen Sie mehr zu den Teilnahmebedingungen: www.gpm-ipma.de/ gehaltsstudie GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15 / / 90402 Nürnberg / / Tel.: +49 911 433369-0 / / info@gpm-ipma.de Aufruf zur großen D-A-CH Studie - Machen Sie mit! Jetzt an der Online-Erhebung teilnehmen und mit etwas Glück eines von 3 iPads gewinnen. gpm-ipma.de/ gehaltsstudie 1 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 34. Jahrgang · 03/ 2024 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Nadja Saoudi, GPM Nürnberg Dr. Thor Möller, prometicon projects GmbH, Bremen Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Peter Thuy (Präsident GPM) Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Ingrid Giel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 35. Jahrgang, 03/ 2024 ISSN 2941-0878 Verlag: UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 www.projektmanagement.digital © 2024 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Patrick Sorg eMail: sorg@narr.de Anzeigenverwaltung: Oliver Solbach eMail: solbach@narr.de Anzeigenverkauf: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 120 224 12 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 88,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 198,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ bluejayphoto Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/ w/ d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Impressum 2 Editorial Reportage 4 Der Königsweg über der Klippe 10 „Der Steg soll möglichst filigran bleiben“ 15 Das Projekt Märchenschloss 22 Minutiöse Planung für ein Mammutprojekt Wissen 28 Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende: Ein Fallbeispiel zur Zusammenarbeit von Vorhabenträger und Lieferant 35 Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 43 Projektmanagement-Softwaresysteme - KI- Groupware: Eine kybernetische Betrachtung 49 Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ eine Zeitersparnis in den Administralitäten erreichen 55 Erfahrung mit KI in einem Forschungsprojekt: Anwendungen, Grenzen und Perspektiven 60 Gute Bildung braucht Projekte! 62 Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? Buchrezension 70 Projektmanagement verstehen Kolumne 71 Über Regeln, Beschränkungen und Medien Aus den DACH-Verbänden 72 GPM intern 73 pma intern 74 spm intern 76 Auf ein Wort mit-… Wibke Jellinghaus 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0043 Editorial Editorial Infrastrukturprojekte im Tourismus Liebe Leserinnen und Leser, rechtzeitig zur Reisezeit befassen wir uns in diesem Heft mit Infrastrukturprojekten im Tourismus. Doch unser Interesse ist nicht nur dem Sommer und dem Urlaub geschuldet. Projekte im Tourismus sind spannend. Weshalb? Zum einen: Tourismus ist eine wichtige Branche in der deutschen Wirtschaft. Die letzten aussagefähigen Zahlen stammen aus dem Vorcoronajahr 2019. Sie zeigen, dass damals 4,1 Mio. Erwerbstätige direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig waren, dies waren etwa 9 % aller Erwerbstätigen. Der inländische Tourismus inklusive der indirekten touristischen Produktion erwirtschaftete 2019 einen Anteil von 216,2 Mrd. Euro an der Bruttowertschöpfung Deutschlands, das sind 6,96 %. Die Coronajahre 2020-2022 sind aufgrund der Sonderentwicklungen nicht aussagekräftig. Die Zahlen für die Hotelübernachtungen und die Gästeankünfte für 2023 haben bereits das Niveau von 2019 wieder erreicht. Die bisher für 2024 erhältlichen Umsatzzahlen zeigen, dass wir uns 2024 sogar über dem Vorkrisenniveau bewegen werden. [1] Zum anderen: Diese Projekte laufen zumeist unter den Argusaugen von Öffentlichkeit und Politik ab. Viele touristische Projekte werden in landschaftlich hoch sensibler Umgebung umgesetzt. Bei anderen geht es um bekannte Kulturdenkmäler. Es gibt viele Nebenbedingungen und Regulierungen zu beachten. Eine große Zahl von Stakeholdern sind direkt oder indirekt betroffen. Und: Der positive-- oder noch mehr ein negativer-- Projektfortschritt steht sofort in der öffentlichen Diskussion. Beispielhaft portraitieren wir in diesem Heft zwei Tourismus-Projekte. Wir stellen Ihnen das Projekt „Skywalk“ am Königsstuhl auf Rügen im äußersten Norden Deutschlands vor. Über 300.000 Menschen zieht es jährlich zu dem markanten Kreidefelsen, heute Teil eines streng geschützten Nationalparks. Mark Ehlers und Gesine Häfner haben uns vor Ort gezeigt, wie die schwierige Gradwanderung zwischen Naturschutz und den Anforderungen des Tourismus gelingen kann. Carsten Schwarzlose erläutert im Interview zusätzlich, welche speziellen Herausforderungen der Naturschutz in einem Nationalpark mit sich bringt: Es kam bei der Projektplanung und Projektrealisierung buchstäblich auf jeden einzelnen Baum an. Das zweite Projekt befindet sich im äußersten Süden Deutschlands: Seit zwölf Jahren läuft die Restaurierung von Schloss Neuschwanstein, das unter dem Titel „Gebaute Träume“ zusammen mit weiteren Bauwerken Ludwigs II für die Nominierung zum Weltkulturerbe vorgeschlagen wurde. Heiko Oehme hat uns erklärt, wie die Herausforderungen einer fachlich anspruchsvollen Restaurierung mit den Bedürfnissen der Besucher in Einklang gebracht werden. Immerhin besuchen täglich bis zu 7.000 Besucher das Schloss. Darüber hinaus berichten wir über eine Reihe weiterer interessanter Infrastrukturvorhaben. Der SuedOstLink ist eines der größten Infrastrukturprojekte Deutschlands. Die Anlage soll Strom in Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) vom Nordosten in den Süden Deutschlands transportieren. Patrick Komischke, Thorben Müller, Fabian Meisenbacher, Jörn Hendrik Ast und Helge Nuhn beschreiben die Vorgehensweise in diesem Projekt. Sie geben Einblick in ein spannendes Beispiel für agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende. Florian Oldenburg-Tietjen und Rüdiger Krehbiel untersuchen mittels eines Forschungsprojekts die Optimierung der Multiprojektorganisation eines Unternehmens im Automobilsektor durch die Anwendung der Theory of Constraints. Erfolgreiches Multiprojektmanagement benötigt zur Unterstützung Projektmanagement-Softwaresysteme (PMSS). Dennis Krull zeigt in seinem Beitrag was unter einem PMSS zu verstehen ist, was PMSS grundsätzlich leisten und wo sie konkret im Projektmanagement IT-Unterstützung ermöglichen. Bernhard Schwab geht in seinem Beitrag auf die Automatisierungsmöglichkeiten ein, die bereits seit Jahrzehnten in jedem digitalen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, aber aus Unwissenheit nicht genutzt werden. Guido Bacharach beschreibt in seinem Artikel die Anwendung von ChatGPT 3.5 in einem laufenden Forschungsprojekt zur Theory-of-Constraints (TOC) und deren Potenzial in Regierungs- und öffentlichen Institutionen. Sarah Khayati berichtet über die Fachtagung „Lernort Schule im digitalen Wandel-- Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft“, die die GPM zum zweiten Mal in Partnerschaft mit dem Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg-Vorpommern ausrichtete. Über Potenziale und Grenzen der Projektplanung in der Grundschule spricht Steffen Rietz in seinem Interview mit Steffi Widmann von der Schoenbergschule in Freiburg. Lesen Sie auch die Rezensionen zu den Büchern „Projektmanagement verstehen“ und „Fauch will fliegen“ von Michaela und Mathias Flick . Wir hoffen, dass Sie dieses Mal mehr finden als nur Anregungen in Sachen Projektmanagement. Vielleicht liefert dieses Heft den Anstoß zu der einen oder anderen Reise. Wir wollen mit unserem Blick hinter die Kulissen zeigen: Es verbergen sich auch an den schönsten Stellen Deutschlands interessante Projekte! Ich wünsche Ihnen eine schöne und erholsame Urlaubszeit. Ihr Steffen Scheurer [1] Vgl. https: / / www.deutschertourismusverband.de / filead min / user_upload / Footer / Presse / Zahlen-Daten-Fakten_2024.pdf sowie https: / / de.statista.com / infografik / 23 836 / geschaetzter-reise-und-tourismus-umsatz-in-deutschland/ , abgerufen am 1. 06. 2024 Editorial | Infrastrukturprojekte im Tourismus 3 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0043 Agil und klassisch - Viele Möglichkeiten vereint Bestes Hybridsystem? Finden Sie heraus warum! Es gibt zahlreiche Projektmanagement-Methoden und jede Projektart erfordert unter Umständen eine eigene Herangehensweise. Vereinen Sie die klassische mit der agilen Planungsmethode im hybriden Projektmanagement und profitieren Sie von den Vorteilen aus beiden Welten. Alles in einer Software-Suite. PLANTA project als Hybrid-System hilft Ihnen, Ihre Projekte von Anfang bis Ende systematisch zu planen und zu steuern. 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Und dann das Weiß der Kreidefelsen rund um den Königsstuhl von Rügen: wie frisch gewaschen, leuchtend, majestätisch. Der 2023 eröffnete Skywalk am Königsstuhl ist zum Touristenmagnet auf Rügen avanciert. Nach zwölf Jahren Planung und Bau ging dieses Projekt glücklich zu Ende. Foto: Oliver Steeger Manche sagen, der neue Skywalk eröffne einen noch beeindruckenderen Blick auf die Kreidefelsen als die alte Plattform des Königsstuhls. 2023 wurde der neue Skywalk am Königsstuhl eröffnet. Nach zwölf Jahren Planungen und Bau ging dieses Projekt glücklich zu Ende. Der Skywalk avancierte zum sensationellen, touristischen Highlight auf der Insel, zu einem neuen Markenzeichen-- obwohl er als solches gar nicht geplant war. Man hatte keine Effekthascherei im Sinn. Es war eher eine Geburt aus der Not heraus, wie man im Nationalpark Jasmund bescheiden sagt. Unter den Insulanern hat das Projekt mehr Staub aufgewirbelt und Zwist gesät als sich Menschen vom Festland dies vorstellen können. Heute haben die meisten die zarte Stahlkonstruktion mit dem markanten Mast lieben gelernt. Doch anfangs hielten die Kritiker den Skywalk- - eine lange, ovale, noch über den Klippen schwebende Brücke-- für ein Sakrileg an diesem Ort. Zumal der Königsstuhl selbst, Pilgerort für Tausende, endgültig gesperrt worden ist. Der Königsstuhl auf Rügen ist ein Sehnsuchtsort der Deutschen. Über 300.000 Menschen zieht es jährlich zu dem markanten Kreidefelsen, heute Teil eines streng geschützten Nationalparks. Caspar David Friedrich- - der Maler, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr ansteht-- malte 1818 die Kreideküste. Das Bild gilt heute als eine Ikone deutscher Romantik. Von fast kristalliner Schönheit umrahmen die weißen Felsen den Blick aufs Meer hinaus. Bis heute berührt dieses Naturerlebnis viele Besucher tief und weckt tiefe Emotionen. „Sogar junge Menschen, von denen sich viele eher mit ihrem Smartphone als der Natur beschäftigen, scheinen ergriffen“, erklärt Mark Ehlers, Leiter des Nationalparkzentrums am Königsstuhl. Er beobachtet, wie zunächst gelangweilte Teenies dann doch verstohlen Selfies machen auf dem Skywalk. Von Hause aus Förster sieht Mark Ehlers dieses Gefühl mit Sympathie- - und als Chance für den Naturschutz. „Solche Erlebnisse sensibilisieren Menschen auch dafür, sich mit dem Schutz der Natur auseinanderzusetzen- - damit sie die Natur auch in Zukunft noch erleben können.“ Der Königsstuhl ist nicht nur ein Sehnsuchtsort, sondern auch ein Problemort. So beeindruckend er sich den Besuchern präsentiert-- so verwundbar sind er und die gesamte Kreideküste Reportage | Der Königsweg über der Klippe 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0044 auf Rügen. Dies erklärt sich ausgerechnet aus der Weiße der Kliffe. Regen und Frost nagen am Fels. Die Witterung sprengt immer wieder die oberste Schicht der häufig mürben Felsen ab. Darunter tritt „frischer“, weißer Kalk zutage; das ist wie eine ständige Selbstreinigung. Doch diese Selbstreinigung kostet Felssubstanz. Durch die Erosion weicht die Linie der Kreideküste immer weiter zurück. An einigen Orten gehen jährlich nur ein Fingerbreit Fels verloren, an anderen aber 30 Zentimeter und mehr. Niemand kann vorhersagen, ob sich der Fels nur oberflächlich „häutet“ oder bald größere Felsmasse in Rutschen kommen. Dies gilt auch für den Königsstuhl. Der Zugang zum Königsstuhl war ein beschwerlicher Treppenpfad auf einem steilen Felsrücken. Und dieser Pfad wird immer schmaler. Die bröckelige Konsistenz macht die Rügener Kreidefelsen nicht nur vergänglich, sondern auch gefährlich. Schon der Maler Caspar David Friedrich musste dies erfahren. Er durchwanderte 1815 die Kreideküste mit einem Freund, Friedrich Gotthelf Kummer. Der leichtsinnige Kummer brachte sich beim Klettern in Gefahr. Sich an eine Felsnase klammernd drohte er in die Tiefe zu stürzen. Zu Tode verängstigt rief er seinen Freund, den Maler. Auf Friedrichs drei Jahre später gemalten, heute weltberühmten Werk „Kreidefelsen auf Rügen“ meint man den Maler zum Klippenrand kriechen zu sehen, um seinem Freund zur Hilfe zu kommen. Im Jahr 2016 zeigte sich erneut, wie in der Klifflandschaft Schönheit und Gefahr zusammengehen. Nicht weit vom Königsstuhl führte eine Holztreppe von der Klippe durch den Hangwald hinab zum Strand. Ein Gesteinsrutsch und stürzende Bäume rissen-- aus dem Nichts heraus-- einen Teil dieser Treppe in die Tiefe. Verletzt wurde zum Glück niemand. Die Treppe wurde aus Sicherheitsgründen nie wieder aufgebaut. Dies war für Mark Ehlers auch ein Vorgeschmack darauf, was dem Königsstuhl hätte bevorstehen können. „Es war für mich abzusehen, dass für Besucher früher oder später auch der Zugang auf den Königsstuhl zu gefährlich werden würde“, sagt Mark Ehlers. Bereits beim Sperren der recht unscheinbaren Holztreppe ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung, nicht nur unter den Insulanern, sondern bundesweit. Erledigt ist das Thema bis heute nicht. Immer noch treffen bittere Briefe aus ganz Deutschland ein, die die fehlende Treppe beklagen; bis hin zu Staatssekretären soll dieses Thema lanciert worden sein. „Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Königsstuhl nicht mehr zugänglich wäre- - ohne Ersatz“, sagt Ehlers. Ersatz war dringend nötig. Und damit ein Projekt. Die Zukunftssorgen um den Königsstuhl waren nicht neu. Ein Projekt für einen Ersatzzugang hatte es bereits in den 1990er Jahren gegeben. Man errichtete eine Holzbrücke über das Nadelöhr am Zugang zum Königsstuhl. Dieses Provisorium- - im Nu als „Monstrum“ unter Einheimischen und Gästen verschrien-- ging nie in Betrieb. Zu stark war der Widerstand gegen diese klobige Lösung. Die Treppe verschwand sehr schnell wieder. Nur ihre Betonfundamente sind bis heute sichtbar. Sie wirken wie die Narbe dieses erfolglosen Versuchs. Im zweiten Anlauf gingen die Verantwortlichen gründlich an das Projekt heran. Wenn wohl nicht der Zugang zum Königsstuhl selbst gerettet werden kann (der Kampf gegen die Natur ist aussichtslos)-- dann doch die herrliche Aussicht. Den Initiatoren schwebte eine dauerhafte Lösung vor. Sie sollte mindestens für die nächsten hundert Jahre Bestand hat. Zudem: Auch Menschen mit Gehbehinderung sollten barrierefreien Zugang haben, was gegen Treppen sprach. Die Lösung sollte sich ästhetisch in die Klippenlandschaft einpassen und auch den Blick von der Seeseite her nicht stören. Vor allem sollte sie das Naturschutzgebiet entlasten, in dem strenge Auflagen die Pflanzen und Tiere vor Eingriffen schützen. „Was die Langlebigkeit betraf, so kam für uns nur eine Lösung in Frage, die nicht vorne an der Klippe verankert ist“, sagt Mark Ehlers, „durch die ständige Erosion sind alle an der Klippe installierten Lösungen nicht von langer Dauer.“ Geologische Untersuchungen ergaben: Erst rund 25 Meter hinter der Küstenlinie war sicherer Grund, auf den man bauen konnte-- und selbst dort musste das Fundament tief in den Felsen Blaues Wasser, grüne Buchenwälder und weiße Kreidefelsen-- in Rügen erleben Touristen Natur pur. Foto: Oliver Steeger Reportage | Der Königsweg über der Klippe 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0044 hineinreichen. Schwierig! Hinter geschlossenen Türen entwickelten Naturschützer, Ingenieure und Politiker unterschiedliche Ideen und Modelle- - und verwarfen sie wieder. „Durch den Fehlschlag mit der mächtigen Holzbrücke waren wir alle gebranntes Kind“, sagt Mark Ehlers, „über Jahre haben wir jedes Detail durchgespielt, jeden Baum und Busch berücksichtigt, jede Blickrichtung überlegt, den Untergrund immer wieder erwogen.“ Irgendwann stand die Idee eines Skywalks im Raum, einer freitragenden, über den Königsstuhl hinausragenden Konstruktion, die an Stahlseilen hängt und von einem Mast weit genug im „Hinterland“ gehalten wird. Einige im Team, darunter auch Mark Ehlers, fremdelten mit dem Anglizismus „Skywalk“. Sie wollten keinen Hype hier im Naturpark Jasmund, keine touristische Effekthascherei. Sie rangen mit dem Begriff und dem Konzept. Gaben nur zögernd nach. 70 Prozent der Menschen, die im Nationalpark arbeiten, kommen aus dem Naturschutz. „Effekte um der Effekte willen hätten wir nicht mit uns vereinbaren können“, sagt Mark Ehlers, „wir hatten hier seit zwanzig Jahren gegen viele Widerstände Naturschutz gepredigt. Wir konnten nicht mit einem Tourismus-Prestigeprojekt auftreten, bei dem sich Naturschützer nur an den Kopf fassen.“ Je mehr sich das Team mit bereits bestehenden Skywalks beschäftigen, desto mehr verstand es: Die Lösung konnte funktionieren. Sie war technisch machbar. Natürlich, die Fundamente für den Mast und die Halterungen der Stahlseite musste man wegen der auftretenden Zugkräfte bis zu 20 Meter tief im Fels verankern. Aber das fand im rückwärtigen Bereich statt, wo nach Geologenmeinung das Gestein auf Generationensicht stabil ist; auf die bröselige Küste selbst würden keine Kräfte wirken. Doch es gab viele Details zu bedenken. Etwa den Naturschutz. Zuerst sah der Plan vor, den Skywalk an einer anderen Stelle zu errichten, weiter rechts von dem jetzigen Standort. Der Skywalk hätte den Königsstuhl attraktiv in seine Mitte genommen. Damit wäre der Zugang zum Skywalk vielleicht noch spektakulärer geworden. Aber: Für diesen Plan hätte man eine Gruppe alter Buchen opfern müssen. „Wir haben jeden einzelnen Baum vermessen, sorgfältig überlegt- - und dann diese Variante abgewählt“, sagt Mark Ehlers. Das gesamte Bauwerk wurde etwas verschoben; jetzt wird die geschützte Natur nicht mehr berührt. Der Skywalk überspannt sie nur- - ohne jeden Einfluss auf Bäume oder Felsen. „Für mich war es eine zentrale Entscheidung, dass wir uns da zurückgenommen haben,“ sagt Ehlers. Rügenurlauber wissen, dass das Wetter an der Ostseeküste ungemütlich sein kann. Vor allem der Wind. Für den Skywalk versichern die Ingenieure, dass selbst ein seltener Ostsee-Orkan die Konstruktion nicht zerstören wird. Bedenkli- Der neue Skywalk erlaubt einen Blick auf den engen, alten Zugang zum Königsstuhl, einem markant vorspringenden Kliff. Der Zugang ist heute gesperrt. Stattdessen erlaubt der Skywalk den Blick ins Weite. Foto: Oliver Steeger Reportage | Der Königsweg über der Klippe 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0044 cher sind gefährliche Schwingungen, die bei einer steifen Brise auftreten können. Sie können Menschen auf dem Skywalk straucheln und stürzen lassen. Das Team testete ein Modell des Skywalks im Windkanal und passte die Konstruktion so an, dass der Wind wenig Angriffsfläche hat. Dann die Frage nach den Features: Beispielsweise achtete das Team sorgfältig auf die Barrierefreiheit des Sykwalks-- damit endlich etwa auch Rollstuhlfahrer ungehindert die Natur erleben konnten. Die Treppen des alten Zugangs zum Königsstuhl sperrten die meisten Rollstuhlfahrer aus. Es kam immer wieder zu entwürdigenden Versuchen, die Menschen über die Stufen und durch Engen zu tragen. „Heute sehen wir hier viele Menschen, die im Rollstuhl den Ausblick vom Skywalk genießen“, sagt Pressesprecherin Gesine Häfner. Sie berichtet von anrührenden Szenen, wie schwerstkranken Menschen der Wunsch erfüllt, hier von einer Liege aus einen letzten, langen Blick auf den Himmel, das Meer, die Buchen und die Kreidefelsen zu werfen. Wie der Königsstuhl zu seinem Namen kam-- darüber erzählen sich die Menschen hier verschiedene Geschichten. Die eine Geschichte besagt, dass der schwedische König Karl XII. 1715 von dem Plateau des vorspringenden Felsens aus das Seegefecht gegen die Dänen geleitet habe. Eine andere Geschichte kommt aus älterer Zeit: Derjenige, der vom Strand aus als erster diese Klippe hinaufgeklettert und sich auf einen dort wartenden Stuhl gesetzt hatte-- der sollte König werden. Fest steht, dass die Romantiker den Königsstuhl bekannt machten und er im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Pilgerort avancierte. Von der Terrasse eines nahe dem Felsen gelegenen Hotels aus ließ sich bei Kaffee und Kuchen der Ausblick genießen. Später zum militärischen Sperrgebiet erklärt, ergriffen nach der Wende Naturschützer die Initiative und regten an, die Kreidefelsen mit ihren teils 300 Jahren alten Buchen zum Nationalpark zu erklären. Im erhaltenen Hotelgebäude wurde das Nationalpark-Zentrum mit Ausstellung eingerichtet. Dies alles verlief nicht so reibungslos wie es heute wirken mag. Der Nationalpark führte zu Einschränkungen. Weder das einst beliebte Pilzesammeln noch das Angeln von Lachsen ist mehr erlaubt. Das wertvolle Holz umgestürzter Bäume wird nicht genutzt; für viele kaum verständlich, dass die Stämme auf natürlichem Wege verrotten dürfen. Dennoch zeigen heute Akzeptanzuntersuchungen, dass mittlerweile mehr als 75 Prozent der Bevölkerung hinter dem Nationalpark stehen-- eine echte, aufrichtige, nachhaltige Akzeptanz, wie Mark Ehlers meint. Viele Menschen schieben den Naturschutz nicht nur vor, wenn sie sich hier gegen bestimmte Veränderungen wehren. Sie meinen es ernst. „Das Argument des Naturschutzes“, sagt er, „ist hier häufig tiefempfunden und im Bewusstsein verankert.“ Doch der Langmut einiger Menschen hat Grenzen, besonders, wenn es um ihre Sehnsuchtsorte geht, an denen sie mit ihrem Herzen hängen. Der Königsstuhl ist einer dieser Orte: für viele emotional aufgeladen, etwa mit kostbarer Kindheitserinnerung verknüpft, Spaziergänge mit Großeltern, der Vater, der einem das Fischen beibringt, die erste Liebe, Badefreuden im Sommer, Abenteuer im Hangwald. „Viele haben offenbar den Wunsch, dass sich das, was sie aus ihrer Kindheit her kennen, nicht verändern darf“, meint Mark Ehlers. Dieser Schatz muss unberührt bleiben. Nichts darf verloren gehen, nichts darf hinzukommen. Er scheint unverhandelbar. Es kam, was kommen musste. Der Proteststurm gegen das Projekt „Skywalk“. Er war sogar noch heftiger, als es sich das Team vorgestellt hatte. Als wir mit dem Plan unseres Skywalks erstmals an die Öffentlichkeit gegangen waren, hatten wir die Planungen schon sehr weit vorangetrieben“, berichtet Mark Ehlers, „wir hatten offene Fragen, bei denen wir uns selbst lange nicht sicher waren, beantwortet und entschieden. Wir hatten alles technisch überprüft und auch die Finanzierung gesichert.“ Die Beteiligten standen geschlossen hinter dem Projekt. Alles ein gutes Fundament für die Kommunikation mit den Insulanern, den Gästen und der Öffentlichkeit. Dafür, ihnen den Skywalk schmackhaft zu machen. Mark Ehlers und die Beschäftigten des Nationalparkzentrums, anfangs die Bauherren des Skywalks, starteten ihre Informationskampagne. „Wir haben versucht, die Fragen aus Sicht der Einheimischen und Gäste aufzunehmen und zu beantworten“, erklärt Gesine Häfner, die diese Kampagne leitete. Man ließ Flyer drucken, Websites schalten, Info-Container aufbauen, Projektwände installieren. Ansprechpartner gaben im Nationalpark Auskunft über die Planung, über die Nachhaltigkeit dieses Projekts und seine Verträglichkeit, über praktische Einschränkungen während der Bauzeit und vor allem das, was der künftige Skywalk bieten werde. „Wir haben uns vorgenommen, immer transparent und ehrlich zu kommunizieren“, sagt sie. Fair sollte die Kampagne sein-- aber auch stark und strategisch. Beispielsweise vereinte das Projekt auf Rügen prominente Fürsprecher hinter sich, etwa ehemalige Bürgermeister, Unternehmer oder Naturschützer. „Mit diesen Befürwortern waren wir schon im Gespräch, bevor wir die Kampagne gestartet haben“, sagt Gesine Häfner. Die Größen machten sich öffentlich stark für das Vorhaben, erhoben ihre Stimme etwa auf der Website oder in Bürgerversammlungen. „Diese Persönlichkeiten sind als kritische Geister bekannt, die deutlich ihre Position beziehen und auch verteidigen“, erklärt Gesine Häfner. Die Gruppe der Befürworter war gute gemischt, unter ihnen Menschen etwa aus Politik, Handwerk oder Kultur. Alles Idealisten mit hoher Glaubwürdigkeit, denen man zuhört, wenn sie sich für etwas einsetzen. Indes, Jubelarien waren von ihnen selten zu hören. Einige bekannten: Die beste Lösung wäre natürlich, wenn nichts gebaut werden müsste. Doch der Königsstuhl könne nicht so bleiben, wie er ist-- sofern die Aussicht erhalten bleiben sollte. So gesehen sei der Skywalk als zweitbeste Lösung doch die beste. „Diese differenzierte Ehrlichkeit hat uns weitergeholfen“, sagt Mark Ehlers. Doch auch die Glaubwürdigkeit der Fürsprecher konnte nicht verhindern, dass die Stimmung auf Rügen zunächst kippte. Kritik und Zweifel brandeten auf. Einige warfen dem Projekt vor, mit zweierlei Maß zu messen. Jedem sei es verboten, im Nationalpark auch nur Brennholz zu sammeln-- und ausgerechnet das Nationalparkzentrum schiebt ein Millionen- Bauprojekt an. Andere beklagen, dass hier Millionen für ein Prestigeprojekt versenkt würden, die an anderer Stelle fehlten, bei Kindergärten und Schulen, für Gehwege und Turnhallen. Wieder andere befürchteten, der Skywalk werde zehntausende Besucher mehr auf die Insel ziehen, deren Infrastruktur jetzt bereits unter dem Tourismus ächze. Reportage | Der Königsweg über der Klippe 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0044 „Solche Argumente lagen auch auf der Hand“, sagt Mark Ehlers, „die Menschen haben sie nur aufgegriffen.“ Und dann gab es noch eine gewichtige Befürchtung: Der Skywalk verschandele einen Sehnsuchtsort der Menschen. Der geplante Mast rage wie ein Funkturm in die Höhe. Der Skywalk versperre die Sicht. Von der Seeseite oder der berühmten Victoriahöhe aus wäre das Bild, das die Menschen seit Generationen von dem Königsstuhl kennen und lieben, auf lange Zeit verloren. Der Widerstand formierte sich schnell. Zeitweise nahmen zwei Bürgerinitiativen das Projekt in die Zange. Organisierte Veranstaltungen und Demonstrationen folgten. Sogar auf dem Gelände des Königsstuhls selbst kam es zu Kundgebungen. Und die Initiativen waren gut aufgestellt. Sie verstanden sich auf Kampagnen und Pressearbeit. „Sie waren gut organisiert und deutlich hörbar“, sagt Mark Ehlers, „ihr Ziel war es, das Projekt zu kippen.“ So, wie man bereits das „Monstrum“ gekippt hatte, den unseligen Versuch mit der Holzbrücke. Zum Höhepunkt der Proteste gingen Unterschriftenlisten herum, die auf einen Bürgerentscheid zuliefen. Dieser Entscheid kam aus formalen Gründen nicht zustande. Doch das Klima auf Rügen war in puncto Skywalk aufgeheizt. „Wir haben uns auf Versammlungen immer wieder erklärt, was wir bezwecken und planen“, berichtet Mark Ehlers. Das Team kalkulierte: Es werde nicht die überzeugten Gegner umstimmen können, wohl aber die breite Masse der Indifferenten, die noch zu keiner Meinung gefunden hatten. Das war die Hoffnung. Sie könne man in intensiven Gesprächen vielleicht erreichen und überzeugen-- oder zumindest dazu bringen, die Sichtweise des Projekts zu verstehen. Diese Gespräche kosteten Zeit und Kraft. Sie wirkten häufig wie ein Kampf gegen Windmühlen. Am Ende schließlich rentierten sich die vielen Abende, die Mark Ehlers und sein Team vom Nationalpark in Bürgerversammlungen und Kommunikation investierten. „Manchmal sprachen mich Menschen nach Versammlungen an und teilten mir mit, dass sie endlich das Projekt verstanden hatten“, sagt Mark Ehlers. Stakeholdermanagement begreift er als Aufgabe, die auch in seine Rolle des Auftraggebers dieses Projekts fällt. Er hielt damit denjenigen den Rücken frei, die das anspruchsvolle Projekt technisch umsetzten, etwa Ingenieuren und Baufirmen. Wie er selbst wiederum Rückendeckung für sein Projekt von der Politik hatte- - bis hinauf in die Ministerien in Schwerin. Und zwar aktive Rückendeckung, wie Mark Ehlers betont. Man stand wohlwollend zu ihm-- und hat auch ihm geholfen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen, wenn es auf Bürgerversammlungen heiß herging. Dieses ebenso systematische wie vorbildlich orchestrierte Stakeholdermanagement bezeichnet er als nicht nur als einen bedeutsamen Erfolgsfaktor für das Projekt, sondern auch eine „schöne Erfahrung“. Letztlich, meint Mark Ehlers, handelte es sich um eine Minderheit der Bevölkerung, die sich mit aller Macht gegen den Skywalk stemmte. Viele in den Ortschaften, die den Königsstuhl umgeben, ließen durchblicken: Der Protest steht nicht auf breiten Schultern. Die Mehrheit schweigt. Sie versteht den Plan und trägt ihn mit. Die Mehrheit lebt vom stetigen Gästestrom- - und weiß, was es bedeutet, wenn dieser Strom am Königsstuhl versiegt. Bekam das Team auch konstruktive Vorschläge von den Kritikern zu hören? Mark Ehlers denkt über diese Frage nach, bevor er sie beantwortet. Nein, keine Vorschläge, die man hätte aufgreifen können. Dies lag allerdings nicht an den Vorschlägen selbst. „Wir hörten viele Dinge, die wir vorher selbst schon durchdacht hatten“, sagt er, „wir hatten während der gründlichen Planung vieles durchgespielt, was später vorgebracht wurde.“ Die optimale Lösung lag auf dem Tisch. Es ging nicht mehr um das „was“, sondern um das „ob“. Und es ging darum, dass sich die Menschen überhaupt ein Bild von dieser optimalen Lösung machen konnten. Was bei solch einem innovativen Skywalk keine einfache Sache ist. Zwar gibt es anderswo auf der Welt bereits Skywalks, auch in Deutschland. Doch die wenigsten haben jemals die Aussicht erlebt. Einer der mächtigen Anker des Skywalk: Bis zu 50 Meter reicht die Verankerung in den Felsen hinein. Die Anker halten die Stahlseile, die über einen Mast das Gewicht des Skywalks halten. Foto: Oliver Steeger Reportage | Der Königsweg über der Klippe 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0044 „Wir haben deshalb auch auf die Überzeugungskraft von Bildern und auf Computeranimationen gesetzt“, berichtet Mark Ehlers. Aus Baudaten und Bildern von Drohnenflügen ließ das Team eine aufwändige, dreidimensionale Simulation erstellen. Sie zeigte sowohl den geplanten Skywalk als auch die Aussicht von ihm. Ein Großrechner war Tage damit beschäftigt, die Animation zu berechnen. „Wir haben viele Einzelaspekte bei dieser Simulation berücksichtigt“, sagt Mark Ehlers, „etwa die Frage, wie sich der Skywalk beim Blick von der Seeseite oder der berühmten Victoriahöhe auswirkt, wie Gäste ihn wahrnehmen, wie er aus der Vogelperspektive das Bild verändert.“ Die Animation war nicht preiswert-- doch für die Kommunikation gab sie ein entscheidendes Werkzeug an die Hand. Sie erdete die Diskussion und setzte Vieles ins rechte Verhältnis. Kritiker, die sich über den zu hohen Mast ereiferten, wurden auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ein Funkmast, der seit über zwanzig Jahren unweit vom Königsstuhl unwidersprochen emporragt, ist deutlich dicker und höher als der zierliche Mast des Skywalks. Die Sorge, dass der Skywalk zur Sommerzeit vielleicht zwischen den grünen Baumkronen optisch verschwinde, nicht aber im Winter, wenn diese Kronen kahl sind-- auch diese Befürchtung wurde entkräftet. „Wir haben eigens Winterbilder in die Simulation aufgenommen“, sagt Ehlers. Dann war da noch die Sache mit der Bauzeit. Während des Baus des Skywalks würde der Königsstuhl geschlossen werden müssen. Damit hingen zwei Probleme zusammen. Erstens: Die Touristen konnten den Ausblick für einige Zeit nicht genießen. Zweitens: Die Arbeiten auf der Baustelle riefen nochmals unversöhnliche Kritiker auf den Plan. Ging dort wirklich alles mit rechten Dingen zu? „Den Besuchern haben wir unter anderem eine alternative Aussichtsplattform, ein virtuelles Erlebnis mit VR-Brillen und Führungen über die Baustelle angeboten“, erklärt Mark Ehlers. Er erinnert sich an Kinder mit Bauhelmen, die in bunten Gruppen von Mitarbeitern aufs Baufeld geführt wurden. Erstaunlich, sagt er, welches Talent manche Baubeteiligten entwickelten, der jüngsten Zielgruppe die Arbeiten zu erklären. Indes, den Kritikern nahm er mit einer Baustellen-Webcam ein Stück weit den Wind aus den Segeln. Rund um die Uhr war der Baufortschritt im Internet zu sehen-- mit fast einer Million Zugriffen der Interessier- Der Skywalk ist oval und überspannt wie schwerelos das Kliff. Foto: Oliver Steeger Eingangsabbildung: Rund 300.000 Besucher im Jahr genießen den Ausblick am Kliff. © Oliver Steeger ten. E-Mails aus ganze Deutschland erreichten das Team: Was genau geschieht gerade auf dem Baufeld? Was macht der LKW im Bild? Auf was wartet eine Gruppe der Bauarbeiter, die um eine Grube steht? „Wir haben uns dadurch nie dem Vorwurf ausgesetzt, dass wir etwas tun, was nicht vereinbart ist“, erklärt Mark Ehlers, „wir haben alles transparent gemacht.“ Als der Skywalk im April vergangenen Jahr von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig eröffnet wurde, waren die Kritiker nicht nur verstummt- - sondern standen auch in der ersten Reihe der Besucher. „Man weiß dies eigentlich alles vorher“, sagt Mark Ehlers, „diejenigen, die sich am meisten gegen die Dimensionen des Skywalks gestemmt haben, finden ihn am Ende eher zu klein, zu kurz, nicht spektakulär genug.“ Damit will er nicht nachkarten, ganz im Gegenteil. Der Stimmungswandel zeigt ihm nur, dass eigentlich alles richtig gemacht worden ist. Mit dem Skywalk- - und mit dem Stakeholdermanagement, das so essenziell für dieses Vorhaben war. Wer heute über den Skywalk geht, sieht die Kreidefelsen erodieren. Aus der Vogelperspektive des Skywalks lässt sich erkennen, wie fragil der Übergang zum Königsstuhl geworden ist. Wie unrettbar schmal der Grat war, über den jährlich 300.000 Besucher gingen. Wie schroff es rechts und links des Treppenpfades hinabging in die Tiefe. Den Kampf gegen Verwitterung kann man am Königsstuhl nicht gewinnen. Dies liegt in der Natur der Kreidekliffe. Ohne ständige Erosion würde ihr Weiß einem unscheinbaren Grau weichen. Dass der Zugang zum Königsstuhl heute gesperrt ist- - diesen Preis fordert die Natur für das Naturerlebnis des Menschen ein. Das Projekt Skywalk gab der Natur ihren Lauf. Stattdessen rang es mit der öffentlichen Meinung.“ Wir haben uns über Jahre den Mund fusselig geredet“, entfährt es Mark Ehlers manchmal rückblickend. Doch es schwingt kaum Ärger mit, eher die Gewissheit, das Richtige getan zu haben. Was trieb ihn und sein Team an, diese Mühen auf sich zu nehmen? Sie sind bis in die Fasern überzeugte Naturschützer. Idealisten. Sie wollen Menschen gewinnen für die Natur. Das Erlebnis am Königsstuhl öffnet die Menschen emotional für dieses Anliegen, sagt Mark Ehlers. Für ihn ist diese emotionale Offenheit seiner Besucher etwas Kostbares. Fakten und Argumente vermögen kaum das zu erreichen, was solch ein Erlebnis kann: Besucher im Herzen berühren. Das Nationalpark-Zentrum, kaum 100 Meter entfernt vom Königsstuhl, lädt ein zu einer Ausstellung. Doch statt zu belehren, unterstützt sie diese Ausstellung dieses Erlebnis: durch großartige Bilder, Videos, eigens komponierte Musik. „Wir wollen den Menschen nahebringen, wie einzigartig, wertvoll und faszinierend die Natur ist“, sagt er. Hier schließt sich auch der Kreis zu den Romantikern wie dem Maler Caspar David Friedrich, die an der Kreideküste und am Königsstuhl die Natur für sich wiederentdeckten. All dies zeigt das Projekt Skywalk nochmals in einem anderen Licht: Der Skywalk bietet weit mehr als die herrliche Aussicht. Er bringt Menschen tief wieder mit dem in Verbindung, was unsere Lebensgrundlage ist. Das Wunder der Natur um uns herum. 