eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 11/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2000
113 Gesellschaft für Projektmanagement

Projektkultur gestalten -

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2000
Wolfgang Horn
Größte Projektrisiken liegen im Bereich des menschlichen Verhaltens und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Könner spüren diese Risiken und vermeiden sie mit erstaunlich leichter Hand. Logische, rationale Anleitungen dazu existieren bislang wenig. Hier wird eine Anleitung dazu beschrieben. Ihre Feuerprobe war die Sanierung eines Anlagenprojekts im Mittleren Osten. Das Besondere an dieser Anleitung ist ihr Denkmodell, die Wertekaskade. Sie modelliert die Determinanten der zwischenmenschlichen Beziehungen als Projektkultur, als System aller starken und schwachen Überzeugungen aller am Projekt beteiligten Personen und Gemeinschaften. Mit der Wertekaskade und ihren Methoden lässt sich nicht nur die überschaubare Kultur eines Projekts begreifen und gestalten, sondern auch die viel kompliziertere Kultur einer Organisationseinheit oder eines Unternehmens.
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P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 14 ziale durch eine entsprechende Gestaltung ihres Projektmanagements zukünftig umsetzen. Dies gilt insbesondere auch für „Mergers“ und global orientierte Projekte, in denen verschiedene Kulturen und deren verschiedene Wahrnehmungsmuster zu verstehen und zu integrieren sind. ■ Literatur [1] Sommerhalder, Mark: Change-Management ist Change- Communication. In: io Management. 69 4, 1999, S. 72-75 [2] Balck, Henning: Management evolutionä rer Sprünge in Netzwerkprojekten. In: Gareis, Roland (Hrsg.): Erfolgsfaktor Krise. Signum, Wien 1994, S. 189-210 [3] Saynisch, Manfred: Business Re-engineering. In: Lange, Dietmar (Hrsg.): Management von Projekten. Sch ä ffer-Poeschel, Stuttgart 1995, S. 247-277 [4] Gareis, Roland: Projekte und Projektmanagement in Non-Profit- Organistionen. In: Badelt, Christoph (Hrsg.): Handbuch der Non-Profit- Organisationen. Sch ä ffer-Poeschel, Stuttgart 1997, S. 299-313 [5] Mayrshofer, Daniela/ Kröger, Hubertus A.: Prozeßkompetenz in der Projektarbeit. Windmühle, Hamburg 1999 [6] Gade, Torsten/ Wilkening, Otto S.: Selbststeuernde Projektteams unterstützen. In: Personalführung. 12, 1999, S. 1088-1093 [7] Duncan, William R. (Hrsg.): A Guide to the Project Management Body of Knowledge. PMI Publishing Division, Sylva 1996 [8] Gareis, Roland/ Huemann, Martina/ Schaden, Brigitte: Benchmarking of Project Management Processes. In: Hauc, Anton, et al. (Hrsg.): Proceedings IPM A World Congress. Slovenian Project Management A ssociation, Ljubljana 1998, S. 799-808 [9] Boos, Frank/ Heitger, Barbara: Kunst oder Technik. In: Balck, Henning (Hrsg.): Networking und Projektorientierung. Springer, Berlin u. a. 1996, S. 165-182 [10] Frieß, Peter Michael: Projektmanagement für den tiefgreifenden organisatorischen Wandel mittelgroßer Einheiten. Aachen, Mainz 1999 [11] Krohn, Wolfgang/ Küppers, Günter (Hrsg.): Selbstorganisation. Vieweg, Braunschweig 1990 [12] Krüger, Wilfried: Organisation der Unternehmung. 2. Aufl., Kohlhammer, Stuttgart 1993 [13] Patzak, Gerold/ Rattay, Günter: Projekt Management. Linde, Wien 1996 [14] Daenzer, Walter F./ Huber, F.: Systems Engineering. Methodik und Praxis. Industrielle Organisation, 8. Aufl., Zürich 1994 [15] Vopel, Klaus W./ Kirsten, Rainer E.: Kommunikation und Kooperation. Iskopress, Salzhausen 2000 [16] Klebert, Karin/ Schrader, Einhard/ Straub, Walter: Moderationsmethode. Windmühle, 5. Aufl., Hamburg 1991 [17] Königswieser, Roswita/ Exner, Alexander: Systemische Intervention. Klett- Cotta, 2. Aufl., Stuttgart 1999 Autor Dr.