PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2000
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Gesellschaft für ProjektmanagementDas Modell lebensfähiger Systeme und seine Anwendung im PM
31
2000
Manfred Saynisch
Gerhard Mekelburg
Peter M. Frieß
Die Managementkybernetik konzentriert sich auf die Entwicklung von Lenkungsmodellen, mit denen komplexe Systeme unter Kontrolle gehalten werden können. Diese Lenkungsmodelle könnten somit auch für das Management komplexer Projekte geeignet sein. Der Beitrag fasst die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Systemdynamik im Projekt und PM“ zusammen, in dem das Modell lebensfähiger Systeme (MLS) von Stafford Beer auf seine Eignung für Projekte und für das Projektmanagement überprüft und einige Gestaltungsregeln für das Management komplexer Projekte erarbeitet wurden. Sie wurden auf dem Deutschen Projektmanagement Forum 1998 in Dresden vorgestellt.
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Zusammenfassung Die Managementkybernetik konzentriert sich auf die Entwicklung von Lenkungsmodellen, mit denen komplexe Systeme unter Kontrolle gehalten werden können. Diese Lenkungsmodelle könnten somit auch für das Management komplexer Projekte geeignet sein. Der Beitrag fasst die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Systemdynamik im Projekt und PM“ zusammen, in dem das Modell lebensfähiger Systeme (MLS) von Stafford Beer auf seine Eignung für Projekte und für das Projektmanagement überprüft und einige Gestaltungsregeln für das Management komplexer Projekte erarbeitet wurden. Sie wurden auf dem Deutschen Projektmanagement Forum 1998 in Dresden vorgestellt. Abstract Management cybernetics as a management science focuses on the development of models for the control of complex and dynamic systems. These models could be used just as well for the management of complex projects. This article summarizes the results of the research project “System Dynamics in Project and PM” which has examined the suitability of the Viable System Model of Stafford Beer for projects and project management. Some rules for the management configuration of complex projects have been elaborated. They were presented to the participants of “The German Project Management Forum 1998”. Schlagwörter Autonomie, Kybernetik, Managementkybernetik, Modell lebensfähiger Systeme, Projektmanagement, Projektmanagement 2. Ordnung, Rekursion, Systemtheorie 1. EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT: ANLASS UND RAHMEN Das Projektmanagement wird heute vielfach noch als ein Instrument betrachtet, mit dem sich komplexe Vorhaben wie eine Maschine konstruieren, bauen, steuern und kontrollieren lassen. Die Praxis zeigt jedoch ein anderes Bild. Viele Projekte enden mit einem so nicht geplanten Ergebnis, einer Termin- oder Kostenüberschreitung oder schlicht in einem Fiasko. Die Vermutung, dass wir vielleicht ein anderes Verständnis des Projektmanagements benötigen würden, wird selten formuliert. Weit verbreiteter ist hingegen die Bekämpfung von Symptomen: Für Projekte in der Krise gibt es jetzt das Krisenmanagement, für Konflikte das Konfliktmanagement. Andere Projekte mutieren zur Selbsterfahrungsgruppe. Und die Listen der Projekt-Erfolgsfaktoren sind mittlerweile ähnlich lang wie die Listen von Qualifikationsanforderungen an die Projektleiter. Dies alles hat seine Berechtigung, weil es auf die eine oder andere Art und Weise der Weiterentwicklung des Projektmanagements dient. Es trägt aber zur Lösung der Probleme nur partiell bei. Das Programm „Neue Wege im Projektmanagement“ unter der Leitung von Dipl.