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0045 Projektkoordinator Carsten Schwarzlose über den Bau des Skywalks „Der Steg sollte möglichst filigran bleiben“ Oliver Steeger Der 2023 eröffnete Skywalk am Königsstuhl auf Rügen gilt als technische Meisterleitung. Ein Ingenieurteam hat ihn behutsam in ein empfindliches Naturschutzgebiet eingefügt und sicher im Kreidefelsen verankert. Im Interview erläutert Projektkoordinator Carsten Schwarzlose (BIG Städtebau GmbH) die Herausforderungen dieses ungewöhnlichen Projekts, die Vorteile enger Zusammenarbeit der an Planung und Bau beteiligten Partner-- und weshalb er die Begriffe „touristisches Highlight“ und „Skywalk“ vermeiden möchte. Der Skywalk am Königsstuhl gilt bei vielen als neues touristisches Highlight auf Rügen. Als Projektkoordinator hören Sie die Begriffe „Skywalk“ und „Highlight“ nicht so gerne. Weshalb? Carsten Schwarzlose: Meiner Ansicht nach können solche Begriffe das eigentliche Highlight verstecken- - nämlich den Königsstuhl und das Naturerlebnis selbst: das Kliff, die Buchenwälder und die Weite des Meeres. Der Nationalpark sollte das Ziel der Besucher sein. …-und der Skywalk nur ein Mittel zum Zweck? Ja. Als eine Brücke oder Steg zum Naturerlebnis. Wie verändert diese Brücke das Naturerlebnis? Er ermöglicht Blicke und Perspektiven, die es bisher nicht gab. Besucher können beispielsweise über der Schlucht stehen. Sie können seitlich auf die Klippen und auf den markanten Königsstuhl schauen-- was früher kaum möglich war. Das Planungsteam wollte aber kein Bauwerk inszenieren, das für sich wirkt und die Menschen anzieht. Es sollte möglichst filigran bleiben und sich dem Landschaftsbild unterordnen. Also den wunderbaren Blick nicht beeinträchtigen, den man vom Meer oder der Victoriasicht aus auf den Königsstuhl hat. Während der Bauphase sind wir häufig um die Baustelle herumgelaufen und haben immer wieder die verschiedenen Ansichten kontrolliert- - schon fast besorgt-ängstlich. Wie dominant würde das Bauwerk sein? Wie sehr würde man seinen Mast sehen? Im Sommer, wenn die Buchenwälder in vollem Laub stehen, ist das vielleicht kein Problem; der Steg verschwindet optisch. Die Sorge galt eher dem Winter, wenn das Laub den Steg nicht mehr verhüllt. An der Konzeption dieses Skywalks wurde lange gearbeitet. Was waren die Herausforderungen dabei? Eine Herausforderung war mit Sicherheit der Naturschutz und die naturschutzrechtlichen Auflagen. Für uns war es das erste Mal, dass wir in der Kernzone eines Nationalparks gebaut haben. Dies wird nur in sehr seltenen Ausnahmefällen erlaubt-- und dann nur unter sehr strengen Regeln. Zum einen gelten hier komplexe Genehmigungsverfahren. Zum anderen muss man im Naturpark sehr umsichtig vorgehen. Buchstäblich mit jedem Baum? Nicht nur mit jedem Baum, sondern auch ein Auge haben für die Details. Beispielsweise gab es während des Genehmigungsverfahrens Hinweise auf seltene Flechten an einem Baum. Wie bitte? Seltene Flechten? Die Flechten waren schützenswert-- und damit war auch der Baum gesondert zu schützen. Dies war zum Glück kein Problem für uns; der betreffende Baum wurde nicht beeinträchtigt. Doch dieses Beispiel zeigt die erforderliche Sensibilität Reportage | „Der Steg sollte möglichst filigran bleiben“ 11 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0045 mit allem, was mit Natur zusammenhängt. Diese hohe Sensibilität war auch für uns nicht alltäglich. Wie haben sich die Belange des Naturschutzes auf Ihr Projekt ausgewirkt? Beispielsweise haben wir während des Planungsprozesses aus Gründen des Naturschutzes die Lage des Stegs komplett verändert. Wir haben ihn gedreht und neu ausgerichtet-- was übrigens auch den Blick auf die Kreidefelsen verbessert hat. Am Ende haben wir nur einen Baum herausgenommen, der ohnehin am Ende seiner Lebensdauer war. Einige andere Bäume und Gehölze wurden ausgeästet oder behutsam zurückgeschnitten. Fiel es Ihnen schwer, in solch einem sensiblen Bereich zu bauen? Der Naturschutz bringt einerseits einen hohen Anspruch mit sich. Man muss aufpassen, mitdenken und sehr umsichtig vorgehen. Andererseits bringt der Schutz auch Vorteile mit sich. Naturschützer und Umweltexperten hatten das Areal zuvor mehrfach begutachtet. Alles war untersucht und dokumentiert. Beispielsweise kannten wir den Vitalzustand jedes einzelnen Baums. Wir wussten also, was dort wächst und was wie zu schützen ist. Dies macht wiederum Planung und Bau einfacher. Neben dem Naturschutz-- welche Herausforderungen gab es für Ihr Projekt? Eine Herausforderung für uns war mit Sicherheit der hohe Besucherandrang am Königsstuhl, besonders zur Hochsaison im Sommer. Die Umgebung des Königsstuhls ist, wie gesagt, streng geschützt. Am Königsstuhl selbst befindet sich das Naturpark-Zentrum auf einer Erholungsfläche. Ein recht begrenzter Raum für viele tausend Besucher am Tag-… Ja. Und diese Zone musste nun auch die Baustelle aufnehmen. Wir hatten die Besucher gefahrlos um unsere Baustelle herumzuleiten. Und dann war natürlich eine weitere Frage: Wie würden die Besucher mit einer Baustelle am Königsstuhl umgehen? Die Baustelle für den Steg war ja nicht nur groß, sondern vielleicht auch nicht so sauber, wie dies von einem touristischen Highlight vielleicht erwartet wird. Besonders bei den Gründungsarbeiten kaum es auch einmal zu Dreck. Die Menschen wollen intensiv Natur erleben-- und treffen auf eine Baustelle-… Das ist genau der Punkt. Natürlich wurde die Baustelle vorab der Öffentlichkeit mitgeteilt. Nur sehr wenige Gäste waren unvorbereitet. Und? Zu unserem Erstaunen haben sich viele Besucher für die Baustelle sogar interessiert-- für die Technik und für das entstehende Bauwerk selbst mit den verschiedenen Zwischenbauzuständen. Das Nationalparkzentrum hat Baustellenführungen organisiert. Auch hat es in einem Info-Container über die Bauarbeiten informiert; dort gab es eine Visualisierung des Steges, und man konnte ihn sogar virtuell begehen. Das Nationalparkzentrum hat es verstanden, Vorfreude auf den Steg zu wecken. Das, was den Königsstuhl zu einem Publikumsmagneten macht, ist auch der weiße Kreidefelsen des Kliffs. So faszinierend der Kreidefelsen ausschaut-- unter Bauingenieuren gilt er als äußerst heikler Baugrund. Kreidefelsen ist sehr weich-… Langsam! Das stimmt so nicht. Kreide kann sehr hart sein, wenn sie trocken ist. Bei Bauarbeiten im benachbarten Stadthafen haben wir teils Rammwerkzeuge wechseln müssen, weil wir die Spundbohlen nicht in den Baugrund hineintreiben konnten. Die Kreide war wie massiver Fels. Das ändert sich aber schlagartig, wenn sie mit Wasser in Berührung kommt. Aha? Dann wird sie weich, wie Sie eben sagten. Dies kann man an den Kreidekliffs gut beobachten. Es kommt immer wieder zu Abbrüchen. Dann können mehrere hundert Kubikmeter Kreidefelsen ins Meer rutschen. Im Wasser sind diese abgerutschten Gesteinsmassen schnell abgetragen, oft in kürzester Zeit. Sie bröseln auseinander? Ja. Und durch das Auflösen des Gesteins entsteht übrigens auch der milchig-grüne Effekt, den man im Meer dann beobachten kann. Es dauert nicht lange, bis die Kreide komplett verschwunden ist. Diese Tendenz zur natürlichen Erosion hat letztlich auch am Königsstuhl genagt, an dem markant vorstehenden Kliff. Wasser und Wetter tragen dazu bei, dass immer wieder Felsmassen sich lösen. Aus diesem Grund musste die Aussichtsplattform auf dem Felsen geschlossen werden. Der Skywalk hat die Aussichtsplattform ersetzt. Zur Präzisierung ein Detail: Der Königsstuhl selbst ist recht stabil, aber der Zugang zu dem markant vorstehenden Kliff wurde immer schmaler. Eine Engstelle, die von rund 300.000 Besuchern jährlich passiert wird. Diesen Zugang hätte man in absehbarer Zeit sperren müssen. Nochmals zu dem schwierigen Baugrund. Was hat er für Ihr Projekt bedeutet? Eine Anforderung an den Steg ist Nachhaltigkeit. Dies heißt, dass das Bauwerk mindestens für 100 Jahre genutzt werden kann. Wir mussten das Bauwerk also so gründen, dass es für diesen Zeitraum sicher verankert ist. Eine Problemzone bei dem Kliff ist der Bereich der Kante, also der vordere Bereich der Felsen, die offen zum Meer sind. Sie haben eben beschrieben, dass sich häufig größere Gesteinsmengen lösen und abrutschen. Das Kliff weicht immer weiter zurück. Besonders der vordere Bereich ist ohnehin sehr angegriffen und weich. Dort konnte man beispielsweise nicht das Fundament für den Skywalk legen. Das ist richtig. Wir konnten und wollten diesen vorderen Teil des Kliffs nicht durch unser Bauwerk belasten. Der Steg musste quasi über der Kante schweben. Das ist eine geostatische und bautechnische Herausforderung. Reportage | „Der Steg sollte möglichst filigran bleiben“ 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0045 Der Skywalk reicht ein gutes Stück weit über das Kliff hinaus. Dort, wo er schwebt, wird er von Seilen gehalten. Wo ist das Bauwerk gegründet-- und wo wird sein Gewicht gehalten? Der Steg wird von einem Zentralfundament und einem Mast mit rückverankerten Stahlseilen gehalten. Das Gewicht wird dadurch weit nach hinten geleitet. Wir wissen, dass der Kreidefelsen rund dreißig Meter hinter der Kliffkante auf lange Sicht stabil ist. Also weit hinten, im Binnenland wird das Gewicht des Skywalk gehalten? Ja. Zudem tragen wir die Gewichtslasten sehr tief in den Boden ab. Die Gründungspfähle reichen bis zu 50 Meter tief in den Kreidefelsen, die Anker der Rückverspannungen bis zu 25 Meter. Dieses Konzept der Baugrund Stralsund GmbH ergibt zusätzliche Sicherheit; der rechnerische Gleitkreis, also der theoretische Abbruchkörper des Kliffs, wird nicht belastet. Der Skywalk ist ein sehr filigranes Stahlgebilde. Wer sich auf ihm aufhält, merkt, dass er schwingt. Nicht stark, doch wahrnehmbar. Die Stahlkonstruktion scheint überraschend elastisch zu sein. Jeder Metallkörper ist in gewisser Weise elastisch. Das ist völlig in Ordnung. Natürlich kann man solch einen Steg versteifen durch zusätzliches Material. Aber dies hätte den Steg deutlich voluminöser gemacht- - was das von der sbp gmbH angeführte Planungsteam nicht wollte. So haben wir versucht, eine Schnittmenge zu finden zwischen einer möglichst filigranen Gestaltung der Brücke selbst und einer ausreichenden Steifheit, sodass sich die Besucher auf ihm wohlfühlen. Das Schwingen, das manche Besucher spüren, ist also ein kleiner Preis für das zarte Erscheinungsbild der Konstruktion? Ja, ein guter Kompromiss, wie wir finden. Diesen Kompromiss zu finden hat Sie Mühe und einigen Aufwand gekostet. Sie haben sogar verschiedene Modelle für den Skywalk im Windkanal getestet-… Richtig. Je nach Wetter wirkt der Wind auf das Bauwerk und lässt es schwingen. Dies hängt übrigens nicht nur mit der Windstärke zusammen. Da spielen die gesamten Strömungsverhältnisse an der Steilküste eine Rolle. Starker Wind gleich starke Schwingung-- diese Gleichung geht nicht auf? Nein, häufig nicht. Manchmal kann der Steg auch bei schwachem Wind deutlich schwingen-- abhängig davon, woher der Wind gerade kommt. Ich habe Wetterlagen erlebt, da gleicht der Gang über die Brücke ein wenig einer Bootsfahrt. Es entstehen leicht kreisende Bewegungen, die sich aber schnell wieder einfangen. Die Windsituation am Kliff ist erstaunlich komplex. So können beispielsweise Aufwinde entstehen. Dann kommt der Wind von unten an der Küste hinauf. Und manchmal steht man auf dem Königsstuhl wie im Auge des Orkans: Drumherum stürmt es; man sieht sogar kleine Kreidebröckchen fliegen. Doch man selbst spürt kaum etwas von dem starken Wind. Für unser Projekt hieß dies: Wir mussten die Besonderheiten dieser exponierten Lage rechnerisch und experimentell erfassen und Ableitungen für die Konstruktion entwickeln. Und dies galt dann auch noch für Zwischenbauzustände während der Montage. Wie sind Sie generell an die Planung dieses Projekt herangegangen? Am Anfang stand eine Machbarkeitsstudie. Damit ist das Projekt gestartet. In dieser frühen Phase sind wir als Projektkoordinatoren dazugekommen. Unter der Regie des Planungsbüros entstanden dann verschiedene Ideen und Formen für den Steg. Wir haben uns an die jetzige Form schrittweise herangetastet. Eine der Planungsalternativen für den Skywalk soll mehr eine Zick-Zack-Form gehabt haben als die jetzt schmale, leicht ovale-… Das stimmt. Man hat mit Ideen gespielt- - und auch mit der Lage des Stegs. Doch wir sind dann relativ schnell zu dem Schluss gekommen, dass die heutige, länglich-ovale Form ideal ist-- zumal sie einen Rundweg erlaubt und dadurch auch eine hohe Kapazität hat und auch großen Besucherzahlen das Naturerlebnis bietet. Dieses Konzept für den Steg, das schon sehr nahe am heutigen Bauwerk war, hatte allerdings eine andere Lage für die Brücke vorgesehen. Die Idee war damals, ihn eher über dem Königsstuhl als seitlich von ihm zu positionieren. Was sprach gegen diese Lage? Ein Veto der Weltkulturerbe-Behörde kam: Ihr Einwand war, dass wir mit Teilen der Verankerung des Stegs die Kernzone des Naturparks tangiert hätten. Wir hatten mithilfe des Nationalparkzentrums die für uns zuständigen Behörden und auch viele andere Organisationen und Verbände sehr früh eingebunden. So hatten wir früh die Chance, die geplante Lage des Steges zu präzisieren und aus der Kernzone herauszuhalten. Später gab es nochmals Erörterungen über die Länge der Brücke. Ursprünglich sollte der Steg bis zur Spitze des Königsstuhls gehen. Wir sind aber zu der Erkenntnis gekommen, dass der direkte Blick auf den Königsstuhl nicht das zentrale Erlebnis ist. Für das Naturerlebnis hätte ein längerer Steg keinen zusätzlichen Gewinn gebracht. Wie viele Partner waren an der Planung beteiligt? Einige! Wir hatten bei der Planung ein Ingenieurbüro für die Konstruktion und für ingenieurtechnische Fragen sowie einen Sachverständigen für den schwierigen Baugrund. Hinzu kamen Prüfstatiker, Vermesser- - und dann natürlich die ausführenden Unternehmen, die wiederum ihre Koordinatoren, Planer und Sachverständigen hatten. Diese Planungsstäbe haben dann sehr intensiv zusammengearbeitet. Intensiv zusammengearbeitet-- wie darf ich mir dies genau vorstellen? Das Bauwerk ist hinsichtlich Konstruktion und insbesondere der Lage kompliziert. Das wussten alle Beteiligten. Mit dem Vorschlag des Baubetriebes, mit einem Horizontalvorschub eine abweichende Herstellungstechnologie anzuwenden, haben wir die herkömmliche Weise, nämlich die Fortschreibung und Präzisierung des Bauentwurfes bis zu Umsetzung modifiziert-… Reportage | „Der Steg sollte möglichst filigran bleiben“ 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0045 Vereinfacht gesagt: Am Anfang plant der Architekt und reicht seine Pläne an Ingenieure weiter. Sie planen wiederum Details und reichen diese Pläne an das bauausführende Unternehmen weiter. So gehen die Pläne von Station zu Station. Doch es kann sinnvoller sein, dass alle Beteiligte möglichst von Anfang an gemeinsam zu planen. Vom Architekten bis zum Ausführenden-- jeder bringt seine Perspektive und Expertisen ein. Genau darum geht es. Mit Beauftragung des Unternehmens begann eine gemeinsame Planungsphase aller Beteiligten in der die Detaillösungen und Vorschubtechnologie weiterentwickelt worden sind. Davon hat das Projekt sehr profitiert. Was meint Vorschubtechnologie genau? Es gibt mehrere Möglichkeiten, solch einen Steg in diese schwebende Lage zu bringen. Entweder baut man den Steg senkrecht, quasi wie ein Turm. Dann klappt man ihn nach vorne. Man bringt ihn dabei von der Vertikalen in die Horizontale. Die fertige Konstruktion wird wie eine Zugbrücke herabgelassen-… Genau! Bei der anderen Vorgehensweise-- der Vorschubtechnologie-- baut man den Steg waagerecht und schiebt ihn nach vorne. Dabei gibt es komplizierte Details zu lösen, wie beispielsweise die Passage des Mastes, der die Brücke hält. So, wie man beispielsweise ein Lineal über die Tischkante hinausschiebt? Ja. Wir hatten anfangs geplant, den Steg auf dem Plateau des Nationalparkzentrums 80 Meter in die Höhe zu bauen und dann nach vorne abzuklappen. Das Stahlbauunternehmen hat als Alternative die Vorschubtechnologie ins Gespräch gebracht: Der Steg wird im Hinterland des Kliffs montiert und dann auf Gleitschienen stückweise nach vorne geschoben. Dies hat einige Vorteile. Beispielsweise verzichtet man auf ein nur einmalig genutztes Gelenk und man kann die Brücke nahezu komplett vormontieren und konservieren. Und die Nachteile? Nachteile sind der größere Platzbedarf und komplexe temporäre Aussteifungen. Hinzu kommt ein sehr definierter Vorschubvorgang mit abschließender Absenkung auf die Sollhöhe. Diese Probleme wurden von den Planungsteams von Bauherr und Auftragnehmer gemeinsam gelöst. Die feierliche Eröffnung des Skywalks im April 2023. Foto: Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL / Mirko Boy Grundlagen- und Vertiefungswissen für Mitarbeitende aller Branchen mit Praxisbeispielen und Anwendungsfällen aus der Versicherungsbranche Individuelle Wünsche? Gerne entwickeln wir gemeinsam mit Ihnen die für Sie, Ihr Unternehmen und Ihre Branche passende Weiterbildung. versicherungsakademie. de Qualifizierung im Bereich Projekt- und Prozessmanagement Anzeige Reportage | „Der Steg sollte möglichst filigran bleiben“ 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0045 Die einzigen, die solch eine enge, frühe Zusammenarbeit beim Bau nicht gerne sehen, sind ausgerechnet Juristen. Ein Jurist würde sagen: Lasst die Finger von diesem im Bauwesen unüblichen Weg der Planung. Wenn es hinterher Streit gibt, wird es schwierig, die Verantwortlichkeiten auseinanderzuhalten. Und dies macht mögliche juristische Auseinandersetzungen später komplizierter? Möglicherweise! Wir halten dem aber entgegen, dass die konstruktive Zusammenarbeit der Sache wegen wichtiger ist als juristische Vorsichtsmaßnahmen. Ich persönlich bin überzeugt, dass Bauen eine Gemeinschaftsaufgabe ist und dies, wenn die Beteiligten zur engen Zusammenarbeit bereit sind, ein gangbarer Weg ist. Dieses Prinzip hat sich zumindest bei unserem Projekt gut bewährt. Die an dem Projekt beteiligten Planungsbüros, Stahlbauer und Sachverständigen haben eine lange Liste erfolgreicher Projekte. Dennoch handelte es sich für alle bei dem Skywalk um ein besonderes Projekt, ein Ausnahmeprojekt. Allen war bewusst, dass wir hier nichts von der Stange bauen. Es handelte sich um ein Unikat an einer besonderen Stelle-… …-weil dieser besondere Ort auch ein Sehnsuchtsort der Deutschen und ein Wahrzeichen von Rügen ist? Ja, natürlich. Das am Steg beteiligte Unternehmen und wichtige Zulieferer kamen aus der Region. Es hat Vorteile, wenn man Kenntnisse der Region hat- - wobei dies natürlich auch eine gewisse Verpflichtung mit sich bringt: Die Augen der Region sind auf die Firmen gerichtet. Ihr Projekt war in der Öffentlichkeit nicht unumstritten. Es gab Protest. Sogar Bürgerbewegungen haben sich gegründet mit dem Ziel, den Skywalk zu verhindern. Haben Sie diesen sozialen Gegenwind im Projekt gespürt? Es gab anfänglich Widerstand. Er war allerdings mit einer anderen Problematik vermischt worden, nämlich einem gewünschten Abstieg vom Steilufer hinab zum Meer. Der größte Teil der Diskussion in der Öffentlichkeit hat bereits in der Planungsphase vor der Ausschreibung und den eigentlichen Bauarbeiten stattgefunden. Wir haben diese Bürgerveranstaltungen mit technischen Erläuterungen unterstützt. Den weit überwiegenden Teil der Öffentlichkeitsarbeit hat das Nationalparkzentrum übernommen. Insgesamt haben wir wahrgenommen, dass offene Kommunikation und Information über die Projektziele und die Herangehensweise bei den meisten Menschen Interesse und Zustimmung für den Steg in seiner jetzigen Ausführung generiert hat. Carsten Schwarzlose Carsten Schwarzlose, Jahrgang 1969, leitet seit 2018 das Regionalbüro Stralsund der BIG Städtebau GmbH. Die BIG Städtebau, ein Unternehmen der BIG-BAU, ist einer der Marktführer im Bereich der Stadtentwicklung. Sie berät Städte und Gemeinden bei allen Fragen der zeitgemäßen Stadt- und Quartiersentwicklung. Dabei verbinden wir städtebauliches und förderrechtliches Fachwissen mit hoher städtebaulicher, architektonischer und immobilienwirtschaftlicher Kompetenz und gewährleisten so den Prozess von der strategischen Konzeptionierung bis hin zur baulichen Realisierung. Carsten Schwarzlose absolvierte die Bauhausuniversität Weimar und schloss dieses Studium mit dem akademischen Grad des Dipl.-Ing. Bauwesen ab. Nach Zwischenstationen in verschiedenen Ingenieurbüros ist er seit 2002 in Sanierungs- und Infrastrukturprojekte verschiedener Kommunen, welche durch die BIG Städtebau GmbH betreut werden, involviert. Ich möchte nochmals auf einen Punkt zu sprechen kommen, den wir eingangs erwähnt haben. Sie haben in einem Naturpark gebaut. Strikte Naturschützer halten daran fest, dass man in einem Naturpark grundsätzlich nicht bauen darf. Sie halten entgegen, dass der Skywalk dem Naturschutz dienen kann. Sie sehen ihn eingebettet in ein Gesamtkonzept, das bereits vor 30 Jahren beschlossen worden ist. Vor dreißig Jahren hat man beschlossen, das Nationalparkzentrum nicht an den Rand des Naturparks zu bauen, sondern mittendrin. Und zwar direkt am Königsstuhl. Dort ist es möglich, interessierte Besucher direkt zu erreichen: An diesem Sehnsuchtsort kann man viele Menschen für den Naturschutz sensibilisieren. Hinter dem Konzept des Nationalparkzentrums steht letztlich auch ein Bildungsauftrag. Dieser Auftrag wird durch den Steg und damit durch den Erhalt der Zugänglichkeit des Königsstuhls verstetigt und wesentlich unterstützt. Damit dient er letztlich gerade an diesem Ort dem Schutz unserer Natur. Dies belegen die stabilen Besucherzahlen und begeisterte Gästebucheinträge im Nationalparkzentrum. Eingangsabbildung: Der Skywalk aus der Vogelperspektive. Foto: Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL / Timm Allrich 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein Das Projekt im Märchenschloss Oliver Steeger „Schauen Sie her! “ Heiko Oehme hebt den Saum eines Leinentuches, und ein Schwanenkopf schaut hervor, mit fein gebogenem Hals und anmutig gesenktem Kopf. „Kommen Sie näher. Dann erkennen Sie, wie fein er gearbeitet ist! “ Und tatsächlich-- der Schwanenkopf ist mit bewundernswerter Kunstfertigkeit aus Metall gefertigt. Schön, rein und ausdrucksvoll wie ein mittelalterliches Wappentier. Der Schwan gehört zu einem Prunkleuchter- - und er ist nur ein Zierelement unter Dutzenden. Heiko Oehme lässt das Tuch wieder sinken, das den Leuchter während des Restaurierungsprojekts schützt. „Das ist perfektes Kunsthandwerk“, sagt er, „eine hochqualitative Arbeit aus dem 19. Jahrhundert.“ Wie so vieles hier auf Schloss Neuschwanstein. Auf dem Weg durch das Schloss schlägt einem eine überwältigende Fülle von Gemälden und Ornamenten entgegen, von Schnitzereien und Beschlägen, Figuren, Säulen und Kapitellen. Romanische Fensterbögen finden sich nahe gotischen Säulchen, byzantinische Malereien neben maurischen Anklängen. Im Thronsaal ein perfekt gearbeitetes Bodenmosaik mit 1,5 Millionen Steinchen. Im Sängersaal vier wunderbar farblich schillernde Buntfenster. Wer vermag überhaupt solche Perfektion zu erkennen in meterweit entfernten Fenstern? Oder an hoch über ihm schwebenden Kronleuchtern? Ist das nicht alles-- zu perfekt? Heiko Oehme ist stellvertretender Baureferent bei der bayerischen Schlösserverwaltung: einem der größten Museumsträger in Deutschland mit 45 Schlössern, Burgen und Residenzen sowie weiteren Baudenkmälern und Künstlerhäusern. Unter den insgesamt rund 900 denkmalgeschützten Gebäuden, die die Schlösserverwaltung unter ihren Fittichen hat, sticht das Märchenschloss am Fuß der Alpen hervor. Und Heiko Oehme kennt es besonders genau. Ein Schwanenkopf mit fein gebogenem Hals und anmutig gesenktem Kopf. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Reportage | Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 Er leitet die erste große Restaurierung mit: ein Mammutprojekt, wie er es nennt, und es geht nach 12 Jahren jetzt im Herbst zu Ende. Heiko Oehme hat sich intensiv mit dem Bauwerk beschäftigt. Er weiß: Die Perfektion der ursprünglichen Arbeiten erfordert perfekte Restaurierung- - und perfektes Projektmanagement. Seit fast 140 Jahren bezaubert Schloss Neuschwanstein die Menschen. Nach dem geheimnisvollen Tod Ludwigs II-- seines Erbauers- - wurde es für das Publikum geöffnet. Binnen der ersten acht Wochen kamen 18.000 Besucher. Heute sind es manchmal über 7.000 am Tag. Für viele Touristen aus dem Ausland gilt Schloss Neuschwanstein als Pflichtbesuch- - und als Inbegriff deutscher Kultur: Ritter, Romantik plus perfekte Qualität. Alle fünf Minuten startet eine neue Besuchergruppe zu der dreißigminütigen Tour unter anderem durch Sängersaal, Thronsaal, Arbeitszimmer, Grotte, Schlafzimmer und Wohnzimmer. Die schiere Menge an Besuchern ging Schloss Neuschwanstein an die Substanz. Heiko Oehme staunt, dass sich die Qualität der ursprünglichen Arbeiten dennoch lange als widerstandsfähig erwies. Doch dann war es Zeit für das erste große, rund 20 Millionen Euro umfassende Restaurierungsprojekt der Prunkräume. In Zahlen: Das Vorhaben umfasste 93 Räume mit über 2.300 Einzelobjekten. Darunter 355 Möbel, 65 Gemälde, 184 Wandbilder, mehr als 600 Fenster und Außentüren. „Wir Menschen neigen ja dazu, die Dinge buchstäblich begreifen zu wollen“, sagt Heiko Oehme. Nachsicht schwingt leise in seiner Stimme mit, wenn Menschen im Schloss-- häufig unbewusst-- Dinge berühren. Doch dadurch entstehen im Laufe der Jahre buchstäblich abgegriffene Stellen. Auf dem Weg durch das Schloss zeigt Heiko Oehme Stellen, an denen Taschen oder Rucksäcke geschabt haben. In einem Zimmer sind noch unrestaurierte Möbel und Leuchter untergebracht. Beim genauen Hinsehen fällt ins Auge, dass hier und da Schmucksteine oder Ziernägel fehlen; Besucher ließen sie offenbar als Souvenir mitgehen. Schwerer noch wiegt der klimatische Effekt der Besucher. Der feuchte Atem der Besucher und bei Regentagen nasse Kleidung trägt Feuchtigkeit ins Schloss. Die schwankende Luftfeuchte setzte Holz, Metall, Farben und Stein zu. „Wir haben deshalb eine komplexe Lüftungsanlage eingebaut“, sagt Heiko Oehme. Es gibt aber auch Schäden, die nicht dem Besucherverkehr anzulasten sind. Sie waren hausgemacht: gut gemeinter, doch leider schädlicher Pflege aus vergangenen Zeiten geschuldet. Fachleute stutzen, als sie die historischen Archivalien mit den erhaltenen Räumen abglichen: Es war in einem Raum von einem „Zigarren-ähnlichen“ Farbton die Rede. Dieser Farbton war aber nirgends zu finden. Einzig der helle Braunton eines Kachelofens hatte diesen „Zigarrenton“. Doch dieser Ton stand nicht im Kontext zum dunklen Ton der Hölzer: Der Ofen fiel optisch aus dem Gesamtkonzept. „Das hat uns verwundert“, sagt Heiko Oehme, „denn die historischen Pläne lassen stets eine ausbalancierte Farbharmonie erkennen.“ Es stellte sich heraus: Das Interieur war über die Jahrzehnte unbemerkt nachgedunkelt. Heiko Oehme zeigt ein Foto mit einem geschnitzten Löwenkopf. Die gereinigte, restaurierte Hälfte des Kopfes wirkt deutlich heller. Das Holz ist fast honigfarben. „Das ist der Originalton vieler Hölzer“, sagt Heiko Oehme. Aber-- wie kam es, dass das Holz sich über die Jahrzehnte fast schwarz färbte? Die Geschichte geht so: Über Jahrzehnte hatte das Personal vergangener Generationen buchstäblich alles, was es in die Finger bekommen konnte, mit einem Pflegeöl behandelt. Damit glänzten Möbel und Wände zwar proper. Doch das Öl band weder ab noch zog es ins Holz ein. Es stand auf den Oberflächen. Staub setzte sich auf der klebrigen, fliegenleimartigen Masse ab- - und wurde bei der nächsten Pflegeaktion weiter in die Oberflächen eingerieben. Nur der Kachelofen wurde nicht eingeölt. Der fatale Ölfilm trieb die Restauratoren fast in die Verzweiflung. Sie probierten diverse Reinigungsmittel an unauffälligen Stellen aus. Bald fanden die Fachleute einen Lösungsansatz. Bis sie aber ein Konzept hatten, diesen Ansatz auf den großformatigen Flächen umzusetzen- - das war ein schwieriger und langer Weg. „Jeder Restaurator hat seine eigene Handschrift“, sagt Heiko Oehme, „dies gilt auch für das Abnehmen von Ölfilmen. Man sieht unter Umständen einen Unterschied in der Restaurierungsintensität- - je nach Tagesform der jeweiligen Fachleute.“ Solche Schwankungen Geduldige Sorgfalt bei der Restaurierung von Ornamenten. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Heiko Oehme Reportage | Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 muss man vermeiden. „Die Bearbeitungszustände an ein und derselben Wandfläche dürfen hinterher nicht unterschiedlich sein“, sagt Heiko Oehme, „das haben wir auch hinbekom- Nach der Reinigung hat das Holz hat seinen originalen, hellen, warmen Ton wiederbekommen. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Der eingerüstete Sängersaal. Zwischenzeitlich sind die Gerüste wieder abgebaut. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Heiko Oehme men.“ Heute wirken die Räume lichter, wärmer, harmonischer im Ton. Doch dafür brauchte es eine mehrjährige Reinigungsaktion-- eine Herausforderung und Geduldsarbeit angesichts der detailversessenen Perfektion des Bauherrn. Im Sängersaal Wer die im Schloss allgegenwärtige Perfektion und Fülle von Details verstehen will, muss den Bauherren Ludwig II kennen. Kaum 23 Jahre alt, schwärmte der König gegenüber Richard Wagner von seinem neuen Traumprojekt. Ludwig-- gutaussehend, athletisch, über 1,90 Meter groß- - schrieb 1868 dem Komponisten über seinen Plan für eine neue Burg. „Die Lage ist eine der schönsten, die man finden kann, heilig und unzugänglich“, warb er enthusiastisch für sein Projekt. Ihm schwebe ein Bau „im echten Stil der alten deutschen Ritterburgen“ vor. Auch plane er Reminiszenzen etwa an Wagners Opern Lohengrin und Tannhäuser. In drei Jahren, so schrieb er, werde er einziehen. Er versprach einen „würdigen Tempel für den lieben Freund und Mitstreiter“ Richard Wagner. König Ludwig II kannte seinen Bauplatz sehr genau. Eine atemberaubende Kulisse: Im Hintergrund der majestätische, schneebekrönte Gipfel des Säulings („Wächter des Allgäus“ genannt), der durch eine Schlucht strömende und im freien Fall herabrauschende Wildbach Pöllat, die Sicht auf den Schwansee, den Alpsee und ins weite Land hinaus. Alles einen Steinwurf weit weg vom Schloss Hohenschwangau-- dem Ort, wo Ludwig seine Jugend verbracht hatte. So erhaben die Kulisse war, so freudlos waren seine Jugendjahre hier. Das fantasievolle, einzelgängerische Kind blieb ohne viel Einfühlung und Liebe. Dies drückte sich tief in seine Seele. „Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen“, schrieb er noch jung in einem Brief. Zur Mutter eine schwierige Beziehung, zum Vater gar keine. In der Hand und Obhut von Ammen und Erziehern suchte Ludwig Zuflucht in Büchern und Baukunst. Später, als Sechzehnjähriger, flüchtet er sich in die romantische Musik Richard Wagners. Hier fand er Erfüllung. Die Sage vom Gralskönig Parzival lieferte ihm das Fundament für seine Idealkultur des Königtums: Überhöht und weltabgewandt, wie der Ring der Nibelungen. Mit seinem Sängersaal setzte Ludwig II diesem Ideal einen Tempel. Gemälde mit Motiven aus Lohengrin und Parzival schmücken den größten Prunkraum des Schlosses. Eine durch Arkaden gegliederte Bühne wird heute als Sängerlaube bezeichnet. Doch Musiker-- oder gar Sänger-- waren hier im Saal Reportage | Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 zu Ludwigs Zeiten nicht zugegen. Der menschenscheu gewordene Hausherr zog sich in seine Traumwelt zurück. Allein. Im Sängersaal haben die Restauratoren über Monate auf Gerüsten gearbeitet. Die Holzdecke und die vier Leuchter wurden komplett bearbeitet. Restauratoren reinigten- - und überarbeiteten manchmal-- die Wandflächen und den Parkettboden. Sehr viel Arbeitszeit floss in die Restaurierung der Kandelaber. Sie waren nach den vielen Jahren stark verschmutzt und auch statisch instabil. Heiko Oehme weist zudem auf die einzigartigen Buntglasfenster hin. Sie sind aufgebessert und jetzt von außen mit speziellen Gläsern gegen Hagelschlag geschützt. Es war schwierig, reflektionsfreies Spezialglas zu finden und einzusetzen. Doch der Schutz ist nötig geworden. Unwetter treten immer häufiger auf. Vor einiger Zeit hat Hagel die Dächer des bayerischen Klosters Benediktbeuern zerschlagen. Das war wie eine Warnung. Auch an den anderen Fenstern-- die mit normalem Scheibenglas- - haben die Restauratoren Hand angelegt. „Im Schloss haben wir sehr viele Metallfenster, und sie sind noch in einem überraschend guten Zustand“, sagt Heiko Oehme, und er ergänzt: „Metallfenster waren im 19. Jahrhundert ein Novum. Das Schloss war Pionier bei dieser Innovation.“ Dies ist vielleicht das Erstaunliche an Schloss Neuschwanstein: Der Bau mag ganz der mittelalterlichen Phantasiewelt verhaftet sein. Die Baumeister allerdings bedienten sich damals völlig neuer Verfahren. Ludwig, der vermeintliche Märchenkönig, interessierte sich durchaus für moderne Wissenschaft und Technologie. „Vielleicht ging er nicht in die Details“, sagt Heiko Oehme, „aber er wusste, dass mit damals innovativen Bauansätzen manche seiner Vorstellungen überhaupt erst zu realisieren waren.“ Und dass der Fortschritt überdies Annehmlichkeiten brachte, die sein idealisiertes Mittelalter nicht kannte: etwa fließend Wasser, Aufzüge, Haus-Sprechanlagen. Oder auch Wärme durch eine zentrale Heizung. Das Heizsystem in Schloss Neuschwanstein ist verblüffend modern mit seinen vertikalen Luftschächten und kunstvoll versteckten Warmluftklappen in den Räumen. Für das Restaurierungsprojekt war es ein Segen. „Wir konnten diese historischen Schächte für unsere moderne Lüftungsanlage verwenden“, sagt Heiko Oehme. Die historischen Steigschächte waren noch zugänglich-- und dank der alten Pläne auffindbar. Das Archiv mit Bauplänen und Bautagebüchern ist vollständig erhalten: mit allen Grundrissen und Schnitten, Vorentwürfen und Detailzeichnungen, Vorarbeiten und Änderungsskizzen. Für das Restaurierungsprojekt ein Glücksfall. Als 2012 das Projekt startete, machte das Team diesen Schatz digital zugänglich. Das war einer der allerersten Schritte. Die akribisch geführten Bautagebücher zeigten, welche Materialien verwendet und wie sie eingesetzt wurden. „Das hat uns manchmal erklärt, weshalb die Schäden so sind, wie wir sie heute sehen“, sagt Heiko Oehme. Und die Originalpläne selbst? Da gerät Heiko Oehme ins Schwärmen: „Meisterwerke! Man könnte sich stundenlang in diesen Plänen verlieren. Heute würde kaum ein Architekt diese Pläne in ihrer künstlerischen Perfektion liefern können! “ Der nächste Schritt im Projekt, um die Restaurierung vorzubereiten: Eine detaillierte Aufnahme der Schäden. Wand für Wand, Decke für Decke, Möbelstück für Möbelstück. Mit speziellen, hochpräzisen fotografischen Verfahren dokumentierte das Team den Zustand der Räume. „Viele Bereiche konnten wir nicht direkt untersuchen“, erklärt Heiko Oehme, „beispielsweise den Zustand der Deckengemälde.“ Die Experten zoomten in die hochauflösenden Fotos hinein, prüften auf ihnen kleinste Schäden und katalogisierten sie. Die Grundlage für die weitere Planung. „Ein solches Restaurierungsvorhaben muss man perfekt planen“, sagt Heiko Oehme, „nur so bringt man solch ein Mammutprojekt ansatzweise ‘sicher’ zu Ende.“ Inwiefern ansatzweise? „Trotz minutiöser Planung ist man vor Überraschungen nicht gefeit, die die Pläne durchkreuzen“, antwortet er. Und dann lässt er für einen Augenblick durchblicken, wie sehr sein Projekt unter Erfolgsdruck stand: Ein weltweit bekanntes Objekt. Ein Prestigesymbol für Bayern. Der Sympathieträger für die Tourismuswirtschaft. Und: „Wir stehen kurz davor, den Weltkulturerbe-Titel zu bekommen. Da schaut die Im Vorhof von Schloss Neuschwanstein: Heiko Oehme (links) mit Story-Autor Oliver Steeger. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Steffen Scheurer Reportage | Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 internationale Fachwelt genau hin, ob und wie wir höchste Standards bei der Restaurierung anlegen.