-Ing. Peter Michael Frieß (35): Heute Projektmanager IT/ Ko ordinator IT- Office bei Philips Semiconductors Hamburg, zuvor Beratung von Unternehmen und Verwaltungen in den Bereichen Organisationsgestaltung und -entwicklung, IT-Projekte und Projektmanagement. Diplom-Ingenieur Luft- und Raumfahrttechnik. Promotion zum Dr.-Ing. über systemisches Organisationsprojektmanagement. A ssessor für den Deutschen PM-Award. Aktives Mitglied in der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und in deren Programm „Neue Wege im Projektmanagement“ (www.gpm-ipma.de/ 04-1_wege.htm). Anschrift G ä rtnerstraße 101 D -20253 Hamburg Tel.: 0 40/ 43 18 03 40 Fax: 0 40/ 43 18 03 40 E -Mail: peter.friess@lycosmail.com 15 Projektkultur gestalten - und bessere Ergebnisse ernten W O L F G A N G H O R N Zusammenfassung Größte Projektrisiken liegen im Bereich des menschlichen Verhaltens und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Könner spüren diese Risiken und vermeiden sie mit erstaunlich leichter Hand. Logische, rationale Anleitungen dazu existieren bislang wenig. Hier wird eine Anleitung dazu beschrieben. Ihre Feuerprobe war die Sanierung eines Anlagenprojekts im Mittleren Osten. Das Besondere an dieser Anleitung ist ihr Denkmodell, die Wertekaskade. Sie modelliert die Determinanten der zwischenmenschlichen Beziehungen als Projektkultur, als System aller starken und schwachen Überzeugungen aller am Projekt beteiligten Personen und Gemeinschaften. Mit der Wertekaskade und ihren Methoden l ä sst sich nicht nur die überschaubare Kultur eines Projekts begreifen und gestalten, sondern auch die viel kompliziertere Kultur einer Organisationseinheit oder eines Unternehmens. Abstract The domain of human behaviour and human relations provides troublesome risks for the project. Outstandingly skilled project managers feel such risks and solve them easily. Logical, rational methods for this purpose are rare. This article describes such a method. It passed its acid test, as a systems project in the Middle East could be put on its track again. The special feature of this method is the underlying model, the “Wertekaskade”. It models the strong and weak beliefs of persons as culture, as a system of determinants of human behaviour. It describes, how people choose their beliefs in dependency to their already existing beliefs and the beliefs of their friends and adversaries. To know the system of these dependencies is the basis for logic, rational predictions of human behaviour. The Wertekaskade and its methods may also be used to understand and engineer the culture of organisational units and companies. Schlagwörter Führung, Projektkultur, Projektleitung, Unternehmenskultur, „weiche“ Faktoren, Wertekaskade 1 EINLEITUNG Die größten Projektrisiken liegen im menschlichen Bereich. Wo der Könner spürt „Da stimmt die Chemie nicht“ und durchaus wüsste, wie er das in den Griff bekommen könnte. Aber wenn er seine Führungskraft um Unterstützung bitten muss, welches Gewicht hat dann schon das Argument „ich spüre“? Produktstruktur- und Projektablaufplan modellieren das materielle und zeitliche Geschehen im Projekt. So verständlich und plausibel sie sind, so überzeugend ist unser Vortrag über ein Problem, seine Konsequenzen, seine Ursachen und wie wir es lösen wollen. Für den menschlichen Bereich fehlte so etwas bislang. Nun stellen wir für diesen Zweck die Wertekaskade vor. Ihre Feuerprobe war die Sanierung eines Anlagenprojekts im Mittleren Osten. Nach nur 9 Monaten hatte das Projekt schon 6 Monate hinter dem Plan gelegen und drei Projektleiter verschlissen. Innerhalb von 10 Tagen „brummte“ es wieder, P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 16 innerhalb von 3 Monaten wurden 3 Monate Verzögerung aufgeholt. 