-Ing. M. Saynisch geht einen anderen Weg. In diesem Programm werden Auswirkungen und Konsequenzen erarbeitet, die sich aus neuen Sichtweisen und Erkenntnissen in den Wissenschaften für das Projektmanagement ergeben. Nach der Evolutions- und Chaostheorie sind in den letzten Jahren Teilthemen aus dem Gegenstandsbereich von Systemtheorie und Kybernetik in Form von Forschungsprojekten detaillierter untersucht worden. Ansatzpunkt für das im Jahr 1996/ 97 durchgeführte Forschungsprojekt „Systemtheorie und 12 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 0 Das Modell lebensfähiger Systeme und seine Anwendung im PM Ergebnisse des Workshops auf dem Deutschen PM Forum 1998 M A N F R E D S A Y N I S C H , G E R H A R D M E K E L B U R G , P E T E R M . F R I E S S soziale Systeme im Projektmanagement“ (GPM Projekt 96002) war die enge Vernetzung von Systemtheorie und Projektmanagement. Die Systemtheorie ist die Wissenschaft von der Struktur, den Verknüpfungen und dem Verhalten komplexer Systeme. In diesem Projekt standen die strukturellen Aspekte der Gestaltung von Projekten und des Projektmanagements im Vordergrund. Zielsetzung dieses Projektes war es, neuere systemtheoretische Konzepte (wie z. B. Selbstorganisation, Chaostheorie, Autopoiesis) auf die Gestaltung von Projekten anzuwenden, in denen neben der Leistungserstellung auch die Interessen verschiedenster Gruppen und Personen oder politisch-kulturelle Einflussfaktoren eine wesentliche Bedeutung haben. Unter dem Titel „Zur Gestaltung der sozialen Architektur von Projekten - Das Zusammenwirken von sozialen, technischen und komplexen Systemen“ wurden die Arbeiten und Ergebnisse publiziert [1]. Das im Jahr 1997/ 98 durchgeführte Forschungsprojekt „Systemdynamik im Projekt und PM“ (GPM Projekt 97012) knüpfte an die Forderung an, die Erkenntnisse der Managementkybernetik in die Belange des Projektmanagements umzusetzen. Die Managementkybernetik betrachtet Komplexität als Grundproblem des Managements. Sie konzentriert sich auf die Entwicklung von Lenkungsmodellen, mit denen komplexe, sozio-technische Systeme „unter Kontrolle zu halten“ sind. Das zentrale Lenkungsmodell der Managementkybernetik ist das Modell lebensfähiger Systeme (MLS) von Stafford Beer. Die Zielsetzung des Projektes war es, dieses Modell auf seine Eignung für Projekte und für das Projektmanagement zu überprüfen und Gestaltungsregeln für das Management komplexer Projekte zu erarbeiten. Die Arbeiten zu diesem Projekt sind im Tagungsband des Deutschen PM Forum 1998 veröffentlicht und im Workshop W5 interessierten Teilnehmern präsentiert worden [2]. Der vorliegende Beitrag stellt kurz die theoretischen Grundlagen dar und zeigt dann die Ergebnisse des Projektes mit Konsequenzen für die Praxis auf. Anschließend werden die Ergebnisse des Workshops diskutiert. 2. DAS MODELL LEBENSFÄHIGER SYSTEME - EIN ÜBERBLICK Als Ende der 50er Jahre die noch junge kybernetische Wissenschaft ihren großen Durchbruch hatte, begriff Stafford Beer, dass diese Erkenntnisse auch für das Management von Bedeutung sind, und wurde so zum Begründer der Managementkybernetik. Bei seinen weiteren Arbeiten erkannte er, dass das Zentralnervensystem des Menschen ein lebensfähiges System repräsentiert, das mit allen für das Überleben notwendigen Funktionen und Beziehungen ausgestattet ist. Stafford Beer identifizierte im menschlichen Zentralnervensystem fünf Subsysteme, von denen jedes relativ autonom gewisse Funktionen für das Gesamtsystem wahrnimmt. Diese Subsysteme interagieren über Kanäle permanent 13 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P M - G R U N D S A T Z B E I T R A G miteinander und halten sich selbst und damit das Gesamtsystem - ohne zentralistisch-hierarchische Steuerungsinstanz - in einer Unzahl von Zuständen und Situationen in einem Gleichgewicht - eben unter Kontrolle. Beer fasste das in einem Modell zusammen, welches auf der Erkenntnis der Neurophysiologie aufbaut, dass die biologische Lebensfähigkeit eines Organismus nicht auf den Eigenschaften seiner Organe beruht - vielmehr ist sie das Resultat der Verknüpfung der Organe (s. Abb. 1). Beer kam nun auf die Idee, eine Parallele zu ziehen zwischen der Funktionsweise des zentralen Nervensystems des Menschen und