“ Und? Gab es Überraschungen bei der Restaurierung? „Natürlich gab es die“, sagt Heiko Oehme. Eine davon: Die Kachelöfen der sogenannten Königswohnung im Torbau sollten nur restauriert werden. Es stellte sich heraus: Sie waren komplett instabil. „Wir mussten sie gänzlich demontieren und auf ein neues Untergestell stellen“, sagt er. An anderer Stelle erwies sich in einem Gang die Unterkonstruktion eines Fliesenbodens als- - wie Heiko Oehme es nennt- - „statisch sehr bedenklich“. Doch die Überraschungen haben sein Projekt nicht ernsthaft aus dem Zeitplan gebracht. Die Arbeiten gehen pünktlich dem Ende entgegen-- obwohl hier und da noch Gerüste stehen und Alkoven mit provisorischen Holzwänden abgetrennt sind. Im nördlichen Treppenhaus Im nördlichen Treppenhaus steht noch eines der Gerüste. Die Restauratorinnen arbeiten an der Kuppel und der Mittelsäule, die in Form einer Palme gestaltet ist, dem Symbol für Gerechtigkeit und Güte. Über schmale Aluleitern geht es durch Luken zwei Etagen hinauf; es knarzt bei jedem Schritt. Im Scheinwerferlicht bessern zwei Restauratorinnen die rotgolden gehaltenen Rundbögen aus- - unter einem gemalten nachtblauen Himmel mit goldenen Sternen. Auf den Malereien liegen „Pflaster“ aus Gaze und einer sandartigen Substanz, die schonend Schadstoffe aus dem Putz ziehen. Eine Restauratorin nimmt einen Scheinwerfer in die Hand und richtet ihn auf die Ornamente: Sie strahlen in Detailreichtum und überwältigenden Farben, eine Pracht, wie man sie vielleicht von spätmittelalterlichen, illuminierten Handschriften her kennt. Sogar die Schattierung der Palmblätter-- obwohl von der Treppe aus kaum zu erkennen-- ist minutiös ausgeführt. An anderer Stelle, in einem Seitengang, hockt eine Restauratorin auf dem Boden und arbeitet die Ornamente an der Wand nach, verschlungene Ranken, stilisierte Blätter und Blüten. Die Plastikpalette mit Farbmischungen vor sich, trägt sie mit einem winzigen Pinsel Farbe auf. Zentimeter um Zentimeter. Nur einen Augenblick Zeit für ein Gespräch. „Man braucht viel Geduld für diese Arbeit“, sagt sie, „Geduld ist für Restauratoren ebenso wichtig wie etwa Kunstsinn und Kenntnis der alten Materialien.“ Die Bayerische Schlösserverwaltung verfügt über einen Pool von Restauratoren etwa für Gemälde, Schnitzereien, Vergoldung, Textilien oder Fensterglas. Doch für solch ein Mammutprojekt braucht es Hilfe auch von außen. „Ludwig II hatte die seinerzeit besten Handwerker und Künstler“, erklärt Heiko Oehme, “wir brauchen heute die besten Restauratoren für unser Projekt.“ Und die sind- - heute wie damals- - am Markt nicht leicht zu finden. Zum einen mit der nötigen Fachkenntnis, zum anderen auch mit freien Kapazitäten. Und selbst wenn sie über Expertise verfügen und Kapazitäten freihaben- - es ist schwierig, sie für ein umfangreiches, langjähriges Projekt zu gewinnen. Natürlich ist es verlockend, Schloss Neuschwanstein in seinen Referenzen zu haben. Doch viele kleinere Betriebe fürchten, dass sie durch das lange Engagement für mehrere Jahre vom Markt verschwinden und dann den Anschluss an die Szene verlieren. Hinzu kommt die Arbeit bei laufendem Besucherverkehr. Zwar zerstreute sich die Befürchtung, dass Besucher an den Gerüsten, Folien und Absperrungen Anstoß nehmen. Ganz im Gegenteil: Viele begeisterten sich dafür, den Spezialisten über die Schulter zu schauen- - und entwickelten reges Interesse für die Detailarbeit. In einem der Säle wurde während des Projekts ein Kronleuchter herabgelassen und in situ-- vor den Augen des Publikums-- restauriert. Mitten im Saal. „Das haben die Besucher als willkommenes Event wahrgenommen“, sagt Heiko Oehme, „doch für die Restauratoren kann konzentriertes Arbeiten schwierig werden, wenn sie alle fünf Minuten von einer neuen Besuchergruppe in Gespräche verwickelt werden.“ Noch immer laufen die Arbeiten, doch das Projekt geht dem Ende entgegen. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Reportage | Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 Im Thronsaal Einen „modus vivendi“ zwischen Besuchern und Restauratoren herzustellen-- das war nicht immer leicht. „Unsere Besucher wussten, dass das Restaurierungsprojekt in vollem Gange war“, sagt Heiko Oehme. Sie wussten auch, dass einzelne Räume geschlossen werden mussten-- und in den offenen die Arbeiten weitergingen. Da war beispielsweise der Lärm. Auf Stahlgerüsten kann es scheppern und krachen. Die Geräuschkulisse macht es Besuchern manchmal unmöglich, ihre Audioguides zu verstehen. „Anfangs haben wir alle fünf Minuten, wenn eine Gruppe vorbeikam, die Arbeiten unterbrochen“, sagt Heiko Oehme, „wir haben sogar versucht, die Gerüste mit Teppich auszukleiden.“ Besonders laute Arbeiten verlegte das Team in die Zeit, wenn der letzte Besucher das Schloss verlassen hatte. Dann kam Corona-- und erleichterte einiges. So tragisch die Pandemie war: Für Heiko Oehmes Projekt bot sie Chancen. Die Restauratoren hatten plötzlich das Schloss für sich. Sie versuchten, die Arbeiten an „Nadelöhren“ vorzuziehen: Arbeiten etwa an Türdurchlässen oder am Fußboden, die eigentlich für die Nacht geplant waren. Einziges Problem: Die neue Freiheit auf den Gerüsten war nicht kalkulierbar. Niemand wusste, wie lange der Lockdown dauern würde. Zudem war es schwierig, die Abstandsregeln auf den Gerüsten einzuhalten. „Doch im gewissen Sinne war die Pandemie für uns ein Segen“, sagt Heiko Oehme. Im Thronsaal ist von den Gerüsten heute nichts mehr zu sehen. Der Blick gleitet frei über die Wandgemälde, die heiliggesprochene Könige verherrlichen: ein Zug von mittelalterlichen Legendengestalten, reich an Symbolik, angeführt von Christus, den Aposteln, begleitet von Engeln. Ein bekanntes Motiv sticht ins Auge: der heilige Georg, der seine Lanze dem Drachen in den Rachen rammt. Andere Motive aus germanischer Mythologie und mittelalterlichen Legenden erschließen sich heute nur Fachleuten. Es ist, als ob der Saal den Blick dann weiter emporzieht: Zunächst auf den prachtvollen, vier Meter großen Kronleuchter, mit goldglänzenden Metallornamenten und Steinen verziert wie ein mittelalterliches Reliquiengefäß. Dann ganz hinauf zur Kuppel: ein grünblaues Firmament mit Sonnenstrahlen und Sternen, alles sauber restauriert. Doch-- Moment! Da sind dunkle Flecken in der Kuppelfarbe. Flecken wie nach einem Wasserschaden. Ist da bei der Restaurierung etwas vergessen worden? Heiko Oehme schüttelt den Kopf. „Nein, das sind alte Schäden. Wir erkennen sie schon auf Fotos aus dem 19. Jahrhundert.“ Pfusch am Bau? „Nein, nein, kein Pfusch. Der König drängte.“ Nicht nur für seinen Perfektionismus, sondern auch für seine Ungeduld war Ludwig II berüchtigt. Er trieb jeden zur Eile, auch die Maler unter der Kuppel. Doch es war ihm nicht bewusst, dass Untergrund und Farben Zeit brauchen, um sauber abzubinden und miteinander zu reagieren. Wer zu früh und forciert weiterarbeitet, handelt sich Schäden ein: Flecken, Risse, Dellen oder ähnliches. Haben die Handwerker den König nicht gewarnt? Hat Ludwig die Warnungen in den Wind geschlagen und wie versessen weitergemacht? Schwer zu sagen. Der menschenscheue König war ein schwieriger Projektsponsor, wie man ihn heute nennen würde. Vermutlich ein Alptraum für die Baumeister. Manche sagen, dass bei Ludwig II Genie und Wahnsinn dicht beieinander gelegen haben. Man muss vorsichtig sein: Mit dem Begriff Wahnsinn, den ihm seine Zeitgenossen unterstellten, ist man im 19. Jahrhundert sehr frei umgegangen. Die Psychiatrie steckte in den Kinderschuhen. Schnell wurden Schrullen zur Geisteskrankheit erklärt. Wie bei Ludwig II gerne auch per Ferndiagnose. Was trieb den Monarchen an? Der König war achtzehnjährig auf den Thron gekommen, fast stolpernd und, wie er selbst einräumte, unvorbereitet. Kaum Regent, sah er sich 1866 in den Deutschen Krieg hineingezogen. Im Konflikt mit der modernen preußischen Armee erlitt Bayern eine Niederlage. Der feinsinnige und belesene Ludwig, von Charakter aus friedliebend, musste ein Zwangsbündnis mit Preußen schließen. Die ihm darin aufgezwungene konstituelle Monarchie- - das war nicht das Königtum, das er sich romantisch erträumt hatte. Mit den Zumutungen der Gegenwart vermochte Ludwig II immer weniger seinen Frieden zu machen. Er suchte Zuflucht in seinem Ideal des Mittelalters: einer Traumwelt, in dem die mythische Einheit von Glaube und Königtum intakt war-- ganz, wie Richard Wagner diese Welt in seiner Musik überhöht hatte. Mit Neuschwanstein kreierte Ludwig II die perfekte Kulisse. Eine vollkommene Gegenwelt zur verkommenen Moderne. Schon die Planung von Neuschwanstein kam dem Ausmaß einer Wagnerschen Oper gleich. In mehreren Akten gingen die Pläne durch die königlichen Hände. „Ich finde es spannend nachzuverfolgen, wie sich Ludwig II immer akribischer in die Neue Burg vertieft hat, wie er Neuschwanstein nannte“, berichtet Heiko Oehme, „zu Anfang zeigen die Entwürfe eine eher bescheidene Burg, dann entwickelten sich die Pläne zu seinem ‘gebauten Traum’.“ Für Ludwig war die Planung ein andauerndes Geschäft. Wie bei einem Ölgemälde schälte sich aus Konturen langsam das endgültige Schloss heraus. Die ersten Bauten waren noch tastend; vieles war stilistisch noch nicht festgelegt. Für die Toranlage ließ Ludwig warmbraunen Sandstein verwenden; erst später gab er dem farblich kühleren Kalkstein aus einem nahen Steinbruch den Vorzug. Sogar noch nach Baubeginn feilte der König an seiner Vision, verwarf Ideen, ersetzte sie durch Größeres, Kühneres, Bedeutungsvolleres. Der Thronsaal ist Beispiel für eine seiner späteren Planänderungen. Mit einem Federstrich verwarf Ludwig II seine Idee, hier ein Audienzzimmer einzurichten. Stattdessen ein riesiger Saal mit byzantinischen Stilelementen, der zwei Stockwerke des Palas einnehmen würde. Der Thronsaal war fortan nicht mehr für Besuch und Audienz bestimmt, sondern als Denkmal des Königtums und ein Abbild der sagenhaften Gralshalle. Solch eine jähe Änderung und Wendung ins Gigantische hätte Baumeister und Statiker um den Verstand bringen können. Man entschloss sich, die mythischen Visionen des Königs mit modernem Stahl auszuführen. In den feingliedrigen, Lapislazuli-blauen Säulen des Saals befinden sich Stahlkerne; das stuckummantelte, unsichtbare Stahlskelett stützt die Konstruktion. Doch auch hier ist alles in Perfektion ausgeführt. „Der Restaurator, der an diesen Säulen gearbeitet hat, sagte uns, er habe selten eine solche Qualität bei einer Stuckarbeit gesehen“, sagt Heiko Oehme. Doch diese Perfektion hatte ihren Preis. Der König verschliss Architekten, Baumeister, Künstler und Handwerker, zwang ihnen ein mörderisches Tempo auf, forderte das Äu- Reportage | Perfektion gefragt: Die Restaurierung auf Schloss Neuschwanstein 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0046 ßerste von ihrem Können. „Ludwig II war oft auf der Baustelle zugegen“, sagt Heiko Oehme, „kompromisslos korrigierte und änderte er bereits ausgeführte Arbeiten so lange, bis sie bis ins Detail seinen Vorstellungen entsprachen. Er hat sein Traumprojekt ohne Wenn und Aber durchgezogen.“ Dann sagt er: „Es ist eigentlich bitter, dass dem König selbst deutlich weniger Tage in seinem Schloss vergönnt waren als heute unseren hier arbeitenden Restauratoren. Zum Beispiel hat er den Leuchter im Thronsaal selbst nie gesehen.“ Trotz des Drucks des Bauherrn entstand ein mustergültiger Bau. „Die vorhandene Bausubstanz ist ausgesprochen gut,“ sagt Heiko Oehme. Das Tragwerk wurde fachmännisch errichtet. Die handwerklichen Techniken waren ausgereift und zeugen von Meisterschaft. Heiko Oehme ergänzt: „Wären sie nicht so hochwertig, hätten wir heute wesentlich größere Schäden zu restaurieren gehabt. Es gibt nichts, über das man sagen könnte, dass bei der Wahl besserer Materialien und Techniken Schäden hätten vermieden können.“ Dies nötigt ihm, dem Ingenieur, Respekt ab. Respekt vor den Menschen damals auf der Baustelle, die trotz des massiven Drängelns des Königs ihre Arbeit meisterhaft verrichteten. Dennoch-- so ganz perfekt war diese Gegenwelt nicht. Zumindest nicht statisch. Auf dem Dachboden Welch ein Kontrast! Nach all der Pracht versetzt der Dachboden des Schlosses Neuschwanstein einen Stich. Profan, fast roh erscheint er: die Giebel gemauert aus rotem Ziegel, die Konstruktion aus mächtigen, aber alltäglichen Holzbalken. Doch hier oben zeigt sich, dass es doch Probleme gab mit der alten Bausubstanz. Die Dachbalken liegen hier ganz auf den Mauerkronen auf. Die Konstruktion hat ein immenses Gewicht, zusätzlich belastet im Herbst von Stürmen und im Winter von Schneelast. Die Folge: Das Gewicht hat die Mauern leicht auseinandergedrückt. An der Traufe zeigten sich Risse. Zudem senkten sich die Dachbalken gefährlich. Sie drohten von oben die Kuppel des Thronsaals „einzudrücken“. „Wir mussten hier am Dachboden Anker einziehen, um die Außenmauern zusammenzuhalten“, sagt Heiko Oehme. Eine dünne Ankerkonstruktion reicht um den Dachboden herum. Filigran-- wie fast alles im Schloss. Auf dem Balkon Immer wieder ist man geneigt, durch eines der Fenster einen Blick auf die Berge zu erhaschen. Heiko Oehme schüttelt den Kopf und sagt: „Warten Sie auf den Balkon.“ Die Geduld lohnt sich. Die Naturkulisse ist überwältigend. Der Blick auf den spiegelglatten Alpsee, grünlich, von Wald und Bergen eingerahmt. Dahinter die fernblaue Kette der Tiroler Alpen mit ihren gezackten Gipfelzügen und schneebedeckten Flanken. Weiter unten ist- - fast winzig- - Schloss Hohenschwangau zu erkennen, die „Kinderstube“ Ludwigs. „Schloss Neuschwanstein ist ein gebauter, perfekt inszenierter Traum“, sagt Heiko Oehme, die Hände auf dem kühlen Stein der Balkon-Balustrade, „das ist es, was seine Bedeutung als Gebäude ausmacht: Eine Demonstration, dass es möglich war und ist, sich Träume zu bauen.“ Und mit einem Mal die Erkenntnis: Der „gebaute Traum“ ist wörtlich zu nehmen. So erklärt sich der Detailreichtum im Schloss. Die hervorragende Arbeit. Die Versessenheit des Königs. Sein Drängen zur Eile. Denn im Gegensatz zur realen Welt können-- müssen! -- Träume perfekt sein. Auf dem Weg durch das Schloss begegnet man immer wieder dem Schwan: in Wandmalereien, stilisierten Ornamenten oder auch als Zierstück des Kronleuchters. Der Schwan symbolisiert Reinheit, Schönheit und Entrücktheit. Darin drückt sich die tiefe, universelle menschliche Sehnsucht nach einer besseren Welt aus. Aus der Perfektion des Schlosses spricht Ludwigs Sehnsucht zu uns. Das macht seinen Mythos aus. Anders als Könige können wir keine Traumschlösser bauen. Doch verstehen können wir die Sehnsucht. Sie weckt Bewunderung. Mitgefühl. Vielleicht eine Art Verbundenheit. Fest steht: Ludwigs Sehnsucht wird bleiben. Jetzt noch länger- - Dank der Restaurierung. Eingangsabbildung: Ein Postkartenmotiv in aller Welt: Schloss Neuschwanstein © Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Für jede Branche die passende Lösung projektron.de/ branchen PROCESSES Projektportfolio Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Angebote und Rechnungen Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA, BPMN Anzeige 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0047 Wie man einen „gebauten Traum“ restauriert Minutiöse Planung für ein Mammutprojekt Steffen Scheurer, Oliver Steeger Kein Restaurierungsprojekt ist gegen Überraschungen gefeit: Plötzlich stoßen die Fachleute etwa auf Mauerrisse, faule Bodenbalken oder hartnäckigen Schmutz. Doch so wahrscheinlich Überraschungen sind- - dies entbindet das Projekt nicht von der Pflicht minutiöser Planung. Beim Schloss Neuschwanstein hat sich dieser Projektmanagement-Grundsatz hervorragend bewährt. Projektleiter Heiko Oehme berichtet über den Umgang mit Überraschungen, über die Koordination der Restaurierung mit dem Besucherverkehr- - und darüber, weshalb das erhaltene Bauarchiv des berühmtesten deutschen Schlosses ein fantastischer Glücksfall ist. Herr Oehme, Schloss Neuschwanstein gehört möglicherweise bald zum Weltkulturerbe. Unter dem Titel „Gebaute Träume“ wurde es für die Nominierung vorgeschlagen. Heiko Oehme: Nicht nur Neuschwanstein, sondern auch die Königsschlösser Linderhof, Herrenchiemsee und das Königshaus am Schachen. Die Schlösser Ludwigs II sind in ihrer Art ein einzigartiges Gesamtkunstwerk aus Architektur, Kunst und Inszenierung. Und dabei sind sie perfekt in die jeweiligen Landschaften eingepasst. Besonders Neuschwanstein war unter Touristen schon immer beliebt. Voraussichtlich im Sommer 2025 entscheidet das Welterbekomitee über die Eintragung der Königsschlösser. Doch Schloss Neuschwanstein stand nicht immer so hoch in der Gunst der Kunstexperten. Sie haben Schloss Neuschwanstein lange Zeit als gebauten Kitsch abgetan und eher geringgeschätzt. Wie hat sich diese Sichtweise verändert? Heute gelten die Königsschlösser als die repräsentativsten Bauwerke und Zeugnisse einer Modeerscheinung im 19. Jahrhundert. In der „besseren Gesellschaft“ war es zu dieser Zeit in Mode, gewissermaßen fiktive Reisen zu unternehmen: zu fernen Orten, anderen Kulturen-… …-oder auch in andere Zeiten, etwa das Mittelalter? Ja. Wer über die finanziellen Mittel verfügte, ließ sich Idealwelten nach seinen eigenen Vorstellungen schaffen. Dies waren irdische Paradiese, gebaute Träume. Ludwig II hatte diese Möglichkeit des fiktiven Reisens perfektioniert. Auf Neuschwanstein begab er sich in die Opernwelten Richard Wagners: Er ließ sich von dem Komponisten in die Mythen edler Ritter des Mittelalters entführen-- in eine idealisierte Welt des Mittelalters. Nennen Sie deshalb Schloss Neuschwanstein einen „gebauten Traum“? Ja, ein gebauter Traum für das perfekt inszenierte Hinübergleiten in die Irrealität. In dieser Konsequenz, Absolutheit und Dimension gibt es kein Bauwerk auf der Welt wie Schloss Neuschwanstein. Sie haben gemeinsam mit dem Staatlichen Bauamt Kempten seit 2017 Schloss Neuschwanstein restauriert. Die Planungen begannen bereits 2012. Es handelt sich dabei um die erste, vollumfängliche Restaurierung in der Schlossgeschichte. Das Projekt schien zunächst überschaubar. Dann aber wurde es schon in der Bestandsaufnahme sehr schnell sehr groß. Weshalb? Anfangs ging man davon aus, dass es sich „nur“ um eine Restaurierung der eigentlichen Prunkräume handeln würde, beispielsweise Sängersaal, Thronsaal, Schlafzimmer, Speisezim- Reportage | Wie man einen „gebauten Traum“ restauriert 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0047 mer. Die Bausubstanz selbst schien-- obwohl nie grundlegend restauratorische Hand angelegt wurde- - in gutem Zustand. Doch je mehr wir uns in die Thematik eingearbeitet haben, desto mehr erkannten wir: Es mussten noch weitere Themenbereiche in diese Restaurierungsmaßnahme einfließen. Die erste ganz grob angedachte Budget-Idee Ihres Projekts lag bei 5 Millionen Euro. Wenn ich Sie richtig verstehe, hat man noch weit vor der Planung zusätzliche, große Aufgaben in das Projekt hineingenommen. Der Projektumfang, mit dem Sie dann gestartet sind, lag dann bei 20 Millionen-- und Ihr Budget haben Sie gut eingehalten. Absolut! Wir haben die vorab kalkulierten Kosten bisher gut eingehalten- - trotz einer nun bereits laufenden Restaurierungszeit von sieben Jahren. Noch ins Projekt hinzugekommen sind beispielsweise die statische Sicherung der Kuppel im Thronsaal, die Restaurierung aller Außenfenster und Türen: wir sprechen hier übrigens von über 600 Stück. Hinzu kamen überdies der Einbau eines Textildepots, die komplette Erneuerung der Sicherheitstechnik, fünf Lüftungsanlagen und die Restaurierung der sogenannten Königswohnung im Torbau, von der aus König Ludwig II den Baufortschritt verfolgt hat. Das waren alles dringend erforderliche Maßnahmen. Nehmen Sie beispielsweise den Lichtschutz im Schloss: den Schutz gegen die Wirkung des Tageslichts. Wir sind im Schloss Neuschwanstein auf 1.000 Meter Höhe. Das Sonnenlicht ist hier aggressiv und hat oft Schäden auf empfindlichen Oberflächen hinterlassen: Zerschlissene Textilien, verblasste Wandmalereien, sogar rissige Stuckmarmorflächen. Dieser Schutz war eines der Ziele unseres Projekts. Sprechen wir weiter über diese Ziele. Über die generelle Zielsetzung einer Restaurierung wird gerne diskutiert. Die einen bevorzugen die Wiederherstellung des Urzustands; das Kunstobjekt erstrahlt buchstäblich in neuem Glanz. Andere sagen: Man muss dem Denkmal das Alter ablesen können; man darf es durch die Restaurierung nicht verfälschen. Also erhalten, sichern, reparieren, schützen-- aber nichts erneuern. Was war Ihr Ansatz? Wir sind den zweiten Weg gegangen und haben eine vorwiegend konservatorische Behandlung gewählt. Alterungsbedingte Spuren und Veränderungen haben wir belassen-- und gewissermaßen geschützt. In diesem Sinne nicht schützenswert waren für uns aber die Spuren von nutzungsbedingtem Verschleiß etwa durch die Besucher. Auch haben wir der Reste früherer Reparaturen, Ergänzungen oder Überarbeitungen entfernt- - sofern diese Eingriffe unsachgemäß durchgeführt worden waren oder heute den Gesamtzusammenhang stören. Das Ergebnis ist: Die Restaurierung zeigt den Besuchern nun einen Zustand der Räume, der die von König Ludwig II gewünschte Aussage wieder nahezu original wiedergibt. Aber jeder kann die vergangenen Jahrzehnte der Alterung ablesen. Was bedeutete dieser Ansatz konkret für Ihr Restaurierungsprojekt? Was haben Sie genau gemacht? Wir haben beispielsweise Oberflächen vorsichtig gereinigt, trocken oder manchmal auch lokal feucht. Wir haben Fehlstellen retuschiert, lose Teile gefestigt, behutsam Brüche repariert oder Risse behandelt. Auch die Spuren früherer, unsachgemäßer Pflege haben wir beseitigt. Dagegen haben wir viele altersbedingte Schäden wie Schwundfugen an Materialübergängen oder Pigmentveränderungen bei Farben toleriert. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Reportage | Wie man einen „gebauten Traum“ restauriert 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0047 Was war die wesentliche Herausforderung bei Ihrem Projekt? Das lässt sich mit einem Satz kaum beantworten. Bei dieser Restaurierung gestaltete sich ziemlich alles kompliziert-- und manchmal kaum lösbar. Zum Beispiel? Es war nicht immer absehbar, ob wir auf einen genügend großen Pool an spezialisierten Restauratoren zugreifen konnten. Ein ganzes Schloss restaurieren-- dafür braucht man ungewöhnlich viel Know-how und Expertise. Diese Expertise in Sachen Denkmalpflege und Restaurierung haben wir zum Glück bei der Bayerischen Schlösserverwaltung im Hause. Unser Restaurierungszentrum ist mit Fachleuten für alle Themen besetzt: Vergolder, Schnitzer, Spezialisten für historisches Glas, Metall, Wandoberflächen, Textil, Papier und vieles mehr. Sie haben schon viele ähnliche Restaurierungsmaßnahmen fachlich begleitet. Inwiefern fachlich begleitet? Sie haben vorgegeben, wie die jeweiligen Restaurierungsmaßnahmen durchzuführen sind: etwa die Restaurierung des Treppenhausfreskos von Tiepolo in der Würzburger Residenz, die des Cuvilliéstheaters in der Münchner Residenz oder auch des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth. Dennoch haben Sie ergänzende Unterstützung von außen gebraucht, vom freien Markt-… Ergänzende Unterstützung ist hier nicht der richtige Ausdruck. Unser Restaurierungszentrum hat das fachliche Know-how, nicht aber die Manpower, solch große Projekte zu bearbeiten. Die Restaurierungen werden dann mit den Vorgaben des Restaurierungszentrums von Spezialisten vom freien Markt ausgeführt. Aber, der „Freie Markt“, wie Sie es nennen, ist oftmals recht „dünn“. Je spezieller das restauratorische Aufgabengebiet, desto „dünner“. Mit welcher Folge? Manchmal waren wir froh, wenn Angebote auf unsere Ausschreibungen in ausreichender Anzahl abgegeben wurden, um hier wirklich die Kriterien des „Wettbewerbs“ einhalten zu können. Einige Firmen scheuten sich, sich über längere Zeit an ein Objekt zu binden- - und damit vielleicht den Anschluss an andere Objekte zu verlieren. Nebenbei bemerkt: Eine große Herausforderung war es, die Restaurierung in den Bereichen des Schlosses so zu organisieren, dass sich Restauratoren und Besuchergruppe nicht gegenseitig stören. Auf diese Notwendigkeit wurde in jeder Ausschreibung in den Vorbemerkungen hingewiesen. Dies mag auch ein Grund gewesen sein, nicht unbedingt euphorisch ein Angebot abzugeben. Die Restaurierung fand ja großenteils bei laufendem Besucherverkehr statt. Wo liegen da die Herausforderungen? Vieles, aber nicht alles kann man bei laufendem Betrieb machen. Man muss sehen, dass man das, was die Besucher stören könnte, in Nachtarbeit schafft. Das aber ist nicht ganz einfach, wenn beispielsweise Trocknungszeiten zu beachten sind. Da stellen sich über das Timing hinaus viele Detailfragen: Wie kann man mit Lösungsmitteln umgehen, ohne dass sich Besucher davon gestört fühlen? Wie Gerüste so ausstatten, dass diese nicht so laut klappern oder quietschen, dass Besucher ihren Audio-Guide nicht mehr verstehen? Sie hätten das Schloss für ein paar Jahre sperren können. Weshalb ist das für Sie kein gangbarer Weg gewesen? Natürlich, eine Sperrung hätte uns ermöglicht, das Projekt in kürzerer Zeit durchzuziehen. Aber es gab gute Gründe, das Schloss auch während der Restaurierung offenzuhalten: Viele Betriebe in Bayern sind mittelbar oder unmittelbar vom Tourismus auf Neuschwanstein abhängig, etwa Hotels, Gastwirte, Verkehrsunternehmen oder Kutschenbetriebe. Sie wären mit Sicherheit gegen unser Projekt Sturm gelaufen, wenn ihnen durch eine Schließung bis zu 1,5 Millionen Gäste jährlich hier Restaurierung im Schloss Neuschwanstein. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Reportage | Wie man einen „gebauten Traum“ restauriert 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0047 fehlen. Meiner Meinung nach wäre dieser Widerstand auch berechtigt und verständlich gewesen. Wie haben Sie Besucherverkehr und Restauration unter einen Hut gebracht? Im Wesentlichen durch minutiöse Planung. Wir haben vor Beginn der Arbeiten genau durchgespielt, wann was wie einzutakten ist. Planung ist gut. Doch Restaurierungsprojekte gelten als anfällig für Überraschungen. Niemand weiß, wie gut die Substanz etwa unter dem Putz ist. Solche Überraschungen hatten wir durchaus. Trotz aller Überlegungen und Planungen muss man dann aber auch extrem flexibel sein. Das ist letztlich wie eine Operation am offenen Herzen. Aber: Die Wahrscheinlichkeit, dass Überraschungen auftreten, entbindet das Projekt nicht von der Pflicht zur minutiösen Planung. Nur nahezu perfekt geplant lässt sich solch ein Mammutprojekt ansatzweise sicher ins Ziel zu bringen. Startet man solch ein Projekt wegen vermeintlicher Unsicherheiten im Blindflug-- dann ist das Scheitern fast vorprogrammiert. Ihr Projekt ist ein Erfolg. Doch spielen wir theoretisch die Alternative durch. An was könnte solch ein Projekt scheitern? Die Arbeiten an solch einem Projekt wie unserem stehen weltweit unter Beobachtung. Die Fachwelt schaut genau darauf, ob bei einem Objekt wie dem Schloss Neuschwanstein wirklich die höchsten Ansprüche eingehalten werden. An der Qualität unserer Arbeit werden wir weltweit gemessen. Sichtbarer Unterschied: Alt (das dunkle Holz) gegen gereinigt (das helle Holz). Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Heiko Oehme Sie haben einen Ruf zu verlieren! Ja-- und wir steuern obendrein auf den UNESCO-Welterbe-Status zu! Allein schon der Qualität wegen muss man die Befundung und die Restaurierung präzise planen. Ein weiteres Risiko unzureichender Planung ist, dass die geschätzten Kosten explodieren. Kosten laufen aus dem Ruder, wenn während der Arbeiten immer mehr Überraschungen ans Tageslicht kommen. Aufgabe sorgfältiger Planung und Vorbereitung ist ja, diese Überraschungen vorher zu erkennen oder zumindest darauf vorbereitet zu sein. Zudem hätten Probleme durch schlechte Planung auch Auswirkungen auf den Tourismus gehabt. Gäste und Reiseunternehmen buchen den Besuch teils Monate im Voraus. Wir konnten und wollten es uns schlichtweg nicht leisten, den Tourismus in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Ihr Projekt stand unter Zeitdruck. Letztlich hat auch die Politik gedrängt. Moment! Es stimmt, dass wir erheblichen Zeitdruck hatten. Doch seitens des zuständigen Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen und Heimat wurden uns keine unrealistischen Vorgaben gegeben. Also ganz klar: Zeitdruck ja-- aber keine unrealistischen Vorgaben! Wie hat das Ministerium Sie unterstützt? Sehr gut. Dort war man sich bewusst, dass eine gute, gründliche Restaurierung nicht von heute auf morgen umsetzbar ist. Man wusste: Das Projekt würde zeitintensiv sein. Auch dann, als wir begründet haben, weshalb sich die Prognosen zum Projektende teils nach hinten verschoben haben-- auch dann noch haben alle Seiten dies als notwendig akzeptiert. Neuschwanstein ist nicht irgendein Schloss. Es ist ein Aushängeschild für den bayerischen Tourismus, sogar ein weltweites Symbol für Deutschland. Also auch Prestigeobjekt für die Politik und einzelne Politiker. Hat dies Auswirkungen auf Ihr Projekt gehabt? Natürlich! Neuschwanstein stand und steht in den Medien. Das ist zum einen wichtig und gut. Zum anderen aber fürchtet die Politik natürlich Schreckensmeldungen über Kostensteigerung, Missmanagement, unwägbarer Probleme oder nicht einzuhaltender Termine. Sie sagten, dass Sie viel Zeit nicht nur in die Planung investiert haben, sondern auch in die akribische Grundlagenermittlung. Weshalb ist die Grundlagenermittlung so wichtig? Glücklicherweise können wir für Schloss Neuschwanstein auf die historischen Originalpläne und Bautagebücher zurückgreifen. Das vollständig erhaltene Archiv gibt uns Auskunft über verwendete Materialien. Es zeigt uns, wie diese Materialien wann wie eingesetzt wurden. Diese Informationen sind für eine Restaurierung von unschätzbarem Wert. Wir konnten häufig früh anhand der Aufzeichnungen und Pläne erkennen, woher Schäden kamen und wie wir sie beheben konnten. Oder wie wir neue Technologie integrieren konnten. Welche neuen Technologien zum Beispiel? Durch die historischen Pläne war es uns möglich, die Lüftungsanlage für den Besucher fast unsichtbar einzubauen. Wir haben dank der Pläne die Lage der historischen Kanäle der Zent- Reportage | Wie man einen „gebauten Traum“ restauriert 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0047 ralheizung nachvollziehen können. Diese wurden dann für die Lüftungsanlage genutzt. Wir sprechen übrigens bewusst nicht von einer Klimaanlage; es war nie das Ziel, die Temperatur im Schloss zu steuern, sondern die Spitzen der Luftfeuchte zu kappen. Als das Schloss erbaut wurde, war die Idee einer Zentralheizung revolutionär. Der Erbauer Ludwig II mag in seiner mittelalterlichen Fantasiewelt Zuflucht gesucht haben. Doch er schätzte auch die Errungenschaften seiner Zeit: damals moderne Baumaterialien und Technologien wie etwa Beton und filigrane Metallprofile, fließend Wasser an Waschtischen und WCs sowie eine erstaunlich zeitgemäße Küche. Das Haustelefon gilt als eine der ersten Fernsprechanlagen in Bayern. Hat Sie diese seinerzeit moderne Technologie bei der Restaurierung vor Herausforderungen gestellt? Nein, sie hatte für uns durchaus positive Seiten; der Einbau der Lüftungsanlage ist ja ein Beispiel dafür. Ein anderes Beispiel sind die damals neuen Eisenfenster: Ihr Zustand war, vielmehr ist nach der langen Zeit immer noch erstaunlich gut. Gleiches gilt für die gewaltigen Eisenkonstruktionen, auf denen das Gewicht des Thronsaals abgelastet ist. Alles ist nach fast 140 Jahren immer noch in ausgesprochen gutem Zustand. Dies gilt auch für die gesamte Bausubstanz! Wäre die Substanz nicht so hochwertig, wären die zu restaurierenden Schäden wesentlich größer gewesen. Und wir hätten auch vielleicht noch mehr Überraschungen erlebt. Trotzdem gab es diese unvermeidlichen Überraschungen. Welche zum Beispiel? Eine Überraschung war statischer Natur: Unter einem Terrazzo-Fliesenboden waren im Laufe der Jahrzehnte Tragbalken angefault und korrodiert- - bedingt durch den Eintrag von Feuchtigkeit durch Millionen von Besuchern. Das wurde erst sichtbar durch den Ausbau einzelner zu ersetzender Fliesen. Letztendlich hat dies dazu geführt, dass der gesamte Boden in diesem Schlossbereich bis hin zu dessen Unterkonstruktion ausgebaut wurde. Er wurde statisch modifiziert und dann wieder „neu“ unter Verwendung der historischen Schüttung und Fliesen eingebaut. Ein anderes Beispiel: Bei der Restaurierung des Mosaikbodens im Thronsaal hatten wir erst im Rahmen der laufenden Restaurierung die Möglichkeit, den Bodenaufbau zu erkunden. Auf einmal stellte sich heraus, dass wir hier keine Möglichkeit hatten, das angedachte Restaurierungsprozedere anzuwenden. Es musste nun ein Plan B gefunden werden. Der Bodenaufbau des Mosaikbodens war auf Kante genäht: sprich extrem dünn ausgeführt. Somit konnten die losen Mosaiksteinchen nicht mit Mörtel hinterfüllt und gefestigt werden? Richtig. Doch keine dieser Überraschungen hat unseren eingetakteten Restaurierungsablauf ernsthaft aus dem Konzept gebracht. Hier und da waren die Restauratoren mal länger an einem Ort als geplant. Manche Einschränkung für Besucher dauerte vielleicht länger als gedacht. Aber letztlich konnten wir den unerwarteten Abweichungen elastisch begegnen. Es gab auch andere Überraschungen. Eine davon war die Pandemie. So schlimm dieses Ereignis war-- für Sie war es günstig. Das Schloss war mit einem Mal leer. Ursprünglich hatten wir viele Bauabschnitte in kostspieliger Nachtarbeit geplant, um Besucher nicht zu stören. Plötzlich versiegte der Besucherstrom. Das half uns. Allerdings: Niemand wusste ja genau, wie lange der Lockdown dauern und wann das Schloss wieder geöffnet würde; das machte die Planung letztendlich schwierig. Zudem mussten wir plötzlich strenge Abstandsregeln zwischen den Restauratoren einhalten- - was etwa auf einem Rollgerüst nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Der Erfolg eines solchen Projekts lebt ja auch stark von den Beteiligten. Wie haben Sie zusammengearbeitet? Seitens der Bayerischen Schlösserverwaltung haben wir für unser Restaurierungsprojekt mit dem Kemptner Bauamt zusammengearbeitet. Und da möchte ich mich wirklich bedanken: Alle Erkenntnisse, Vorgaben, Zielvorstellungen, Mittelzuweisungen, denkmalpflegerischen Entscheidungen, Ausschreibungs-Auftrags- und Abrechnungsmodalitäten, Besprechungen vor Ort, menschlichen Höhen und Tiefen auf der Baustelle- - dies alles wurde perfekt über den Flaschenhals Bauamt Kempten sortiert, gewichtet und gesteuert. Eine Mammutaufgabe für das Projektteam des Bauamts unter Projektleiter Christoph Weber! Doch wir haben gespürt, dass es dem Amt und allen Beteiligten ein echtes Bedürfnis war, dieses Projekt mit uns zum Erfolg zu führen. Professionell und auch menschlich hat es gestimmt. Nicht vergessen möchte ich natürlich, dass auch die hausinterne Abstimmung mit der Schlossverwaltung existenziell war und ist. Nur in einem ständigen Dialog hinsichtlich der anstehenden Arbeiten kann die Verwaltung die Besucherströme entsprechend steuern. Auch hier von meiner Seite ein großer Dank für das stets konstruktive und harmonische Miteinander! Eine Abschlussfrage: Während des 19. Jahrhunderts haben sich die Menschen stark auf ihre Denkmäler zurückbesonnen. Überall in Deutschland wurden alte Burgen und Schlösser wieder aufgebaut. Ähnlich war es ja mit Neuschwanstein-… Letztlich handelte es sich bei dem Wiederaufbau historischer Burganlagen um eine modische Zeiterscheinung. Aber: Ich bin mir da gar nicht so sicher, ob man bei Neuschwanstein von einem Wiederaufbau sprechen soll. Sicher hatte es hier die Ruinen zweier mittelalterlichen Burgen gegeben. Diese Ruinen ließ Ludwig II gänzlich abtragen. Auf der frei gewordenen Fläche wurde der Baugrund für Neuschwanstein hergerichtet. Also das war keine Rekonstruktion? Nein, hier handelt es sich definitiv um keine Rekonstruktion. Ludwig II wollte dies auch nicht. Es ist das unter dem Einfluss des Historismus entstandene Idealbild eines Bauwerks, das die Welten, in die sich der Bauherr sehnte, in einmaliger Weise widerspiegelt. Reportage | Wie man einen „gebauten Traum“ restauriert 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0047 Der gebaute Traum-…? Ja. Schloss Neuschwanstein ist in meinen Augen weder Schloss noch Burg. Es ist Inbegriff des „Gebauten Traums“ eines in seiner Vorstellungskraft und seiner Kenntnisse zur Kultur und Architektur genialen Mannes. Die Begeisterung der Menschen für Schloss Neuschwanstein ist heute vielfach verbunden mit der schillernden Figur des Märchenkönigs. Manche bezeichnen das Schloss als Märchenschloss. Hat es aus Ihrer Sicht diese Mystik und Magie? Absolut! Fahren Sie an einem Herbstmorgen von Füssen kommend durch diese Landschaft, erblicken Sie das Schloss, das sich mit seiner Kalksteinfassade weiß, fast strahlend von dem bunt gefärbten Bergwald abhebt. Sehen Sie dann auf den Bergen darüber den ersten Schnee unter dem blauen Himmel-- mehr Klischee geht nicht. Das ist Magie! Eingangsabbildung: Der Blick in die Kuppel des Thronsaals. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Oliver Steeger Detail eines Leuchters-- nach der Restaurierung! Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, Heiko Oehme Heiko Oehme Heiko Oehme ist stellvertretender Baureferent bei der bayerischen Schlösserverwaltung: einem der größten Museumsträger in Deutschland mit 45 Schlössern, Burgen und Residenzen sowie weiteren Baudenkmälern und Künstlerhäusern. Foto: privat Heiko Oehme 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende: Ein Fallbeispiel zur Zusammenarbeit von Vorhabenträger und Lieferant Patrick Komischke, Thorben Müller, Fabian Meisenbacher, Jörn Hendrik Ast, Helge Wild Für eilige Leser | Die Gesellschaft erhebt zurecht höchste Ansprüche an die Umsetzung politischer Vorgaben, vor allem auch im Bereich der Energiewende. Entsprechendes gilt für die Unternehmen, die diese Umsetzung unterstützen. 50Hertz als Vorhabenträger und ihr Kabellieferant NKT haben sich dazu entschieden, ihre bisherigen Projekt-Vorgehensweisen in passenden Teilen agiler zu gestalten. In diesem Artikel zeigen wir ausgewählte Herangehensweisen und Erfahrungen im Zusammenhang mit dem SuedOstLink, einem der herausragenden Projektvorhaben der Bundesrepublik unserer Zeit; es ist eines der noch sehr seltenen Praxisbeispiele kollaborativer Agilisierung in großen, komplexen Infrastrukturprojekten. Schlagwörter | Infrastrukturprojekte, Agil, Agile Kooperation, Energiewende 1. Einleitung Die unter hoher öffentlicher Aufmerksamkeit stehende Energiewende bedeutet neue Herausforderungen im Bereich des Infrastrukturbaus. Von Unternehmen, die diese Projekte stemmen, werden Flexibilität und Geschwindigkeit bei gleichzeitig hoher Qualität und Verlässlichkeit an die Verfügbarkeit der gebauten Infrastruktur erwartet. Diese Anforderungen umfassen die gesamte Wertschöpfungskette, vom Vorhabenträger (50Hertz Transmission GmbH) über Planungsunternehmen bis hin zum Lieferanten und Installateur von Höchstspannungskabeln (NKT GmbH & Co. KG). Daher haben sich der Netzbetreiber 50Hertz und der Kabellieferant NKT im SuedOstLink entschieden, einzeln, aber auch in ihrer Zusammenarbeit, diesen neuen Herausforderungen durch enge Kollaboration und die Einführung agiler Arbeitsmethoden zu begegnen. Die Projektleiter der NKT und der 50Hertz formulierten im Jahr 2022 das gemeinsame Ziel, die Zusammenarbeit der Teams zu verbessern und die gemeinsamen Projektziele in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen und haben damit begonnen sich mit Prinzipien und Methoden der agilen (Zusammen-)Arbeit zu beschäftigen. Der Transformationsprozess beider Projektteams zu agiler Arbeit und Kooperation startete im Frühjahr 2022 und umfasste vier Phasen, die dieser Artikel detailliert betrachtet und die Motivation hinter der Entscheidung, agile Methoden im Infrastrukturbau zu implementieren, näher beleuchtet: Es wird insbesondere darauf eingegangen, warum agile Methoden nicht nur passend, sondern auch entscheidend für den Erfolg und die kollaborative Zusammenarbeit im Infrastrukturbau sein können. Wir beleuchten die spezifischen Herausforderungen, Erfolge und Erkenntnisse, die diesen Transformationsprozess begleitet haben. 2. Eines der größten Infrastrukturprojekte in Deutschland: der SuedOstLink Bedingt durch die Energiewende werden im windreichen Norden des Landes immer größere Mengen Windstrom produziert, während im Süden nach und nach die Kernkraft- Wissen | Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 werke vom Netz gehen. Der SuedOstLink soll deshalb Strom in Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) vom Nordosten in den Süden Deutschlands transportieren. Der SuedOstLink ist rund 540 Kilometer lang und reicht von Wolmirstedt bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt bis zum Standort Isar bei Landshut in Bayern. Vorhabenträger für den nördlichen Teil des SuedOstLinks ist 50Hertz. Den südlichen, bayerischen Teil verantwortet Übertragungsnetzbetreiber TenneT. Die NKT liefert und installiert die 525-kV-Höchstspannungskabel für die Verbindung in der Regelzone von 50Hertz. Zum Liefer- und Leistungsumfang gehören neben dem Kabeldesign und der -produktion auch die Logistik bis zur Baustelle sowie sämtliche Planungs- und Ausführungsarbeiten für den Kabelzug, die Garniturenmontage sowie die Inbetriebnahmeprüfungen der Kabelsysteme. 3. Agiles Projektmanagement als Methode für bessere Zusammenarbeit (Phase 1 & 2) In 2022 blickten die Projektpartner auf 18 hoch volatile Monate zurück, in denen die Zusammenarbeit oft nicht einfach und zielgerichtet war. Mit Start einer neuen Projektleitung gab es die Möglichkeit für einen Neuanfang der Zusammenarbeit. Obwohl agile Prinzipien im Prozess der Herstellung von realen Produktionsgütern zunächst nicht unmittelbar anwendbar erscheinen, wurden die agilen Prinzipien „Transparenz“, „kontinuierliche Wertschöpfung“, „Anpassungsfähigkeit“ und „Risikominimierung“ aus Sicht der Projektleitungen als valide erste Gedanken für die Verbesserung der Zusammenarbeit gesehen. Das Projekt befand sich in einer Phase, in der in sehr kurzen Abständen neue Erkenntnisse generiert wurden, die in die Planungen der Unternehmen übernommen werden mussten. Das erforderte die Fähigkeit, veränderte Anforderungen schnell zu erkennen, gemeinsam eine Lösung zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen. Komplexitätsreduzierung und andere agile Prinzipien sollten dabei helfen. Der hierfür notwendige Transformationsprozess begann in Phase 1 mit einem Workshop für die Teams von 50Hertz und NKT, mit Fokus auf Verbesserung der Zusammenarbeit durch Einblicke in Unterschiede zwischen Wasserfall- und agilem Projektmanagement. Die Teams erarbeiteten selbst Vor- und Nachteile von agilem Projektmanagement und hinterfragten Nutzen und Eignung für die Projekte. Nach dem Workshop bildeten sich vier Gruppen, die in Übungs-Sprints Themen wie Kollaboration, Joint Workspace, Projektidentifikation sowie Team Spirit erarbeiteten. Es zeigte sich, dass die Methodik und Denkweise in Sprints für die Projektexperten zunächst ungewohnt waren. Die Konzepte mussten erst verinnerlicht werden. In den folgenden Monaten arbeiteten die Teams kontinuierlich an der Umsetzung der in den Sprints erarbeiteten Konzepte. Das Feedback und die Ergebnisse aus dem Workshop und den Sprints führten dazu, dass agile Praktiken in die Arbeit der Teams integriert wurden. In der zweiten Phase des Transformationsprozesses wurden klassische Projektmanagementpraktiken durch agile Elemente ergänzt. Das Reporting und die monatlichen Statusmeetings wurden angepasst, sodass die Teams gemeinsam effektiver berichten und planen konnten: erste Schritte in Richtung ‚Sprint-Review‘ und ‚Sprint-Planung‘. 4. Agile Construction Arbeitsmodell für das Projekt Tiefbau / Leitungen (Phase 3.1 & 3.2) Anfang 2023 sah das Projekt der 50Hertz immenses Wachstum bei Teamgröße und Anzahl der mitwirkenden Partnerunternehmen. Folglich mussten Wege der Zusammenarbeit neu verhandelt werden. Die Erfahrungen aus Phase 1 und 2 stellten den Startpunkt der Überlegungen für den Aufbau des Arbeitsmodells „Tiefbau / Leitungen“ dar, wobei darüber hinaus weitere Partner des Projekts eigene Ideen zur Zusammenarbeit einbrachten. So organisierten zum Beispiel zwei der von 50Hertz beauftragten Ingenieurbüros (Ingenieurgemeinschaft aus Inros Lackner SE und ILF Beratende Ingenieure GmbH) den eigenen Scope unter Einbeziehung der 50Hertz-Teams nach Lean-Construction-Methoden. Daher entschied die Projektleitung der 50Hertz eine Konzeptionsphase für das Arbeitsmodell zu initiieren, in der die Zusammenarbeit innerhalb der neu entstandenen Teams und die Zusammenarbeit mit externen Partnern neu gedacht werden sollte. Zusammen mit Jörn Hendrik Ast als Agile Coach wurden verschiedene Hypothesen und die Architektur für das Arbeitsmodell entwickelt. Es entstand ein Arbeitsmodell mit vier Delivery Teams: ein Produktionsteam und ein Team je Abschnitt des SuedOstLinks. Die Umsetzung erfolgte in den Teams zusammen mit drei Agile Mastern, die als Moderator: innen und Coaches die Nutzung der agilen Events und Artefakte ermöglichten. Die Grundlage für die Entwicklung des Agile Construction Arbeitsmodells war ein iteratives Vorgehen. Es galt, verschiedene Hypothesen zur Anwendung agiler Methoden „by the book“ zu validieren und die Adaption zu agilen Grenzflächen (nicht nach agilen Methoden arbeitende Organisationsberei- Abbildung 1: Phasendarstellung der Entwicklung des Agile Construction Arbeitsmodells bei 50hertz Wissen | Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 che) zu erreichen. Als Projekt im Programm SuedOstLink galt es, bestehende Prozesse zu respektieren und Erwartungen der Programmleitung zu erfüllen. Dennoch war es wichtig, das Arbeitsmodell nicht zu verwässern-- es wurde auf eine möglichst strenge agile Auslegung geachtet. Ein Beispiel: Obwohl eine NKT / 50Hertz-übergreifende Teamintegration als sehr wichtig erachtet wurde, konnten keine gemeinsamen Scrum Teams mit Product Owner: in, Scrum Master: in und Team von ca. 6-7 Experten geschaffen werden (u. a. wg. bestehender Verträge). Ersetzt wurde dies u. a. durch Regeltermine auf strategischer Ebene, gemeinsame Backlog-Refinement Workshops, Multi-Team-Refinements und vierteljährlichen Planungs-Workshops, an dem Teams aller Partner teilnahmen und Planungen integrierten. Stück für Stück wurden Ideale wie crossfunktionale Teams, die ein Produkt von Anfang bis Ende entwickeln, für das Arbeitsmodell übersetzt, welches von fünf Säulen getragen wird: 1. Werte: Werte sind der Motor für klare Ziele und eine Teamkultur. Zusammen mit den Teams wurden folgende Fragen in Bezug auf Werte beantwortet: Welche Verhaltensrichtlinien möchten wir? Welchen Werten folgen wir, um weiter zu wachsen und uns herauszufordern, um die besten Ergebnisse zu erzielen? 2. Rollen: Klare und präzise Beschreibungen der Rollen stellen sicher, dass die Verantwortlichkeiten für jedes Projektmitglied klar sind. Wir beschränkten uns anfangs auf die Rollen Product Owner, Agile Master und Expertenteam, um die Fragen zu beantworten: Wen kann ich um Hilfe für mein spezielles Problem bitten? Wer wird für welches Event benötigt, und wer ist für welches Ergebnis verantwortlich? 3. Artefakte: Hierunter fallen Werkzeuge für die Lieferung eines funktionierenden Produkts. Die wichtigsten Artefakte sind das integrierte Product Backlog (für alle vier Teams), das Sprint Backlog (pro Team, je 4-Wochen-Sprint) und dem Product Increment, dem Teilergebnis aus fertigen Arbeitspaketen und Arbeitsschritten. 4. Events: Sie beschreiben die wichtigsten Meetings zur Abstimmung und Klarheit für alle Projektmitglieder. Wie können zyklische Meetings und Workshops für einen reibungslosen Informationsfluss sorgen? Wie entsteht Co-Creation, die die Sichtweise aller Teilnehmer: innen einbezieht und zu einer besseren, gemeinsamen Entscheidungsfindung führt? 5. Workflows: Die Art und Weise der Zusammenarbeit wird in der fünften Arbeitsdimension geregelt und bietet eher eine Anleitung als eine starre Definition. Das agile Prinzip „Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen“ ist Leitsatz und die notwendigen Veränderungen, die auf natürliche Weise geschehen, werden respektiert. Die Workflow-Beschreibungen beantworten folgende Fragen: Wie sieht die zugrunde liegende Arbeitsweise der Teams im Projekt mit den Partnern aus? Welche verschiedenen Ebenen von Teams und Verantwortlichkeiten gibt es, wie sieht die Zusammenarbeit auf diesen Ebenen aus? Grundsätzlich wurde eine methoden-agnostische Geisteshaltung gewählt. Orientiert wurde sich an Methoden wie dem klassischen Scrum [1] mit seinen Rollen und Sprint-Logik und dem skalierten agilen Framework LeSS [2], zusätzlich inspiriert durch die Flight Level- [3] sowie der Kanban-Methode. Die Herausforderungen des Aufbaus eines agilen Arbeitsmodells innerhalb einer Organisation und mit Partnern, die nicht agil arbeiten, wurde vorausgesehen, und es wurde adäquat auf diese agilen Grenzflächen reagiert. So wurden interne und externe Partner, um eine Vorstellung des Agile Construction Arbeitsmodells zu geben, zu monatlich stattfindenden Sprint Reviews eingeladen, wo die Ergebnisse der vier Delivery Teams präsentiert wurden. In einer wöchentlichen agilen Sprechstunde wurde je ein Bereich des Agile Construction Arbeitsmodells vorgestellt. Die Konzeptionsphase endete mit der ersten Sprintplanung im Mai 2023. Zu Beginn der Phase 3.2 planten zunächst die vier Teams von 50Hertz ihre Aufgaben und Sprintziele und passten iterativ mit den Coaches das Arbeitsmodell an. Nachdem das Arbeitsmodell innerhalb des Projekts eingeübt war, wurden sukzessive die Projektpartner eingebunden und gemeinsame Planungsprozesse und Zusammenarbeit entwickelt. 5. Agile Strategien und Erfahrungen bei NKT Um als Partner im 50Hertz-Arbeitsmodell zu agieren, waren für NKT notwendige Anpassungen an ihren Projektprozessen erforderlich. Dies erforderte eine eigene Transformation, die sich in vier Phasen aufteilt: Abbildung 2: Phasendarstellung der Entwicklung Agiler Arbeitsweisen bei NKT Wissen | Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 5.1 Strategische Wege zur Agilität In 2023 führte NKT vier Refinement-Workshops durch, um innerhalb der Einheit Solutions / Projektmanagement zu erörtern, wie agiles Projektmanagement effektiv in der Projektabwicklung eingesetzt werden könnte. Nach dem zweiten Workshop wurde entschieden, mit dem SuedOstLink-Projekt eine „Agile Insel“ zu initiieren, um erste Erfahrungen zu sammeln und darauf basierend ein Arbeitsmodell zu entwickeln, das zukünftig auf andere Projekte übertragbar ist. Ziel ist es, aus diesen Erfahrungen ein agiles Reifemodell zu entwickeln und zu implementieren. Die Entscheidung fiel auf eine hybride Form, wie zuvor bei 50Hertz auch, da nur bestimmte Prozesse innerhalb des Projekts isoliert und viele in Abhängigkeit von der Matrixorganisation durchgeführt werden mussten. Die gesammelten Erkenntnisse für die Zukunft agilen Arbeitens wurden dokumentiert, um in der Zukunft den Start agiler Projekte bei NKT effektiv zu unterstützen. 5.2 Erste Erfahrungen mit agilen Methoden Das NKT-SuedOstLink Team machte erste Erfahrungen mit agilen Methoden und Mindset in einem Pilotprojekt. Hierfür wurde eine separierbare Projektphase gewählt, ohne nennenswerte Abhängigkeiten zu anderen Projektphasen mit einer begrenzten Laufzeit von vier Monaten. Als Methodik in dem Pilotprojekt wurde das Framework Scrum [1] verwendet, mit seinen Rollen und seiner Sprint-Logik, mit einer Sprintlänge von zwei Wochen. In Retrospektiven wurde ein starker Fokus auf den Nutzen der agilen Arbeitsweisen für die Projektteilnehmer: innen gelegt, um mit Abschluss des Pilotprojektes verifizieren zu können, ob eine Adaption auf das gesamte Projektteam sinnvoll ist.So wurden zu jeder Retrospektive die gleichen Reflexionsfragen an die Projektteilnehmer: innen gestellt. Im zeitlichen Verlauf des Pilotprojektes zeigte sich eine positive Tendenz in dieser Abfrage (siehe Abbildung 3). Wurden anfangs noch alle drei Fragen von allen Projektteilnehmern verneint, war bereits nach dem dritten Sprint ein positiver Lerneffekt zu erkennen, bis schließlich im letzten Sprint alle Projektteilnehmer: innen die Fragen bejahten oder zumindest als neutral einstuften. Das direkte Feedback der Projektbeteiligten war überwiegend positiv, wobei die Vorteile des agilen Arbeitens von vielen Kolleg: innen erkannt wurden. Nachfolgend einige Meinungen aus der Abschluss-Retro: Die zentralen Erfolgsfaktoren agilen Arbeitens und des Scrum Frameworks wurden oft nicht unmittelbar erreicht. Herausforderungen bestanden im traditionellen Rollenverständnis und in der schwierigen Rollenadaption zu Product Owner und Team Member. Trotz positiver Entwicklungen bei Priorisierung und Fokussierung erforderte die Anwendung von Scrum bis Projektende eine dogmatische Anleitung durch den Scrum-Master, was zu einem Cargo-Cult-Phänomen führte, bei dem das Team eher Anweisungen in der Anwendung des Frameworks folgte, als eigenständig in diesem zu agieren. Die Gründe für diese Schwierigkeiten lagen möglicherweise in der begrenzten Projektlaufzeit und der Integration des Pilotprojekts in den linearen Projektalltag: reelle Erfahrungen mit agilen Methoden und echter Selbstorganisation konnten nicht gesammelt werden. Zusätzlich erschwerten die umfangreichen Schnittstellen zur Matrixorganisation die Abstimmung, da die kurzen Sprintzyklen schnelle Entscheidungen bedingten, aber selten bekamen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines umfangreichen agilen Transformationsprozesses, um ein gelebtes agiles Arbeitsmodell in der Projektorganisation zu etablieren. Abbildung 3: Ergebnisse der Retrospektiven Wissen | Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 5.3 Prozessanpassung für agiles, kollaboratives Arbeiten mit 50Hertz Um als Partner im 50Hertz-Arbeitsmodell zu arbeiten, waren einige Anpassungen an den NKT-Projektprozessen notwendig. Es wurde ein kleines NKT Agile Working Model etabliert, das die NKT-interne Zusammenarbeit im Team und NKT-interne Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel des NKT-Projektteams fördert. Das Arbeitsmodell besteht aus denselben fünf Dimensionen wie das 50Hertz Agile Construction Arbeitsmodell (siehe Kapitel 4). Viele der bereits vorhandenen Events und Artefakte wurden genutzt, um Arbeit und Dopplungen zu minimieren. Die wichtigsten Aspekte hier waren, dass NKT als Partner im Agile Construction Arbeitsmodell die Ergebnisse aus den Sprint Planning Meetings weitergeben musste: in die Projektorganisation, in die NKT-Matrixorganisation, aber auch an NKT-Subunternehmer, die nicht Teil des Arbeitsmodells waren. Hierfür wurden zwei zusätzliche Events benötigt, mit dem Ziel, die notwendigen aussagekräftigen Ressourcen / Fachkräfte im Sprint Planning mit 50Hertz zu haben (Briefing), aber auch die Arbeitspakete aus dem Sprint Planning weiterzuverarbeiten zu Arbeitsaufträgen an die NKT-Matrixorganisation oder NKT-Subunternehmer (Debriefing). 5.4 Förderung der Agilen Kultur Um die interne Agilität im NKT-SOL-Team zu fördern, wurde die „Agile Awareness Journey“ ins Leben gerufen. Dieses Ausbildungs- und Einbindungsprogramm zielte darauf ab, agile Arbeitsweisen schrittweise zu vermitteln, Selbstorganisation zu unterstützen und unterschiedliche Interpretationen von Agilität zu klären. Der Change-Management-Ansatz der Agile Awareness Journey wurde aufgebaut auf den Bedenken, Wünschen, Erwartungen und Erfahrungen der Teammitglieder. Hierfür werden diese alle zwei Monate von den Mitarbeitern: innen im gleichen Format erfragt. Das Ziel ist es, ein gesteuertes Erwartungshaltungsmanagement zu betreiben, um der unweigerlich auf Enthusiasmus folgenden Enttäuschung im Adaptionsprozess die Fallhöhe zu nehmen. Das Programm wird mit 37 Mitarbeiter: innen durchgeführt und ist explizit darauf ausgerichtet, die Wirkmechanismen von Agilität in interaktiven Schulungen begreifbar zu machen, um den negativen, im Pilotprojekt erlebten Effekten entgegenzuwirken. So wurden z. B. Lerneinheiten zum Thema negatives Multitasking und Rollenambiguität durchgeführt und die Wirkmechanismen des Agile-Management-Konzepts besprochen und ein Blick auf die möglichen Operationalisierungen des Konzepts „Agile Mindset“ geworfen [4]. 6. Verbindung der Arbeitsmodelle und kollaborative Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten (Phase 4) Nachdem die Teams unabhängig voneinander bestimmte agile Arbeitsweisen eingeübt und etabliert hatten, fühlten beide Organisationen sich bereit, die Arbeitsmodelle zu verbinden und die Zusammenarbeit weiter zu „agilisieren“. Die Randbedingungen des Projekts hatten sich seit der Phase 1 dahingehend weiterentwickelt, dass nun weitere Projektpartner der Idee der transparenten, kollaborativen Zusammenarbeit sehr aufgeschlossen gegenüberstanden. Die Arbeitsmethoden konnten auf weitere Partner ausgeweitet werden. Den Nukleus der Weiterentwicklung bildete das Arbeitsmodell der 50Hertz-Delivery-Teams. An dessen Artefakte-Organisation und Event-Zyklus wurden sukzessive die Planungsprozesse der Partner angebunden, so dass heute (Februar 2024) die Abschnittsteams der 50Hertz, der NKT sowie des jeweiligen Baumanagements (Teams bestehend aus den Firmen Inros Lackner SE, ILF Beratende Ingenieure GmbH, CDM Smith SE, BERNARD Gruppe ZT GmbH sowie INP Deutschland GmbH) gemeinsam planen und einen übergreifenden Backlog führen. 7. Erkenntnisse und Herausforderungen 7.1 Erkenntnisse Die Anwendung von agilen Methoden im Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis, z. B. durch die Implementierung regelmäßiger Planungsevents, werden Anforderungen klarer und verständlicher definiert, was zum einen das Aufgabenverständnis zwischen beiden Parteien verbessert und zum anderen eine klare Übersicht und bessere Transparenz über den Fortschritt der Arbeit schafft. Diese Herangehensweise hilft, den Fokus auf die aktuell für beide Parteien wichtigsten Ziele zu legen und häufige Aufgabenwechsel zu reduzieren. Jeder Sprint konzentriert sich auf spezifische Ziele, was die Effektivität erhöht, Kommunikation verbessert und den Entscheidungsprozess für beide Parteien erleichtert und beschleunigt. In Infrastrukturprojekten und in Ingenieursdisziplinen sind ein agiles Mindset und Denkweise noch nicht weit verbreitet. In vielen Situationen wurde die Notwendigkeit eines aktiv begleitenden Change Managements und der Unterstützung durch erfahrene Coaches deutlich. Hierfür und für die selbstorganisierte Weiterentwicklung der Teams muss genügend Kapazität eingeräumt werden. Die Erfahrungen der Projektpartner in der Agilen Transformation legen nahe, dass ein klassisches, linear ausgerichtetes Einführungsmodell weniger sinnvoll ist, um eine erfolgreiche Umsetzung von agiler Zusammenarbeit zu gewährleisten. Vielmehr ist ein iteratives Vorgehen anhand von gegebenenfalls auch noch nicht vollständig ausgeplanten Prozessen und Arbeitsweisen zielführender. Die kollaborative Arbeitsweise hat geholfen, in Zeiten unklarer Anforderungen die Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern flexibel zu gestalten. 7.2 Herausforderungen Eine über Jahrzehnte in der Bau- und Infrastrukturindustrie gelebte Kultur, in der vor allem entlang von Verträgen und vermeintlich abschließend formulierten Leistungsbeschreibungen argumentiert wird, macht die Einführung von kollaborativen Arbeitsweisen schwierig, da sich diese Kultur nur schwer mit adaptiven Anforderungen zusammenbringen lässt. Gewisse Verhaltensweisen von Menschen, Teams oder Unternehmen lassen sich nur langsam „entlernen“. Im Verlauf der Entwicklung des Arbeitsmodells wurde den Projektteams die Agile Grenzfläche zunehmend transparent. Eine nicht-agile Organisation, mit mehreren involvierten Bereichen und Abteilungen, mit einer Matrix-Organisation, mit weiteren Projekten, mit nicht vollständig entsandten Team- Wissen | Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 Patrick Komischke Patrick Komischke ist Projekt-Direktor für das Projekt SuedOstLink auf Seiten NKT. Mit über 20 Jahren Erfahrung in “klassischer” Projektabwicklung war dieser Ansatz des agilen Arbeitens eine willkommene Chance zur Horizonterweiterung für das ganze Projektteam, da schnell klar war, dass bei dieser Art von Projekten ein klassischer Ansatz nicht greift und hier neue Wege aufzuzeigen waren. Ihm ist ein eigenständiges, selbstverantwortliches, aber trotzdem Ergebnisorientiertes Arbeiten aller Teammitglieder wichtig, was sich mit dem Agilen Arbeitsmodell hervorragend umsetzen lässt. Thorben Müller Thorben Müller war nach Abschluss des Ingenieurstudiums an der Hochschule Hannover seit 2009 im Projektgeschäft der Energiewirtschaft in unterschiedlichen Unternehmen und Funktionen tätig und ist im Jahr 2019 als Projektleiter innerhalb des SuedOstLinks bei der 50Hertz Transmission GmbH eingestiegen. Heute leitet er das Projekt “Tiefbau / Leitungen” und verantwortet in diesem Aufgabenfeld die Errichtung der linearen Assets des Programms und ist Initiator des Agilen Arbeitsmodells auf Seiten der 50Hertz. mitgliedern- - all dies ist aus der Perspektive eines agilen Projektes nur schwer zu integrieren. Positiv gesehen gibt es große Potenziale für eine noch agilere Vorgehensweise: wenn die agile Grenzfläche erweitert und der Produktbegriff noch umfassender interpretiert wird. Die Komplexität und Größe der Projekte erforderte zum Start des Arbeitsmodells bereits eine umfassende Skalierung. Eine langsame Entwicklung der Organisation von einzelnen Scrum-Teams in sukzessiv skalierte Modelle war nicht möglich. Deshalb musste von Anfang an sehr viel in die Gestaltung der Arbeitsweise an sich investiert werden. Dies ist nicht immer leicht zu verargumentieren. In Zukunft wird das aktuell vorhandene Arbeitsmodell aus der Planungsin die Bauphase überführt werden müssen. Die Besonderheiten dieser Phase gilt es zu analysieren und das Arbeitsmodell entsprechend weiterzuentwickeln. 8. Fazit, Potenzial agilen Projektmanagements in Infrastrukturprojekten Das Projekt und die Teams befanden sich zum Start der Überlegungen zur agilen Zusammenarbeit in einer Situation, die die Beschäftigung mit agilen Prinzipien begünstigt hat. Es war für alle Beteiligten sichtbar, dass die Zusammenarbeit verbessert werden musste, zudem befand sich das Projekt mit der Genehmigungsplanung in einer Phase, in der kollaboratives und iteratives Arbeiten von vielen Projektbeteiligten als sinnvoll und zielführend gesehen wurde. Dies erleichterte die ersten Schritte hin zu kollaborativem und agilem Zusammenarbeiten. Dennoch haben beide Organisationen mit der Nutzung agiler Methoden für sich Neuland beschritten. Das Ergebnis ist eine engere Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Partnern und ein erhöhter Fokus auf die gemeinsamen Projektziele. Dies sind nicht nur die besten Motivatoren für die Teams, sondern aus Sicht der Autoren auch wesentlicher Teil zukünftiger Projektansätze, um anstehende Infrastrukturprojekte, wie geplant, meistern zu können. Ein einzelnes Projekt wird keine Industriekultur verändern. Aber es konnte gezeigt werden, dass agile Ansätze bereits heute in bestimmten Phasen eines Infrastrukturprojekts eine Antwort auf aktuell drängende Fragen geben können. Darüber hinaus wird erwartet, weitere Anwendungsfälle agilen Arbeitens in ungewohnten Kontexten zu sehen, die Ansätze des Lean Construction oder der Integrierten Projektabwicklung (IPA) können hier als Beispiele genannt werden. Der wohl größte Vorteil aber könnte sein, dass der Blick hin zu einem iterativen und produktorientierten Arbeiten die Transparenz soweit erhöht und die Komplexität auf der Arbeitsebene aller Partner soweit verringert, dass Probleme und Abhängigkeiten schneller erkannt und gelöst, und Erfolge schnell mit allen geteilt werden. Das gelebte agile Prinzip „Menschen und Interaktion über Prozesse und Werkzeuge“ spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn letztlich sind es Menschen und Teams, die durch schnelleres Lernen und eine verbesserte Kommunikation den Projekterfolg bringen. 10. Literatur [1] Schwaber, Ken & Sutherland, Jeff (2020). Scrum Guide, Deutsch, verfügbar unter: https: / / scrumguides. org / docs / scrumguide / v2020 / 2020-Scrum-Guide-German.pdf (Stand: 16. 02. 2024) [2] Larman, Craig & Vodde, Bas (2024). less.works, verfügbar unter: https: / / less.works, (Stand: 16. 02. 2024) [3] Leopold, Klaus (2024), Flight Levels, verfügbar unter: https: / / www.flightlevels.io, (Stand: 16. 02. 2024) [4] Nuhn, Helge (2023). Measuring the Agile Mindset on Individual, Team and Organizational Levels-- Results of an Empirical Study. In: Bushuyev, S., Ding, R., Radujkovic, M. (eds) Project Management in the Digital Transformation Era. IPMA 2021. Lecture Notes in Networks and Systems, vol 704. Springer, Cham. https: / / doi.org / 10.1007 / 978-3- 031-34629-3_15 Eingangsabbildung: © iStock.com / by-studio Wissen | Agile Transformation im Infrastrukturbau für die Energiewende 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0048 Fabian Meisenbacher Fabian Meisenbacher ist als externer Berater (Firma: PKE project management-engineering GmbH) Teil des NKT SOL Projektteams und im Projekt verantwortlich für die Bereiche des Risikomanagement und Prozessmanagement. Mit einer starken Passion für moderne Zusammenarbeit und Veränderungsmanagement begleitet er das NKT SOL Projektteam als Coach in der geplanten agilen Transformation. Jörn Hendrik Ast Jörn Hendrik Ast ist Organisationsentwickler, Podcaster und Autor. Als Gründer der New Work Heroes geht es ihm um neue Formen der Zusammenarbeit von Teams, um einen modernen Begriff von Führung und vor allem darum, wie wir als Menschen unsere Kompetenzen und Wirksamkeit entfalten können. Durch seine Unterstützung ist das Agile Construction Arbeitsmodell entstanden und in 5 Phasen von 2022 bis 2024 weiterentwickelt worden. Prof. Dr. Helge Frank Wild Helge Wild (geb. Nuhn) ist Vizepräsident für Qualitätsmanagement und Digitalisierung an der Wilhelm Büchner Hochschule und dort im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen und Technologiemanagement Professor für Digital Business. Er berät Unternehmen, wie die NKT im vorliegenden Fall, in Belangen der Agilisierung und Digitalisierung und blickt auf mehr als 15 Jahre Beratungserfahrung in kleinen und großen Beratungshäusern zurück. Welche Möglichkeiten haben Start-ups und KMUs, mit den gegebenen Mitteln und Fähigkeiten ihre Zielmärkte so zu analysieren, dass sich adäquate Entscheidungen treffen lassen? Welche Quellen und Strategien eignen sich für eine sachgemäße Marktrecherche und welche Entscheidungsmethoden sollten zum Einsatz kommen? Einer der häufigsten Gründe, warum Start-ups, Solo-Entrepreneure und Innovationsprojekte von KMUs scheitern, ist der, dass sie ihre Märkte falsch einschätzen. In diesem Buch erfahren Sie, welche Methoden und Prozesse geeignet sind, um ein Scheitern zu vermeiden. Dabei wird die Marktrecherche eng an die Entwicklung des Geschäftsmodells gekoppelt und es werden konkret umsetzbare Handlungsempfehlungen gegeben, welche die besonderen Herausforderungen innerhalb der frühen Gründungsphase und im Innovationsprozess berücksichtigen. Sebastian Pioch Von der Marktrecherche zum innovativen Geschäftsmodell Erfolgskonzepte für Start-ups und KMUs 1. Auflage 2024, 191 Seiten, €[D] 29,90 ISBN 978-3-381-11081-0 eISBN 978-3-381-11082-7 Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spra cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kultur wissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Anzeige 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 Optimierung des Projektportfolios in mittelständischen Unternehmen durch effektives Multiprojektmanagement Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements Florian Oldenburg-Tietjen, Rüdiger Krehbiel Für eilige Leser | Im spezifischen Unternehmenskontext adressiert das Forschungsprojekt die Notwendigkeit, das Multiprojektmanagement so zu optimieren, dass es die Unternehmensphilosophie unterstützt. Pepper verfolgt das Ziel, durch innovative Technologie und nachhaltiges Handeln einen Beitrag zur emissionsfreien Mobilität zu leisten. Die Herausforderung besteht darin, das Multiprojektmanagement so auszurichten, dass es nicht nur die effiziente Umsetzung von Projekten in den Bereichen Nutzfahrzeuge, Personenbeförderung und Gütertransport gewährleistet, sondern auch den Idealen von Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Energieeffizienz treu bleibt. Durch die Integration der Theory of Constraints in das Multiprojektmanagement soll erforscht werden, wie Pepper seine Projekte effektiver priorisieren, Ressourcen optimal zuweisen und dabei seine visionären Ziele verfolgen kann. Schlagwörter | Multiprojektmanagement, Theory of Constraints, Changemanagement, Engpassmanagement, Thinking Process, Ressourcenmanagement, Transparenz in Projektorganisationen, Lean Management und Six Sigma 1. Einleitung und Forschungsaufriss Die 2019 gegründete pepper motion GmbH (im Folgenden kurz „Pepper“), ein technologieorientiertes Unternehmen im Automobilsektor mit eigener Produktpalette, beschäftigt rund 140 Mitarbeitende an vier Standorten. Sie kämpft mit Herausforderungen in der Projektorganisation, erkennbar an fünf Problemen: Zunahme parallel laufender Projekte, sich wandelnde Anforderungen, unklare Personalzuweisungen, häufiges Verfehlen von Zeit-, Kosten- und Qualitätszielen sowie Entwicklungsbedarf in Systementwicklung, Anforderungs- und Testmanagement. Das untersuchte komplexe Managementproblem ist eine teilweise dysfunktionale, ineffiziente Multiprojektorganisation. Diese Unzulänglichkeit verursacht, dass Projekte weder termingerecht noch innerhalb des geplanten Budgets und Leistungsrahmens abgeschlossen werden. 2. Untersuchungsmethode Für die Analyse der Multiprojektorganisation bei Pepper wurde die aus der Theory of Constraints (auch Engpasstheorie) stammende Methodik des Thinking Process (Denkwerkzeuge) eingesetzt. Diese Methodik wurde speziell für Pepper durch eine Kombination aus Experteninterviews und Workshops weiterentwickelt und auf den Unternehmenskontext angepasst. [1] Diese Methode zielt speziell auf das Lösen komplexer Probleme in Organisationen ab, indem sie Systeme ganzheitlich betrachtet und als zentrales Element einen Engpass (Constraint) identifiziert, dessen Optimierung das Hauptziel ist. [2] Die daraus entwickelten Denkwerkzeuge analysieren das Systemziel (Goal) um den Hauptengpass und unterstützen bei der Planung notwendiger Veränderungen, basierend auf dem Ursache-Wirkungs-Prinzip.[3] Die auf dieser Basis erstellten Logikbäume führen durch eine komplette Analyse bis zur Maßnahmenplanung. [4, S. 748] Abb. 1 stellt die Kernelemente dar. [5] Wissen | Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 3. Zieldefinition und Ist-Zustand Die Intermediate Objectives Map definiert den Standard, die Referenzwerte und die Existenzberechtigung des vorbeschriebenen Systems. Sie listet alle zum Funktionieren des Systems mindestens notwendigen Voraussetzungen auf und verknüpft sie logisch miteinander. An ihrer Spitze steht das oberste Ziel des Systems, dem alle späteren Verbesserungsbemühungen dienen müssen. [6, S. 100] Die Erstellung einer Intermediate Objectives Map erfolgt in fünf Schritten [6, S. 108-118]: 1. Festlegung des Ziels des Systems (Goal). 2. Bestimmung der drei bis fünf kritischen Erfolgsfaktoren (Critical Success Factors). 3. Bestimmung der notwendigen Bedingungen (Necessary Conditions). 4. Verknüpfung der Objekte durch Pfeile. 