2 NUTZEN DER WERTEKASKADE Die Wertekaskade und ihre logischkausalen Zusammenhänge (siehe Kasten auf S. 21 f.: „Das System Kultur“) sind Grundlage für die methodische Gestaltung der Projektkultur im Zyklus nach Abb. 1: ● Analyse der Istkultur, ● Entwurf einer zweckmäßigen Sollkultur für Spitzenleistungen, ● Planung und Durchführung des Weges vom Ist zum Soll in einzelnen robusten Schritten, ● Ermittlung der erreichten Verbesserung. Weitere Anwendungen: ● zügige Gründung eines Projektteams mit von Anfang an intakter Projektkultur, ● konstruktives und zügiges Lösen von Konflikten durch methodisches Erkennen des Problems hinter dem Problem, ● die gezielte Gestaltung der Kultur eines Projekts ist ein gutes Übungsfeld für jeden, der die Kultur eines Unternehmens und dadurch Produktivität und Ergebnis verbessern will. Wer gelernt hat, mit der Netzplantechnik umzugehen, der sollte auch die Wertekaskade nutzen können. 3 FALLBEISPIEL - PROBLEMSTELLUNG UND ZIEL Dieses Beispiel ist banal. Erste Schritte in der Mathematik macht man ja auch nicht mit Differenzialgleichungen, sondern mit 1 + 1 = 2. Das Anlagenprojekt XY ist aus dem Ruder gelaufen. Unser Chef, Herr Graf, beauftragt uns: „Holen Sie die Kosten- und Terminüberschreitungen wieder herein.“ Was war geschehen? Uneinigkeit im Team hatte die Besprechungen verschleppt und die Arbeit behindert (Abb. 2 links). Es blieben zu wenige Tage pro Woche für die eigentliche Wert schöpfende Arbeit. Zur Problemursache. Hartnäckige Uneinigkeit beweist einen schweren Kulturdefekt, eine schwer zu lösende Uneinigkeit. Wir brauchen Einigkeit. Damit der eine im Team etwa so entscheidet und handelt wie der andere an seiner Stelle. Das ist Voraussetzung für Verständnis, Vertrauen, Miteinander und flotte Zusammenarbeit. Wir brauchen eine intakte Projektkultur mit dem Effekt Abb. 2, rechts. Diese Einigkeit in den Überzeugungen brauchen wir meist zweimal: Abb. 1: Zyklus methodischer Kulturgestaltung Abb. 2: Ziel der Gestaltung der Projektkultur: Mehr anpacken statt koordinieren Abb. 3: Innere und äußere Projektkultur 17 ● in der inneren Projektkultur der Personen, denen wir weisen dürfen (Abb. 3), ● und in der äußeren Projektkultur, die alle Personen umfasst, denen wir nicht weisen dürfen, deren Mitwirkung wir aber brauchen. Die Wertekaskade und ihre Methoden passen für beide Kulturen. 4 DIE NATÜRLICHE ART, EINE INTAKTE KULTUR ZU SCHAFFEN Die kennen wir alle. Beispielsweise, als wir uns unter Freunden zum Grillfest entschlossen. Schon sauste einer zum Metzger und der zweite zur Brauerei. Und wer nichts selber zu tun hatte, packte auch spontan an, wo was zu tun war. Was macht diese Zusammenarbeit so phantastisch? Eine wichtige Bedingung ist die Gemeinsamkeit des Ziels „Fassanstich“: eines Ziels, das im Miteinander zu erreichen jedem von uns mehr nützt, als wenn er seinen Vorteil auf Kosten der anderen sucht und sich im Gegeneinander verstrickt. Wer wünscht sich solch eine Zusammenarbeit nicht auch im Projekt? 5 METHODISCHE GESTALTUNG DER PROJEKTKULTUR 5.1 Analyse Erst als Ergebnis die Ist-Kulturmatrix nach Abb. 4. Dann die Erläuterungen. Wie kam dieses Ergebnis zustande? 1. Analyseschritt Ziel dieses Schritts ist das Erkennen der maßgeblichen Subgemeinschaften. Ergebnis: unser Chef, die Mitarbeiter und unser Vorgänger. Jeder Subgemeinschaft oder Partei ordnen wir eine eigene Subkultur zu und dafür in der Ist-Kulturmatrix eine eigene Spalte. Wie erkennen wir die Subgemeinschaften? Wir beobachten Verhaltensweisen ➀ und Äußerungen über die Identitäten ➁ . Insbesondere: Wer grenzt sich gegen wen ab, wer fürchtet sich vor wem und worin? 