einem Unternehmen, denn die Überlebensfunktion ist für beide eine entscheidende Größe. Beer ging davon aus, dass die im zentralen Nervensystem gefundenen Subsysteme und ihre Verknüpfung in allen komplexen Systemen und damit auch in Unternehmungen zu finden sind. In einem Prozess des Verstehens, Erklärens und Vergleichens von Zentralnervensystem und Management leitete er die Grundprinzipien des Modellaufbaus und der Verwendung des Modells ab. Besonderes Kennzeichen des Modells ist seine charakteristische Struktur aus fünf Subsystemen, die als Lenkungseinheiten oder Systeme 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet werden (s. Abb. 2). Wichtige Erkenntnis dabei ist, dass bei der Übertragung auf das Unternehmen das klassische Prinzip des Organigramms aufzugeben ist und vor allem die wichtigsten Funktionstypen (Subsysteme) in den Vordergrund rücken. Das Modell lebensfähiger Systeme ist somit weniger durch eine Analogiebildung entstanden, sondern mehr das Ergebnis der Suche nach den grundlegenden und notwendigen Prinzipien, nach denen in Natur und Gesellschaft selbstregulierende, lebensfähige Systeme funktionieren. Das Modell lebensfähiger Systeme ist in den letzten Jahren weiterentwickelt worden. Dabei wurde es Abb. 1a/ b: Die Generalisierung des neurophysiologischen Regelungssystems des menschlichen Organismus durch Stafford Beer 14 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 0 für die Anwendungen bei einer Unternehmensführung gründlich untersucht und beispielsweise in das St. Galler Management-Konzept eingebaut. Ein neuer Schwerpunkt liegt dabei auf der organisationalen Intelligenz, unter welcher die Fähigkeit von Organisationen zur Transformation zu verstehen ist. Ein weiterer Schwerpunkt ist das ebenfalls von Beer entwickelte Team Syntegrity Model, eine neue Form der Zusammenarbeit von bis zu 30 Personen, welche die Abstimmungsprozesse in den Unternehmungen revolutionieren und damit auch für das Projektmanagement geeignet sein könnte. Dieses war jedoch nicht Gegenstand dieses Forschungsprojektes. 3. DIE ERGEBNISSE DES FORSCHUNGSPROJEKTES Das Projekt hat das Modell lebensfähiger Systeme auf seine Eignung für Projekte und Projektmanagement überprüft. Die Ergebnisse sind in Form von vier Thesen komprimiert dargestellt. Diese ergänzen die 9 Thesen, die im Projekt „Systemtheorie und soziale Systeme im Projektmanagement“ erarbeitet worden sind [1]. Diese beiden Ergebnisse sind Grundlage für die Formulierung von Gestaltungsregeln für das Management komplexer Projekte. 3.1 These 1 Das Management komplexer Projekte soll dem Bild der „Matroschka“ entsprechen - Projekte, Teilprojekte, Prozesse und Organisation müssen nach den Prinzipien der Rekursion gestaltet sein. Lebensfähigkeit und Autonomie sind zwei weitere mit der Rekursion eng vernetzte Prinzipien, die dabei als Gestaltungsparameter einfließen. Erläuterungsbeispiel: Im Projektmanagement gibt es allgemein anerkannte Gestaltungsregeln (im oft recht abstrakten Kontext) für die Bildung von Teilprojekten und großen Arbeitspaketen. Abb. 2a/ b: Die Umsetzung der neurophysiologischen Regelung in ein Modell der Unternehmensführung durch Stafford Beer 15 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P M - G R U N D S A T Z B E I T R A G Die Aufgabe ist beispielsweise derart abzugrenzen, dass wenig Schnittstellen entstehen und dass die Zuordnung von organisatorischen Einheiten eindeutig erfolgen kann. Mit den Prinzipien der Lebensfähigkeit, Rekursion und Autonomie können diese Gestaltungsregeln präzisiert und ergänzt werden. ● Nach dem Prinzip der Lebensfähigkeit sind Teilprojekte so zu gestalten, dass für diese - vergleichbar einer Konzernholding und ihren Divisionen - ein eigenständiges Management gerechtfertigt ist und auch implementiert werden kann. ● Nach dem Prinzip der Rekursion sind Teilprojekte so zu gestalten, dass deren Management die gleiche Struktur aufweist, wie das Management