PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2025
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de P O W E R E D B Y worldcongress-ipma.com THILO WOLF ALENA BUYX LAURA LUDWIG MITRI SIRIN Preisgekrönter Musiker und Jazzpianist Professorin für Ethik und Gesundheitstechnologie Beachvolleyball-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Fernsehmoderator und Journalist Neue Sichtweisen, überraschende Perspektiven: Erleben Sie unsere hochkarätigen Keynotes auf dem 34. IPMA World Congress in Berlin! 3 Tage 7 Bühnen 4 Keynotes 60 Speaker 6 Seminare ∞ Community EVENT DES JAHRES PROJEKTMANAGEMENT 17.-19. SEPTEMBER 2025 JETZT TICKET SICHERN Speaker Seminare mmunity ©Jennifer Fey ©Sascha Pöltl ©TUM/ Lara Freiburger Resilienz und Projektmanagement Ausgabe 2/ 2025 | 36. Jahrgang PM-Zeit für dich Unser Weiterbildungsangebot bringt dich persönlich und fachlich voran PM-Zeit für uns Zahlreiche Vernetzungsmöglichkeiten bringen uns zusammen und in den Austausch PM-Zeit für alle Mit Studien und Forschung stärken wir die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ® Mitglied der Es ist an der Zeit für Projektmanagement. Ob in der Wirtschaft, der Verwaltung oder für die persönliche Entwicklung. Mit dem gezielten Ausbau von Projektmanagement-Fähigkeiten können Projekte effizienter gestaltet und der Erfolg messbar gesteigert werden. Denn Projektmanagement ist nicht nur Methode, sondern die Basis für Struktur, Innovation und nachhaltige Ergebnisse. Jetzt über unser umfangreiches Angebot rund um PM informieren: gpm-ipma.de Weitere Bücher, Audios, Informationen und Bestellmöglichkeit auf www.junfermann.de Oliver Kruth & Jörg Schmidt FlipBox Mit professionellen Flipcharts Lern- und Dialogprozesse unterstützen Visualisierungen unterstützen Lern- und Dialogprozesse. Aber ist das Flipchart nicht ein Auslaufmodell? Geht das nicht alles digital viel einfacher? Analoge Visualisierungen sind anders - und wirkungsvoll. Gerade für das gemeinsame Erarbeiten in Workshops ist das Flipchart bestens geeignet, um Beiträge zu visualisieren. Bilder und Motive, die ad hoc im Dialog entstehen, regen an, mitzudiskutieren und mitzudenken. In der Box gibt es eine große Auswahl an Flipchart-Vorlagen. Für die unterschiedlichsten Phasen von Workshops lassen sich schnell die passenden Motive finden und einfach abmalen. Tipps und Schritt-für- Schritt Anleitungen unterstützen bei der Umsetzung und erweitern die eigenen Visualisierungsfähigkeiten. • Einfacher Einstieg in die Entwicklung und Umsetzung von Bildideen • Tipps und Anleitungen für die Verbesserung der eigenen Visualisierungsfähigkeiten • Vorbereitung für die Live-Visualisierung in Workshops • Flexible Einsatzmöglichkeiten der Muster und Vorlagen • Alle Flipcharts und Motive auch als digitale Vorlagen, die verändert und adaptiert werden können. 169 Karten • € (D) 58,00 • ISBN 978-3-7495-0257-8 F l i p c h a rt- G e sta ltu n g l e i c ht g e m a c ht Das Online-Seminar „Einfach visualisieren“ von Jörg Schmidt Laufzeit: ca. 60 Minuten in 26 Lerneinheiten Inkl. 49-seitigem WorkBook und Teilnahmezertifikat EUR 29,00 In 26 kurzen Videoclips lernen Sie, selbst komplexe Inhalte auf dem Flipchart attraktiv und strukturiert darzustellen. Schritt für Schritt erleben Sie, wie aus einzelnen Strichen Motive entstehen, aus einfachen Grundformen im Handumdrehen Gegenstände, Symbole und Figuren. Eine Schatzkiste an Techniken, Tipps, Ideen und Inspirationen für alle, die professionell am Flipchart arbeiten! Hier geht es zum Seminar! 1 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Dr. Thor Möller, prometicon projects GmbH, Bremen Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Peter Thuy (Präsident GPM) Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Ingrid Giel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 36. Jahrgang, 02/ 2025 ISSN 2941-0878 Verlag: UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 www.projektmanagement.digital © 2025 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Patrick Sorg eMail: sorg@narr.de Anzeigenverwaltung: Oliver Solbach eMail: solbach@narr.de Anzeigenverkauf: Stefanie Richter Telefon mobil: +49 171 203 46 63 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 96,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 242,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ Mikael Svensson Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/ w/ d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Impressum 2 Editorial Reportage 4 Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 11 Im Projekt mehr Geodaten für mehr Klimaresilienz 15 „Optimisten beißen sich durch“ Wissen 20 Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“ - oder braucht es mehr? 26 Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 33 Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit für Projektverantwortliche in Deutschland 38 Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 44 Konflikte im Projekt 50 Künstliche Intelligenz im Projektkontext 53 „Die Rückkehr des Filmvorführers“ 59 Interview mit dem Filmproduzenten Lino Rettinger Berichte aus der GPM 61 Die Vielfalt einer weltumspannenden Projektmanagement-Community 63 Impulse für die Zukunft des Projektmanagements 66 Wie viel „Kaufmännisches“ steckt im Projektmanagement? Kolumne 68 Denken Sie, bevor der Tag zu Ende ist! Aus den DACH-Verbänden 69 GPM intern 70 pma intern 71 spm intern 72 Auf ein Wort mit-… Björn Werner 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0017 EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, die tiefgreifenden Veränderungen, die uns bereits in den ersten Monaten des Jahres 2025 auf der politischen und der wirtschaftlichen Weltbühne ereilten, konnten wir in der Redaktion nicht ahnen, als wir uns im vergangenen für das Schwerpunkt-Thema „Resilienz“ entschieden. Dennoch lag es für uns auf der Hand, dass Resilienz eine wichtige Zukunftsfähigkeit ist. Resilienz hat aus Sicht des Projektmanagements zwei Ebenen, wie zwei Seiten einer Medaille. Zum einen: Wir müssen-- angesichts der volatilen Zeiten-- Projekte resilient machen. Zum anderen: Wir brauchen mehr Resilienz in Wirtschaft und Gesellschaft. Projekte tragen dazu bei, unsere Welt widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen. Sie machen uns stärker, wenn wir die schwierigen Herausforderungen unserer Zeit angehen. Fangen wir mit der ersten Seite der Medaille an: Projekte für mehr Resilienz. Wir stellen Ihnen in diesem Heft ein Projekt vor, dass zur Klimaresilienz in Bremen beiträgt. Im Projekt „Urban AI“ kombinieren Phil Daro Krummrich vom Bremer Raumfahrtunternehmen OHB zusammen mit Ulrich Gellhaus vom Landesamt GeoInformation Bremen Geodaten mit KI-Werkzeugen, um so Bremen gegen die Folgen des Klimawandels resilienter zu machen. Die andere Seite der Medaille-- Projektresilienz-- erörtern unsere Fachautoren in Artikeln und Interviews. Sie verstehen unter Projektresilienz die „Fähigkeit“ eines Projekts, auf Störungen und Krisen flexibel und erfolgreich zu reagieren-- und zwar ohne die ursprünglichen Projektziele zu gefährden. Dazu gehören beispielsweise eine frühzeitige Risikoanalyse und die Durchführung von Szenarioplanungen sowie die Entwicklung alternativer Handlungsalternativen und Notfallpläne. Auch agile Vorgehensweisen im Projekt und dezentrale Entscheidungsstrukturen können die Flexibilität im Projekt erhöhen. Eine wesentliche Rolle für die Projektresilienz liegt zudem in einer offenen und transparenten Kommunikation im Projekt und mit den Stakeholdern. Die „weichen“ Faktoren der Projektresilienz werden oft unterschätzt. Aber sie sind ebenso wichtig, zum Beispiel eine Teamkultur des Optimismus, des Vertrauens sowie der Konfliktbereitschaft und der Lernbereitschaft. Im Interview erklärt Wirtschaftspsychologe Florian Becker , weshalb Optimismus ein Erfolgsfaktor im Projektmanagement ist-- und wie man Optimismus in Teams weckt. Susanne Marx beschäftigt sich mit der Frage, was unter Resilienz im Team überhaupt zu verstehen ist. Sie zeigt aus holistischer Perspektive eine Reihe moderner Ansätze, wie Resilienz in Teams entwickelt werden kann. Zudem macht sie am Beispiel von Facility Wellbeing deutlich, wie heute ganzheitliche Ansätze umgesetzt werden können. Matthias Eberspächer erklärt in seinem Beitrag, wie wir die Resilienz von Projektarbeitsgemeinschaften durch vier Schlüsselressourcen steigern können. Auch das Thema Konflikte hat Verbindungen zu Projektresilienz. Konflikte haben im Projektmanagement oft den Ruf eines „Störfaktors“: Streitereien mit unnötigem Stress Resilienz und Projektmanagement und Ärger. Doch diese Sicht hat sich verändert. Die „lästigen“ Konflikte geben wertvolle Hinweise auf ungelöste Themen: oft ein Signal für notwendige Veränderungen und möglicherweise sogar wichtige Innovationstreiber. Der produktive, konstruktive Umgang mit Konflikten gilt heute als zentraler Faktor für die Resilienz eines Projekts. Er kann ein Projekt robuster und lösungsorientierter machen. Merle Runge erklärt in diesem Zusammenhang, welche Konfliktursachen es gibt und in welchen Eskalationsstufen sich Konflikte entwickeln . Wie dann gut gemanagte Konflikte ein Projekt bereichern können, zeigen Merle Runge und Irene Timmers in ihren jeweiligen Beiträgen. Zusätzlich zu unserem Schwerpunktthema finden Sie weitere spannende Beiträge und Studien in diesem Heft. Alexander Bull untersucht in seinem Beitrag wie Projektverantwortliche angesichts der zunehmenden Anforderungen ihre berufliche und private Situation in Bezug auf soziale Nachhaltigkeit wahrnehmen. Christoph Schneider , Andreas Wald , Timo Braun und Simon Staudigl präsentieren die Ergebnisse einer Befragung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum tatsächlichen Anwendungsstand der Künstlichen Intelligenz (KI) im Projektmanagement. Gero Lomnitz gewährt Einblick in die Entstehung eines preisgekrönten Films und zeigt welch vielfältige Aufgabenstellungen im Rahmen eines solchen Filmprojekts zu bewältigen sind. Im Rahmen eines Interviews mit dem Filmproduzenten Lino Rettinger vertieft er zusätzlich einige Aspekte. Gregor Oleniczak und Hasso Reschke berichten über die ersten Ergebnisse aus einer Vorstudie zum „Commercial Project Management beim Auftraggeber“. Sebastian Wieschowski gibt einen weiteren Ausblick auf den IPMA World Congress, der im September 2025 in Berlin stattfinden wird. Er stellt neben Thilo Wolf, den er bereits in Heft 1 vorgestellt hatte, alle weiteren Keynote Speaker des Kongresses vor. Zudem zeigt er in einem weiteren Beitrag, wie vielfältige, weltweit unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven zum Projektmanagement auf einem IPMA World Congress für die Teilnehmer erfahrbar werden. Die Studienergebnisse in diesem Heft werfen ein Schlaglicht auf unterschiedliche aktuelle Themen des Projektmanagements. Sie zeigen auch wie dynamisch und spannend das Projektmanagement ist. Umso besser, dass wir in diesem Jahr noch die ganze Welt des Projektmanagements in Berlin zu Gast haben werden! Ihr Steffen Scheurer Editorial | Editorial 3 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0017 Planen Sie Ihre Projekte vorausschauend. Wir helfen Ihnen, kontaktieren Sie uns! Deine Projekte zerstören sich selbst - wegen eines entscheidenden Fehlers Hält der Projektplan gerade so bis zum ersten Meilenstein? Viele Projekte scheitern nicht an fehlendem Budget oder Ressourcen, sondern daran, dass sie keine vorausschauende Planung haben. Was passiert, wenn jemand ausfällt? Wenn sich Lieferzeiten verzögern? Wenn der Projektplan nicht mehr passt? Vorausschauendes Projektmanagement sichert den Projekterfolg weit über den Abschluss hinaus und ist auch auf Unvorhersehbares vorbereitet. • Klare Strukturen statt Ad-hoc-Feuerwehraktionen • Dokumentiertes Wissen statt Wissensverlust • Effiziente Ressourcennutzung statt Überlastung und Frust • Skalierbare Prozesse statt teurer Neuanfänge Lasst uns Projekte vorausschauend planen - für echten, langfristigen Erfolg. 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 Das Projekt „Urban AI“ hilft Bremen, sich auf den Klimawandel vorzubereiten Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft-- und tausende von Geodaten Oliver Steeger Wer Städte gegen die Folgen des Klimawandels wappnen will, braucht Geodaten: Detaillierte Informationen zum Beispiel, wo sich Hitzeinseln bilden oder Regenwasser stauen kann. Möglichst für jedes Stadtviertel, für jede Straße. Moderne digitale Methoden helfen, solche Geodaten zu gewinnen. Doch für die meisten Kommunen sind diese Methoden außer Reichweite. Einen neuen Weg gehen das Landesamt GeoInformation Bremen und der Luft- und Raumfahrtkonzern OHB in Bremen. Die beiden unterschiedlichen Partner haben sich zusammengetan-- in einer ungewöhnlichen Partnerschaft. Sie geht aus von zwei Enthusiasten. Ihr Projekt „Urban AI“ kann vieles verändern. Es war für Vermesser das große Wiedersehen nach der Pandemie: Mehr als 13.000 Spezialisten für Geodäsie und Geoinformation strömten 2022 zur Messe INTERGEO nach Essen. Unter ihnen Ulrich Gellhaus, Leiter des Landesamtes GeoInformation Bremen. Der hochgewachsene, gut vernetzte Ingenieur hatte einen Vortrag in der Tasche. Sein Thema: Digitale Zwillinge, virtuelle Abbilder einer Stadt, die gefüllt sind mit vielfältigen Daten. Geodaten, sagt er, sind essenziell für die Stadtentwicklung, etwa Daten zu sozialer Struktur, Verkehr, Bebauung oder Umwelt. Solche Daten werden benötigt, um beispielsweise Städte auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Wo genau in der Stadt gibt es etwa viel Asphalt oder Beton, über dem sich im Hochsommer Hitzeinseln bilden können? Wo kann sich in einer Straße bei Starkregen das Wasser stauen, weil es nicht versickert? Digitale Zwillinge machen solche Daten zugänglich-- bis auf den Quadratmeter genau. Doch das Problem sind nicht so sehr die digitalen Zwillinge. Sondern die Daten selbst. Wie an aussagekräftige Daten kommen? Sie fallen nicht vom Himmel. Oder doch? Was Ulrich Gellhaus während seines Vortrags nicht ahnte: Wenig später würde er im Messegewimmel einem jungen Wissenschaftler begegnen, der ihm den Schlüssel zu einem Datenschatz zeigen würde. Seine Idee: Satellitenbilder und Drohnenfotos. Sie bergen tausende Detaildaten-- und werden immer besser. Das Problem: Es bräuchte Dutzende Mitarbeiter, um die Objekte auf den Bildern zu zählen oder auszumessen. Objekte wie etwa diese: Wie viele Photovoltaikflächen gibt es derzeit auf Hausdächern in Bremen? Doch der Wissenschaftler, Phil Daro Krummrich, hatte eine Idee: Diese Arbeit könnte künstliche Intelligenz machen. Die Luftbilder würden von neuronalen Netzwerken ausgewertet- - binnen weniger Stunden. Das kurze Gespräch im Messetrubel elektrisierte Ulrich Gellhaus. Vielleicht konnten die Daten- - gewissermaßen- - doch vom Himmel fallen: gesammelt von Satelliten im Orbit, ausgewertet durch künstliche Intelligenz. Er lud den Wissenschaftler ein ins Landesamt GeoInformation Bremen. Eine Begegnung, heißt es, ist wie ein frisches Blatt Papier, auf dem eine gemeinsame Geschichte geschrieben wird. Oder ein Projekt. Ein Projekt wie „Urban AI“, die ebenso ungewöhnliche wie faszinierende Kooperation zwischen einem Landesamt und einem High-Tech-Unternehmen. Phil Daro Krummrich hat die Gabe, künstliche Intelligenz für Laien verständlich zu machen. Er steht fest auf wissenschaftlichem Boden, wenn er die Chancen und Grenzen der künstlichen Intelligenz-- kurz: KI-- erklärt. Spricht er über die atemberaubenden Fortschritte der künstlichen Intelligenz und der Satellitentechnologie, bleibt seine Stimme ruhig. Die allgegenwärtige geräuschvolle KI-Euphorie ist ihm fremd. Phil Daro Krummrich entwickelt bei dem Bremer Raumfahrtunternehmen OHB KI-Werkzeuge, um aus Luftbildern Geodaten zu gewinnen. Mit seinen Kollegen ist er an europäi- Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 schen Projekten beteiligt, etwa für Valencia oder Thessaloniki. Bremen kam bislang in seinem Portfolio nicht vor. Dies wurmte ihn. Es ist ihm ein Anliegen, auch seine Heimatstadt lebenswerter zu machen. Für ihn war es eine glückliche Fügung, dass er Ulrich Gellhaus auf der INTERGEO über den Weg lief. Zurück in Bremen setzten sich Ulrich Gellhaus und Phil Daro Krummrich zusammen zum Gedankenaustausch. Beide haben ein norddeutsches, klares Naturell. Nicht viel schnacken. Zur Sache kommen. Ulrich Gellhaus brachte eine erste Idee mit, um den KI-Einsatz auszuprobieren: Schottergärten. Es gab damals eine Diskussion, die häufig kritisierten Steingärten zu verbieten. Ulrich Gellhaus bewegte eine Frage, die nicht von der Hand zu weisen war: „Wie viele Schottergärten haben wir überhaupt in Bremen? “ Dies wusste niemand. Auch sein Landesamt GeoInformation war überfragt. „Können Sie mir aus Luftbildern diese Daten liefern- - mit KI? “, fragte Ulrich Gellhaus. Daro Phil Krummrich nickte. „Versuchen wir es! “, sagte er. Das war die Geburtsstunde des Projekts „Urban AI“, das erste Kapitel ihrer gemeinsamen Geschichte. Phil Daro Krummrichs Arbeitgeber OHB hat seinen Sitz nahe der Universität im Nordosten Bremens. Am Manfred- Fuchs-Platz, benannt nach dem Firmengründer, liegt das Hauptgebäude des Unternehmens. Die ovale Glasfassade wirkt futuristisch; in ihrer blau-grünen Fensterfront spiegeln sich Himmel und Wolken. OHB spielt bei Luft- und Raumfahrt seit Jahrzehnten in der europäischen Top-Liga. Auch bei der digitalen Auswertung von Daten der Satelliten und Drohnen steht das Unternehmen mit an vorderster Front. Bei der Tochterfirma „OHB Digital Connect“ arbeiten Wissenschaftler und Ingenieure an KI-gestützten Lösungen. Phil Daro Krummrich ist einer dieser Wissenschaftler. Er ist Projektleiter für Fernerkundung und Geodatenanalyse. Sein Beruf hat Zukunft. „In den nächsten Jahren werden wir Satellitenbilder bekommen, wie wir sie nie zuvor hatten“, prognostiziert er. Die neueste Generation von Satelliten hat eine enorme Auflösung. Sie wird um ein vielfaches steigen. „Die derzeit genutzten Satelliten stammen technologisch häufig aus den 1990er Jahren“, sagt er, „verglichen etwa mit einem heutigen Smartphone sind sie wie die alten, klobigen Funktelefone.“ Mit der Auflösung steigt die Detailtreue-- und die Menge an Daten, die man aus den Fotos gewinnen kann. Per Hand kann solche Fotos niemand mehr auswerten. „Dafür brauchen wir jetzt vollautomatisierte Systeme mit künstlicher Intelligenz“, sagt Phil Daro Krummrich. Mit seinen Teams trainiert er die künstliche Intelligenz, selbständig in Fernerkundungsdaten Objekte zu erkennen: Bäume, Solarflächen, Asphaltstraßen, Betonflächen-- oder was auch immer. Automatisierte Erkennung ist in der IT nicht neu. Doch so, wie die neuesten Satelliten schärfere Bilder liefern, bringt auch KI ganz neue Möglichkeiten bei der Erkennung. KI lernt selbständig, bestimmte Muster zu finden. Diese Fähigkeit macht sie so wertvoll- - und auch unberechenbar. Manchmal lernt und arbeitet sie falsch. Bei hochkomplizierten Aufgaben mag sie brillieren-- um im nächsten Moment an einer kinderleichten Frage zu scheitern. Weiß KI nicht weiter, erfindet sie manchmal Zusammenhänge, fängt wild an zu phantasieren: ein Effekt, den Fachleute „Halluzinieren“ nennen. Man weiß vorher nie, ob KI wirklich mitspielt. Das muss man ausprobieren. Phil Daro Krummrich machte sich gemeinsam mit dem OHB-Experten für Geodatenanalyse Adrian Fessel daran, die KI zu trainieren. Zunächst sollte sie lernen, Straßen auf Luftbildern erkennen. Das Team gab der KI städtische Katasterdaten und legte die Luftbilder darüber. Dann griffen sie einige Beispiele heraus („hier, KI, schau mal, da ist eine Straße“). Die KI sollte ein „Gefühl“ dafür bekommen, wie Straßen in Bremen aussehen. Nach diesem Lern-Training zeigten sie der KI Luftbilder und ließen sie selbst Straßen finden („KI, jetzt suche mal selbst“). Klingt einfach. Fast zu einfach, um funktionieren zu können. Doch die KI war in ihrem Element. Als Phil Daro Krummrich an einem Nachmittag mit Adrian Fessel nach den ersten Trainings die KI am Monitor beobachtete, blieb ihnen die Luft weg. „Die KI fand nicht nur die öffentlichen Straßen, die auf den Katasterkarten verzeichnet waren“, sagt Daro Phil Krummrich, „sie fand selbständig sogar Straßen auf Privatgrundstücken. Sie lieferte uns eine ziemlich geschlossene Darstellung von Bremen.“ Die Ergebnisse legten nahe: Die KI hatte gelernt, wie Straßen aussehen. Von allein. Wow! „Das war der Moment, als wir vor dem Monitor saßen und das Gefühl hatten, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen Das Luftbild eines Straßenzugs. Illustration: OHB Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 hatten“, sagt Phil Daro Krummrich. Zugegeben, die KI machte noch Fehler. Die Genauigkeit lag bei siebzig Prozent. Beispielsweise „dachte“ die KI, dass an Straßenrändern immer Bäume stehen. Die Folge: Die KI deklarierte manche Baumgruppen als Straße, und Straßen ohne Bäume fielen durch ihr Suchraster. Phil Daro Krummrich bezeichnet dies als „Missverständnisse“ zwischen Mensch und Maschine. Sie sind keine große Sache und leicht zu beheben. Mit digitalen Tools entfernten die Wissenschaftler die Bäume von den Bildern und „zwangen“ die KI, sich auf die Straßen selbst zu konzentrieren. Danach lief es besser. Phil Daro Krummrich rief beim Landesamtes GeoInformation Bremen an und erstattete Bericht, mit wie wenig Aufwand er mit seinem Team zu ersten guten Ergebnissen gekommen war. Ulrich Gellhaus sah sofort, was dies für ihn bedeutete. KIermittelte Daten würden vergleichsweise einfach zu bekommen sein, schnell vorliegen und nicht viel kosten. „Da gingen bei mir die Lampen an“, sagt er. Aus der Begegnung auf der Messe erwuchs eine Chance: Es war, als hätte das OHB-Team im Bremer Universitätsviertel einen unermesslichen Datenschatz angezapft und Ulrich Gellhaus eine erste Probe auf den Tisch gelegt. Bebauungspläne, Verkehrskonzepte, Standortanalysen, Strategien für Flächennutzung oder Wohnraumbeschaffung- - Geodaten spielen für die meisten Entscheidungen in Politik und Verwaltung eine wichtige Rolle. Ulrich Gellhaus schätzt, dass achtzig Prozent aller hoheitlichen Entscheidungen auf solchen Daten mit Raumbezug basieren. Diese auf Geodaten basierenden Entscheidungen prägen die Stadt. Sie wirken auf Mobilität und soziale Infrastruktur, Arbeit und Wirtschaft, Wohnen und Wohlbefinden. Zwischen der Lebensqualität in einer Stadt und der Qualität der Geodaten besteht eine direkte Linie. Je besser die Daten, desto besser die Entscheidungen. Beispiel Klimaresilienz. Kommunen setzen sich immer mehr mit den Folgen des Klimawandels auseinander. Sie arbeiten daran, sich etwa auf Regenfälle vorzubereiten, die Straßen unter Wasser setzen. Auf Dürren, die die Parks und Straßenbäume bedrohen. Auf lange, für Menschen bedrohliche Hitzewellen. Das Problem: Städte müssen bei dieser Vorbereitung präzise vorgehen. Anderenfalls geht der Schuss womöglich nach hinten los. Ein Beispiel: In dicht besiedelten Gebieten wird der Ruf nach mehr Bäumen laut. Klingt plausibel. Bäume spenden Schatten, gleichen Wetterspitzen aus, speichern Feuchtigkeit. Doch einfach Bäume dort zu pflanzen, wo es sich gerade anbietet- - das kann zu noch mehr Hitze führen. Ulrich Gellhaus Kollegin Dr. Sarah Tesmer erklärt: „Wer im Sommer abends Rad fährt, spürt die Kühle von Wiesen-- und die Hitze unter Bäumen. Bäume können Hitze auch halten statt mildern.“ Dr. Sarah Tesmer ist Abteilungsleiterin bei GeoInformation Bremen, verantwortet dort den Bereich Landesvermessung und Fachverfahren. Für sie liegt auf der Hand: „Wir müssen erst einmal wissen, wo sich Hitzeinseln in der Stadt befinden, wie viele Bäume wir haben und an welchen Orten weitere Bäume sinnvoll sind.“ Dafür braucht man eine Bestandsaufnahme. Sprich: aussagekräftige Daten. Für Dr. Sarah Tesmer ist das Projekt „Urban AI“ mehr als Statistik. Es ist ein Beitrag zu einer lebenswerteren Stadt. Aus der Messe-Begegnung erwuchs eine immer intensivere Kooperation zwischen einem Landesamt und einem Wirtschaftsunternehmen-- und zwischen zwei Menschen, die ihren Enthusiasmus für Stadtentwicklung, Geodaten und künstliche Intelligenz teilen. Mit jedem Gespräch fügten sie neue Zeilen auf das gemeinsame Blatt und schrieben die Geschichte des Projekts „Urban AI“ weiter. Phil Daro Krummrich und Ulrich Gellhaus verbindet eines: Die Neugier. Was kann KI in puncto Geodaten leisten? Wie kann diese Technologie beitragen zur kommunalen Entwicklung in Bremen, etwa die Politik bei ihren Entscheidungen unterstützen? „Unser Projekt ‚Urban AI‘ haben wir unter ein Leitwort gestellt“, sagt Ulrich Gellhaus, „Bremen sehen, verstehen und lebenswert gestalten“. Zum Sehen und Verstehen wollen sie beitragen. Das andere-- etwa Entscheidungen-- ist Sache der Politik. „Wir arbeiten partnerschaftlich und auf Augenhöhe“, erklärt Ulrich Gellhaus. Phil Daro Krummrich: „Wir haben etwas begonnen, das wir für sinnvoll halten.“ Er fügt an: „Und weil es uns Spaß macht.“ Die beiden Masterminds von „Urban AI“ passen gut in ihre jeweiligen Rollen und ergänzen sich gegen- Künstliche Intelligenz klassifiziert die sogenannte Oberflächenbedeckung: orange die Gebäude, violett die Autos, grün Grünflächen und türkis Solarflächen. Illustration: OHB Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 seitig: Der vielseitig vernetzte, kommunikative Amtsleiter und der Wissenschaftler und Projektleiter, der ebenfalls „nach außen gehen kann“, wie er sagt, aber kein „inneres Bedürfnis nach Öffentlichkeit hat.“ Während die künstliche Intelligenz erste gewünschte Daten zur Zahl der Schottergärten lieferte, hatte Ulrich Gellhaus schon eine neue Aufgabe für das Projekt im Blick. Eine deutlich schwierigere. Die Hansestadt Bremen arbeitete an einer Erhebung des Potentials von Entsiegelung von Oberfläche. Vereinfacht gesagt: Wo der Boden durch Beton, Asphalt oder Stein bedeckt ist, kann sich beispielsweise Regenwasser stauen. Dies nennt sich Versiegelung. Wer Oberflächen in Bremen entsiegeln möchte, braucht zunächst einen Plan, wo überhaupt Flächen versiegelt sind. Ein solches Versiegelungskataster hilft zu erkennen, wo genau man entsiegeln kann- - um dadurch die Klimaresilienz von Städten zu verbessern. Eine Stadt kann entweder solche Areale „entsiegeln“ und dort etwa Rasen anlegen, wo das Wasser versickert-- oder die Infrastruktur anpassen, beispielsweise die Regenkanalisation ausbauen. Vorher muss man die Daten für ein solches Entsiegelungskataster gewinnen. Diese Aufgabe sollte, wie Ulrich Gellhaus vorschlug, auch KI übernehmen. Für die KI war diese Herausforderung eine neue Liga. Denn anders als nur Straßen oder Schotter zu finden, sollte die KI dieses Mal auf den Bildern eine Reihe von Versiegelungen voneinander unterscheiden. Wo ist Beton? Wo ist Asphalt? Wo ist Rasen? Die KI sollte Objekte nicht nur erkennen, sondern auch Klassen zuordnen. Umso erstaunlicher, wie elegant die KI mit solchen Aufgaben zurechtkommt-- sogar besser noch als der Mensch. Weshalb besser? Phil Daro Krummrich weist auf einen Punkt hin, der Laien häufig entgeht. Wer Daten auswertet, braucht Regeln. Gewissermaßen ein Raster, mit dem er arbeitet. Das Problem: Die Welt passt häufig nicht in die Schablonen einfacher Regeln. Beispiel Grünflächen: Es gibt dutzende Arten von Grünflächen: dichter Rasen, hochwachsende Wiesen, zugewucherte Brachen, Kleingärten und Blumenbeete. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Je mehr Sonder- und Unterfälle es gibt, desto komplexer wird der Regelkatalog. „Der Regelkatalog wächst explosionsartig“, sagt Phil Daro Krummrich, „irgendwann läuft man Gefahr, keine sinnvollen Ergebnisse mehr zu bekommen.“ Sich im Regel-Dschungel festzufahren. Was macht KI anders? Sie wird nicht mit menschengemachten Regeln gefüttert. Sie findet selbst ihren Weg, mit den Bildern umzugehen und die „Funde“ Klassen zuzuordnen. Dabei gibt es aber eine Sache, die vielen Laien nicht richtig in den Kopf geht. Diese Sache zeigt, dass der Umgang mit dem Werkzeug KI nicht so trivial ist wie es auf den ersten Blick scheint. Es geht um Wahrscheinlichkeiten. KI rechnet in Wahrscheinlichkeiten. Wird KI etwas gefragt, so gibt sie nicht die „richtige“ Antwort, sondern nur die, die am wahrscheinlichsten zur Frage passt. Beispielsweise „behauptet“ sie nicht, dass auf einem Luftbild eine naturbelassene Wiese zu sehen ist. Es ist nur (sehr, sehr) wahrscheinlich. „Sicher“ im menschlichen Sinne ist sich die KI nie. An diesem Punkt wird es spannend. Phil Daro Krummrich will auch gar nicht, dass sich seine KI absolut sicher ist. „Wir geben ihr sogar einen Wert für die maximale Wahrscheinlichkeit vor“, sagt er. Zwingt man die KI zu einer ja-oder-nein-Antwort, läuft sie in unerwünschte „Seiteneffekte“, wie er dies nennt. Ein Beispiel dafür ist die KI-gestützte Krebsdiagnose. Auf Röntgenbildern sind Metastasen extrem selten. Für eine Maschine, die nur Wahrscheinlichkeiten „kennt“, sind solche höchst unwahrscheinlichen Fälle irrelevant. Aus ihrer Sicht macht sie alles richtig, wenn sie davon ausgeht, dass sie ohnehin keine Metastasen finden wird. Für den Menschen sind aber die extrem seltenen Fälle eine Frage von Leben und Tod. „Wir müssen der KI deshalb beibringen, dass es sehr unwahrscheinliche Fälle gibt, die aber für uns sehr wichtig sind“, sagt Phil Daro Krummrich. Die KI also daran hindern, sich stillschweigend festzulegen. Deshalb fragt er die KI nicht nach Ja / Nein-Antworten. Sondern er diskutiert mit ihr die Wahrscheinlichkeit: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein gefundenes Objekt eine Wiese ist (oder eine Betonfläche)? Die KI antwortet mit einer Zahl: Mit beispielsweise 90 Prozent Wahrscheinlichkeit gehört ein Objekt in die Klasse der Betonflächen. Mit solchen Wahrscheinlichkeiten kann man in der Praxis gut rechnen. Je weiter sich Phil Daro Krummrich und Ulrich Gellhaus in die Leistungsfähigkeit von KI einarbeiteten, desto umfang- Der gleiche Straßenzug. Zu erkennen sind die Versiegelungsgrade. Illustration: OHB Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 reicher wurde ihr „Urban AI“. Sie bezeichnen ihr Projekt als Programm, aus dem sich Anwendungsfälle wie das Entsiegelungspotentialkataster ergeben. In Spitzenzeiten beteiligen sich seitens OHB bis zu dreißig Mitarbeiter an den Arbeiten, zwar niemand in Vollzeit, wie er betont, doch sehr intensiv. Für das Unternehmen eine Investition in die Zukunft- - nicht nur der eigenen, sondern auch der von Bremen. Phil Daro Krummrich sieht ihre Arbeit in einem noch größeren Zusammenhang. Die Grundzüge vieler deutscher Städte stammen aus den 1960er Jahren. Damals lagen die Interessen anders. Die autofreundliche Stadt galt als Ideal; Klimawandel und Nachhaltigkeit waren damals unbekannt. Die damaligen Weichenstellungen passen nicht mehr in unsere Zeit- - und machen Bürgern Probleme. Es ist, als ob Städte zu einem medizinischen Check-up müssten. So, wie ein Arzt bei der Anamnese Daten sammelt (Körpertemperatur, Blutdruck, Blutwerte), so kann Urban AI Gesundheitsdaten zu Städten liefern, um „Beschwerden“ einzuordnen. „Genau das tun wir“, sagt er, „wir liefern Daten für Diagnose und Therapie.“ Das Projekt „Urban AI“ soll helfen, das Ökosystem Stadt wie einen Organismus zu verstehen. „Durch die Geodaten begreifen wir die Zusammenhänge“, sagt er. Was die Leistungsfähigkeit dieses Diagnose-Werkzeugs betrifft, sieht Phil Daro Krummrich noch viel Luft nach oben. Die KI kann beispielsweise Trends erkennen, statt nur Momentaufnahmen zu machen: Sie vergleicht aktuelle und ältere Luftbilder und belegt Entwicklungen mit Zahlen. Ein Beispiel: Wie hat ein regionales Programm zur Förderung von Photovoltaik- Anlagen gewirkt? Mit Hilfe alter und neuer Luftbilder kann die KI über einen Zeitraum detailliert ermitteln, wo welche neuen Solaranlagen auf Dächern montiert wurden. Solche Daten können beispielsweise helfen, die Wirksamkeit von Maßnahmen zu beurteilen. Ulrich Gellhaus und Phil Daro Krummrich lernen nicht nur, die KI immer schneller und besser für neue Aufgaben zu trainieren. Sie lernen auch, solch ein ungewöhnliches Projekt in einer noch ungewöhnlicheren Konstellation auf Kurs zu halten. Das Vorhaben läuft als freie Kooperation zwischen der Hansestadt und dem Technologie-Unternehmen. Ohne Auftrag und Kunde. Einen „Sonderfall“ für seine Verwaltung nennt Ulrich Gellhaus diese Projektform; die Vorgehensweise sei „untypisch“ ( siehe Interview auf den folgenden Seiten). „Niederschwellig“ sei diese Kooperation: „Wir legen die Ziele, Vorgehensweisen und Spielregeln selbst fest. Wir organisieren uns viel auf Zuruf.“ Irgendwann wurde den beiden klar, dass ihre Kooperation auf Dauer doch etwas Schriftliches braucht, eine Vereinbarung. Auf wenigen Seiten beschreiben sie das, was sie vorhaben, drücken Gemeinsamkeiten aus und stecken das Spielfeld ab. Vieles lassen sie offen. Formalismus könnte „Urban AI“ den Elan nehmen. Die Energie für dieses Projekt speist sich aus der Motivation der Beteiligten. Nicht aus Formalien. Von der Kooperation profitieren beide. Die Stadt Bremen kommt an Geodaten, die ihnen ohne Urban AI unzugänglich geblieben wären. OHB bringt seine die Methoden und Verarbeitungsketten für das maschinelle Lernen voran; es entwickelt und testet „in vivo“, in praktischen Anwendungsfällen. Das Landesamt bringt die Nutzerperspektive ins Projekt und steuert Material bei. Gemeinsam evaluieren sie die Ergebnisse und sichern die Qualität. „Urban AI“ spricht sich in der Bremer Kommunal- und Landesverwaltung immer weiter herum. Der Bedarf an Geodaten ist groß. Mittlerweile kommen Anfragen aus der Verwaltung: „Könnt Ihr uns nicht mal Daten liefern zu-…? “ Manche denken sogar weiter in die Zukunft-- und das, was Künstliche Intelligenz für die Stadtentwicklung leisten könnte. PM und E-Rechnung in einer Lösung PROCESSES Projektportfolio Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Angebote und Angebote und E-Rechnungen E-Rechnungen Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA, BPMN Anzeige PM und E-Rechnung in einer Lösung PROCESSES Projektportfolio Ressourcenmanagement Multiprojektcontrolling Angebote und Angebote und E-Rechnungen E-Rechnungen Scrum, Kanban, PRINCE2 ® , IPMA, BPMN Reportage | Zwei Enthusiasten, eine Partnerschaft - und tausende von Geodaten 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0018 Eine Idee: Das Entsiegelungspotentialkataster könnte man kombinieren mit anderen Daten, etwa Sozialdaten zur Altersstruktur der dort lebenden Bevölkerung. Dies könnte Hinweise gehen, in welchen Stadtteilen oder Straßenzügen genau Hitzeinseln entstehen- - und ob dort viele kleine Kinder oder alte Menschen leben (sie reagieren besonders empfindlich auf Hitze). Stadtplaner könnten solche Hinweise aufgreifen- - und möglicherweise zukünftig Kindergärten oder Altenheime in kühlere Stadtteile verlagern. Dabei könnte wiederum der Digitale Zwilling eine Rolle spielen, über den Ulrich Gellhaus auf der Messe INTERGEO sprach. „Eine Digitaler Zwilling macht diese Daten transparent“, sagt er, „man muss sich nicht mehr auf komplizierten Karten orientieren oder durch Tabellen arbeiten, sondern hat ein digitales Abbild der Stadt vor sich, das auf Knopfdruck die Daten liefert.“ Damit lassen sich komplexe Geodaten deutlich besser kommunizieren. Eine andere Idee: Die KI-generierten Daten könnten auch der Rohstoff für Simulationen und Prognosen sein. Man könnte Szenarien durchspielen und präzise feststellen, wo welche Eingriffe welche Effekte hervorrufen. Was passiert, wenn man an einer bestimmten Straße mehr Bäume pflanzt? Wenn man statt einer „hochversiegelten“ Kreuzung einen Kreisverkehr baut mit Grün in der Mitte? Solche Klimaanpassungen könnten früh im Planungsprozess greifen; sie könnten dazu führen, dass Verwaltung und Politik Szenarien durchspielen- - möglichst noch während die Verwaltung Bebauungspläne entwickelt. Schon heute prüft Bremen, ob Planungen der Klimaentwicklung angepasst sind. „Je früher man den Klimawandel berücksichtigt, desto eher kann man die richtigen Weichen stellen“, sagt Dr. Sarah Tesmer, „man kann analysieren, wo sich etwa Windschneisen bilden können.