2. Analyseschritt Ziel dieses Schritts ist das Erkennen der wichtigen Zwecke ➂ dieser Subgemeinschaften. Denn diese Zwecke sind den Subgemeinschaften wichtiger als alles andere in der Arbeit. Konkurrenz der Zwecke erzwingt Misstrauen und Gegeneinander, Kooperation der Zwecke ist Voraussetzung für Vertrauen und Miteinander, wie beim Grillfest. (Würde jeder über seine Zwecke offen und ehrlich berichten, könnten wir uns Kulturmatrix, Wertekaskade und sehr viel Mühe und Zeit sparen. Leider verbergen viele ihre Zwecke. Mit der Wertekaskade werfen wir einen Blick hinter diese Masken. Anhand der Zusammenhänge zwischen Zwecken, Identität, Regeln und Verhalten setzen wir Einzelbeobachtungen zusammen zu einem Gesamtbild, das Auskunft gibt über die maskierten Zwecke.) In unserem Fallbeispiel konkurrieren die Zwecke von Herrn Graf „termin- und kostengerechter Abschluss“ mit denen der Mitarbeiter „nicht mehr Mühe als nötig“. Diese Konkurrenz erzwingt Gegeneinander und Minderleistung. Was hätte unser Vorgänger tun können? Schlägt er sich auf die Seite seines Chefs, gerät er selbst in Konkurrenz zu seinen Mitarbeitern, also Minderleistung: unbrauchbar. Schlägt er sich auf die Seite seiner Mitarbeiter? Dann könnte er deren Vertrauen und Miteinander schon gewinnen, bis sein Chef ihn ablöst: auch unbrauchbar. Ganz egal, was er macht, er erntet Minderleistung. Diese Falle kann jeden scheitern lassen. Eine hinreichende Problemursache ist gefunden. 5.2 Entwurf der Sollkultur Unser Projektergebnis soll überdurchschnittlich sein. Also brauchen wir eine Konstellation der Zwecke aller Subgemeinschaften, in der die kooperativen Zwecke klar überwiegen. Der direkte Ansatz, die Änderung der Zwecke einer Subgemeinschaft, ist leider untauglich. Denn wer die Zwecke einer Person antastet, den lehnt diese wahrscheinlich als Angreifer ab. Besser ist das Mittel „gemeinsames höchstes Ziel“ (ghZ), eine Koopera- P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 18 tion auf Zeit. Mit dem ghZ zeigen wir jeder Subgemeinschaft, wie sie ihre Zwecke mit weniger Mühe erreicht, indem sie zunächst mit ihren Konkurrenten kooperiert. Das funktionierte sogar unter Gegnern wie USA und UdSSR in ihrer Allianz gegen Hitler-Deutschland. Vorschlag: „So ein guter Projektabschluss, dass wir alle nachher heiß begehrt sind“ (Abb. 5). Wir sprechen damit den Zweck der Mitarbeiter „Sicherheit des Arbeitsplatzes“ an: Wir betrachten die Mitarbeiter nicht als Mittel für betriebliche Ziele, sondern das gemeinsame Ziel als Mittel für die persönlichen Zwecke aller. Vorteile: ● Unsere Mitarbeiter arbeiten letztlich für ihre persönlichen Zwecke. Da arbeiten sie ungehemmter: also mehr Leistung und mehr Spaß. ● Weil wir die Zwecke unserer Mitarbeiter unterstützen, kommt Vertrauen auf. Wir führen unsere Mitarbeiter leichter und effizienter. ● Die enthemmte Leistung unserer Mitarbeiter freut auch unseren Chef. Gegenprobe: Angenommen, wir seien diese Mitarbeiter oder Herr Graf. Wäre uns solch ein Projektleiter nicht lieber als ein anderer? Das ghZ funktioniert aber nur, wenn es über uns heißt: „Bei dem gibt’s keine Extratouren, da arbeiten alle für die gemeinsame Sache.“ Denn darf sich einer ungestraft Extratouren erlauben auf Kosten der anderen, schürt er Misstrauen und das mindert die Produktivität. Wir unterbinden solche Extratouren also. Nun zur Sollkultur nach Abb. 6. Der ausschlaggebende Unterschied zur Istkultur ist das eingefügte ghZ. So stark es ist, dominiert es nun Identität, Regeln und Verhaltensweisen. Das Prinzip des ghZ finden wir im Fassanstich unseres Grillfestes und im Wiederaufbau nach dem Weltkrieg, als der Ruf „Die Schlote müssen wieder rauchen“ Unternehmer und Arbeiter einte. 