PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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Gesellschaft für Projektmanagementewf – Neue Impulse für das Projekt- und Konfigurationsmanagement
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53 P R O J E K T M A N A G E M E N T 2 / 2 0 0 0 WAS IST EWF ? [1] Im Industrie-Arbeitskreis „Engineering Workflow“ (IAK-ewf ), der sich im Rahmen des zukunftsweisenden, vom BMBF geförderten Programmes „Produktion 2000“ gebildet hat, sind die ewf- Konzepte entstanden und werden weiterentwickelt. ewf (Engineering Workflow) ist ein ganzheitlicher Ansatz für die Engineeringaufgaben im Rahmen der industriellen Wertschöpfungsprozesse. Workflow- Management-Systeme unterstützen primär die Koordination (Abstimmung, Regelung), während Workgroup-Computing-Systeme haupts ächlich der Kooperation (Zusammenarbeit) dienen. Die Arbeitsgruppe „Definition EWF“ des IAK-ewf erarbeitete das Konzept, den Workflow je nach spezifischen Anforderungen in Untermengen wie „Administrative Workflow“ bzw. „Engineering Workflow“ aufzuteilen: Die Lösung von konkreten Engineering-Aufgaben kann alle drei Aspekte umfassen (siehe Abb. 1). Prozesse sind dann Engineering-Workflow-geeignet, wenn sie teilstrukturiert, sporadisch, nicht deterministisch, dynamisch, mehrheitlich parallel sind sowie einen hohen Koordinationsbedarf und viele Schnittstellen aufweisen. Engineering-Workflow-typisch ist eine betriebstypenunabhängige Vorgangssteuerung im Bereich innovativer, ingenieurmäßiger Tätigkeiten mit einem Fokus auf integrale Behandlung von Prozess und Daten sowie ganzheitliche Betrachtung von Organisation und Technik. Engineering-Workflow-Systeme sind Anwendungssysteme zum Management von Engineeringprozessen technischer Produkte. Sie unterstützen und/ oder steuern Projektteams in der Tagesarbeit, indem sie Funktionen bereitstellen zur I. Kommunikation, insbesondere im kreativen Umfeld II. Dokumentation, in nachvollziehbarer, verfügbarer, konsistenter und redundanzfreier Form III. Integration von Projekt-, Prozess-, Produkt- und Produktions-Daten VI. Ausführung und Steuerung auch schwach strukturierter Prozesse V. Monitoring und Controlling von Projekt- und Produkt-Status PROJEKT- UND KONFIGURATIONS- MANAGEMENT [2, 3] Die vorstehenden Definitionen weisen auf den engen Zusammenhang zwischen ewf und Projektmanagement (PM) hin. Da ewf-Systeme Anwendungssysteme zum Management von Engineeringprozessen technischer Produkte, also von Produktentwicklungen, sind und somit stark auf den fachlich-inhaltlichen Aspekt fokussiert sind, bestehen enge Verbindungen zum Konfigurationsmanagement (KM). KM, wie es in der DIN EN ISO 10007 beschrieben wird, stellt sicher, dass die Definition und Beschreibung des Projekt-Gegenstandes (Produkt, Projekt- Objekt) korrekt, konsistent und komplett sind. Dieses Ergebnis wird durch die Steuerung der vielfältigen Änderungsprozesse erreicht. KM schafft und hält Transparenz und Ordnung (mit Hilfe von Konfigurationen) im sich ständig verändernden Umfeld. Konfigurationen beschreiben präzise und umfassend ein Produkt (Produktdefinition), das über die Projektdauer hinaus jederzeit reproduzierbar ist (life-cycle-concept), und bilden Bezugspunkte für Änderungsprozesse (die wieder neue Konfigurationen schaffen). KM spielt als Integrationsplattform eine wichtige Mittlerfunktion im PM zwischen Administrative-Lenkung, Ideen-/ Objektrealisierung (das Produkt) und Qualitätsmanagement. Effektives KM ist daher Voraussetzung für erfolgreiches Projektmanagement und ermöglicht eine wirkungsvolle Steuerung der Engineering-Prozesse. DAS SCHICHTENMODELL „EWF - PM/ KM“ Workflow-Systeme wirken auf der Arbeitsebene, der Ebene der Tagesarbeit ew f - Neue Impu lse für da s Projektu nd Konfi g uration sma na gement Administrative Workflows (AWF) Workgroup (WG) Engineering Workflows (EWF) Einsatzfeld Merkmale Prozessklasse Geschäftsprozesse (z. B. Geschäftsvorgänge) Teamaufgaben (z. B. Entscheidungsfindung) Engineeringprozesse (z. B. Entwicklungsprozesse) Routineprozesse Suchprozesse Regelprozesse Automatisieren,Steuern von Abläufen vorgangsorientiert gemeinsames, gleichzeitiges Erstellen und Nutzen problemorientiert inkrementelle, iterative Lösungserarbeitung projektorientiert Abb. 1: Klassifikationen von Workflow [1] G P M N E W S 54 P R O J E K T M A N A G E M E N T 2 / 2 0 0 0 G P M N E W S und Sachbearbeitung. Überspitzt ausgedrückt: Workflow ist automatisierte Sachbearbeitung. Engineering Workflows müssen darüber hinaus flexible Prozessketten, die komplexe, technische Produkte betreffen, in teilweise unscharfen, iterativen, stark vernetzten, standortübergreifenden und zeitversetzten Prozessen, projektmäßig, ganzheitlich steuern können. Es gibt jedoch oft Brüche bzw. Inkonsistenzen zwischen einzelnen Prozessen. Auch die Anzahl der Iterationen kann von vornherein nicht bestimmt werden. Das sind typische Merkmale, wie sie bei schwach strukturierten Prozessen im kreativen Umfeld auftreten. Die Tagesarbeit im ewf bedarf daher einer übergeordneten Koordinierungsebene, die diese Brüche und Inkonsistenzen aufhebt, einen Rahmen für den Iterationsumfang setzt und die Spinne im Netzwerk der vielfältigen Prozesse darstellt. Diese übergeordnete Ebene wird durch die Projektsteuerung, das Projektmanagement (PM) wahrgenommen (Abb. 2). Die Prozesse in dieser Ebene, dargestellt meist durch Netz- oder Balkenpläne, bilden das Detailgeschehen der Sachbearbeitung in einer Vogelperspektive ab, in der die wichtigsten Zusammenhänge widergespiegelt werden. Darüber hinaus bilden die Engineering- Prozesse auf der Projektmanagement- Ebene den langfristigen Ergebnishorizont ab und sind daher aus der Sicht der Workflow-Ebene Ablaufpläne mit strategischen Charakter. Erforderlich ist somit ein Schichtenmodell von verschiedenen Management-Ebenen. Der Engineering Workflow bildet dabei die unterste Ebene mit dem konkreten Ergebnis-Ausfluss. Wichtig ist in diesem Schichtenmodell, dass jede Schicht einer anderen Logik gehorchen kann. EWF UND PROJEKTMANAGEMENT Damit füllt ewf eine Lücke, die bereits kurz nach der Entstehung des Projektmanagements Anfang der 60er Jahre im vorigen Jahrhundert sichtbar wurde. Der Bedarf im Projektmanagement, auch die detaillierten Tagesprozesse zu steuern, war seit Beginn von PM vorhanden - nur, es fehlten die geeigneten Mittel und man entfremdete vorhandene Mittel dazu, die jedoch für andere Anwendungszusammenhänge gedacht waren [4]. Ein historischer Rückblick mag dies erläutern: In Ermangelung systematisierter Sachbearbeitung wurde in den frühen Anwendungen von Projektmanagement die Projekt-Netzplantechnik auch für derartige Aufgaben der Steuerung von Tagesarbeiten eingesetzt. Eine der ersten Anwendungen von Netzplantechnik (NPT) in Deutschland Mitte der 60er Jahre war die Projektablaufplanung für die Planung und Errichtung eines großen Stahlwerkes in der Sowjetunion (heute Russland). Der Projektnetzplan wurde in halbjährlicher Knochenarbeit bis auf über 30.000 Vorgänge aufgegliedert. Der kleinste Arbeitsschritt wurde also aufgenommen. Man holte sich sogar als Berater-Kapazität den „Vater der Netzplantechnik“ J. Kelly aus den USA, der erst begeistert mitmachte. Doch in den 80er Jahren entlarvte Kelly dieses Vorgehen als Irrsinn, denn das Updaten war beispielsweise bei diesem Umfang kaum mehr möglich, und die Wirklichkeit hatte ganz andere Wege als im Netzplan genommen. Aber bis heute wird dieser Ansatz immer wieder versucht. Doch das Scheitern ist vorprogrammiert, und das führte zur (nicht gerechtfertigten) Diffamierung von Netzplantechnik und auch Projektmanagement in den 70er Jahren. Die Notwendigkeit einer Arbeitssteuerung mit täglichen Rastern war anscheinend