“ Besonders beim Thema Wind hat Bremen gelernt. In einem ehemaligen Hafengebiet, wo der Wind gelegentlich Radler vom Fahrrad weht, entstand eine moderne Wohnsiedlung mit Balkonen. Schnell stellten die Eigentümer fest: Wind kann den Aufenthalt auf den Balkonen unangenehm machen, sogar gefährlich. Einige haben notgedrungen ihre Balkone mit Plexiglas geschützt. „Weiß man so etwas vorher, kann man die Bebauung anpassen“, sagt Dr. Sarah Tesmer. Beispielsweise Gebäude aus dem Wind drehen. „Beim Windkomfort sind wir heute in Bremen relativ weit“, sagt sie „hinsichtlich der Hitze arbeiten wir daran.“ Doch wollen Ulrich Gellhaus und Phil Daro Krummrich keine falschen Hoffnungen wecken. Noch kann die KI keine Konzepte für Stadtteilentwicklungen „ausspucken“. Und das soll sie auch nicht-- aus prinzipiellen Gründen. Dies berührt die Frage, wer in der Zusammenarbeit von Maschine und Mensch das Ruder führt. Phil Daro Krummrich hat sich unlängst als Project Director (IPMA LEVEL A Certified Project Director ) zertifizieren lassen. Dabei hat er von der Fürsorgepflicht eines Projektmanagers gehört. Wer Fürsorgepflicht hat, führt das Ruder. Damit sind für ihn die Prioritäten klar. „Die Daten werden in einem interaktiven Prozess erzeugt. Mal ist der Mensch, mal die KI am Zuge“, erklärt er, „wir haben dabei bewusst Übergabepunkte definiert, also Punkte, an denen wir der KI Arbeit geben und an denen die KI uns Ergebnisse zurückspielt, mit denen wir weiterarbeiten.“ Entscheidend: Der Mensch führt diesen Prozess. Ulrich Gellhaus fügt an: „Unser Werkzeug muss eingebettet sein in typische und vor allem akzeptierte Prozesse für Planung und Entscheidung.“ Er hält einen Augenblick inne und sagt: „KI kann einen Beitrag leisten für ein lebenswertes Bremen. Aber-- sie ist ein Werkzeug, mehr nicht.“ Eingangsabbildung: Aus großer Höhe- - dieses digital aufbereitete Luftbild gibt Übersicht über die Versiegelung in Bremen. Illustration: OHB 11 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0019 Eine ungewöhnliche Partnerschaft aus Verwaltung und High-Tech Im Projekt mehr Geodaten für mehr Klimaresilienz Steffen Scheurer, Oliver Steeger Sturm, Hitze, Starkregen-- Städte wappnen sich gegen den Klimawandel. So auch Bremen. Doch um die Weichen richtig zu stellen bei Stadtentwicklung und Klimaresilienz- - dafür braucht die Hansestadt aussagekräftige Geodaten. Ein Beispiel: Versiegelte Flächen, auf denen Wasser nicht versickern kann. Wie viele gibt es davon in Bremen? Antworten können Daten aus Luftaufnahmen bieten, ausgewertet und aufbereitet von künstlicher Intelligenz. Das Landesamt Geo- Informationen Bremen geht diesen Weg zusammen mit dem Bremer Technologie-Konzern OHB. Aus ihrer Kooperation entstand das Projekt „Urban AI“. Doch nicht nur das Projekt ist wegweisend-- sondern auch die lebendige, kreative und enthusiastische Zusammenarbeit der ungleichen Partner aus Verwaltung und High-Tech. Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Organisationen und Unternehmen der Wirtschaft verläuft in der Regel auf starren Gleisen. Auf der einen Seite steht beispielsweise die Behörde, die Projekte ausschreibt. Auf der anderen Seite Unternehmen, die sich um Ausschreibungen bewerben. Dann entwickelt sich die typische Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Bei Ihrem Projekt ”Urban AI” haben Sie-- das Landesamt GeoInformation Bremen und das Bremer Unternehmen OHB Digital Connect-- einen ganz anderen Weg gewählt. Sie haben sich zu einer Partnerschaft entschlossen. Weshalb? Ulrich Gellhaus: Wir sind tatsächlich recht untypisch unterwegs. Bei uns im Haus beauftragt man-- vereinfacht gesagt-- ein Projekt gegen Bezahlung an Externe. Dann wird dieses Projekt abgearbeitet in einer bestimmten Zeit. Dagegen kooperieren OHB Digital Connect und unser Landesamt in einer Partnerschaft. Wir haben gemeinsam ein Innovationsprogramm aufgelegt mit dem Ziel, KI-gestützte Werkzeuge zu entwickeln und daraus gewonnene Daten wertbringend zu verwenden. Diese Geodaten können z. B. dann in den Stadtplanungsprozess einfließen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Phil Daro Krummrich: Bevor wir uns kennengelernt haben, hatten wir bei OHB schon länger an KI-Anwendungen für Städte gearbeitet. Wir standen mit einigen deutschen und europäischen Städten im Austausch, nicht aber mit Bremen. Bei mir stand schon länger auf der To-do-Liste, auf Bremen zuzugehen. Doch auf eine Stadt ist es schwierig zuzugehen. Ich brauchte einen Ansprechpartner, jemanden, der in Bremen auch gut vernetzt ist. Unsere Begegnung auf der INTERGEO- Messe in Essen war dann eine glückliche Fügung. Ulrich Gellhaus: Ich habe in den ersten Gesprächen schnell festgestellt, dass wir gemeinsame Interessen haben. Dann haben wir uns zusammengeschlossen, um an einem Thema zu arbeiten. Wir haben dann schnell erste Versuche gestartet, aus Luftbildern mit künstlicher Intelligenz Geodaten zu extrahieren. Die Luftbilder von Satelliten und neuerdings Drohnen werden immer besser-- und schärfer. Dank der hohen Auflösung lassen sie immer besser Details erkennen. Mit anderen Worten: Die Bilder liefern immer mehr Daten. Das Problem ist allerdings die Auswertung-… Phil Daro Krummrich: Traditionelle Ansätze stoßen aufgrund des stetigen Zuwachses an Daten an ihre Grenzen. Wir haben zusammengefunden, weil wir das Potenzial von künstlicher Intelligenz testen wollen: Wie kann man künstliche Intelligenz nutzen, um Städte nachhaltiger zu gestalten? Ulrich Gellhaus: Wir bekommen durch diese Geodaten neue Möglichkeiten, Bremen zu sehen, zu verstehen und lebenswert zu gestalten. Die automatisierte Verarbeitung von Massendaten mittels KI eröffnet völlig neue Prozesse. Wir können das Potenzial bisher unerschlossener Informationen nutzen. Verstanden! Doch nicht nur Ihr Ansatz ist innovativ, sondern auch Ihre Kooperation. Ihre Zusammenarbeit haben Sie als sehr niederschwellig bezeichnet-… Ulrich Gellhaus: Wir definieren innerhalb unseres Programms Teilziele im Sinne von kleinen Projekten. Am Ende jedes Projekts soll ein Prototyp stehen-- im Sinne einer Machbarkeitsstudie. Der Prototyp soll zeigen, dass die KI für eine bestimmte Aufgabe leistungsfähig ist. Dieser Prototyp kann später durch OHB außerhalb von Bremen vermarktet werden. Bisher haben wir zwei dieser Projekte erfolgreich abgeschlossen. Im ersten Teil Ihres Projekts haben Sie mithilfe von Luftaufnahmen durch KI ermittelt, wie viele Schottergärten es in Bremen gibt-… Ulrich Gellhaus: Wir wollten aussagekräftige Zahlen und Daten zu diesem Thema liefern. Wir wussten vorher nicht, Reportage | Im Projekt mehr Geodaten für mehr Klimaresilienz 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0019 wie viele Schottergärten es überhaupt in unserem Bundesland gibt. Sie sagten eben, dass Sie untypisch unterwegs sind-- sowohl für eine Verwaltung als auch für ein Unternehmen. Sie haben keinen Auftraggeber von außen, dessen Auftrag Sie wiederum etwa in Projektziele, Termine, Teamorganisation oder Budgets übersetzen. Wie wirkt sich dies auf Ihr Projekt und Ihr Projektmanagement aus? Phil Daro Krummrich: Keinen übergeordneten Kunden zu haben bedeutet Herausforderungen. Wir legen die Ziele, Vorgehensweisen und Spielregeln miteinander fest. Wir bestimmen selbst, wer was beisteuert. Es gibt ja keinen übergeordneten Kunden oder Vertrag, der uns „ermahnt“-… …-was vermutlich eine starke intrinsische Motivation der direkt Beteiligten erfordert. Phil Daro Krummrich: Natürlich! Wir haben auf beiden Seiten Lust auf unsere Projekte. Wir sind für dieses Thema begeistert und sehen viel Potenzial darin. Und wir bekommen viel gutes Feedback von außen. Was das Projektmanagement betrifft: Ohne übergeordneten Kunden, wie zum Beispiel bei öffentlichen Förderprojekten, funktioniert ein Projekt anders. Es gibt kein förderbedingtes Lastenheft, kein förderbedingtes Pflichtenheft, wenig externen Termindruck. Es wird daher in besonderem Maße durch die Motivation auf beiden Seiten getragen. Ulrich Gellhaus: Wir sind hier in einer Art Projekt-Sonderkategorie. Ich sehe Urban AI als gemeinsam aufgelegtes Programm mit einem übergeordneten Ziel. Wir wollen gemeinsam untersuchen, wie man aus Luftbildern KI-gestützt Merkmale identifizieren und diese Daten in die Stadtplanungsprozesse einfließen lassen kann. Das ist aus meiner Sicht der Kerngedanke des Programms. Innerhalb dieses Programms definieren wir für uns Ziele und Teilziele. Sie zeigen an Anwendungsfällen, dass die Methode funktioniert? Gewissermaßen arbeiten sie in Sprints, um den Ansatz nutzbar zu machen? Phil Daro Krummrich: Wir waren uns schnell einig bei der Richtung und Vorgehensweise für dieses Programm. Wir gehen möglichst in kleinen Schritten vor- - auch, um uns nicht zu verrennen. Wir kannten ja noch nicht im Detail die Randbedingungen unseres Vorhabens. Unsere Vorgehensweise wird von dem Wort „Sprint“ ganz gut beschrieben. Welche Vorteile bringt für Sie diese Zusammenarbeit? Phil Daro Krummrich: Das Landesamt zeigt uns, wo der Bedarf seitens der Verwaltung genau liegt. Dies hilft, den Bedarf genau zu beschreiben, damit wir daran die Methodenentwicklung und Ergebnisaufbereitung anpassen können. Zudem trägt das Landesamt mit seinem Know-how dazu bei, dass die Methoden die Akzeptanz von Städten finden. Da gibt es einige Formalien zu beachten, Normen und Richtlinien beispielsweise. Besonders zu diesem Punkt habe ich in unserem Projekt viel gelernt. Und: Ohne das Landesamt könnten wir unsere Ergebnisse nicht validieren. Als Unternehmen haben wir kaum die Möglichkeit dazu. Uns fehlt beispielsweise der Zugriff auf die entsprechenden Daten, die uns beim Training der KI und beim Verifizieren der Ergebnisse helfen. Theoretisch wäre es für Bremen auch möglich mit Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten, etwa von Hochschulen. Weshalb tun Sie dies nicht? Ulrich Gellhaus: Wir brauchen Nachhaltigkeit, Kontinuität und Professionalität, um unseren Ansatz für Urban AI weiterzuentwickeln. In vielen anderen Konstellationen sind die Beteiligten auf der Seite der Partner nur auf Zeit an Bord. Viele arbeiten an ihrer Doktorarbeit und haben eine befristete Stelle. Manchmal merkt man schon ein halbes Jahr vor Projektende, dass sie ihre Energie immer mehr auf ihre Bewerbung um eine Anschlussstelle richten müssen. Wenn sie dann das Schiff verlassen, fällt das Projekt wie ein Kartenhaus zusammen. Das ist nicht nachhaltig. Phil Daro Krummrich: Zudem stellt sich die Frage, wer seitens der Städte an solchen Projekten mitwirkt. Angenommen, in dem Projekt geht es um die Frage, wie man auf Hitze in der Stadt reagieren will -… Phil Daro Krummrich: Dann muss man Zugang zu denjenigen haben, die seitens der Städte wirklich an diesem Thema arbeiten und in die kommunalen Prozesse eingebunden sind. Es geht um die echten, gut vernetzten Schlüsselpersonen. Konkret? Phil Daro Krummrich: Viele Projekte sind für eine bestimmte Laufzeit öffentlich gefördert. Für sie werden häufig befristet Mitarbeiter von außen eingestellt. Diese haben wenig Verbindung in die Organisation. Dann fehlen die gut vernetzten Ansprechpartner der Stadt-- was natürlich Auswirkungen auf Erfolg und Wirkung des Förderprojektes hat. Inwiefern Wirkung? Phil Daro Krummrich: Manchmal sieht das Projektergebnis auf dem Papier gut aus. Es geht aber knapp am Bedarf vorbei-- eben, weil die erfahrenen Schlüsselpersonen seitens der Stadt fehlten, die im Laufe des Projekts den praktischen Bezug zur Verwaltung sicherstellen. Ihre Kooperation ist nicht nur für das Landesamt GeoInformation ein Sonderfall, sondern gewissermaßen auch für Ihr Unternehmen, das Ihr Projekt fördert. Im Allgemeinen neigen Unternehmen dazu, Projekte nach ihrer Wirtschaftlichkeit zu priorisieren. In dieser Denkweise können kleine Projekte ohne großen Auftraggeber schnell ans untere Ende der Prioritätenlisten rutschen-… Phil Daro Krummrich: Natürlich hat das jeweilige Hauptgeschäft Priorität, und das bringt Herausforderungen für unsere Kooperation mit sich. Wie Sie sagen, es besteht immer ein Risiko, dass Projekte mit einer höheren Priorität solche Kooperationen verdrängen können. Ich spüre manchmal auch kritische Nachfrage: Warum macht Ihr das? Habt Ihr damit eine Marktchance? Ist es ein echter Business Case? Wie ist Eure Go-to-Market-Strategie? Reportage | Im Projekt mehr Geodaten für mehr Klimaresilienz 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0019 Und? Was tun? Phil Daro Krummrich: Man muss einfach zusehen, dass es mit der Kooperation im Alltag dennoch weitergeht. Bei uns machen die Beteiligten sehr motiviert mit. Sie tragen im Arbeitsalltag selbst Sorge dafür, dass das Projekt unter Berücksichtigung aller Randbedingungen einen angemessenen Raum behält. Und man muss natürlich auch gute Antworten auf betriebswirtschaftliche Fragen bereithalten. Unser Projekt zahlt beispielsweise auf die Strategie von OHB ein, sich stärker im digitalen Mark zu verankern und Städte dabei zu unterstützen, sich besser gegen den Klimawandel aufzustellen. Ulrich Gellhaus: Die KI-gestützte Auswertung von Luftbildern hat ein gutes Marktpotential. Viele Städte in Deutschland arbeiten an Hitze-Aktionsplänen oder Entsiegelungskatastern. Sie haben langfristig den Anspruch marktreife Lösungen anzubieten, die auch außerhalb von Bremen relevant sind. Wann haben Sie in ihrem Projekt ein Ziel erreicht? Phil Daro Krummrich: Die Schwelle liegt bei den Prototypen. Wenn wir sehen, dass der Prototyp beispielsweise für ein Quartier in unserer Stadt funktioniert hat und wir ihn auf ganze Städte ausrollen könnten-- dann haben wir unser Ziel erreicht. Ihr Projekt ist auch politisch relevant. Sie liefern Daten, die politische Entscheidungen beeinflussen können-… Ulrich Gellhaus: Langsam! Wir entwickeln digitale Werkzeuge für die Gewinnung von Informationen. Diese Informationen können politisch relevant sein und in Entscheidungsprozesse einfließen. Doch wir liefern nur die Fakten und Daten. Was aus den Informationen gemacht wird und welche Entscheidungen getroffen werden-- dies liegt immer bei der Politik. Eine solche partnerschaftliche Kooperation zwischen Verwaltung und Wirtschaft lädt auch zum Voneinander-Lernen ein-… Phil Daro Krummrich: Das stimmt! Ich habe viel über die Denk- und Arbeitsweise in der Verwaltung gelernt. Zunächst geht es darum, die Regeln in der Verwaltung nachzuvollziehen-- und zwar ganz offen und unvorbelastet. Für jemanden, der nicht in Behörden sozialisiert ist, kann dies schwierig sein. Phil Daro Krummrich: Das war schwierig und ist es für mich immer noch. Es gibt zu Recht viele Regeln in der Verwaltung und wir finden es wichtig, diese zu kennen und zu respektieren, damit unsere Lösungen möglichst gut akzeptiert werden, vor allem reale Anwendungen und Probleme adressieren und damit einen erfahrbaren Mehrwert liefern. Vorhin kam zur Sprache, dass viele konventionelle Forschungsprojekte zwischen der Verwaltung und Instituten nach Abschluss in sich zusammenfallen. Das Team ist von Bord gegangen. Schlüsselpersonen wenden sich anderen Aufgaben zu. Das Interesse erlischt. Ulrich Gellhaus: Das ist bei uns völlig anders. Uns erreichen aus der Landesverwaltung viele Fragen nach Daten. Wir beobachten, dass der Ansatz ein großes Potenzial hat. Spannend ist besonders der Aspekt der Schnelligkeit. Wir können die KI immer effizienter für neue Aufgaben trainieren. Vielleicht ist das Thema KI nicht einmal so neu heute. Neu aber ist unser Bestreben, KI für die planerischen Prozesse der Stadtverwaltung zu nutzen- - indem wir die dafür erforderlichen Daten liefern. Mitunter wird Verwaltungen unterstellt, sie scheuten sich vor digitalen Lösungen. Ulrich Gellhaus: Das ist aus meiner Sicht ein zu pauschales Urteil. Aber Sie haben vorhin danach gefragt, wie wir voneinander lernen-… Richtig! Ulrich Gellhaus: Wir wollen unseren Werkzeugkasten erweitern und erneuern, auch durch die Nutzung von KI. In unserer Partnerschaft greifen wir auf das bestehende Know-how und die Strukturen von OHB zurück. Dadurch sinkt für Sie das Risiko? Die Schwelle zur Digitalität wird etwas niedriger-- zumindest niedriger als beim Versuch, sich die Werkzeuge im Alleingang zu erarbeiten? Ulrich Gellhaus: Ein solcher Alleingang wäre risikoreicher als eine Kooperation- - auch angesichts der benötigten Ressourcen und des angespannten Fachkräftemarkts. Man braucht ja nicht nur Fachkräfte, die diese KI-gestützten Werkzeuge entwickeln, sondern auch solche, die mit ihnen weiterarbeiten können. Können solche Kooperationen für Verwaltungen die Digitalisierung erleichtern, etwa Hürden aus dem Weg räumen? Ulrich Gellhaus: Unsere Kooperation hat uns diesen Schritt der Digitalisierung sehr niederschwellig ermöglicht. Aber solch eine Zusammenarbeit habe ich bislang in Verwaltungen noch nicht beobachtet. Daro Krummrich Phil Daro Krummrich ist studierter Produktionstechniker, Projektentwickler sowie zertifizierter Projektleiter (IPMA LEVEL A Certified Project Director) und arbeitet bei der OHB Digital Connect GmbH, einem Tochterunternehmen des Raumfahrt- und Technologiekonzerns OHB SE. Über die letzten Jahre hat er sich auf Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich Geodatenanalyse spezialisiert, die datenbasierte Entscheidungsprozesse unterstützen. Der Fokus liegt insbesondere auf der Überwachung kritischer Infrastrukturen und der kommerziellen Anwendungen für urbane Gebiete. Dabei werden Ergebnisse aus wissenschaftlicher Forschung in enger Zusammenarbeit mit Fachexperten in bedarfsorientierte Lösungen überführt. Die Ziele sind die Verbesserung von Urban Analytics durch die Kombination mit Erdbeobachtungsdaten und der Aufbau innovativer Digitale Zwillinge. Foto: OHB/ Stefan Gerding Reportage | Im Projekt mehr Geodaten für mehr Klimaresilienz 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0019 Ulrich Gellhaus Seit 2011 ist Ulrich Gellhaus Leiter des Landesamtes GeoInformation Bremen. Zuvor war er 8 Jahre Leiter des Vermessungs- und Katasteramtes Bremerhaven. Ulrich Gellhaus hat an der Universität Bonn Geodäsie studiert und anschließend das Referendariat mit der 2. Staatsprüfung abgeschlossen. Schon während des Studiums begeisterte er sich für den Blick über den Tellerrand hinaus und nahm bei zwei Auslandsaufenthalten an deutsch-türkischen Forschungsprojekten im Bereich Archäologie und Erdbebenvorhersage teil. Sein beruflicher Werdegang führte ihn über Paderborn, Hamburg nach Bremen, Bremerhaven und wieder zurück nach Bremen. Neben seinem Engagement im Berufsverband des DVW e V. ist Ulrich Gellhaus in einer ganzen Reihe bundesweiter Gremien des amtlichen Vermessungswesens aktiv. Darüber hinaus gestaltet er aktiv den fachlichen Austausch mit den Bremer Partnerstädten Durban / SA und Izmir / TR im Bereich Digitaler Zwillinge. Foto: privat Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Die Welt verändert sich rasant. Das wirkt sich auch auf Arbeitsformen und -modelle aus. Simon Werther geht auf die Treiber der Entwicklung ein und stellt „New Work“ vor - leicht verständlich im Frage-Antwort-Stil. Auf Aspekte rund um die Organisation und das Management von Unternehmen sowie die Psychologie geht er ein. Auch die Gestaltung der Veränderungsprozesse lässt er nicht außer Acht. Wichtige sowie vertiefende Fragen sind hervorgehoben und Literatursowie Videotipps sind angeführt. Simon Werther, Laura Werther New Work als Normalität? Frag doch einfach! Klare Antworten aus erster Hand 1. Au age 2024, 156 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-8252-5810-8 eISBN 978-3-8385-5810-3 Anzeige 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0020 Wie Optimismus die Resilienz von Teams stärkt „Optimisten beißen sich durch“ Oliver Steeger Viele Projektmanager wissen intuitiv: Ohne ein Quäntchen Optimismus führt man kein Projekt zum Erfolg. Besonders in schwierigen Zeiten ist Optimismus eine Quelle für Resilienz und Durchhaltevermögen. Die Optimisten haben heute die Wissenschaft auf ihrer Seite. Psychologen wissen, dass Optimismus in Krisen Bärenkräfte weckt. So auch Wirtschaftspsychologe Professor Florian Becker, Autor des 2024 erschienenen Buchs „Positive Psychologie-- Wege zu Erfolg, Resilienz und Glück“. Im Gespräch beschreibt er, weshalb Optimismus ein Erfolgsfaktor im Projektmanagement ist, wie man ihn in Teams weckt-- und weshalb Optimisten oft glücklicher sind als Pessimisten. Herr Professor Becker, vor vielen Jahren hatte ich ein Buch in den Händen mit dem Titel „Optimisten leben länger“. Ich höre immer wieder, dass Optimisten im Beruf erfolgreicher sind und ein zufriedeneres Privatleben führen. Ist da etwas dran an diesem Gerücht? Professor Florian Becker: Die Wissenschaft bestätigt solche Annahmen. Gesunder Optimismus hat Vorteile. Studien weisen nach, dass Optimisten beliebter sind bei Mitmenschen. Sie bauen mehr und bessere soziale Kontakte auf-- und verfügen so über ein breites, im Beruf nützliches Netzwerk. Optimismus hat auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Wer mit 18 Jahren optimistisch ist, hat eine höhere Lebenserwartung; er verfügt oft über ein besseres Immunsystem und erholt sich schneller von Krankheiten als Pessimisten. Optimismus hat zudem einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit-- auch dies zeigen Studien. Optimismus beeinflusst die Zufriedenheit mehr als etwa Einkommen oder Intelligenz. Optimismus ist ein wichtiger Faktor, Resilienz zu entwickeln und sich glücklich zu fühlen. Aber macht Optimismus am Ende auch erfolgreicher? Ja, mit einiger Sicherheit. Auch dafür haben wir viele Hinweise in Studien. Als Professor erlebe ich dies übrigens selbst. Meine intelligentesten Studenten sind nicht automatisch die besten. Oha! Weshalb? Optimisten beißen sich durch. Sie glauben an ihren Erfolg und sind überzeugt, dass es sich lohnt, die Ärmel aufzukrempeln und zu lernen. Pessimistische Studenten neigen dagegen dazu, das Studium aufzugeben. Im Leistungssport kann man den Vorteil von Optimismus ebenfalls gut erkennen. Die letzten Kilometer eines Marathons machen gewiss keinen Spaß. Wer aber überzeugt ist, dass er Erfolg haben wird-- der wird eher die letzten Energiereserven mobilisieren, auch wenn es extrem hart wird. Stellen wir uns ein optimistisches Projektteam vor. Wird es das Projekt wahrscheinlich erfolgreicher abschließen können als ein eher pessimistisches? Aus der Perspektive der Motivation betrachtet ist ein optimistisches Team besser aufgestellt als ein eher pessimistisches. Optimismus ist eine starke Kraft. Reportage | „Optimisten beißen sich durch“ 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0020 Dies wurde in den 1950er und 1960er Jahren erforscht-- mit höchst bedenklichen Tierexperimenten. Damals waren solche Experimente in den Labors leider üblich. Heute sind solche Experimente zum Glück in der Wissenschaft geächtet. Man würde sie aus ethischen Gründen nicht durchführen. Dies wäre absolut unvertretbar. Dennoch-- aus diesen Experimenten werden einige Erkenntnisse gezogen, die sich auf den Optimismus beziehen lassen. In einem Experiment hat der amerikanische Biologe Curt Paul Richter in den 1950er Jahren untersucht, wie lange Ratten im Laborbecken schwimmen, bevor sie aufgeben. Was waren seine Erkenntnisse? Er hat festgestellt, dass speziell gezüchtete Laborratten im Wasser deutlich länger durchhielten als Wildratten, die eigentlich von Natur aus kräftiger, schlauer und härter sind. Die Wildratten gaben nach spätestens 15 Minuten auf. Die Laborratte schwamm viel, viel länger. Sie ist einfach weitergeschwommen, im Schnitt ganze 60 Stunden. Kann dies damit zusammenhängen, dass die erfahrene, schlaue Wildratte ihre Situation im Becken als aussichtslos eingeschätzt hat-- und deshalb einfach aufgegeben hat? Ja. Aufgrund ihrer Erfahrung kam die Wildratte quasi zur Überzeugung, dass sie keine Chance hat. Sie entwickelt den „Glaubenssatz“, dass jede Anstrengung vergebens ist. Deswegen fehlte ihr die Motivation. Bei der scheinbar „naiven“ Laborratten war dies völlig anders. Sie hat einfach weitergemacht. Hier wird deutlich: Optimismus hilft, eine enorme Leistungskraft abzurufen. Solche Glaubenssätze spielen offenbar eine wichtige Rolle. Man sagt, dass Optimisten ein halbgefüllte Glas Wasser „halbvoll“ sehen, Pessimisten „halbleer“-… An solchen Bildern ist etwas Wahres dran. Optimismus ist eine positiv verzerrte Wahrnehmung der Realität. Menschen mit gesundem Optimismus glauben etwas mehr an sich oder vertrauen anderen etwas mehr als die Realität vielleicht rechtfertigt. Sie sehen die Welt und ihre Zukunft etwas positiver als eigentlich angemessen wäre. Also eine Art nützliche Illusion? Ja. Optimisten glauben fest, dass die Umstände positiv für sie sind und die Situation ihnen gewogen ist. Studien zeigen, dass diese Illusion-- wie Sie dies nennen-- tendenziell gesund ist und Menschen motiviert. Sofern sie nicht völlig übertrieben ist und zum blinden Optimus wird. Nochmals zu den Ratten: Curt Paul Richter hat in einem weiteren Experiment die Wildratten anders behandelt. Er hat sie lernen lassen, dass sich Anstrengung lohnt und der Kampf nicht vergebens ist. Das hat er gemacht, indem er sie hat schwimmen lassen, aber nach einer Weile wieder herausgeholt. Das hat er mehrmals wiederholt. Er hat das Schwimmen also belohnt? Nach dieser „Lernphase“ haben die Wildratten sogar noch länger durchgehalten als die naiven Laborratten. Sie haben Optimismus gelernt? Gelernt, dass sich Anstrengung auch in schwierigen Situationen lohnt? Dieser Schluss liegt nahe. Dies zeigt, welche Kraft im Optimismus liegt. Nachdem die Wildratte Optimismus „gelernt“ hat, hielt sie um ein Vielfaches länger durch. Wir reden hier über einen Faktor von vielen 100 Prozent: Mehr als 60 Stunden statt 15 Minuten! Auf Menschen übertragen bedeutet dies: In bestimmten schwierigen Situationen, bildlich gesprochen: wenn man umgeben ist von hohen, unüberwindlichen Glaswänden- - in solchen Situationen kann es hilfreich sein, auf „naive Laborratte“ umzuschalten. Also negative Gedanken ausblenden und sich blind mit Tunnelblick vorwärtsschieben. So, wie der Leistungssportler am Ende des Marathons. Man hat auch festgestellt, dass Tiere auch Pessimismus lernen können. Ja. Beispielweise Hunde. Machten Hunde in Experimenten die Erfahrung, dass sie an ihrer Lage nichts ändern können-- dann verinnerlichten sie das. Sie blieben in Notlagen passiv. Jetzt kommt der eigentliche Punkt: Nach solchen Erfahrungen der Hilfslosigkeit bleiben Hunde auch dann passiv, wenn es einfach wäre, sich zu helfen. Die gelernte Erfahrung „Ich kann mir nicht helfen und jede Anstrengung ist vergebens“ verhindert auch künftig jeden Einsatz, einer schmerzlichen Lage zu entkommen. Gilt dies auch für Menschen? Ja! In der Psychologie nennt man dies „erlernte Hilflosigkeit“. Das ist der tiefe Glaube, dass man nichts an seiner Lage verändern kann und jeder Versuch, die Lage zu verbessern, nutzlos ist. Tatsächlich haben viele Menschen im Leben die Erfahrung gemacht, dass sie ihre Ziele nicht erreichen können. Sie versuchen es dann gar nicht mehr-- und werden ineffektiv. Ich habe kürzlich einen Projektmanager gesprochen, der ein schwieriges Großprojekt in einem engen Zeitkorsett leitet. Beim Start des Projektes haben einige seine Terminplanung angezweifelt. Solch ein Großprojekt könne nicht pünktlich fertig werden. Doch statt einzuknicken hat dies bei dem Projektmanager den Ehrgeiz noch verstärkt. Er wollte allen zeigen, dass sein Projekt pünktlich ist. Die Reaktion des Projektmanagers zeugt von Optimismus. Andere hätten vielleicht ihre Anstrengungen reduziert und sich hilflos gefühlt. Das gesunde Gegenstück von gelernter Hilflosigkeit ist Selbstwirksamkeit, und diese hat er in sich gespürt. Sein Verhalten ist typisch für selbstwirksame Menschen: Wenn sie auf Widerstand, Kritik oder Herausforderung stoßen, dann reduzieren Sie nicht die Anstrengung-- sondern verstärken Sie. Auch nach Rückschlägen stehen sie schnell wieder auf und machen weiter. Sie haben den Begriff Selbstwirksamkeit genannt. Ist dieser Glaube, dass man selbst wirksam an seinem Erfolg arbeiten kann, das Geheimnis der Optimisten? Dass man das eigene Schicksal selbst in der Hand hat? Erfolgreiche Menschen sind nicht nur selbstwirksam und optimistisch, sondern verfügen auch über eine weitere Gabe: Sie können ihren Optimismus situationsbezogen einsetzen wie Reportage | „Optimisten beißen sich durch“ 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0020 ein Werkzeug. Sie können ihn quasi ein und ausschalten-- je nachdem, wie es die Situation erfordert. Zum Beispiel? Beispielsweise beim Planen eines Projekts und dem Risikomanagement sind sie bewusst eher pessimistisch. Für manche Aufgaben ist es wichtig, sich auch dem Pessimismus zu öffnen- - und sich darauf zu konzentrieren, was schiefgehen kann. Aber? Starten die erfolgreichen Manager aber dann die Projektarbeiten, schalten sie um auf Optimismus. Etwa dann, wenn die Pläne beschlossen, das Projekt gestartet ist und sie nicht mehr zurückkönnen- - in dieser „ausweglosen“ Situation schalten sie stur auf Optimismus um und glauben an den Erfolg. Sogar eine gewisse Naivität, Blindheit kann in bestimmten Situationen hilfreich sein. Damit kann man eine größere Hoffnung und damit auch Leistungskraft abrufen. Droht da nicht Gefahr, dass man die rosarote Brille aufsetzt und blind optimistisch ist? Blinder oder überzogene Optimismus hat natürlich Nachteile. Viele Menschen sterben in Deutschland, weil sie Seen oder Flüsse durchschwimmen wollen und ihre Kräfte und die Kälte des Wassers überschätzen. Ähnliches Verhalten beobachte ich auch in der Wirtschaft und bei Unternehmern. Ich habe das selbst in meinem Umfeld erlebt. Ein guter und erfolgreicher Unternehmer hat vermutet, dass er auch ein guter und erfolgreicher Börsenspekulant ist. Ein anderes Beispiel: Zwei junge Unternehmer, die mit ihrem gemeinsamen ersten Geschäft sehr erfolgreich waren. Sie haben sich wegen Nichtigkeiten gestritten, getrennt, ein vielversprechendes Unternehmen beschädigt-- nur, weil jeder über-optimistisch dachte, er könnte den Erfolg jederzeit wiederholen, er wäre einfach viel besser als andere. Doch nur einer von beiden hat es bisher geschafft, etwas ähnlich Erfolgreiches zu replizieren. Wir sprachen vorhin von dem halb gefüllten Glas Wasser. Weshalb neigen viele Menschen dazu, es als halbleer zu betrachten-- also eher pessimistisch zu betrachten? Das hat etwas mit unserem Gehirn zu tun. Wir unterliegen einer leicht verzerrten Wahrnehmung. In der Psychologie nennen wir dies Negativity Bias. Wir fokussieren uns mehr auf negative Signale als auf positive. Evolutionsgeschichtlich ist der Negativity Bias sinnvoll. Im Laufe der Evolution war es für Menschen lebensgefährlich, Warnsignale zu übersehen: beispielsweise eine giftige Schlange oder das Raubtier hinter dem nächsten Baum. Ein Warnsignal zu übersehen konnte tödlich sein. Falls sie dagegen ein positives Signal übersehen haben, waren die Konsequenzen nicht so dramatisch. Pessimismus hat sich also in der Evolution gelohnt. Noch heute reagieren Menschen deshalb mehr auf negative Nachrichten als auf positive. Angesichts dieser evolutionären Verankerung mag meine nächste Frage vielleicht naiv klingen. Kann man Optimismus lernen? Die Frage ist nicht naiv. Die Antwort ist: Ja, man kann. Doch so einfach, wie dies klingt, ist es nicht. Viele Pessimisten entgegnen, sie seien halt, wie sie sind-- nämlich pessimistisch. Dies gehöre zu ihrem Wesen. Das ist ein Fehler. Dies nennt man „Fixed Mindset“. Jemand mit einem Fixed Mindset ist beispielsweise tief überzeugt, dass er einfach nicht geschäftlich verhandeln kann. Diese negative Erwartung ist ein Grund, weshalb seine Verhandlungen wirklich misslingen. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Und nach jedem Misserfolg wird der Glaube bestärkt, dass man an dem Problem nichts ändern kann-… Indem man zum Beispiel Verhandlungstechniken lernt-…? Zum Beispiel. Mit einem Fixed Mindset glaubt man, dass eine schwierige Lage in Umständen begründet ist, die man nicht ändern kann. Etwa fehlendem Talent oder einfach Pech. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel. Man hört häufig, dass Bildungschancen und Karrierewege eigentlich ein Würfelspiel des Schicksals sind. Inwiefern? Sind die Eltern gebildet, haben sie ihren Kindern etwa vorgelesen und Bücher gegeben-- dann werden die Kinder gute Noten nach Hause bringen. Haben dagegen die Eltern selbst wenig Bildung, sind nach diesem Narrativ die Chancen auf schulischen und beruflichen Erfolg einfach gering. Mit anderen Worten: kommt jemand aus der falschen Schicht, hat er nach dieser Erzählung später keine Chance. Menschen dieses Fixed Mindset und diese Hilflosigkeit einzureden ist aus meiner Sicht wenig sinnvoll. Heute nehmen immer mehr Menschen an, das Erfolg Glückssache ist-- und wenig mit eigener Initiative zu tun hat. Deswegen strengen sie sich auch nicht an. Die Botschaft wird dann zu einer „self fulfilling prophecy“. Das Fixed Mindset wird zur Realität und dort zementiert. Was wäre das Gegenteil eines Fixed Mindset? Das Growth Mindset. Menschen mit einem Growth Mindset konzentrieren sich auf Dinge in ihrem Leben, die in ihrer Hand liegen und die sie selbst verändern können-- etwa durch Anstrengungen und gute Entscheidungen. Aus meiner Sicht wäre es sehr hilfreich, wenn wir uns als Gesellschaft wieder mehr auf Dinge fokussieren, die jeder selbst in der Hand hat, kontrollieren kann. Und nicht nur immer über beeinträchtigende oder förderliche Umstände um uns herum reden! Nicht nur Einzelne können ein Growth Mindset entwickeln, sondern auch Teams. Wie können Projektleiter in ihrem Team das Growth Mindset fördern? Dafür gibt es verschiedene Wege. Man kann etwa bei den Retrospektiven anzusetzen. Führungskräfte können bei Retrospektiven die Erfolge betonen, und vor allem wie das Team selbst dazu beigetragen hat. Sie können die Frage diskutieren, was das Team selbst in der Hand hatte und wie es mit eigener Arbeit und Leistung Erfolge errungen hat. Mit einem Wort-- die Selbstwirksamkeit betonen? Darum geht es! Also nicht: man war erfolgreich, weil der Wettbewerber zu schwach war, die Situation günstig oder man Hilfe von außen bekommen hat. Auch nicht: man hatte eben nur Reportage | „Optimisten beißen sich durch“ 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0020 deshalb Misserfolg, weil äußere Umstände einfach so schlecht waren. Oder weil der Kunde so nett war-… Vielleicht war der Kunde wohlgesonnen. Aber das lag auch daran, dass das Team eine gute Beziehung zu dem Kunden aufgebaut hat. Der Fokus sollte immer auf das gerichtet sein, was das Team selbst unter Kontrolle hat. Diese Aspekte sollte man hervorheben-- wie mit einem Leuchtmarker. Augenblick! Der Erfolg hat bekanntlich viele Mütter und Väter-… Natürlich weiß ein Team, dass auch Äußeres zu dem Erfolg beiträgt, etwa Glück, die Unterstützung anderer oder günstige Umstände. Aber diese äußeren Umstände sollten nicht mit dem Leuchtmarker hervorgehoben werden. Denn das prägt sonst unbewusst ein fatalistisches Denken im Team: Die Umstände sind verantwortlich, damit wir Erfolg haben. Letztlich scheint es dabei um Denkmuster zu gehen. Darum, durch welche Brille man die Welt betrachtet. Optimisten haben in der Tat andere Denkmuster. Beispielsweise erwarten sie Positives für die Zukunft. Dies sollten Führungskräfte kommunizieren: Sie freuen sich auf die Zukunft. Zudem erinnern sich Optimisten im Rückblick mehr an das Positive. Ein simples Beispiel: Jemand wird gefragt, wie es in seinem Urlaub war. Der Pessimist würde vielleicht all das betonen, über das er sich geärgert hat: eine ganze Liste von Kritikpunkten. Er erinnert sich dabei selektiv an das Negative. Und der Optimist? Er würde die negativen Ereignisse nicht leugnen, aber er würde die positiven in den Vordergrund stellen. Damit verbindet sich weiteres Denkmuster: Fokussieren sich Optimisten auf Negatives, dann erwarten Sie, dass dies wieder vorbeigeht. Ein Beispiel: Es hat einen Streit mit dem Ansprechpartner eines Kunden gegeben. Der Pessimist würde vielleicht annehmen, dass der Kunde jetzt die Verträge kündigt. Der Optimist dagegen würde die unschöne Diskussion anerkennen, auch aus seinen Fehlern lernen. Aber er würde davon ausgehen, dass sich die Beziehung zu dem Kunden wieder normalisieren wird. Er würde sich vielleicht sagen: Es gab mit dem Ansprechpartner des Kunden eine schwierige Situation. Aber wir haben noch ein paar weitere Kontakte und können auch die Beziehung zu diesem Ansprechpartner wieder verbessern. Fokussieren wir uns darauf, wie wir das Verhältnis mit dem Kunden wieder verbessern. Optimisten haben manchmal den Eindruck, dass sie in einer pessimistischen Welt leben. Was können Menschen tun, um Optimismus zu entwickeln und zu bewahren? Sie können sich klarmachen, wie wichtig Optimismus ist- - nicht nur im Beruf. Wie vorhin gesagt, Optimisten und leben länger. Sie fühlen sich besser, sind beliebter und zufriedener. Optimismus hat also ganz klare Vorteile. Erstaunlich finde ich, dass wir uns täglich pessimistischen Gedanken freiwillig öffnen. Pessimistischen Gedanken freiwillig öffnen-- inwiefern? Ein Beispiel: Viele schauen fast stündlich auf die News App, die in der Regel nur schlechte Nachrichten liefert. Aber die negativen Nachrichten bieten nur einen kleinen Ausschnitt aus unserem Leben. Und sie überschatten die vielen positiven Ereignisse. Die Schlagzeilen gelten dem abgestürzten Flugzeug-- und nicht den Tausenden, die glücklich gelandet sind. Die Überbetonung negativer Nachrichten führen häufig zu pessimistischen Gedanken. Ich wundere mich, dass so viele Menschen freiwillig so viel Negatives konsumieren. Das ist vergleichbar damit, dass sich viele Menschen völlig falsch ernähren, obwohl sie eigentlich wissen, wie man sich gesund ernährt. Kann man sich denn entscheiden, künftig Optimist zu sein? Man kann sich vielleicht nicht direkt für Optimismus entscheiden. Wir können aber Entscheidungen fällen, die zu mehr Optimismus führen: beispielsweise den medialen Konsum von schlechten Nachrichten zu reduzieren. Eine weitere Entscheidung könnte sein: Man umgibt sich mit positiven, optimistischen Menschen. Optimisten vermitteln eine bessere Lebensqualität. Wer mit ihnen zu tun hat, fühlt sich besser. Also: Kontakt suchen mit Menschen, die Optimismus ausstrahlen. Eine weitere Entscheidung: den Blickwinkel auf schwierige Situationen verändern. Man kann in schwierigen Situationen eine Gelegenheit sehen sich zu verbessern. Eine Art Training. Vielleicht eine spannende Lebenserfahrung. Ich habe festgestellt, dass Optimisten vielfach Herausforderungen anders betrachten als Pessimisten-- weniger mit Angst, mehr mit Interesse. Sie sehen Herausforderungen eher als Chancen zu lernen und sich zu entwickeln. Manchmal wird empfohlen, ein Dankbarkeits- Tagebuch zu führen. Täglich das auflisten, für das man dankbar ist. Wird es an diesem Punkt nicht etwas zu esoterisch? Nein, überhaupt nicht. Die Idee ist, dass man kurz innehält und sich an drei Dinge erinnert, die positiv sind und für die man dankbar ist. Mehr noch: diese drei Dinge nicht nur auflisten, sondern auch noch mal erleben. Dies trainiert unser Gehirn, nicht nur auf das Negative zu schauen, sondern Positives mehr wahrzunehmen. Sie haben eben empfohlen, sich mit Optimisten zu umgeben. In vielen Situationen ist dies nicht ganz einfach. Optimisten scheinen rar geworden zu sein-… Das ist wahr. Viele Menschen, denen man täglich begegnet, strahlen keinen Optimismus aus. Sie haben kein Interesse, morgens zur Arbeit zu gehen und am Arbeitsplatz zu sein. Die Zahlen aus Studien sprechen eine eindeutige Sprache: vier von zehn Mitarbeitern würden sofort aufhören zu arbeiten, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Neun von zehn Babyboomern wollen nicht bis zum gesetzlichen Rentenalter arbeiten. In vielen Unternehmen scheint sich pessimistisches Denken und Dienst nach Vorschrift ausgebreitet zu haben. Reportage | „Optimisten beißen sich durch“ 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0020 Hat aber pessimistisches Denken einmal in einer Organisation die Oberhand gewonnen, dann ist es schwierig, diese Kultur wieder umzukehren. In einem Social Media Post haben Sie unlängst eine bemerkenswerte These gewagt. Selten zuvor, haben Sie sinngemäß geschrieben, war es für Optimisten so einfach, im Leben Erfolg zu haben. Was hat Sie zu diesem Gedanken gebracht? Die Zahlen aus Studien! Der Durchschnittsdeutsche sitzt täglich mehr als fünf Stunden vor Fernsehen, Computerspielen und Videostreaming. Ich finde das bestürzend! Meinen Studenten sage ich: Nutzt die Zeit anders! Verbringt vielleicht nur eine Stunde mit passivem Medienkonsum. Dann nutzt die gewonnene Zeit, um eine Kompetenz zu entwickeln, gerne auch eine Kompetenz, die nichts direkt mit dem Studium zu tun hat. Beispielsweise eine Sprache lernen oder Programmieren oder mit Geldanlage. Oder macht Sport und besucht eure Eltern. Damit seid ihr anderen viele Schritte voraus. Wer sich heute nur etwas mehr anstrengt als die vielen anderen, die einfach nur Stunden vor dem Fernseher sitzen und die Komfortzone verehren, der kann leicht Erfolg haben. Sie betonen immer wieder Sportler als Vorbilder? Nach meiner Erfahrung sind Sportler häufig die besseren Studenten, vor allem die Leistungssportler. In ihrem Training haben sie verinnerlicht, wie wichtig es ist, sich Strukturen, gute Gewohnheiten und Disziplin zu erarbeiten. Training lehrt, sich auf das zu konzentrieren, was man selbst verändern kann. Im Sport lernen Menschen unmittelbar, dass sich Anstrengung lohnt und Faulheit bestraft wird. Regelmäßiges und intensives Training führt zum Erfolg. Erfolge wiederum bestärken den Glauben an sich selbst und die Selbstwirksamkeit. Daraus entwickelt sich ein Growth Mindset. Und am Ende entsteht gesunder Optimismus. Für mich sind viele Sportler ein Musterbeispiel für gesunden Optimismus! Eingangsabbildung: © iStock.com / Andrii Yalanskyi Professor Dr. Florian Becker Professor Dr. Florian Becker ist Diplom-Psychologe und der Kopf hinter dem Buch ‚Positive Psychologie- - Wege zu Erfolg, Resilienz und Glück‘. Darin gibt es auch jeweils eigene Kapitel zum Thema Optimismus und zum Thema Resilienz. Er hat lange an der Ludwig-Maximilians-Universität in München geforscht und gelehrt, sitzt im Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft und ist Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim. Er forscht und berät zu Führung, Motivation, Teamarbeit und Positive Psychologie. In seinen Beratungsprojekten und Vorträgen begeistert er Menschen dafür, wie Psychologie sie stärker, effektiver und glücklicher macht. Sein Ziel: Motivation freisetzen, Resilienz aufbauen-- und zeigen, wie jeder sein Potenzial voll entfalten kann. Weitere Veröffentlichungen: „Teamarbeit, Teampsychologie, Teamentwicklung: So führen Sie Teams! “ (Springer, 2016) „Psychologie der Mitarbeiterführung: Wirtschaftspsychologie kompakt für Führungskräfte“ (Springer, 2015) „Mitarbeiter wirksam motivieren: Mitarbeitermotivation mit der Macht der Psychologie“ (Springer, 2018) 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0021 Projekte in Organisationen resilient gestalten Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“-- oder braucht es mehr? Dr. Susanne Marx Für eilige Leser | Projektmanager und Teammitglieder arbeiten häufig unter dem Druck ständig wechselnder Rahmenbedingungen. Das erzeugt Anpassungsdruck-- und die Notwendigkeit von Resilienz auf allen Ebenen: beim Einzelnen, im Team und in der Organisation. Dieser Beitrag zeigt aus holistischer Perspektive eine Reihe moderner Ansätze, wie Resilienz in Teams entwickelt werden kann. Er lenkt den Blick darauf, dass dabei neben der Dimension „Team“ auch die Dimensionen „Individuum“ und vor allem „Organisation“ betrachtet werden müssen. In einem Ausblick wird am Beispiel von Facility Wellbeing gezeigt, wie heute ganzheitliche Ansätze umgesetzt werden. Schlagwörter | Selbstwirksamkeit, Stressmanagement, Wandel, Handlungsfähigkeit, Akzeptanz Was ist Resilienz? Fragt man Menschen, was sie unter Resilienz verstehen, fallen häufig ungenaue Schlagworte wie Stressmanagement, Anpassungsfähigkeit oder auch Selbstwirksamkeit. Eine brauchbare Definition kommt vom Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung: “ Der Begriff der Resilienz wird in verschiedenen Wissenschaften benutzt, unter anderem in der Physik, in der Soziologie und der Medizin. In der Materialkunde bezeichnet er Stoffe, die auch nach extremer Spannung wieder in ihren Ursprungszustand zurückkehren. Übersetzt wird er häufig als „Widerstandsfähigkeit“. Bezogen auf den Menschen beschreibt Resilienz die Fähigkeit von Personen oder Gemeinschaften, schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen.“ [1] Es geht also um Anpassungsfähigkeit, Veränderungsfähigkeit oder Widerstandsfähigkeit im Miteinander, in einem System und für den Einzelnen. Unsere erlebte Welt- - nicht nur im Projektmanagement- - ist auf allen Ebenen in einem Zustand des Dauerwandels: beschleunigt durch Globalisierung, exponentielle Digitalisierung und die ersten Auswirkungen des Klimawandels. Anpassungsfähigkeit wird damit zur Kernkompetenz der Zukunft, sowohl für den Einzelnen als auch für Organisationen. Das gilt in besonderem Maße für Projektteams. Sie müssen oft mit schnelllebigen und sich wandelnden Umgebungen zurechtkommen. Marktbedingungen, technologische Fortschritte und regulatorische Anforderungen können sich ändern, Zeitschienen schrumpfen, Zielvorgaben sich verschieben. Projektarbeit ist voller Herausforderungen. Sie erfordert immer wieder Anpassung. Resilienz ermöglicht Teams und Einzelpersonen, effektiv auf diese Herausforderungen und Veränderungen zu reagieren-- ein entscheidender Faktor für den Erfolg im Projektmanagement. Ein wissenschaftlicher Blick auf Resilienz Ursula Nuber hat 2011 in einem wegweisenden Artikel sieben Säulen der Resilienz definiert: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Opferrolle verlassen, Verantwortung übernehmen, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung [3]. Wie die Praxis zeigt, ist das wahre Wunderwerkzeug dabei die Akzeptanz. Ein wichtiges Akzeptanzmodell stammt von Theo Wehner, der sich mit der psychischen Verarbeitung von Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit beschäftigt hat. [1] Solche Diskrepanzen können zu erheblichen Stressreaktionen führen. Sein Modell beschreibt einen strukturierten Ansatz, Wissen | Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“ - oder braucht es mehr? 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0021 um aus akuten Stresssituationen in einen Zustand der Handlungsfähigkeit und Akzeptanz zu gelangen. Menschen haben oft klare Vorstellungen darüber, wie eine Situation idealerweise sein sollte. Veränderungen oder Abweichungen von diesen Wunschvorstellungen rufen Stress und emotionalem Unwohlsein hervor. Dauer und Heftigkeit der Stresssituation hängen dabei vom Grad der Abweichung ab. Das Akzeptanzmodell zielt darauf ab, diese Diskrepanz sichtbar zu machen und in ein zielgerichtetes Tun zu kommen. Dabei ist der erste Schritt in der Regel: raus aus dem Stress und rein in die Handlungsfähigkeit. Kommt ein Individuum in die positive Akzeptanz, ist die individuelle Krisensituation überwunden. Da es eine direkte Wechselwirkung der persönlichen Resilienz mit den beiden anderen Organisationsdimensionen gibt, beeinflusst der individuelle Resilienz Status immer auch Team und Organisation. Im Akzeptanzmodus werden Mitarbeitende nicht nur zu Multiplikatoren für die Veränderung, sondern häufig sogar zu Enablern, indem sie Strukturen schaffen und schützen, die sie selbst und andere unterstützen. Schlüsselfaktoren der Teamresilienz Was bedeutet Resilienz für Teams? Team-Resilienz lebt zunächst von der individuellen Resilienz der Mitglieder. Damit diese ihre Wirkung entfalten kann, müssen im Team aber weitere Grundvoraussetzungen gegeben sein. Im Kern eines resilienten Teams steckt psychologische Sicherheit. Damit ist ein Umfeld gemeint, in dem Teammitglieder ohne Angst vor negativen Konsequenzen ihre Meinungen, Ideen und Bedenken äußern können, weil jeder im Sinne der Transkriptionsanalyse O. K. ist. Dies wird durch Klärung und Transparenz kommunikativ unterstützt. Um diesen Kern ordnen sich als weitere Schlüsselfaktoren der gemeinsame Umgang mit Unerwartetem, die positive Verarbeitung kritischer Situationen und der Fokus auf das große Ganze als Erfolgsgaranten für ein widerstandsfähiges und anpassungsfähiges Team (siehe Abbildung 2). Durch die gezielte Förderung dieser Faktoren können Teams ihre Fähigkeit stärken, Herausforderungen zu bewältigen und gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Projektteams können ihre Teamresilienz vor allem durch regelmäßige, offene und transparente Kommunikation fördern. Da jeder Wandel neue, angepasste Handlungsweisen erfordert, ist zudem eine gute Fehlerkultur hilfreich. Das Team betrachtet Fehler als Lernchancen: Der offene Umgang mit Fehlern und das gemeinsame, aktive Lernen aus Fehlern trägt zur psychologischen Sicherheit, stärkt die Fähigkeit, mit unerwartetem umzugehen und fördert Selbstvertrauen. Dazu eignet sich u. a. das Akzeptanzmodell, ein wertvolles Werkzeug, das dazu beitragen kann, Fehler als Lernmöglichkeiten zu betrachten. Wenn die Realität von den Erwartungen abweicht, hilft es, diese Diskrepanz im Team zu verbalisieren und nach Möglichkeiten zu suchen, das gewünschte Ziel zu erreichen. Eine Möglichkeit besteht darin, festzustellen, dass das gewünschte Ziel möglicherweise nicht zur aktuellen Organisation passt, und dieses Ziel entsprechend anzupassen. Einfache Techniken, um miteinander und voneinander im Dialog zu lernen, sind eine entsprechende Feedback-Kultur, eine Kultur des Zuhörens sowie Teambuilding-Maßnahmen, die es den Mitgliedern ermöglichen, sich in schwierigen Situationen gegenseitig besser zu unterstützen. Abbildung 1: Akzeptanz-Modell nach T. Wehner [4] Abbildung 2: Schlüsselfaktoren der Team Resilienz, Dr. Susanne Marx Wissen | Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“ - oder braucht es mehr? 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0021 Individuum, Team-- und die Organisation Betrachten wir nun Resilienz aus Sicht der Organisation. Organisationsentwickler definieren Resilienz im Arbeitsalltag oft als die Fähigkeit einer, mit Stress, Veränderungen und Herausforderungen konstruktiv umzugehen, sich von Rückschlägen zu erholen und im besten Fall daraus zu lernen. Was zunächst nach persönlicher Kompetenz von Mitarbeitenden aussieht, erweist sich bei näherer Betrachtung als deutlich komplexer, denn das System „Arbeitswelt“ ist mehrdimensional und voller Wechselwirkungen. Dieses Arbeitswelt-System lässt sich mit einem Interaktionsdreieck aus drei Ebenen beschreiben: Individuum, Team und Organisation, siehe Abbildung 3, in denen Organisationsresilienz entsteht. Die Dimensionen von Individuum, Team und Organisation stehen dabei in direkter Korrelation zueinander. Jede Dimension hat eigene Faktoren, die auf die jeweilige Resilienz einwirken. Da es eine direkte Wechselwirkung mit den anderen Dimensionen gibt, beeinflussen sich auch die jeweiligen Resilienzfaktoren, wie Huemer et al in ihrem Beitrag „Gesunde Menschen in gesunden Organisationen“ beschreiben [2]. Projekte sind von diesem Wechselspiel gleich zweimal betroffen: Erstens, sie bewirken per Definition Veränderung und erhöhen damit immer den Resilienz Druckabhängig von Art und Umfang-- auf eine oder mehrere Dimensionen. Je resilienter die Organisation, desto geringer die negativen Auswirkungen von Projektveränderungen. Zweitens, die Projektteams sind selbst im steten Wandel und damit einem konstanten Anpassungsdruck ausgesetzt. Umsichtiges holistisches Projektmanagement behält beides im Blick. Wie lässt sich Resilienz nachhaltig am Arbeitsplatz verankern? Die gute Nachricht vorneweg: Resilienz ist eine Kompetenz, die durch gezielte Übungen und strategische Verankerung für alle Dimensionen entwickelt und gestärkt werden kann. So wird sie zum wertvollen Asset in der Bewältigung des Arbeitsalltags und in der Vorbereitung auf Wandel und Krisen. Mit den richtigen Werkzeugen gelingt eine holistische Durchdringung der drei Dimensionen von Individuum, Team und Organisation in allen Bereichen und Hierarchie-Ebenen. Kompetenzentwicklung für Resilienz: Handlungsfelder und NOWABILITY(R) Die Komplexität der Beziehungen erfordert einen systematischen Resilienz- Entwicklungsansatz, der sowohl individuelle als auch kollektive Maßnahmen umfasst. Auf der individuellen Ebene kann man systematisch mit den Handlungsfeldern arbeiten, die auf die Resilienz Säulen von U. Nuber abzielen. Der Begriff Handlungsfeld bezeichnet den Bereich oder das Themengebiet für Aktivitäten und Maßnahmen; er liefert Rahmen und Kontext, in dem bestimmte Aufgaben oder Ziele verfolgt werden. In der Resilienzentwicklung sind traditionell vier Handlungsfelder definiert: Mentale, körperliche, emotionale und seelische Resilienz. Verlangt eine Situation Resilienz, können wir Lösungen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern zur Bewältigung abrufen (siehe Abbildung 4). Es gibt heute eine Vielzahl an Werkzeugen, die die Entwicklung dieser individuellen Handlungsfelder unterstützen. Wichtig ist, dass die Werkzeuge holistisch sind, also alle vier Handlungsfelder abdecken. NOWABILITY® macht dies wie folgt: Das Werkzeug nutzt die Handlungsfelder Mental und Körper und verknüpft sie mit der physiologischen Reaktion, die in den Interaktionen stattfinden kann. Abbildung 3: Resilienz-Interaktionsdreieck BIT nach Dr. Susanne Marx Abbildung 4: Handlungsfelder der Resilienz. Dr. S. Marx Wissen | Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“ - oder braucht es mehr? 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0021 NOWABILITY® zielt darauf ab, den Einzelnen im hier und jetzt (wieder) in eine Handlungsfähigkeit zu bringen für sich, mit anderen und im System/ Organisation. Dabei nutzt NO- WABILITY® die Resilienzhandlungsfelder Psyche und Körper (Physis) und ergänzt sie um Physiologie, also um unsere Körpervorgänge, die den Rahmen für unsere Handlungsmöglichkeiten vorgeben. Ein Beispiel für Physiologie: Wir wenden in einer Stresssituation eine Atemtechnik an. Ein bewusstes vertieftes Ein- und Ausatmen aktiviert den Parasympathikus, den Gegenspieler zum Sympathikus, der im Stress für Angriff oder Fluchtreaktion verantwortlich ist. Hat der Sympathikus die Steuerung, sind wir oft im Tunnelblick und nicht in der Lage, auf der mentalen Ebene in einen Perspektivwechsel zu gehen. Die Parasympathikus Aktivierung in der Atemübung setzt Entspannungshormone frei die uns eine mentale Anpassung und ein weites Denken wieder ermöglichen. So legt NOWABILITY® den theoretischen Unterbau für Facility Wellbeing, doch dazu später mehr. Ein Beispiel aus der Praxis: Der Aufenthaltsraum als Resilienzraum Wie gut Resilienzentwicklung gelingt, ist auch von der Umwelt abhängig. Manchmal sind es kleine Projekte, die eine große Wirkung zeigen, wie im Beispiel eines Herstellungsbetriebs in vollkontinuierlicher 24 / 7 Schicht. Die Mitarbeitenden erlebten sich unzufrieden und angestrengt, weil es keine Orte gab, an denen sie sich in den Pausen gut aufhalten und erholen konnten. Daraus resultierten ein hoher Stresslevel und wenig Teamzusammenhalt, was sich auch an den schlechten Ergebnissen der Mitarbeitendenbefragung ablesen ließ. Abhilfe sollte die Umgestaltung des Pausenbereichs zu einem Wellbeing-Raum schaffen, der die Mitarbeitenden in ihren Grundbedürfnissen unterstützt und ihnen in den Pausen, eine adäquate Erholung ermöglicht, insbesondere in den Nachtschichten. Allerdings war klar, dass dabei ein innenliegender, leicht erreichbarer Raucherraum wegfallen würde; bei einem Raucheranteil von 30 % eine massive Veränderung. Mit einem gut durchdachten und an die Bedürfnisse der Nutzenden angepassten Konzept gelang es, den neuen Wellbeing-Raum zum zentraler Anlaufpunkt zu machen, den die Mitarbeitenden hegen und pflegen. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren dafür waren: 1. Projektteam: Das Projektteam konstituierte sich selbst und stammte direkt aus dem Bereich. Es bekam Unterstützung von erfahrenen Experten. 2. Transparenz: Anforderungen und Möglichkeiten der Gestaltungsfreiheit wurden von Anfang an klar und verständlich kommuniziert. 3. Entscheidungsgewalt: Das Team konnte im Rahmen der im Unternehmen geltenden Facility Wellbeing Standards selbst entscheiden, was in ihrem Raum umgesetzt werden sollte. So votierten die Projektteammitglieder etwa für Massage- und Ruhesessel und lehnten den Kickertisch ab, da dieser zu viel Lärm verursacht. 4. Gemeinschaftsdenken: Das Team hat für alle Kolleginnen und Kollegen mitgedacht und nicht nur individuelle Bedürfnisse eingebracht. 5. Verantwortung: Die Teammitglieder konnten mitentscheiden, Verantwortung übernehmen und hatten das große Ganze im Blick. 6. Kommunikation: Sie haben regelmäßig den aktuellen Stand kommuniziert in ihre Bereiche, Anforderungen besprochen und festgelegt, wie der Raum gemeinsam sauber gehalten und gepflegt werden soll. 7. Teilhabe: Sie sind von Betroffenen zu Beteiligten geworden und haben einen Resilienzraum geschaffen, der nicht übergestülpt, sondern entwickelt wurde. Damit wurden sie zu Multiplikatoren. Auch auf physiologischer Ebene haben die Veränderungen große Wirkung gezeigt. Die aufgestellten Massage- und Ruhesessel werden in der Nachtschicht zum Power Napping genutzt, geschieht physiologisch folgendes: 1. Der Cortisolspiegel sinkt: Cortisol ist ein Stresshormon, das in stressigen Situationen freigesetzt wird. Ein kurzer Schlaf kann den Cortisolspiegel senken und somit Stress reduzieren und wieder fokussiert arbeiten zu können. 2. Der Serotoninspiegel steigt: Serotonin ist ein Neurotransmitter, der für das Wohlbefinden und die Stimmung verantwortlich ist. Power Napping kann den Serotoninspiegel erhöhen und die Stimmung verbessern. 3. Der Wachstumshormonspiegel steigt: Wachstumshormone sind wichtig für die Zellreparatur und das Wachstum. Ein Power Nap kann die Freisetzung von Wachstumshormonen fördern und somit die körperliche Erholung unterstützen. Diese hormonellen Veränderungen tragen dazu bei, dass man sich nach einem Power Nap erfrischt und energiegeladen fühlt. [6] Die strukturellen Anpassungen ermöglichen den Mitarbeitenden Erholung und Stressabbau auch innerhalb der Schicht. In den Pausen fördert das ansprechende Ambiente den interaktiven Austausch zwischen Mitarbeitenden, die sonst getrennt an ihren Maschinenstandorten arbeiten. Das stärkt das wechselseitige Vertrauen und die psychologische Sicherheit im Team. Mit kleinem Budget konnten passgenaue Strukturen entstehen und Mitarbeitende durch Mitsprache und gemeinschaftliche Verantwortung zu mehr Zufriedenheit und Resilienz geführt werden. Wie nachhaltig der Resilienzraum wirkt, lässt sich an relevanten Indikatoren für den Bereich messen: Abbildung 5: NOWABILITY® nach Dr. Susanne Marx Wissen | Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“ - oder braucht es mehr? 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0021 Die Mitarbeiterumfrage zeigte signifikante Anstiege: Mitarbeiterzufriedenheit plus 18 %, Engagement Index plus 15 % und gefühlte Wertschätzung plus 10 %. Am beeindruckendsten war aber der Rückgang der Unfallzahlen: sie fielen innerhalb eines Jahres auf null. Gelungener Transfer vom Team in die Organisation Dreh- und Angelpunkt für die erfolgreiche Übertragung der Teamresilienz in die Gesamtorganisation ist eine gelingende Interaktion der Beteiligten. Dafür gibt es komplementäre Ansätze: Geeignete Managementsysteme bilden den organisatorischen Rahmen, etwa TIER-Meetings; sie ermöglichen Transparenz, Interaktion, Effizienz und Rückmeldung. Ergänzend stehen im Facility Wellbeing Räume bereit (Arbeitsräume, Ruheräume etc.), die Menschen und Teams in ihren Bedürfnissen unterstützen. Die Räume sind im Facility Wellbeing so gestaltet, dass sie sowohl den Anforderungen an die Arbeitsrollen als auch den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht werden. Hierbei nutzt man Erkenntnisse aus der NOWABILITY®, um mit passgenauen Angeboten die Interaktion von Physis, Physiologie und Psyche zu fördern und Menschen immer wieder in ihre Handlungsfähigkeit zu bringen. Je mehrdimensionaler und vielfältiger die Strukturen, desto breiter die Basis für eine resiliente Gesamtorganisation. Messbar besser Kombiniert man strukturelle Verbesserungen mit Facility Wellbeing, sind positive Veränderungen in der Regel rasch nachweisbar. Affinitas berichtet von einer Case Study, in der die Etablierung von klassischen Kommunikationsstrukturen, einer TIER-Struktur und Raumstrukturen nach sechs Monaten zu Produktivitätssteigerung um 20 %; Reduzierung von Projektverzögerungen um 35 % und gesunkener Mitarbeiterfluktuation um 15 % führte. [5] Facility Wellbeing-- Arbeits-Raum als Resilienz- Booster Diese Mehrdimensionalität der Strukturen, wie Prozessstrukturen, Projektstrukturen und räumlichen Strukturen trägt den unterschiedlichen Dimensionen von Individuum, Team und Organisation in der Arbeitswelt Rechnung. Es ist wissenschaftlich seit langem anerkannt, dass die Arbeitsumgebung entscheidenden Einfluss auf Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden hat. Facility Wellbeing denkt dies strategisch zu Ende: mit einem gezielten Angebot von Räumen, die Erholung, Austausch und Kreativität fördern und damit nicht nur die Zufriedenheit im Team, sondern die Resilienz der gesamten Organisation stärken. Was im obigen Beispiel für einen Pausenraum funktioniert hat, lässt sich auch für Arbeitsplätze und Arbeitsumgebungen realisieren. Wir können Arbeitsräume so gestalten, dass sie dabei unterstützen, Resilienz nach belastenden Situationen wiederherzustellen. Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse, wie sie in ihre Resilienz kommen oder darin bleiben. Entscheidend ist, dass die verschiedenen Handlungsfelder der Resilienz miteinander in Bezug gebracht werden- - und das kann Facility Wellbeing leisten. Facility Wellbeing betrachtet die situativ wechselnden Bedürfnisse von Mitarbeitenden. Basierend auf dem NOWA- BILITY®, Modell liefert Facility Wellbeing Strukturen, die die Physiologie ankurbeln und dabei einen positiven Impact auf Körper und Geist erzeugen. Ein Beispiel ist die Bereitstellung von Schaukeln im Arbeitsumfeld. Sind Mitarbeitende aufgrund einer konfliktbeladenen Situation gestresst, funktioniert die Teamarbeit oft nicht. Schaukeln können physiologische Unterstützung zur Überwindung der Situation bieten: Durch die Bewegung wird im Körper Oxytocin freigesetzt, ein Hormon, das ein offenes und kooperatives Miteinander fördert. Diese Offenheit ermöglicht den Beginn eines Dialogs, der im besten Fall zur Lösung der Situation führt. Facility Wellbeing stellt Räume bereit, die in ihrer Ausstattung besonders gut für bestimmte Aufgaben ausgestattet sind-- wie etwa Stillarbeitsplätze, Telefonkabinen oder Projektflächen mit Videokonferenzausstattung. Daneben gibt es Räume, die situativ die persönlichen Bedürfnisse von Mitarbeitenden im Blick haben: Ruhezonen, Teamaktivitätsräume oder ansprechende Sitzgelegenheiten in der Cafeteria. Mit dieser Mischung gelingt es, das jeweilige Resilienz Bedürfnis auf der richtigen Ebene zu adressieren. Im Projektmanagementalltag könnten Elemente nützlich sein, die zur Teamstärkung beitragen wie ein Kickertisch, ein Bewegungsraum für eine bewegte Auszeit oder auch ein Boxsack zum situativen Stressabbau. So stärken strategisch gesetzte Strukturen die Resilienz sowohl im Team als auch beim Individuum. Diese Beispiele verdeutlichen, dass ein gesund gestaltetes Arbeitsumfeld weit mehr ist als ein Nice-to-have; es ist ein Abbildung 6: Facility Wellbeing nach Dr. Susanne Marx Wissen | Erfolgsfaktor Resilienz: „Persönliche Kompetenz“ - oder braucht es mehr? 25 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0021 essenzieller Faktor für Leistungsfähigkeit und Resilienz. Kommen Mitarbeitende in unerwarteten Situationen rasch in den Stressabbau, finden sie schneller lösungsorientiert Wege und kommen in Handlungsfähigkeit. Der größte ROI entsteht, wenn die Maßnahmen strategisch aufeinander abgestimmt sind. So legen zielgerichtete Investitionen in das Wohlbefinden der Mitarbeitenden den Grundstein für eine resiliente, produktive und engagierte Belegschaft. Übersetzt heißt das: die Bereitstellung von Strukturen zur Resilienzstärkung sichert langfristig den Erfolg des Unternehmens. Wann ist der perfekte Zeitpunkt für die Resilienz- Entwicklung? Kurz gesagt: Jetzt! Der ideale Ansatz hängt allerdings von der spezifischen Situation und den Bedürfnissen der Organisation ab. Ist die Organisation gerade in einem großen Umbruch, ist es vielleicht sinnvoll, zunächst Sicherheit und Transparenz auf Organisations- und Teamebene zu schaffen, zum Beispiel mit einer strategisch ausgerichteten Change-Kommunikation. Ist die Organisation gerade stabil, kann der Fokus gut auf der individuellen Resilienzförderung der Mitarbeitenden liegen. Da resiliente Mitarbeitende Stress und Herausforderungen besser bewältigen, zahlt ihre Weiterentwicklung mittelbar auch auf die Team- und Organisationsresilienz ein. Flexible Ansätze auf mehreren Ebenen erzielen die besten Ergebnisse: Betrachtet man Projekt und System ganzheitlich, kann man die individuelle Resilienz stärken, teamorientierte Maßnahmen fördern und die organisatorischen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Literatur [1] Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung. https: / / www.bmz.de / de / service / lexikon / resilienz-70 564, abgerufen am 06. 03. 2025 [2] Huemer, B. P. (2016). Gesunde Menschen ind gesunden Organisationendie Wirkkraft von organisationaler Resilienz. In M. K. Hänsel, CSR und gesunde Führung. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. [3] Nuber, U. (2011). Leben mit einer dicken Haut. Psychologie heute. [4] Wehner, T. e. (2015). Organisationale Praktiken zum Lernen aus unerwarteten Ereignissen in Krankenhäusern. In H. G. M. Gartmeier, Fehler. Ihre Funktionen im Kontext individueller und gesellschaftlicher Entwicklung. [5] Brunner, I. (2022) Tiermeetingstruktur. https: / / affinitas. ch / tier-meeting-struktur, abgerufen am 06. 03. 2025 [6] Schmidt, S. (2025) Powernapping: Die Kunst des Kurzschlafs. https: / / www.allianz.at / de_AT / blog / gesundheit-vorsorge / powernapping.html, abgerufen am 06. 03. 2025 Eingangsabbildung: © iStock.com/ kieferpix Dr. Susanne Marx ist promovierte Apothekerin und Expertin für einen holistischen Gesundheits- und Well-Being Ansatz. Als Corporate Wellbeing Lead EMEA bei einem pharmazeutischen Unternehmen entwickelt sie strategische Konzepte zur Implementierung ganzheitlicher Gesundheitsansätze in Organisationen. Ihre Expertise umfasst betriebliches Gesundheitsmanagement, Resilienz Training und Prävention. Mit ihrem innovativen comfidence-Konzept, das auf den drei Säulen IDENTABILITY, NOWABILITY®️ und STRUCTABILITY basiert, fördert sie messbar das Empowerment von Mitarbeitenden und den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg. Dr. Marx ist zertifizierte Business Coach und Gast-Dozentin an der Technischen Hochschule Mittelhessen und der Philipps-Universität Marburg sowie aktives Mitglied beim Global Health Hub, eine Netzwerkorganisation des Bundesministeriums für Gesundheit. LinkedIn: Dr. Susanne Marx Internet: www.gesundcoaching.de 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 Teambildung durch Resilienzsteigerung Resilienz von Arbeitsgemeinschaften Matthias Eberspächer Für eilige Leser | Wie reagieren Projektarbeitsgemeinschaften auf innere oder äußere Krisen? Wünschenswert ist eine möglichst selbständige Neuausrichtung an den Projektzielen, ohne dass es zu einem Zusammenbruch der Projektprozesse oder einem Auseinanderfallen der Arbeitsgemeinschaft kommt. Die Autoren Stoverink und Kirkman empfehlen konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz von Arbeitsgemeinschaften. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sorgt dafür, dass sich die Arbeitsgemeinschaft zu einem Team formt. Schlagwörter | Projektgruppen, Projektteams, Zusammenarbeitsmodelle, Gruppenarbeit, Teambildung, Teamentwicklung, Projektmanagement-Beratung In einem früheren Beitrag habe ich das Resilienzmodell für Arbeitsgemeinschaften von Stoverink et al. vorgestellt [1] und die Hypothese aufgestellt, dass die Umsetzung der von den Autoren empfohlenen Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz jede Arbeitsgemeinschaft in ein Team verwandelt. Zur Überprüfung dieser These wende ich in diesem Artikel das Resilienzmodell von Stoverink et al. auf mein eigenes Modell für Gruppen und Teams an [2]. Resilienzbegriff Analog zu der Resilienz-Definition von Stoverink et al. definiere ich die Resilienz von Arbeitsgemeinschaften als die Fähigkeit aus einer Krise zurückzuspringen. Dabei vermeide ich den Begriff „Team“ den die Autoren in ihren Publikationen synonym für Gruppen und Teams verwenden. Resilienz in großen Organisationen (Unternehmen, Behörden) kann auch Widerstand gegen erwünschte oder notwendige Änderungen bedeuten und ist nicht in jedem Fall positiv zu bewerten. Resiliente Projekt arbeitsgemeinschaften sind nach der Definition in der Lage, sich als Reaktion auf innere und äußere Krisen selbständig wieder an ihren Projektzielen auszurichten. In aller Regel ist dies in Projekten eine erwünschte Eigenschaft. Wie lässt sich die Resilienz von Projektarbeitsgemeinschaften steigern? Vier Schlüsselressourcen Stoverink et al. betrachten vier Schlüsselressourcen, die die Resilienz von Teams unterstützen [3]. In einer Weiterentwicklung ihres früheren Modells [4] nennen sie diese Schlüsselressourcen „Selbstvertrauen“ („Team Confidence“), „Aktionsplan“ („Teamwork Roadmap“), „Improvisationsfähigkeit“ („Team Capacity to Improvise“) und „Psychologische Sicherheit“ („Team Psychological Safety“), s. Abbildung 1. Um einen allgemeinen Abgleich für beide Formen von Arbeitsgemeinschaften zu erlauben, lasse ich in meiner Übersetzung den Begriff „Team“ weg. 1. Selbstvertrauen in Bezug auf die Arbeitsgemeinschaft meint die gemeinschaftlich geteilte Überzeugung, dass die gesteckten Ziele erreicht und die dabei zu erledigenden Aufgaben durch die Arbeitsgemeinschaft gelöst werden können. Kirkman und Stoverink weisen explizit darauf hin, dass das Selbstvertrauen der Arbeitsgemeinschaft nicht einfach die Summe des Selbstvertrauens der einzelnen Mitglieder ist, sondern eine kollektive Eigenschaft der Arbeitsgemeinschaft darstellt [3]. 2. Unter Aktionsplan verstehen die Autoren das gemeinsam geteilte Wissen um die gemeinsamen Ziele und den individuellen Beitrag jedes einzelnen zur Zielerreichung. Dazu sollten die Mitarbeitenden ihre formellen und informellen Rollen und Zuständigkeiten kennen. Dazu gehört, dass die Mitarbeitenden mit ihren Interaktionsmustern vertraut Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 sind, und ihre gegenseitigen Stärken, individuellen Kompetenzen und Präferenzen kennen. 3. Improvisationsfähigkeit bezeichnet die Kompetenz der Arbeitsgemeinschaft mit den vorhandenen Arbeitsmitteln und Fähigkeiten auftretende Probleme in kurzer Zeit zu lösen, ohne speziell für das Problem externe Ressourcen beschaffen zu müssen. 