des Gesamtprojektes. Beispielsweise sind Controlling-Funktionen auf Projekt- und Teilprojektebene einzurichten - Aufgabenumfang und Betrachtungshorizont bleiben jedoch unterschiedlich. Darüber hinaus sind Gesamtprojekt und Teilprojekt vereinfacht formuliert nach dem Prinzip der überlappenden Gruppen miteinander zu verknüpfen. ● Nach dem Prinzip der Autonomie sind Teilprojekte so zu gestalten, dass sie im Interesse der Performance des Gesamtsystems möglichst autonom agieren können. Es sind aber Regeln zu vereinbaren, nach denen der Gesamtprojektleiter diese Autonomie im Interesse des Gesamtprojektes situativ und für jedes einzelne Teilprojekt separat anpassen kann. 3.2 These 2 Das Management komplexer Projekte muss die normative, strategische und operative Ebene berücksichtigen, damit die unterschiedlichen Sach- und Zeithorizonte im Projekt angemessen bewältigt werden können. Erläuterungsbeispiel: Das heutige Projektmanagement fokussiert auf die Planung, Steuerung und Kontrolle der operativen Leistungserstellung. Jedes Projekt weist jedoch auch Randbedingungen mit ganz unterschiedlichen Sach- und Zeithorizonten auf, welche die operative Arbeit vorsteuern. Diese Randbedingungen können strategische Bedeutung für das Projekt haben, wie zum Beispiel die Teamentwicklung über den Projektablauf, oder sie können normativ sein, wie zum Beispiel die Ziele des Auftraggebers. Ein Projektleiter, der beim Projektstart die ihm bekannten Vorgaben und Randbedingungen seines Projektes in die normative, strategische und operative Ebene einordnet, gewinnt drei Vorteile: ● Die gesamte Managementaufgabe wird transparenter. ● Er kann wichtige Aufgaben für das Management des Projektes schneller erkennen und Aufgabenträgern innerhalb wie außerhalb des Projektes zuordnen. ● Er kann die unterschiedlichen Zeithorizonte der Aufgaben besser berücksichtigen und damit möglichen Projektkrisen besser vorbeugen. Diese Strukturierung benötigt sicher nicht in jedem Fall ein umfassendes Planungsmodell, wie es mit dem Bezugsrahmen zum Management komplexer Projekte dargestellt ist (s. Abb. 3). Abgeleitet aus dem Bezugsrahmen kann das Management komplexer Projekte zum Beispiel bereits durch folgende Fragen verbessert werden: 1. Welche Vorgaben und Werthaltungen meines Auftraggebers sind mir bekannt? 2. Wie kann ich die Struktur und Kultur meines Projektes gestalten, um diesen Vorgaben und Werthaltungen zu entsprechen? 3. Welche kritischen Erfolgsfaktoren resultieren aus der Struktur und Kultur meines Projektes? 4. Welche Maßnahmen muss ich durchführen, um den kritischen Erfolgsfaktoren meines Projektes gerecht zu werden? 5. Bis wann müssen diese Maßnahmen durchgeführt werden? 6. Wer führt die Maßnahmen durch? 3.3 These 3 Für das Management komplexer Projekte ist es nicht entscheidend, wer oder was die fünf Managementfunktionen des Modells lebensfähiger Systeme wahrnimmt, sondern dass diese Funktionen überhaupt und aufeinander abgestimmt wahrgenommen werden. Erläuterungsbeispiel: Diese These spiegelt die Alltagserfahrung in Unternehmungen und Projekten wider, dass es weniger darauf ankommt, wer eine Auf- 16 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 0 gabe macht, sondern dass sie überhaupt erledigt wird. Die Identifikation der fünf Managementfunktionen kann mit den folgenden Fragen erfolgen: 1. Politik: Wer oder was bestimmt die Funktion meines Projektes im Unternehmen oder in der Umwelt, wer oder was legt Prinzipien und Normen für das Projekt fest, und wer oder was gleicht die internen und externen Anforderungen an das Projekt aus? 2. Intelligenz: Wer oder was erfasst, analysiert und beschreibt das Projekt und seine Umwelt, und wer oder was berichtet mir darüber? 3. Steuerung: Wer oder was sorgt für den internen Ausgleich im Projekt durch Steuerung oder durch die Zuteilung von Mitteln oder durch die Wahrnehmung von Synergien? 