so fundamental, dass der Prinzipien-Fehler, die gleiche Logik in verschiedenen Ebenen - ein Paradox - nicht erkannt wurde. Eine paradoxe Situation kann nie eindeutige Ergebnisse liefern. ewf ist also das „Missing Link“ zu einem modernen, effektiven Projektmanagement für komplexe, d.h. vernetzte und instabile Prozesse, das - neben einer wirksamen Arbeitssteuerung - die Basis für ein prä zises Monitoring und eine Statusberichterstattung bildet. Und im Gegenzug ermöglicht das Projektmanagement dem ewf die ganzheitliche Wirkung. EWF UND KONFIGURATIONS- MANAGEMENT (KM) KM fasst den Produktentstehungsprozess als eine Folge von gesteuerten Änderungen an gesicherten (Teil-) Ergebnissen auf. Aufeinander folgende Reifungsstufen werden durch Änderungen ineinander überführt [2, 3]. Die Steuerung eines jeden einzelnen Änderungprozesses (und davon kann es viele Tausende innerhalb eines Projektes geben) ist Aufgabe von Workflow-Systemen. Projektplanungssysteme wie ein Projekt-Balken- Mögliche üb ergeordnete Ebenen z. B. Verträge, Auftraggeber, Unternehmensplanungen Ebene des Projektmanagements Projekt steuerun g Ebene de s Engineering Workflow Managements - Projektplanung Prozessmodelle (Templates) Prozessmodelle (Templates) Tagesarbeit ERGEBNIS Abb. 2: ewf und PM - Das prinzipielle Schichtenmodell 55 P R O J E K T M A N A G E M E N T 2 / 2 0 0 0 plan sind nicht geeignet, einzelne Änderungsprozesse zu steuern. Die Verbindung der einzelnen und zahlreichen Änderungsprozesse zu einem gesamten Produktentwicklungsprozess kann jedoch das Workflow-Management auf seiner untersten Ebene nicht übernehmen. Das übernehmen übergeordnete Projektebenen, in denen Konfigurationsmanagement (insbesondere die Teildisziplin Konfigurationsidentifizierung) in Zusammenhang mit dem Projektmanagement wirksam ist. Konfigurationsmanagement wird daher zur entscheidenden Management-Disziplin, das die Ebenen verbindet. Dabei sichert im Gegenzug die workflowbasierte Steuerung der vielfältigen Änderungsprozesse die Effektivität des KM. ES GIBT BEREITS ANSÄTZE Ans ätze, ewf und auch das Workflow-Prinzip mit dem Projektmanagement zu verbinden, sind bereits gemacht worden. ● So nutzt das Projektsystem in SAP/ R3 einen Workflow mit fest definierten Standardaufgaben im Einkaufsprozess und bei der Rückmeldung [5]. Ein einfaches Schichtenmodell wird einbezogen. ● Ein Workflow-System für das Projektmanagement wurde auf dem Deutschen Projektmanagement Forum 1999 vorgestellt [6]. Doch das Konzept des ewf ist sehr anspruchsvoll und geht über diese Ans ätze hinaus. Daher sind in der Zukunft aus der ewf-Welt Impulse zu einer Erweiterung im Verständnis von Projektmanagement zu erwarten. ■ Literatur [1] Masson, J. A.: Ergebnisse des Arbeitskreises „Definition Engineering Workflow“. Bericht des IAK-ewf. Manuskript zur Veröffentlichung in „it Information Technology“, Februar 2000 [2] Saynisch, M./ Lange, D.: Ä nderungsmanagement mit System - Schlüsselfaktor Konfigurationsmanagement. Dokumentation der 3. Fachtagung Konfigurationsmanagement. GPM-Verlag, Nürnberg 1999 [3] Saynisch, M.: Was ist Konfigurationsmanagement? In: PROJEK TM ANAGEMENT 2/ 99, TÜV-Verlag, Köln 1999, S. 42-46 [4] Saynisch, M: Am Anfang war das System … Zur Genealogie des Systems-Engineerings und des Projektmanagements. In: Krathky, K. W. (Hrsg.): Systemische Perspektiven - Interdisziplin ä re Beiträ ge zu Theorie und Praxis. Carl Auer Verlag, Heidelberg 1991 [5] SAP R/ 3 Online Documentation, Release 4.0B, 1999 [6] Bielicki, B./ Schallehn, W.: PMWFS - Ein Projektmanagement-Workflowsystem. In: Lange, D. (Hrsg.): Deutsches Projektmanagement Forum 1999 - Dokumentationsband. GPM-Verlag, Nürnberg 1999 Anschrift Dipl.-Ing. Manfred Saynisch SPM- CONSULT Düppeler Str. 19 D -81929 München Tel.: 0 89/ 93 93 09 51 Fax: 0 89/ 93 93 09 52 E -Mail: ms.SPMC@t-online.de P M A N E W S G P M N E W S