PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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Gesellschaft für ProjektmanagementLotus Notes Domino als Basis einer integrierten Lösung für das Baumanagement
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2000
Siegbert Heinecke
Innerhalb der Baubranche verschieben sich die Aufgabenstellungen. Die umfassende Bauausführung wird ersetzt durch Generalunternehmertum, also Verlagerung von Leistungen auf Nachunternehmer, verbunden mit einem umfassenden Baumanagement. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Informationsverarbeitung. Dezentrale Datenhaltung wandelt sich zu verteilter Datenhaltung mit projekt- und standortübergreifenden Informationsbedürfnissen. Prozessorientierung bedeutet Einbindung aller Prozessbeteiligten, also auch externer Firmen und Personen. Lösungen erfordern folglich eine Plattform, die diese Anforderungen erfüllt. Im Rahmen dieses Beitrags wird gezeigt, welchen Beitrag eine Lotus-Notes-basierte Software zur Lösung der gestellten Aufgabe leisten kann.
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P R O J E K T M A N A G E M E N T 2 / 2 0 0 0 32 Zusammenfassung Innerhalb der Baubranche verschieben sich die Aufgabenstellungen. Die umfassende Bauausführung wird ersetzt durch Generalunternehmertum, also Verlagerung von Leistungen auf Nachunternehmer, verbunden mit einem umfassenden Baumanagement. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Informationsverarbeitung. Dezentrale Datenhaltung wandelt sich zu verteilter Datenhaltung mit projekt- und standortübergreifenden Informationsbedürfnissen. Prozessorientierung bedeutet Einbindung aller Prozessbeteiligten, also auch externer Firmen und Personen. Lösungen erfordern folglich eine Plattform, die diese Anforderungen erfüllt. Im Rahmen dieses Beitrags wird gezeigt, welchen Beitrag eine Lotus-Notes-basierte Software zur Lösung der gestellten Aufgabe leisten kann. Abstract Tasks are changing in building industry. The construction of buildings itself is being substituted by delegating work to subcontractors. This needs a complete management and controlling of the building process. As a result information management is changing, too. Decentral computing becomes distributed computing to satisfy multi-project and multi-location needs for information. Process orientation means now integration of all persons and companies involved. Solutions need a plat form which satisfies the new requirements. This article describes how software based on Lotus Notes can contribute to a solution of the problem. Schlagwörter Baumanagement, Baustellendokumentation, Generalunternehmer, Groupware, Prä qualifikation, verteilte Datenhaltung, virtuelles Team, Wissensmanagement 1. BESONDERHEITEN DER BAUBRANCHE Wodurch unterscheiden sich die Unternehmen der Baubranche eigentlich von anderen Unternehmen? Die Antwort, die man von Außenstehenden am häufigsten hört, ist: „Im Bau werden lauter Unikate angefertigt.“ Das stimmt natürlich, aber die „Einzelfertigung“ geht hier noch sehr viel weiter. Nicht nur die „Auftragsarbeiten“ sind sehr vielfältig und einmalig, sondern auch die Zusammensetzung der Beteiligten an einem Bauauftrag ist beinahe jedes Mal neu. Die Beteiligten sind neben dem Auftraggeber und seinen Stellvertretern (z.B. den Architekten) vornehmlich der Hauptauftragnehmer, also die Baufirma, und die Nachunternehmer. Dazu sind Arbeitsgemeinschaften an der Tagesordnung. Die starke Dezentralisierung innerhalb der Baubranche führt dazu, dass auch Baukonzerne häufig nur ein Lotus Notes Domino als Basis einer integrierten Lösung für das Baumanagement S I E G B E R T H E I N E C K E 33 organisatorischer Zusammenschluss von Mittelständlern sind. Hauptkonkurrent einer Niederlassung eines Baukonzerns ist in der Regel nicht die Niederlassung eines anderen Baukonzerns am gleichen Ort, sondern ein in der Region gut etabliertes mittelständisches Bauunternehmen. 