4. Koordination: Wer oder was stimmt die Teilprojekte oder Arbeitspakete meines Projektes miteinander ab, und wer oder was gleicht zwischen diesen aus? 5. Implementierung: Wer oder was managt die Teilprojekte oder Arbeitspakete? Nach dieser Identifikation sind die Managementfunktionen im Bedarfsfall zu vervollständigen oder neu festzulegen, ihr Zusammenspiel aufeinander abzustimmen und der Informationsfluss zwischen ihnen zu regeln. 3.4 These 4 Über einen „Parasympathikus“ können wichtige Informationen für die Projektsteuerung gewonnen werden. Dies ist bei allen Projekten, in denen wie bei IT- oder Organisationsprojekten human-soziale Systeme eine Rolle spielen, von besonderer Bedeutung. Erläuterungsbeispiel (siehe auch Kasten „Parasympathikus“): In komplexen Projekten sind somit alle drei Informations- und Steuerungskanäle, 1. Befehlsachse/ somatisches Prinzip, 2. Formale Information/ Sympathikus und 3. Informale Information/ Parasympathikus), bewusst zu planen, zu implementieren und am Leben zu erhalten. Dies kann zum Beispiel durch ein Management by walking around, durch das Fragen und Zuhören in Kaffeeküchen und Raucherecken, durch ein Intranet-Forum oder wie bei Siemens Österreich durch eine Projektbörse, an der die Projektmitarbeiter anonym auf den Erfolg des Projektes spekulieren können, erreicht werden. Wesentlich bei dieser Planung und Implementation ist die enge Kopplung aller drei Informations- und Steuerungskanäle. In dem umfassenden Ansatz für das Management komplexer Vorhaben, dem „Projektmanagement 2. Ordnung (PM-2)“ [1], wird diese Vernetzung beispielsweise gewährleistet. Darüber hinaus integriert PM-2 gleichzeitig die normative, strategische und operative Ebene und das Prinzip der Rekursion (Thesen 1 und 2). PM-2 ermöglicht mit seiner Differenzierung in vier Welten das Zusammenspiel von harter und weicher Methodik, von linearen, nichtlinearen und zyklischen Prozessen oder von Räderwerken und Netzwerken. PM-2 manifestiert somit ein neues Verständnis von Projektmanagement. 4. DER WORKSHOP AUF DEM DEUTSCHEN PM FORUM 1998 4.1 Der Ablauf und die Ergebnisse des Workshops Der Leiter des Forschungsprojektes „Systemdynamik im Projekt und PM“, Dipl.-Ing. Manfred Say- Abb. 3: Managementebenen und Funktionen des Projektmanagements 17 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P M - G R U N D S A T Z B E I T R A G Harte Faktoren Weiche Faktoren Systemische Faktoren Managementebenen und Funktionen Orientierungsgrundlagen Zielgröße Normatives Management Politik System 5 Projektdefinition Werthaltungen Projektkultur Teamarbeit Motivation Kompetenzen Transformation Identität Entwicklung Strategisches Management Intelligenz System 4 Operatives Management Steuerung System 3 Koordination System 2 Implementierung System 1 Projektstrukturen Kritische Erfolgsfaktoren Teamentwicklung „Kollektive Intelligenz“ Projekt-/ Umweltabgrenzung Selbstorganisation Autonomie der Subsysteme Identifikation mit dem Ganzen Frühwarnung Lebensfähigkeit Erfolgspotenziale Projektfortschritt Arbeitspaketfortschritt Phasenschema Meilensteine Arbeitspaketspezifikationen Zeithorizont Komplexität nisch, eröffnete den Workshop W5 auf dem Deutschen PM Forum 1998 in Dresden mit der Begrüßung der etwa 25 erschienenen Teilnehmer. Er stellte zunächst die Ziele und die Arbeit im Rahmen des Programmes „Neue Wege im Projektmanagement“ vor. Anschließend erläuterte Dr.-Ing. Peter M. Frieß den Teilnehmern den geplanten Ablauf des Workshops, der sich aus Input-Referat, Gruppenarbeit und deren Präsentation im Plenum zusammensetzte. Den ersten Part des Input-Referates übernahm Dipl.-Ing. Manfred Saynisch. Er zeigte auf, wie Stafford Beer das Modell lebensfähiger Systeme aus der Struktur des menschlichen Zentralnervensystems entwickelt hat, und führte die Teilnehmer damit in das Modell ein. Im zweiten Part des Input-Referates präsentierte Dipl.-Verw.