5. Prüfung der Verbindungen durch informierte Dritte. Die Intermediate Objectives Map der hier untersuchten Multiprojektorganisation umfasst ein Goal, drei Critical Success Factors und neun Necessary Conditions (vgl. Abb. 2). An diese Zieldefinition schließt sich die Ist-Analyse in Form des Current Reality Tree an. Der Current Reality Tree konzentriert sich auf das Aufzeigen der negativen Abweichungen von dem in der Intermediate Objectives Map skizzierten Zielbild. Er bildet also nur den negativen Teil der Realität ab und zeichnet kein komplettes Bild. [7, S. 276] Ein Current Reality Tree (vgl. Abb. 3) ist ein Analysewerkzeug, das innerhalb der Theory of Constraints verwendet wird, um systemische Probleme in einer Organisation zu identifizieren und zu verstehen. Er visualisiert die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Problemen (Undesirable Effects) und deren Ursachen in einer logischen Struktur. [7, S. 276] Durch die Analyse dieser Ursachen (Root Causes) können die tief liegenden Probleme, die zu negativen Effekten führen, aufgedeckt und adressiert werden. Ziel ist es, durch das Logikbaum Startpunkt Ergebnis Intermediate Objectives Map (Karte der Zwischenziele) Das Ziel des Systems Ein Set an minimalen Anforderungen Current Reality Tree (Gegenwartsbaum) Ein Set unerwünschter Symptome Der Kern des Problems (=-der Engpass) Evaporating Cloud (Dilemma-/ Konflikt-Wolke) Der Konflikt hinter dem Engpass Eine Win-Win Lösung Future Reality Tree (Zukunftsbaum) Ein Lösungsvorschlag Notwendige Veränderungen, die die Lösung umsetzen und gleichzeitig neue Probleme vermeiden Abbildung 1: Übersicht der Logikbäume Abbildung 2: Intermediate Objectives Map Wissen | Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 Verständnis dieser Kausalzusammenhänge effektive Lösungsstrategien zu entwickeln, die das System verbessern. [8, S. 7] Elemente des Current Reality Tree [hierzu und nachfolgend 6, S. 154-230]: • Undesirable Effects: Beobachtbare, negative Zustände oder Ereignisse innerhalb des Systems, die als unerwünscht gelten. Sie bilden die Ausgangspunkte der Analyse. • Preconditions: Unveränderliche Bedingungen oder Voraussetzungen, die für das Auftreten spezifischer Undesirable Effects notwendig sind. • Root Causes: Grundlegende Ursachen für die Mehrheit der Undesirable Effects. Technisch gesehen haben Root Causes ausschließlich ausgehende Pfeile, da sie andere Elemente im Tree beeinflussen, aber selbst von keinem anderen direkten Einfluss im Tree abhängen. Nach der Analyse der bestehenden Probleme und Herausforderungen mit dem Current Reality Tree, der die Ursachen und ihre Verknüpfungen innerhalb des Systems aufzeigt, bietet die Evaporating Cloud eine natürliche Fortsetzung des Prozesses. Während der Current Reality Tree hilft, die tief liegenden Wurzeln der Probleme zu identifizieren, setzt die Evaporating Cloud an diesen Erkenntnissen an, um die daraus resultierenden Konflikte zu adressieren. Sie dient dazu, die in den Analysen des Current Reality Tree gefundenen Dilemmata und die dahinterstehenden Annahmen weiter zu erforschen und kreative Lösungsansätze zu entwickeln. Die Struktur der Evaporating Cloud (vgl. Abb. 4) umfasst ein Ziel (Objective), zwei Anforderungen (Requirements), zwei Voraussetzungen (Prerequisites), Annahmen (Assumptions), Eingriffe (Injections) und Verbindungspfeile (Arrows). Die Darstellung ist horizontal angeordnet und wird entgegen der Pfeilrichtung von links nach rechts gelesen: Um das Ziel zu erreichen, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein, die auf bestimmten Voraussetzungen basieren, welche wiederum durch bestimmte Annahmen begründet sind. [6, S. 207-230; 9, S. 2] Die Anwendung des Current Reality Tree und der Evaporating Cloud erwies sich trotz ihres hohen Zeitbedarfs als effektiv für das Change Management bei Pepper. Diese Methoden stimulierten engagierte Diskussionen und etablierten eine einheitliche Grundlage für das Projektmanagementteam. Dies trug entscheidend zur Entwicklung einer klaren Vision und einer positiven Haltung gegenüber den erforderlichen Veränderungen bei. 4. Der Soll-Zustand: Was soll geändert werden? Nachdem der Current Reality Tree und die Evaporating Cloud den Ist-Zustand des Multiprojektmanagements bei Pepper aufgezeigt und analysiert haben, liegt der nächste Schritt in der Entwicklung eines Soll-Zustands. Dieser wird definieren, welche Änderungen notwendig sind, um die identifizierten Probleme zu adressieren und die Projektorganisation effektiv zu verbessern. Der Future Reality Tree (vgl. Abb. 5) ist ein Planungswerkzeug, das bevorstehende Veränderungsprozesse simuliert und deren Umsetzbarkeit prüft. Er basiert auf der Logik des Abbildung 3: Ausschnitt des Current Reality Tree Wissen | Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 Current Reality Tree, erweitert diese jedoch um wünschenswerte Zustände (Desirable Effects) und aus der Evaporating Cloud bekannte Eingriffe (Injections). [2, S. 34-41; 6, S. 243-261] Zur Erstellung eines Future Reality Tree werden zunächst die Desirable Effects als positiv formulierte Aussagen festgelegt. Anschließend fügt man Injections hinzu, die mit der vorhandenen Logik verbunden werden, um die gewünschten Zustände zu erzeugen und die Desirable Effects zu realisieren. Es wird dabei sorgfältig darauf geachtet, dass die Injections keine unerwünschten Nebeneffekte produzieren. [10, S. 33] Im Soll-Zustand von Pepper eliminieren vierzehn Injections die im Current Reality Tree identifizierten negativen Abweichungen und verbessern die Steuerungsfähigkeit einer Multiprojektorganisation. Die Analyse identifizierte Intransparenz und defizitäre Ressourcensteuerung als zentrale Problembereiche innerhalb der untersuchten Einheit. Diese Aspekte sind gleichzeitig entscheidend für die Effektivität des Multiprojektmanagements, welches als zyklischer Prozess aus Projektauswahl, Priorisierung, Planung, Ressourcenzuweisung, Realisierung, Controlling und Repetition definiert wird. [11, S. 36] 5. Veränderung realisieren: How to change? Der letzte Schritt verwandelt die im Future Reality Tree definierten Injections in konkrete Umsetzungsmaßnahmen. Diese Injections werden zeitlich und logisch sequenziert, um eine systematische Realisierung zu ermöglichen. Abweichend vom Thinking Process verzichtet dieser Abschnitt auf die Erstellung von Prerequisite Trees, da sie wenig zusätzlichen inhaltlichen Mehrwert bieten. Komplexe Prozesse werden stattdessen durch anschauliche Grafiken dargestellt. 5.1 Umsetzungsphase 1: Einheitliche Informationsstruktur Zu Beginn der Forschungsarbeit gab es beim Untersuchungsobjekt verschiedene Tools und Systeme, die ähnliche Informationen speichern. Nach Einführung dieser Maßnahme nutzen alle Projekte einheitliche Tools und Ablagesysteme, was das Risiko mangelnder Datenintegrität verringert. Die wichtigsten Punkte sind [hierzu und nachfolgend 12, S. 205-249; 13, S. 174-271]: • Projektübersicht: Ein separater Bereich im Intranet für jedes Projekt sammelt alle relevanten Informationen, zugänglich für das gesamte Unternehmen. • Dateiablage: Es existiert für jedes Projekt eine spezifische Ablage, deren Struktur von der Projektleitung vorgegeben wird (z. B. MS SharePoint). • Projektplan: Der Projektplan wird dargestellt, genutzt von Teamleitungen zur Ressourcenzuweisung und Überwachung des Fortschritts (z. B. Jira). Projektcharta Vor Projektbeginn müssen Ziel und Umfang in einer Projektcharta definiert werden. Zukünftig ist die Charta auf eine Seite beschränkt und zentral abgelegt, um jederzeit als klare Arbeitsgrundlage zu dienen. Die Erstellung erfolgt durch den Projektleiter in einem Stakeholdermeeting. Änderungsmanagement Der Projektleiter verwaltet Änderungen am vereinbarten Projektumfang aktiv. Änderungswünsche werden gesammelt, analysiert und dem Steering Committee (Lenkungsausschuss) zur Entscheidung vorgelegt. Das Steering Committee setzt sich aus dem Topmanagement, ausgewählten Führungskräften sowie Fachexpertinnen und Fachexperten zusammen. Diese Gruppe ist verantwortlich für strategische Abbildung 4: Aufgelöste Evaporating Cloud „Flexibilität vs. Konstanz“ Wissen | Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 Entscheidungen bezüglich des Projektportfolios, einschließlich der Priorisierung potenzieller Projekte, der Entscheidung über den Abbruch von Projekten und der Abstimmung über Änderungsanträge. Der Prozess wird softwareseitig abgebildet und durchläuft mehrere Status von der Erstellung bis zum Abschluss (z. B. in Jira). [14, S. 208-217] Projektplan Der Projektplan wird so gestaltet, dass er den maximalen Nutzen für das Unternehmen bringt und übersichtlich bleibt. Wichtige Aspekte sind die späte Startzeit von Vorgängen, das Vermeiden von Ressourcenkonflikten und die klare Darstellung aller Projektabhängigkeiten. Kommunikationsfluss Die Kommunikation ist entscheidend für den Projekterfolg. Die Projektleitung nutzt eine softwaregestützte Plattform für Chat, Besprechungen sowie Notizen und stellt sicher, dass alle Informationen aktuell und zugänglich sind. [15, S. 33-41] Regelmäßige Meetings und spezielle Eskalationswege, wie in Abb. 6 exemplarisch dargelegt, sorgen dafür, dass alle Beteiligten informiert bleiben und schnell auf Veränderungen reagieren können. [7, S. 76] Nach der Herstellung von Transparenz in der Projektlandschaft kann die Ressourcensteuerung umgesetzt werden. 5.2 Umsetzungsphase 2: Ressourcensteuerung Die Implementierung der Ressourcensteuerung folgt der initialen Schaffung von Transparenz in der gesamten Projektlandschaft. Diese Phase erfordert die Einführung von spezifischen Maßnahmen, den Injections aus dem Future Reality Tree in Abbildung 5, die zwei separate Prioritätensysteme in der Organisation etablieren. Das erste System wird eingesetzt, die Starts von Projekten basierend auf strategischen Diskussionen mit dem Topmanagement zu priorisieren. Das zweite System ordnet die Bearbeitungsreihenfolge von Einzelaufgaben innerhalb der laufenden Projekte. Es dient insbesondere dem Ressourcenmanagement und adressiert die Frage, welcher Projektaufgabe die nächste verfügbare Ressource zugewiesen werden soll. [16,17] Ergänzend dazu tragen die Injections zur signifikanten Erhöhung der Flexibilität der Projektlandschaft bei, indem sie größere Projekte in kleinere Einheiten aufteilen und diese zu Produktentwicklungsprogrammen zusammenfassen. Dies ermöglicht eine dynamischere Anpassung an veränderliche Marktanforderungen und interne Kapazitäten. Die Synthese der Literaturrecherche zeigte eine Forschungslücke im Dilemma zwischen Flexibilität und Konstanz in der Ressourcensteuerung. Um dieser Problematik zu begegnen, wurde eine Softwareanwendung eingeführt und in die Multiprojektorganisation von Pepper integriert. Dieser Ansatz zielte darauf ab, Abbildung 5: Ausschnitt des Future Reality Tree Wissen | Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 eine ganzheitliche Lösung für Pepper auf Basis der vorliegenden Daten und Bedarfe zu entwickeln. [15, S. 31; 18, S. 9] Priorisierte Projektliste Die priorisierte Projektliste spielt eine zentrale Rolle in der Festlegung der Startreihenfolge der Projekte innerhalb des Unternehmens. [17] Sie umfasst alle geplanten Projekte und ordnet diese in einer klaren und verbindlichen Reihenfolge. [15, S. 47-53] Die Entscheidung über die Reihenfolge obliegt dem Topmanagement, während einzelne Projekte bei verfügbarer Kapazität durch das Steering Committee freigegeben werden. [19, S. 244] Die Festlegung der Reihenfolge von Projekten sollte nach transparenten und nachvollziehbaren Kriterien erfolgen, die sowohl die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften als auch die strategische Bedeutung und den wirtschaftlichen Nutzen der Projekte berücksichtigen. [7, S. 207; 20, S. 131] Projekte, die primär gesetzlichen Anforderungen dienen (Due-date-Projekte), sollten zur Schonung der Liquidität so spät wie möglich initiiert werden, während Projekte mit direktem wirtschaftlichem Nutzen (Money-making-Projekte) prioritär und gestaffelt nach ihrem erwarteten Wertbeitrag zu starten sind. [21, S. 21] Projektkapazität Die Steuerung des Projektstarts wird so durchgeführt, dass der Ressourcenengpass der Organisation stets optimal ausgelastet ist, ohne Überlastungen zu verursachen. Diese Herangehensweise vereinfacht die gesamte Ressourcenplanung, indem nur noch der Bedarf an der Engpassressource detailliert geplant wird. Projekte werden dann so getaktet, dass sie diesen Engpass nacheinander erreichen. Dieses Vorgehen ermöglicht es der Organisation, sich auf die Erweiterung der Kapazität zur Beseitigung dieses Engpasses zu konzentrieren. [17] Ressourcensteuerung auf Vorgangsebene Sobald ein Projekt startet, wechselt die Priorisierung von der projektorientierten zur aufgabenbasierten Sichtweise, wodurch das zuvor erwähnte zweite Prioritätensystem zum Tragen kommt. Dieses systematische Vorgehen priorisiert jeweils die Aufgaben mit der höchsten Kritikalität für die nächste Bearbeitung durch verfügbare Ressourcen. Der detaillierte Projektplan ordnet generische Ressourcen den Vorgängen zu, statt individuell zuständige Personen zu benennen. Die tatsächliche Zuteilung des Personals erfolgt dann dynamisch und situationsabhängig über ein Aufgabenpriorisierungssystem, das die Vorgänge nicht nach einer festgelegten Projektliste, sondern nach der Dringlichkeit der Aufgaben sortiert. [14, S. 195-208] 5.3 Umsetzungsphase 3: Projektpuffer Die finale Ausbaustufe der Multiprojektorganisation dieser Arbeit führt zwei abschließende Injections ein. Eine Injection macht die Varianz im Projekt durch explizite Puffer sicht- und steuerbar, die andere setzt das Ergebnis der Evaporating Cloud um und erhöht Konstanz sowie Flexibilität durch begrenzte Projektdauer und Programmgestaltung. Begrenzung der Projektdauer und Programmgestaltung Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Flexibilität in der Projektdurchführung zu erhöhen, ohne die Fokussierung auf die Projektziele zu verlieren. Die Begrenzung der Projektdauer auf etwa sechs Monate ermöglicht es, schneller auf Veränderungen zu reagieren sowie die Projektergebnisse zeitnah zu evaluieren und zu implementieren. Kürzere Projektzyklen fördern eine dynamische Anpassung an Marktbedingungen und interne Anforderungen. Sie erlauben es auch, Lernzyklen zu beschleunigen und schneller auf Feedback zu reagieren.[hierzu und nachfolgend 22, S. 3-4] Nach der Aufteilung großer Projekte in kleinere, überschaubare Einheiten, werden diese kleineren Einheiten zu Programmen zusammengefasst. Dies stellt sicher, dass alle Teilprojekte kohärent auf das übergeordnete Unternehmensziel ausgerichtet sind. Programme integrieren die Aktivitäten und Ergebnisse der einzelnen Projekte und sorgen für eine strategische Bündelung der Ressourcen und Anstrengungen. Projektpuffer Die Einführung von Projektpuffern ist eine strategische Entscheidung, um die Unwägbarkeiten in der Projektplanung zu managen. Diese Puffer dienen dazu, Zeit- und Kostenvarianzen abzufedern, die während der Projektlaufzeit auftreten können. Die expliziten Zeitpuffer sind essenziell für die sogenannte kritische Kette (sog. Critical Chain) des Projekts und für einzelne Nebenpfade. Sie helfen, Verzögerungen zu Abbildung 6: Erneuerter Kommunikationsfluss Wissen | Theory of Constraints zur Optimierung des Multiprojektmanagements 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 antizipieren, ohne die Gesamtzielsetzung des Projekts zu gefährden. [23, S. 163 ff.] Kostenpuffer wiederum decken unerwartete Kostensteigerungen ab, die durch verschiedene Unsicherheitsfaktoren während der Projektlaufzeit entstehen können. Beide Puffertypen werden strategisch eingesetzt, um die Flexibilität im Projektmanagement zu erhöhen und gleichzeitig das Risiko von Budget- und Zeitüberschreitungen zu minimieren. Durch die Implementierung dieser Maßnahmen wird die Fähigkeit einer Organisation gestärkt, ihre Ziele effektiv zu erreichen und gleichzeitig die Ressourcenauslastung zu optimieren. [24, S. 100 ff.] Implikationen Die Implementierung dieser Puffersteuerung stellt hohe Anforderungen an die verwendete Projektmanagementsoftware. [15, S. 31] Es wird empfohlen, eine Software einzuführen, die speziell für das Critical-Chain-Projektmanagement entwickelt wurde. [20, S. 480-486] Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde bei Pepper die Software Allex.ai eingeführt. Diese bietet neben dem Puffermanagement auch ein angepasstes Berichtswesen sowie Funktionen zur Vorgangspriorisierung (und somit zur Ressourcensteuerung), um alle vorgenannten Umsetzungsschritte vollständig zu unterstützen. Abschließend sei erwähnt, dass die Einführung expliziter Puffer eine Anpassung von Kennzahlen erfordern kann, um den Pufferverbrauch im Verhältnis zum Projektfortschritt darzustellen. 6. Fazit und Ausblick Diese Untersuchung hat sich mit der Entwicklung und Evaluierung von Strategien zur Optimierung der Multiprojektorganisation mittels der Theory of Constraints befasst. Es wurde ein systematischer und umfassender Maßnahmenplan vorgestellt, um die identifizierten Dysfunktionalitäten innerhalb des untersuchten Systems zu adressieren. Der Prozess umfasste eine detaillierte Beschreibung des Systems und seiner Ziele, gefolgt von der Identifikation kritischer Abweichungen und der Entwicklung von korrektiven Maßnahmen durch gezielte Injections. Die dargestellten Ergebnisse tragen dazu bei, das Verständnis für effektive Projektorganisationen zu erweitern und liefern praktische Ansätze für die Umsetzung in ähnlichen organisatorischen Kontexten. Zusammengefasst liefert die Forschungsarbeit folgende Ergebnisse: 1. Sie identifiziert Transparenz und Ressourcensteuerung als zentrale Engpässe in der Multiprojektorganisation eines deutschen Mittelständlers und schlägt gezielte Maßnahmen zu deren Überwindung vor. 2. Die Implementierung der Engpassbetrachtung sowie die Anwendung des Thinking Process ermöglichen die Entstehung einer belastbaren (Unternehmens-)Strategie, das die Optimierung der Projektabwicklungsprozesse und die Steigerung der systemischen Effizienz bei Pepper unterstützt. Ferner zeigt der Beitrag Lösungsansätze auf, die für die Steuerung von Ressourcen sowie das betrachtete Dilemma (Flexibilität vs. Konstanz) in der existierenden Literatur zum Multiprojektmanagement bislang nur am Rande behandelt werden. 3. Der Beitrag zeigt letztlich auch, dass weitere Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsvorhaben im Bereich der Engpasstheorie bestehen, die beispielsweise die Integration der dargestellten Erkenntnisse in agilen gegenüber klassischen Projektmethoden fokussieren. 7. Literatur [1] Goldratt-Ashlag, Efrat: The Layers of Resistance-- The Buy-In Process According to TOC. In: James F. Cox / John G. Schleier (Hrsg.). Theory of Constraints Handbook. McGraw-Hill Professional, New York 2010, S. 571-586. [2] McNally, Wolf: Thinking with Flying Logic (v4). Arciem LLC 2023. Online verfügbar unter https: / / docs.flyinglogic.com / thinking-with-flying-logic (Stand: Abrufdatum 02. 05. 2024). [3] Goldratt, Eliyahu M./ Cox, Jeff: Das Ziel. Ein Roman über Prozessoptimierung. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013. [4] Scheinkopf, Lisa J.: Thinking Processes Including S&T Trees. In: James F. Cox / John G. Schleier (Hrsg.). Theory of Constraints Handbook. McGraw-Hill Professional, New York 2010, S. 729-786. [5] McNally, Wolf: Thinking with Flying Logic (v3). Arciem LLC 2021. Online verfügbar unter https: / / docs.flyinglogic.com / thinking-with-flying-logic (Stand: Abrufdatum 02. 05. 2024). [6] Dettmer, H. William: The Logical Thinking Process. 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Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0049 [17] Techt, Uwe / Schumacher, Jens-Olaf / Stix, Gerhard: Pragmatisches Ressourcen-Management in einer Multiprojektumgebung. Teil 2: Projektportfolio und Ressourcenkapazität managen. In: Projekt Magazin 2011 / 23. [18] Hirzel, Matthias: Herausforderungen des Projektportfolio- Managements. In: Matthias Hirzel / Wolfgang Alter / Cornelia Niklas (Hrsg.). Projektportfolio-Management. Strategisches und Operatives Multi-Projektmanagement in der Praxis. Springer Gabler, Wiesbaden 2019, 4. Auflage, S. 3-12. [19] Küster, Jürgen / Bachmann, Christian / Huber, Eugen / Hubmann, Mike / Lippmann, Robert / Schneider, Emil / Schneider, Patrick / Witschi, Urs / Wüst, Roger. Handbuch Projektmanagement. Agil- - klassisch- - hybrid, Springer Gabler, Berlin 2022, 5. Auflage. [20] Rietsch, Jörg: Strategisches Projektportfolio-Management. Wie sich Projektlandschaften ausrichten und steuern lassen. Haufe Lexware, Planegg 2023, 3. Auflage. 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Prof. Dr. rer. pol. Florian Oldenburg-Tietjen Florian Oldenburg-Tietjen ist BWL-Professor und Studiengangsleiter an der HFH ∙ Hamburger Fern-Hochschule. Er leistete wichtige Beiträge zu strategischer Unternehmensplanung und -entwicklung, speziell in IT-Infrastruktur und Betriebsaufspaltungen. Sein Fokus im MBA General Management liegt auf Change- und Innovationsmanagement in digitalisierten Geschäftsfeldern. 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0050 Projektmanagement-Softwaresysteme-- KI-- Groupware: Eine kybernetische Betrachtung Dennis Krull Für eilige Leser | Projektmanagement-Softwaresysteme (PMSS) entfalten ihren Nutzen nur bei der Bewältigung bestimmter Aufgaben in der Projektwirtschaft. Darüber hinaus sind bestimmte technologische Voraussetzungen von den PMSS zu erfüllen, damit ein Multiprojektmanagement überhaupt funktionieren kann. Ein Regelkreismodell bzw. die Kybernetik zum Projektmanagement wird im Artikel bemüht, um einen klaren Blick zu behalten und die Funktionsweisen von PMSS an der richtigen Stelle zu verorten. Der Artikel greift auch die im Kontext von PMSS häufig fallenden Begriffe KI und Groupware auf und setzt sie in Beziehung zu PMSS, wobei ebenfalls das Regelkreismodell herangezogen wird. Schlagwörter | Projektmanagement-Softwaresysteme, KI, Groupware, Kybernetik, Regelkreismodell, Collaboration Software, Groupware Die Entwicklung und Einführung der Vielzahl an neuen Produkten und Technologien, aber auch die Transformation der Unternehmensorganisation, wird bekanntlich durch Projekte vorgenommen. Ein erfolgreiches Multiprojektmanagement benötigt zu ihrer Unterstützung Projektmanagement-Softwaresysteme (PMSS). Aber was kann ich unter PMSS konkret verstehen? Ein Verständnis ist wichtig, um beurteilen zu können, was PMSS grundsätzlich leisten bzw. wo sie konkret im Projektmanagement IT-Unterstützung anbieten können. Zur Beschreibung werde ich diesen länglichen zusammengesetzten Begriff analytisch in seine Wortbestandteile zerlegen und sie einzeln aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Am Beitragsende nehme ich dann im Sinne einer Synthese eine Zusammenfassung vor. Im Kontext von PMSS fallen oft die Begriffe KI oder Groupware. Da PMSS dazu angetreten ist, Teile des Projektmanagements zu digitalisieren, fragt man sich, wie diese Systeme zueinander stehen. Dieser Beitrag behandelt auch diese Thematik. PMSS setzt sich aus den Wörtern Projektmanagement (PM), Software (S) und Systeme (S) zusammen. Wir wollen uns zunächst mit dem Begriff des Projektmanagements auseinandersetzen und nehmen dazu eine kompetenzorientierte sowie kybernetische Sichtweise ein. Nach der kompetenzorientierten Sichtweise handelt es sich beim Projektmanagement um einen Oberbegriff für unterschiedliche Handlungsfelder, an denen die zunehmende Professionalisierung des Fachgebietes nachgezeichnet werden kann [1]. Die IPMA in der ICB 4.0 folgt dieser Ausdifferenzierung, „ indem sie zum Teil unterschiedliche Kompetenzanforderungen für die verschiedenen Domänen (Projektmanagement, Programmmanagement, Portfoliomanagement; d. Verf.) formuliert “ [1]. In der ICB 4.0 sind beispielsweise für die Domäne Projektmanagement die in der Tabelle 1 ersichtlichen 28 Kompetenzelemente erläutert. Eine IT-Unterstützung durch PMSS der persönlichen und sozialen Kompetenzbereiche, wie „ Perspective“ und „People“, ist nur in geringem Umfang möglich. Es handelt sich um „weiche“ Faktoren im zwischenmenschlichen Miteinander sowie um Elemente die dem Leadership und dem allgemeinen Management zugeordnet werden können. Im Bereich „Perspective“ können lediglich die Kompetenzelemente „Governance, Strukturen und Prozesse“ sowie „Macht und Interessen“ und im Bereich „People“ die Kompetenzelemente „Persönliche Kommunikation“ und „Teamarbeit“ mit IT unterstützt werden. Ein Großteil der Kompetenzelemente des Bereichs „Practice“ bieten allerdings einen ganzen Blumenstrauß an funktionalen Unterstützungsmöglichkeiten. Beispielsweise können die Kompetenzelemente „Ablauf und Termine“ mittels eines Gantt-Charts oder „Chancen und Risiken“ mittels eines funktionalen Grids digital unterstützt werden. Oft bestehen Ab- Wissen | Projektmanagement-Softwaresysteme - KI - Groupware 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0050 hängigkeiten zwischen den Elementen, deren Relationen im IT-System einfach hergestellt werden können. Wir halten fest: PMSS können primär den Bereich „Practice“ unterstützen, die anderen Bereiche eher weniger. Das gilt übrigens auch für die Domänen Programm- und Portfoliomanagement in der ICB 4.0. Nehmen wir nun eine kybernetische Perspektive auf das Projektmanagement ein. Diese verdeutlicht gut die Wirkungsweisen des komplexen Systems „Projektmanagement“, da der Regelkreis die Wechselbeziehungen zwischen den Systemelementen sowie zwischen dem System und seiner Umwelt explizit darstellt [3]. Abbildung 1: Kybernetischer Projektmanagement-Regelkreis Perspective People Practice Strategie Selbstreflexion und Selbstmanagement Projektdesign Governance, Strukturen und Prozesse Persönliche Integrität und Verlässlichkeit Anforderungen und Ziele Compliance, Standards und Regularien. Persönliche Kommunikation Leistungsumfang und Lieferobjekte Macht und Interessen Beziehung und Engagement Ablauf und Termine Kultur und Werte Führung Organisation, Information und Dokumentation Teamarbeit Qualität Konflikte und Krisen Kosten und Finanzierung Vielseitigkeit Ressourcen Verhandlungen Beschaffung Ergebnisorientierung Planung und Steuerung Chancen und Risiken Stakeholder Change und Transformation Tabelle 1: Kompetenzbereiche und -elemente der ICB 4.0 [2] Der Regler in Abb. 1 wird durch die Projektleitung ausgeübt. In ihm werden Management-, Planungs-, Steuerungs- und Controllingaufgaben aufgeführt, ggf. mithilfe eines Projektmanagement-Offices (PMO). Der Regler empfängt Informationen in Form des Projektauftrags oder durch Änderungen, die aus der Marktdynamik resultieren (oberer Eingangspfeil am Regler). Der Input wird bewertet, der dann als Soll-Wert bzw. als Maßnahmen an das Stellglied übergeben werden (rechter Ausgangspfeil am Regler). Das Stellglied lastet die Maßnahmen / Soll-Werte in geeigneter Weise (mündlich / digital) in die Regelstrecke ein. Die Fachaufgaben in der Regelstrecke werden durch interne Linien- oder Projektmitarbeiter und Lieferanten ausgeführt. Hier findet die eigentliche Leistungserstellung statt. Immer wieder wirken Störgrößen (z. B. technische Probleme, Ausfälle, aufgrund von Krankheiten) auf die Aufgabenbearbeitung ein (rote untere Pfeile an der Regelstrecke), wodurch die Soll-Werte (Zeit, Kosten, Inhalt) gegebenenfalls nicht eingehalten werden können. Das Messglied erfasst (mündlich / digital) die Ist-Werte an der Regelstrecke und meldet diese an den Regler. Die Information wird dort zusammen mit dem ursprünglichen Projektauftrag (bzw. den mittlerweile vorliegenden Auftragsänderungen) bewertet und über das Stellglied neue Soll-Werte beziehungsweise Maßnahmen in die Regelstrecke eingesteuert, um das Projekt wieder in den gewünschten Zustand zurückzubringen. Wo im Regelkreis entfaltet ein PMSS nun seinen Nutzen? Im Regler bietet ein PMSS das größte Spektrum an funktionaler Unterstützung an. Das sind überwiegend die in Tabelle 1 in der Spalte „Practice“ aufgeführten Aufgaben. Insbesondere für das Management sind hier geeignete Reporting-Funktionalitäten der PMSS erforderlich. Im Stellglied werden die Maßnahmen / Soll-Werte digital oder persönlich in die Regelstrecke eingesteuert. Im digitalen Fall kann es über das PMSS oder andere Tools (Groupware; dazu später mehr) erfolgen. Bei einem PMSS werden diese Informationen über entsprechende Clients / Oberflächen mit geringerem Funktionsumfang den ausführenden Mitarbeitern in der Regelstrecke zur Verfügung gestellt, da hier überwiegend nur ein lesender Zugriff mit einigen wenigen Eingabemöglichkeiten erforderlich ist. In der Regelstrecke kommen, da hier Facharbeiten ausgeführt werden, spezialisierte IT-Systeme zum Einsatz, wie CAD-/ CAM-/ Wissen | Projektmanagement-Softwaresysteme - KI - Groupware 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0050 PDM-/ ERP-Systeme, Programmierplattformen, Task-Management-Systeme (z. B. Jira), etc. Schnittstellen zur Übernahme von Daten aus diesen Systemen in das PMSS können sinnvoll sein, um den Fortschrittsgrad zu erhalten (z. B. Füllungsgrad der Stückliste oder Erledigungsgrad vom Task-Managementsystem). Im Messglied können über Eingabemöglichkeiten im PMSS oder auch via Schnittstellen aus den spezialisierten IT-Systemen Ist-/ Werte an den Regler übermittelt werden. Vielfach sind das Daten in Statusberichten, die in der Regelstrecke von den Fachverantwortlichen im PMSS eingegeben und so an die Projektleitung übertragen werden. Ansonsten erfolgt die Rückmeldung klassisch über E-Mail oder mündlich, z. B. im Jour fixe. Kommen wir nun zum Begriff der Software. Software ist ein Sammelbegriff für die Gesamtheit der Programme, die zugehörigen Daten und die notwendige Dokumentation, die es erlauben, mit Hilfe eines Computers Aufgaben zu erledigen [4]. Sie wird mittels einer Programmiersprache geschrieben (Quellcode) und in System- und Anwendungssoftware unterschieden, wobei in unserem Fall die Anwendungssoftware zutreffend ist. Zur Abbildung der Geschäftslogik wird sie unmittelbar auf die Lösung von Aufgaben des Benutzers ausgerichtet [4]. Man unterscheidet weiterhin Standard- und Individualsoftware. Standardsoftware ist fertig programmiert und kann am Markt bezogen werden, wie beispielsweise Textverarbeitungs-, Tabellenkalkulations- oder Präsentationsprogramme. Sie muss käuflich erworben werden (Lizenzen), wenn sie von einem kommerziellen Softwarehersteller vermarket wird oder ist zumeist unentgeltlich nutzbar, wenn sie von einer Community als Open Source entwickelt wurde. Von Individualsoftware spricht man, wenn ein Unternehmen das Softwareprodukt für ihre Zwecke durch eigene Programmierer oder durch ein externes Softwaredienstleistungsunternehmen entwickeln lässt. Es stellt sich nun die Frage, um welche Software es sich bei PMSS handelt. Es gibt viele Standardsoftware-Produkte am Markt, die über ein unterschiedlich gelagertes Leistungsspektrum verfügen. Jeder Softwarehersteller bzw. jede Community hat bestimmte Stärken und folglich in der Software bestimmte Schwerpunkte gesetzt. Sie ist in einer großen Anzahl am Markt verfügbar und nur mit einem strukturierten Vorgehen kann das für das eigene Unternehmen geeignete PMSS identifiziert werden. Ein solches Vorgehen findet sich beispielsweise in Meyer [5]. Projektmanagement-Software gibt es als kommerzielle- und nur in geringer Anzahl als Open-Source- Software. Die Lizenzbestimmungen der Open-Source-Software sollten gründlich studiert werden, da ein unentgeltlicher Einsatz im kommerziellen Bereich unter Umständen nicht möglich ist. Individualprogrammierte Projektmanagement- Software ist in der Unternehmenspraxis selten anzutreffen. Es wird überwiegend auf Standardsoftware gesetzt. Anschließend noch der Begriff System. Nach dem Etymologischen Wörterbuch des Deutschen versteht man darunter ein „aus Einzelteilen zusammengefügtes und gegliedertes Ganzes“ [6]. Der System-Begriff kann ebenfalls aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden, um ihn holistisch zu erfassen (siehe die Literatur zur Systemtheorie). In unserem Kontext ist die betriebsorientierte Sichtweise, die ein Informationssystem fokussiert, hinreichend. Nach Hansen / Neumann [7] handelt es sich bei einem rechnergestützten Informationssystem um ein System, bei dem „die Erfassung, Speicherung, Übertragung und / oder Transformation von Informationen durch den Einsatz der Informationstechnik teilweise automatisiert ist“. State-Of-The-Art sind sogenannte 3-Schicht- Architekturen. Die Erfassung und Anzeige der Informationen erfolgt über Benutzeroberflächen, die den Anwendern via WebBrowser oder Rich-Clients angeboten werden (Schicht 1). Die Daten verarbeitende Software bildet die Business-Logik ab und läuft auf Application-Servern (Schicht 2). Die Daten persistierende Senke erfolgt über einen Datenbank-Server (Schicht 3). Die Schichten 2 und 3 können im Rechenzentrum des eigenen Unternehmens (On-Premise Lösung) oder bei einem Provider außerhalb des Unternehmens (Off-Premise, in der Regel als Cloud-Lösung) betrieben werden. PMSS-Hersteller bieten in der Regel beide Lösungen an. Hansen / Neumann betonen, dass die Bezeichnung Informationssystem, insbesondere für „umfassende, integrative IT-Anwendungen“ [7] verwendet wird, wobei hier unter IT die Infrastruktur, d. h. die zur Realisierung der betrieblichen Informationsstruktur benötigten Komponenten (Hardware, Software, Netze), verstanden werden soll [8]. Demzufolge werden unter einem Informationssystem keine dateibasierten Software-Einzelplatzlösungen verstanden, wie beispielsweise MS Project, MS Excel, MS Powerpoint etc. Mit diesen Lösungen ist kein Multi-User-Betrieb möglich, wonach mehrere Anwender-- mangels einer Datenbank-- auf zentrale Projektdaten zugreifen können. Zudem können auch keine projektübergreifenden Abhängigkeiten ohne großen Aufwand realisiert werden. Häufig setzen Unternehmen jedoch, im Microsoft Fall, MS Project zusammen mit SharePoint (Schicht 2) und einer Datenbank (Schicht 3) ein, was dann wieder ein Informationssystem ergibt und einen Multi-User-Betrieb ermöglicht. Nachdem ich nun den Begriff Projektmanagement-Softwaresystem in seine Wortbestandteile zerlegt und einzeln erläutert habe, soll im Sinne einer Synthese eine kurze Zusammenfassung, wenn nicht sogar ein Definitionsversuch, erfolgen: Bei PMSS handelt es sich um Informationssysteme, die primär den PM-Kompetenzbereich „Practice“ (ICB 4.0) unterstützen und ihren größten Nutzen im Projektleitungsteam (Regler im Regelkreismodell) entfalten. Sie wird überwiegend als Standard-Software von darauf spezialisierten Unternehmen am Markt angeboten. Es handelt sich bei PMSS größtenteils um 3-Schicht-Architekturen, die als Cloud- oder On-Premise-Lösungen betrieben werden. Normalerweise wäre der Artikel nun am Ende, wenn es nicht gerade einen großen Hype um das Thema KI gäbe. Dieser Hype ist zunächst einmal vollkommen berechtigt, weil KI unsere Arbeitswelt in signifikanter Weise verändern wird und damit auch das Projektmanagement tangiert. Wir haben durch die obigen Ausführungen das Wesen von PMSS nun sehr gut kennengelernt, aber wie spielt KI da rein? KI ist zunächst einmal eine Abkürzung für Künstliche Intelligenz. Eine in unserem Kontext gut passende Definition von KI liefert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) [9]: „KI ist ein Oberbegriff für Methoden, die auf die Automatisierung von Entscheidungsvorgängen abzielen, die traditionell den Einsatz menschlicher Intelligenz erfordern. KI-Systeme benötigen zum Aufbau ihrer selbstständigen Lösungskompetenz- […] große Mengen an Daten, d. h., KI-Systeme können immer nur so gut sein wie die zum Training benutzten Daten.