2. DER KOMMUNIKATIONSBEDARF IN DER BAUBRANCHE Bauaufträge werden immer komplexer und umfassen nicht mehr nur die Bauausführung. Die gleichzeitige Wettbewerbsverschärfung erzwingt Kostensenkungen. Es ergibt sich ein dringender Bedarf an umfassenden und integrierten Instrumenten zur Steuerung von Projekten, Schaffung von Informationsbasen und Verminderung von Reaktionszeiten. Die Angebotsbearbeitung erfolgt unter ständig wachsendem Zeitdruck. Gleichzeitig wird eine Verbesserung der Qualität sowohl der Angebote als auch der Ausführung verlangt. Abnehmende Fertigungstiefen verschärfen diese Problematik, da der Koordinationsaufwand bei zunehmender Zahl von Beteiligten steigt. Der Kommunikationsbedarf in der Baubranche ist enorm. Grund hierfür ist, dass gerade deutsche Bauunternehmen durch den hohen Kostendruck vermehrt die Rolle des Baumanagers übernehmen müssen. Nicht die technische Führerschaft sichert das Überleben eines Bauunternehmens, sondern die Fähigkeit zur Optimierung seiner Prozesse im Projektmanagement. D. h., ein vernetztes Arbeiten wird immer wichtiger. Das „Virtuelle Team“ ist gerade in der Baubranche zur Notwendigkeit geworden. Der Zeitdruck führt dazu, dass oft „baubegleitende Planung“ akzeptiert werden muss. Dies erfordert eine effiziente Steuerung der dem eigentlichen Bauprozess vorgelagerten Arbeitsabläufe. Beispiel: In der Nähe von Mag- Planer Baubehörde, Prüfer Bauherr Baustelle bzw. Subunternehmer Projektsteuerer oder Generalunternehmer Planmanagement Projekt Profit-Center Standorte Unternehmen Projektentwickl. CAD Baubetriebliche Software CAFM Baustellenmodule Akquise Projektmanagement Berichtswesen Adressen Aufträge Angebote Betrieb Kfm. System Ereignis Baubetr. Syst. Lotus Notes Kfm. System Eingang Projekt Interesse Angebotserstellung Submissionskalender LV, Kalkulation NU-Vergabe Angebot Auftrag Auftragskalkulation Bürgschaften Ausführung Start Vorbereitung Terminplanung Vergabe NU-Aufträge Gerätedisposition/ -versand periodisch Lohn/ Miete/ Material Lieferscheinerfassung Baustellencontrolling Nachtragsmanagement Bautagebuch/ Schriftverkehr Ausführung Ende Projektabschluss Dokumentation NU-Beurteilung Endrechnung Auftrag Prozess Akquisition Ausführung Abb. 1: Beteiligte am Bauprojekt, Beispiel Planmanagement Abb. 2: Projektphasen und zugehörige Software Abb. 3: Beteiligte Systeme am Bauprozess P M - S O F T W A R E P R O J E K T M A N A G E M E N T 2 / 2 0 0 0 34 deburg entsteht zurzeit ein Wasserstraßenkreuz. Ein Kanal erhält eine Schiffsbrücke über die Elbe, um die zeitaufwendigen Schleusendurchfahrten zwischen Kanal und Elbe für den Schiffsverkehr in Ost-West-Richtung zu vermeiden. Ein Teil dieses Großprojekts wird von einem technischen Büro in Essen gesteuert und in Mannheim geplant: ein typisches Lotus-Notes-Projekt, in diesem Fall durch eine Planmanagement-Datenbank unterstützt. Die Bauausführung steht aber ziemlich am Ende der Prozesskette, die mit Hilfe einer Lotus-Notes-Applikation unterstützt werden kann. Nennen wir diese Lotus-Notes-Applikation im Folgenden KBS (Kommunikatives Bau-System). Der eigentliche Prozess beginnt in der Akquisephase. Große Bauunternehmen decken normalerweise fast alle Bausparten ab, einzelne Niederlassungen jedoch oft nur bestimmte Sparten. Informationen über freie Kapazitäten und Know-how anderer Niederlassungen sind daher notwendige Grundlage für ein gezieltes Weitergeben von Akquiseinformationen innerhalb einer Bauunternehmung. Zwischen den Eckpunkten Akquise und Bauausführung liegen zahlreiche weitere Phasen, die natürlich ebenso durch Informationsverarbeitung unterstützt werden müssen. Ziel ist es also, eine durchgängige Lösung zu schaffen, die in dreierlei Hinsicht Kommunikation erlaubt: a) zwischen den Beteiligten eines Projektes auch über Ländergrenzen hinweg (Abb. 1), b) zwischen den Projektphasen (Abb. 2) und c) zwischen den beteiligten Software-Systemen (Abb. 3). 