-wiss. Gerhard Mekelburg die Ergebnisse des Projektes. Er erklärte zunächst das Prinzip der Lebensfähigkeit und die fünf Managementfunktionen im Modell lebensfähiger Systeme. Anschließend erläuterte er die Prinzipien der Rekursion und der Autonomie, die für das Verständnis des netzwerkartigen Aufbaus des Modells wichtig sind. Den größten Raum des Input- Referates nahm die Erklärung des von der Projektgruppe weiterentwickelten Bezugsrahmens für das Management komplexer Projekte ein. Zum Abschluss des Input-Referates wurden den Teilnehmern die vier Thesen vorgestellt, welche die Ergebnisse der Projektarbeit zusammenfassen. Nach der Vorstellung der Thesen bat Peter M. Frieß die Teilnehmer, kleine Gruppen von etwa 5 Personen zu bilden, um die Thesen zu bearbeiten. Diese Bearbeitung sollte sich an den folgenden drei Leitfragen orientieren, welche den Gruppen zusammen mit den Thesen und Antwortkärtchen ausgehändigt wurden: A) Wie könnten Sie diese Aussagen in Ihrer PM-Praxis umsetzen? B) Welche konkreten Probleme sehen Sie bei der Umsetzung? C) Was sollte darüber hinaus aus Ihrer Erfahrung bei der Anwendung des Modells lebensfähiger Systeme beachtet werden? Die folgende halbe Stunde war von teilweise sehr intensiven Diskussionen, zum Teil aber auch von einer zögerlichen Annäherung an die anspruchsvolle Aufgabenstellung geprägt, wobei die Moderatoren mal bremsend, mal erklärend und mal provozierend unterstützten. Nach Ablauf der für die Diskussion eingeplanten Zeit benannten die Gruppen jeweils einen Sprecher. Dieser stellte die Ergebnisse der Diskussion im Plenum vor und ordnete sie in die bereitstehende Auswertungsmatrix ein, in welcher die vier Thesen und die drei Leitfragen einander gegenübergestellt waren (s. Abb. 4). 4.2 Interpretation der Gruppenarbeit Bei der Präsentation der Ergebnisse der Gruppenarbeiten zeigte sich, dass sich die Gruppen vor allem auf drei Themenschwerpunkte konzentriert haben, die ihren individuellen Interessen und Erfahrungen am nächsten standen. Diese Schwerpunktbildung kann wie folgt interpretiert werden: Bei der These 1, der Gestaltung der Projektorganisation nach dem Bild der Matroschka, befürchteten die Teilnehmer wohl aufgrund ihrer Erfahrungen mit den heutigen Teilprojekten Schnittstellenprobleme, Informationsdefizite und Kompetenzgerangel. 18 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 0 Was ist ein „Parasympathikus“? Das menschliche Zentralnervensystem kennt drei Kanäle zur Information und Steuerung: die zentrale Befehlsachse (das somatische Prinzip, der Strang im Rückgrat), den formalen Informationsweg (den Sympathikus bzw. das sympathische System) und die informellen Kanäle, die als Parasympathikus (parasympathisches System) bezeichnet werden. Übertragen auf das Unternehmen bedeutet das: ● Die Planvorgaben laufen über das somatische System (zentrale Befehlsachse) zur operativen Ebene. ● Über den formalen Informationsweg (Sympathikus) laufen die offiziellen Informationen über die Erfüllung der Planvorgaben (meist in standardisierten Berichten). ● Über den Parasympathikus sind auch Informationen zugänglich, die in den offiziellen Berichten gar nicht enthalten sein können und die deshalb nicht zur Kenntnis genommen werden. Solche „parasympathischen“ Informationen können komplexe Situationen repräsentieren, wie zum Beispiel neuartige Entwicklungen bzw. Situationen aus der Umwelt oder Widerstand gegen Veränderungen. Der Parasympathikus ist deshalb ein wichtiges Instrument für die Bewältigung von Komplexität. Manfred Saynisch Bei der These 2, der Berücksichtigung der drei Managementebenen, kann der Eindruck entstehen, dass diese in der Praxis bereits mehr gelebt wird, als dass sie schon Niederschlag in der Theorie oder den Instrumenten des Projektmanagements gefunden hätte. Bei der These 3, der Wahrnehmung der fünf Managementfunktionen, könnte die Trennung zwischen den fünf Managementfunktionen und den bestehenden hierarchischen Positionen in den Organisationen noch zu weit von der alltäglichen Erfahrungswelt der Teilnehmer entfernt gewesen sein. Bei der These 4, dem Parasympathikus, entstand eine Diskussion über die Bedeutung der weichen Faktoren im Projektmanagement, deren Intensität zur Eröffnung einer Spalte mit freien Antworten in der Auswertungsmatrix führte. Diese vier Thesen ergänzen die 9 Thesen, die im Projekt „Systemtheorie und soziale Systeme im Projektmanagement“ erarbeitet worden sind [1]. Diese beiden Ergebnisse sind Grundlage für die Formulierung von Gestaltungsregeln für das Management komplexer Projekte. 