5.3 Umsetzung Änderung der Kultur bedeutet Än- Kultur: Anlagenprojekt Subkultur: Unser Chef, Herr Graf Unsere Mitarbeiter Unser Vorgänger Konk. Karriere, gute Ergebnisse, „termin- und kostengerechter Abschluss“ (obwohl unrealistisch) Zukunft des Arbeitsplatzes (stark), hohes Einkommen, nicht mehr Mühe als nötig, um den Job zu behalten Karriere, gute Ergebnisse, Anerkennung ➂ Zwecke/ Ziele Koop. Zukunft der Firma (schwach) ➁ Identität Konk. „Ich gegen alle anderen“ „Die da oben, wir hier unten“ (stark) „Ich mit allen anderen“ Koop. Regeln Konk. Koop. Konk. Vorwürfe gegen den Vorgänger. Äußert Ärger über die unrealistischen Abschlüsse des Vertriebs und die mangelnde soziale Kompetenz der Mitarbeiter Beklagen, Herr Graf müsse unrealistische Ziele erfüllen und sie müssten schuften. Zähe Zusammenarbeit, Unzuverlä ssigkeit, teilweise Dienst nach Vorschrift Suchte Konsens und Frieden und ein freundliches Arbeitsklima herzustellen. War stolz auf seine Funktion als Projektleiter ➀ Verhalten Koop. Kaum Ergebnis Minderleistung, Verfehlen von Termin- und Kostenzielen Abb. 4: Ist-Kulturmatrix (leere Felder hier unwichtig und übersprungen) 19 derung von Überzeugungen. Aber davor sind drei große Hürden. Erste Hürde: die Dominanzen der Schichten der Wertekaskade aufeinander. Ihretwegen verschwendet Mittel, Zeit und Nerven, wer Verhaltensweisen gegen Regeln ändern will, Regeln gegen Identität oder Identität gegen Zwecke (Abb. 7). Andersherum geht es viel leichter: Haben wir uns geeinigt über unsere Zwecke, die uns allen wichtiger sind als alles andere in der Arbeit, einigen wir uns über die weniger wichtigen Fragen viel leichter. Zweite Hürde: Wegen der Nichtbelegbarkeit der Überzeugungen sind Wortgefechte um sie so sinnlos wie Streit um Geschmack. Die dritte Hürde: In einer intakten Kultur finden wir nicht nur gefällige Überzeugungen, sondern auch viel Lebertran. Das sind die Tugenden wie Pünktlichkeit zu Besprechungsbeginn. Das sind persönliche Investitionen in die Gemeinschaft, die sich nicht sofort auszahlen, sondern erst viel später, und dann auch für alle Lasterhaften. Deshalb ist man zu diesen Investitionen nur bereit, wenn es auch jeder andere tut. Die zweite und die dritte Hürde überwinden wir mit der Methode Vorbild: Wir als Führungskraft machen vor, wie jeder Mühen sparen kann auf seinem Weg Abb. 5: Das gemeinsame höchste Ziel - fast ein Garant guter Zusammenarbeit Kultur: Projekt Subkultur: Unser Chef, Herr Graf Unsere Mitarbeiter Wir Konk. Karriere, gute Ergebnisse. Konkret: „Kosten- und Terminüberschreitungen wieder hereinholen“ Zukunft des Arbeitsplatzes (stark), hohes Einkommen, nicht mehr Mühe als nötig Karriere, gute Ergebnisse. Eines Tages vielleicht Steuerflüchtling auf eigener Yacht in Monte Carlo Zwecke/ Ziele Koop. Zukunft der Firma (schwach) „So ein guter Projektabschluss, dass wir alle danach heiß begehrt sind“ (ghZ) Identität Konk. „Ich gegen alle anderen“ „Die da oben, wir hier unten“ (stark) „Ich mit allen anderen“ Koop. „Wir vom Projekt“ (stärker) Regeln Konk. Koop. „Gut ist, was dem ghZ nützt.“ „Keine Extratouren“ Konk. Verhalten Koop. Größeres Vertrauen in das Projektteam Ergebnis Weit bessere Zusammenarbeit, besseres Ergebnis als erwartet Flottere Zusammenarbeit, Konflikte werden konstruktiv gelöst, Tabus werden angegangen Besser als zuvor Abb. 6: Soll-Kulturmatrix P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 20 zu seinen Zwecken, indem er sein Verhalten nach unserer Überzeugung richtet. Wir ermuntern die Zaghaften. Und Widerspenstige entfernen wir aus dem Team, bevor sie als schlechtes Beispiel wirken. Nun die Anleitung. Zwei Grunds ätze vorweg: ● Erst schweigen, dann handeln, nach Erfolg vielleicht reden. Denn wo viel gelogen wird, weckt zu frühes Reden Fragen nach den „wahren Absichten“. 