3. DAS KOMMUNIKATIVE BAU-SYSTEM ALS LÖSUNGSANSATZ 3.1 Einordnung in die Lösungslandschaft für ein Bauunternehmen Ein Bauunternehmen benötigt eine kaufmännische Software, die zahlreiche Besonderheiten gegenüber Standardlösungen in diesem Bereich aufweist. Diese kaufmännische Software soll hier jedoch nicht tiefer behandelt werden. Im Fokus soll vielmehr die baubetriebliche Software stehen, also die Software, die das unmittelbare Projektgeschäft unterstützt. Abb. 3 zeigt, dass neben der kaufmännischen Software eine projektbezogene baubetriebliche Software notwendig ist, die die Aktivitäten ● Erstellung von Leistungsverzeichnissen ● Kalkulation von Eigenleistungen ● Ausschreibung von Nachunternehmerleistungen ● Vergabe von Nachunternehmerleistungen ● Mengenermittlung ● Angebotserstellung ● Auftrags- und Arbeitskalkulation ● Terminplanung ● Baustellensteuerung ● Leistungsermittlung ● Nachträge ● Rechnungsschreibung abdeckt. Auch hier liegen nicht die Schwerpunkte des KBS. Aber eine solche Software muss in ein baubetriebliches Gesamtsystem integriert werden. Abb. 4 zeigt, wie sich das KBS in das Aufgabenfeld des Baubetriebs und Baumanagements einordnet. Schwerpunkt des KBS ist also die projektübergreifende Sicht. Dazu kommen projektspezifische Datenbanken wie das bereits erwähnte Planmanagement oder auch die Baustellendokumentation, die typische Stärken von Lotus Notes, wie eine transparente und standortübergreifende Dokumentenverwaltung, ausnützen. Darüber hinaus spielt Lotus Notes die Rolle des Vermittlers zwischen den verschiedenen Anwendungsbereichen. 3.2 Das KBS-Kernmodell Das Kernmodell umfasst die Module, die den baubetrieblichen Kernprozess von der Akquise bis zur Baustellendokumentation unterstützen. Abb. 5 verdeutlicht dies. Hier wird der Groupware-Ge- Projektbezogene Sicht Projektübergreifende Sicht Unternehmensgesamtsicht Akquise Angebot Auftrag Ausführung Betrieb Komm. Bau-System Baubetriebl. Softw. F M Management Info-System Abb. 4: Einordnung von KBS 35 danke konsequent verfolgt. Informationen über alle laufenden Projekte stehen in jeder Phase ebenso zur Verfügung wie eine Vorgangsverwaltung. Damit sind komplette Projektakten phasenbezogen allen Beteiligten zugänglich. Die gemeinsame Adressdatenbank unterstützt ferner auch den Aufbau adressbezogener Vorgangsakten. Die Module des Kernmodells sind ● die Adressdatenbank, ● die Akquisedatenbank, in der alle Projektinformationen bis zum Ereignis „Angebot erstellen“ abgelegt werden, ● die Angebotsverfolgungs-Datenbank, die die Projektinformationen zwischen den Ereignissen „Angebot erstellen“ und „Auftrag erhalten/ nicht erhalten“ abdeckt, ● die Datenbanken zur Unterstützung der Baustelle, insbesondere die Baustellendokumentation, ● das Nachunternehmermanagement, das zur Dokumentation aller Aktivitäten dient, die sich an die beteiligten Nachunternehmer richten, insbesondere auch die Beurteilung von Nachunternehmerleistungen, wie sie in der ISO 9000 verlangt wird, sowie ● die Projekt-Datenbank, die zur einfachen Navigation zwischen den verschiedenen Datenbanken dient. 