5. FAZIT Wesentliches Ergebnis des GPM Projektes 98012 ist der Nachweis, dass die fünf Managementfunktionen des Modells lebensfähiger Systeme auf das Projektmanagement übertragen werden können. Projektleiter profitieren von der Kenntnis dieser hinreichenden wie notwendigen Funktionen des Managements komplexer Systeme in zweifacher Hinsicht: 1. Sie können Mängel im Management ihrer Projekte besser diagnostizieren. 2. Sie können derartige Mängel durch eine entsprechende Gestaltung des Projektmanagements korrigieren und zukünftig vermeiden. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist der Bezugsrahmen für das Management komplexer Projekte. Dieser konkretisiert zum ersten Mal die drei Managementebenen begrifflich und konzeptionell auch für das Projektmanagement, indem er diesen Ebenen bekannte Konzepte, Methoden und Tools des Projektmanagements zuordnet. Die Praxis profitiert von diesem Bezugsrahmen, indem die abstrakten Managementfunktionen und -ebenen mit den vertrauten Methoden und Instrumenten bei der Planung von Projekten berücksichtigt werden können. Und die Theorie hat schließlich einen wichtigen Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung des Projektmanagements gewonnen. Dieser sollte ebenso wie das Prinzip des Parasympathikus, der ein wichtiges Instrument für die Bewältigung von komplexen Projekten ist, anderen umfassenden Ansätzen des Projektmanagements als Muster dienen, wie beispielsweise bei dem Konzept des Projektmanagements 2. Ordnung (PM-2). ■ Literatur [1] Saynisch, M./ Engelke, V. (Hrsg.): „Neue Wege im Projektmanagement“. Zur Gestaltung der sozialen Architektur von Projekten - Das Zusammenwirken von sozialen, Abb. 4: Die Auswertungsmatrix des Workshops 19 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P M - G R U N D S A T Z B E I T R A G Auswertung Gruppenarbeit These 1 Das Management soll dem Bild der Matroschka entsprechen. These 2 Das Management muss die drei Ebenen berücksichtigen These 3 Es ist entscheidend, dass die Funktionen abgestimmt wahrgenommen werden These 4 Über den Parasympathikus können wichtige Informationen gewonnen werden Freie Antworten Leitfrage A: Wie könnten Sie diese Aussagen in Ihrer PM-Praxis umsetzen? - Puppen als Ergebnisse von Phasen - Teilprojekte definieren - Informationsfluss bis zur untersten Ebene - im Bereich Raumfahrt, Wehrtechnik - wird schon umgesetzt - verschiedene Organe - Projekt sorgfältig machen - Teamkultur, Teamzusammensetzung, offene Kommunikation - Personenkreis abstimmen (Quertreiber) - Instinkt als Funktion? Als Begriff für Parasympathikus? - Parasympathikus, Plausibilitätskontrolle, „Validierung“ - Ziele Leitfrage B: Welche konkreten Probleme sehen Sie bei der Umsetzung? - Kosten für „Reusables“ - Kompetenzgerangel - fehlender Informationsfluss - Schnittstellen - Informationsverlust - Projektorganisation sorgfältig und genau strukturiert - die Leute halten sich nicht daran - Kompetenzprobleme - Informationskultur bestimmt durch formale Kultur - George Orwell,1984, Überwachung - Struktur - viele Verfahren Leitfrage C: Was sollte darüber hinaus beachtet werden? - strategische Ausrichtung - Denunziantentum angewendet ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ technischen und komplexen Systemen. In: Lange, D. (Hrsg.): Aufbruch zu neuen Ufern - innovative Konzepte erfolgreicher Projektteams. Deutsches Projektmanagement-Forum 1997. Dokumentationsband. GPM, Nürnberg 1997, S. 3-6-0-1 bis 3-6-7-11 [2] Bundschuh, M./ Hadjis, A./ Mekelburg, G./ Saynisch, M.: Neue Wege im Projektmanagement: Das Modell lebensfähiger Systeme und seine Anwendung im Projektmanagement. In: Lange, D. (Hrsg.): Deutsches Projektmanagement Forum 1998. Dokumentationsband. GPM, Nürnberg 1998, S. 225-284 Autoren Manfred Saynisch, Dipl.