4. Schließlich wird unter psychologischer Sicherheit ein Arbeitsklima verstanden, das es den einzelnen Mitarbeitenden erlaubt, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Gruppen oder Teams? Zu jeder Schlüsselressource empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen, um die Resilienz von Arbeitsgemeinschaften zu steigern. Diese Maßnahmen wende ich auf mein Modell für Gruppen und Teams an, das ich zunächst kurz vorstelle. Effektive Teams Gute Teams gleichen einem Schweizer Taschenmesser: Sie bewältigen vielfältige Aufgabenstellungen, passen sich flexibel an wechselnde Rahmenbedingungen an und sind in der Lage, Kompetenzlücken gemeinschaftlich zu schließen. Ein effektives Team findet selbstständig den Weg zum Ziel. Der Teamleiter übernimmt für sein Team die Rolle eines Moderators und Unterstützers. Der Projekterfolg liegt in der Verantwortung des gesamten Teams, die Teamleitung vertritt das Team gegenüber den Auftraggebern. Seine Verantwortung liegt in der Transparenz des Projektstatus nach innen und außen. Sein Führungsstil nach Kurt Lewin ist laissez-faire [5]. Effiziente Gruppen Gruppen funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Die einzelnen Zahnräder greifen perfekt ineinander, der Ablauf ist präzise festgelegt, es gibt keinerlei innere Reibung. Die Gruppe arbeitet effizient, wenn jedes Mitglied seine Rolle genau kennt und wahrnimmt sowie seine Aufgaben planmäßig erfüllt. Eine Gruppe ist ideal dafür geeignet, genau die eine Aufgabe zu bewältigen, für die sie zusammengestellt wurde. Die Gruppenleitung trägt die alleinige Verantwortung für den Projekterfolg gegenüber den Auftraggebern. Seine Hauptaufgaben umfassen die Definition der Projektstrukturen und die detaillierte Planung, einschließlich der Zuweisung spezifischer Arbeitspakete an jeden Projektmitarbeitenden. Mit der alleinigen Entscheidungs- und Weisungsbefugnis ist der Führungsstil des Gruppenleiters autoritär [5]. Auf die Plätze, fertig, los! Mein Gruppe-Team-Modell umfasst drei Bewertungsbereiche: „Aufstellung“, „Ausrichtung“ und „(Zusammen-)Arbeit“ [2] (s. Abbildung 2). Jeder der Bewertungsbereiche umfasst drei Kriterien. Zu jedem Kriterium gibt es zwei mögliche Ausprägungen: eine, die besonders für Gruppenarbeit geeignet ist, und eine, die sich gut für Teamarbeit eignet. Abbildung 3 bietet einen Überblick über alle neun Kriterien und ihre Zuordnung zu den Bewertungsbereichen. Die beiden Extremwerte jedes Kriteriums (z. B. „festgelegt & bekannt“ versus „abgestimmt und akzeptiert“) sind Endpunkte eines Kontinuums. Real existierende Arbeitsgemeinschaften nehmen in der Regel zu jedem einzelnen Kriterium einen Punkt (oder sogar eine Bandbreite) auf diesem Kontinuum ein. Grundsätzlich gilt aber: Je stärker die Ausprägungen auf der rechten Seite zutreffen, desto teamähnlicher ist die Arbeitsgemeinschaft, je weiter die Ausprägungen der linken Seite zutreffen, desto gruppenähnlicher ist die Arbeitsgemeinschaft. Abbildung 1: Das Resilienz-Modell nach Stoverink et al. Abbildung 2: Die drei Bewertungsbereiche des Gruppe / Team-Modells Abbildung 3: Die neun Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 1 Steigerung des Selbstvertrauens Kirkman und Stoverink empfehlen der Leitung von Arbeitsgemeinschaften fünf Maßnahmen zur Steigerung des gemeinsamen Selbstvertrauens: • Sicherstellen, dass Ziele und Prozesse „kristallklar“ sind, • befähigende Führung, • transformationale Führung, • ethische Führung und • Krisensimulationen. Die Durchführung dieser Maßnahmen kann sich auf die jeweiligen Kriterien des Gruppe / Team-Modells so auswirken, dass die Ausprägung für Gruppen gefördert wird (Bezeichnung „G“ in den Abbildungen), die Ausprägung für Teams gefördert wird („T“), oder neutral ist („N“). Abbildung 4 gibt einen Überblick meiner Einschätzung über die Auswirkung der fünf Maßnahmen auf alle neun Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells. Beispielhaft stelle ich die Auswirkungen von befähigender Führung („empowering Leadership“) auf die Ausprägungen aller neun Kriterien vor. Befähigende Führung überträgt Verantwortung an die einzelnen Mitarbeitenden und bindet die Arbeitsgemeinschaft in Entscheidungsfindungen ein. Auswirkungen befähigender Führung auf die Aufstellung von Arbeitsgemeinschaften Eine Gruppe benötigt klare Rollenverteilungen, sodass jedes Mitglied seinen festen Platz und Verantwortungsbereich in der Projektorganisation kennt. Diese Rollensicherheit wird am besten durch eine hierarchische Aufbauorganisation erreicht. Im Gegensatz dazu profitiert ein Team von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, was eine heterarchische Organisationsform voraussetzt, bei der alle Teammitglieder gleichberechtigt sind. Eine befähigende Führung widerspricht einer hierarchischen Aufbauorganisation. Selbst wenn eine Arbeitsgemeinschaft formal eine hierarchische Organisationsform hat, sorgt befähigende Führung dafür, dass sich die Berichts- und Entscheidungswege auf die Mitarbeitenden verlagert. Insofern fördert diese Maßnahme eine gelebte heterarchische Organisation. Unter „Kompetenzen der Mitarbeitenden“ fallen sowohl fachliche Fähigkeiten als auch Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeitenden. In Gruppen sind die fachlichen Fähigkeiten das entscheidende Kriterium für die Auswahl. Im Gegensatz dazu benötigen Teams neben fachlichen Kompetenzen auch komplementäre Persönlichkeiten. Dies ist erforderlich, um die für erfolgreiche Teamarbeit notwendigen informellen Teamrollen abdecken zu können. Eine befähigende Führung profitiert sowohl von ausreichenden fachlichen Fähigkeiten als auch von komplementären Persönlichkeiten der Mitarbeitenden. In einer bestehenden Arbeitsgemeinschaft werden durch befähigende Führung aber keine bestehenden Persönlichkeiten geändert. Die befähigende Führung ist also neutral gegenüber den Kompetenzen der Mitarbeitenden. „Diversität“ bezeichnet das Ausmaß an demografischen Unterschieden innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft. Für eine Gruppe ist eine geringe Diversität vorteilhaft. Homogene Gruppen zeichnen sich unter anderem durch eine effektivere Kommunikation, wenige interne Konflikte, eine niedrigere Krankheitsrate und eine höhere Leistung in der Umsetzung konkreter Aufgaben aus. Im Gegensatz dazu können heterogene Teams einen größeren Lösungsraum abdecken, breiter abgestimmte Ergebnisse liefern und eine größere Kreativität bei der Entwicklung neuer Ideen zeigen. Eine höhere Diversität der Arbeitsgemeinschaft erhöht vermutlich die Wirksamkeit befähigender Führung, da in die Entscheidungsfindung unterschiedlichere Standpunkte einbezogen werden als in einer homogenen Gruppe , was allerdings auch den Zeitaufwand für die Entscheidung erhöht. Andererseits hat eine befähigende Führung aber keinerlei Auswirkung auf die Diversität der Arbeitsgemeinschaft, die Auswirkung ist neutral. Abbildung 4: Auswirkungen der Maßnahmen zur Steigerung des Selbstvertrauens von Arbeitsgemeinschaften auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 16x Team (T), 29x Neutral (N), 0x Gruppe (G). Beispiel: Befähigende Führung fördert bei den Kriterien Organisation, Umgang mit Konflikten und Umgang mit Problemen und Planabweichungen die Ausprägungen (s. Abb. 3), die gut für Teams sind (T). Keine Auswirkung hat befähigende Führung auf die Kriterien Kompetenzen, Diversität, Ziele, Rollen, Zusammenarbeitsmodell und Umgang miteinander (N). Keine Maßnahme fördert die Ausprägungen, die gut für Gruppen sind (G). Details, s. Text. Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 Auswirkungen befähigender Führung auf die Ausrichtung von Arbeitsgemeinschaften Teams müssen ihre Ziele gemeinsam abstimmen oder vorgegebene Ziele zumindest akzeptieren. Eine Zielerreichung ist ohne die gemeinsame Verpflichtung des Teams unwahrscheinlich. Für Gruppen reicht es, wenn die Mitarbeitenden die Ziele kennen. Eine Verpflichtung der Gruppe oder einzelner Mitarbeitender auf die Ziele ist nicht notwendig. Die Zielerreichung von Gruppen resultiert aus der Einhaltung des Projektplans, die Kenntnis der Ziele ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Arbeit auszurichten und zu erkennen, wenn Tätigkeiten nicht zur Zielerreichung beitragen. Eine befähigende Führung sorgt für eine stärkere Auseinandersetzung der Mitarbeitenden mit den Projektzielen. Solange die Arbeitsgemeinschaft aber keine Möglichkeit hat, auf diese Ziele direkten Einfluss zu nehmen, sorgt eine befähigende Führung nicht für eine höhere Akzeptanz: Die Auswirkung ist neutral. Ein Team muss seine Rollen gemeinsam abstimmen und akzeptieren. Jede Rolle muss individuell auf die Fähigkeiten und Persönlichkeiten der Teammitglieder abgestimmt sein. Diese gemeinsame Abstimmung stellt sicher, dass die vereinbarten Rollen den Persönlichkeitsmerkmalen entsprechen und dass jeder die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der anderen kennt. Im Gegensatz dazu werden in einer Gruppe die Rollen basierend auf den fachlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden von der Gruppenleitung zugewiesen und bekannt gemacht. Dokumentierte Rollenbeschreibungen sorgen für Klarheit, Transparenz und möglichst klare Abgrenzungen der Verantwortungsbereiche. Eine befähigende Führung erhöht die Akzeptanz der eigenen Rolle und sorgt im Falle einer Fehlbesetzung für Transparenz. Befähigende Führung allein sorgt aber nicht für eine Anpassung der Rollen oder einen Abgleich mit den Persönlichkeiten, die Auswirkung der Maßnahme beurteile ich deshalb als neutral. Teams müssen ihr Zusammenarbeitsmodell gemeinsam abstimmen und akzeptieren, um sicherzustellen, dass es die Persönlichkeitsmerkmale der Teammitglieder, die vereinbarten Rollen sowie die gemeinsamen Ziele berücksichtigt. Dies fördert eine effektive Zusammenarbeit, die auf den Stärken jedes Mitarbeitenden aufbaut und unterstützt die Bildung eines gemeinsamen transaktiven Gedächtnisses (s. unten unter Improvisationsfähigkeit). In Gruppen übernimmt die Gruppenleitung die Verantwortung für das Zusammenarbeitsmodell. Sie definiert die Ablauforganisation und kommuniziert diese an die Arbeitsgemeinschaft. In einer funktionierenden Gruppe hält sich jedes Mitglied genau an seine Rollenbeschreibung, die Anweisungen aus dem Projekthandbuch sowie an die aktuellen Arbeitsanweisungen. Das Zusammenarbeitsmodell umfasst auch den Umgang mit eventuellen Kompetenzlücken. In einer Gruppe können solche Lücken durch die dauerhafte oder temporäre Hinzunahme kompetenter Ressourcen oder durch individuelle Schulungen der betroffenen Mitarbeitenden geschlossen werden. Im Gegensatz dazu lernen Teammitglieder voneinander und miteinander, wodurch das Team mit den gemeinsam bewältigten Herausforderungen wächst. Wie schon bei den Ausrichtungs-Kriterien „Ziele“ und „Rollen“, ist eine befähigende Führung mit einem abgestimmten und akzeptierten Zusammenarbeitsmodell wirksamer. Solange die Gruppenleitung aber an dem von ihr festgelegten Modell festhält, ist auch hier die Auswirkung befähigender Führung neutral. Auswirkungen befähigender Führung auf die Zusammenarbeit In einer Gruppe sollte der Umgang sachlich und aufgabenorientiert sein. Die Kommunikation zielt darauf ab, notwendige Informationen für den Arbeitsauftrag abzustimmen. Aufgrund der überschneidungsfreien und unabhängigen Einzelaufgaben sind nur wenige bilaterale Abstimmungen nötig. Offene Fragen sollten möglichst durch die Gruppenleitung geklärt werden, statt bilateral. Im Gegensatz dazu ist die Kommunikation in einem Team respektvoll, offen, ehrlich, inklusiv und wertschätzend. Kommunikation beinhaltet hier immer einen beziehungsorientierten und nur manchmal auch einen aufgabenorientierten Anteil, wobei die Klärung von Beziehungen vor der Sachklärung steht. Dieser Kommunikationsstil fördert und erhält das Vertrauen im Team. Teams und ihre Mitglieder benötigen psychologische Sicherheit, um Fehler machen zu dürfen und aus Fehlentscheidungen sowie Planabweichungen gemeinsam lernen zu können. Wieder ist befähigende Führung in einem Team wirksamer als in einer Gruppe , da die Teammitglieder die ihnen übertragene Verantwortung optimal untereinander aufteilen und sich gegenseitig unterstützen können. Befähigende Führung allein sorgt aber nicht für einen beziehungsorientierten Umgang miteinander. Befähigende Führung in einer Gruppe kann beispielsweise zu schnelleren Entscheidungen führen, wenn Mitarbeitende ohne Rücksprache mit der Gruppenleitung Verantwortung übernehmen dürfen: Die Auswirkung ist neutral. In gut organisierten Gruppen sind Beziehungskonflikte die Ausnahme. Sachbezogene Konflikte stehen im Vordergrund, und offene Konflikte sollten vermieden werden, da sie den Leistungsfortschritt behindern. Konflikte werden über ein etabliertes Eskalationsverfahren gelöst, wobei im Notfall Mitarbeitende ausgetauscht werden können. In Teams sollte jeder Konflikt offen angesprochen und im Konsens gelöst werden. Ungelöste Konflikte beeinträchtigen das soziale Gefüge des Teams und gefährden die Zielerreichung. Befähigende Führung vermeidet formale Entscheidungen durch die Leitung und ermöglicht die gemeinsame Abstimmung und Konsensfindung im Team. Die Auswirkung befähigender Führung fördert den teamartigen Umgang mit Konflikten. In Gruppen entlastet die Meldung eines Problems an die Gruppenleitung den meldenden Mitarbeitenden. Die Verantwortung für die Problemlösung oder den Umgang mit Planabweichungen liegt bei der Gruppenleitung. In einem Team sind alle Mitarbeitenden gemeinsam für die Lösung von Problemen und Planabweichungen verantwortlich, da diese die Erreichung der Team-Ziele gefährden. Nur gemeinsam können notwendige Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden. Befähigende Führung hat genau diesen teamartigen Arbeitsmodus gemeinsamer Team-Verantwortung für Probleme Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 und Planabweichungen zum Ziel: Die Auswirkung unterstützt die Teambildung. Einschätzung der Maßnahmen zur Steigerung des Selbstvertrauens Wie aus meinen Ausführungen zur Maßnahme „befähigende Führung“ hervorgeht, sind nicht alle meine Einschätzungen zu den Auswirkungen (s. Abbildung 4) eindeutig. Beispielsweise fördert eine ethische Führung auch einen respektvollen Umgang miteinander und unterstützt ein abgestimmtes und akzeptiertes Zusammenarbeitsmodell. Da aber auch ein Gruppenleiter nach ethischen Grundsätzen führen kann, habe ich die Auswirkung dieser Maßnahme insgesamt als neutral bewertet. In Summe sorgt die Umsetzung aller fünf Maßnahmen dafür, dass sich die Eigenschaften der Arbeitsgemeinschaft in 16 Fällen in Richtung der Ausprägung von Teams verschiebt, 29-mal bleibt die Wirkung neutral, in keinem Fall wird die Ausprägung für Gruppen gefördert. 2 Etablierung eines Aktionsplans Die Autoren empfehlen fünf Maßnahmen zur Etablierung eines Aktionsplans innerhalb der Arbeitsgemeinschaft: • Durchführung regelmäßiger Besprechungen, • Durchführung von Interaktionstrainings, • beteiligende Führung, • Weiterentwicklungsorientierung und • Krisensimulationen. Unter „Interaktionstraining“ verstehen die Autoren das, was gemeinhin unter „Teambuilding“ verstanden wird: Ein Training, bei dem die Etablierung und Verbesserung gemeinsamer Arbeitsabläufe im Mittelpunkt steht und nicht die Erledigung konkreter Aufgaben. Weiterentwicklungsorientierung meint die Ermutigung der Mitarbeitenden durch die Leitung, die persönliche Weiterentwicklung als erwünschten Teil ihrer Aufgabe zu sehen und dazu neue Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen. Die fünfte Maßnahme habe ich wieder „Krisensimulation“ genannt (wie schon unter „Selbstvertrauen“). Die Autoren unterscheiden hier praktische Übungen (unter Selbstvertrauen) und die Diskussion hypothetischer Szenarien (unter Aktionsplan). In beiden Fällen geht es um die Simulation möglicher Krisen und wie die Arbeitsgemeinschaft damit umgeht. Abbildung 5 zeigt meine Einschätzung über die Auswirkungen der fünf Maßnahmen auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells. Auch hier ergibt sich keine einzige positive Wirkung für die Ausprägung von Gruppen, aber in 28 Fällen eine Förderung der Ausprägung von Teams (bei 17 neutralen Wirkungen). Insbesondere die Bewertungsbereiche „Ausrichtung“ und „Arbeit“ werden durch die Maßnahmen sehr stark in Richtung „Team“ verschoben. 3 Steigerung der Improvisationsfähigkeit Zur Steigerung der Improvisationsfähigkeit werden zwei Maßnahmen empfohlen: • Bildung eines transaktiven Gedächtnisses und • Steigerung der Kreativität der Arbeitsgemeinschaft. Unter transaktivem Gedächtnis verstehen die Autoren, dass jedes Teammitglied die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten jedes anderen kennt und auch die jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale, Präferenzen und sozialen Beziehungen untereinander. Zur Steigerung der Kreativität wird unter anderem eine Förderung des Informationsaustauschs der Mitarbeitenden untereinander, die Unterstützung von Perspektivwechseln, gemeinsames Brainstorming usw. empfohlen. Abbildung 5: Auswirkungen der Maßnahmen zur Etablierung eines Aktionsplans auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 28x Team (T), 17x Neutral (N), 0x Gruppe (G) Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 Abbildung 6 zeigt meine Einschätzung über die Auswirkungen der beiden Maßnahmen auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells. Auch hier ergibt sich wieder eine starke Unterstützung der Ausprägungen von Teams (11x T, 7x N kein G). 4 Steigerung der psychologischen Sicherheit Sechs Maßnahmen empfehlen die Autoren zur Steigerung der psychologischen Sicherheit innerhalb des Teams: • Etablierung eines Klimas der Inklusion, • Verfügbarkeit der Leitung für Ideen aus der Arbeitsgemeinschaft, • offene Diskussion von Fehlern, • transformationale Führung (s. auch unter „Selbstvertrauen“), • Perspektivwechsel und • die Schaffung einer Vertrauensbasis. Abbildung 7 zeigt auch hier wieder eine sehr starke Teamausprägung (24x T, 30x N, 0x G). Beispielhaft erläutere ich die Auswirkung dieser Maßnahmen auf das Bewertungskriterium „Zusammenarbeitsmodell“. Unter einem Klima der Inklusion verstehen die Autoren die aktive Einbindung jedes einzelnen Mitarbeitenden in die Abstimmungen und Entscheidungsfindung. Im Rahmen der Festlegung des Zusammenarbeitsmodells sorgt dies für ein im Team abgestimmtes und akzeptiertes Vorgehen. Dagegen hat die reine Verfügbarkeit der Leitung für Ideen der Mitarbeitenden noch keinen direkten Einfluss auf die Abstimmung des Zusammenarbeitsmodells. Genauso steht es mit der Diskussion von Fehlern: Der Wunsch nach einer offenen Fehlerkultur kann Teil des durch die Gruppenleitung festgelegten Vorgehensmodells sein, sorgt aber nicht notwendigerweise für eine Abstimmung des Zusammenarbeitsmodells selbst. Transformationale Führung ist ein Führungsstil, der darauf abzielt, Mitarbeitende durch Inspiration, Vision und persönliche Entwicklung zu motivieren und zu höheren Leistungen zu befähigen. Führungskräfte mit diesem Stil schaffen eine emotionale Bindung, fördern Sinnhaftigkeit in der Arbeit und regen zur persönlichen Weiterentwicklung an. Eine direkte Auswirkung auf das Zusammenarbeitsmodell ergibt sich daraus aber nicht. Die Ermutigung zum Perspektivwechsel sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden sich in die Situation und Rolle der anderen Mitarbeitenden hineinversetzen. Dies hat unter anderem über ein gut abgestimmtes Rollenmodell direkten Einfluss auf die Teamprozesse. Die Etablierung einer Vertrauensbasis erfolgt nach den Autoren unter anderem durch einen vertrauensvollen, verbindlichen und wertschätzenden Umgang miteinander. Insbe- Abbildung 6: Auswirkungen der Maßnahmen zur Steigerung der Improvisationsfähigkeit von Arbeitsgemeinschaften auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 11x Team (T), 7x Neutral (N), 0x Gruppe (G) Abbildung 7: Auswirkungen der Maßnahmen zur Steigerung der psychologischen Sicherheit von Arbeitsgemeinschaften auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 24x Team (T), 30x Neutral (n), 0x Gruppe (G) Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 sondere die Verbindlichkeit und der vertrauensvolle Umgang haben direkte Auswirkung auf die Gestaltung und Detaillierung der Teamprozesse und des Zusammenarbeitsmodells. Zusammenfassung Die Anwendung der in dem Modell von Stoverink et al. empfohlenen Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz von Arbeitsgemeinschaften auf mein Gruppe / Team-Modell bestätigt die im früheren Beitrag [1] aufgestellte Vermutung, dass nur Teams wirklich resilient sind. Der Versuch, die Resilienz einer Arbeits gruppe durch diese Maßnahmen zu steigern führt fast zwangsläufig zur Bildung eines Teams. Einige Maßnahmen (z. B. Ziele und Prozesse, befähigende und beteiligende Führung, Inklusion) prägen direkt Eigenschaften aus, die ein Team explizit von einer Gruppe unterscheidet. Insbesondere die Kriterien im Bewertungsbereich Arbeit wird durch fast alle empfohlenen Maßnahmen in Richtung der Team-Ausprägungen verschoben (43x T, 9x N, 0x G). Die Resilienz von Gruppen ohne die vier Schlüsselressourcen hängt allein an der individuellen Resilienz der Gruppenleitung. Deren Aufgabe ist es, die Arbeitsgemeinschaft vor äußeren Einflüssen und Änderungen zu schützen, um die Resilienz des Projekts zu gewährleisten. Literatur [1] Matthias Eberspächer, „Sind Projektgruppen resilienter als Projektteams? “; in: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2 / 2022 [2] Matthias Eberspächer, „Auf die Plätze, fertig, los! “; in: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2 / 2023 und IAPM-Blog https: / / msg.direct/ gt (zuletzt abgerufen März 2025) [3] Bradley Kirkman, Adam Stoverink, „Unbreakable- - Building and Leading Resilient Teams“, Stanford Business Books, Stanford, 2023 (alle zitierten Textstellen sind vom Autor aus dem Englischen übersetzt) [4] Adam Stoverink, Bradley Kirkman, Sal Mistry, Benson Rosen (2020), „Bouncing Back Together: Toward a Theoretical Model of Work Team Resilience“, The Academy of Management Review, 45. 395-422. 10.5465 / amr.2017.0005 (alle zitierten Textstellen sind vom Autor aus dem Englischen übersetzt) [5] Führungsstile nach Kurt Lewin, s. z. B. bei Wikipedia https: / / msg.direct/ lewin (zuletzt abgerufen März 2025) Eingangsabbildung: msg Matthias Eberspächer Dr. Matthias Eberspächer arbeitet als Projektmanager bei msg in München und als Dozent für Programm- und Portfoliomanagement an der HAW Landshut. Sein Interesse gilt der Optimierung von Projektvorgehensmodellen, der Zusammenarbeit in Projekten sowie Methoden zur Erhöhung der Wirksamkeit von Projektmanagementberatung. eMail: matthias.eberspaecher@msg.group ORCID: 0000-0001-7600 - 1921 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0023 Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit für Projektverantwortliche in Deutschland Alexander Bull Für eilige Leser | Dieser Beitrag untersucht die Auswirkungen der zunehmenden Anforderungen an Projektverantwortliche im Kontext von Nachhaltigkeit und digitalen Veränderungen. Eine Umfrage unter beruflich aktiven Projektverantwortlichen beleuchtet, wie diese ihre berufliche und private Situation in Bezug auf soziale Nachhaltigkeit wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Projektverantwortliche trotz eines gefühlten Anstiegs der Arbeitsbelastung ihre Aufgaben durch gute Organisation bewältigen. Gleichzeitig wünschen sich viele neue Herausforderungen, während die Vielbeschäftigung teils zu Einschränkungen in sozialen Beziehungen führt. Der Beitrag liefert wertvolle Erkenntnisse zur Anpassungsfähigkeit und den sozialen Herausforderungen von Projektverantwortlichen. Schlagwörter | Projektmanagement, Projektverantwortliche, Soziale Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Herausforderungen 1. Ausgangssituation / Bestandsaufnahme Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung und beeinflusst sowohl private als auch öffentliche Bereiche. Unternehmen sind gefordert, frühzeitig notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um den wachsenden Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften gerecht zu werden. Besonders relevant sind hierbei die sogenannten ESG-Kriterien, die Unternehmen dazu anregen, sich mit den Themen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) auseinanderzusetzen [7]. In vielen Unternehmen, die im direkten Projektgeschäft mit Kunden tätig sind oder regelmäßig Organisationsprojekte durchführen, führen diese Anforderungen zu Veränderungen, die auch das Projektmanagement betreffen. Daher liegt es nahe, die Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der Projektverantwortung in diesem Kontext näher zu betrachten [6]. Diese Verantwortung ist mit sowohl positiven als auch herausfordernden Aspekten verbunden. Während erfolgreiche Kundenprojekte oder effektive Organisationsprojekte als positive Ergebnisse zu werten sind, bringen Projekte oftmals auch einen hohen zusätzlichen Aufwand mit sich, der über das tägliche Geschäft hinausgeht [4]. Zudem sehen sich Projektverantwortliche nicht nur im beruflichen Kontext, sondern auch im privaten Bereich regelmäßig mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert, die oft einen projektähnlichen Charakter tragen- - wie etwa das Erlernen einer neuen Sportart oder der Hausbau. Im beruflichen Umfeld erschwert die zunehmende Digitalisierung und der technologische Fortschritt die Zusammenarbeit und steigert die Komplexität der Aufgaben [3]. Gleichzeitig wächst die Zahl der Themen, für die Projektverantwortliche verantwortlich sind. Zeitmanagement wird somit zu einem besonders wertvollen Gut, das es sorgfältig zu managen gilt. Vor diesem Hintergrund verfolgt der Beitrag das Ziel, zu erforschen, wie Projektverantwortliche ihre aktuelle Situation wahrnehmen und sich den vielfältigen Anforderungen und Entwicklungen im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit stellen. 2. Methodisches Vorgehen Die explorative Umfrage zur sozialen Nachhaltigkeit im Projektmanagement wurde im vierten Quartal 2022 unter beruflich aktiven Projektverantwortlichen in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt. Zur Teilnahme wurde ein Link zu einem digitalen Fragebogen über den Newsletter und den LinkedIn-Account der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (GPM) verbreitet. Insgesamt wurden 108 Fra- Wissen | Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit für Projektverantwortliche in Deutschland 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0023 gebögen ausgefüllt und für die Auswertung herangezogen. Um den Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität gerecht zu werden, wurden Pretests erfolgreich durchgeführt. Die Umfrage umfasste zehn Fragen, die in vier unterschiedliche Fragetypen unterteilt sind. Der erste Fragetyp bestand aus offenen Fragen, die das Alter und Geschlecht der Teilnehmenden erfassten. Der zweite Fragetyp beinhaltete vorformulierte Aussagen (Items), die sowohl positive als auch negative Sachverhalte darstellten. Die Befragten wurden gebeten, ihre Zustimmung oder Ablehnung auf einer fünfstufigen Likert- Skala zu bewerten, wobei auch eine neutrale Option zur Auswahl stand. Der dritte Fragetyp bestand aus dichotomischen Fragen, die eine klare Unterscheidung von Eigenschaften, Erfahrungen und Einschätzungen der Befragten ermöglichten (z. B. Ja / Nein-Fragen). Der vierte Fragetyp ermöglichte offene Meinungsäußerungen der Projektverantwortlichen, wurde jedoch nicht in dieser Auswertung berücksichtigt, sondern ist Bestandteil einer weiterführenden Analyse in einem Folgebeitrag [1]. Die Auswertung der gewonnenen Daten folgt einer deskriptiven Statistik, die es ermöglicht, das aktuelle Befinden der Projektverantwortlichen im Hinblick auf soziale Nachhaltigkeit zu erfassen und zu analysieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchung dienen als Grundlage für die Analyse der offenen Fragen des vierten Fragetypen, die in einem späteren Beitrag weitergehend behandelt werden. 3. Ergebnisse und Interpretation Von den 108 erhaltenen Antwortbögen wurden 39 % von Frauen und 61 % von Männern ausgefüllt, die als Projektverantwortliche tätig sind. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liegt bei etwa 37 Jahren. Eine klare Mehrheit von über drei Vierteln der Befragten ist der Ansicht, dass sich das Leben zunehmend schneller verändert und die Anforderungen stetig steigen (vgl. Abbildung 1). Als Ursachen für dieses Gefühl kommen vor allem moderne Kommunikationsmittel wie Smartphones und Laptops in Frage, welche den Informationsaustausch beschleunigen und kontinuierliche Erreichbarkeit ermöglichen. Darüber hinaus trägt die Digitalisierung vieler Arbeitsabläufe dazu bei, dass Informationen jederzeit und nahezu überall verfügbar sind. Diese ständige Informationsflut verstärkt das Gefühl der Überforderung und führt zu der Wahrnehmung, dass immer mehr Aufgaben zu bewältigen sind. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie stark die fortschreitende Digitalisierung und die Verfügbarkeit von Informationen das tägliche Leben und insbesondere das berufliche Management von Projekten beeinflussen [2]. Die zunehmende Geschwindigkeit und Komplexität von Arbeitsprozessen fordern von den Projektverantwortlichen nicht nur eine erhöhte Anpassungsfähigkeit, sondern auch eine sorgfältige Balance zwischen Effizienz und persönlicher Belastung. Trotz des weit verbreiteten Gefühls, dass das Leben schneller wird und die Aufgaben zunehmen, zeigt sich kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dieser Wahrnehmung und der allgemeinen Einschätzung der Befragten hinsichtlich ihrer privaten und beruflichen Aktivitäten. Es gibt kaum eine Mehrheit, die sich durch zu viele Aufgaben im privaten oder beruflichen Bereich überfordert fühlt (vgl. Abbildung 2). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Projektverantwortliche in der Regel über ausgeprägte organisatorische Fähigkeiten verfügen und ihre Tätigkeiten sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich gut strukturieren. Diese gute Planung und das gezielte Zeitmanagement ermöglichen es den Befragten, den Überblick zu behalten und ihre Aufgaben effektiv zu bewältigen, ohne in eine Überforderung zu geraten. Diese Fähigkeit, das tägliche Leben und berufliche Herausforderungen zu koordinieren, könnte als eine Schlüsselkompetenz von Projektverantwortlichen betrachtet werden, die ihnen hilft, auch in einem zunehmend hektischen Umfeld ihre Leistung aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus könnte dies darauf hinweisen, dass der wahrgenommene Zeitdruck und die Informationsflut weniger ein Zeichen von tatsächlicher Überlastung sind, sondern eher eine Reaktion auf die sich ständig verändernden äußeren Rahmenbedingungen. Wahrscheinlich reduzieren genau deshalb die Hälfte der Projektverantwortlichen ihre privaten und beruflichen Projekte Abbildung 1: Das Leben verändert sich schneller und es gibt mehr und mehr zu tun Abbildung 2: Sich aufgrund der vielen Aktivitäten im Privaten und im Beruflichen überwältigt fühlen Abbildung 3: Reduktion von privaten und beruflichen Projekten Wissen | Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit für Projektverantwortliche in Deutschland 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0023 nicht (vgl. Abbildung 3). Diese Gruppe scheint aufgrund ihrer gut organisierten privaten Interessen und beruflichen Aufgaben in der Lage zu sein, ihr Zeitmanagement und ihren Workload effizient zu steuern. Ihre strukturierte Herangehensweise ermöglicht es ihnen, die Vielzahl an Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, ohne das Gefühl der Überlastung zu erleben. Auf der anderen Seite erkennt die andere Hälfte der Befragten die zunehmende Menge an Aktivitäten und ist in der Lage, diese Herausforderung zu adressieren, indem sie gezielt Projekte und damit verbundenen Aufwand sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld reduziert. Diese Gruppe trifft bewusst Entscheidungen, um ihre Aktivitäten so zu steuern, dass sie einer möglichen Überforderung entgegenwirken können. Dies zeigt, dass Projektverantwortliche eine hohe Selbstreflexion und Entscheidungsfähigkeit in Bezug auf ihre Prioritäten besitzen. Sie erkennen ihre eigenen Grenzen und nehmen aktiv Einfluss darauf, wie sie ihre Ressourcen- - insbesondere Zeit und Energie-- einteilen. Das deutet darauf hin, dass eine bewusste Balance zwischen beruflichen und privaten Anforderungen eine Schlüsselstrategie ist, um langfristig in beiden Bereichen erfolgreich und ausgeglichen zu agieren. Der Wunsch nach Veränderung ist nicht zufällig und lässt sich durch mehrere Faktoren erklären. Die heutige Informationsflut sowie der stetige mediale Einfluss wecken ständig neue Interessen und weiten den Horizont der Menschen. Dies führt insbesondere bei Projektverantwortlichen, die es gewohnt sind, sich kontinuierlich mit neuen Themen und Projekten auseinanderzusetzen, zu einem verstärkten Drang nach neuen Herausforderungen. Für diese Gruppe ist die regelmäßige Auseinandersetzung mit neuen Projekten ein wesentlicher Teil ihrer beruflichen Identität, weshalb sie auch privat Veränderungen anstreben. Fast 50 % der Befragten gaben an, dass sie gerne etwas Neues starten würden, sei es im beruflichen oder privaten Kontext. Dies verdeutlicht eine starke Neigung zur Weiterentwicklung und einem konstanten Streben nach Abwechslung, was ein wichtiges Merkmal erfolgreicher Projektverantwortlicher ist, die stets nach Optimierungsmöglichkeiten suchen. Dem gegenüber steht ein Drittel der Befragten, die mit ihrem aktuellen Tätigkeitsbereich zufrieden sind und keine Notwendigkeit sehen, nach neuen Herausforderungen zu suchen. Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Gruppe ein hohes Maß an Erfüllung und Stabilität in ihrer derzeitigen Tätigkeit findet, wodurch der Wunsch nach Veränderung geringer ist. Die Differenz in den Antworten lässt auf unterschiedliche Persönlichkeitsprofile und Lebensphasen schließen: Während einige Projektverantwortliche die Abwechslung und die Herausforderungen suchen, bevorzugen andere möglicherweise eine Phase der Konsolidierung, in der sie ihre bestehenden Aufgaben weiter optimieren und keine neuen Projekte anstreben. Insgesamt zeigt sich, dass die Motivation zu Veränderung stark mit der individuellen beruflichen Orientierung und den persönlichen Zielen der Projektverantwortlichen verknüpft ist. In Bezug auf die Frage, ob die hohe Arbeitsbelastung von Projektverantwortlichen zu einer Reduzierung der Zeit für bedeutende Gespräche mit Freunden führt, stimmten etwa 44 % der Befragten zu (vgl. Abbildung 5). 26 % äußerten sich neutral, während 30 % keine negativen Auswirkungen auf ihre privaten Konversationen mit Freunden wahrnahmen. Diese Ergebnisse spiegeln wider, dass die zunehmende Arbeitsbelastung und die damit verbundenen Anforderungen in vielen Fällen auch das soziale Leben beeinflussen. Trotzdem zeigt sich, dass eine beträchtliche Anzahl von Projektverantwortlichen in der Lage ist, diese Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Sie scheinen durch ihre ausgeprägten organisatorischen Fähigkeiten und ihre Erfahrung im Umgang mit komplexen Aufgaben im Projektmanagement in der Lage zu sein, eine Balance zwischen beruflichen Verpflichtungen und sozialen Aktivitäten zu finden. Die Fähigkeit, mit einem hohen Workload umzugehen, könnte auch auf die gute Planung und das effiziente Zeitmanagement dieser Personen hinweisen. Diese Kompetenzen ermöglichen es vielen Projektverantwortlichen, ihre beruflichen Anforderungen zu erfüllen, ohne dabei die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Qualität ihrer sozialen Interaktionen zu stark zu vernachlässigen. Die Unterschiede in den Wahrnehmungen der Befragten lassen darauf schließen, dass die individuelle Fähigkeit zur Stressbewältigung und Organisation sowie die persönlichen Prioritäten eine entscheidende Rolle spielen. Für die eine Gruppe stellen die beruflichen Anforderungen eine Herausforderung dar, die sich negativ auf ihre sozialen Kontakte auswirkt, während andere in der Lage sind, ihre sozialen Beziehungen aktiv zu pflegen, ohne sich von der beruflichen Belastung überwältigen zu lassen. Dies deutet darauf hin, dass Projektverantwortliche mit unterschiedlichen Strategien und Herangehensweisen auf die Anforderungen ihres Berufslebens reagieren, wobei ihre individuelle Resilienz und Selbstorganisation entscheidend für den Umgang mit der Balance zwischen Arbeit und Privatleben sind. Abschließend stimmt eine Mehrheit der Befragten (ca. 62 %) der Aussage zu, dass sich die Zeiten verändert haben bzw. weiterhin verändern (vgl. Abbildung 6). Diese Veränderung wird vor allem durch die zunehmend schnelleren, digi- Abbildung 4: Sich danach fühlen etwas Neues zu starten (z. B. Studieren, Yoga-Kurse, Lesegruppe etc.) Abbildung 5: Aufgrund von Vielbeschäftigung wenig Zeit für bedeutende Unterhaltungen mit Freunden haben Wissen | Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit für Projektverantwortliche in Deutschland 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0023 taleren und umfassenderen Informations- und Kommunikationswege bedingt, welche das berufliche und private Leben prägen [5]. Insbesondere technologische Neuerungen, wie die fortschreitende Digitalisierung und die Entwicklung neuer Kommunikationsplattformen, haben einen maßgeblichen Einfluss auf diese Veränderungen. Sie beschleunigen nicht nur die Art und Weise, wie Informationen verbreitet und konsumiert werden, sondern verändern auch die Dynamik, mit der Projekte bearbeitet und Entscheidungen getroffen werden (können). Diese Entwicklungen führen zu einer ständigen Anpassung und einem zunehmenden Druck, mit der Geschwindigkeit und dem Umfang der verfügbaren Informationen Schritt zu halten. Für Projektverantwortliche bedeutet dies, dass sie ihre Arbeitsweise fortlaufend optimieren müssen, um effizient zu bleiben und gleichzeitig den Überblick zu bewahren. Die digitale Transformation fordert von den Befragten nicht nur technische Fertigkeiten, sondern auch eine hohe Anpassungsfähigkeit und eine kontinuierliche Bereitschaft zur Weiterentwicklung. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die fortschreitende Veränderung der Arbeitswelt durch technologische Innovationen nicht nur die berufliche Praxis beeinflusst, sondern auch die Art und Weise, wie soziale Beziehungen gepflegt werden und wie Menschen ihre privaten und beruflichen Prioritäten setzen. Insgesamt zeigt sich, dass die technische Evolution und die damit verbundenen Veränderungen die Projektverantwortlichen zunehmend herausfordern, aber auch neue Chancen und Möglichkeiten eröffnen. 4. Fazit Die Ergebnisse der Umfrage zur sozialen Nachhaltigkeit im Projektmanagement verdeutlichen, dass Projektverantwortliche in einer zunehmend komplexeren und digitalisierten Welt operieren, die sowohl berufliche als auch private Anforderungen verstärkt. Trotz der steigenden Arbeitsbelastung und der wahrgenommenen Beschleunigung des Lebens durch moderne Technologien und Informationsflut gelingt es vielen Projektverantwortlichen, ihre Aufgaben effektiv zu managen. Dies ist vor allem auf ihre strukturierte Arbeitsweise, gutes Zeitmanagement und langjährige Erfahrung zurückzuführen. Interessanterweise zeigt sich, dass eine signifikante Anzahl der Befragten den Wunsch nach neuen Herausforderungen hat, sei es im beruflichen oder privaten Bereich. Sie streben nach Veränderung und sind bestrebt, sich ständig weiterzuentwickeln. Dennoch gibt es auch die Tendenz, dass diese Vielbeschäftigung in vielen Fällen zu einer Einschränkung von sozialen Interaktionen führt, insbesondere mit Freunden, was auf eine potenzielle Belastung der zwischenmenschlichen Beziehungen hindeutet. Trotz dieser Herausforderungen können die meisten Projektverantwortlichen die Anforderungen gut bewältigen, was auf ihre hohe Resilienz und Fähigkeit zur Priorisierung von Aufgaben hinweist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt, die durch Digitalisierung und Nachhaltigkeitsanforderungen geprägt sind, die Verantwortung von Projektverantwortlichen erheblich beeinflussen, jedoch auch zu einer stärkeren Anpassungsfähigkeit und einer konstanten Suche nach neuen Herausforderungen führen. Die Umfrageergebnisse liefern wertvolle Einblicke in diese Dynamik und unterstreichen die Notwendigkeit, im Projektmanagement sowohl berufliche als auch private Lebensbereiche nachhaltig und ausgewogen zu gestalten. Hieran anknüpfend wird auf Basis der Ergebnisse in einem weiteren Beitrag untersucht, wie insbesondere Projekte erfolgreich reduziert werden können und wodurch das Bedürfnis hervorgerufen wird, immer neue Aktivitäten bzw. Projekte anzugehen. Literatur [1] Atteslander, Peter / Ulrich, Georges-Simon / Hadjar, Andreas: Methoden der empirischen Sozialforschung. 14. Auflage. Erich Schmitt Verlag, Berlin 2023 [2] Feldmüller, Dorothee / Rieke, Tobias: Auswirkungen der Digitalisierung auf Projektmanagement (PM)-Kompetenzen und PM-Lehre. GPM e. V., Nürnberg 2019. https: / / www.gpm-ipma.de / fileadmin / user_upload / Wissen / Studien / ergebnis-auswirkung-digitalisierung-pmstudie-2019-gpm.pdf (Stand: 24. 03. 2025) [3] Harlacher, Markus / Nitsch, Verena / Mütze-Niewöhner, Susanne: Komplexität im Projektmanagement. In: Mütze-Niewöhner, Susanne et al. (Hrsg.): Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. Herausforderungen, Strategien und Empfehlungen. Springer Vieweg, Berlin 2021, Seite 55-73. https: / / doi.org / 10.1007 / 978- 3-662-62231-5 (Stand: 24. 03. 2025) [4] Jensen, Anders Fogh / Thuesen, Christian / Geraldi, Joana: The projectification of everything: Projects as a human condition. Project Management Journal 47(3)/ 2016. Seite 21-34 [5] Mütze-Niewöhner, Susanne et al.: Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. In: Mütze-Niewöhner, Susanne et al. (Hrsg.): Projekt- und Teamarbeit in der digitalisierten Arbeitswelt. Herausforderungen, Strategien und Empfehlungen. Springer Vieweg, Berlin 2021, Seite 1-30. https: / / doi.org / 10.1007 / 978-3-662-62231-5 (Stand: 24. 03. 2025) [6] Pietzner, Matthias: Driving Digital --… but Human is Key (2). In: Projektmanagement Aktuell 33(3)/ 2022, Seite 45-51. [7] Steeger, Oliver: Jetzt kommt die Nachhaltigkeit im Projektgeschäft. In: Projektmanagement Aktuell 34(3)/ 2023, Seite 4-10. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Cecilie_Arcurs Abbildung 6: War es schon immer so oder haben sich die Zeiten geändert Wissen | Entwicklung sozialer Nachhaltigkeit für Projektverantwortliche in Deutschland 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0023 Alexander Bull Alexander Bull ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Projektmanagement, Unternehmensführung und Controlling an der IU Internationale Hochschule GmbH. Er ist Experte für Programm- und Prozessmanagement und war rund 11 Jahre lang in führenden globalen Managementpositionen in der Dienstleistungs- und Automobilbranche tätig. Darüber hinaus ist er Delegierter und Forschungsbeirat der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), Mitglied der Forschungsgruppe der International Project Management Association (IPMA), Gutachter einer internationalen Projektmanagement-Fachzeitschrift, Autor einschlägiger Beiträge und Referent auf internationalen Konferenzen. Internet: https: / / www.iu.de/ hochschule/ lehrende/ bull-alexander/ eMail: alexander.bull@iu.org Die neue Buch-Reihe aus der Kooperation von UVK und der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Die Reihe behandelt insbesondere neue Fachthemen und neue Herangehensweisen in der Projektmanagementpraxis. Dabei steht der konkrete Nutzen für die praktische Anwendung im Vordergrund. Leser: innen dürfen sich sowohl auf einen Wissenszuwachs als auch Tipps für den Praxisalltag freuen. Bestellen Sie unter www.uvk.de . Projektmanagement neu denken Anzeige 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 Ein Booster für den Projekterfolg Konflikte in Projekten-- Bremse oder Katalysator? Irene Timmers Für eilige Leser | Konflikte in Projekten sorgen für Stress, Unruhe, Verzögerung und führen vielleicht sogar zum Projektabbruch. Sie sind unliebsam, störend, hinderlich und „unnötig“. Es gibt zahlreiche Modelle, Techniken und Methoden, Konflikte zu vermeiden oder sie zu lösen-- und dennoch treten Konflikte auf. Was also tun damit? Konflikte sind Zeichen, dass in Situationen Klarheit und Transparenz fehlt. Dieses Fehlen manifestiert sich in ineffizienten Organisationsstrukturen, unklaren Rollen oder Schnittstellen sowie in unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen, Werten oder ähnlichem. Wenn ich mir diese Sicht zunutze mache, kann ich erkennen, an welchen Stellen ich für mehr Klarheit und Transparenz im Projekt zu sorgen habe. Und damit schaffe ich nicht nur die Grundlage für Konfliktlösung, sondern stelle das Projekt stabil und damit nachhaltig auf. Denn wo Klarheit herrscht, kann effizient und effektiv gearbeitet werden. Schlagwörter | Konfliktprävention, Konfliktbewältigung, stabile Projektteams, Kommunikationsstruktur, Mediation, Projekterfolg sichern, Führung ohne Führungsverantwortung, Projektleitung Was sind Konflikte? Im Internet las ich eine Geschichte. Darin erzählte eine Person, dass sie eine wichtige Präsentation in Englisch halten sollte. Sie war sich unsicher in Bezug auf die Gestaltung der Präsentation und ihrer Englischkenntnisse. Ein neuer Kollege hatte sich angeboten, bei derartigen Themen zu unterstützen. Sie schickte ihm die Präsentation mit der Bitte, ihr zu helfen. Doch es kam keine Reaktion und so musste sie die Präsentation ohne Überarbeitung halten. Beim nächsten Treffen mit dem Kollegen hatte sie den Eindruck, dass er sie auslachte-- ganz nach dem Motto, „Dir habe ich es gezeigt“. Die Geschichte aus Sicht des Kollegen erzählt las sich komplett anders. Der Kollege war neu im Unternehmen und hatte ein Projekt erhalten, in das er sich einarbeitete und wollte sich damit als Neuling „beweisen“. Die Dringlichkeit des Anliegens der Kollegin war ihm nicht klar. Beim Treffen befremdete ihn das Verhalten der Kollegin und so zog er sich eher zurück und mied den direkten Kontakt. Diese Geschichte zeigt, wie unterschiedlich eine Situation wahrgenommen wird: Während es für die eine Person schon ein richtiger Konflikt ist, ist bei der anderen Person nur ein merkwürdiges Verhalten angekommen, welches nicht zugeordnet werden kann. Ab wann spreche ich von einem Konflikt? Eine Meinungsverschiedenheit, eine kontroverse Diskussion ist noch kein Konflikt. Unterschiedliche Meinungen haben ihre Berechtigung und können nebeneinander bestehen. Wenn sich zwei Menschen lautstark streiten, Schimpfwörter verwenden und mit hochroten Köpfen in unterschiedliche Richtungen auseinandergehen, und dies immer wieder passiert, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese einen Konflikt miteinander haben. Und es gibt Konflikte, die nicht so offen nach außen getragen werden. Sie zeigen sich in Sekundärhandlungen. Beispiele sind: häufige, kurze Krankmeldungen, bestimmte Sätze in Kontext mit anderen Personen (z. B. „War ja klar, dass die / der- …“), Termine, die nicht eingehalten werden- … Die Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 einzelnen Verhaltensweisen an sich sind nicht „schlimm“. Sie wirken durch die Häufung und die Konzentration auf die anderen Konfliktbeteiligten. Ob ich mich in einem Konflikt befinde, hängt von der eigenen Betrachtungsweise und der Sicht der anderen Konfliktpartei(en) ab. Wie erkenne ich einen Konflikt? Es fällt schwer, insbesondere zu Beginn, derartige Entwicklungen zu erkennen, um bereits in diesem frühen Stadium einem Konflikt entgegenzuwirken. Konflikte bewegen sich gemäß den Eskalationsstufen von Glasl in einer Abwärtsspirale und verhärten sich, wenn Lösungsversuche immer wieder scheitern. Es entwickelt sich ein System, in dem die Beteiligten einem gewissen Muster folgend mehr und mehr das Vertrauen zum*zur Konfliktpartner*in verlieren. In den daraus entstehenden Glaubenssätzen werden bestätigende Handlungen des*der Konfliktpartners*Konfliktpartnerin gesucht. Die Konfliktparteien sind damit beschäftigt, sich abzusichern, einen Imageverlust zu vermeiden, sich Verbündete zu holen oder Fakten zu schaffen, um die eigene Position zu untermauern. Eine zeitraubende und kräftezehrende Arbeit, in der sie immer tiefer in die Spirale geraten. Durch die Fokussierung auf diese Bestätigungshandlungen verengt sich zudem der Blickwinkel („Das war ja klar, dass er mich wieder übergeht“). Mögliche Optionen, diesen Konflikt zu lösen werden damit gar nicht mehr wahrgenommen. [1] Die Werkzeuge zum Erkennen derartiger Entwicklungen, insbesondere in der Anfangsphase bieten auch gleichzeitig einen Lösungsweg bzw. sind die Grundlage zur Vermeidung einer weiteren Eskalation und Entwicklung eines Konfliktes: Zuhören. Person A sagt: „Ich mach das schon.“- - Person B denkt: „Will der Kollege mir damit sagen, dass ich nicht in der Lage bin, das zu erledigen? “ Das könnten typische Gedanken sein. Wenn ich den Raum habe, dann kann ich darüber nachdenken: was macht die Aussage mit mir? Welches Gefühl steigt hier gerade hoch? Und ich kann dieses Gefühl spiegeln oder einfach nachfragen: „Warum möchtest Du die Aufgabe übernehmen? “ Diese Frage eröffnet einen Austausch und vielleicht erfahre ich dann, dass der Kollege ganz andere Beweggründe hat, als ich vermutete. Ein achtsamer Umgang mit mir selbst, mit meiner Umgebung, eine respektvolle und wertschätzende Kommunikation und eine darauf ausgerichtete Struktur (Organisation und Kommunikation) schaffen den Raum, in einen Austausch zu kommen und für Klarheit und Transparenz zu sorgen. Andere Sicht auf Konflikte Das Eisbergmodell von Paul Watzlawick zeigt modellhaft auf, dass in der Kommunikation zwischen Menschen ein kleiner Teil verbal und konkret ausgetauscht wird. Dies sind Informationen wie Zahlen, Daten oder Fakten (wir müssen den Kunden über die Entwicklung informieren <-> wir klären dies unter uns). Hier wird von der sichtbaren Sachebene gesprochen. Der weitaus größere Teil der Kommunikation findet in den Köpfen der Gesprächsteilnehmer*innen statt. Er findet Ausdruck in der Haltung, die sich wiederum in Mimik, Gestik oder im Tonfall zeigt (mein Wert der Ehrlichkeit ist mir wichtig <-> Ich habe ein Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit). Hier wird von der nonverbalen Beziehungsebene gesprochen. Ein Konflikt, der auf der Sachebene ausgetragen wird, hat nach dem Modell seine Ursache in einem unterschiedlichen Standpunkt innerhalb der Beziehungsebene. Bspw. kann dies ein unterschiedliches Nähe-Distanz-Bedürfnis sein. Eine Armlänge Abstand halten viele Menschen als eine Distanz zu einer anderen Person, die sie als angenehm empfinden. Wird diese Distanzlänge überschritten oder unterschritten, kann dies die Person stressen. Ihr Anliegen wird sein, die Wohlfühl-Distanzlänge wieder herzustellen. Hat die andere Person eine andere Wohlfühl-Distanzlänge, kann dies zu einem „Distanzlängen- Tanz“ führen. Je nach Erfahrungen, Bedürfnissen, Wünschen, Gelassenheit der Beteiligten führt dies in einen Konflikt, in dem den Beteiligten das unterschiedliche Distanz-Bedürf- Abbildung: Ein Jack Russell auf einem Ast stehend. Oder ist es doch nur ein mit Moos bewachsener Ast? Es gibt verschiedene Ansichten zu einer Situation Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 nis nicht bekannt ist. Der Konflikt wird auf der Sachebene zu einem ganz anderen Thema ausgeführt. Die Beziehungsebene stellt alles das dar, was eine Person ausmacht: Motive, Emotionen, Werte, Glaubenssätze, Erwartungen, Erfahrungen oder auch Instinkte, Triebe, Stimmungen und Traumata. Beschäftige ich mich mit dieser Ebene, lerne ich etwas über die andere Person. Das hilft mir, die konfliktäre Situation anders zu betrachten und mit der Reaktion der anderen Person anders umzugehen. Denken wir die obige Situation weiter: Die Person A steht gerade privat enorm unter Druck. Zusätzlich steht sie im Projekt enorm unter Druck, weil gerade vieles aus dem Ruder zu laufen droht. Ein Jobverlust wäre verheerend und die Erledigung dieser Aufgabe bedeutet einen wichtigen Schritt zur positiven Entwicklung im Projekt und damit hin zu mehr Sicherheit für die Person A. Wenn ich als Person B, die die Aufgabe erledigen sollte, darum weiß, ist es für mich nachvollziehbar, dass sie die Aufgabe selbst erledigen möchte-- weil so viel davon abhängt. Konflikte als Mehrwert So unschön ein Konflikt im Moment des Konfliktes sein mag, er bietet eine Chance: Ein Konflikt • weist auf Probleme hin: da ist etwas nicht klar und transparent, da ist etwas ungelöst. • verlangt nach Lösungen: um den Konflikt loszuwerden, braucht es Lösungen. • regt Interesse an: ich interessiere mich für die andere(n) Person(en) und deren Beweggründe / Ansichten. • fordert Kreativität: ich brauche Ideen, um eine Lösung zu finden. • fördert Motivation: ich habe ein Interesse daran, den Konflikt zu lösen, denn er kostet mich Zeit und Kraft. • festigt die Gruppe: die Personen setzen sich mit sich und dem Gegenüber auseinander und kennen sich danach ein Stück besser. • verhindert Stagnation: zur Lösung eines Konfliktes bedarf es einer Veränderung und damit einer Entwicklung. • Wurzel der Veränderung: Eine Situation, eine Struktur, die funktioniert, wird nicht einfach verändert. Erst wenn etwas unangenehm, nicht mehr passend oder hinderlich ist, verändere ich etwas. Konflikte sind unangenehm und zeigen auf, dass etwas nicht passt und stehen meist am Beginn einer Veränderung. Und darum sind Konflikte wertvoll. Wie gehe ich mit Konflikten um Viktor Frankl sagte „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ [2] Wie ich mit einem Konflikt umgehe, ist eine Frage der Haltung. Nehme ich den Reiz meines Gegenübers auf und spiele ihn weiter? Antworte ich genau darauf und gehe in die Widerrede? Und schüre damit das Potenzial zur Eskalation? Oder spüre ich in mich hinein und überlege, was mich an dem, was mein Gegenüber gesagt oder getan hat, gerade so bewegt, so „triggert“? Und frage nach: „Wie hast Du das gemeint? Habe ich das richtig verstanden, dass- …? “ Oder spiegele mein Gefühl: „Das macht mich gerade wütend, durcheinander, sprachlos-…“? Ein Beispiel Das Teammitglied Paul hat die Aufgabe, Ihnen Informationen bis zu einem bestimmten Termin zu liefern. Diese wollen Sie in eine Präsentation bauen, die sie am folgenden Tag vor dem Lenkungsausschuss vorstellen. Paul meldet sich an dem Termintag krank und gibt keinerlei Informationen zum Stand der Bearbeitung der Aufgabe. Sie finden im gemeinsamen Datenpool keine Informationen dazu. Sie erledigen die Aufgabe gemeinsam mit einem anderen Kollegen. Sowohl beim Kollegen als auch bei Ihnen bleiben wichtige Aufgaben liegen. Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas mit Paul passiert. Kennen Sie derartige Situationen? Fangen Sie schon innerlich an zu kochen? Wie gehen Sie damit also um? Wir denken die Situation weiter: Handelt es sich um einen Konflikt? Aus der eigenen Sicht betrachtet, könnte es durchaus sein, dass Sie die Situation bereits als konfliktär betrachten. Wie steht es mit Paul? Das wissen Sie nicht, da Ihnen seine Sichtweise fehlt. Der Kollege kommt zwei Tage später wieder zur Arbeit und Sie sprechen mit ihm: Variante 1: Sie: „Hey Paul, das war ja wohl nichts am Montag! Ich hätte dringend die Informationen für die Präsentation für den Lenkungsausschuss benötigt. Jetzt durften Hans und ich uns darum kümmern. Das war eigentlich Deine Aufgabe.“ Paul: „Scheint ja trotzdem funktioniert zu haben.“ Sie: „Darum geht es nicht. Es war Deine Aufgabe und das ist auch nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Ich muss mich drauf verlassen können, dass Aufgaben zuverlässig und termingerecht erledigt werden.“ Paul: „Hey Mann, ich kann doch nichts dafür, wenn ich ausfalle. Das war keine Absicht.“ Sie merken, Paul weicht aus, und am Ende wissen Sie immer noch nicht, was er für eine Sichtweise auf die Situation hat. Sie haben wahrscheinlich den Eindruck, dass es ihm egal ist und sie werden vermutlich noch unzufriedener. Sie haben das Gefühl, Paul nicht erreichen zu können. Warum? Weil Sie nicht Ihre Sicht schildern, sondern ihm sein Verhalten vorwerfen. Variante 2: Sie: „Hey Paul, schön, dass Du wieder da bist. Wie geht es Dir? Paul: „Wieder ganz ok.“ Sie: „Das freut mich zu hören. Ich möchte mit Dir über die Aufgabe sprechen, die Du bis Montag zu erledigen hattest. Die Aufgabe beinhaltete die Bereitstellung von Informationen, die ich für die Präsentation für den Lenkungsausschuss am Dienstag benötigte. Da ich keine Informationen dazu gefunden habe, mussten Hans und ich am Montag recherchieren und Deine Aufgabe übernehmen. Sowohl bei ihm als auch bei mir sind dadurch wichtige Aufgaben liegen geblieben. Das hat mich sehr geärgert.“ Paul: „Das war mir nicht bewusst, dass die Aufgabe so dringend war.“ Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 Sie: „Ok, ich nehme wahr, dass ich zukünftig klarer und transparenter die Dringlichkeit mitteile. Mir ist wichtig, dass mir bei Krankmeldung der Bearbeitungstand der Terminaufgaben und der Ablageort der bisherigen Ergebnisse mitgeteilt werden. Ist das ein Punkt, bei dem Du mitgehen kannst? “ Paul: „Ja, das kann ich machen.“ Sie: „Schön. Dann lass uns das für die Zukunft vereinbaren und ich schreibe es in-… Mir ist aufgefallen, dass Du in letzter Zeit häufiger ausfällst. Kann ich hier etwas für Dich tun? Gibt es etwas, was Du mir sagen möchtest? “ In der zweiten Variante haben Sie Paul „abgeholt“, in dem Sie zunächst Ihre Beobachtung schildern: Informationen fehlten, Mehrarbeit für Sie und den anderen Kollegen. Und im Anschluss erzählten Sie, wie es Ihnen damit geht: Sie sind verärgert. Und damit geben Sie Paul die Chance zu verstehen, was passiert ist (denn er war ja krank und hat es nicht mitbekommen) und darauf zu reagieren. Mit der Vereinbarung schaffen Sie die notwendige Klarheit, wie in Zukunft diese Verärgerung vermieden werden kann. Und im zweiten Schritt öffnen Sie den Raum, ins Gespräch zu kommen und vielleicht herauszufinden, was die Beweggründe für Paul sind, so zu handeln, wie er bisher gehandelt hat (häufige Ausfälle, nicht mitteilen, wie der Stand der Aufgabe ist). Die Situation zeigt, dass mein Gegenüber häufig gar nicht mitbekommt, dass sein oder ihr Verhalten etwas bei Ihnen ausgelöst hat, dass bei Ihnen etwas aus dem „Unterwasserbereich des Eisbergmodells“ berührt hat, ein Bedürfnis, ein Interesse, einen Wert oder etwas anderes verletzt hat. Indem ich dies transparent mache, schaffe ich den Raum und damit die Möglichkeit, dies als Gegenüber zu realisieren. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ich mir dessen bewusst bin, dass hier etwas verletzt wurde. Und dafür braucht es diesen Raum, von dem Viktor Frankl spricht. Den Raum, einen Augenblick innezuhalten, bei sich zu bleiben und sich Gedanken zu machen, was hier gerade passiert-- in mir und mit mir. Den Raum aufspannen Und dafür benötige ich eine entsprechende Atmosphäre und den Raum, so etwas tun zu können. Mit der Variante 2 aus dem obigen Beispiel spannen Sie einen derartigen Raum auf. Indem Sie als Vorbild vorangehen und eine Kommunikationsform (vor-)leben, die eine offene Aussprache erlaubt. Indem Sie die Zeit einräumen, einander zuzuhören, das Gehörte zu betrachten und offen darüber zu sprechen, wie es einem mit der jeweiligen Situation geht. Dazu bedarf es Vertrauen. Und genau das bauen Sie auf, indem Sie als Beispiel, als Vorbild vorangehen. Und indem Sie überlegen, was sie tun können, um dem Gegenüber zu helfen, die Situation aus Ihrer Sicht zu sehen und so zu handeln, dass diese Situation zukünftig vermieden wird. Modelle und Methoden einsetzen zur Konfliktlösung Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, mit bestehenden Konflikten umzugehen. Ein Modell, welches ich gerne einsetze in Teamkonflikten und auch in der Konfliktprävention, ist das Riemann-Thomann-Modell. Menschen zeigen in ihrem Verhalten unterschiedliche Grundausrichtungen in unterschiedlicher Ausprägung. Die nach Riemann und Thomann vier Grundausrichtungen verhalten sich gegensätzlich zueinander. Die Menschen zeigen meistens zwei Richtungen bzw. Bedürfnisse oder auch nur eine, die maßgeblich für ihr Empfinden und Verhalten sind und damit auf ihre Kommunikation und Beziehung zu anderen Menschen Einfluss haben. [3] Die Teammitglieder sich innerhalb des Riemann-Thomann- Kreuzes aufstellen zu lassen, kann sehr aufschlussreich sein: in Hinblick auf die Teamzusammensetzung und auf Konflikte. Teamzusammensetzung: • Ein Bereich wird durch das Team nicht „abgedeckt: Wie geht das Team damit im Alltag um? Springt hier immer jemand ein, um diese Lücke zu füllen? Sorgt dieses Fehlen für Konflikte oder Reibereien? Abbildung 2: Indem ich transparent und klar meine Sichtweise kommuniziere, öffne ich einen Raum, in dem sich meine Gesprächspartner sicher fühlen, sich ebenfalls öffnen und (wieder) Vertrauen fassen Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 • Ein Bereich ist „überbelegt“: Wie fühlen sich die Teammitglieder in diesem Bereich? z. B. beengt oder wohl? • Die erste Situation kann dafür sorgen, dass sich jede*r freizustrampeln versucht und es dadurch leicht zu Konflikten kommen kann. Es bedarf an dieser Stelle vielleicht eine sehr klare und transparente Abgrenzung, die bisher fehlt. • Im zweiten Fall kann es sein, dass das Team wenig Veränderungsbereitschaft zeigt und sich damit nicht entwickelt. Konfliktbearbeitung: • Einzelne Teammitglieder stellen die Kolleg*innen so hin, wie diese Person es sieht. Häufig sehen sich die Personen in der Eigenansicht anders als in der Fremdansicht. Dies eröffnet Raum zum Austausch. • Es kann auch sein, dass Teammitglieder sich an eine Stelle innerhalb des Kreuzes aufstellen, die sie innehaben im Team, die jedoch nicht ihren Bedürfnissen entsprechen. Man kann die Teammitglieder sich auch so aufstellen lassen, wie sie es gerne hätten. • Auch die Punkte aus der Teamzusammensetzung dienen hier zur Konfliktbearbeitung. Wenn Unter- oder Überrepräsentanz vorhanden sind, gibt es ein Ungleichgewicht, dass zu Konflikten führen kann. Welcher Weg für welchen Konflikt Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Konflikte zu vermeiden und Konflikte zu bearbeiten. Ich als Vorbild Ich kann mein Verhalten ändern und einen bestimmten Rahmen setzen. Ich habe vor einiger Zeit Menschen in einem Training begleitet, die es gewohnt sind, körperlich zu arbeiten. Das Training war interaktiv gestaltet und Ergebnisse aus Gruppenarbeiten wurden an der Metaplanwand gemeinsam besprochen. Für mich ist es nicht selbstverständlich, dass diese Menschen sich nach vorne stellen und etwas präsentieren. Ich habe dies wertgeschätzt und mich bei jedem Einzelnen bzw. der jeweiligen Gruppen bedankt. Nach zwei Tagen wechselte der Trainer und ich durfte die Gruppe weiterhin als Hospitantin begleiten. Ein Unterschied im Training war, dass sich der Trainer bei den Teilnehmenden nicht bedankte. Und da passierte etwas in meinen Augen wundervolles: Als ein Teilnehmer, der auch bei mir im Training sehr still war, etwas vortrug, sagte ein anderer Teilnehmer: „Das hast Du toll gemacht“ und hat geklatscht. Und beim nächsten Vortragenden klatschte die gesamte Gruppe. Was war passiert? Die Teilnehmer hatten meine Wertschätzung wahrgenommen und als angenehm empfunden. Als dies nicht mehr erfolgte, ergriffen sie die Initiative. Sie übernahmen Eigenverantwortung und sorgten für sich selbst. Indem ich also als Vorbild agiere, indem ich mir überlege, was ich ändern kann, wirke ich nach außen. Das dauert manches Mal ein wenig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es funktioniert. Und „Danke“ sagen ist eine kleine Geste, die sich schnell in den Alltag einbauen lässt und die meine Wertschätzung zeigt. Abbildung 3a: Riemann-Thomann-Modell: Riemann-Thomann-Kreuz mit Ausprägungen Abbildung 3b: Riemann-Thomann-Modell: Team mit „Unterbelegung“ im Riemann-Thomann-Kreuz Abbildung 3c: Riemann-Thomann-Modell: Team mit „Überbelegung“ im Riemann-Thomann-Kreuz Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 Gemeinsame Gestaltung des Zusammenarbeits- Raumes Wie das Beispiel oben mit dem Ausfall von Paul zeigt, sind in der Zusammenarbeit Vereinbarungen hilfreich. Ich baue ein Verständnis dafür auf, was mein Gegenüber braucht, um mit mir gut zusammenzuarbeiten. Und gemeinsam getroffen ist die Verbindlichkeit einer Vereinbarung hergestellt. Denn wenn die Vereinbarung gemeinsam erarbeitet ist und ich mich darin wiedererkenne, halte ich mich eher daran, als wenn jemand anderes es vorgibt. Mediation Und manches Mal reicht das nicht aus. Dann braucht es eine Mediation. Ein Schritt davor ist eine Konfliktmoderation. Bevor ich als Projektleitung einen Konflikt moderiere, stelle ich mir die Frage, inwieweit ich Betroffene bin. In einer Supervision erzählte eine Führungskraft, dass sie einen Konflikt zwischen zwei Mitarbeitenden mediierte und es stellte sich heraus, dass durch eine andere Form der Führungsarbeit der Konflikt gelöst werden könnte. Damit war sie Teil des Konfliktsystems. Sowohl bei der Moderation als auch der Mediation ist Allparteilichkeit eine notwendige und hinreichende Voraussetzung. Und Allparteilichkeit ist nicht gleich unparteiisch. Als Mediatorin sorge ich dafür, dass alle Konfliktparteien ausreichend Gehör finden, dass sie einen geschützten Raum bekommen, in dem sie davor bewahrt werden, verletzt zu werden, in dem sie die Möglichkeit haben, zu sprechen, miteinander zu sprechen und die Sprechanteile ausgeglichen sind- - nicht im mathematischen Sinne, sondern für die Beteiligten ausgeglichen. Wenn ich also das Gefühl habe, diese Allparteilichkeit nicht herstellen und wahren zu können, ist es sinnvoll, eine externe Person hinzuzuziehen. Mediation schafft den Raum für die Konfliktparteien, aus einer anderen Perspektive auf den Konflikt zu schauen und Lösungen zu erarbeiten, die alle Seiten bereit sind zu tragen und zu leisten. Fazit Wenn Menschen zusammenarbeiten, dann „menschelt“ es. Ich kann das als störend und hinderlich betrachten. Und ich kann es als sinnvoll und hilfreich betrachten. Ein Konflikt kann eine enorme Kraft entwickeln. Und es lohnt sich, diese aufzugreifen. Wenn ich damit bewusst arbeite, kann ich diese Kraft besser steuern und dort einsetzen, wo sie mir hilft, das Projekt stabil zu halten. Ich bleibe damit in der Handlungsfähigkeit und schaffe damit einen Raum des Vertrauens, den es braucht, um ein Miteinander zu gestalten Abbildung 4: Die Kraft eines Konfliktes aufzugreifen und bewusst damit zu arbeiten, sichert die eigene Handlungsfähigkeit und den Projekterfolg Irene Timmers Irene Timmers ist zertizierte Mediatorin, Projektmanagerin und Systemischer Coach sowie Agile Coach Mit ihrem Unternehmen Balanceakt (www.balanceakt.life) unterstützt sie Unternehmen und Menschen, in der heutigen Zeit neue Wege zu gehen und Hindernisse wegzuräumen-- mit dem Ziel, dass die Menschen zukünftig selbstständig den Balanceakt schaffen und Ihr Leben wieder farbenfroh ist. und zu entwickeln. Mit jedem gelösten Konflikt, mit jeder gemeinsamen Vereinbarung erweitere ich diesen Raum des Vertrauens und damit den Projekterfolg. Literatur [1] Die Mediation, 04 / 2023, Timmers, Irene: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne-- Mediation in der Konfliktbewältigung, S. 36-39 [2] https: / / www.aphorismen.de / zitat / 72 505, https: / / gutezitate.com / zitat / 146 403 [3] Das Quartett der Persönlichkeit: Das Riemann-Thomann- Modell in Beziehungen und Konflikten Eingangsabbildung: © iStock.com / fizkes Fotos: Irene Timmers 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 Konflikte im Projekt Merle Runge Für eilige Leser | Konflikte in Projekten kosten Zeit und Energie, bieten aber auch enormes Potenzial für Innovation und Teamentwicklung. Der Artikel zeigt, warum sie ein natürlicher Teil des Projektalltags sind und wie sie gewinnbringend genutzt werden können. Von unklaren Rollen und gegensätzlichen Interessen bis zu kulturellen Missverständnissen wird beleuchtet, welche Ursachen es gibt und wie sich Eskalationen vermeiden lassen. Rollendefinition, Spannungsarbeit und psychologische Sicherheit helfen, Konflikte erfolgreich zu entschärfen. Außerdem erfahren Sie, wie Konflikte auf Entscheider- oder Organisationsebene das Projekt beeinflussen und wie sich auch komplexe Streitsituationen souverän klären lassen. Er bietet praxisnahe Beispiele und gibt Einblicke, wie Sie frühzeitig eingreifen, Konfliktgespräche sinnvoll strukturieren und den Teamzusammenhalt stärken. Schlagwörter | Konfliktmanagement, Projektmanagement, Rollenklärung, Spannungsarbeit, psychologische Sicherheit, Eskalationsvermeidung, Teamentwicklung, Grundkraftprozess Wenn Konflikte in der Projektarbeit aufkommen, stören sie erst einmal. Sie kosten Zeit und Energie. Die Komplexität steigt. Die Betroffenen fühlen sich mindestens unwohl. Teil eines Konflikts zu sein ist für die meisten Menschen belastend. Dabei ist selten bewusst, dass Konflikte ein Teil davon sind, wenn etwas Neues entsteht. Das ist das Kennzeichen von Projekten. Konflikte sind wertvolle Hinweisgeber auf ungelöste Themen. Bei gutem Umgang können sie jedes Projekt bereichern und die Beteiligten stärken. Dieser Artikel soll Ihnen neue Perspektiven und neues Handwerkszeug zum hilfreichen Umgang mit Konflikten in Ihrer Arbeit geben. Dies gilt insbesondere in Veränderungsprojekten. So können Sie Ihre Projekte leichter zum Erfolg führen. Konflikte im Projektteam Oberflächlich wirken alle Konflikte ähnlich. Zwei oder mehr Personen streiten sich. Je weiter der Konflikt eskaliert, desto schlechter benehmen sie sich. Das schlechte Benehmen wird dann den Personen zugeschrieben. Tatsächlich ist es aber ein Zeichen für den Eskalationsgrad: Hier wird schon deutlich, dass schnelles Einschreiten gefragt ist. Warten Sie nicht darauf, dass sich der Konflikt von selbst erledigt. Das passiert nahezu nie. Handeln Sie, sobald Sie ein Missverständnis, eine Irritation oder einen Konflikt wahrnehmen. Je eher Sie handeln, desto leichter ist der beginnende Konflikt zu lösen. Die Beteiligten und Sie selbst sind emotional noch nicht so angefasst und können souverän mit der Situation umgehen. Abbildung: Eskalationsstufen nach Glasl Wissen | Konflikte im Projekt 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 Konflikte in Projekten äußern sich meistens auf der persönlichen Ebene. Die Ursache liegt aber oft woanders. Daher ist es wichtig, nach der Klärung eines persönlichen Konfliktes auch die dahinterliegende Ursache zu beseitigen. Für die Identifikation bieten sich folgende Prozessebenen im Projekt an: Typische Konfliktursachen auf der inhaltlichen Ebene (Produktentstehungsprozess) Im Projektteam kommen Menschen unterschiedlicher Fachrichtung aus verschiedenen Organisationseinheiten zusammen. Darum bringen die Teammitglieder verschiedene Interessen und oft verschiedene professionelle Werte mit. Bei internationalen Projekten kommen oftmals auch verschiedene kulturelle Werte hinzu. Das beeinflusst, welche Ergebnisse oder Zwischenergebnisse sie auf der inhaltlichen Ebene richtig und wichtig finden. So wird dem Vertriebsmitarbeiter in einem Projekt zur Neuentwicklung einer Vertriebs-Software vor allem eine hohe Benutzerfreundlichkeit wichtig sein. Der IT-Fachfrau geht es vor allem um Umsetzbarkeit in der gegebenen IT-Struktur sowie um eine aufwandsarme Wartung nach der Einführung. Wird eine der beiden Personen mit ihrem Anliegen oder ihren Bedenken nicht gehört, entsteht schnell ein größerer Konflikt. Dieser kann dazu führen, dass diese Person sich aus der Projektarbeit zurückzieht. Dies geschieht oft nur innerlich. Typische Ursachen im Planungs- und Controllingprozess Die Projektleiterin plant, wann welche Aufgaben von wem erledigt werden sollen. Sie prüft, inwieweit es wegen Planabweichungen nötig ist, die Pläne anzupassen. Unklare Rollen und Verantwortlichkeiten sind ein Hauptgrund für Konflikte. Dies gilt nicht nur in der Projektarbeit. Sie führen zu enttäuschten Erwartungen und zu Empörung, weil jemand „in meinem Garten wildert“. Die Projektarbeit wird von den Teammitgliedern oft neben ihrer normalen Linientätigkeit geleistet. Dies gilt insbesondere in Transformationsprojekten. Sie kommt also zusätzlich hinzu. Sind den Mitarbeitenden Projektnutzen und -ziele unklar, schwindet bald die Motivation. Diese ist aber für die zusätzliche Anstrengung nötig. In der Folge erscheinen sie unpünktlich oder gar nicht zu Projektmeetings. Oder sie erledigen ihre Aufgaben halbherzig, zu spät oder gar nicht. All dies kann zu Konflikten führen. Typische Ursachen auf der Teamentwicklungs- Ebene Durch die verschiedenen Herkünfte sprechen die Teammitglieder unterschiedliche Sprachen. Was der IT-Fachmann sagt, ist für die Person aus der Rechtsabteilung vermutlich schwer zu verstehen. Umgekehrt ist es meistens genauso. So entstehen erste Missverständnisse. Diese können schnell eskalieren, wenn sie nicht zügig geklärt werden. Auch das Verhalten ist meistens sehr verschieden. So ist es in der einen Abteilung vielleicht normal, sich gegenseitig zu unterbrechen. In der anderen Abteilung gehört sich das gar nicht. In der einen Abteilung zieht man sich bequem an, um alle Energie für die Arbeit geben zu können. In der anderen Abteilung bedeutet jede andere Kleidung als ein formeller Anzug eine Respektlosigkeit. Hinzu kommt, dass die Bedürfnisse der Mitarbeitenden von Person zu Person ganz unterschiedlich sind. Wenn die Teammitglieder nicht verstehen, warum sich jemand anders verhält als sie selbst, kann dies ebenfalls schnell zu Konflikten führen. Wie kann ich unnötigen Konflikten im Team vorbeugen? Hilfreich ist es, dem Team bewusst durch die Teamentwicklungsphasen zu helfen. • In der Orientierungsphase bedeutet das, dem Team ausreichend Zeit zum Kennenlernen zu lassen. Geben Sie Raum dafür, dass sich die Teammitglieder auch über ihre Interessen bezogen auf das Projekt austauschen können. Unterschiedliche Werte sollten thematisiert werden können. • Vermitteln Sie dem Team klar Ziele und Nutzen des Projektes. Sollten Sie nicht agil vorgehen, laden Sie dazu am besten den Auftraggeber ein. Verständnis von Ziel und Nutzen erhöht die Motivation. Ebenso steigert der Kontakt zum hierarchisch höher stehenden Auftraggeber die Motivation. Geben Sie dann ausreichend Zeit, Fragen zum Auftrag zu klären und Bedenken zu äußern. • In der Konfliktphase sorgen Sie für eine frühzeitige Bearbeitung von Konflikten. Nehmen Sie Kritik an Ihnen selbst als Hinweis, dass das Team in der Konfliktphase angekommen ist. Abbildung: Projektprozessebenen, inspiriert von Daniela Mayrshofer Wissen | Konflikte im Projekt 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 • In den ersten Sitzungen finden sich Menschen oft automatisch in Rollen ein. Diese möchten sie aber nicht dauerhaft einnehmen. Ein Teil der Konflikte entsteht darum auch daraus, dass die Teammitglieder alte Rollen loswerden möchten. Beispiele für solche Rollen sind der Pünktliche, die Zuverlässige, der Vermittelnde oder die Sture. Die Teammitglieder möchten in neue Rollen schlüpfen. Wenn Sie können, unterstützen Sie dies. • In der Regelungsphase findet das Team neue Vereinbarungen. Diese entstehen auf der Basis der Konflikte in der vorherigen Phase. Hier können Sie das Team unterstützen, indem Sie Reflexionsfragen stellen. Weitere Ideen zum Vorbeugen: • Sorgen Sie in Ihren Meetings dafür, dass die nächsten Schritte klar sind. Ebenso sollte deutlich sein, wer für sie verantwortlich ist und bis wann sie erledigt sein sollen. Am besten tun Sie das, indem Sie schon während des Meetings ein Protokoll anlegen. Dieses sollten alle Teammitglieder schon im Entstehen sehen können. Dann können sie gegebenenfalls nachfragen, wenn etwas unklar ist. • In vielen Unternehmen werden Projekte agil durchgeführt. Dies führt normalerweise zu einer durchgehenden Rollenklarheit. Sollte das bei Ihnen nicht so sein, sorgen Sie für klare Rollen. Die bekommen Sie, indem Sie für jede Rolle den Zweck der Rolle, die Verantwortlichkeiten und die Aufgaben definieren. Wenn Sie dies gemeinsam mit Ihrem Projektteam tun, entsteht eine hohe Rollenklarheit. Sollten Sie dafür nicht die Zeit haben, definieren Sie die Rollen allein. Stellen Sie sie dem Team vor und lassen dann genügend Raum für Fragen und Anpassungen. • In agilen Teams definieren die Teammitglieder selbst ihre Aufgaben und arbeiten diese selbstorganisiert ab. Sollten Sie nicht agil vorgehen können, sorgen Sie dafür, dass die Teammitglieder trotzdem intensiv an der Aufgabenplanung beteiligt sind. Je mehr sie hier selbst planen können, desto klarer werden die Aufgaben. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit für Konflikte. Wenn sie sich dann auch noch selbst für die Bearbeitung der Aufgaben melden können, sind sie hoch motiviert. Sie werden die Aufgaben wie geplant bearbeiten. Auch wenn Sie nicht agil vorgehen können, ist die Nutzung von Ansätzen und Methoden aus der Selbstorganisation hilfreich. Ein paar Beispiele: • Reflektieren Sie in regelmäßigen Abständen die Zusammenarbeit im Team und sorgen für gegenseitiges Feedback. So können kleine Irritationen frühzeitig angesprochen und gelöst werden. • Implementieren Sie eine Fehlerkultur entsprechend der obersten Direktive aus dem agilen Arbeiten. Suchen Sie also bei Fehlern nach der Ursache, nicht nach den Schuldigen. Das trägt dazu bei, dass Fehler schnell benannt werden. Sie führen dadurch weniger zu Ärger und Konflikten. • Führen Sie spannungsbasiertes Arbeiten ein. Spannungen sind jede Art von Gefühlen. Dazu gehören Ärger, Freude, Neugier und Unsicherheit. Auch Ideen und Veränderungswünsche zählen hierzu. Hinter spannungsbasiertem Arbeiten steht die Überzeugung, dass jede Spannung wichtig ist. Sie hilft, Anpassungsbedarf zu identifizieren. Spannungsbasiertes Arbeiten führt dazu, dass schnell identifiziert werden kann, wo vielleicht Unklarheiten über Aufgaben herrschen. Auch Uneinigkeit über Vorgehen und Prioritäten wird deutlich. Zudem kann Unzufriedenheit mit der Art des Projektmanagements erkannt werden. • Fragen Sie in Ihren Projektsitzungen nach neuen Spannungen. Sammeln Sie diese in einem Spannungsspeicher und klären Sie, in welchen Meetings diese Spannungen bearbeitet werden sollen. • Sorgen Sie für eine hohe psychologische Sicherheit im Team. So trauen sich die Teammitglieder, jede Art von Spannung zu benennen. Hohe psychologische Sicherheit ist das, was Hochleistungsteams von normalen Teams unterscheidet. Wie können Sie das angehen? Lassen Sie Ihr Team in regelmäßigen Abständen den Fragebogen zur psychologischen Sicherheit ausfüllen. Dieser umfasst sie- Abbildung: Teamphasen von Tuckman Wissen | Konflikte im Projekt 47 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 ben Fragen und ist im Internet frei herunterzuladen. Überlegen Sie gemeinsam, wie Sie als Team die psychologische Sicherheit erhöhen können. Das kostet alles zu viel Zeit und zu viel Energie? Ja, es kostet viel Zeit und Energie. Allerdings kosten Konflikte noch mehr Zeit und Energie. Ungelöste Konflikte sind eine häufige Ursache für krankheitsbedingte Ausfälle bis zum Burnout. Und was tue ich, wenn trotzdem ein Konflikt entstanden ist? Menschen sind komplex. Teams sind komplexe Systeme. Auch bei vorbildlicher Vorbeugung können Konflikte auftauchen. Hier folgt ein Prozessvorschlag für den Umgang mit Konflikten: 1. Führen Sie Vorgespräche mit beiden Parteien Das Ziel ist, beide gut zu verstehen und für sie gegebenenfalls im Konfliktgespräch als Übersetzer fungieren zu können. In Konfliktsituationen agieren die meisten Menschen nicht souverän in ihrer Stärke. Dies führt oft dazu, dass sie sich zu kurz äußern. Manchmal kreisen sie zu langatmig um den eigentlichen Punkt herum. Es kommt auch vor, dass sie aggressiv auftreten, weil sie denken, sie müssten sich verteidigen. Das Handeln aus der Schwäche führt dazu, dass die Gegenpartei nicht die wirklich wichtigen Informationen hören kann. Hier sind Sie gefragt. Sie unterstützen beim Ausdrücken der inhaltlichen Punkte sowie der Gefühle durch Übersetzung der Anliegen. Darüber hinaus dienen die Vorgespräche dazu, ein gemeinsames Gesprächsziel festzulegen. Es ist wichtig zu klären, wozu das Gespräch dienen soll. Möglicherweise geht es darum, wieder miteinander arbeiten zu können. Vielleicht soll wieder Freude in der Zusammenarbeit entstehen. Oder es geht zunächst darum, die Knackpunkte transparent zu machen. 2. Vereinbaren Sie einen genügend langen Termin für die Klärung Menschen in Konfliktsituationen haben ein großes Redebedürfnis. Sie möchten ihre Position genau darlegen können. Zudem wollen sie zeigen, dass es nicht ihre Schuld ist. Je nach Eskalationsgrad sollten Sie mindestens zwei, manchmal eher vier Stunden einplanen. Falls Sie früher fertig sind, freuen sich alle über den gewonnenen Zeitdiamanten. 3. Bereiten Sie sich gut auf das Klärungsgespräch vor Überlegen Sie sich einen guten Einstieg und einen groben roten Faden. Planen Sie auch, was Sie tun wollen, falls im Gespräch etwas schief geht. 4. Ihr Gesprächsleitfaden • Ankommen, Hintergrund und Ziel des Gesprächs: Lassen Sie sich ausreichend Zeit für diesen ersten Schritt. Erst wenn alle Anwesenden angekommen und mit dem Ziel einverstanden sind, gehen Sie zum nächsten Schritt über. • Partei A erklärt die eigene Sichtweise: Sie unterstützen bei der Formulierung und sichern ab, dass Partei B die wesentlichen Punkte verstanden hat. • Das gleiche macht Partei B: Sie wiederholen den vorherigen Schritt mit der anderen Partei. • Umgang mit persönlichen Konflikten: Falls der Konflikt bereits persönlich geworden ist, helfen Sie den Parteien, sich gegenseitiges Feedback zu geben. Welches Verhalten schätze ich an dir? Was kostet mich Kraft oder ärgert mich? Was genau wünsche ich mir für unsere zukünftige Zusammenarbeit? • Überblick gewinnen: Nun haben beide Parteien und Sie selbst einen Gesamtüberblick über die Konfliktlandschaft. Sammeln Sie die zu besprechenden Themen und lassen Sie sie von den beiden Parteien priorisieren. • Gemeinsame Lösungsfindung: Lassen Sie beide Parteien gemeinsam Lösungen für die Themen erarbeiten. Überprüfen Sie dabei auch, welche Themen das gesamte Projekt betreffen. Sind beispielsweise Rollen unklar? Diese Themen nehmen Sie aus dem Gespräch heraus. Das Ziel ist, sie im gesamten Team zu besprechen. • Konkrete Vereinbarungen treffen: Wenn Lösungen für alle anderen Themen gefunden sind, legen Sie gemeinsam konkrete nächste Schritte und Vereinbarungen fest. • Gesprächsabrundung: Nun können Sie das Gespräch abrunden. Fragen Sie nach der Stimmung und nach der Zufriedenheit mit dem Gespräch. 5. Führen Sie ein Follow-up durch Es ist hilfreich, ein paar Wochen oder Monate nach dem Gespräch noch ein Follow-up durchzuführen. Dabei geben sich die Parteien gegenseitiges Feedback. Was hat sich schon positiv verändert? Was fehlt gegebenenfalls noch? 6. Klären Sie Teamthemen im nächsten Meeting Bringen Sie die Themen, die das gesamte Team betreffen, im nächsten Meeting ein und klären Sie sie dort. Wichtiger Hinweis zu Rollen In Konfliktklärungsgesprächen braucht man stets die Rolle des allparteilichen Moderators. Manchmal ist jedoch auch die Rolle des Entscheiders erforderlich. In den meisten nicht stark eskalierten Konflikten können Sie als Projektleitung beide Rollen einnehmen. Bei weiter eskalierten Konflikten sollten Sie prüfen, ob Sie sich auf die Entscheider-Rolle konzentrieren wollen. Gegebenenfalls ziehen Sie eine teamexterne Moderatorin hinzu. Worauf Sie sonst noch achten sollten: • Konflikte nicht durch räumliche Trennung lösen: Es kommt vor, dass nach vergeblichen Klärungsversuchen Konfliktparteien so eingesetzt werden, dass sie möglichst keine Berührungen mehr bei der Arbeit haben. Das soll dazu führen, dass die Arbeit störungsfrei abläuft. Dies funktioniert vielleicht sogar eine Zeit lang. Aber was folgt daraus? Die Konfliktparteien haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine schlechte Meinung voneinander. Mit diesen Bildern können sie ihre Meinung nicht mehr in der Realität überprüfen. Stattdessen steigen negative Fantasien übereinander. Man projiziert alles Schlechte in die andere Partei. Irgendwann müssen sie dann doch wieder zusammenarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt ist oft gar nichts mehr miteinander möglich. Versuchen Sie darum mit aller Kraft, Wissen | Konflikte im Projekt 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 die Konflikte zu lösen. Setzen Sie zur Not eine teamexterne Moderatorin oder einen Mediator ein. Das ist stets günstiger als ein langer, schwelender Konflikt. • Unparteiisch bleiben: Ein typischer Fehler von Führungskräften im Umgang mit ihrer Macht ist es, dass sie Menschen bevorzugen, die ihnen ähnlich sind. Dies geschieht oft unbeabsichtigt. In Konfliktsituationen führt das dazu, dass man eine Seite besser verstehen kann als die andere. Man steht mehr an der Seite des einen als des anderen. Das spürt die benachteiligte Person. Wenn Sie bemerken, dass Sie eine Seite bevorzugen, versuchen Sie die andere Seite zu verstehen. Fragen Sie sich: Wo waren Sie vielleicht einmal in einer ähnlichen Situation? Wo haben Sie sich vielleicht einmal ähnlich verhalten? Welche Ängste hatten Sie damals? Wofür haben Sie damals gekämpft? • Konfliktparteien nicht austauschen: Auch wenn die Versuchung groß ist, versuchen Sie nicht, den Konflikt durch Austausch einer Konfliktpartei zu lösen. Meistens ist die schwierige Person nur ein Symptomträger für ein Problem im System. Wenn Sie die Person austauschen, wird das Problem sich einen anderen Symptomträger suchen. Das ganze Spiel beginnt von vorn. Konflikte bei den Entscheidern Manchmal liegt die Ursache für den Konflikt nicht im Projektteam. Sie befindet sich auf der Entscheider-Ebene. Das können im agilen Projekt Stakeholder mit verschiedenen Interessen sein, die der Product Owner nicht kanalisieren kann. Im Wasserfall-Projekt sind es möglicherweise Entscheider in einem Lenkungsausschuss. Sie haben eventuell Konflikte untereinander, die nichts mit dem Projekt zu tun haben. Diese Konflikte haben meist einen Einfluss auf das Projekt. Die Teammitglieder erkennen aber oft nicht, dass die Konfliktursache außerhalb ihres Teams liegt. Die größte Herausforderung ist genau diese Erkenntnis. Wenn Sie und Ihr Team das erkannt haben, haben Sie zwei Möglichkeiten: • Sie spiegeln den Entscheidern Ihre Erkenntnisse und die Auswirkungen auf Ihr Projekt. Sie bitten sie, den Konflikt zu klären. • Sie und Ihr Team akzeptieren die Situation als Rahmenbedingung und machen das Beste daraus. Sie suchen also Wege des Umgangs mit dem äußeren Konflikt. Diese ermöglichen es Ihnen, die Projektarbeit in guter Teamzusammenarbeit fortzuführen. Konflikte auf der Organisationsebene Gerade Transformationsprojekte können auch Konflikte in der Organisation auslösen. Da gibt es immer die Personen, die sich auf das Neue freuen. Sie fangen schon frühzeitig an, das Neue zu leben. Und es gibt diejenigen, die dagegen sind. Diese werden dann als Bremser, Querulanten oder rückständig bezeichnet. Tatsächlich ist der Widerstand gegen Veränderung ein elementarer Bestandteil derselben. Wenn es keinen Widerstand gibt, gibt es auch keine Veränderung. Um hier Konflikten vorzubeugen, ist ein gutes Change Management nötig. Dazu gehört: • Betroffene, insbesondere die Gegner des Neuen einladen, das Neue mitzugestalten. Wenn sie nicht ins Projektteam eingeladen werden können, können sie vielleicht in Fokusgruppen zumindest Rückmeldung zu Zwischenergebnissen geben. • Ausreichend Informationen zur Verfügung stellen. Diese werden so lange wiederholt gegeben, bis wirklich alle verstanden haben. Hilfreich ist auch, diese Informationen persönlich zu geben. Es ist besser, als die Informationen nur schriftlich zur Verfügung zu stellen. Bieten Sie Gelegenheit zu Nachfragen und Diskussion an. • Die Mitarbeitenden ausreichend für das Neue schulen. Dies gibt ihnen auch in Zukunft die Chance auf Erfolg. • Bedürfnisse in Veränderungen im Blick behalten. Gute Hinweise gibt hier das SCARF-Modell. Typische Bedürfnisse der Mitarbeitenden in Veränderungssituationen sind dementsprechend: Status: Die eigene Wichtigkeit in Bezug auf Andere. Certainty: Die Vorhersagbarkeit der Zukunft. Autonomy: Selbstbestimmtes Handeln, mitgestalten können. Relatedness: In Beziehung zu anderen sein. Fairness: Das Gefühl, dass es hier fair zugeht. Was kann ich tun, wenn es trotzdem Konflikte gibt? Besonders hilfreich ist es, Personen mit gegenläufigen Standpunkten gut moderiert in Kontakt zu bringen. Dies ist besser, als selbst zu versuchen, die Kritiker zu überzeugen. Hier sind zwei Ideen, wie Sie das tun können: • Veranstalten Sie ein gemeinsames Meeting, in dem die strittigen Punkte herausgearbeitet werden. In gemischten Kleingruppen arbeiten die Teilnehmenden anhand von hilfreichen Arbeitsfragen Lösungen heraus. Sie klären, wie sie in Zukunft mit den Punkten umgehen wollen. Durch die Kleingruppenarbeit haben die Teilnehmenden genügend Zeit und Raum. Sie können sich mit dem Thema auseinandersetzen und sich gegenseitig inspirieren. Die gefundenen Lösungen sind praxistauglich. • Wenn die Meinungen schon stark polarisiert sind, empfehle ich den Grundkraftprozess von Lukas Hohler. In diesem sehr strukturierten Verfahren steigen die Teilnehmenden tief in die Perspektive und Erfahrungswelt der Gegenseite ein. Sie erkennen sich selbst darin wieder. Dies führt zum einen dazu, dass die polarisierten Seiten wieder zusammenrücken. Zum anderen bewirkt es auch, dass alle Beteiligten plötzlich Dinge sehen, die sie vorher nicht sehen konnten. Diese neuen Perspektiven ermöglichen neue Lösungen. Der Prozess ist auch mit 100 bis 200 Personen durchführbar. So können Sie mit einer recht großen Gruppe die bestehenden Konflikte bearbeiten. Fazit Wenn Konflikte im Projekt auftauchen, bereichern sie Sie als Projektleiterin sowie die Betroffenen. Sie alle bekommen eine Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln. Die Konflikte zeigen ungelöste Themen wie unklare Rollen oder gegenläufige Interessen auf. Nach ihrer Klärung führen sie zu besseren Prozessen und Ergebnissen sowie zu einem höheren Teamzusammenhalt. Darum nutzen Sie sie und begrüßen Sie sie freudig. Wissen | Konflikte im Projekt 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0025 Seien Sie neugierig, welche Erkenntnisse Sie im Klärungsprozess gewinnen werden. Literaturempfehlungen: Der Loop Approach (Klein, Hughes, Fleischmann) enthält diverse hilfreiche Methoden für selbstorganisiertes Arbeiten Potenzial und Weisheit kollektiver Intelligenz (Lukas Hohler) beschreibt den Grundkraftprozess im Detail und enthält viele Fallbeispiele 1. Perspective-Dimension • Governance, structures, and processes (2): Unerkannte oder schlecht definierte Rollen sowie unklare Verantwortlichkeiten werden als Hauptursachen für Konflikte dargestellt. • Power and interest (4): Es wird beschrieben, wie divergierende Interessen von Stakeholdern, Auftraggebern und Teammitgliedern in Projekten zu Spannungen führen können. • Culture and values (5): Der Artikel widmet sich kulturellen Unterschieden und verschiedenen Verhaltensnormen, die Konfliktpotenzial bergen. 2. People-Dimension • Personal communication (3): Der Artikel zeigt auf, wie wichtig klare, wertschätzende Kommunikation für das Erkennen und Lösen von Konflikten ist. • Teamwork (6): Mehrfach wird beschrieben, wie Teammitglieder ihre Zusammenarbeit verbessern, Rollen klären und gegenseitige Erwartungen abstimmen können. • Conflict and crisis (7): Im Zentrum stehen konkrete Methoden und Prozesse zur konstruktiven Konfliktlösung und -moderation. • Leadership (5): Die Rolle der Projektleitung wird betont, etwa wenn es um Allparteilichkeit, Entscheidungsbefugnis oder das frühzeitige Eingreifen in Konflikte geht. 3. Practice-Dimension • Plan and control (10): Konflikte entstehen oft durch unterschiedliche Erwartungen an Zeitpläne und Verantwortlichkeiten. Der Beitrag erläutert, wie klares Planen und Controlling helfen kann, Konflikte zu vermeiden. • Stakeholders (12): Entscheider-Ebene, Lenkungsausschüsse oder externe Interessengruppen werden als mögliche Konfliktauslöser angesprochen, was den Stakeholder- Umgang relevant macht. • Change and transformation (13): Da es speziell um Transformationsprojekte geht, wird gezeigt, wie Widerstand und Konflikte zum natürlichen Bestandteil tiefgreifender Veränderungen werden- - und wie man sie positiv nutzen kann. Eingangsabbildung: © iStock.com / Atstock Productions Merle Runge Merle Runge begleitet seit 30 Jahren Veränderungsprojekte, bildet Führungskräfte aus und moderiert leidenschaftlich gern, insbesondere in Konflikt-Situationen. Sie arbeitet als Selbständige in einem großen Netzwerk. 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0026 Künstliche Intelligenz im Projektkontext Christoph Schneider, Andreas Wald, Timo Braun, Simon Staudigl Für eilige Leser | An der Studie beteiligten sich 1.193 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch wenn der Einsatz von KI bisher eher zurückhaltend erfolgt, sehen die meisten Befragten einen klaren Nutzen in der Unterstützung durch KI-Tools-- insbesondere zur Erhöhung der Effizienz und Produktivität. KI wird bereits in vielen Unternehmen im Projektmanagement eingesetzt, ohne dass es dabei größere Berührungsängste gibt. Schlagwörter | Projektmanagement, Künstliche Intelligenz, Projekterfolg, Projektmanagement-Tools Einleitung An den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Unternehmen werden große Erwartungen geknüpft. Es wird erwartet, dass KI zu einer tiefgreifenden Veränderung der Arbeitswelt führt [Holzmann et al., 2022]. Prognosen zufolge wird der zunehmende Einsatz von KI einen fundamentalen Wandel bewirken, der auch deutliche Auswirkungen auf die Fähigkeiten und das Anforderungsprofil von Mitarbeitern haben wird. Es wird davon ausgegangen, dass der Einsatz von KI auch das Projektmanagement grundlegend verändern wird. Zu trennen sind hier jedoch die Erwartungen und Versprechungen des Einsatzes von KI im Projektmanagement von dem tatsächlichen Anwendungsstand und den bisherigen Erfahrungen [Müller et al. 2024]. Die hier ausgewählten Studienergebnisse zeigen den Anwendungs- und Erfahrungsstand von KI im Projektmanagement in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf. Die Befragung dazu wurde als Schwerpunktthema in der Gehalt- und Karrierestudie 2024 integriert, deren Ergebnisse in der letzten Ausgabe der Projektmanagement Aktuell vorgestellt wurden [Schneider et al., 2025]. Zentrale Fragestellungen der Studie sind unter anderem: • Wird KI bereits im Bereich Projektmanagement der Unternehmen genutzt? • Welche Erfahrungen haben die Studienteilnehmer im privaten wie im beruflichen Umfeld mit dem Einsatz von KI? • Was sind die persönlichen Einschätzungen zu den Risiken des Einsatzes von KI? Studiendesign und Stichprobenstruktur Die Datenerhebung erfolgte zusammen mit der Gehalts- und Karrierestudie in Deutschland durch die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., in Österreich durch die pma-- Projekt Management Austria und in der Schweiz durch die spm- - Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement . Die standardisierte Online-Erhebung wurde im Zeitraum vom 3. Juni bis 6. August 2024 durchgeführt. Insgesamt wurden 1.193 verwertbare Fragebögen ausgefüllt. Davon stammen 937 aus Deutschland (78,5 %), 200 aus Österreich (16,8 %) und 56 aus der Schweiz (4,7 %). Da die Ergebnisse zur KI zwischen den Ländern sehr ähnlich waren, wurde auf eine differenzierte Analyse nach den Ländern verzichtet und länderspezifische Unterschiede nur bei Bedarf kommentiert. An der Studie beteiligten sich 67 % Männer und 33 % Frauen, die im Wesentlichen angestellte Personen aus großen Unternehmen des Dienstleistungssektors der freien Wirtschaft (80 %) mit einem abgeschlossenen Studium (78 %) sind, das überwiegend in den Bereichen Ingenieurwesen (36 %) und Wirtschaftswissenschaften (35 %) absolviert wurde (vgl. Abbildung 2). Eine abgeschlossene Ausbildung können 11 %vorweisen, von denen mehr als die Hälfte (6 %) einen Meister- oder Technikerabschluss erworben hat. Das durchschnittliche Alter der Befragten liegt bei 42 Jahren, wobei der Altersdurchschnitt der Frauen mit 40 Jahren um drei Jahre niedriger liegt als der der Männer, der 43 Jahre beträgt. Der überwiegende Anteil der Studienteilnehmenden ist im Kontext von Einzelprojekten (40 %) oder im Multiprojektmanagement (38 %) beschäftigt. Im Programm- und im Portfoliomanagement sind jeweils 11 % aktiv. Wissen | Künstliche Intelligenz im Projektkontext 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0026 Nutzung von KI im Projektkontext Die Frage war, inwieweit KI in den Unternehmen im Projektmanagement bereits zum Einsatz kommt. Die Ergebnisse zeigen, dass diese in der Mehrheit der Unternehmen eingesetzt wird (57 %), allerdings in relativ geringem Maße (vgl. Abbildung 1). Nur 15 % der Befragten geben an, dass KI in ihrem Unternehmen stark oder sogar sehr stark zum Einsatz komme. 41 % der Befragten (Antwortkategorien 2 und 3) dagegen berichteten, dies passiere eher sporadisch. In einer Anschlussfrage wollten wir wissen, welche Erfahrungen die Befragten mit KI bereits gemacht hatten. Die Ergebnisse hierzu sind recht eindeutig: Die überwiegende Mehrheit hat bisher weder Erfahrungen in der Interaktion mit verschiedenen Arten von KI wie Chatbots, oder visuellen Erkennungsagenten, noch Erfahrung im Umgang mit KI durch Interaktionen im täglichen Leben. Beide Fragen erhielten auf einer Skala von 0 (trifft überhaupt nicht zu) bis 100 (trifft voll und ganz zu) zum einen 5 und zum anderen 8 Skalenpunkte (vgl. Abbildung 2). Einstellungen zu KI Der Einsatz und die Leistungsmöglichkeiten von KI werden häufig ambivalent beurteilt und kontrovers diskutiert, insbesondere wenn es um einen Vergleich der Leistungsfähigkeiten von Mensch und KI geht. Ein zentrales Argument in diesem Kontext ist, dass menschliche Intelligenz im Gegensatz zur KI den Vorzug habe, zu lernen, zu denken und Probleme zu lösen. Insbesondere seien Menschen bei Aufgaben, die Empathie erfordern, der KI überlegen. Zu diesem Thema wurden die Studienteilnehmer gebeten, vier Fragen auf einer 5er-Skala zu beantworten, die Ausprägungen von 0 (trifft überhaupt nicht zu) bis 100 (trifft voll und ganz zu) aufwiesen [Nach Gursoy et al. 2019; basierend auf Venkatesh et al. 2012]. Die Ergebnisse zeigen- - weitgehend alters- und geschlechtsunabhängig-- eine grundlegende Skepsis gegenüber verschiedenen Leistungsparamtern von KI (vgl. Abbildung 3). Bei allen vier gestellten Teilfragen wurde eher dem Menschen als der KI eine höhere Leistungsfähigkeit zugesprochen. Insbesondere der Aspekt, KI-Tools bieten einen konsistenteren Service als Menschen, wurde nur mit 38 von 100 Skalenpunkten als zutreffend bewertet. Auch die Aussagen, KI-Tools seien genauer als Menschen (40 Skalenpunkte) und die von KI- Tools bereitgestellten Informationen konsistenter (44) wurden mehrheitlich abgelehnt. Lediglich der Aspekt, KI-Tools sind genauer und weisen weniger menschliche Fehler auf, wurde von knapp der Hälfte als zutreffend bejaht (48). Neue Technologien bieten Chancen bringen aber auch Risiken mit sich, die Ängste bei den involvierten Personen auslösen können. Insbesondere existiert die Befürchtung, KI werde Arbeitsplätze vernichten und dem Menschen grundsätzlich überlegen sein. Auch dieses Thema haben wir in die Befragung aufgenommen und drei Fragen gestellt [Li & Huang 2020], die auf einer 5er-Skala von 0 (stimme überhaupt nicht zu) bis 100 (stimme voll und ganz zu) beantwortet werden konnten. Das Ergebnis ist deutlich: Die überwiegende Mehrheit der befragten Projektmanager teilt die Ängste gegenüber der KI nicht (vgl. Abbildung 4). Am wenigsten haben diese davor Angst, mit einer KI zu arbeiten, die schlauer ist als man selbst (15 Skalenpunkte) oder macht sich darüber Sorgen, dass die KI in Zukunft die eigene Arbeit ersetzt (18). Am häufigsten noch besteht die Befürchtung, die KI werde die Arbeit vieler Menschen ersetzen (35). Abbildung 1: Nutzung von KI im Projektmanagement Abbildung 2: Erfahrungen mit KI Abbildung 3: Mensch versus KI Abbildung 4: Ängste vor der KI Wissen | Künstliche Intelligenz im Projektkontext 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0026 Diese Einschätzungen sind weitgehend unabhängig vom Geschlecht und Alter der Befragten. Mit zunehmendem Alter nehmen zwar die Befürchtungen leicht zu, dieser Unterschied ist aber statistisch nicht signifikant. Fazit In der jüngeren Vergangenheit hat die schnell voranschreitende Entwicklung von KI-Tools für das Projektmanagement eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten geschaffen. Die ausgewählten Ergebnisse der Studie zeigen, dass der tatsächliche Nutzungsgrad von KI im Projektmanagement noch recht gering ist. Ermutigend ist dabei, dass es offenbar kaum Berührungsängste gibt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Haltung zur KI sowie auch die tatsächliche Verwendung im Projektmanagement in der Zukunft entwickeln. Literatur [Agarwal & Prasad 1998] Agarwal, R.; & Prasad, J. (1998): A Conceptual and Operational Definition of Personal Innovativeness in the Domain of Information Technology. Information Systems Research, 9(2), 204-215. [Gursoy et Al. 2019] Gursoy, D.; Chi, O. H.; Lu, L.; Nunkoo, R. (2019): Consumers acceptance of artificially intelligent (AI) device use in service delivery. International Journal of Information Management, 49, 157-169. [Holzmann et al. 2022] Holzmann, V.; Zitter, D.; Peshkess, S. (2022). The Expectations of Project Managers from Artificial Intelligence: A Delphi Study. Project Management Journal, 53(5), 438-455. [Li & Huang 2020] Li, J.; Huang, J.-S. (2020): Dimensions of artificial intelligence anxiety based on the integrated fear acquisition theory. Technology in Society, 63, 101 410. [Moore & Benbasat 1991] Moore, G. C.; Benbasat, I. (1991): Development of an instrument to measure the perceptions of adopting an information technology innovation. Informations Systems Research, 2(3), 192-222. [Müller et al. 2024] Müller, R.; Locatelli, G.; Holzmann, V.; Nilsson, M. ; Sagay, T. (2024): Artificial Intelligence and Project Management: Empirical Overview, State of the Art, and Guidelines for Future Research. Project Management Journal, 55(1), 9-15. [Schneider et al. 2024] Schneider, C.; Wald, A.; Braun, T. (2025): Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024. Projektmanagement Aktuell. [Venkatesh et al. 2012] Venkatesh, V.; Thong, J. Y. L.; Xu, X. (2012): Consumer acceptance and use of information technology: Extending the unified theory of acceptance and use of technology. MIS Quarterly, 36(1), 157-178. Eingangsabbildung: © GPM Veröffentlichung: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. (2025): Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024. Sonderthema: Die Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) im Projektmanagement. UVK-Verlag. Andreas Wald Andreas Wald (Dr. rer. pol. habil.) Professor für Strategie an der School of Business and Law der University of Agder in Kristiansand. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Temporäre Organisationen, Entrepreneurship, Management Control und Innovation. Seine Arbeiten erscheinen unter anderen in wissenschaftlichen Zeitschriften wie Project Management Journal, International Journal of Project Management und International Journal of Managing Projects in Business. Internet: https: / / www.uia.no/ en/ kk/ profile/ andreasw eMail: andreas.wald@uia.no Timo Braun Timo Braun (Univ.-Prof. Dr. habil.) ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeitswissenschaft und Prozessmanagement und leitet das Fachgebiet „Projektmanagement in der Digitalen Transformation“ an der Universität Kassel. Er kooperiert in verschiedenen Projekten und Gremien seit fast 15 Jahren mit der GPM und ist wissenschaftlicher Leiter der aktuellen GPM Gehalts- und Karrierestudie. Internet: http: / / uni-kassel.de/ go/ pmdt eMail: timo.braun@uni-kassel.de Simon Staudigl Simon Staudigl leitet seit 2023 Projekte im Project Management Office der GPM, darunter die aktuelle Gehalts- und Karrierestudie. Zudem unterstützt er Projektmanagende der GPM methodisch. eMail: s.staudigl@gpm-ipma.de Christoph Schneider Christoph Schneider studierte Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg. Seit 2007 ist er Forschungsdirektor und Institutsleiter an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Gemeinsam mit der GPM leitete er Studien zum Projektmanagement, z. B. zur makroökonomischen Vermessung der Projekttätigkeit (2015, 2023), Gehalts- und Karrierestudien (2013-2024), „Mit Projekten Unternehmen erfolgreich führen“ (2012), die Global Project Management Survey (2010), Potentiale und Bedeutung des Projektmanagements aus der Perspektive des Topmanagements (2009). Internet: https: / / www.ebs.edu/ forschung/ institute-centerlabs/ institute-for-technology-innovation-customer-centricity eMail: christoph.schneider@ebs.edu 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0027 „Die Rückkehr des Filmvorführers“ Gero Lomnitz Hintergrund des Beitrags Der Filmproduzent Lino Rettinger hatte mich im Rahmen des Film Festival Cologne eingeladen, den Kino-Dokumentarfilm „Die Rückkehr des Filmvorführers“ anzusehen. Ich war tief beeindruckt von der Geschichte, den mitwirkenden Dorfbewohnern und der Kameraführung. Die Schlichtheit und die Intensität des künstlerischen Dokumentarfilms haben mich fasziniert. Offenbar nicht nur mich, denn Orkhan Aghazadehs Werk wurde mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem deutschen Kamerapreis. Auch in den nächsten Tagen hielt meine Faszination an. Der Film weckte meine Neugier als Projektmanagement-Berater. Ich wollte wissen, wie dieser Film entstanden ist. Ich habe mir vorher noch nie Gedanken darüber gemacht, wie ein Film entsteht, obwohl ich von Kindesbeinen an ins Kino gehe. Mein Interesse liegt auf dem Projektverlauf, nicht auf der Entstehung der Geschichte des Films, der Auswahl der Protagonisten oder der Kameraführung. Also fragte ich Lino, ob er bereit wäre, mit mir über dieses Filmprojekt zu sprechen und mir zu schildern, wie es vom Beginn bis zur Vermarktung ablief. Dafür danke ich ihm sehr herzlich, ohne ihn wäre dieser Beitrag nicht entstanden und ich hätte nichts über eine Filmproduktion erfahren. Folgende Fragen haben mich interessiert: • Wie ist dieses Filmprojekt entstanden? Welche Schritte sind notwendig, um das Projekt von der Idee bis zu den Aufführungen in den Kinos (sprich Markteinführung) zu realisieren? • Wann endet das Projekt? • Welche Aufgaben hat der Produzent? Ist er Auftraggeber, Gesamtprojektleiter oder nimmt er beide Rollen ein? • Welche Rollen gibt es in diesem Filmprojekt? • Welche Herausforderung müssen beachtet werden? • Mit welchen Risiken gilt es umzugehen? Synopsis [1] Zunächst möchte ich die Geschichte des Films kurz vorstellen. Mit Synopsis bezeichnet man in der Filmproduktion eine kurze Zusammenfassung der Handlungsstränge der Geschichte, skizziert die Hauptfiguren und stellt das Ziel und Konflikte der Filmerzählung dar. „Inmitten nebelverhangener Berge an der aserbaidschanisch-iranischen Grenze liegt das abgelegene Dörfchen Sym. Hier lebt Samid. Der ältere Mann hat den Entschluss gefasst, noch einmal eine Kinovorstellung für das Dorf zu organisieren- - wie zu Sowjet-Zeiten, als er der Filmvorführer der kleinen Gemeinschaft war. Damals spielte Kino eine zentrale Rolle-- als Propagandamaschine, aber auch sozialer Mittelpunkt des Dorfes. Selbst Moscheen wurden damals zu Kinos umgebaut. Diese Zeiten sind passé. Es ist über dreißig Jahre her, seit Samid seinen letzten Film gezeigt hat. Nun verdient er sein Geld mit Reparaturen von Radios und Fernsehapparaten. Als die Regierung die Entsorgung der alten Projektoren anordnete, versteckte sie Samid in seinem Keller. Er hat nie die Hoffnung aufgegeben, irgendwann wieder Filme zu zeigen. Letztes Jahr starb Samids ältester Sohn bei einem tragischen Arbeitsunfall in der Hauptstadt Baku. Nach Monaten verdrängter Trauer fasst Samid den Entschluss, seinen lang gehegten Traum nun endlich in die Hand zu nehmen: das Dorf wieder vor der Leinwand zu versammeln. Samids Umfeld hält wenig von dem Plan, trotzdem macht sich Samid daran, seine Geräte zu entstauben. Doch die Zeit hat ihre Spuren an den Maschinen hinterlassen. Einzelne Teile wurden umfunktioniert und sind in diverse Haushalte gewandert. Eine defekte Projektor-Lampe wird zum Hauptproblem. In ganz Aserbaidschan ist kein Ersatz zu finden. Doch Samid gibt nicht auf. Ein Rückkehrer aus der Hauptstadt Baku hat einen Laptop mit ins Dorf gebracht. Im Internet suchen sie immer wieder nach Angeboten der antiken Birne. Einige Anzeigen machen Hoffnung und schon machen sich Frauen des Dorfes daran, Betttücher zu einer großen Leinwand zusammen zu nähen. Bis zu einer Kinovorführung muss Samid viele pragmatische Hürden bewältigen. Er grübelt über den Bau einer Vorführ-Kabine, die Einholung einer Genehmigung für die Aufführung oder die Organisation einer Kreditkarte für die Bezahlung der Projektor Lampe online. Nicht alle Dorfbewohner Wissen | „Die Rückkehr des Filmvorführers“ 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0027 sind von Samids Plan angetan. Die skeptischen Sittenwächter im Dorf müssen überzeugt werden, und von der einzig verfügbaren 35mm Filmkopie fehlt die letzte Rolle. Doch Samid findet Unterstützung in seinem jungen Freund Ayaz. Ebenso filmbegeistert wie pfiffigen dreht er die letzte Rolle des Films kurzerhand mit dem eigenen Handy nach. Hartnäckig und einfallsreich verfolgen sie ihren Plan, der in eine, wenn schon nicht magische, so doch turbulente Nacht mündet. Zentrale Aufgabenfelder im Rahmen des Filmprojektes In seiner Rolle als Auftraggeber und Gesamtprojektleiter zugleich ist der Produzent für folgende Aufgabenbereiche verantwortlich. 