3.3 Erweiterung des Kernmodells Die Verbindung mit weiteren Lotus-Notes-Datenbanken bringt zus ätzlichen Nutzen. Das Planmanagement ist bereits mehrfach erwähnt worden. Im Umfeld dieses Kernsystems können weitere Datenbanken eingesetzt werden. Dies sind unter anderem: ● eine Referenzdatenbank, die insbesondere in der Phase der Präqualifikation für ein Projekt großen Nutzen erzeugt, ● ein Nachtragsmanagement, das die in der projektbezogenen baubetrieblichen Software definierten Nachträge in einer Gesamtsicht zeigt sowie Termin- und Vorgangskontrollen ermöglicht, ● ein Kennzahlensystem, mit dem abgeschlossene Projekte vergleich- Baustelle Akquise Angebotsverfolgung Adressen Nachunternehmermanagement Projektnavigator Abb. 5: Das KBS- Kernmodell P M - S O F T W A R E P R O J E K T M A N A G E M E N T 2 / 2 0 0 0 36 bar gemacht werden können. Damit wird eine Wissensbasis aufgebaut, die als Grundlage für eine erste Kostenschätzung ebenso genutzt werden kann wie für eine Plausibilitätsprüfung vor Abgabe des Angebots, und ● eine Ausschreibungs-Datenbank. Insbesondere der Nutzen der Ausschreibungs-Datenbank ist offensichtlich. Durch die Lotus-Domino- Technologie wird es hier ermöglicht, Teilleistungen über das Internet auszuschreiben, Angebote der registrierten Bieter auf elektronischem Weg einzuholen und dann auch unmittelbar in die Kalkulation zu übernehmen. Dies spart nicht nur enorme Porto- und Faxkosten, sondern vor allem Zeit und vermeidet außerdem noch Dateneingabefehler. 4. NUTZENPOTENZIALE Information ist zum wichtigsten Gut im Wettbewerb der Bauunternehmen geworden. Vorteile in der Akquisition und Präqualifikation lassen sich nur durch eine entsprechende Kommunikationsstruktur erlangen. Durchgängige Systeme verhindern Fehler und fördern effiziente Angebotsbearbeitung und Auftragsabwicklung. Aus Erfahrung lernen bedeutet Dokumentation von Fehlern und Know-how in unternehmensweiten Wissenspools (Wissensmanagement). Erfahrungswerte zeigen, dass durch richtig unterstützte ausführungsbegleitende Prozesse wie Planmanagement bis zu 30% der teuren Fehler vermieden werden können. Domino-Datenbanken für Ausschreibungen über das Internet sparen pro zu vergebender Nachunternehmerleistung durchschnittlich 50% der internen (Verwaltungs-)- Kosten, ganz abgesehen von der eingesparten Zeit. Die Baustellendokumentation mit Lotus-Notes-Datenbanken bildet ein gewaltiges Nutzenpotenzial, wenn es um schnelle und vollständige Nachweise bei Haftungsfragen aufgrund von Verzögerungen, Mängeln etc. geht. Durch gutes Nachtragsmanagement werden entgangene Nachträge aufgrund von vers äumten Terminen minimiert. Schon ein sonst nicht verfolgter Nachtrag amortisiert in der Regel den Einsatz des Systems. Referenz- und Wissensdatenbanken helfen insbesondere in der Präqualifikation, denn um Aufträge zu erhalten, ist nicht nur der Preis ausschlaggebend. Systeme zur projektübergreifenden Beurteilung von Nachunternehmen bewahren ein Bauunternehmen vor teuren Fehlgriffen bei der Weitervergabe von Leistungen. 5. AUSBLICK Der Übergang vom ausführenden zum managenden Bauunternehmen ist für die deutsche Baubranche zwingend. Die daraus resultierenden Anforderungen müssen durch Systeme unterstützt werden, die nicht nur fachspezifische Felder und Begrifflichkeiten enthalten, sondern vor allem die Kommunikation auch über Firmengrenzen hinweg ermöglichen. Ein KBS auf Basis von Lotus Notes ist ein Schritt in diese Richtung. ■ Autor Siegbert Heinecke, Dipl.- Math., Jg. 1957. Nach Abitur in Ettlingen Studium der Mathematik und Volkswirtschaftslehre an der Uni Mannheim 1977-1983; bis 1987 wissenschaftlicher A ssistent am Lehrstuhl für Wirtschaftsprüfung und Treuhandwesen der Uni Mannheim. 1987-1990 Organisation und Informationsverarbeitung bei Carl Freudenberg, Weinheim; 1990-1993 Zentralabteilung Informationsverarbeitung bei der Bilfinger+Berger Bauaktiengesellschaft, Mannheim; seit 1994 bebit Informationstechnik GmbH, Mannheim, hier seit 1997-2000 Leiter der Abteilung „Technische Projekte“. Anschrift Im Hermannsg ä rtel 8 D -67459 Böhl-Iggelheim Tel.: 0 63 24/ 97 00 53 Fax: 0 63 24/ 97 00 53