- Ing. Er gehört mit über 30 Jahren Erfahrung zu den Pionieren des Projekt- und Konfigurationsmanagements in Deutschland und beeinflusst auch heute noch die weitere Entwicklung. 1985 gründete er die „SPM-CONSULT - Systeme und Service im Projekt- und Prozessmanagement“. Neben der Beratung von Unternehmen und Projektorganisationen, der Konzepterstellung, der praktischen Unterstützung und der Einführung von PM und KM führt er auch Forschungstätigkeiten aus und nimmt Lehraufträge wahr. Gründungsmitglied der GPM. Gerhard Mekelburg, Dipl.- Verw.-wiss., Jg. 1963. Studium der Verwaltungswissenschaft an der Univ. Konstanz, Promotionsstudium an der Hochschule St. Gallen, Projekt-Controlling von internationalen FuE-Projekten im Anlagenbau, Hochschullehrer für Projektmanagement an der FH Vorarlberg, seit 1998 Global Project Manager für ein international tätiges Unternehmen der Verpackungsindustrie. Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit ist die Entwicklung eines integralen PM auf der Grundlage des Modells Lebensfähiger Systeme. Peter Michael Frieß, Dr.-Ing., Jg. 65. Diplomingenieur Luft- und Raumfahrttechnik. Promotion zum Dr.-Ing. an der Univ. Bremen über systemisches Organisationsprojektmanagement. Projektmanager IT und Koordinator für Kosten- und Prozessmanagement bei Philips Semiconductors, Hamburg; zuvor Beratung von Unternehmen und Behörden sowie Qualifizierung von Führungskräften in den Bereichen Organisationsgestaltung und -entwicklung, EDV-/ Telekommunikationssysteme und Projektmanagement. Assessor für den Deutschen PM-Award 1998 und 1999. Anschrift der Autoren Dipl.-Ing. M. Saynisch SPM-CONSULT Düppeler Straße 19 D-81929 München Tel.: 089/ 93 93 09 51 Fax: 089/ 93 93 09 52 E-Mail: ms.SPMC@t-online.de Das Buch zum Thema: 20 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 0 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Neue Wege im Projektmanagement Herausg. von M. Saynisch und D. Lange mit Beiträgen von M. Bundschuh, N. Degele, V. Engelke, P. M. Frieß, A. Hadjis, U. Kramer, G. Mekelburg, M. Saynisch erscheint Februar 2000, ca. 200 S., DM 46,- GPM Region Stuttgart/ Karlsruhe Fax 07 11/ 6 87 39 69 Wie geht es weiter? Die an den bisherigen Forschungsarbeiten beteiligten Autoren werden ihre Arbeit im Hinblick auf den Beitrag des sozial-konstruktivistischen Projektmanagements und der Managementkybernetik für das Konzept des Projektmanagements 2. Ordnung wie auch im Hinblick auf deren Anwendung in der Praxis fortsetzen. Darüber hinaus stehen im Rahmen des Programms „Neue Wege im Projektmanagement“ folgende Themen zur Bearbeitung an: „Evolutionsprinzipien und Evolutionsdynamik im Projekt“ mit dem Kernthema „Evolutionäre Algorithmen und ihr Einsatz bei der Projektgestaltung“. Als weiterer zukünftiger Themenbereich ist beispielsweise die Auswirkung der revolutionären Erkenntnisse der Hirnforschung im jetzigen „Jahrzehnt des Gehirns“ angedacht oder die Anwendung der neuronalen Netze im Projektmanagement. Ebenso kann die Anwendung von System Dynamics im Projektmanagement oder die „Widerspruchsorientierte Projektgestaltung“ ein Thema sein. Für die Bearbeitung sind die Autoren auf Ihre aktive Hilfe angewiesen. Daher hat die GPM auf ihrer Website www.gpm-ipma.de im Bereich der Facharbeit eine eigene Webpage für das Programm „Neue Wege im Projektmanagement“ aufgebaut. Erfahrungen und Kommentare können Sie via E-Mail direkt an die Autoren schicken. Interessenten, die aktiv daran mitarbeiten oder auch einen neuen Themenkreis vorschlagen möchten, setzen sich bitte mit oben stehender Adresse in Verbindung.