1. Qualität Die Story und der Film müssen den Qualitätszielen gerecht werden. Das umfasst sowohl die Präsentation der Idee-- die Geldgeber werden bei mangelnder Qualität der Geschichte und der Regie den Film nicht finanzieren-- als auch die Dreharbeiten und die Postproduktion wie Schnitt und Ton. Der Film muss sich in der Vermarktung gegen die Konkurrenz durchsetzen, denn das Ansehen der Macher ist Grundlage für die Finanzierung von Folgeprojekten. 2. Organisation Die organisatorischen Aufgaben sind vielfältig. Dazu gehören unter anderem die Drehplanung, die ständige Anpassung und Abstimmungen mit dem Autor und dem Regisseur, das Engagement eines passenden Filmteams, das Einholen von Genehmigungen u. a. für Drehorte, die vertragliche Klärung und den Erwerb aller nötigen Rechte, oder die Planung und Koordination der Postproduktion, zu der eine Reihe von Arbeitspaketen gehören. 3. Finanzierung Ohne Finanzierung durch Drittmittel ist ein Filmprojekt in den allermeisten Fällen unmöglich. Wie in vielen anderen Projekte gilt der Satz: „Ohne Moos nix los“. Der Produzent muss sich darum kümmern, Geldmittel zu akquirieren. Das erfordert Kenntnisse über mögliche Quellen wie verschiedene regionale, nationale oder europäische Filmförderungen. Die Finanzierung des Films stellt eine besondere Herausforderung für den Produzenten dar. 4. Vermarktung Der Film wird gemacht, um gezeigt zu werden. So gilt es Fernsehredakteure, Kinoverleiher oder Weltvertriebe als Partner zu gewinnen, um den Film in den verschiedenen Medien auszustrahlen. Stab-- Rollen im Filmprojekt Wie üblich im Projektmanagement müssen auch in diesem Filmprojekt die Aufgaben, Verantwortungen und Entscheidungskompetenzen geregelt werden. Abbildung 1: Zentrale Aufgabenfelder Das Foto wurde vom Produzenten zur Verfügung gestellt. Wissen | „Die Rückkehr des Filmvorführers“ 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0027 Hier eine Auflistung der wichtigsten Rollen: • Der Filmproduzent hat zwei Rollen inne, einerseits ist er Auftraggeber des Filmprojektes und gleichzeitig ist er Gesamtprojektleiter. Als Auftraggeber entscheidet er, ob der Film gedreht wird, und er verantwortet die Vermarktung und damit den finanziellen Erfolg des Films. Als Gesamtprojektleiter plant und koordiniert er die verschiedenen Aktivitäten der Mitarbeitenden. Diese Rollenüberschneidung ist im Projektmanagement normalerweise unüblich, denn Auftraggeber und Projektleitung sind verschiedene Personen mit unterschiedlichen Befugnissen. • Im Verlauf des Projektes kam ein französischer Co-Produzent hinzu, was sehr bedeutsam für die Finanzierung des Projektes war, denn in Frankreich ist die Filmförderung wesentlich besser ausgestattet als in Deutschland. Beide Produzenten waren gleichberechtigt, was nur dann gut funktioniert, wenn beide gut miteinander zusammenarbeiten, klare Vereinbarungen getroffen werden und die Produzenten ein gleiches Grundverständnis über den Film und die Vorgehensweise haben. • Der Autor der Geschichte ist Orkhan Aghazadeh, Filmemacher aus Aserbeidschan. • Regisseur war ebenfalls Orkhan Aghazadeh. Im Gegensatz zu einem Spielfilm gibt es bei einem künstlerischen Dokumentarfilm kein fertiges Drehbuch, sondern die Geschichte entwickelt sich während der Dreharbeiten ständig weiter. • Director of Photography, der Kameramann Daniel Guliyev wurde für diese Arbeit mit dem „Deutschen Kamerapreis“ 2024 ausgezeichnet. • Protagonisten, diese sind Dorfbewohner, also reine Laiendarsteller • Filmgeschäftsführungen der Produktionsfirmen Lichtblick Film- und Fernsehprod./ Kidam (Fr) • Die Editorin hat die Aufgabe, das bei Dreharbeiten entstandene Rohmaterial des Filmes durch den Schnitt bzw. die Montage zu selektieren, zu strukturieren und die dramatische Filmhandlung neu zu entwerfen. • Postproduktionskoordination hat die Aufgabe, die vielen verschiedenen Arbeitsschritte in der Endfertigung des Filmes, von der Tonbearbeitung und -mischung, über die Erstellung von Untertiteln bis zur Ausspielung verschiedener Bänder/ -dateien zu koordinieren. • Institutionen der Filmförderung in Deutschland und Frankreich. • Die Akquisition von Geldern gehört zu den zentralen Aufgaben der Filmproduzenten. Ohne Filmförderung wäre es unmöglich gewesen, diesen Film zu produzieren. Das gilt für so gut wie alle deutschen Kinofilme. Der Film wurde unter Senderbeteiligung des ZDF und in Zusammenarbeit mit Arte produziert. Die Film- und Medienstiftung NRW förderte die Produktion ebenfalls. • Filmverleiher als Großhändler beliefert die Kinos gegen einen Anteil an den Eintrittsgebühren mit Kopien des Filmes und vertreibt ihn im Anschluss über DVDs und Streaming-Portale. Er ist das Bindeglied zwischen der Produktion des Filmes und dem Zuschauer im Kino und Online. Der Projektverlauf Zunächst eine kurze Übersicht über den Projektverlauf von der Initialzündung bis zur Vermarktung des Films. Anschließend werden einige Schritte des Produktionsprozesses etwas genauer beschrieben. Auf die künstlerischen und technischen Aspekte der Produktion gehe ich nicht ein. 1. Phase: Von der Initialzündung bis zur Finanzierung 1. Kennenlernen in Paris, Austausch der Idee 2. Synopsis, Kernidee des Films ausarbeiten, Kurzbeschreibung erstellen. 3. Treatment, mögliche Handlung des Films ausarbeiten 4. Projektmappe erstellen 5. Finalisierung der Projektmappe 6. Finanzierung, Geld akquirieren 2. Phase: Der Produktionsprozess 11. Vorproduktion • Drehplanung • Staffing, Verträge mit den Akteuren • Technische Infrastruktur buchen 12. Produktion des Films-- der Dreh 13. Postproduktion • Schnittphase (kreative Arbeit) • Technische Finalisierung Sound, Farbkorrektur, Abspann, Untertitel erstellen • Masterkopien erstellen und an Vertriebspartner (Verleiher) und Arte senden 3. Phase Vermarktung 14. Vermarktung des Films • Teilnahme an verschiedenen Filmfestivals u. a. in Nyon, Turin, Chicago und Köln • Film kommt ins Kino durch Verleih • Film wird durch Weltvertrieb ins Ausland verkauft • Film kommt ins TV • Video on demand Zu 1: Erstes Treffen in Paris Der Produzent, Lino Rettinger, traf Orkhan Aghazadeh, den Autor der Geschichte, der später auch Regie führte, in Paris. Der Autor erzählte ihm von seiner Filmidee. Er war bereits in das Dorf in den aserbaidschanisch-iranischen Bergen gereist, um für seine Geschichte zu recherchieren und hatte Kontakt zu Bewohnern des Dorfs. Samid, ein Bewohner des Dorfs sollte als Protagonist bei der Umsetzung seines Plans begleitet werden. Er hatte sich fest vorgenommen seinen alten Kinoprojektor wieder in Stand setzen, um sein Dorf vor der Leinwand zu vereinen. Eine große Herausforderung, denn nicht nur die Lampe des alten Projektors war kaputt, sondern von der Filmkopie fehlt die letzte Rolle. Offensichtlich war die Geschichte interessant, und so erfolgten die weiteren Schritte. Zu 2: Synopsis (Kurzbeschreibung) ausarbeiten In dieser frühen Phase wurde eine Kurzbeschreibung des Films in enger Zusammenarbeit zwischen Autor und Produzenten ausgearbeitet mit dem Ziel, eine inhaltliche Grundlage für das Projekt und die Zusammenarbeit zu schaffen. Das bedeutet keineswegs, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alles geklärt sein konnte, ganz im Gegenteil, vieles war noch unklar. Am Ende dieses Arbeitsschrittes, der insgesamt 8 Wochen dauerte, wurden folgende Fragen geklärt und präzise formuliert. Wissen | „Die Rückkehr des Filmvorführers“ 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0027 • Um was geht es? Was ist die Geschichte des Films? • Wer ist der Protagonist? • Welches Problem hat der Protagonist Samid? Er ist die zentrale Figur des Films. • Welches Ziel hat der Protagonist? Wichtig für Entwicklung der Geschichte ist die Unterscheidung zwischen „Want“ und „Need“ • Want: Der Protagonist möchte den Film in seinem Dorf zeigen. • Need: Er möchte seine Einsamkeit überwinden, seine Beziehung zu den Dorfbewohnern intensivieren, wieder einen Sinn in seinem Leben finden. Diese Differenzierung kennt man auch aus anderen Projektarten (beispielsweise Bauprojekte oder Produktentwicklungsprojekte), wo man zwischen den bewusst angestrebten rationalen Zielen und den persönlichen, unbewussten Bedürfnissen unterscheiden kann. • Wo spielt der Film, wo wird der Film gedreht? • Wann spielt der Film? Da es sich um einen Dokumentarfilm handelt, spielt die Geschichte in der Gegenwart. Mit der Synopsis ist ein erster Meilenstein erreicht. Die Beteiligten haben ein gemeinsames Bild über das Filmprojekt entwickelt, ein Grundverständnis erreicht. Zum Zeitpunkt gibt es noch keinen Vertrag, sondern Produzent und Autor geben sich die Hand mit der Erwartung das Projekt weiter zu verfolgen. Man kann wohl von einem informellen Letter of Intent sprechen. Zu 3: Treatment ausarbeiten Unter Treatment versteht man im Rahmen von künstlerischen Dokumentarfilmen die detaillierte Beschreibung möglicher Handlungsverläufe. Wie bereits in der Einführung erwähnt, ist „die Rückkehr des Filmvorführers“ kein Spielfilm mit einem festen Drehbuch, deshalb müssen der Fokus des Filmes, sowie die erwarteten Entwicklungen und Handlungsverläufe greifbar gemacht werden. In enger Abstimmung mit dem Produzenten werden die wesentlichen Inhalte des Treatments genauer beschrieben. Dazu sind folgende Punkte wichtig: • Die Hauptpersonen (Charaktere) mit Fotos vorstellen. • Den möglichen Handlungsverlauf beschreiben. • Mögliche Hindernisse, Konflikte, Zuspitzungen, Höhepunkte, Wendepunkte der Handlung mit Entscheidungen beschreiben. • Trailer produzieren • Ein Trailer ist ein Videoclip, der mit Passagen aus Recherchematerial versucht, ein Gefühl für das Potential des Projektes zu geben. Die Qualität des Trailers ist von großer Bedeutung, um potenzielle Geldgeber zu gewinnen. Zu 4: Projektmappe ausarbeiten So gut wie keine deutsche Filmproduktion ist in der Lage, einen Film nur mit Eigenmitteln zu produzieren. Vielmehr müssen Geldgeber gefunden werden. Das ist ein bedeutsamer Teil der Projektarbeit. Bevor also mit den Dreharbeiten begonnen werden kann, muss genügend Geld eingesammelt werden, das aus unterschiedlichen Quellen kommen kann. Die Finanzierung passiert in Deutschland primär über a) den Vorverkauf für Sendelizenzen an Fernsehanstalten wie das ZDF oder Arte b) regionale, nationale, europäische oder internationale Filmförderungen c) Minimumgarantien auf spätere Auswertungserlöse von Kinoverleihern oder Weltvertrieben d) Koproduktionen mit ausländischen Filmproduzenten gegen Auswertungsrechte im jeweiligen Land. In jedem Falle ist die Voraussetzung für die Finanzierung eine gründlich ausgearbeitete Projektmappe, die folgende Punkte enthält: 1. Titelblatt mit ansprechendem Design als Eye Catcher 2. Synopsis 3. Treatment 4. Biografien und Filmografien der wichtigsten Akteure (Autor, Regisseur, Director of Photography, Produzent / Produktionsfirma) Die Filmografie ist mit der Bibliografie eines Schriftstellers vergleichbar. Es ist ein detailliertes Verzeichnis der Filme der jeweiligen Person. Sie erlaubt Aufschluss über deren künstlerische Entwicklung, ein nicht unwichtiger Faktor für die Entscheidung, ob der Film gefördert wird oder nicht. 5. Autorenstatement, der Autor beschreibt, wie er zu diesem Einfall gekommen ist und welchen Bezug er zu diesem Thema hat. 6. Produzentenstatement, der Produzent stellt seine Beziehung zum Autor dar sowie seinen Bezug zum geplanten Projekt, zur Geschichte und zur Region, in der die Geschichte handelt. 7. Stilistisches, künstlerisches Konzept Es beinhaltet wichtige filmtechnische Fragen wie • langsamer ruhiger Film oder schnell erzählte Action • Viel Musik oder eher Stille • nahe Handkamera oder stille Tableau-Bilder aus der Distanz • Farbgebung, grell bunt oder nostalgisch matt 8. Optionsvertrag abschließen Mit dem Optionsvertrag erhält der Produzent vom Autor die Option auf den Kauf der Verfilmungsrechte des Drehbuches. 9. Vertrag mit dem französischen Co-Produzenten Im Verlaufe des Entwicklungsprozesses kam wie bereits oben erwähnt der französischer Co-Produzent ins Spiel. Deshalb wurde ein Vertrag zwischen der Kölner Produktionsfirma Lichtblick Film- und Fernsehproduktion GmbH und der französischen Produktionsfirma Kidam über die Zusammenarbeit gemacht. Die Aufgaben und Verantwortungen der beiden Produzenten wurden geklärt, wie in jedem Projekt eine wichtige Voraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Der deutsche Produzent war für die Verhandlung mit Arte und den deutschen Filmförderungen zuständig, Kidam für die Verhandlungen mit französischen Geldebern. Zu 5: Finalisierung der Projektmappe Die Finanzierung des Films steht und fällt mit der Qualität der Projektmappe. Bestandteil der Projektmappe ist der Finanzierungsplan, der auf einer detaillierten Kalkulation beruht. Die fundierte Kalkulation ist unabdingbar, um die Geldgeber von der professionellen Umsetzbarkeit des Filmes zu überzeugen. • Im Rahmen der Kalkulation müssen zunächst folgende Fragen zum zeitlichen Aufwand für das Projekt beantwortet werden: • Wie viele Drehtage werden benötigt? Wissen | „Die Rückkehr des Filmvorführers“ 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0027 • Es wird ein Drehplan erstellt und geplant wer im Team wann mitarbeitet. Dazu muss ein Aktivitätenplan erstellt werden. Um den Aufwand realistisch zu schätzen, benötigen die Beteiligten (Produzent, Regisseur und die Verantwortlichen für die Postproduktion) viel Erfahrung, gerade weil sich Dokumentarfilme nach den realen Entwicklungen richten müssen, die sich ja immer etwas anders gestalten als erwartet. • Ist die Zeitvorstellung des Autors, der nun in die Rolle des Regisseurs kommt, überhaupt finanzierbar? Utopische Vorstellung bezüglich Drehtage oder Equipment scheitern gnadenlos an den finanziellen Rahmenbedingungen. • Über den zeitlichen Aufwand hinaus gehen noch eine ganze Reihe weiterer Kosten in die Kalkulation ein: • Vorkosten, beispielsweise Reisen nach Paris, Recherche, Kosten bis zum Abschluss der Finanzierung. • Kosten für Rechte für Musik, Bilder, Archivrechte • Gehälter für das Team (Regisseur, Director Photography, etc.) • Verpflegung • Technik Kamera, Licht, Ton, sonstiges Equipment • Reisekosten für den Dreh • Endfertigung • Versicherung • Allgemeine Kosten • Finanzierungskosten • Überschreitungsreserve • Eine realistische Überschreitungsreserve ist wegen der Unplanbarkeit der Filmproduktion erforderlich und wird nach kritischer Prüfung von den Geldgebern akzeptiert. Planungsprobleme können vielfältiger Natur sein, beispielsweise reichen die Drehtage nicht aus, weil noch kein Ende für den Dokumentarfilm gefunden wurde. Hier besteht ein Unterschied zum Spielfilm, bei dem das Ende feststeht, so wie es im Drehbuch beschrieben ist. Auch können Schwierigkeiten im Rahmen der Postproduktion auftreten, wenn der Filmschnitt mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich kalkuliert oder es Probleme mit dem Ton gibt. Kurzum, Puffer müssen eingeplant werden, um Risiken abzufedern. Ohne Puffer wäre Kalkulation ein leichtsinniges Unterfangen. • Risiken antizipieren und im Auge halten. [2] Die Risiken und die damit verbundenen potenziellen Herausforderungen müssen von den Produzenten antizipiert werden. Das Spektrum der Risiken kann von technischen Problemen, über Wetterkapriolen, dem Ausfall des Protagonisten bis zu Problemen mit staatlichen Institutionen reichen. Aufgrund der Vielzahl an Beteiligten und der langen Planungsdauer besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass etwas schiefgeht. Eine fundierte Risikoanalyse und präventive Planung sind entscheidend, um Verzögerungen und Kostenüberschreitungen zu vermeiden und das Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Der Produzent nannte mir auf Basis seiner Erfahrung einige Risiken: • Qualitätsrisiken, z. B. der Protagonist wirkt nicht so stark wie zu Beginn gedacht oder interessante Entwicklungen lassen auf sich warten. • Finanzielle Risiken: Verzögerungen oder Mehraufwand während des Drehs und bei den Arbeiten in der Postproduktionsphase, Teuerung, Wechselkursänderungen, Verzögerungen durch rechtliche Probleme • Auszahlungen der Filmförderungen verzögern sich, Kreditgebühren explodieren. • Persönliche Risiken, gerade bei Drehs in abgelegenen Gegenden. • Probleme mit Genehmigungen und staatlichen Institutionen. • Zur seriösen Planung gehören Worst Case und Best Case Szenarien. Sie sind notwendig, um eine realistische Kalkulation zu erreichen, die der kritischen Prüfung der Geldgeber standhält. Ein Jahr nach dem ersten Treffen zwischen Autor und Produzent steht der Finanzierungsplan, der nun mit Geldgebern besprochen werden kann. Zu 6: Finanzierung, Geld akquirieren Die Realisierung des Films steht und fällt damit, dass die Produzenten genügend Geld einsammeln können. Um die Entscheider zu überzeugen, muss auch ein Auswertungs- und ein Recoupmentplan vorhanden sein. Sie dienen zur Einschätzung der Marktrelevanz des eingereichten Filmprojektes, und beschreiben die zu erwartende Erlöse der unterschiedlichen Verwertungsrechte und Auswertungskanäle. Zum anderen geben sie einen Überblick über die Verteilung der Erlöse an die beteiligten Finanzierungspartner: innen. Die Produzenten müssen die Institution und idealerweise auch die verantwortlichen Personen für die Finanzierung dieses Filmprojektes kennen. Neben der fachlichen Kompetenz spielt die Kommunikationsfähigkeit der Produzenten eine erhebliche Rolle. Der Film konnte von Lichtblick Film GmbH Köln und Kidam (FR) unter Senderbeteiligung des ZDF und in Zusammenarbeit mit Arte produziert werden. Die Film- und Medienstiftung NRW förderte die Produktion mit 55.000 Euro. Die Produzenten haben sich mit jeweils € 25.000,00 beteiligt. Angesichts der finanziellen Situation der Filmwirtschaft ist das ein nicht unerheblicher Betrag. Nach der umfangreichen Vorarbeit konnte mit der Filmproduktion begonnen werden. Die einzelnen Schritte und Aktivitäten der Produktion- - Vorproduktion, Produktion (Dreh) und Postproduktion- - werden in diesem Beitrag nicht erläutert, weil sie für das Thema dieses Beitrags nicht relevant sind. Zu 10: Vermarktung des Films Ein Film kann künstlerisch noch so hervorragend sein, doch was nutzt es, wenn ihn Zuschauer nicht sehen können! Erfolg bedeutet auch Markterfolg. Hier gibt es eine direkte Verbindung zu Produktentwicklungsprojekten. Ein Produkt kann höchst innovativ sein und durch sein außergewöhnliches Design Experten begeistern, aber wenn es nicht gekauft wird, ist es letztlich ein Flop. So ist es auch bei Filmen. In dieser Phase der Filmproduktion sind die Filmproduzenten Verkäufer, die Veranstalter und Filmverleiher gewinnen müssen, damit „die Rückkehr des Filmvorführers“ in die Kinos kommt. Gerade für künstlerische Dokumentarfilme ist es wichtig, dass der Film im Rahmen von Filmfestivals sein Publikum findet, denn dadurch steigt sein Renommee. “Die Rückkehr des Filmvorführers“ wurde auf verschiedenen Festivals gezeigt, u. a. in Turin, Chicago, Baku, Hamburg, Köln, Goyang, Jerusalem. Die Premiere war auf dem Filmfestival Visions du Réel im schweizerischen Nyon, das als eines der wichtigsten internationalen Festivals für Dokumentarfilme gilt. Der Film kam über einen Verleih ins deutsche Kino und wird durch einen renommierten Wissen | „Die Rückkehr des Filmvorführers“ 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0027 Weltvertrieb weltweit verkauft, soweit es wirtschaftlich, kulturell und politisch möglich ist. Der Film wird nach gewissen Kinosperrzeiten sowohl auf Arte wie später auch im ZDF gesendet werden. Eine weitere Vertriebsform ist Video on demand, auf diese Weise können Zuschauer „die Rückkehr des Filmvorführers“ auch zu Hause anschauen und sich von den Bildern beeindrucken lassen. [1] Die Synopsis wurde mir freundlicherweise vom Produzenten zur Verfügung gestellt. Sie ist Bestandteil der Filmmappe, die für die Finanzierung des Films benötigt wird. [2] Siehe Sebastian Wieschowski, Risikomanagement in Filmproduktionen: Umgang mit unvorhergesehenen Herausforderungen am Set, GPM Blog 11 / 2024 Gero Lomnitz Gero Lomnitz arbeitet seit vielen Jahren als Berater, Trainer und Coach für namhafte Unternehmen und Non-Profit-Organisationen im In- und Ausland. Er hat zahlreiche Beiträge über Projektmanagement veröffentlicht und Lehraufträge an verschiedenen Universitäten wahrgenommen. Er ist Autor des Buchs Projektdiagnose, das 2021 bei UVK erschienen ist. Buchtipp Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Während KI bahnbrechende Möglichkeiten bietet, bringt sie auch komplexe Herausforderungen mit sich. Von ethischen Bedenken bis hin zu Fragen der Datenschutz- und Sicherheitsrisiken stehen Unternehmen vor vielfältigen Aufgaben bei der Integration dieser Technologien. Dieses Buch widmet sich genau diesen Herausforderungen und bietet einen umfassenden Einblick in die Anwendung von KI in der Unternehmenspraxis sowie praktische Ansätze zur Bewältigung der damit verbundenen Hürden. Es untersucht die Schlüsselaspekte der KI-Integration, von der Strategieentwicklung bis zur operativen Umsetzung, und präsentiert Fallstudien erfolgreicher Implementierungen, um Leser: innen einen fundierten Leitfaden für die Bewältigung der KI-Herausforderungen in ihrem eigenen unternehmerischen Umfeld zu bieten. Roman Simschek, Dominik Danz KI-Herausforderungen für Unternehmen Prozesse, Geschäftsmodelle, Verantwortung 1. Au age 2025, 186 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-8252-6368-3 eISBN 978-3-8385-6368-8 Anzeige 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0028 Interview mit dem Filmproduzenten Lino Rettinger Gero Lomnitz Wie bist Du Filmproduzent geworden? Mein Vater ist Filmproduzent, deshalb habe ich mir von Kindesbeinen an eine Vorstellung gemacht, was es bedeutet, Filme zu produzieren, Ich habe von den positiven und negativen Seiten des Geschäfts gehört. Schon als Schüler habe ich kurze Filme gedreht. Das Thema Film hat mich einfach fasziniert. Nach dem Abitur habe ich 2010 an der Internationalen Filmschule Köln den Studiengang „Kreativ Produzieren“ belegt und 2014 meinen Bachelor gemacht. Mich hat gerade dieser Studiengang interessiert, weil er sich zum einen mit den kreativen Aspekten der Filmproduktion und zum anderen mit den organisatorischen Aufgaben beschäftigt. Die Entstehung eines Films ist wirklich eine komplexe Angelegenheit, das darf man nicht unterschätzen. Nach dem Studium habe ich verschiedene Praktika im In- und Ausland gemacht und konnte so eine Menge für die Praxis lernen. Danach bin ich in die Filmproduktionsfirma meines Vaters eingestiegen. Hast Du im Studium etwas über Projektmanagement gelernt? Projektmanagement wurde nicht vermittelt. Der Studiengang heißt „kreativ produzieren“, organisatorischen Themen und die Managementrolle der Filmproduzent: innen wurden marginal behandelt. Wichtige Themen wie Entscheidungsprozesse, Teamführung oder betriebswirtschaftliche Themen standen nicht im Fokus. Wir haben Kurzfilme produziert und ausgewertet sowie uns mit Dramaturgie und Filmtheorie beschäftigt. Das tägliche Business des Filmproduzenten habe ich in der Praxis erfahren und gelernt. Was sollte ein Produzent über Projektmanagement wissen? Selbstverständlich müssen Produzent: innen gut organisieren können und bereit sein, sich auch mit den Details des Produktionsprozesses zu beschäftigen. Dazu gehören beispielsweise Abläufe planen, sich um Termineinhaltung kümmern, Verträge schließen und sich auch um das Catering kümmern. Produzent: innen müssen in der Lage sein, die vielfältigen Risiken eines Projektes zu antizipieren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Aufzählung lässt sich leicht fortsetzen. Doch das allein reicht mit Sicherheit nicht aus. Letztlich kommt auf die emotionalen Faktoren an. Die Zusammenarbeit mit Regisseur: innen und Autor: innen ist mehr als nur gewöhnliche Arbeit. Gefühle, die Leidenschaft der Autor: in für ihre Story oder die Vorlieben der Regisseur: in für den besten Dreh (aus seiner Sicht) oder Einschränkungen durch Kostendruck, das alles produziert ein Gemisch, das schnell hochkochen kann. Manche Akteure sind schon sehr speziell in ihrer Ansicht und in ihrem Verhalten, was einerseits anregend, spannend ist und andererseits aufregt und viel Kraft kostet. Mit diesen Themen muss ich mich beschäftigen, um meiner Verantwortung gerecht zu werden. Entscheidend für eine gute Filmproduktion ist aus meiner Sicht ein Wort: Vertrauen, wir müssen uns aufeinander verlassen können. Wenn Vertrauen vorhanden ist, dann lassen sich organisatorische oder technische Probleme in der Regel lösen. Wie entscheidest Du, ob eine Story erfolgsversprechend ist? Filmprojekte können gut oder schlecht werden. Es besteht immer das Risiko, auf das falsche Pferd zu setzen. Für meine Entscheidung spielen mehrere Punkte eine große Rolle: (1) Das Projekt muss mich ansprechen, mein Interesse wecken und ich muss einen persönlichen Bezug zum Projekt haben. (2) Ich muss mir vorstellen können, dass das Projekt auch andere interessiert. Interesse kann sich auf die Story, die Personen der Story, auf einen Beruf oder auf eine Region beziehen. (3) Ich muss den Eindruck gewinnen, dass die Autor: in, die Regisseur: in und ich eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit erreichen werden. Mit Basis meine ich Qualifikation und Offenheit für die Ideen der anderen. Mit anderen Worten, die handwerklichen Fähigkeiten müssen vorhanden sein und wir müssen gut zusammenarbeiten. Vertrauen und der fruchtbare Austausch sind für mich ganz wesentlich. Manchmal kann sich die Dynamik des Miteinanders ändern, vor allem dann, wenn Wissen | Interview mit dem Filmproduzenten Lino Rettinger 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0028 die Finanzierung des Films steht und nun Zusatzwünsche geäußert werden, die im Finanzierungsplan nicht vorgesehen sind. Hier ist der Produzent gefordert, denn er trägt die Gesamtverantwortung für das Projekt und nicht die Regisseur: in. Was müssen Produzent: innen können? Inwieweit müssen sie Know-how über Regie, Kameratechnik verfügen? Filmproduzent: innen müssen Allrounder sein, um den Überblick über das Projekt zu halten. Ich finde es wichtig, dass ich mich in die Rolle der Akteure (Autor: in, Regisseur: in oder Kameramann: frau) hineinversetzen kann, um Sparringspartner zu sein und Auswirkungen von Entscheidungen auf die einzelnen Gewerke einschätzen zu können. Es bringt manchmal nichts, einen faulen Kompromiss einzugehen, der viele organisatorische Probleme löst, aber der Zeitdruck dadurch erhöht wird. So kann beispielsweise die Tontechnik keine Wiederholungen bei akustischen Störungen mehr durchsetzen und die gedrehten Szenen des Tages später im Filmschnitt nicht benutzt werden, weil man die Schauspieler: innen nicht versteht. Was sind die größten Herausforderungen und Risiken für die Produzent: innen? Wie bereits gesagt, es ist schwer, einen guten Film zu machen, man kann mit Fug und Recht von einer komplexen Angelegenheit sprechen. Ich sehe folgende Herausforderungen: • Zwischenmenschliche Probleme treten auf, Vertrauensbrüche blockieren die Zusammenarbeit, rechthaberische Diskussionen zehren an den Nerven. Es besteht die Gefahr, dass die Akteure sich trennen und das Projekt stirbt. • Bürokratische Entscheidungsprozesse erschweren die Finanzierung. Die Entscheidung, ob der Film finanziert wird, kann sehr lange dauern. Deshalb kann eine Kreditaufnahme durch die Produktionsfirma nötig sein, um das Projekt voranzutreiben, ohne zu wissen, ob das Geld fließt. • Das Damoklesschwert der Insolvenz schwebt im Raum. Das trifft zu, wenn eine Kreditaufnahme notwendig ist, die mit dem Privatvermögen der Produzent: in abgesichert werden muss. • Nicht zuletzt besteht das Risiko, dass sich der Film als schlecht herausstellt und dadurch der Ruf der Produzent: in beschädigt wird. Erfolglose Produzent: innen werden bei der Verteilung der Geldmittel durch Institutionen der Filmförderung kaum berücksichtigt. 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0029 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim IPMA World Congress Die Vielfalt einer weltumspannenden Projektmanagement-Community Der IPMA World Congress ist das jährliche Gipfeltreffen der internationalen Projektmanagement-Community. Jahr für Jahr kommen Hunderte Fachleute aus aller Welt zusammen, um neueste Trends zu diskutieren und Wissen auszutauschen. Ein Blick auf die Besucherzahlen und Herkunftsländer der vergangenen Kongresse zeigt bereits, wie global und vielfältig dieses Event ist- - und für wen das Event besonders interessant ist. Am Morgen des 18. September 2025 erfüllt das Summen unterschiedlichster Sprachen die Lobby des im Hotel TITANIC Chaussee Berlin-- eine eigentümliche Mischung aus Englisch, Spanisch, Mandarin, Deutsch und vielen weiteren Dialekten, die die Vielfalt dieses Events unterstreichen. Es ist der erste Tag des IPMA World Congress 2025, und aus aller Welt sind Projektmanagement-Profis angereist, um sich zu vernetzen, zu lernen und ihre Perspektiven auf die Zukunft des Projektmanagements auszutauschen. Neben dem Eingang bleibt eine Gruppe von vier Personen stehen. Dr. Lucia Fernández, eine erfahrene Projektmanagerin aus Argentinien, begrüßt einen alten Bekannten- - Koji Tanaka, einen agilen Coach aus Japan, mit dem sie beim letzten World Congress in Mexiko intensiv über interkulturelle Führung gesprochen hatte. „Ich habe eure neue agile Methode in einem Energieprojekt in Patagonien getestet“, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Koji nickt anerkennend: „Und? Hat es funktioniert? “-- „Besser als gedacht! Aber unsere Auftraggeber waren anfangs skeptisch. Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Neben ihnen lauscht Samuel Osei, ein junger IT-Projektmanager aus Ghana, gespannt der Unterhaltung. Er ist das erste Mal auf dem IPMA World Congress und bereits beeindruckt von der Offenheit und dem Wissensaustausch. Sein Blick schweift durch die Halle, wo ein hochgewachsener Skandinavier mit Brille und einem Notizbuch in der Hand konzentriert seine Umgebung beobachtet. Es ist Olof Andersen, Projektleiter für große Infrastrukturprojekte in Norwegen, der nach neuen Ansätzen für nachhaltiges Bauen sucht. Ein paar Schritte weiter, in der Nähe des Kaffee-Standes, entwickelt sich eine hitzige Diskussion zwischen Dr. Leila Hussain, die in Dubai an Smart-City-Projekten arbeitet, und Jean-Paul Martin, einem französischen Experten für Luftfahrtprojekte. „Künstliche Intelligenz wird das Projektmanagement in den nächsten zehn Jahren radikal verändern“, erklärt Leila überzeugt, während Jean-Paul lachend einwendet: „Mag sein-- aber wir brauchen immer noch Menschen, die Entscheidungen treffen.“ Während die Gespräche lebhaft weitergehen, erklingt eine Stimme aus den Lautsprechern: „Ladies and gentlemen, welcome to the IPMA World Congress 2025! Please take your seats, we are about to begin.“ In diesem Moment wird spürbar, was den Kongress so einzigartig macht- - ein weltweiter Treffpunkt für Projektmanagement-Experten, die aus völlig unterschiedlichen Bereichen kommen und doch eine gemeinsame Sprache sprechen. Teilnehmerstruktur des IPMA World Congress 2025 Noch sind die beschriebenen Szenen nur fiktiv, doch sie könnten sich so oder so ähnlich zu Beginn des 34. IPMA World Congress, der vom 17. bis 19. September 2025 in Berlin stattfindet, zutragen. Denn die Teilnehmerstruktur der IPMA-Weltkongresse ist ausgeprägt international. Typischerweise nehmen an jedem Kongress mehrere hundert bis über tausend Projektmanager und -experten teil-- und das aus Dutzenden von Ländern. So zählte der World Congress laut Berichten auf der Onlineplattform „pmworldlibrary.net“ [1] im Jahr 2013 in Dubrovnik rund 700 Teilnehmer aus mehr als 60 Ländern, ein Jahr später in Rotterdam waren es sogar etwa 1.000 Gäste aus rund 60 Ländern. Auch in früheren Jahren zeigte sich diese globale Reichweite: Beim 18. IPMA-Weltkongress 2004 in Budapest versammelten sich ungefähr 600 Teilnehmende aus Berichte aus der GPM | Die Vielfalt einer weltumspannenden Projektmanager-Community 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0029 58 Nationen. Die Community repräsentiert damit nahezu alle Kontinente-- von Europa und Asien über Afrika bis Amerika-- und macht den Kongress zu einem wahrhaft weltumspannenden Treffen der Projektmanager. Breite berufliche Hintergründe der Besucher Nicht nur geografisch, auch beruflich sind die Kongressteilnehmer äußerst vielfältig aufgestellt. Das IPMA-Forum bringt erfahrene Praktiker und Wissenschaftler zusammen: Seit jeher ist es erklärtes Ziel der Weltkongresse, „den Austausch zwischen Theoretikern und Praktikern anzuregen“ . So finden sich vor Ort renommierte Projektmanagement-Experten, Unternehmensleitungen, Fachexperten aus der Industrie ebenso wie Akademiker und junge Nachwuchskräfte aus Hochschulen. Professoren präsentieren den Stand der Forschung, während erfahrene Projektleiter aus der Praxis über Lessons Learned berichten-- diese Mischung fördert einen lebendigen Dialog zwischen unterschiedlichen beruflichen Perspektiven. Nachwuchs-Projektmanager (z. B. aus dem IPMA Young Crew Netzwerk) nutzen die Gelegenheit, von den Erfahrungen der Veteranen zu lernen, und bringen zugleich frische Ideen in die Diskussionen ein. Die Teilnehmerschaft reicht also vom Senior-Projektmanager großer Programme bis zur ambitionierten Berufseinsteigerin-- alle vereint durch die Leidenschaft für professionelles Projektmanagement. Branchenübergreifende Perspektiven Ebenso divers wie die beruflichen Profile ist die Branchenzugehörigkeit der Kongressbesucher. Projektmanagement wird heute in nahezu allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen angewendet- - dementsprechend bunt gemischt sind die Sektoren, aus denen die Teilnehmer stammen. Ob Bauwesen, IT, Energie, Verkehr, Finanzwesen oder öffentliche Verwaltung: Vertreter „aus allen Branchen sind auf dem IPMA World Congress anzutreffen. Oft spiegeln die Kongressthemen diese Vielfalt wider. So gab es beim World Congress 2019 in Mexiko mehrere thematische Streams- - von Clean Energy und Infrastruktur über Automotive & Aerospace bis hin zu Smart Cities und Bildung & Wohlergehen. Der aktuellste IPMA World Congress fand vom 27. bis 29. November 2024 im DHL-Stadion in Kapstadt, Südafrika, statt. Unter dem Leitthema "Hope" ("Hoffnung") wurden verschiedene Schwerpunkte gesetzt, die die Zukunft des Projektmanagements beleuchteten. Die Hauptthemen umfassten: • Hope (Hoffnung): Erforschung der Rolle von Hoffnung und positiver Erwartung in Projekten und deren Einfluss auf den Projekterfolg. • People (Menschen): Fokus auf die Bedeutung von kompetenten Fachkräften und Teams im Projektmanagement. • Purpose (Zweck): Diskussion über die Notwendigkeit eines klaren Zwecks und einer Vision in Projekten, um Motivation und Ausrichtung zu gewährleisten. • Performance (Leistung): Analyse von Methoden und Strategien zur Steigerung der Projektleistung und -effizienz. Diese Themenschwerpunkte spiegelten die aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen im Projektmanagement wider und boten den Teilnehmern die Möglichkeit, sich über neueste Trends und Best Practices auszutauschen. Durch die möglichst breit und gleichzeitig möglichst präzise angelegten Themenstränge bringen Fachleute aus jeweiligen Branchen ihre Sichtweisen ein. Ein Projektleiter aus der Bauindustrie diskutiert etwa mit einem IT-Projektmanager über Agilität, während gleichzeitig Experten aus dem Gesundheitswesen oder dem NGO-Sektor ihre ganz eigenen Herausforderungen einbringen. Diese branchenübergreifenden Perspektiven sorgen für einen umfassenden Erfahrungsaustausch und zeigen, dass effektives Projektmanagement überall von Bedeutung ist. Vielfältige Teilnehmer-- Beispiele aus der Community Die Vielfalt der Teilnehmer lässt sich auch an konkreten Personen festmachen. Bei einem IPMA-Weltkongress treffen mitunter Menschen in einer Kaffeepause aufeinander, die in völlig unterschiedlichen Welten arbeiten-- und dennoch eine gemeinsame „Sprache” sprechen, nämlich Projektmanagement. So gehörten zu den Gästen des Kongresses 2013 in Dubrovnik unter anderem Dr. Prajapati Trivedi aus Indien, der als Regierungsbeamter Projekte im öffentlichen Sektor steuert, Mike Brown aus Großbritannien, Projektmanagement-Chef beim Industriekonzern Rolls-Royce, sowie Dr. Ricaurte Vásquez aus Panama, ehemals Finanzminister und heutiger Top-Manager bei General Electric- - eine Reportage, in der alle drei zu Wort kommen, ist auf pmworldlibrary.net“ [1] nachzulesen. Diese drei Personen stehen exemplarisch für die Bandbreite an Perspektiven: hier der Blick der staatlichen Verwaltung und Wissenschaft, dort die Sicht eines globalen Industrieunternehmens oder eines lateinamerikanischen Infrastruktur-Großprojekts. Diese Mischung der Hintergründe-- vom staatlichen Reformprojekt bis zur High-Tech-Produktentwicklung- - prägt die Diskussionen auf dem Kongress. Jeder bringt eigene Herangehensweisen und kulturelle Prägungen mit ein, was den fachlichen Austausch besonders reichhaltig macht. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Stimme eines Teilnehmers: „This was the first IPMA Congress I have personally attended and it most certainly is not my last,“ berichtete Mike Brown, „ich habe alle Vorträge genossen und vor allem die Begegnung mit Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund, Wissen und Expertise geschätzt“, sagte Mike Brown, „Head of the Centre for Project Management“ bei Rolls-Royce, damals . Der erfahrene Projektmanager aus Großbritannien betonte damit, wie bereichernd der Kontakt zu Kollegen aus anderen Ländern und Branchen für ihn war. Solche persönlichen Eindrücke spiegeln wider, was den IPMA World Congress ausmacht: der Austausch vielfältiger Erfahrungen und Perspektiven. Jeder Kongresstag gleicht einer Reise durch die weltweite Projektmanagement- Landschaft- - von agilen IT-Startups über milliardenschwere Bauprojekte bis hin zu Entwicklungsprogrammen-- und zeigt, wie unterschiedlich die Hintergründe der Teilnehmer sind und welche neuen Blickwinkel sie in das Event einbringen. Eingangsabbildung: GPM 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0030 Die Speaker des IPMA World Congress 2025 Impulse für die Zukunft des Projektmanagements Eines war von Anfang an klar: Der IPMA World Congress 2025 wird eine einmalige Gelegenheit, die bisherigen Entwicklungen und Errungenschaften des Projektmanagements zu feiern und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Hinter den Kulissen hat das Organisationsteam des Kongresses in den letzten Monaten viele Gespräche geführt, um die besten Köpf e als Speaker zu gewinnen. Und inzwischen steht fest, auf welche führenden Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen sich die Teilnehmenden des Kongresses freuen können. Alle Sprecherinnen und Sprecher eint, dass sie die entscheidenden Zukunftsfragen des Projektmanagements diskutieren werden: Von ethischer Verantwortung über Kreativität und interkulturelle Zusammenarbeit bis hin zu Künstlicher Intelligenz und neuen Führungsmodellen- - die Speaker bieten wertvolle Impulse für eine nachhaltige Weiterentwicklung des Projektmanagements. Mit hochkarätigen Keynotes und interaktiven Fireside Chats setzt der Kongress neue Maßstäbe und inspiriert Projektmanagerinnen und Projektmanager, zusätzliche innovative Ansätze auch in ihre Arbeit zu integrieren. Prof. Dr. Alena Buyx: Ethische Verantwortung in der Innovation Innovation ist ein entscheidender Treiber für Fortschritt, doch wer trägt die Verantwortung für ihre Auswirkungen? Künstliche Intelligenz, Biotechnologie und digitale Technologien eröffnen faszinierende Möglichkeiten, werfen aber auch ethische Fragen auf. Prof. Dr. Alena Buyx, eine der führenden Ethik-Expertinnen Deutschlands, wird in ihrer Keynote aufzeigen, wie ethische Leitplanken Innovationen nachhaltig und gerecht gestalten können. Im Zentrum ihrer Ausführungen stehen die Herausforderungen von Bias, Fairness und Transparenz in neuen Technologien. Sie erläutert, welche ethischen Prinzipien notwendig sind, um Innovationen verantwortungsvoll zu steuern, und warum Projektmanagerinnen und Projektmanager dabei eine Schlüsselrolle spielen. Dabei geht sie auch auf das Spannungsfeld zwischen technologischer Entwicklung und gesellschaftlicher Akzeptanz ein. Als Professorin für Ethik in der Medizin und Gesundheitstechnologien an der TU München bringt sie tiefgehende wissenschaftliche und politische Erfahrung mit. Ihre Expertise als ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates und dem Kuratorium der Bertelsmann Stiftung macht sie zur idealen Impulsgeberin für die Diskussion um ethische Verantwortung im digitalen Zeitalter. Thilo Wolf: Jazz Thinking-- Kreativität und Dynamik im Projektmanagement In der Welt des Projektmanagements verschmelzen klassische und agile Methoden zunehmend. Doch wie lässt sich eine Balance zwischen Struktur und Spontaneität finden? Thilo Wolf, Jazzpianist und Unternehmer, zeigt mit seinem Konzept „Jazz Thinking“, wie sich Prinzipien der Musik auf das Projektmanagement übertragen lassen. Sein Ansatz verbindet klassische Führungsprinzipien mit Improvisation und agiler Dynamik. Er veranschaulicht, wie kreative Prozesse in Teams gefördert werden können, um Innovationen voranzutreiben, und zeigt anhand von Beispielen Berichte aus der GPM | Impulse für die Zukunft des Projektmanagements 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0030 aus der Musikbranche, wie Teamdynamik und Motivation in komplexen Projekten gesteigert werden können. Mit über 30 Jahren Erfahrung als Bandleader, Komponist und Management-Coach hat Thilo Wolf bereits zahlreiche internationale Unternehmen begleitet. Seine Methode ermöglicht es, starre Strukturen aufzubrechen und Projektteams zu ermutigen, neue Wege zu beschreiten. Mitri Sirin: Gesellschaftlicher Wandel und interkulturelle Zusammenarbeit Globalisierung, Migration und kulturelle Vielfalt prägen zunehmend die Arbeitswelt. Wie können Unternehmen und Projektteams von interkulturellen Dynamiken profitieren? ZDF-Moderator Mitri Sirin beleuchtet in seiner Keynote, warum Offenheit und Dialog entscheidende Erfolgsfaktoren für moderne Führung sind. Er zeigt auf, wie Diversität Teams stärken und Innovation fördern kann, welche Rolle Führungskräfte in einer sich wandelnden Gesellschaft übernehmen müssen und wie Medien Narrative über Migration und Integration beeinflussen. Seine journalistische Perspektive bietet wertvolle Einblicke in gesellschaftliche Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Mitri Sirin ist einer der bekanntesten deutschen Nachrichtenmoderatoren und setzt sich intensiv mit den Themen interkultureller Dialog und gesellschaftlicher Wandel auseinander. Seine Keynote liefert praxisnahe Impulse für den Umgang mit Vielfalt in Unternehmen. Laura Ludwig: Erfolgsstrategien aus dem Spitzensport für Business und Projekte Was macht den Unterschied zwischen guten und herausragenden Teams aus? Laura Ludwig, Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Beachvolleyball, gibt in ihrer Keynote wertvolle Einblicke in mentale Stärke, Teamwork und Resilienz. Sie überträgt ihre Erfahrungen aus dem Spitzensport auf das Projektmanagement und zeigt, wie klare Kommunikation, Vertrauen und eine starke Teamkultur entscheidend für den Erfolg sind. Dabei geht sie auch auf den Umgang mit Druck und Niederlagen ein- - ein essenzieller Bestandteil jeder erfolgreichen Karriere. Mit zahlreichen internationalen Titeln gehört Laura Ludwig zu den erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen. Ihre Keynote bietet inspirierende Denkanstöße, wie sich sportliche Erfolgsprinzipien in der Geschäftswelt anwenden lassen. Kenza Ait Si Abbou: Zusammenarbeit im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz Künstliche Intelligenz verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten. Doch wie gelingt die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine? Kenza Ait Si Abbou, eine der führenden KI-Expertinnen Europas, gibt in einem Fireside Chat praxisnahe Einblicke in die Integration von KI in den Arbeitsalltag. Im Gespräch geht es um den Wandel der Kommunikation, die Rolle von KI als Partner in Projektteams und die Herausforderungen der digitalen Transformation. Sie zeigt, wie Unternehmen durch den gezielten Einsatz von KI effizienter und innovativer arbeiten können. Als CTO von FIEGE bringt Kenza Ait Si Abbou umfassende Erfahrung in der Entwicklung und Implementierung neu- Berichte aus der GPM | Impulse für die Zukunft des Projektmanagements 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0030 er Technologien mit. Ihr interaktiver Fireside Chat ermöglicht einen offenen Austausch über Chancen und Risiken der KI-gesteuerten Arbeitswelt. Shantu Bhattacharjee: Projektmanagement am Limit-- Warum Kontrolle ausgedient hat Hat klassisches Projektmanagement seinen Zenit überschritten? Shantu Bhattacharjee plädiert für ein radikales Umdenken: Hierarchien abbauen, Prozesse entschlacken und Automatisierung nutzen. In seinem Fireside Chat zeigt er, warum Unternehmen den Mut haben müssen, Kontrolle abzugeben, um zukunftsfähig zu bleiben. Er geht auf die Rolle von KI im Projektmanagement ein, erklärt, wie eine vertrauensbasierte Führungskultur Innovation fördert, und zeigt, welche Veränderungen nötig sind, um Bürokratie als Innovationskiller zu eliminieren. Seine Erfahrungen aus der Arbeit mit internationalen Unternehmen bieten praxisnahe Lösungsansätze für eine moderne Führung. Als Gründer von ALEKS & SHANTU berät er Unternehmen weltweit in Fragen der digitalen Transformation und hat sich als international anerkannter Fachmann etabliert. Sein radikaler Ansatz fordert traditionelle Denkmuster heraus und regt dazu an, Projektmanagement neu zu denken. IN BERLIN MEET US 17.-19. SEPTEMBER 2025 worldcongress-ipma.com TICKET SICHERN P O W E R E D B Y 17.09.25 GPM SEMINARTAG 18.-19.09.25 IPMA WORLD CONGRESS 3 TAGE VOLLER INPUT rund um das Thema PROJEKTMANAGEMENT JETZT 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0031 Wie viel „Kaufmännisches“ steckt im Projektmanagement? Diese Frage beschäftigt die GPM-Fachgruppe: „Commercial Project Management (CPM)“ seit Jahren. Dazu kann sie aber bereits eine Reihe verschiedener Arbeitsergebnisse vorlegen: Ein „Standard für Commercial Project Management“ beantwortet die Frage, was CPM eigentlich ist und welches umfangreiche Aufgabenspektrum darin steckt. Vorausgegangen war die Erarbeitung des ersten deutschsprachigen Fachbuchs zu CPM, erschienen im VDMA-Verlag. Um die Qualifizierung für diese Aufgabenvielfalt voranzutreiben, hat die FG einen hochschulbasierten Zertifikatslehrgang bestehend aus 12 Fachmodulen und, dem internationalen Anspruch entsprechend vollständig in englischer Sprache, entwickelt. Dieser wurde bereits zweimal durchgeführt, mit rd. 40 von PMZert zertifizierten Absolventen. Während für die Auftraggeberseite (z. B. große Maschinenbau- und Anlagenbauer in Deutschland) das spezifische Wissen bereits gut erschlossen und verfügbar vorliegt, ist hinsichtlich der anderen Seite von Projektverträgen, beim Auftraggeber, noch wenig bekannt. Hier setzt ein Studienprojekt der FG an: „Commercial Project Management beim Auftraggeber“. Die Vorstudie zum „Vermessen“ des Studienfelds ist nun abgeschlossen, die wesentlich umfangreichere Hauptstudie wird 2025 starten und fundierte Erkenntnisse über Stand und Entwicklungsnotwendigkeiten/ -potential geben. Was hat die Vorstudie erbracht? Das vor kurzem veröffentlichte Management Summary informiert dazu in kompakter Form. Management Summary für das Studienprojekt Studiengegenstand ist das Thema: „Commercial Project Management beim Auftraggeber“. Die Aufgabe der Studie besteht darin, beim Auftraggeber die spezifischen Besonderheiten insbesondere der Bearbeitung der nichttechnischen Aufgaben in Investitions- und Infrastrukturprojekten deutlich zu machen, die Palette möglicher Ausprägungen darzustellen und Hinweise auf qualifizierte Weiterentwicklungen zu geben. Die Untersuchung erfolgt als Vorstudie (2023 / 2024) und anschließende Hauptstudie (2025). Befragte Unternehmen in der Vorstudie. Von den 8 in der Vorstudie befragten Unternehmen stammen zwei aus der privatwirtschaftlichen Industrie, drei aus dem Bereich Mobilitäts- und Logistik-Dienstleister und drei aus der öffentlichen Energieversorgung. Beide letztere Gruppen stehen den öffentlichen Händen zumindest nahe. Erkenntnisse aus der Vorstudie Teil I: Projektmanagement für Investitions- und Infrastrukturprojekte, Organisation des Projektmanagements In allen befragten Unternehmen ist Projektmanagement bekannt und eingerichtet, wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung und Intensität. Ein Project Management Office (PMO) ist allerdings nur teilweise vorhanden. Aufgabe eines PMOs ist es unter anderem, gleichgerichtete Strukturen und Prozesse für die Bearbeitung der Projekte zu entwickeln und durchzusetzen. Soweit vorhanden, sind die PMOs strategisch ausgerichtet, teilweise nehmen sie auch operative Funktionen wahr. Ein Projektleiter-Pool wird jedoch nicht betrieben. Eine Projektrahmen-Richtlinie ist meist vorhanden und beschreibt sowohl Aufbaufunktion (Funktionen, Verantwortlichkeiten, Über- und Unterstellungen) wie Ablauforganisation (Strukturierung des Projektprozesses, Aufgaben in den einzelnen Phasen). Die projektorientierte Bearbeitung der Vorhaben ist durchgängig gegeben. In der Regel werden die Projekte in Matrix-Organisation bearbeitet, also unter Einbeziehung der Linie. Die Projektleiter stammen meist aus den relevanten Fachabteilungen der Unternehmen (häufiger Bauabteilung). Sie sind durchgängig zumindest für die technisch-fachliche Koordination und Realisierung der Projekte zuständig und verantwortlich. Neben der ingenieur-fachlichen Qualifikation ist Projektmanagement-Qualifikation gefordert. Hier werden jedoch teilweise Defizite gemeldet. Auch Knappheit an qualifiziertem Fachpersonal belastet die Projektarbeit. Teil II: Commercial Project Management (CPM) Ein eigenständiges Commercial Project Management, wie man es aus dem Lehrbuch kennt (CPM: Alle administrativen und kaufmännischen Tätigkeiten zur Sicherstellung des kom- Berichte aus der GPM | Wie viel „Kaufmännisches“ steckt im Projektmanagement? 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0031 merziellen Erfolgs des Projekts, vereint in einer Organisationseinheit), ist bei keinem der befragten Unternehmen vollständig gegeben. Der Projektleiter ist für das Gesamtprojekt und damit in den meisten Fällen auch für Budget- und Kostenaspekte verantwortlich. Eine kaufmännische Betreuung umfasst zumindest die Kostenkalkulation (Sollkosten) und deren Verfolgung im Projektablauf (Istkosten, Forecast) sowie Budgetaufstellung und ggfs. Fortschreibung. Die kostenmäßig-wirtschaftliche Unterstützung des Projektleiters wird in der Regel durch ein Unternehmens- und / oder Projekt-Controlling wahrgenommen. Letztere arbeiten den Projektleitern zu. Es besteht oft ein partnerschaftliches Verhältnis „auf Augenhöhe“. Für vertragliche Fragen wird auf juristische Fachleute oder die Fachabteilung verwiesen. Einige Befragte haben darauf hingewiesen, dass die kaufmännischen Themen im gesamten Projektlebenszyklus zukünftig mehr Beachtung finden sollten. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Aufmerksamkeit für kaufmännische Projektaufgaben vorwiegend auf das Projekt selbst (Budgets, Kalkulationen, Wirtschaftlichkeit der Projektbearbeitung) gerichtet ist. Die begleitenden Aufgaben des Projektes (Vertragsfragen, Partnersteuerung, Beschaffung etc.) werden von den jeweiligen Fachstellen wahrgenommen. Eine Einbeziehung in die Projektarbeit findet hier nur fallweise bzw. anlassbezogen statt. Die Projekte in den befragten Unternehmen weisen (bis auf eine Ausnahme) keinen internationalen Bezug auf. Damit sind viele CPM-Aufgaben, die bei internationalen Projekten eine wichtige Rolle spielen (z. B. Steuern, Vertragsmanagement, Cash Management etc.) hier nicht relevant. Bearbeiter der Studie im Auftrag der FG CPM sind deren Mitglieder Prof. Dr. Reschke, Institut für Commercial Project Management, sowie Dipl. Volksw. Gregor Oleniczak, Fraport AG, unterstützt von den Fachleuten Karl Geusen, Geusen Consult, und Ulf Laukien (Nordex AG) aus der CPM-Fachgruppe. Links zu allen genannten Veröffentlichungen und Arbeitsergebnissen: Standard für Commercial Project Management“ Link: http: / / www.ciando.com/ ebook/ bid-2836696-standard-f-rcommercial-project-management-ein-ergebnis-der-gpmfachgruppe-commercial-project-management/ Fachbuch: Commercial Project Management Link: https: / / www.vdmashop.de/ executive-briefings/ unterneh mensfuehrung/ 291/ commercial-project-management? number=107167.107167 Zertifikatsprogramm Commercial Project Manager Link: https: / / kooperationen.fom.de/ kooperation-und-partner/ fuer-arbeitgeber/ massgeschneiderte-qualifizierungen/ akademische-weiterbildung-commercial-project-manager.html#! acc=kursbeschreibung/ accid=2018 Bericht zur Vorstudie: CPM beim Auftraggeber Eingangsabbildung: © iStock.com/ Meindert van der Haven © iStock.com / Pakorn_Khantiyaporn 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0032 KOLUMNE Denken Sie, bevor der Tag zu Ende ist! Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg kommt aus einer Diskussionsveranstaltung zur Digitalisierung und trifft Ehrlich auf dem Gang. Er wirkt verwirrt: „Ich war auf einer merkwürdigen Veranstaltung. Es kam mir vor, als ob die Teilnehmer ferngesteuert waren. Es wurden immer dieselben Floskeln ausgetauscht. Dabei scheinen ‚Digitalisierung‘, ‚agile Transformation‘, ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚am Ende des Tages‘ Schlüsselwörter zu sein, sie kamen neben vielen anderen solcher Wörter wiederholt vor. Ehrlich überlegt: „Nachhaltig lässt sich am Ende des Tages durch die agile Transformation die Digitalisierung realisieren.“ Priesberg unterbricht ihn: „Ja, genauso war es. Es wurden andauernd solche Sätze gebildet.“ Ehrlich lästert: „Und dem von mir gebastelten Satz wurde sicher zugestimmt, etwa: ‚Die Digitalisierung schafft die Grundlage für die agile Transformation, die uns am Ende des Tages nachhaltiger wirtschaften lässt.“ Priesberg kratzt sich am Kopf: „Oje, jetzt hast du mir den Spaß an der Veranstaltung vollends genommen. Wenn nur solche Floskeln ausgetauscht wurden, dann gab es keinen Erkenntnisgewinn.“ „Oh nein“, fällt ihm Ehrlich ins Wort: „Das Ganze ist ein Ritual. Und durch den Austausch der Floskeln ergibt sich die Gruppenzugehörigkeit. Alles in allem hat man sich versichert, auf dem richtigen Weg zu sein.“ Priesberg fragt weiter: „Für die Firma ist aber nichts gewonnen, oder? “ Ehrlich erläutert: „Es ist der bequeme Weg. Man braucht nicht denken und fühlt sich wohl dabei.“ Priesberg überlegt: „Denken hat also zwei Nachteile: Erstens, es ist mühselig und zweitens, es separiert einen von der Gruppe. Irgendwie kommt mir dieser Mechanismus omnipräsent vor.“ Ehrlich überlegt und fährt fort: „Ich kann dir sagen, wo das hinführt: Ins digitale Nirgendwo. Ein Beispiel: Ich habe einen Bekannten, der wohnt in einem Mehrfamilienhaus. Es ist ein langes Haus, das wie ein U-Bahn-Zug aussieht. Die Kopfwohnungen wirken wie entgegengesetzte Führerstände. Jede Wohnung hat aber eine eigene Hausnummer.“ Priesberg schaut verwirrt drein, Ehrlich beruhigt und spricht weiter: „Der wesentliche Punkt kommt noch: Jede Wohneinheit hat jährlich zweimal kostenlosen Sperrmüll- - wenn man ihn telefonisch, also analog bestellt“, Ehrlich macht eine Kunstpause: „Wenn man ihn allerdings per Internet-Formular bestellt, hat man meistens gar keinen kostenlosen Sperrmüll. Und das, obwohl alles digital ist.“ Priesberg überlegt lange: „Kann es sein, dass der erste Bewohner, der eine Internetbestellung tätigt, alle anderen Nachbarn blockiert, da dem Haus nur eine Hausnummer zugeordnet ist? “ Ehrlich ruft aus: „Genauso ist es. Wo kämen wir denn dahin, wenn man noch die individuellen Hausnummern der Wohnungen berücksichtigen würde? “ Priesberg wendet ein: „Wenn der Prozess wirklich digital wäre, müssten aber alle Fälle erfasst und abrufbar sein.“ Ehrlich fasst zusammen: „Ganz genau. Ich nenne dieses für viele Situationen symptomatische Beispiel ‚simulierte Digitalisierung‘. Augenscheinlich sieht es digital aus, im Hintergrund müssen aber Menschen tätig werden. Das wird nicht sofort sichtbar-- und somit kommt man damit durch.“ Priesberg entgegnet: „All das hört sich pessimistisch an. Wohlfühlend fahren wir gegen die Wand.“ Ehrlich widerspricht: „Das führt zu wirtschaftlichen Verlusten. Deswegen sollten alle Digitalmaßnahmen nicht nur auf Wirksamkeit, sondern auch auf Anteile simulierter Digitalisierung überprüft werden. Und das stößt auf Widerstand, da man bei digitalen Prozessen mit liebgewonnenen Gewohnheiten brechen muss.“ Priesberg kratzt sich wieder am Kopf: „Denken bedeutet Widerstand, sich daraus ergebendes Handeln noch viel mehr-… da tausche ich doch lieber meine Floskeln mit anderen aus.“ Ehrlich muntert auf: „Wenn man sich zu Beginn jeder Maßnahme die Punkte ‚Wirksamkeit‘ und ‚Verzicht auf digitale Simulation‘ vornimmt, dann gelingt es.“ Priesberg fragt knapp: „Warum? “, Ehrlich erläutert weiter: „Beide Punkte sind harte Fakten und messbar. Sie können sich in ihrer Bedeutung nur schwer verschieben, viel schwerer als Floskeln. Und wenn sie von Anfang an in das Kommunikationssystem der Maßnahmen übernommen, also akzeptiert werden, dann muss sich jede Floskel dagegen bewähren und wird im Zweifelsfall aussortiert.“ „Es ist also wie im Sperrmüll. Was nicht gebraucht wird, kann weg“, fasst Priesberg zusammen. „Am Ende des Tages, ja“, grinst Ehrlich. Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. eMail: Jens.Koehler@basf.com 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0033 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM PPS, paXos Project Solutions & Consulting GmbH www.pps-consulting.eu Stefan Puczynski, stefan.puczynski@pps-consulting.eu Globaler Partner für exzellentes Projektmanagement und maßgeschneiderte Projektsteuerung. Mit über einem Jahrzehnt Erfahrung in der Papier- und Zellstoffindustrie und tiefgreifender Expertise in diversen anderen Industrien. Projektsteuerung und -management: Von der Planung bis zur Umsetzung begleiten wir Sie durch alle Phasen Ihres Projekts. Wir verwandeln Ihre Projekte in nachhaltige Erfolgsgeschichten durch präzise Planung, intelligente Strategien und enge Zusammenarbeit- - weltweit und branchenübergreifend. Wir freuen uns sehr, Mitglied bei der GPM zu sein und unser Netzwerk zu erweitern. Ebenso nutzt unser Team die GPM zu Aus- und Weiterbildung, um somit immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Entferner GmbH & Co. KG www.enerfect.de felix@enerfect.de Wir sind ein Unternehmen, das sich auf die Beratung von Unternehmen und Privatpersonen in allen Fragen der Energieeffizienz spezialisiert hat. Zu den Hauptgeschäftsfeldern gehören die Erstellung von Energiekonzepten und die Planung der Umzusetzenden Energieeffizienzmaßnahmen. Die Sicherstellung, dass die Projekte unserer Kunden effizient und erfolgreich abgeschlossen werden. Zu den wichtigsten PM-Aufgaben gehören die Planung, Steuerung und Überwachung von Projekten im Energieeffizienz Bereich. Uns mit anderen PM-Fachleuten zu vernetzen und vom Erfahrungsaustausch innerhalb der GPM zu profitieren. Zugang zu aktuellen Informationen und Best Practices. Die GPM Fach- und Regionalgruppen Die derzeit 39 Regionalsowie 31 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen.html bzw. www.gpm-ipma.de / ueber_uns / regionen.html 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0034 Aus den DACH-Verbänden | pma intern pma focus 2025: Dialog statt Konfrontation Unter dem Titel: „Mit Projektmanagement gemeinsame Lösungen fördern“ findet am 16. Oktober 2025 Österreichs größter Projektmanagement-Kongress in Wien statt. Die Eröffnungs-Keynote wird Tobias Endler, renommierter Politologe, Buchautor und gefragter Speaker, halten. Wie gehe ich effektiv mit Populismus um? Wie schütze ich mich und mein Well-Being in der Diskussion? Was ist eine gute Debatte? Tobias Endler wird demokratische Grundlagen auf das Projektmanagement übertragen und wertvolle Impulse für einen erfolgreichen Dialog geben. Tatjana Lackner, Kommunikations- Profi und Gründerin der Schule des Sprechens, zeigt in ihrer Keynote, welchen Stellenwert moderne Business Rhetorik hat und gibt rhetorische Hilfen, die im nächsten Projektmanagement-Meeting von Nutzen sind. Weitere Vortragende sind u. a. Gernot Bleier, Consulting Manager, und Anna Schütz, Projektleiterin. Beide kommen von einem großen europäischen Immobilienberatungsunternehmen und sprechen über Diskursräume als Teil der Immobilienplanung; sowie Nina Alice Bauregger, Geschäftsführerin der Austrian Leadership Academy, die uns zeigt, wie Organisationen dazu beitragen können, Spaltungen zu überwinden. Der pma focus 2025 bietet eine Plattform für Projektmanager*innen und Interessierte, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und die Zukunft aktiv zu gestalten. Die Veranstaltung verspricht einen bunten Mix aus Impulsvorträgen, Praxisbeispielen sowie Raum für Vernetzung. Speed Sessions, Workshops und Österreichs größte Projektmanagement-Messe runden den Fachkongress ab. Interessierte können im Austria Center Vienna live vor Ort oder digital dabei sein. Tipp: Bei Buchung bis 30. Juni gilt der Frühbucher-Rabatt. Infos und Tickets unter pma.at / focus Mitglied vor den Vorhang alea + partner GmbH Grieskai 96, 8020 Graz, www.alea.co.at Kontakt: Mag. Thomas Wychodil, MBA, Geschäftsführender Gesellschafter Tel. +43 (0) 5 999 6 0, Mobil +43 (0) 664 88 454 100 Hauptgeschäft Die alea + partner bietet innovative, individuelle und qualitätsgesicherte Beratungs-, Aktivierungs- und Qualifizierungsangebote für die Arbeitswelt, begleitet Menschen bei der Arbeitsaufnahme, fördert lebenslanges Lernen und pflegt respektvolle Arbeitsbeziehungen. PM-Aufgaben und Bedeutung Durch die 10-jährige Kooperation mit Projekt Management Austria bieten unsere zertifizierten Ausbildungen erhebliche berufliche Vorteile. Absolvent*innen können ihre erworbenen Fähigkeiten erfolgreich in der Arbeitswelt einsetzen und profitieren von einer soliden, anerkannten Ausbildung. pma Vorstand Robert Schanzer © pma / L. Schedl 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0035 Aus den DACH-Verbänden | spm intern Rückblick 42. spm Generalversammlung am 26. 03. 2025 Pünktlich um 18: 00 Uhr war unser Saal an der KV Business School in Zürich fast voll und Naomi Grosjean (Product Managerin und IT Architektin bei der Swisscom) konnte mit ihrem spannenden Fachvortrag zum Tool «FeaturePro @Swisscom» starten. FeaturePRO @Swisscom ist ein KI-gestütztes Tool, das von Swisscom entwickelt wurde, um den Prozess der Detaillierung von Features zu unterstützen. Es nutzt generative KI (GenAI), um automatisch Beschreibungen, Akzeptanzkriterien, Testfälle und Ziele für die Planung zu erstellen. Dadurch haben die Verantwortlichen mehr Zeit, sich auf andere wichtige Aufgaben zu konzentrieren. Zur Verdeutlichung zeigte sie uns dieses KI-gestützte Tool direkt in Aktion. Nach einer kurzen Pause ging es über in die spm Generalversammlung. Die Zahlen haben sich im Jahr 2024 stabilisiert. Noch immer wünschen wir uns im Verband eine Zunahme der Mitgliederzahlen. Dazu hat der Vorstand mehrere Initiativen definiert, die teilweise bereits gestartet wurden. Es wurde Martin Sedlmayer als langjähriges Vorstandsmitglied verabschiedet. Lucia Nievergelt verlässt den spm Vorstand und wird sich weiterhin in Zukunft als Organisatorin des PM Camps mit einbringen. Es wurde Thomas Hunziker nach zehnjähriger Fachgruppenleitung der Fachgruppe PM goes Boardroom verabschiedet und verdankt. Auch bei den Revisoren gibt es einen Wechsel. Wir bedanken uns bei Erika Bachmann für die Zeit als Revisorin und begrüssen gleichzeitig ihre Nachfolgerin Ursula Fröhlich. Als neues Vorstandsmitglied stellte sich Thomas Heimgartner vor. Er wurde einstimmig als neues Mitglied in den Vorstand gewählt. Markus Stäuble wurde als langjähriges Mitglied im Vorstand in seine 7. Amtszeit wiedergewählt. Nach dem vielen Applaus wurde durch Ingrid Giel und Jos. Linssen gezeigt, was wir in den kommenden Monaten erwarten dürfen. Als eines der Highlights ist sicher die 25. Frühjahrstagung vom 20. 05. 2025 hervorzuheben. Um 19: 25 Uhr wurde die Generalversammlung geschlossen und die Gäste durften sich auf einen tollen Apero und einen angenehmen Austausch freuen. Weitere spm-Veranstaltungen siehe: https: / / spm.ch/ veranstaltungen/ #block_63f61ceae50eb Wer möchte sein Wissen in unsere Fachgruppen einbringen? In unseren spm Fachgruppen tauschen interessierte Mitglieder ihr Wissen branchenübergreifend aus. Experten und Expertinnen finden darin zusammen, um spezifische Aspekte des Projektmanagements zu bearbeiten. Sie bringen ihre Erfahrungen ein, greifen aktuelle Entwicklungen auf und führen sie kontinuierlich weiter. Je nach Thema verfolgen die einzelnen Gruppen einen branchen- oder fachspezifischen Ansatz. Siehe: https: / / spm.ch/ fachgruppen/ Wer möchte mit uns mitarbeiten? Wir suchen Freiwillige, die • im Kontext der Schweizer Projektmanager: innen Community sichtbar sein möchten • vertieftes Networking und fachlichen Austausch suchen • wirksam sein möchten: • …-selbst etwas verantworten möchten, • …-etwas Neues auf die Beine stellen möchten, • …-neue Erfahrungen machen möchten. Bitte melden bei: ingrid.giel@spm.ch Menschen, die uns im spm unterstützen-- siehe: https: / / spm.ch/ ueber-uns/ Michèle Sacchet, spm Geschäftsstelle/ Office 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0036 Auf ein Wort mit-… Björn Werner Martina Peuser Zur Person | Björn Werner verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Leitung von IT-Projekten, ist Projektmanager am Flughafen Köln / Bonn und lehrt als Dozent im Bereich (Multi-)Projektmanagement. Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? Ich kam nach meinem Informatikstudium zufällig durch eine Bewerbung als Projektmanager in der IT zum Projektmanagement. Falls Sie kein Projektmanager geworden wären-- was stattdessen? Ich wäre Softwareentwickler, da es ein Schwerpunkt in meinem Studium war. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Mich prägte ein im Unternehmen strategisch wichtiges Projekt. Sehr einflussreiche Stakeholder erschwerten mir die Arbeit im Projekt. Bis zu dem Zeitpunkt kannte ich Konflikte im Projekt nur aus der Theorie. Seit diesem Projekt hat für mich Stakeholder- und Risikomanagement eine hohe Bedeutung bekommen. An welchem Projekt arbeiten Sie gerade? Mein aktueller Projektauftrag ist die Digitalisierung von Abstellpositionen von Verkehrsflugzeugen. Es geht darum, automatisiert bestimmte Daten für die Abläufe zu gewinnen, um die Sicherheit und Nachhaltigkeit in der Abfertigung von Flugzeugen zu verbessern. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? Generell ist in der Luftverkehrsbranche sehr viel durch Standards geprägt, die auch in den Projekten einzuhalten sind. In Projekten nutzen wir IPMA-Standards und bilden selbst nach dem Kompetenzmodell aus. Was zeichnet Sie als Projektmanager besonders aus? Meine analytischen Fähigkeiten helfen mir dabei, die Ausgangssituation zu verstehen, das Projekt zu strukturieren, sodass am Ende die Puzzle-Teile zusammenpassen. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? Mich motivieren die Vielfältigkeit an Themen und die Abwechslung. Welche Tipps haben Sie für den Projektmanagement-Nachwuchs? Geduld in der Anwendung des Projektmanagement-Wissens. Es wird zu schnell aufgegeben, wenn Methoden nicht funktionieren und schnell angepasst. Wichtig ist, dranzubleiben und aus den Erfahrungen zu lernen. Zu schnelle Anpassungen verlängern die Lernkurve unnötig. Welche Eigenschaften schätzen Sie an Projektmanagern*innen am meisten? Die Fähigkeit hohen Optimismus ausstrahlen zu können-- insbesondere in Krisen im Projekt. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Glück? Der Gestaltungsspielraum bei der eigenen Arbeit ist für mich das größte Geschenk als Projektleiter. Am Ende zählt der Projekterfolg. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Unglück? Wenn mein Projekt zum politischen Spielball wird und zur Durchsetzung eigener Interessen verwendet wird. Was sind zukünftige Trends? Die Künstliche Intelligenz. Projektleiter werden sich immer mehr Ratschläge von der KI einholen, statt Projekt-Vertraute zu fragen. Was geben Sie den Lesern mit auf den Weg? Räumen Sie ausreichend Zeit für den Projektstart ein und arbeiten Sie nicht einfach drauflos. Prof. Dr. Martina Peuser ist Professorin für Projektmanagement und Organisation sowie Beraterin für Effizienz in Führung, Strukturen und abteilungsübergreifender Zusammenarbeit. In ihrer Kolumne gibt sie Einblicke in die Erfahrungen von Menschen im Projektumfeld. PM-Zeit für dich Unser Weiterbildungsangebot bringt dich persönlich und fachlich voran PM-Zeit für uns Zahlreiche Vernetzungsmöglichkeiten bringen uns zusammen und in den Austausch PM-Zeit für alle Mit Studien und Forschung stärken wir die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ® Mitglied der Es ist an der Zeit für Projektmanagement. Ob in der Wirtschaft, der Verwaltung oder für die persönliche Entwicklung. Mit dem gezielten Ausbau von Projektmanagement-Fähigkeiten können Projekte effizienter gestaltet und der Erfolg messbar gesteigert werden. Denn Projektmanagement ist nicht nur Methode, sondern die Basis für Struktur, Innovation und nachhaltige Ergebnisse. Jetzt über unser umfangreiches Angebot rund um PM informieren: gpm-ipma.de Weitere Bücher, Audios, Informationen und Bestellmöglichkeit auf www.junfermann.de Oliver Kruth & Jörg Schmidt FlipBox Mit professionellen Flipcharts Lern- und Dialogprozesse unterstützen Visualisierungen unterstützen Lern- und Dialogprozesse. Aber ist das Flipchart nicht ein Auslaufmodell? Geht das nicht alles digital viel einfacher? Analoge Visualisierungen sind anders - und wirkungsvoll. Gerade für das gemeinsame Erarbeiten in Workshops ist das Flipchart bestens geeignet, um Beiträge zu visualisieren. Bilder und Motive, die ad hoc im Dialog entstehen, regen an, mitzudiskutieren und mitzudenken. In der Box gibt es eine große Auswahl an Flipchart-Vorlagen. Für die unterschiedlichsten Phasen von Workshops lassen sich schnell die passenden Motive finden und einfach abmalen. Tipps und Schritt-für- Schritt Anleitungen unterstützen bei der Umsetzung und erweitern die eigenen Visualisierungsfähigkeiten. • Einfacher Einstieg in die Entwicklung und Umsetzung von Bildideen • Tipps und Anleitungen für die Verbesserung der eigenen Visualisierungsfähigkeiten • Vorbereitung für die Live-Visualisierung in Workshops • Flexible Einsatzmöglichkeiten der Muster und Vorlagen • Alle Flipcharts und Motive auch als digitale Vorlagen, die verändert und adaptiert werden können. 169 Karten • € (D) 58,00 • ISBN 978-3-7495-0257-8 F l i p c h a rt- G e sta ltu n g l e i c ht g e m a c ht Das Online-Seminar „Einfach visualisieren“ von Jörg Schmidt Laufzeit: ca. 60 Minuten in 26 Lerneinheiten Inkl. 49-seitigem WorkBook und Teilnahmezertifikat EUR 29,00 In 26 kurzen Videoclips lernen Sie, selbst komplexe Inhalte auf dem Flipchart attraktiv und strukturiert darzustellen. Schritt für Schritt erleben Sie, wie aus einzelnen Strichen Motive entstehen, aus einfachen Grundformen im Handumdrehen Gegenstände, Symbole und Figuren. Eine Schatzkiste an Techniken, Tipps, Ideen und Inspirationen für alle, die professionell am Flipchart arbeiten! Hier geht es zum Seminar! Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de P O W E R E D B Y worldcongress-ipma.com THILO WOLF ALENA BUYX LAURA LUDWIG MITRI SIRIN Preisgekrönter Musiker und Jazzpianist Professorin für Ethik und Gesundheitstechnologie Beachvolleyball-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Fernsehmoderator und Journalist Neue Sichtweisen, überraschende Perspektiven: Erleben Sie unsere hochkarätigen Keynotes auf dem 34. IPMA World Congress in Berlin! 3 Tage 7 Bühnen 4 Keynotes 60 Speaker 6 Seminare ∞ Community EVENT DES JAHRES PROJEKTMANAGEMENT 17.-19. SEPTEMBER 2025 JETZT TICKET SICHERN Speaker Seminare mmunity ©Jennifer Fey ©Sascha Pöltl ©TUM/ Lara Freiburger Resilienz und Projektmanagement Ausgabe 2/ 2025 | 36. Jahrgang