“ Im Regler, dem Projektmanagement, unseres kybernetischen Regelkreises (Abb. 1) finden fortwährend Wissen | Projektmanagement-Softwaresysteme - KI - Groupware 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0050 „Entscheidungsvorgänge“ statt, um das Projekt zu planen, zu steuern bzw. um auf Störungen im Projektverlauf zu reagieren. KI könnte hier also helfen. Die „großen Mengen an Daten“, so wie es in der Definition des BSI heißt, sind jedoch eher begrenzt verfügbar. Freilich gibt es im Projektmanagement eines Unternehmens Daten aus Terminplänen, Projekthandbüchern, Statusberichten, Lessons Learned-Dokumenten usw. Die Menge und Qualität der Daten, um ein KI-System trainieren und damit Intelligenz aufbauen zu können, ist jedoch überwiegend im geringen bis mittleren Bereich einzustufen. Das liegt schlichtweg daran, dass im Projektmanagement traditionell wenig Daten generiert werden, da überwiegend mit Menschen interagiert wird. Anders sieht es allerdings in der Regelstrecke aus. Hier findet die eigentliche Leistungserstellung im Projekt statt. Es sind „große Mengen an Daten“ in der Konstruktion (PDM-Systeme), Softwareentwicklung (Open-Source-Quellcode) oder Fertigung (CAM-Systeme) verfügbar. KI kann hier aus dem „Vollen schöpfen“ und zu enormen Produktivitätssteigerungen in der Projektwirtschaft führen. Schwieriger sieht es hingegen mit der Art der Daten bzw. ihrem Speicherort aus. Strukturierte Daten liegen nur dann vor, wenn diese über PMSS oder andere Informationssysteme eingespeist und folglich an einem Speicherort in Datenbanken persistiert sind. Damit die Daten durch die KI richtig interpretiert werden können, müssen Ontologien zu den Daten herstellbar sein. Eine Ontologie ist eine Methode zur Wissensrepräsentation, die Begriffe innerhalb eines Bereichs sowie die Beziehungen zueinander definiert. Sie sorgen dafür, dass alle Mitglieder eines Teams (einschließlich der KI-Systeme) dieselbe Sprache sprechen [10]. Das ist bei strukturierten Daten unproblematisch, da diese vom Informationssystem bzw. dem Programmierer bereits definiert wurden. Unstrukturierte Daten sind in Dateien enthalten, die beispielsweise über Software-Einzelplatzlösungen erzeugt wurden (siehe den Abschnitt „Software“). Eine Interpretation der Daten bzw. die Herstellung von Ontologien in Dateien ist schwierig, aber nicht ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass sich die Daten überwiegend nicht an einem Ort befinden, sondern auf diversen lokalen Rechnern (Laptops, PCs etc.) und Servern. Das Problem der verteilten Speicherorte hat sich aber überwiegend erledigt, weil die meisten Unternehmen in den letzten Jahren diese Daten in einer Cloud zusammengezogen haben (z. B. in der Azure Plattform von Microsoft: SharePoint, Office365, etc.). KI kann somit auf das gesamte explizite Wissen eines Unternehmens zugreifen und darauf trainiert werden. Unter anderem zum Projektmanagement, auch wenn hierzu nur ein eher kleiner Teil des „Unternehmenswissens“ benötigt wird (Abb. 2). Ein KI-gestütztes PMSS zeigt beispielhaft obige Prinzip- Skizze (Abb. 2). Die KI sammelt Unternehmensdaten in der Cloud und wird auf diesen trainiert. Das PMSS besitzt ein KI- Modul welches den Datenaustausch zwischen dem PMSS und der KI ermöglicht. Idealerweise steht das PMSS selbst in der Cloud (wie in Abb. 2), damit die KI „einfacher“ die PMSS-Daten einsammeln kann. Das PMSS kann aber auch außerhalb der Cloud stehen. Dann muss eine entsprechende Schnittstelle zwischen der KI und dem PMSS erzeugt werden. Eine „Automatisierung der Entscheidungsvorgänge“ im Projektmanagement ist technologisch einfach möglich. Mit Hilfe der KI ist dann beispielsweise folgendes Szenario denkbar: Über einen Sprachassistenten diktiert der Projektleiter: „Erzeuge einen Terminplan im PMSS auf Basis des Vorgängerprojektes und passe alle Termine auf den neuen Fertigstellungstermin an. Übersende ihn an den Projektmitarbeiter Müller mit der Bitte um Überprüfung und Retoure.“ Der Sprachassistent transkribiert diesen Auftrag und übergibt die Informationen an die KI des PMSS. Da die KI für solche Aufträge bereits trainiert wurde, wird ein entsprechender Plan mit seinen Elementen generiert bzw. berechnet und an Herrn Müller gesendet. Ohne dass der Projektleiter es gesagt hat, legt das KI-basierte PMSS den Plan in der Projektablage ab und organisiert eine Besprechung mit dem Projektteam, wenn Herr Müller den Terminplan zurückgeschickt hat. An dem Beispiel sieht man recht eindrucksvoll, dass zum einen ein Terminplan auf Basis vorhandenen Wissens „intelligent“ entstanden ist und viele Entscheidungsvorgänge von der KI übernommen wurden. Zum anderen sieht man, dass viele prozessuale manuelle Arbeitsschritte (Mail schreiben, Ablage des Plans, Organisation einer Besprechung etc.) automatisiert werden konnten. Fazit zur KI: Eine Integration von KI in PMSS ist sinnvoll, auch wenn sich der Nutzen eher im intermediären Bereich einpendeln wird. Im Regelkreismodell wurde deutlich, dass PMSS ihren größten Nutzen im Regler bzw. beim Projektleitungsteam entfaltet. Ergo wird KI zum Projektmanagement überwiegend für das Projektleitungsteam nutzenstiftend sein. KI wird in der Regelstrecke bzw. im Leistungserstellungspro- Abbildung 2: Prinzip-Skizze PMSS und KI (Beispielhafte Konfiguration) Wissen | Projektmanagement-Softwaresysteme - KI - Groupware 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0050 Abbildung 3: PMSS- und Groupware Funktionalitäten (in Anlehnung an F. Fuchs- Kittkowski et al. [11]) zess einen hohen Nutzen haben, allerdings in den dort spezialisierten Tools. Abschließend soll noch auf die Groupware-Software eingegangen werden, da sie in der Projektwirtschaft eine große Rolle spielt und mit PMSS oft in einer engen Beziehung steht. Groupware (Synonym: Collaboration Software) ist eine Software zur Unterstützung der virtuellen Zusammenarbeit, beispielsweise durch Videokonferenzräume, Whiteboards, Chats, Wikis etc. Beispielhaft kann MS Teams oder Zoom genannt werden. Groupware hat in der Corona-Zeit einen enormen Aufschwung erfahren, da die Beschäftigten, aufgrund der damaligen Kontaktbeschränkungen und Lockdowns, zur virtuellen Zusammenarbeit gezwungen waren. Wie aber lässt sich Groupware von PMSS abgrenzen? Die Abb. 3 soll dabei helfen: Die Matrix spannt zwei Dimensionen auf. Die Ordinate zeigt den „Grad an strukturierten Informationen“. Ein hoher Grad liegt vor, wenn Informationen in Datenbanken oder ähnlichem persistiert und deren Semantik klar ist. Er ist gering, wenn die Informationen nicht strukturiert abgelegt sind und der Informationsinhalt (noch) unsicher ist. Die Abszisse repräsentiert den „Grad der Kommunikation“. Er ist hoch, wenn der Informationsaustausch sehr zeitnah erfolgt, z. B. in einem Gespräch. Gering ist er, wenn dieser eher zeitverzögert erfolgt oder nicht vorhanden ist. PMSS sind in der Matrix im oberen Bereich angesiedelt (blauer Kasten). Die Informationen sind valide und liegen in strukturierter Form vor. Sie können damit in einem Informationssystem verarbeitet werden, z. B. im Rahmen der Aufwandserfassung, der Terminplanung oder des Taskmanagements. Der Grad der Kommunikation erstreckt sich von gering bis hoch. Beispielsweise findet in der Aufwandserfassung keine Interaktion zwischen Projektbeteiligten statt (=-gering), im Taskmanagement werden Aufgaben an Beteiligte delegiert und der Status zurückgemeldet (=- mittel) und im Chat findet der Informationsaustausch relativ hochfrequentiert statt (=-hoch). Die Groupware (grüner Kasten) ist in der Matrix im unteren, rechten Bereich positioniert. Groupware-Funktionalitäten weisen einen mittleren bis sehr hohen Kommunikationsgrad auf, aber einen geringen bis mittleren Grad an strukturierten Informationen. In Audio-/ Videokonferenzräumen findet der Informationsaustausch in Echtzeit statt und ist damit sehr hoch, aber die Informationen sind nicht verschriftlicht und damit sind keine strukturierten Daten vorhanden. Im Falle eines Wikis sind strukturierte Daten im mittleren Grad vorhanden und der Kommunikationsgrad liegt ebenfalls im mittleren Bereich, weil Anwender ihre Texte mit einem gewissen Zeitversatz ergänzen. Die Abbildung zeigt eine Schnittmenge zwischen den Funktionalitäten der PMSS und der Groupware. Es ist zu beobachten, dass beispielsweise das Taskmanagement, Wiki- und Chat-Funktionalitäten sowie Diskussionsforen in beiden Produkten vorkommen. Das wird vermutlich aus technologischen Gründen wohl künftig auch so bleiben. Fazit zur Groupware: PMSS unterstützen funktional mittels strukturierter Daten primär den Regler bzw. das Projektleitungsteam. Sie stellen aber auch Kollaborations-Funktionalitäten zur Verfügung, die sich im mittleren bis hohen Kommunikationsgrad einpendeln. Groupware unterstützt alle Projektbeteiligten im Regelkreismodell (Regler und Regelstrecke) im Sinne der Zusammenarbeit und weist einen hohen bis sehr hohen Kommunikationsgrad auf. Groupware erzeugt jedoch nur geringe bis mittlere strukturierte Daten. Gegebenenfalls sind technische Schnittstellen zwischen PMSS und der Groupware sinnvoll. Literatur [1] Gessler, M./ Thyssen, D. 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Hauptberuflich ist er als Produktmanager in der Volkswagen Group IT in Wolfsburg unterwegs und Inhaber der Unternehmensberatung Project Pier 17. Christoph Zahrnt Projektverträge Ein Leitfaden für Projektmitarbeiter: innen 1. Au age 2023, 302 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-7398-3240-1 eISBN 978-3-7398-8240-6 Bei der Arbeit in Projekten hat man auf verschiedene Weise mit dem Vertragsrecht zu tun. Das Buch unterstützt unter anderem dabei, was bei der Erstellung einer Leistungsbeschreibung aus rechtlicher Sicht beachtet werden sollte. Die Leistungsbeschreibung kann den größten Teil eines Vertragsdokuments ausmachen. Der Autor erklärt zudem, was bei der sachgerechten Projektdurchführung in rechtlicher Hinsicht zu beachten ist. Hier spielt insbesondere die Abnahmeprüfung eine zentrale Rolle. Anzeige 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0051 Automatisierung ist nicht abhängig von AI-Tools Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ eine Zeitersparnis in den Administralitäten erreichen Bernhard Konrad Schwab Für eilige Leser | Automatisierungsmöglichkeiten gibt es nicht erst seit ein paar Jahren, sondern in jedem digitalen Arbeitsplatz sind diese Funktionalitäten seit Jahrzehnten vorhanden und werden aus Unwissenheit nicht genutzt. So kann man beispielsweise in Outlook mit Quick Steps, Schnellbausteinen oder kleinen Makros Prozesse automatisieren und damit die manuelle Arbeitszeit reduzieren. Das verschenkte Potenzial der zeitlichen Einsparung ist dabei immens und schafft Raum, um sich um die Arbeit mit den Stakeholdern im Projektmanagement zu kümmern. Schlagwörter | Automatisierung, Office, M365, Makros Die Programme Word, Excel, Powerpoint und Outlook begleiten unser Leben schon seit Jahrzehnten. Einige von uns begleitet MS-Excel nun schon länger als so manches Arbeitsverhältnis, oder sogar länger als so manche Ehe Bestand hat. Ich selbst arbeite schon fast seit 30 Jahren mit diesen Programmen und wenn ich mich an die unterschiedlichen Emotionen erinnere, die mir mit diesen Tools widerfahren sind, wäre das Stoff für einen interessanten Psychoroman. Dabei ist es oft eine Hassliebe, da die bestehenden Programme und Tools, die im Unternehmen oder im Projekt im Einsatz sind, oft Lücken hinterlassen, die mit MS-Excel gefüllt werden müssen. Projektleiter, die neue Software im Unternehmen einführen, können ein Klagelied von den ganzen „Schattenlösungen“ singen, die aufgrund von technischen Schwächen in Abteilungen und Projekten über die Zeit etabliert worden sind. Oft sind dann diese Lösungen so wichtig im Unternehmen, dass ein Ausfall einen immensen Schaden nach sich ziehen kann. Brauche ich in der Zukunft Word, Excel, Powerpoint etc. überhaupt noch? Es vergeht kein Jahr, in dem es nicht eine Ankündigung gibt, dass ab sofort oder in naher Zukunft die Produkte der MS-Suite für das Projektmanagement überflüssig sind. Oft scheitern diese Tools an zu wenig PM-Budget, fachlichen Kenntnissen oder einfach Compliance Bedingungen, die den Einsatz sehr erschweren. Ein größeres KO-Kriterium stellt leider oft die Angst der Transparenz und Vergleichbarkeit dar, die durch diese Tools abteilungsübergreifend entsteht. Auch erlebt man Stilblüten in der Form, dass in der gleichen Firma in drei verschiedenen Projekten komplett unterschiedliche Vorlagen für eine Liste der offenen Punkte genutzt werden muss, weil es diese Vorgaben innerhalb der Abteilungen aufgrund der Wünsche der Bereichsleiter gibt. Diese unterschiedlichen Listen werden dann im Projektcontrolling für eine Auswertung teilweise händisch zusammengeführt. Ausbaden müssen es die Mitarbeiter im Projekt und damit vor allem die Projektmanager, denn diese Zeit ist oft nicht transparent und sorgt für zusätzliche Mehrstunden. Wissen | Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ ein Zeitersparnis erreichen 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0051 Setzt man aber die Office-Produkte mit den bereits vorhandenen Automatisierungsfunktionen richtig ein, wird daraus eine Zeitersparnis, die enorm ist. Leider kennt man aber diese Funktionen kaum und deshalb blicken wir kurz in die Vergangenheit zurück. Es war einmal vor ca. 30 Jahren- … So könnte diese Geschichte beginnen, den 1990 löste VBA (Visual Basic for Applications) die unterschiedlichen Makro-Sprachen im Umfeld von Microsoft MS Office ab und vereinheitlichte die Vorgehensweise bei der Anwendung dieser Technik. Ein Makro ist im Grunde nichts anderes als eine Folge von Anweisungen und Schritten auf einem einfachen Niveau, das keine großen Entwicklerkompetenzen benötigt. Makros sind aber für viele eine Blackbox, ein angsteinflößendes Element oder man weiß gar nicht, dass es sie gibt bzw. wie man sie „herstellt“. Dabei sind diese Makros in vielen Standardfunktionen etabliert und können direkt genutzt werden. Im Grunde ist der „Regelassistent“ in Outlook auch nichts anderes als eine Abfolge von Anweisungen und Schritten mit einer einfachen Bedienungsoberfläche. Automatisierung beginnt mit dem Prozess „Ich weiß nicht, was ich automatisieren kann! “, ist oft die gängige Antwort, wenn ich Kollegen diese Möglichkeiten aufzeige. Es fehlt oft der Use-Case aus Sicht des Anwenders, weil man zu technisch denkt. Dabei muss man sich immer vor Augen halten: Es geht um ein Werkzeug und das Werkzeug gibt nicht den Prozess vor. Dies kann nur der Anwender, womit wir bei der klassischen Betrachtung des Tagesablaufes und der damit verbundenen Aktivitäten mit den entsprechenden Zeitfressern liegen. Und da gibt es sehr viele dieser stupiden administrativen Tätigkeiten, die wiederkehrend und einfach zu automatisieren sind. Listen über Listen und noch mehr Prozessfetischismus In diversen Firmen besteht ein großer Teil der täglichen Routine im Projektmanagement im Befüllen und Aktualisieren von Listen, Reporten und diversen Statusmails an unterschiedliche Ebenen, weil die (Un-)Reife des Digitalisierungsgrades des Unternehmens diese Mehraufgaben dem Projektmanagement auflastet. Und genau hier befindet man sich sehr oft in einem Hamsterrad, aus dem man nicht mehr herauskommt. Man arbeitet stupide die Aufgaben ab, da-- leider-- sehr oft keine Zeit für diese persönlichen Optimierungen durch Automatisierung aufgrund Unwissenheit in den Managementebenen zur Verfügung gestellt wird. Enormes Einsparungspotenzial durch Automatisierung bei einfachen Tätigkeiten Betrachtet man nur die Tätigkeiten wie das Tracking der offenen Punkte, die Erstellung von Terminen oder eine simple „Dankes“-E-Mail, kann man bereits hier von einer potenziellen Zeiteinsparung von 30-35 % des Aufwandes administrativer Tätigkeiten durch Automatisierung sprechen. Und all das ist möglich, ohne ein Programmierer zu sein! Abbildung 1: Manueller Prozess zum Schreiben einer Dankes-Mail Nachfolgende zeige ich vier einfach anzuwendende Beispiele, die jeder schnell umsetzen kann: • Senden einer Dankes-Mail mit einem Klick • Nutzung von Schnellformatvorlagen für den Einsatz als Agenda und Protokolle • Tätigkeitsnachweise und Zeitauswertungen • Erstellen von vorgefertigten Status-E-Mails aus der LOP (Liste offener Punkte) heraus Ein kleines Danke mit nur einem Klick Wie oft schreibt man eine Mail mit einem kleinen Danke für den Status oder eine Information, die man erhalten hat? Der manuelle Prozess dafür ist wie folgt: Beherrscht man das Zehn-Finger-System und ist mit dem Short-Cuts in Outlook vertraut, schreibt man eine Dankesmail in 20-30 Sekunden. Quick Step ist schnelle Lösung Der gute alte „Quick Step“ in Outlook ist dafür die optimale Lösung. Mit dem Quick Step können diverse aufeinander folgende Tätigkeiten mit einer E-Mail oder einem Termin durchgeführt werden. Sei es die E-Mail zu verschieben, diese weiterzuleiten oder eben auch eine Antwort zu senden. Die Anzahl der Schritte, die durchgeführt werden, ist faktisch nicht begrenzt. Es empfiehlt sich hier aber bei einer überschaubaren und damit auch wartbaren Zahl zu bleiben. Und diese Funktion gibt es bereits seit 14 Jahren. Eingeführt wurde sie mit Office 2010. Der Quick Step darf auch nicht mit dem Regelassistenten verwechselt werden. Das Prinzip ist im Grunde gleich, aber Wissen | Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ ein Zeitersparnis erreichen 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0051 der Unterschied liegt darin, dass der Quick Step manuell gestartet wird, also per Klick oder Tastenkombination. Man benötigt dafür keine Programmierkenntnisse und auf der Webseite von Microsoft findet sich auch eine sehr gute Kurzanleitung für die Nutzung der Quick Steps [Link https: / / support.microsoft.com / de-de / office / automatisieren-h%C3%A4ufiger-oder-sich-wiederholender-aufgaben-b184f89f-3738-4562-96de-c0244ea830f2] Um nun eine Dankes-Mail per Klick (oder alternativ auch per Short-Cut) zu senden, muss ein neuer Quick Step hinzugefügt werden: Per Klick auf den Quick Step erhält der Empfänger nun eine entsprechende Antwort. Eine Kleinigkeit im Grunde, die-- leider-- sehr oft vernachlässigt wird. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der damit verbundenen Herausforderung bestehende Kräfte nicht zu verlieren, sind solche kleinen „Wertschätzungssignale“ sicher nicht zu verachten. Kleiner Wermutstropfen, ein Quick Step der in der klassischen Variante (Desktop) erstellt worden ist, muss in der Cloud Umgebung leider manuell erneut erstellt werden. Die Danke-Mail ausgereizt Mit einem kleinen Makro kann man es sogar so ergänzen, dass per Klick die Anrede tageszeitspezifisch, eine förmliche oder private Anrede je nach Empfänger verwendet wird und auch im Text die Danksagung variiert wird. Damit ist es für den Empfänger nicht mehr ersichtlich, dass es sich eigentlich um eine automatisierte E-Mail handelt. Egal welche Variante Verwendung findet, es erzeugt ein positives Feedback und man hebt sich aus der Masse heraus. Einsparungspotenzial bei der Erstellung einer Agenda Hand aufs Herz-… wie viele Termine haben keine Agenda? Wie viel Zeit geht allein dadurch verloren, dass die Teilnehmer nicht vorbereitet sind, oder dass Teilnehmer ein anderes Verständnis des eigentlichen Zieles des Termines hatten. Durch eine Agenda wird klargestellt, was die Erwartung des Termins ist und es kann auch leichter geprüft werden, ob die richtigen Teilnehmer eingebunden werden. Aber die Erstellung der Agenda wird oft aus Zeitgründen vernachlässigt, denn der Termin wird zwischen „Tür und Angel“ vereinbart und die Einladungen bekommen mit viel Glück einen Betreff mit dem geplanten Titel, meistens aber auch nur den Text „Abstimmung“ oder ähnliches. Betrachtet man den Aufwand der Nachbearbeitung- - aufgrund eines schlecht vorbereiteten Termins für viele der Teilnehmer- - ist der monetäre Schaden, der daraus entsteht, immens. Abbildung 2: Quick Step zur Erstellung einer Dankes Mail Wissen | Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ ein Zeitersparnis erreichen 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0051 Die Frustration in einem Meeting Lebenszeit verbracht zu haben, die unnütz war, ist noch ein weiterer Faktor, der nicht zu unterschätzen ist. Meine Empfehlung ist für eine Woche ein kleines Tagebuch zu führen und jedes selbst organisierte Meeting nach folgenden Kriterien zu bewerten: • Zielsetzung des Meetings: • Waren die Ziele des Meetings klar und deutlich definiert? • Vorbereitung: • Waren alle Teilnehmer angemessen auf das Meeting vorbereitet? • Hatten die Teilnehmer alle notwendigen Informationen im Voraus erhalten? • Teilnehmerbeiträge: • Konnten alle Teilnehmer ihre Meinungen und Ideen effektiv einbringen? • Meeting-Leitung: • War die Leitung des Meetings effektiv? • Wurde das Meeting strukturiert und zielgerichtet geführt? • Zeitmanagement: • Begann und endete das Meeting pünktlich? • Wurde die Zeit effizient genutzt? • Diskussion und Interaktion: • Wurde eine offene und konstruktive Diskussion gefördert? • Entscheidungsfindung: • Wurden im Meeting klare Entscheidungen getroffen? • Waren die Entscheidungsprozesse transparent und nachvollziehbar? • Ergebnisse und Maßnahmen: • Wurden konkrete Ergebnisse erzielt und Aufgaben verteilt? • Sind die nächsten Schritte klar? • Atmosphäre: • Gab es eine wertschätzende Atmosphäre während des Meetings und war sie unterstützend und positiv? • Gesamteffektivität: • Wie effektiv war das Meeting insgesamt? • Hat das Meeting einen wertvollen Beitrag zu den gemeinsamen Arbeitszielen geleistet? Welche Meetings optimiert werden müssen, ist dann sehr schnell ersichtlich. Schnellbausteine tragen zum professionellen Eindruck bei Um nun eine einheitliche Vorlage nutzen zu können, ist die Outlook Funktion der Schnellbausteine ein sehr gutes Mittel. Dabei wird die Vorlage als Schnellbaustein angelegt und es sind nur noch zwei Klicks notwendig, um eine professionale Agenda in den Termin einzufügen. Arbeitet man mit den Shortcuts, ist es nur der Titel und die Taste <Enter>. Gewöhnt man sich grundsätzlich an die Vorgehensweise der Nutzung einer Agenda mit geplanten Zielen für den Termin, minimiert man die überflüssigen Termine zu einem sehr hohen Grad (bis auf jene, bei denen man fremdgesteuert wird und die meist oft auch keine Agenda haben). Eine entsprechende Kurzanleitung für die Erstellung ist auf der Microsoft Seite zu finden [https: / / support.microsoft.com / de-de / office / erstellen-wiederverwendbarer-textbl%C3%B6cke-f%C3%BCr-e-mail-nachrichten- 8fb6c723-c960-4c8c-9790-3e43ddc4b186] Von der Agenda zum Protokoll sind es nur noch ein paar Klicks Ergänzt man die Ergebnisse des Termins in der Termineinladung, ist auch die Erstellung des Protokolls nur noch ein kleiner Schritt. Da die Ergebnisse direkt im Termin erfasst und den Teilnehmenden aufgezeigt werden, spart man mit dem Vorteil der gemeinsamen Freigabe des Protokolls, ebenfalls enorm Zeit ein. Mit der Funktion „Allen Antworten“ kann nun das Ergebnis direkt versendet werden. Und das ganze ohne ein einziges Makro, Add-In oder sonstiges zu nutzen. Nur mit den Standardfunktionen die Outlook bietet. Allein mit diesen Methoden spart man sich pro Termin enorm Zeit, die sich in der Woche (je nach Anzahl der Termine) ganz schnell auf einen halben bis dreiviertel Tag summieren können. Agenda Pos Thema 1 Punkt A Tabelle 1: Beispiel einer einfachen Agenda Protokoll Pos Thema Art Verantwortlich Termin 1 Punkt A A Mustermann 20. 06. 24 Definition ART A-= Auftrag an / Erledigung durch | B-= Beschluss | E-= Empfehlung | I-= Information Tabelle 2: Aus der Agenda wird das Protokoll Wissen | Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ ein Zeitersparnis erreichen 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0051 Tätigkeitsnachweise und das Thema Free of Charge (FoC) Gerade bei der Betrachtung, wo Aufwände entstehen und ob auch alle Arbeiten im Tätigkeitsnachweis erfasst wurden, gibt es oft Diskussionen. Dabei ist die Lösung dafür gar nicht schwer. Jede Tätigkeit endet in den meisten Fällen in einer Mail, in einem Termin oder in einer Art von abschließender Kommunikation gleich welcher Art. Ein sehr einfacher Ansatz ist die Zuweisung einer Kategorie zu dem Termin, E-Mail etc. [Link https: / / support.microsoft. com / de-de / office / verwenden-von-kategorien-in-outlook- 87f27f03-4d9f-48dd-9623-2 702 692a4480 ] Für die Aufwände werden Kategorien je nach Abrechnungsgrad verwendet (0,25 Tage, 0,5 Tage, 0,75 Tage, 1 Tag). Damit auch eine Kostenstelle bzw. ein Teilbereich exakt zugewiesen werden kann, kann diese als Bezeichner im Betreff (z. B. [Bereich / Kosten] Betrefftext) oder ebenfalls als eigene Kategorie angegeben werden. Zum Abrechnungstermin muss nur eine Suche über Outlook durchgeführt und das Suchergebnis in Excel exportiert werden. Eine einfache Abfrage in Excel erzeugt daraus den Tätigkeitsnachweis bzw. eine Prüfliste, ob alle Tätigkeiten erfasst und verrechnet worden sind. Dadurch, dass man beliebig viele Kategorien zuordnen kann, ist auch eine Kombination möglich (z. B. Aufwand 0,5 Tage für Kostenstelle 2250, das aber ohne Kosten verrechnet wurde). Damit sind auch sehr schnell Aussagen zu sogenannten Garantie- oder FoC-Tätigkeiten möglich und man hat eine ganz andere Diskussionsgrundlage, wenn es um das Projektbudget geht. Wie hoch ist meine Meetingzeit? Ein schönes „Abfallprodukt“ aus dem vorherigen Beispiel ist eine permanente Auswertung, wie hoch die Meetingbelastung für das entsprechende Projekt ist. Je nach Detailierungsgrad der verwendet wird, sind auch Aussagen zu den Gesamtaufwänden der Teilnehmer des Meetings möglich. Solche Zahlen sind im eigenen Personalgespräch oder auch im internen Lenkungskreis sehr hilfreich, um auf die Belastung der Teilnehmer hinzuweisen. Liste der offenen Punkte (LOP) Die Statusabfrage von offenen Punkten gehört zum Kerngeschäft im Projektmanagement und nimmt daher sehr viel administrative Zeit in Anspruch. Oft sind Teilnehmer nicht erreichbar und viele E-Mails müssen geschrieben werden, und das Ganze erfolgt-- leider-- sehr oft händisch. Allein durch diese Arbeitsabläufe geht durch administrative Tätigkeiten sehr viel Zeit verloren. Eine Unterstützung durch ein Makro kann schon einen guten Teil zur Einsparung beitragen. Abbildung 3: Vergleich Manuell und Makro Unterstützung Dafür lohnt ein Blick zur Gegenüberstellung der manuellen und einer makrounterstützten Vorgehensweise bei der Nachfrage des Status eines Punktes: Nur durch diesen kleinen Anwendungsfall ist mit der Makro- Unterstützung eine Einsparung pro bearbeiteten Punkt zwischen zwei und sechs Minuten je nach Anwender möglich. Angenommen man bearbeitet pro Woche 40 Punkte, bei denen eine E-Mail gesendet wird, ergibt das eine durchschnittliche Einsparung von 10-12 Tagen pro Jahr. Zeit, die für die wesentlichen Arbeiten im Projekt wieder verwendet werden kann. Der Effekt, der durch die professionelle E-Mail mit den zusätzlichen Details beim Empfänger und dem Projektteam entsteht, ist dabei auch ein wesentliches Plus. Leider ist die Erstellung eines solchen Makros-- ohne Basiskenntnisse von VBA zu haben-- nur sehr schwer möglich. ChatGPT hilft bei der Makro-Erstellung Selbst für nicht versierte Anwender ist die Erstellung eines solchen Makros kein Hexenwerk und hier können Tools wie ChatGPT oder Microsoft Copilot eine gute Unterstützung leisten. Für ChatGTP wäre folgender Prompt nutzbar (Hinweis: Die Angabe der Spalten im Prompt, beziehen sich auf die im Screenshot angegebenen Excel Spalten): Erzeuge mir einen VBA -Code der in Excel folgenden Ablauf durchführt: 1. Öffne in Outlook eine neue E-Mail 2. Füge als Empfänger den Inhalt der Spalte H der markierten Zeile ein 3. Füge als Betreff den Satz "Statusanfrage Offener Punkt: " und füge den Inhalt der Spalte E der markierten Zeile hinzu Wissen | Durch die Nutzung von „Bordmitteln“ ein Zeitersparnis erreichen 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0051 4. Füge in den Body den Text "Hallo" und den Inhalt der Spalte H ein. 5. Füge 2 Leerzeilen zum Body hinzu 6. Füge den Text "Bitte gib mir Feedback zum Punkt" füge hier den Inhalt der Spalte A der markierten Zeile hinzu und ergänze den Satz mit", "und den Inhalt der Spalte E der markierten Zeile 7. Füge 2 Leerzeilen zum Body hinzu 8. Fügen den Inhalt der Spalte F der markierten Zeile hinzu 9. Füge 2 Leerzeilen zum Body hinzu 10. Fügen den Text "Viele Grüße", ergänze es um eine Leerzeile und den Text "Ottfried Mustermann" hinzu 11. Wechsel zu der generierten E-Mail Der generierte VBA-Code kann direkt in Excel über den Punkt „Entwicklertools“ -> „Makros“ eingebunden werden [Link: https: / / support.microsoft.com / de-de / office / erstellen-oder-ausf%C3%BChren-eines-makros-c6b99 036 - 905c- 49a6-818a-dfb98b7c3c9c] Die mit dem Makro erstellte E-Mail hat nun folgenden Inhalt Hinweis: Sollten sich die Empfänger nicht im Adressbuch des genutzten Outlooks befinden, wäre noch eine Ergänzung in Form einer Hilfstabelle mit den Kontaktdaten notwendig. Abbildung 5: Einfache mit Makro generierte E-Mail zur Statusabfrage Bernhard Konrad Schwab Beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Automatisierung, RPA und AI und den Möglichkeiten diese im Bereich Consulting und Projektmanagement basierend auf seinem langjährigen Praxiswissen einzubringen. Internet: www.experte.org eMail: pmaktuell@experte.org Abbildung 4: Beispiel LOP Welche Einsparung kann ich erreichen Grundsätzlich ist der Mehrwert dieser Funktionen immer abhängig von der eigenen Arbeitsweise und dem Projektumfeld. Aber selbst mit den vier oben genannten Beispielen ist bereits eine Einsparung von mehreren Wochen pro Jahr möglich. Optimierungen und Verbesserungen des Prozesses kommen im Laufe der Zeit von ganz allein. Denn plötzlich hat man auch die Zeit, sich um diesen Punkt der eigenen Optimierung Gedanken zu machen. Scripte und Anleitungen Die hier vorgestellten Abläufe, Makros und Einstellungen sowie weiterführendes Material sind zum Download unter den Link http: / / www.experte.org / pm-aktuell zu finden. Eingangsabbildung: © iStock.com / golubovy 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0052 Erfahrung mit KI in einem Forschungsprojekt: Anwendungen, Grenzen und Perspektiven Guido Bacharach Für eilige Leser | Dieser Artikel beschreibt die Anwendung von ChatGPT 3.5 in einem laufenden Forschungsprojekt zur Theory-of-Constraints (TOC) und deren Potenzial in Regierungs- und öffentlichen Institutionen. Er hebt die Nützlichkeit von ChatGPT hervor, identifiziert jedoch auch seine Grenzen. Der Artikel diskutiert auch die Verwendung speziell trainierter Experten-GPTs als Lösungsansatz. Besonderes Augenmerk liegt auf der Forderung nach Transparenz und quelloffener Gestaltung solcher Systeme, um digitale Souveränität und freie Forschung zu unterstützen. Die Erfahrungen zeigen, dass KI in der Forschung die Qualität sichern und neue Ideen fördern kann, aber derzeit keinen Mehrwert bei der Entwicklung innovativer Ansätze bietet. Schlagwörter | Künstliche Intelligenz, Forschung, Forschungsprojekte, Theory-of-Constraints (TOC), Digitale Souveränität, Open-Source-Software (OSS) 1. Einleitung 1.1 Problemstellung Die rasante Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Forschungsprojekten wirft zahlreiche Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die Anwendbarkeit und Grenzen solcher Systeme. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Erfahrungen und Herausforderungen bei der Integration von ChatGPT 3.5, einer KI-Anwendung, in ein laufendes Forschungsprojekt zur Theory-of-Constraints (TOC) und deren Anwendung in staatlichen Institutionen und Regierungen. Insbesondere werden Aspekte der Validität, Transparenz und Kontextualisierung solcher Systeme untersucht. 1.2 Relevanz des Beitrags Die vorliegende Arbeit ist von Relevanz für die Forschungsgemeinschaft und Praktiker im Bereich der KI und Forschungsmethodik. Sie bietet Einblicke in die praktische Anwendung von KI-Systemen wie das in diesem Beispiel genutzte ChatGPT 3.5 in einem konkreten Forschungskontext und diskutiert dabei die Herausforderungen und Chancen, die mit der Integration solcher Technologien verbunden sind. Darüber hinaus trägt der Artikel zur Debatte über digitale Souveränität, Transparenz und die Rolle von Expertensystemen in der Forschung bei. 1.3 Der Forschungsgegenstand Die Forschung wird im Rahmen der internationalen TOCICO- Organisation [1] durchgeführt. Dabei soll die Anwendbarkeit der Grundsätze und Denkmodelle der Theory-of-Constraints (TOC) [2], die im privaten Business-Bereich international erfolgreich genutzt werden konnten, auch für den Bereich des öffentlichen Dienstes geprüft werden. Hier konnte auf vielversprechenden Ausarbeitungen, die die Analyse, Bewertung und Optimierung der Performance internationaler Behörden betreffen, aufgesetzt werden [3]. Es ergab sich die Frage, inwieweit für eine nicht nur effiziente, sondern im Sinne einer staatlichen Organisation auch effektiven Optimierung der Behörden, die Optimierungsaktivitäten an einem übergreifenden staatlichen Ziel ausgerichtet sein müssten. Dazu war zunächst ein übergreifendes Ziel für staatliche Organisationen (Regierungen) zu definieren. Da diese Forschungen international und für generische Staatengebilde nutzbar sein sollen, Wissen | Erfahrung mit KI in einem Forschungsprojekt 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0052 muss diese Frage für möglichst generische Regierungsorganisationen (von Stammesorganisationen bis zu basisdemokratischen Regierungen) beantwortet werden. Diese Forschungsfrage („Was ist das Ziel von Regierungsorganisationen allgemein“-- Zieldefinition dabei im TOC-Sinne als ein möglichst hochgefasstes Ziel, das eine Regierung erreichen will und soll) wurde dabei unter Nutzung von ChatGPT bearbeitet. 2. Methodisches Vorgehen zur Bearbeitung der Forschungsfrage 2.1 Erstellung und Validierung der Forschungshypothese Zu Beginn wurde eine Hypothese entwickelt, die das generische Ziel von Regierungen auf der Grundlage umfangreicher Literaturrecherche und Analyse von Verfassungen verschiedener Länder darlegt. Diese Hypothese wurde dann überprüft und gegebenenfalls angepasst, indem sie mit den Prinzipien und Zielen demokratischer und nichtdemokratischer Regierungen verglichen wurde. Während dieses Prozesses wurde ChatGPT erstmals aktiv eingesetzt, um die Hypothese zur Zieldefinition zu validieren (siehe Abschnitt „Überprüfung der Hypothese zur Forschungsfrage“). 2.2 Validierung der Hypothese über Annahmen Im nächsten Schritt wurden Annahmen formuliert, die der Hypothese zugrunde lagen. Diese Annahmen wurden untermauert, indem die Tragfähigkeit durch Argumentation und Forschungsergebnisse geprüft wurde. ChatGPT wurde auch hier gelegentlich verwendet, um die Annahmen zu hinterfragen und zu validieren (siehe Abschnitt „Überprüfung von Annahmen zur Hypothese“). 2.3 Versuch, einen Goal Tree mit ChatGPT zu erstellen Um die Hypothese zu operationalisieren, wurde versucht, mithilfe von ChatGPT einen Vorschlag für einen TOC-Goal Tree zu erstellen. Ein Goal Tree ist ein Konzept aus der Theory-of-Constraints, das die kritischen Erfolgsfaktoren (Critical-Success- Factors, CSF) und notwendigen Bedingungen (Necessary-Conditions, NC) für das Erreichen eines Ziels hierarchisch darstellt (zur detaillierten Erklärung siehe [4]). Obwohl ChatGPT in der Lage war, die Bedeutung von kritischen Erfolgsfaktoren und notwendigen Bedingungen zu verstehen, stieß es auf Schwierigkeiten bei der spezifischen Anwendung im Kontext des TOC-Goal Tree. Die Ergebnisse dieses Versuchs werden im Artikel nicht detailliert dargestellt, da sie nicht den Anforderungen des Fachgebiets entsprachen. Dies war einer von vielen Hinweisen, dass ChatGPT zur kreativen Erstellung von Ergebnissen neben einem intelligenten Prompting auch einen umfangreichen Kontext zum jeweiligen Forschungsgegenstand benötigt. Dieses Thema wird in diesem Artikel im Kapitel „Expertensysteme gegen „intelligentes Prompting“ vertieft werden. 2.4 Erstellung eines Interference Diagram zur Forschungsfrage Um einen Goal Tree und speziell die abgeleiteten CSFs und NCs zu erstellen, wurde ein sogenanntes „Interference Diagram“ benutzt. In TOC bezieht sich das Interference Diagram auf eine grafische Darstellung, die die gegenseitigen Abhängigkeiten und Beeinträchtigungen von Aufgaben oder Ressourcen in einem Prozess oder Projekt zeigt. Es hilft, Engpässe und potenzielle Probleme zu identifizieren, um mit dann abgeleiteten Lösungsvorschlägen die Effektivität und Effizienz zu verbessern (siehe dazu auch [5] und [6]). Aus den Lösungsvorschlägen sollten dann CSFs und NCs des Goal Tree der Forschungsfrage abgeleitet werden. Tabelle 1: Verwendete Methoden Wissen | Erfahrung mit KI in einem Forschungsprojekt 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0052 Auch hier konnte ChatGPT, nach ersten Fehlschlägen, als Prüfungsinstanz mit Erfolg eingesetzt werden (siehe Kapitel „Überprüfung eines Interference Diagram zur Forschungsfrage“). 3. Die Erfahrungen mit der Nutzung von ChatGPT 3.5 3.1 Formulierung und Überprüfung der Hypothese zur Forschungsfrage Die Ausgangshypothese wurde formuliert, indem das Ziel einer generischen Regierung als „Verbesserung der Lebensqualität jetzt und in der Zukunft“ definiert wurde. Die Hypothese wurde durch umfangreiche Literaturrecherche und Analyse von Verfassungen verschiedener Länder gestützt, obwohl nicht alle Länder dieses Ziel aktiv verfolgen. Um die Hypothese zu prüfen, wurde ChatGPT eine allgemeine Frage gestellt, die darauf abzielte, Vorschläge für ein hochgestecktes Ziel von Regierungen zu erhalten: „Ich arbeite mit internationalen Kollegen an einem generischen Ziel für Regierungen. Haben Sie Vorschläge, was das sein könnte (sehr hoch gesteckt)? “ ChatGPT lieferte einige Vorschläge, die mögliche konkrete Ziele von Regierungen beinhalteten, wie z. B. Nachhaltige Entwicklung, gute Regierungsführung, Qualitätsregierung usw. Um eine spezifische, kurze und fokussierte Definition des Regierungsziels im Kontext der Theory-of-Constraints für beliebige, auch nicht-demokratische Regierungsformen zu erhalten, wurde die Frage an ChatGPT wie folgt verfeinert: „Bitte schärfen Sie dieses Regierungsziel so, dass 'Das Ziel' im Kontext der Theory-of-Constraints DER Zweck für die Organisation ist. Alle von Ihnen genannten Punkte könnten notwendige Bedingungen für das Ziel der Regierung sein-… aber sie sind nicht „das“ Ziel-… weil es mehrere sind und sich an verschiedene Komponenten des Ziels richten. Und bitte versuchen Sie, ein Ziel zu nennen, das unabhängig davon ist, ob es sich um eine demokratische, autokratische oder sogar präzivilisatorische Regierung handelt? “ Diese klaren Vorgaben hatten die folgende Definition zur Folge: „Die Wahrung des Wohlergehens und des Wohlstands aller Bürgerinnen und Bürger sowie die Sicherung des Planeten für zukünftige Generationen.“ Diese Antwort konnte als weiterer induktiver Beweis für die Richtigkeit der aufgestellten Hypothese gewertet werden. Zudem führte dieser Weg in der Arbeit mit ChatGPT auch zu der Erfahrung, Fragen an ChatGPT sehr konkret und spezifisch zu stellen, um aussagekräftige Antworten zu erhalten. Inzwischen ist diese Erfahrung z. B. auch von Microsoft genutzt worden, um sehr detaillierte Regeln für ein erfolgreiches Prompting zu beschreiben [7]. 3.2 Überprüfung von Annahmen zur Hypothese Zur Prüfung der Hypothese wurden 10 Annahmen formuliert, die entsprechend validiert wurden. Eine dieser Annahmen war: „Annahme 2: Menschen wollen nicht nur überleben, sondern auch gedeihen, Komfort und Zufriedenheit haben.“ Zur Validierung wurde ChatGPT gebeten, eine Begründung (mit Referenzen) für diese Annahme zu entwerfen. ChatGPT lieferte darauf einige Quellen, bei denen auf bekannte Konzepte wie Maslows Bedürfnishierarchie, Freuds Lustprinzip und Seligmans Positive Psychologie zurückgriffen wurde. Diese Ergebnisse halfen dabei, diese und andere Annahmen zu stärken und die Hypothese weiter zu unterstützen. 3.3 Überprüfung eines Interference Diagram zur Forschungsfrage Um potenzielle Hindernisse und Lösungen für die Forschungsfrage zu identifizieren, wurde ein Interference Diagram erstellt und analysiert. Der Versuch, ChatGPT mögliche Hindernisse und Lösungen selbst finden zu lassen, scheiterte. Die von ChatGPT gefundenen Hindernisse waren hauptsächlich von anderen Hindernissen kausal abgeleitete Hindernisse. ChatGPT gab z. B. „Hohe Arbeitslosigkeit und Armut“ als Hindernis an, die aber andere Ursachen wie z. B. „Die Kosten des Staates werden untragbar / unbezahlbar“ oder „Es treten Ressourcenkonflikte bei der Verfolgung staatlicher Ziele auf“ haben können. Sie waren also als originäre Hindernisse nicht nutzbar. Der Ansatz, bereits erarbeitete Hindernisse und Lösungen durch ChatGPT überprüfen zu lassen, war dagegen Tabelle 2: Erkenntnisse aus der KI Nutzung Wissen | Erfahrung mit KI in einem Forschungsprojekt 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0052 erfolgreich. Es wurde festgestellt, dass einige der vorgeschlagenen Lösungen neue Einsichten lieferten und in die weitere Arbeit einbezogen werden konnten. 4. Expertensysteme gegen „intelligentes Prompting“ Grundsätzlich ist das ChatGPT 3.5, das für diese Forschung genutzt wurde, hinsichtlich des Forschungsthemas fachlich eher „unbedarft“. Dies war auch ein Umstand, der bislang die Nutzung dieser KI für dieses Forschungsthema an Grenzen brachte. Eine Aufforderung, z. B. die NCs des Ziels im genutzten TOC-Zielbaum zu nennen und zu prüfen, führte zu nicht verwendbaren Ergebnissen, da das System eben weder das Prinzip des TOC-Zielbaums kennt noch den Begriff „Critical- Success-Factor“ oder „Necessary-Condition“ in diesem Kontext richtig interpretieren konnte. Dazu fehlte ein Training in den TOC-Denkmodellen, die genutzt wurden. Umso interessanter wird es werden, mit ChatGPT 4 auch Experten-GPTs nutzen zu können, wie die Firma Vistem eine solche seit Ende November 2023 im Rahmen der TOC anbietet [8]. Diese Systeme kennen die Konzepte der TOC und können daher in dem Kontext arbeiten und antworten. Interessant wird auch sein, die Effizienz dieser Expertensysteme gegen den Ansatz des „intelligenten Prompting“ zu testen. Es ist zu prüfen, inwieweit fein getunte Prompting-Strategien vielleicht sogar effizienter als Expertensysteme sein können [9]. 5. Digitale Souveränität Betrachten wir die Zukunft, dürfen wir auch das Thema der sogenannten digitalen Souveränität nicht aus den Augen verlieren. Dieser Begriff beschreibt die Fähigkeit, Abhängigkeiten im digitalen Bereich zumindest beherrschen zu können. Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es nicht, sie wird beispielsweise vom Deutschen Bundesministerium des Inneren und für Heimat beschrieben als „die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“ [10]. Neben Datensicherheits- und Vertraulichkeits-Überlegungen ist im Fall einer KI auch zu bedenken, dass diese Systeme per se nicht transparent sind. Daraus folgt, dass KIs, die nicht selbst trainiert worden sind, wissenschaftlich nicht mehr nachvollziehbare und ggf. falsche Informationen liefern (nach dem Prinzip „Shit-in, shit-out“). Auch ist die Frage zu stellen, inwieweit ein Zugriff aller auf ein KI-System, über das man nicht selbst oder eine Organisation mit öffentlicher Rechtsform Kontrolle hat, für alle Forschenden zur Verfügung steht. Schon jetzt werden ab ChatGPT Version 4 Gebühren verlangt. Mit heutigem Wissen kann somit nur durch eine öffentliche Organisation betriebene und trainierte Künstliche Intelligenz die Freiheit aber auch die Verlässlichkeit der Forschung gewährleisten. 6. Fazit Das Forschungsprojekt zur Anwendung der Theory-of-Constraints (TOC) in Regierungen und öffentlichen Institutionen bietet als Beispiel einen interessanten Einblick in die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere ChatGPT 3.5, im Forschungsbereich. Dieser Artikel beschreibt den Prozess der Hypothesenbildung und -validierung, einschließlich der Nutzung von ChatGPT zur Überprüfung von Forschungsfragen und Annahmen. Die Erfahrungen mit ChatGPT 3.5 zeigen sowohl den Nutzen als auch die Grenzen dieser KI. Während ChatGPT in dem Forschungsprojekt hilfreiche Vorschläge z. B. für generische Regierungsziele liefert, mangelt es ihm an Verständnis für spezifische Konzepte wie z. B. dem TOC-Goal Tree. Dennoch bieten diese Erfahrungen wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung von Experten-GPTs und die Verbesserung der Nutzung von KI in der Forschung. Es scheint aber derzeit keinen Mehrwert zu haben, innovative Ideen zu entwickeln und einen Gedankengang bei der Erkenntnisgewinnung abzuschließen. Ein wichtiger Aspekt, der in diesem Zusammenhang diskutiert wird, ist die Notwendigkeit digitaler Souveränität. Die Fähigkeit, KI-Systeme transparent zu gestalten und ihre Abhängigkeit von externen Anbietern zu reduzieren, wird als entscheidend für die Gewährleistung von Forschungsfreiheit und -integrität angesehen. Insgesamt zeigt dieser Artikel, dass KI einen bedeutenden Beitrag zur Qualitätssicherung und Ideengenerierung in der Forschung leisten kann. Es unterstreicht jedoch auch die Bedeutung einer kritischen Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Risiken im Umgang mit KI-Technologien. Zusammenfassung KI kann einen bedeutenden Beitrag zur Qualitätssicherung und Ideengenerierung in der Forschung leisten. Es scheint aber derzeit keinen Mehrwert zu haben, innovative Ideen zu entwickeln und einen Gedankengang bei der Erkenntnisgewinnung abzuschließen. Literatur [1] TOCICO- - Theory of Constraints, https: / / www.tocico.org, letzter Zugriff 29. 04. 2024 [2] Theory of Constraints- - Wikipedia https: / / de.wikipedia.org / wiki / Theory_of_Constraints, letzter Zugriff: 29. 04. 2024 [3] Mycue, A. and Schragenheim, E.: Unique Features of Government and How Governance Could be Assisted by the Theory of Constraints; Online verfügbar unter https: / / www.tocico.org / page / TOCBodyofKnowledgeUniqueFeaturesofGovernmentandHowGovernanceCouldbeAssisted, letzter Zugriff 29. 04. 2024 [4] Dettmer, H. W. (2007). The Logical Thinking Process: A Systems Approach to Complex Problem Solving. USA: ASQ Quality Press. 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Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0052 gredients-one-pager.pdf? azure-portal=true, letzter Zugriff 29. 04. 2024 [8] Simon, C.: Clear Thinking Accelerator: Ihre erweiterte Chat- GPT-Anwendung für die Theory of Constraints, 11 / 2023; Online verfügbar unter https: / / chatgpt.com / g/ g- IjTFgScXX-clear-thinking-accelerator? oai-dm=1, letzter Zugriff 15. 05. 2024 [9] Horvitz, E.: The Power of Prompting, 11 / 2023; Online verfügbar unter https: / / www.microsoft.com / en-us / research / blog / the-power-of-prompting/ ; letzter Zugriff 29. 04. 2024 [10] Bundesministerium des Inneren und für Heimat: Digitale Souveränität; https: / / www.cio.bund. de / Webs / CIO / DE / digitale-loesungen / digitale-souveraenitaet / digitale-souveraenitaet-node.html, letzter Zugriff 29. 04. 2024 Eingangsabbildung: © iStock.com / Supatman Guido Bacharach Guido Bacharach hat langjährige Erfahrungen in internationalen Projektlandschaften, ist in der GPM Leiter der GPM Fachgruppe Critical Chain Projektmanagement und in mehreren nationalen und internationalen Projekten zur Digitalisierung und Optimierung der Verwaltung tätig. https: / / orcid.org / 0000-0002-7945 - 9118 Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, leben und interagieren, grundlegend verändert. Auch im Bereich des Projektmanagements hat KI das Potenzial, grundlegende Änderungen herbeizuführen - eine Entwicklung, die in diesem Buch eingehend untersucht und bewertet wird. Es konzentriert sich auf zentrale Aspekte rund um die KI, die sich in vier Abschnittsüberschriften widerspiegeln: Problemstellungen und Chancen, Methodenunterstützung, Herausforderungen im Projektmanagement sowie Unterstützung von Projektfunktionen. Dieser Band ist damit nicht nur ein Leitfaden für KI im Projektmanagement, sondern auch eine Quelle der Inspiration und Reflexion über die sich verändernde Arbeitswelt, in der wir uns befinden. Die Herausgeber und Autor: innen bieten wertvolle Einblicke und Anregungen, die Chancen von KI zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen zu meistern, die diese neue Ära mit sich bringt. Christian Bernert, Steffen Scheurer, Harald Wehnes (Hrsg.) KI in der Projektwirtschaft Was verändert sich durch KI im Projektmanagement? Projektmanagement neu denken 1. Auflage 2024, 349 Seiten €[D] 49,90 ISBN 978-3-381-11131-2 eISBN 978-3-381-11132-9 Buchtipp Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spra cherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwis senschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kultur wissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Anzeige 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0053 Gute Bildung braucht Projekte! © Laura Hoffmann 2. GPM Fachtagung in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg-Vorpommern: Unter Schirmherrschaft und in Partnerschaft mit dem Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg- Vorpommern richtete die GPM am 12. und 13. April bereits zum zweiten Mal die Fachtagung „ Lernort Schule im digitalen Wandel-- Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft “ in der Rotunde der Rostocker Hansemesse aus. Die Veranstaltung versammelte rund 100 Teilnehmende, vorwiegend aus dem Bereich der beruflichen Bildung, um gemeinsam das Potenzial einer verstärkten projektorientierten Didaktik für die Herausforderungen der Digitalisierung zu diskutieren. In den Fokus rückte dabei insbesondere die Frage, wie eine projektbasierte Schulentwicklung dazu beitragen kann, diesen erfolgreich zu begegnen. Bildungsministerin Simone Oldenburg unterstrich bereits im einladenden Grußwort zur Tagung die Bedeutung projektbasierter Ansätze in der Schulentwicklung. Sie betonte, dass viele der komplexen Herausforderungen an beruflichen Schulen nur durch teambasierte und projektorientierte Methoden bewältigt werden können. Ebenso hob GPM-Präsident Prof. Peter Thuy bei der Eröffnung der Veranstaltung gemeinsam mit Staatssekretär Tom Scheidung hervor, wie sehr gesellschaftlicher Wandel und Veränderungsprozesse im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung Schulen herausfordern. Projektbasiertes Lernen schaffe hierbei interaktive und praxisnahe Lernumgebungen, in denen Schülerinnen und Schüler entscheidende Kompetenzen wie Problemlösungsfähigkeit, Handlungsorientierung und Teamarbeit aktiv entwickeln können. Lernort Schule im digitalen Wandel-- Bildung für eine zukunftsfähige Gesellschaft am 12. und 13. April 2024 Aus den DACH-Verbänden | Gute Bildung braucht Projekte 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0053 Die Fachtagung bot begleitet von Keynotes zu den Themen „ Projektbasiertes Lernen und KI “ und „ Der Weg beruflicher Schulen zur Projektorientierten Schule “ eine umfassende Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Projekten im Schulalltag. In fünf Sektionen und über 20 Beiträgen wurde von strategischer Schulentwicklung bis hin zur Umstellung des Unterrichts auf Blended Learning, der agilen Durchführung von Projekten und Multiprojektmanagement ein breites Spektrum an Themen abgedeckt. Mit besonderer Spannung wurde auch der Workshop von Schulleiterin Monika Stausberg erwartet, die 2023 mit der Beruflichen Schule ITECH Elbinsel Wilhelmsburg den Deutschen Schulpreis gewonnen hat und über die Entwicklung ihrer Schule hin zu einer digitalen Lehr- und Lernkultur berichtete. Parallel dazu wurde-- begleitet durch die GPM Fachgruppe PM macht Schule-- die Arbeit an den Ergebnissen der Zukunftswerkstatt „Wir-- für starke und zukunftsfähige berufliche Schulen in MV“ fortgeführt, die als Initiative aus der GPM Fachtagung 2022 hervorgegangen war und Lehrkräfte unter anderem zu bereits bestehenden Projekten bzw. Projektideen berät. Die durchweg positive Resonanz auf die Impulsvorträge, Workshops und Diskussionsrunden belegten und bestärken erneut das große Potenzial und die Wirksamkeit projektorientierter Ansätze im schulischen Kontext. Mit der mittlerweile vierten Ausgabe dieser Fachtagung hat die GPM ein Erfolgsformat etabliert, das die Bedeutung von Projekten im Bildungsbereich nachdrücklich unterstreicht: Denn gute Bildung braucht Projekte! Eingangsabbildung: GPM Präsident Prof. Peter Thuy mit Staatssekretär Tom Scheidung und dem gesamten Projektteam der GPM & des Ministeriums für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg - Vorpommern © Laura Hoffmann © Laura Hoffmann © Laura Hoffmann 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 Gewissenhafte Projektplanung-- eine Frage des Alters? Prof. Steffen Rietz im Gespräch mit der Grundschullehrerin Steffi Widmann Die Art und Weise, wie Projekte geplant und gesteuert werden, steht u. a. in einer starken Prägung des Projektteams und dessen Alter. Projektbeteiligte in fortgeschrittenem Alter bringen oft mehr Projekt-, Berufs- und Lebenserfahrung ein. Sie arbeiten gründlich und umsichtig, sind aber weniger risikobereit. Sehr junge Teams hingegen arbeiten oft agiler, nutzen mehr IT-Tools für die Planung und die Kommunikation untereinander. Sie nutzen vielleicht sogar schon Künstliche Intelligenz. Sie können durch Flexibilität und ein punktuell höheres Leistungsvermögen die aus Unerfahrenheit resultierenden Planungsfehler ggf. wieder ausbügeln. Die diesen beiden Altersextremen nachgesagten Charakterprofile können teilweise empirisch nachgewiesen werden, sind teils aber auch klischeebehaftete Behauptungen, die zwar punktuell beobachtet, aber nicht pauschaliert werden sollten. Im fortgeschrittenen Alter gibt es kaum feste Grenzen. Erfahrene „alte Hasen“ können auch im hohen Rentenalter noch eine Bereicherung für jedes Team sein. Bezüglich des Nachwuchses gibt es immer wieder Diskussionen rund um die untere Altersgrenze. Ab welchem Alter ist es sinnvoll, spielerisch lernende Kinder für die Notwendigkeit einer frühzeitigen Projektplanung zu sensibilisieren? Die GPM-Fachgruppe ‚Projektmanagement macht Schule‘ hat zahlreiche Projekte in Berufsschulen und der Gymnasialstufe begleitet und aus den Erfahrungen umfangreiche Lehrmaterialien entwickelt. In Gymnasien und Berufsschulen sind daher häufiger Projekte zu beobachten, die diese Bezeichnung auch verdienen. Eine projekthafte Unterrichtsgestaltung ist nicht nur ein Modetrend, sondern nachweislich abwechslungsreich, motivierend, praxisnah und lernfördernd. Im Real- und insbesondere Grundschulalter hingegen sind auch mehrtägige Aufgaben häufig von so geringer Komplexität, dass keine echte Planungsnotwendigkeit besteht. Lehrer (und Eltern) helfen durch regelmäßiges Eingreifen den Erfolg abzusichern. Aber es geht auch in der Grundschule schon anders. Die Frage ist: Wann werden einfache Aufgaben („Deck doch schon mal den Tisch“) so umfangreich, dass notwendigerweise in Planung, Realisierung und weitere Phasen unterteilt werden muss, ohne die Kinder dabei zu überfordern? Im Interview mit Steffi Widmann von der Schoenbergschule in Freiburg sprechen wir über Potenziale und Grenzen der Projektplanung in der Grundschule. Die GPM-Fachgruppe ‚Projektmanagement macht Schule‘ lobt nach eigener langjähriger Erfahrung in diesem Bereich das Engagement von Frau Widmann und unterstreicht die Vorbildwirkung. Das im Gespräch skizzierte Projekt einer dritten Klasse ist ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen. Steffen Rietz (S. R.): Frau Widmann, Eltern von Kindern aus Ihrer Klasse haben uns begeistert berichtet, dass die Kinder in den Projekttagen viel gemacht und viel gelernt hätten. Klären Sie uns bitte auf. Was haben Sie konkret gemacht? Steffi Widmann (S. W.): Zunächst freut es mich, dass auch einige Eltern begeistert sind. Die Kinder waren es überwiegend auch. Was wir gemacht haben, ist gar nicht einfach in wenigen Worten zusammenzufassen. Die Schule schafft uns den Freiraum, ‚Projekttage‘ für eine etwas andere Form der Wissensvermittlung zu nutzen. Wenn Sie die Kinder fragen, würden die vermutlich sagen: Wir haben eine Klassenfahrt gemacht. S. R.: Sehr schön. Aber was war an der Klassenfahrt so besonders? S. W.: Vielleicht war es gar nicht so besonders. Ich habe den Kindern einfach nur sehr früh klar gemacht, dass sie es selbst Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 in der Hand haben, sich ein unvergessliches Erlebnis zu schaffen. Wenn sie aber nichts planen und nichts vorbereiten, dann machen wir die Fahrt trotzdem, nur sie wird dann eben langweilig. Das wollte natürlich niemand und dann ging es mit der Planung auch schon los. S. R.: Wohin ging es überhaupt? S. W.: Wenn man aus dem Schulalltag ausbrechen will, muss man dazu ein Kontrastprogramm schaffen, also raus aus der Stadt ins Umland. In die Fahrt selbst wollten wir nicht viel Zeit oder Geld investieren und so fiel die Wahl recht schnell auf ein Waldgasthaus für Wandergruppen im Freiburger Umland. S. R.: Also die Stadtkinder sollten sich im Wald mal so richtig austoben. S. W.: Ja, aber das war nicht der hauptsächliche Punkt. Das Gefühl von zu Hause weit weg zu sein, entsteht erst durch die Andersartigkeit im Vergleich zum Alltag. Gleichzeitig sollten im Notfall die Kinder schnell zu den Eltern und anders herum kommen können. Ein Waldgasthaus kostet auch nicht viel, auch das war wichtig. Und wenn man es mit dem Projektcharakter ernst nimmt, dann kann man nicht in ein Hotel gehen, in dem täglich der Reinigungsservice kommt. Die Kinder sollen ja lernen, selbstständig Verantwortung zu übernehmen. Projektziele S. R.: Sie stellen wieder die Projekttage heraus. Was waren denn die Projektziele? S. W.: Es gab mehrere große und kleine Ziele. Ein Kernziel war, den Kindern echte Herausforderungen in ihrer Lebenswirklichkeit zu schaffen. Simulierte Probleme, z. B. in Textaufgaben, werden von den Kindern nicht ernst genommen, weil es auch keine realen Probleme sind. Dass man nur etwas essen kann, wenn man sich zuvor etwas kocht, das ist ein echter Lebensweltbezug. S. R.: Ein sehr starker Lebensweltbezug: kein Kochen, kein Essen! S. W.: Kein Essen war natürlich keine Option. Dafür haben wir ja ausführlich geplant. Aber tatsächlich war ein zweites Ziel, den Kindern die Folgen eigenen Handelns aufzuzeigen und wenn möglich und sinnvoll auch direkt spüren zu lassen. Wenn man nicht oder falsch kocht oder die falschen Zutaten einkauft, wird natürlich trotzdem gegessen, aber es schmeckt eben nicht. Die Konsequenz einer ungenügenden Ergebnisqualität aus einer ungenügenden Arbeitsleistung merken die Kinder sofort, auch und gerade beim Essen. S. R.: Das heißt, die Kinder haben nicht nur selbst gekocht, sondern auch selbst entschieden, was gegessen wird? Konnten die Schüler überhaupt schon kochen? S. W.: Wie in jedem Projekt muss man natürlich etwas Glück haben. Kinder essen oft das gern, was einfach zu kochen ist: Nudeln mit Tomatensoße, Hotdog oder Hamburger. Das kann man durchaus abwechslungsreich gestalten und wenn man es selbst zubereitet, ist das auch gesund. Wichtig ist, dass sie lernen Entscheidungen zu treffen: Was wird gegessen? Wer kocht? Wer kauft ein? usw. S. R.: Also war die Klassenfahrt in die Selbstversorgerunterkunft wie ein mehrtägiger Kochkurs? S. W.: Das tägliche Kochen und Essen spielt schon eine ganz wesentliche Rolle, auch bei unserer Fahrt. Üblicherweise sind die Mahlzeiten ja ein Gemeinschaftserlebnis in jeder Familie. Wir haben das Gemeinschaftsgefühl in der Klasse entwickelt, den sozialen Zusammenhalt gestärkt. Auch das war ein Ziel. Mehrere Tage konsequent von den Eltern entkoppelt zu sein, heißt ja nicht allein zu sein, sondern zusammen mit Freunden etwas zu unternehmen. S. R.: Also (1) neue Fähigkeiten erwerben: beim Kochen, (2) dimensionieren und kalkulieren: beim Einkaufen, (3) Planung und Strukturierung: beim Gestalten der Tagesprogramme, (4) die Sozialkompetenz stärken: durch viele Gruppenaktivitäten, (5) Förderung der Persönlichkeitsentwicklung: durch Schaffung von Handlungs- und Entscheidungssituationen, (6) Stärkung des Teamgeists: durch Gruppenübungen und die Notwendigkeit arbeitsteiligen Agierens, (7) Sensibilisierung für die Notwendigkeit einer Zieldefinition und eines Mindestplanungsumfangs-… S. W. (lacht): -… Keinen einzigen der von Ihnen verwendeten Fachbegriffe habe ich verwendet. Auch die Kinder hätten das so nicht formuliert. Aber ja, genau das haben wir gemacht. Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Die Kinder haben all das gelernt, angewendet und ein Vielfaches an Erfahrungen gesammelt, als wenn ich das Vokabular und deren Bedeutung im Klassenraum mit Büchern hätte vermitteln wollen. Strukturen nutzen oder notfalls schaffen S. R.: Und wie haben Sie dann konkret begonnen? Eine mehrtägige Reise zu planen ist für Drittklässler ja eine nennenswerte Herausforderung. S. W.: Auf jeden Fall. Die meisten Kinder kennen Urlaubsreisen mit den Eltern, haben aber keinen Bezug zu der dahinterstehenden Planungsnotwendigkeit. Wichtig ist erst einmal, ihnen ein Gefühl für die in der Aufgabe steckenden Strukturen zu geben. S. R.: Welche sind das? Auf welche Strukturen haben Sie aufgesetzt? S. W.: Es gibt einen An- und einen Abreisetag. Dazwischen gibt es die normalen Tage, für die Aktivitäten zu planen sind und die Nächte, für die die Übernachtung zu buchen und zu organisieren ist. Jeder Tag hat drei Mahlzeiten: Frühstück, Mittag und Abendbrot. Dazwischen bleibt Zeit für andere Aktivitäten: am Vormittag, am Nachmittag und das Abendprogramm. S. R.: Und diesen Zeitscheiben und Aufgaben wurden dann die Kinder gruppenweise zugeordnet? S. W.: Die Schüler haben sich zur Planung der vier Tage in vier Gruppen zusammengefunden. Die Gruppen haben die Kinder selbst gebildet, damit jeder mit denen gemeinsam die Verantwortung zur Gestaltung eines Tages übernimmt, mit denen Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 er oder sie auch zusammenarbeiten kann und will. Und es sollten auch keine ‚Spezialistengruppen‘ entstehen, dass die einen nur Fahrkarten und die anderen nur Lebensmittel einkaufen können. S. R.: Und jede Gruppe musste dann alles können? S. W.: - … oder es lernen. Das meiste ist ja nicht schwer. Die meisten haben schon mal gesehen, wie die Eltern einkaufen, Teewasser kochen, das Bett beziehen o. ä. Jetzt ging es darum zu erkennen, was jeder selbst können muss, was einige für alle übernehmen können und welche Probleme für Drittklässler nur schwer lösbar sind. S. R.: Darf ich kurz abschweifen? Bisher haben Sie die Selbständigkeit in den Mittelpunkt gestellt. Jetzt deuten Sie Themen an, die für Drittklässler nur schwer lösbar sind. Was wäre das? S. W.: Wenn die Kinder Kartoffeln oder Nudeln essen wollen, dann müssen sie selbst die Menge kalkulieren und einkaufen, sie zur richtigen Zeit in den Topf schütten und die Kochzeit überwachen. Wenn dann der große Topf mit kochendem Wasser abzugießen ist, übernehme ich das. Wenn die Kinder ein Lagerfeuer machen wollen, müssen sie selbstverständlich selbst Holz sammeln, große und kleine Äste aufstapeln und können zur Sicherheit schon mal die Wassereimer daneben stellen. Alle Arbeiten mit der Säge oder der Axt machen dann die Erwachsenen. Immer wenn Gesundheitsschutz, Arbeits- oder Brandschutz zu gewährleisten ist, bleiben wir Erwachsene natürlich in der Pflicht. S. R.: Die Kinder planen also alles, setzen das meiste auch selbst um, und wenn die Grobstruktur steht, geht es an die Feinarbeit. S. W.: Man muss natürlich etwas moderieren, damit nichts Wesentliches so lange vergessen wird, bis es zu spät ist. Die Kinder haben aber ein erstaunlich gutes Gefühl dafür, was sie können oder zumindest lernen können und was finanzierbar ist oder vielleicht zu teuer werden könnte. Und man sollte natürlich auch an das Vorhalten von Flexibilität erinnern. Vielleicht muss man wetterabhängig kurzfristig umplanen und sollte davon nicht überrascht werden. Abbildung 1: Die Kinder sind schon in der Planungsphase selbst verantwortlich sowohl im kreativen, gestaltenden Bereich als auch in den analytischen und strukturierenden Herausforderungen. © iStock.com/ evgenyatamanenko Abbildung 2: Der Faszination eines Lagerfeuers entzieht sich keiner, das bedeutet aber mindestens vorher Holz sammeln, ggf. auch einkaufen und hinterher abwaschen, Pfandflaschen zurückbringen usw. pixabay/ _Alicja_ Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 Das erste und wichtigste Planungsinstrument: die Checkliste S. R.: Und dann wird es wirklich konkret. Haben Sie alles in moderierten Diskussionen erarbeitet oder Planungshilfsmittel genutzt? S. W.: Moderierte Gespräche hatten wir wirklich viele. Das hat den Kindern auch viel Spaß gemacht, weil sie viel gelernt haben und auch gleich anwenden konnten. Hauptplanungsinstrument war die Checkliste. Eine Packliste für den Koffer, eine Einkaufliste usw. S. R.: Packlisten für den Urlaubskoffer und Einkaufslisten sind ja gängige Hilfsmittel-… S. W.: -… die aber nicht jedes Kind kennt, und schon gar nicht in eigener Anwendung. Einige können ja nicht mal selbstständig die Straße überqueren. S. R.: Nicht Ihr Ernst. Lernt man nicht das kleine 1x1 im Straßenverkehr für den Schulweg ab der ersten Klasse? S. W.: Es gibt Programme zur Verkehrserziehung bis hin zum Fahrradführerschein. Einige wenige machen das auch sehr vorbildlich. Aber viele beherrschen es eben nicht und wenn, dann nur theoretisch. Die Frage: ‚Worauf ist vor dem Überqueren der Straße zu achten? ‘ können nicht ausnahmslos alle beantworten. Selbst die, die es theoretisch wissen, werden immer mit dem Auto zur Schule gefahren und sind auch als Fußgänger nur in elterlicher Begleitung unterwegs. Es ist erschreckend, wie wenig Kinder bewusst vor dem Überqueren der Straße stehen bleiben, erst nach links und dann nach rechts schauen. S. R.: Es geht also darum, wichtige Verhaltensweisen nicht nur zu kennen, sondern auch zu können und im richtigen Moment an das Wichtige zu denken. Aber eigentlich wollte ich nach Ihrem „… und so weiter“ fragen. Welche Checklisten haben Sie noch erstellt und genutzt? S. W.: Es gab eine Checkliste für alles, was wir noch lernen mussten: Betten beziehen, Aufräumen, Geschirr abwaschen und abtrocknen, den Tisch abwischen, den Teller leer essen-… einfach alles. Aus dieser Liste ergaben sich unsere Hausaufgaben für fast sechs Wochen. Jede Woche musste etwas gelernt werden, damit unser Zusammenleben im Gästehaus funktioniert. S. R.: Den Teller leer essen? Als Hausaufgabe? S. W.: Natürlich muss niemand mehr essen, als er Hunger hat. Aber gerade die junge Generation wächst viel bewusster in Richtung Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung auf. Wer keine Lebensmittel wegwerfen will, sollte damit beginnen, seinen Teller leerzuessen. Also keine Berge draufschaufeln, sondern kleine Portionen nehmen und lieber Nachschlag holen. Es geht um das Bewusstsein: immer, wenn auf meinem Teller etwas übrigbleibt, habe ich beim Essennehmen nicht richtig nachgedacht. S. R.: Auf Ihrer Checkliste der zu übenden Dinge stand auch Geschirr spülen und Tisch abwischen? S. W.: Den Geschirrspüler ein- und ausräumen können nicht alle, aber zumindest viele. Aber von Hand abwaschen? Unsere Unterkunft hatte keinen Geschirrspüler und da sind wir wieder bei den Konsequenzen eigenen Handelns. Wer von einem sauberen Teller essen möchte, muss ordentlich abwaschen. Wer zu jeder Mahlzeit an einem sauberen Tisch sitzen möchte, muss nach jeder Mahlzeit alle Tische abwischen. Das zu lernen und zu tun ist eine ganz andere Motivation, als die Aufforderung im elterlichen Haushalt: ‚Hilf mal mit. Wisch mal den Tisch ab.‘ Klappt es nicht, wischen die meisten Eltern hinterher selbst ab. Klappt es auf der Klassenfahrt nicht, sitzen die Kinder zum Mittag noch zwischen den Frühstückskrümeln. Es geht nicht darum den Umgang mit einem nassen Wischlappen zu lernen, sondern aus der Selbstbetroffenheit eine Verantwortung abzuleiten und eine Motivation, bestimmte Dinge zu lernen und zu tun. Kernherausforderung: Selbst kochen S. R.: Jetzt sind wir schon wieder beim Thema Essen. Was haben Sie denn gekocht und was hat das mit Planung zu tun? S. W.: Es gibt ein paar Grundzusammenhänge: Wer mittags essen will, muss im Laufe des Vormittags kochen, d. h. Lebensmittel zubereiten, diese vorher vielleicht waschen und putzen, sie vorher eingekauft haben. Dafür braucht man Geld und Zeit usw. Sehr vieles kann man deutlich vereinfachen, aber wir wollten warme Mittagsmahlzeiten und jeden Tag etwas Abwechslung. Die eigene Verantwortung für die Mahlzeiten setzt Denkprozesse in Gang. S. R.: Einige einfache Gerichte nannten Sie schon. Die konnten Sie dann ja schnell mit den Kindern kochen. S. W.: Nicht ich mit den Kindern, sondern die Kinder mit mir. Ich hatte nur einen sehr kleinen Anteil. Zunächst haben die Kinder selbstständig nach den Rezepten recherchiert. Einige haben dabei erstmals den Computer als Arbeits- und Hilfsmittel kennengelernt. Das ist ja nicht nur eine Spielekonsole. S. R.: Rezept gegoogelt, Problem gelöst! Oder ist es doch etwas komplizierter? S . W .: Das Hautproblem ist die Dimensionierung. Die meisten Rezepte sind für eine, zwei oder vier Personen bestimmt. Das muss jetzt auf die reale Personenzahl von über zwanzig hochgerechnet werden. Einige Homepages haben dafür Rezeptkonfiguratoren, bei anderen rechnet man per Hand. S. R.: Für vier Personen brauche ich vier Würstchen. Wieviel Würstchen brauche ich für zwanzig Personen? Sie sagten eingangs, leichte Textaufgaben wären den Drittklässlern schon vertraut. S. W.: Und dann heißt es im Rezept: ‚mit einer Prise Pfeffer würzen‘. Wie viel ist eine Prise? Wie viel Prisen brauche ich für 20 Personen? Wer isst etwas schärfer und wer etwas mil- Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 der? Wie viel Pfefferdöschen sind zu kaufen, deren Verkaufsgewicht man noch nicht kennt? Eine Tomatensoße kann fertig gekauft oder selbst gemacht werden. Nach welchen Kriterien vergleicht man jetzt die beiden Varianten? S. R.: Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Man sagt ja: Der Teufel steckt im Detail. S. W.: Ja, aber ich bin noch nicht fertig. Die Kinder aus muslimischen Familien essen kein Schweinefleisch. Hier muss also für Wenige eine Alternative geschaffen werden. Aus den Wenigen werden plötzlich mehr, wenn die Vegetarier dazukommen. Und ist das vegetarische Gericht dann sehr lecker, dann wollen es die Nicht-Vegetarier auch essen und alle essen insgesamt etwas mehr. Dimensionierung ist nicht einfach. Kochen ist komplizierter als essen. S. R.: Und eine täglich wechselnde Gruppe von wenigen Schülern hat dann reihum jeden Tag gekocht? Und alle haben gegessen, was auf den Tisch kommt? S. W.: Die Verantwortung für die Essenszubereitung hat wirklich täglich gewechselt. Da wir alle gemeinsam geplant hatten, war es aber keine Überraschung, was auf den Tisch kommt. Dem hatten weit vorher alle zugestimmt. Überraschend war eher das sehr direkte Feedback. Faktisch merken die Kinder natürlich, ob die Dimensionierung gut war. Und Kinder sagen auch sehr schnell, sehr ehrlich, sehr direkt, ob es ihnen geschmeckt hat. Jeder Einzelne erntet dann das an die kochende Gruppe gerichtete Lob oder die Kritik, egal, ob man einen großen oder nur geringen Anteil am Gruppenergebnis hatte. Abbildung 3: Smartphone und Laptop sind durch Spiele, Filme und Soziale Netzwerke bekannt, helfen aber auch beim Schreiben, Rechnen, Recherchieren, Strukturieren und Dokumentieren. pixabay / zap- Culture Abbildung 4: Vor dem Essen muss man kochen, davor einkaufen, davor dimensionieren und kalkulieren-- eine Kombination aus angenehmen, aber auch einigen notwendigen Aktivitäten. pixabay / ZakiAlewadi Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 Einkauf und Umgang mit Geld S. R.: Vielleicht hatten die kochenden Kinder auch nur einen begrenzten Einfluss auf das Ergebnis, weil schon Fertiggerichte oder die falschen Zutaten gekauft wurden? S. W.: Als Ausrede zählt das nicht, weil die Kinder auch alles selbst eingekauft haben. Fairerweise muss ich sagen, es war in jeder Einkaufsgruppe ein Elternteil dabei, aber nur um a) den Einkauf mit dem Auto abzutransportieren. Zum Tragen war es einfach zu viel. Und b) gibt es ein paar rechtliche Rahmenbedingungen seitens der Schule im Umgang mit Geld. Aber letztlich standen die Kinder selbst mit der Einkaufsliste im Supermarkt und haben gesagt, was in den Korb gelegt wird. S. R.: Was und wie viel gekauft werden muss, war zu dem Zeitpunkt ja schon klar. Jetzt ging es noch um den Preisvergleich? S. W.: Die Kinder können schon Preise vergleichen und wissen, nur 5 ,- € ausgeben ist besser als 7 ,- €. Mengenrelationen sind schon schwieriger, aber die Aufmerksamen merken schon, dass man für das gleiche Geld in verschiedenen Bäckereien eine unterschiedliche Anzahl Brötchen bekommt. Auch die roten Preisschilder mit dem Hinweis auf Angebote sind vielen vertraut. Abbildung 5: Das QKT-Dilemma-- auch Kinder merken schnell: Wenn es besser werden soll, muss mehr Zeit und / oder mehr Geld investiert werden; Budget- und / oder Zeitbegrenzungen limitieren auch die Ergebnisausgestaltung rere Einkaufsziele einander überlagern. Ist das aller Billigste wirklich das Gewollte? Wie werden Gesundheit, Nachhaltigkeit und andere Aspekte neben dem Preis berücksichtigt? Das ist ja teilweise sogar für Erwachsene noch ein Thema. S. R.: Die Abwägung scheinbar gegensätzlicher Ziele funktioniert also noch nicht so richtig. Umso besser, dass sie dann gelernt haben, dass es neben dem Preis noch andere Entscheidungsparameter gibt. S. W.: Dass die Kosten nur ein Aspekt von mehreren sind, war den Kindern bewusst. Wir hatten schon die Anreise mit dem Zug, dem Bus oder dem Auto diskutiert, auch die Abwägung von mehreren Zimmern für Kleingruppen oder einem Schlafsaal. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Das Lernziel war Kostenbewusstsein. Wenn die Gesamtkosten für Unterkunft, An- und Abreise und alle Lebensmittel das Taschengeld übersteigt, dann entsteht eine Abhängigkeit von anderen, in diesem Fall von den Eltern und es muss kostenbewusst geplant werden. Das war eine wichtige Erkenntnis. Persönlichkeitsentwicklung und Sozialverhalten S. R.: Sie sprachen eingangs von Gruppenarbeiten, Sozialverhalten und ähnlichen Aspekten, die man nicht durch das Lesen eines Buches lernt. Was haben Sie damit konkret gemeint? S. W.: Eigentlich alle Facetten des gleichberechtigten Zusammenlebens. Die Kinder haben ihre Verhaltensregeln selbst aufgestellt und an die jeweiligen Türen des Mädchen- und Jungs-Schlafsaales aufgehängt- - etwas unterschiedlich, aber für jeden sichtbar. Und wenn alle alles machen, geht fast nichts voran. Das darf man den Kindern nicht sagen. Das müssen sie spüren und selbst erkennen. Ergebnis war, das jeden Tag ein Team aus jeweils zwei Jungs und zwei Mädchen die Küche, das WC und die Gemeinschaftsräume geputzt haben und am Abend das nächste Team für den nächsten Tag bestimmt haben. S. R.: Die Gruppe hat sich also selbst bei der Arbeit beobachtet und ein Gefühl dafür entwickelt, wann es gut oder weniger gut läuft. Und dann haben sie selbständig ihre Arbeitsweise angepasst? Drittklässler? S. W.: Naja, man kann den Erkenntnisprozess ja unterstützen. Ich lasse zum Beispiel bei Gruppenarbeiten immer die als erstes präsentieren, die als erstes fertig sind. Alle anderen merken dann schon, dass sie langsamer waren. Und es wird auch kritisch hingeschaut, ob die Schnellsten auch zu einem guten Ergebnis gekommen sind oder sich nur beeilt haben, ohne sich Mühe zu geben. Die Kinder merken, was insgesamt am besten funktioniert und übernehmen die Arbeitsweisen. S. R.: Haben Sie noch mehr Tipps dieser Art? S. W.: Wenige, die pauschal immer funktionieren. Sozialverhalten ist sehr situationsabhängig. Wichtig ist aber, unterstützende Randbedingungen zu schaffen. Ich habe z. B. darauf geachtet, dass es in unserer Unterkunft vor Ort keine Einkaufsgelegenheit gibt. Wenn die Kinder unterschiedlich viel Taschengeld haben, schafft das schnell Sozialneid. Und all S. R.: Die begleitenden Eltern hatten also außer dem Bezahlen und dem Abtransport des Einkaufs wirklich nicht mehr zu tun? S. W.: Nicht so ganz. In allen Themenbereichen wurde noch dazugelernt, auch beim Einkauf. Den ausgeschilderten genormten Kilopreis kannten viele noch nicht und konnten den auch schwer deuten. Aus dem Elternhaus gab es oft auch eine Markenpräferenz, von der der Eine oder die Andere nicht abweichen wollte. Und schwierig wird es vor allem, wenn meh- Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 die Mühen rund um den Lebensmitteleinkauf und das Kochen sind auch vergebens, wenn einige sich vor dem Essen noch schnell eine Tafel Schokolade kaufen können. • Zieldiskussion und Ergebnisplanung • Aktivitätenplanung • Verhaltensregeln aufstellen und befolgen • Termin- und Kostenbewusstsein • Meilensteinorientiertes Arbeiten • Gruppenarbeiten und Arbeitsteilung • Informationsu. Kommunikationsprozesse • Erstellung & Nutzung von Checklisten • Handlungsspielräume nutzen • Handlungsalternativen vergleichen • Argumentationsketten aufbauen • Entscheidungen fällen und bewerten • Wirkketten und Konsequenzen erkennen • Präsentationstechniken • Feedbackprozesse & Reflexion Abbildung 6: Kompetenzportfolio-- Kinder der dritten Klasse können in moderierten Projekten schon sehr selbständig, zielorientiert und arbeitsteilig agieren; wichtige Voraussetzungen für den Aufbau einer individuellen Projektmanagementkompetenz Der Ende 2023 verstorbene Wolfgang Schäuble sagt kurz vor seinem Tode in seinem letzten Interview „Deswegen kann ich mich nur wiederholen: Wir müssen-[…] das Bewusstsein von Anstrengung, Fleiß und Arbeit auch wieder stärker in Erziehung, Bildung und Ausbildung unserer Kinder verankern.“ (Welt am Sonntag vom 24. 12. 2023 S. 3) Aus dem Elternhaus, das uns auf dieses Projekt aufmerksam gemacht hat: „Die mussten alles, wirklich ALLES selbst machen. Die Kleine ist wie ausgewechselt nach Hause gekommen. Wenn wir heute übers Wochenende mal wegfahren, holt sie ihre Checkliste raus, die hat sie natürlich noch, und packt ihren Koffer alleine und schneller als ich meinen.“ An die Tochter gewandt: Musstet ihr dort auch mal arbeiten oder habt ihr die ganze Zeit nur gespielt? „Nö, wir haben die ganze Zeit nur gespielt“. Vielleicht ist das der eigentliche Gewinn, dass die Kinder den notwendigen Vorbereitungs- und Planungsaufwand nicht als solchen empfunden, sondern ihn intuitiv erbracht haben. Zusammenfassung S. R.: Sie haben die Kinder in der Projektwoche also nicht unterrichtet, sondern weit ab des Schulalltags Wissen vermittelt und die Möglichkeit geschaffen, in vielen Bereichen Erfahrungen zu sammeln. S. W.: Wir haben uns alle gemeinsam ein Erlebnis geschaffen. Wir sind zusammen weggefahren. Da wir aber eine Schule sind und kein Reisebüro, war neben dem Erlebnis auch der Erkenntnisgewinn ein ganz wesentlicher Aspekt. S. R.: Und durch die lange intensive Vorbereitungsphase unter Beteiligung Aller haben die Schüler strukturiert und organisiert, kalkuliert und dimensioniert und durften das Ergebnis ihrer Planungsleistung auch selbst genießen. S. W. (lacht): Genießen war das angestrebte positive Ergebnis. Wäre die Vorbereitungsphase nicht so gut gelaufen, wären wir trotzdem gefahren und sie hätten es ausbaden müssen. Selbständigkeit, Konsequenzen tragen, die Sensibilisierung für die Notwendigkeit von Zeit-, Kosten- und Ergebnisplanung von nicht sofort überschaubaren Aktivitäten-- all das ist in dem Alter schon vermittelbar. Auch Formen der eigentlich bekannten Gruppendynamik, Konfliktlösungen und Eskalationsszenarien nehmen ganz andere Formen an, weil man sich 24 Stunden am Tag kaum aus dem Weg gehen kann. S. R.: Haben Sie selbst noch Verbesserungsvorschläge für Nachahmer? Was hat nicht oder nicht gut funktioniert? S. W.: Was wir gemacht haben, hat auch gut funktioniert- - wenn nicht beim ersten Mal, dann in der Wiederholung. Wir dürfen nicht vergessen: Vieles haben die Kinder erstmals gemacht und dann kann man nicht auch noch Zeitdruck aufbauen. Wenn eine Klasse im Wiederholungsfall mal schneller ist und dann mehr Zeit hat, kann man noch mehr machen. S. R.: Was denn zum Beispiel? S. W.: Man kann versuchen, die Kosten-- zumindest teilweise-- selbst zu decken, z. B. über einen Flohmarkt oder einen Kuchenbasar. Wenn die Kinder nicht nur selbst planen, sondern auch noch selbst die Finanzierung der Umsetzung sicherstellen, ist der Stolz auf das Geschaffene nochmals deutlich größer. Die Klassenfahrt selbst wird der Höhepunkt bleiben, muss aber nicht der Abschluss sein. Man könnte in der Nachbereitung noch ein Erinnerungsalbum erstellen. S. R.: -… und dabei in Erinnerungen schwelgen. Das verlängert nochmals die Phase des Genießens-… S. W.: - … und vor allem schult die Verarbeitung der Digitalbilder zu einem Fotoalbum nochmals den Umgang im IT -Bereich und fördert gestalterische Kompetenz. Auch das Nachdenken über Einzelheiten wird dabei nochmals intensiviert. So werden wohl mehr Verbesserungsansätze für die nächsten Projekttage erkannt. Wenn die Schüler nur geringfügig älter sind und schon eine Erfahrungsschleife hinter sich haben, könnten sie gar über entferntere Reiseziele nachdenken, Anbieter selbst kontaktieren und die Termine selbst fixieren. Da ist noch vieles möglich. S. R.: Dann wünschen wir viel Erfolg dabei, dass die kleinen Reisenden noch mehr lernen und auch beim nächsten Mal wieder viel Spaß dabei haben. S. W.: Mein bevorzugter Indikator ist das Heimweh. Viele Kinder in dem Alter sind das erste Mal über Nacht von ihren El- Wissen | Gewissenhafte Projektplanung - eine Frage des Alters? 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0054 tern getrennt. Wenn sie kein Heimweh haben, ist alles gut. Bei unserer letzten Fahrt haben die meisten Eltern ihre Kinder mehr vermisst, als anders herum. Eingangsabbildung: © iStock.com / lemono Prof. Dr.-Ing. Steffen Rietz Prof. Dr.-Ing. Steffen Rietz • Hochschule Offenburg, Fakultät für Wirtschaft • Studiendekan für das MBA-Programm Part-time General Management • Seit 25 Jahren Erfahrung im Projektmanagement, inkl. Groß- und internationaler Projekte • inzwischen auch als Coach, Autor, in der Normung und einer projektmanagementfördernden Stiftung ehrenamtlich aktiv eMail: Steffen.Rietz@hs-offenburg.de Steffi Widmann Steffi Widmann ist Grundschullehrerin in der Schoenbergschule in Freiburg. Neben ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag steht die Schaffung von Erlebnissen und Erfahrungen sowie eine ganzheitliche Persönlichkeitsbildung der Kinder im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Projektorientierter Unterricht und Projekttage sind daher fester Bestandteil ihres Unterrichts. Die neue Buch-Reihe aus der Kooperation von UVK und der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Die Reihe behandelt insbesondere neue Fachthemen und neue Herangehensweisen in der Projektmanagementpraxis. Dabei steht der konkrete Nutzen für die praktische Anwendung im Vordergrund. Leser: innen dürfen sich sowohl auf einen Wissenszuwachs als auch Tipps für den Praxisalltag freuen. Bestellen Sie unter www.uvk.de . Projektmanagement neu denken Anzeige 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0055 Buchrezension Buchbesprechungen Projektmanagement verstehen Rezension: Steffen Scheurer Projektmanagement verstehen. Praxisnahe Tipps für die Arbeit in Projekten von Michaela Flick; Mathias Flick, 1. Auflage, 2023, ISBN: 978-3-648-16794-6 Die AutorInnen legen mit dem Buch „Projektmanagement verstehen“ ein weiteres Buch zum Thema „Projektmanagement“ vor. Und dies, obwohl es inzwischen wirklich eine Vielzahl von Büchern zu den unterschiedlichen Themen des Projektmanagements gibt. Braucht es dies wirklich? Diese Fragen stellen die AutorInnen ehrlicherweise selbst gleich in Ihrem Vorwort und kommen zu der Antwort: Ja. Also: Was machen die AutorInnen in diesem Buch anders? Wieso könnte es sich lohnen dieses Buch zu lesen? Zunächst wird ein kurzer Überblick über die Inhalte des Buches gegeben, bevor wir uns der Beantwortung dieser Fragen zuwenden. Die AutorInnen führen zunächst in die Grundbegriffe des klassischen Projektmanagements ein. Dann orientieren sie sich in den folgenden Kapiteln an den fünf Standardphasen der DIN 69 901. Somit findet sich jeweils ein Kapitel zur Initialisierungsphase, zur Definitionsphase, zur Planungsphase, zur Steuerungsphase sowie zur Abschlussphase. Zusätzlich gehen die AutorInnen in einem weiteren Kapitel auf Agile Methoden und hybride Vorgehensmodelle ein. Das Buch endet mit einem Kapitel zu den Softskills im Projektmanagement. In jedem dieser Kapitel werden nun die wichtigen Inhalte und Methoden dargestellt. Diese Darstellung erfolgt nicht lehrbuchhaft, sondern locker, stärker in einem Erzählstil. So lesen sich sonst tendenziell Bücher amerikanischer AutorInnen. Dies ist Geschmacksache: Manche LeserInnen erwarten einen eher nüchternen Schreibstil, während sich andere mit einem etwas lockeren Erzählstil wohler fühlen. Was jedoch in dem Buch auffällt: Die AutorInnen orientieren sich stringent an der praktischen Anwendbarkeit der Inhalte. Hierzu nutzen sie ihre langjährige Erfahrung im Projektmanagement und führen zusätzlich mit erfahrenen PraktikerInnen ein Interview, um auch deren Erfahrungsschatz verfügbar zu machen. Zudem fassen die AutorInnen die wichtigsten Erkenntnisse in einer Quintessenz zusammen und geben dem Leser noch Tipps und Tools mit auf den Weg. Darüber hinaus verdeutlichen die AutorInnen die behandelten Themen nochmals an einem praktischen Beispiel. Hierfür wählen Sie das eigene Beispiel: das Verfassen dieses Buches. Dies ist für die meisten Leser vermutlich nicht unbedingt ein typisches Beispiel und damit auch nur bedingt aussagefähig. Um nun wieder auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Braucht es dieses Buch eigentlich noch? Wenn wir rein auf die behandelten Inhalte blicken, dann sind diese bereits vielfach beschrieben. Hier erfährt der Leser nichts grundlegend Neues. Wenn wir jedoch auf die Art und Weise der Vermittlung der Inhalte schauen, dann macht dieses Buch einen Unterschied. Insbesondere die konsequente Ausrichtung an der praktischen Umsetzbarkeit der Inhalte und die Kombination mit Erfahrungswissen aus der Praxis macht dieses Buch lesenswert. Fauch will fliegen. Projektmanagement verstehen für Kinder von Michaela Flick; Mathias Flick, 1. Auflage, 2023; ISBN: 979-8-86 386 990-2 Das Buch „Projektmanagement verstehen“ gibt es auch für Kinder. Der Aufbau des Buches „Fauch will fliegen“ mit dem Untertitel „Projektmanagement verstehen für Kinder“ gleicht exakt dem Aufbau des Buches für Erwachsene. Es werden somit alle wichtigen Themen des Projektmanagements auch in dem Buch für Kinder behandelt. Allerdings liegt es auf der Hand, dass die Inhalte des Projektmanagements für Kinder anders verpackt werden müssen. Es geht um den kleinen grünen Drachen Fauch, der zusammen mit seinem Bruder Nepomuk und anderen Tieren in einer Burg, umgeben von Wäldern und Bergen, wohnt. Eines Tages stöbert Fauch in morschen Kisten und findet ein altes Buch voller Bilder von Flugmaschinen. Der Autor: Leonardo da Vinci! Die Bilder begeistern ihn so sehr, dass er beschließt mit seinen Freunden ein solches Fluggerät zu bauen. Wenn das gelingt, können die Freunde zusammen auf eine große Reise um die Welt gehen. Nach einigen Diskussionen lassen sich Fauch und seine Freunde auf das große Abenteuer ein: Sie starten ein Projekt und bauen miteinander eine Flugmaschine, den Zeppelong. Dabei durchlaufen sie alle Phasen des Projektmanagements und lernen spielerisch, was in den jeweiligen Phasen zu beachten ist. Am Ende einer jeden Phase wird nochmals reflektiert, was in der Phase wichtig war und was die Tiere in dieser Phase gelernt haben. Doch mit der Fertigstellung des Zeppelong ist es nicht getan, anschließend bereisen die Freunde die Welt und lernen dabei, wie sie ihre Flugmaschine Stück für Stück verbessern können. So ergeben sich sogar noch Erkenntnisse zu agilen und hybriden Vorgehensweisen in ihrem Projekt. Eigentlich versucht ein Rezensent ein Buch immer möglichst schnell zu überblicken, die Stärken und Schwächen des Buches zu erkennen und diese herauszuarbeiten. Es geht somit darum in möglichst kurzer Zeit eine faire und zugleich zutreffende Rezension zu schreiben. Um ehrlich zu sein: Das ging im Falle dieses Lehrbuches für Kinder gründlich schief. Nachdem ich mich auf die Geschichten rund um den Drachen Fauch eingelassen hatte, wollte ich wissen, wie das Abenteuer für die Tiere ausgeht, ob sie es wirklich schaffen ein Fluggerät zu bauen und was sie damit alles erleben. Als sie mit dem Zeppelong auch noch das Land der Zitronen im Süden bereisten und dort auf Leonardo trafen, war ich endgültig gefangen und der Sonntag war an mir nur so vorbeigeflogen. Mit anderen Worten: Funktioniert das Buch? Lassen sich die Leser von den Geschichten einfangen? Lernen die Leser etwas über Projektmanagement? Ja: Bei mir hat es funktioniert und auch noch eine Menge Spaß gemacht. Ich wünsche dem Buch jedenfalls eine weite Verbreitung. Vielleicht macht das Buch den Kindern genauso viel Spaß wie mir, wenn Sie dann auch noch etwas über Projektmanagement lernen, ist es umso schöner. 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0056 Über Regeln, Beschränkungen und Medien Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch- - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich sitzt an einem Schulbuchrätsel über römische Zahlen, als Priesberg sein Büro betritt. Er spricht Priesberg direkt an: „Wusstest du, dass es eine größte römische Zahl laut den im Buch vermittelten Symbolen gibt? “ Priesberg schüttelt den Kopf: „Nein, ich dachte, der Zahlenraum ist unbeschränkt. Wie lautet sie denn? “ Ehrlich schreibt sie an die Tafel: „3999 also MMMCMXCIX. Das liegt an dem komplizierten Regelwerk. Es gibt nämlich nur die Buchstaben I, V, X, L, C, D und M für 1, 5, 10, 50, 100, 500 und 1000.“ „Damit kann ich doch alle Zahlen darstellen, ich muss die Buchstaben nur oft genug aneinanderreihen. Dunkel erinnere ich mich, dass man die Buchstaben addiert, wenn man sie von links nach rechts schreibt und subtrahiert, wenn man sie von rechts nach links schreibt“, erläutert Priesberg. Ehrlich ergänzt: „Es gibt aber neben anderen Regeln eben auch diese: Man darf Buchstaben nur dreimal nebeneinander schreiben und andere sogar nicht mal zweimal. Daher ergibt sich eben diese größte Zahl.“ Priesberg schnipst mit den Fingern: „Lass‘ uns das mal auf die heutige Zeit übertragen. Flugzeuge könnten bis maximal vier Kilometer hoch fliegen, der Äquator könnte nicht vollständig vermessen werden-…“ Ehrlich winkt ab: „In unserer Zahlenwelt sind die Beschränkungen durch die römischen Zahlen offensichtlich. Wir sollten nach Beispielen suchen, bei denen es versteckte Beschränkungen gibt.“ Er trinkt einen Schluck aus einem Glas: „Zum Beispiel in der Digitalisierung bei Anwendung der Regel: ‚Jeder Sprint dauert nur 24 Stunden‘. Bei kleineren Projekten ergibt das Sinn, bei größeren eher weniger.“ Priesberg wundert sich: „Da habe ich dir mehr zugetraut. Woran krankt es in der Digitalisierung wirklich? “ Ehrlich antwortet: „Naja, daran dass bestimmte Tools zur Erfassung von Daten nicht richtig benutzt werden.“ Priesberg hakt nach: „Das ist mir zu wenig. Werden die Tools aus Bequemlichkeit nicht benutzt, oder aus tiefergehenden Gründen? “ Ehrlich antwortet brav: „Vermutlich hat man Daten und Tools mental nicht getrennt. Man redet über Daten, denkt aber an IT-Systeme.“ Priesberg antwortet gönnerhaft: „Ganz genau. Und damit sind wir bei den römischen Zahlen und der Beschränkung auf 3999. In unserem Beispiel ist die Beschränkung durch das IT- System gegeben.“ „Jaja, man kommt aus ihm nicht heraus; die Fähigkeiten des Systems bestimmen, welche Daten aufgenommen und verarbeitet werden können. Der Lösungsraum wird dadurch drastisch eingeschränkt,“ übernimmt Ehrlich. „Gibt es denn Positivbeispiele? “, insistiert Priesberg. Ehrlich überlegt: „Wenn ich mit Menschen zu tun habe, mache ich mir mein eigenes Bild und verzichte darauf, die Einschätzung von Kollegen zu übernehmen. Es ist ein guter Schachzug: Durch Auslassen von Vorurteilen traut man bis dato unbekannten Menschen viel mehr zu. Es erweitert den Lösungsraum.“ Priesberg fragt weiter, er scheint an dem Thema Gefallen gefunden zu haben: „Wie kann man denn erreichen, eine solche Beschränkung zu erkennen? Bei den römischen Zahlen ist das offenbar nicht schwer.“ Ehrlich überlegt: „Es ist wohl ein wenig, wie ein Wollknäuel zu entwirren. Was sind die Dinge, mit denen ich eigentlich zu tun habe, und was ist das Medium, wodurch sie transportiert werden? Das Prinzip ist: ‚Das Medium darf die Dinge nicht einschränken‘.“ Er fährt fort: „Bei den Zahlen ist das Wesentliche das Zählen,“ er zählt die Finger seiner rechten Hand ab, „eins, zwei, drei-… und die Finger, äh, Buchstaben der Römer sind das Medium.“ Priesberg ergänzt: „In der Digitalisierung haben wir es mit Daten zu tun-- wir könnten auch auf Papier digitalisieren-…“ Ehrlich fällt ihm ins Wort: „Das dauert zu lange- … daher sind Computer das bessere Medium. Aber die Digitalisierung auf Papier gefällt mir dennoch, damit lassen sich die Richtigkeit der Beziehungen der Daten und ihrer Eigenschaften durchspielen.“ „Um wieder auf Projekte zu kommen”, ergänzt Priesberg: „Projektinhalte sind das Wichtige, das agile Rahmenwerk ist das Medium, mit dem sie sich materialisieren lassen. Und die Regeln sollten so gewählt werden, dass sie den Projektinhalten dienen, also messbaren Projektfortschritt ermöglichen.“ Ehrlich steht auf und macht eine Verbeugung vor Priesberg: „Welch unbekannte Gewandtheit, lieber Kollege! Was hast du getan? “ „Ich habe heute mal verzichtet, so zu denken, wie ich glaube, wie es die Organisation will. Schließlich ist die Organisation nur das Medium, durch das wir wirken“, schließt Priesberg ab. Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Kolumne 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0057 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM Iqony Sustainable Energy Solutions GmbH https: / / www.sens-energy. com/ Sascha Wehling, S a s c h a . We h l i n g @ i q o n y. energy SENS, Iqony Sustainable Energy Solutions GmbH (Iqony Sens), entwickelt, baut und betreut europaweit Solarprojekte auf Freiflächen und Dächern. Dabei agiert das Unternehmen auch als Independent Power Producer (IPP). Wir managen Projekte-- tagtäglich und europaweit. Kompetenz- und Karriereentwicklung für unsere Mitarbeiter, Netzwerken, mehr Sichtbarkeit bei potenziellen Kunden und Partnern, denen diese Skills / Standards wichtig sind Arvato Systems http s : / / w w w. a rv a to s y s tems.de/ pmo@arvato-systems.de Als international agierender IT-Spezialist unterstützt Arvato Systems namenhafte Unternehmen bei der Digitalen Transformation. Wir entwickeln innovative IT-Lösungen, bringen Kunden in die Cloud, integrieren digitale Prozesse und übernehmen Betrieb und Betreuung von IT-Systemen. Das Thema Projektmanagement stellt in unserer Projektorganisation den zentralen Bestandteil zur Leistungserbringung dar. Somit ist es fest in unserer Wertschöpfungskette verankert. Mit der Mitgliedschaft in der GPM sehen wir einen Mehrwert für unsere Organisation und Mitarbeiter in den Bereichen Wissenstransfer und Governance. Technologiezentrum Glehn GmbH https: / / tz-glehn.de/ s.sonnwald@tz-glehn.de Das Haupttätigkeitsfeld des Technologiezentrums Glehn ist die Weiterbildung. Wir bieten Projektmanagement als Weiterbildungsmaßnahme an. Außerdem setzen wir Projektmanagement in unseren Arbeitsgruppen ein. Gute Informationen, Vernetzung und Kontakte. Die GPM Fach- und Regionalgruppen Die derzeit 39 Regionalsowie 34 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen.html bzw. www.gpm-ipma.de / ueber_uns / regionen.html 73 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0058 Aus den DACH-Verbänden | pma intern Neue Zertifizierung für Trainer*innen Gernot Haitzmann, Leiter der pma Zertifizierungsstelle, freut sich über das neue Zertifizierungsangebot für Trainer*innen © pma / L. Schedl Projekt Management Austria (pma) startet in Österreich mit der PM-Zertifizierung für Trainer*innen. Gernot Haitzmann, Leiter der pma Zertifizierungsstelle, stellt das Pilotprojekt vor. Zertifizierungen für Trainerinnen und Trainer im Projektmanagement bieten viele Vorteile. So erhalten Kandidat*innen einen anerkannten Nachweis über ihr Trainings-Know-how im Projektmanagement und profitieren zusätzlich durch das internationale IPMA® Zertifikat. Der Anstoß kam von einem international tätigen Unternehmen, das Wert darauf legt, dass seine Mitarbeiter*innen im Projektmanagement von geprüften Trainer*innen (nach IPMA® Standard) ausgebildet werden. Nach Abschluss der Pilotphase soll das Angebot breit ausgerollt werden und richtet sich an Personen, die Trainings nach IPMA® Standard anbieten. speziellen Kompetenzen für Trainer*innen (laut ICB4 CCT). Die Zertifizierung kann sowohl off site als auch on site absolviert werden und dauert einen halben Tag. Der Report muss vier Wochen vor der Zertifizierung übermittelt werden. Die Zertifizierungsprüfungen basieren auf der IPMA® Competence Baseline (ICB® Version 4) erweitert durch die ICBC (IPMA® Competence Baseline CCT) der International Project Management Association (IPMA®). Nach erfolgreicher Absolvierung sind die Trainer*innen berechtigt, die Bezeichnung Certified Executive Trainer (Level A), Certified Senior Trainer (Level B) oder Certified Trainer (Level C) zu verwenden. Mehr Informationen erhalten Sie bei der pma Zertifizierungsstelle: E-Mail: zertifizierung@pma.at Mitglied vor den Vorhang Deloitte Consulting GmbH Renngasse 1 / Freyung, 1010 Wien www2.deloitte.com Hauptgeschäftsgebiet Deloitte Consulting ist der One-Stop-Shop für Beratungsleistungen- - als Partner in Strategiefragen, Experte für Technologie und Digitalisierung, erste Adresse für Personalmanagement und Vordenker für die Umsetzung Ihrer Unternehmensziele. PM-Aufgabe und Bedeutung Mit unserem Beratungsangebot unterstützen wir Kund*innen über den gesamten Lebenszyklus eines Projektes hinweg. Von der initialen Konzeption über die Anforderungserhebung bis zur Implementierung begleitet Sie unser IPMA ® -zertifiziertes Consulting-Team mit klassischen und agilen Projektmanagement-Methoden. Welche Voraussetzungen sind notwendig? Die Kandidat*innen verfügen entweder über ein aktuell gültiges IPMA® Projektmanagement-Zertifikat oder müssen im Rahmen einer IPMA® Level-D Zertifizierung ihr PM-Wissen nachweisen. Weitere internationale PM-Zertifizierungen können gegebenenfalls (teil-)angerechnet werden. Je nach Level müssen entsprechende Erfahrungen als PM-Trainer*in vorliegen. Für Level C sind das Einzeltrainings, für Level B sind Erfahrungen im gesamten Projektmanagement-Bereich notwendig, und für Level A geht es um die Kompetenz, Trainings unter Berücksichtigung der Unternehmensstrategie für größere Organisationen zu entwickeln. Wie lange dauert die PM-Zertifizierung? Die PM-Zertifizierung für Trainer*innen stellt einen mehrstufigen Reflexionsprozess dar. Nach erfolgter Zulassung erstellen die Kandidat*innen eine Dokumentation über ihre Trainingserfahrung (Report), danach erfolgt ein Interview mit einer bis zu 20-minütigen Demo-Trainingssession zu den allgemeinen und 74 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0059 Aus den DACH-Verbänden | spm intern spm.unterwegs am 9. April 2024 bei der Rega Ingrid Giel (spm Präsidentin) spm.unterwegs Teilnehmende vor einem Ambulanzjet der Rega Rega Helikopter in der Wartung in Zürich Am 9.April waren wir im Rahmen unseres Veranstaltungsformats spm.unterwegs beim Rega-Zentrum in Zürich. Fast jeder zweite Schweizer bzw. Schweizerin ist Gönner bei der Rega, der schweizerischen Rettungsflugwacht. Als Gönner und Gönnerin hat man die Möglichkeit, im Notfall in der Schweiz und im Ausland bei Verletzungen oder Krankheit von Rega- Jets und Helikoptern gerettet und transportiert zu werden. Zunächst erfuhren wir Genaueres über die Geschichte der Rettungsflugwacht (REGA: «Rettungsflugwacht» und «Garde aérienne»). Dann dürften wir den Hangar und einen dort parkenden Ambulanzjet sowie einen Helikopter, der in der Wartung war, ganz genau besichtigen und alle unsere Fragen stellen. Ein weiteres Highlight war der Besuch der Einsatzzentrale während des 24-Stunden-Betriebs. Wir waren beeindruckt von der Leidenschaft der Rega-Mitarbeitenden für ihre Arbeit: ihrer intensiven nationalen und internationalen Zusammenarbeit von unterschiedlichen Expertinnen und Experten in medizinischen, technischen und koordinierenden Bereichen. Gleichzeitig konnten sich die teilnehmenden Projektmanagerinnen und Projektmanager ausgiebig untereinander austauschen und reges Networking betreiben. Zahlen und Fakten über die Rega: https: / / www.rega.ch / ueberuns / rega-in-kuerze#zahlen-und-fakten Die Rega betreibt in der Schweiz 14 Helikopterbasen: https: / / www.rega.ch / im-einsatz / standorte-infrastruktur#einsatzbasen Aus den DACH-Verbänden | spm.unterwegs am 9. April 2024 bei der Rega 75 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0059 Informationen zur Rega finden Sie unter: https: / / www.rega.ch / aktuell / neues-aus-der-rega-welt / reportage Termine für weitere spm.unterwegs Veranstaltungen und aktuelle spm Veranstaltungstermine siehe: https: / / spm.ch / veranstaltungen/ Aktuelle Veranstaltungstermine der Fachgruppen bitte bei den jeweiligen Kontakten der Fachgruppen nachfragen unter: https: / / spm.ch / fachgruppen/ 76 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 03/ 2024 DOI 10.24053/ PM-2024-0060 Auf ein Wort mit-… Wibke Jellinghaus Martina Peuser Zur Person | Wibke Jellinghaus ist Projektmanagerin, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Arineo GmbH und Vorsitzende des Arineo Mitarbeitenden Vereins. Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? Ich bin durch Zufall zum Projektmanagement gekommen. Nach dem Studium in Kommunikationswissenschaft bin ich auf eine IT-Beratung aufmerksam geworden. Ich startete dort im Projektmanagement-Office und verantworte nun seit vielen Jahren eigene Projekte. Falls Sie keine Projektmanagerin geworden wären-- was stattdessen? Ich wäre in der Unternehmenskommunikation mit Fokus auf interkulturelle Kommunikation. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Ein ERP-Projekt: Die Implementierung von Microsoft D365FO bei einem großen Kunden mit anschließend internationalen Rollouts. Während des Projekts haben wir mit Spezialist*innen von Microsoft und anderen Projektmanager*innen die Methodik angepasst und agiler gestaltet. Wir konnten viele Best Practices entwickeln und das Gelernte in folgenden Projekten anwenden. An welchem Projekt arbeiten Sie gerade? Derzeit arbeite ich in einem besonderen Projekt. Wir geben unser Unternehmen in das Verantwortungseigentum der Mitarbeitenden (Employee Owned Company). Im Juni 2023 haben wir einen Verein gegründet. Ich bin Vorsitzende des Vereins in einem Präsidium mit elf Personen. Der Verein wird die Arineo GmbH von den jetzigen Gesellschaftern kaufen und in die Stiftung übertragen. Die Mitarbeitenden der Arineo GmbH können dann Mitglieder im Verein werden, der das Herzstück des EOC-Modells ist. Es macht viel Spaß, mit den Kolleg*innen diese besondere Form des Firmeneigentums zu realisieren. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? Wir haben eine eigene Methodik entwickelt für unsere ERP- Implementierungen mit einer agilen Vorgehensweise. Das Modell bietet besonders viel Transparenz für die Kunden und unterstützt uns bei der erfolgreichen Umsetzung unserer Projekte. Welche historischen Projekte bewundern Sie am meisten? Die Mondmission ist spannend, weil es um so viel Präzision geht. Man konnte bei diesem Projekt auch keinen wirklichen Prototyp machen. Alles muss sehr genau ablaufen. Was wäre Ihr Traumprojekt? Ein Umweltschutzprojekte fände ich spannend. Neue Technologie zu verbinden im Sinne der Nachhaltigkeit. Was zeichnet Sie als Projektmanagerin besonders aus? Ich bringe meistens gute Laune mit, kann gut zuhören, bin sehr strukturiert und lösungsorientiert. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? Mir macht es Spaß, im Team zu arbeiten. Es ist wunderbar, Ergebnisse zu sehen, dem Kunden geholfen zu haben und positives Feedback zu erhalten. Welche Tipps haben Sie für den Projektmanagement-Nachwuchs? Aufmerksam sein und zuhören! Zudem immer auch vordenken: einmal alles durchspielen und überlegen, was zu tun ist. Welche Eigenschaften schätzen Sie an Projektmanagern*innen am meisten? Strukturiert und zuverlässig sein. Absprachen werden eingehalten. Was ist für Sie als Projektmanagerin das größte Glück? Wenn die Projektbeteiligten Spaß haben, an dem was sie tun, und gleichzeitig Fortschritte erzielen. Was ist für Sie als Projektmanagerin das größte Unglück? Wenn jemand sich verloren und abgehängt fühlt. Was sind zukünftige Trends? Agiles Arbeiten ist bei vielen schon Standard und wird sich weiter verfestigen. Außerdem wird der Fokus auf die Menschen, die im Projekt arbeiten, immer stärker. Es geht nicht nur um Zahlen, Daten, Fakten, sondern um die Personen, die im Projekt arbeiten und ihre Fähigkeiten. Was geben Sie den Leser*innen mit auf den Weg? Offen sein für neue Methoden und einfach etwas ausprobieren. Nicht immer an Altem festhalten. Versuchen, neue Wege zu gehen. www.junfermann.de - Wir liefern versandkostenfrei! Indrani Alina Wilms Gewinnende Gesprächsführung durch achtsame Sprache Achten wir immer darauf, wie wir etwas sagen? Ist uns bewusst, was unsere Worte auslösen? Etwas positiv Gedachtes, z. B. ein Lob, wird häufig negativ ausgedrückt. Statt: »Das hast du gut gemacht! « heißt es dann: »Das war gar nicht so schlecht! « In Krisensituationen können unachtsam gewählte Worte Negativspiralen weiter verstärken. Egal, ob in privaten Kontakten, Bewerbungsgesprächen, Geschäfts- oder Friedensverhandlungen: Wer achtsame Sprache bewusst einsetzen kann, ist klar im Vorteil. Positive Botschaften kommen positiv an und negative Botschaften lassen sich so formulieren, dass sie für die empfangende Person klar und zugleich annehmbar sind. Mithilfe achtsamer Sprache kann man aussichtslose und verloren geglaubte Situationen umkehren und sogar Gegner für sich gewinnen. 136 S., kart., E-Book inside • € (D) 20,00 • ISBN 978-3-7495-0560-9 • Auch als E-Book erhältlich Ingeborg & Thomas Dietz Wie Veränderung gelingt Selbstführung in Coaching und Selbstcoaching Veränderung entsteht, wenn limitierende und oft unbewusste Abläufe innerlich durchlebt und bewusst betrachtet werden. Wie dies gelingt und was die entscheidenden Wirkfaktoren im Coaching und Selbstcoaching sind, wird in diesem Buch differenziert veranschaulicht. Die Autor: innen präsentieren eine Kombination aus der Arbeit mit Persönlichkeitsteilen, Achtsamkeit und Körperwahrnehmung - mit systemischem Verständnis und einem systematischen Vorgehen. Dieser Coachingansatz ermöglicht neue Einsichten über die eigene Persönlichkeit und darüber, wie sich eingefahrene Verhaltensmuster verändern lassen. Professionelle Begleiter: innen finden viele Beispiele und Anleitungen, die auf mehr als 30 Jahren Coachingerfahrung basieren. 232 S., kart., E-Book inside • € (D) 32,00 • ISBN 978-3-7495-0572-2 • Auch als E-Book erhältlich A c hts a m ke it u n d Ve rä n de r u n g i m Co a c h i n g Indrani Alina Wilms Gewinnende Gesprächsführung durch achtsame Sprache Achten wir immer darauf, wie wir etwas sagen? Ist uns bewusst, was unsere Worte auslösen? Etwas positiv Gedachtes, z. B. ein Lob, wird häufig negativ ausgedrückt. Statt: »Das hast du gut gemacht! « heißt In Krisensituationen können unachtsam gewählte Worte Negativspiralen weiter verstärken. Egal, ob in privaten Kontakten, Bewerbungsgesprächen, Geschäfts- oder Friedensverhandlungen: Wer achtsame Sprache bewusst einsetzen kann, ist klar im Vorteil. Positive Botschaften kommen positiv an und negative Botschaften lassen sich so formulieren, dass sie für die empfangende Person klar und zugleich annehmbar sind. Mithilfe achtsamer Sprache kann man aussichtslose und verloren geglaubte Situationen umkehren und 136 S., kart., E-Book inside • € (D) 20,00 • ISBN 978-3-7495-0560-9 • Auch als E-Book erhältlich A c hts a m ke it u n d Ve rä n de r u n g i m Co a c h i n g Ingeborg & Thomas Dietz Wie Veränderung gelingt Selbstführung in Coaching und Selbstcoaching Veränderung entsteht, wenn limitierende und oft unbewusste Abläufe innerlich durchlebt und bewusst betrachtet werden. Wie dies gelingt und was die entscheidenden Wirkfaktoren im Coaching und Selbstcoaching sind, wird in diesem Buch differenziert veranschaulicht. Die Autor: innen präsentieren eine Kombination aus der Arbeit mit Persönlichkeitsteilen, Achtsamkeit und Körperwahrnehmung - mit systemischem Verständnis und einem systematischen Vorgehen. Dieser Coachingansatz ermöglicht neue Einsichten über die eigene Persönlichkeit und darüber, wie sich eingefahrene Verhaltensmuster verändern lassen. Professionelle Begleiter: innen finden viele Beispiele und Anleitungen, die auf mehr als 30 Jahren Coachingerfahrung basieren. 232 S., kart., E-Book inside • € (D) 32,00 • ISBN 978-3-7495-0572-2 • Auch als E-Book erhältlich Blue Ant vereinfacht das Ressourcen- und Portfoliomanagement Ihres Projektmanagement Office (PMO) durch ein effizientes Zusammenspiel mit hybridem Projektmanagement. Alle Projekte und deren Ressourcen lassen sich unternehmensweit oder im Rahmen des Managements von Portfolios und Programmen in Echtzeit verwalten. 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