1. Ziel Wie, Wer Alle haben unseren ernsthaften Einsatz für das Projekt erlebt und wie dieser ihren persönlichen Zwecken dient. Konsequenz: Wir tun das und nur das, was dem ghZ eher dient. Denn jede Inkonsequenz schürt Zweifel an unseren Absichten. Natürlichkeit: Wir lassen unsere fernen persönlichen Zwecke durchblicken. Denn die unterstellen uns die Mitarbeiter sowieso. Wer sie verheimlicht, schürt Zweifel. 2. Mitarbeiter arbeiten für das ghZ als Mittel für ihre persönlichen Zwecke. Nachdem unser Schwitzen für die gemeinsame Sache erkannt wurde, erklären wir beiläufig die Wirkung des ghZ. Ist unsere Erklärung angekommen, fordern wir Mitarbeit allein für das ghZ und für nichts anderes. 3. Alle Entscheidungen im Projekt fallen zu Gunsten des ghZ. Eine Folge unserer Konsequenz - und der Einsicht der Mitarbeiter in den Nutzen des ghZ für sie. In Zweifelsfällen begründen wir, wie unsere Entscheidung dem ghZ dient. 4. Die wichtigsten Regeln der Zusammenarbeit werden geteilt. Erst wenden wir die Regeln selber konsquent an. Dann erläutern wir unseren Mitarbeitern, wie die Einhaltung dieser Regeln jedem nützt. Dann sind wir glaubhafter. Dann fordern wir die Einhaltung der Regeln, fördern die Zaghaften - und bestrafen die Widerspenstigen. ● Nur tun, was wir mit unserer Aufgabe begründen können. Denn zu viele Prinzipienreiter sind des Tüchtigen Karriereknick. Welcher gute Projektleiter hätte je wesentlich anders gehandelt? Wer sich unser Vertrauen erarbeitet, der erspart uns mehr Mühen als ein anderer, dessen Überzeugungen übernehmen wir leichter. Dann entscheidet und handelt der eine in unserem Team etwa so wie der andere an seiner Stelle. Und schon hat dieser Projektleiter eine intakte Projektkultur geschaffen - und zwar nebenbei. Wir brauchen dazu gar keine Methode, aber mehr Schweiß und Tugenden, als wir von unseren Mitarbeitern verlangen. Und die Erlaubnis, so zu handeln. 5.4 Ergebnis Herr Graf wird staunen, wie gut unser Projekt vorankommt. Sein illusionäres Ziel können wir wohl nicht erreichen. Aber unser Ruf wird besser sein. 6 AUSBLICK Dies war ein banales Fallbeispiel zum Kennenlernen. Die größeren Risiken finden wir in der äußeren Projektkultur, beispielsweise in einer verborgenen Uneinigkeit in der Organisation unseres Kunden. Jetzt brauchen wir überzeugende Indizienketten, die aus Verhalten, Regeln und Identitäten auf verborgene Zwecke schließen. Die gewinnen wir mit Wertekaskade und Kulturmatrix. Ein weiteres Anwendungsfeld der Wertekaskade und ihrer Methoden ist das Aufdecken systematischer Projektrisiken in den Prozessen unserer Firma. In wie vielen Firmen erschweren Kulturdefekte die Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Projektabteilung? Lösen wir die, steigern wir die Produktivität. So ergänzt die Wertekaskade den „Produktstruktur-“ und „Projektablaufplan“, um nun auch die weichen Faktoren besser in den Griff zu bekommen. Abb. 7: (Un)zweckmäßige Änderungsreihenfolge Abb. 8: Anleitung zur Umsetzung 21 DAS SYSTEM KULTUR Der Soziologe Edgar Schein versteht unter Unternehmenskultur: „Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird.“ [3] Wer meint, Kultur sei nur ein Muster, dem könnte es gehen wie dem Laien im Cockpit, der viel Höhe gewinnen will und am Höhenruder zieht. Erst zeigt der Höhenmesser Höhengewinn. Aber dann wundert sich der Laie, wieso die Geschwindigkeit sinkt, obwohl niemand den Gashebel berührt hat. Und dann stürzt der Laie ab. Die Ursache des Absturzes ist wohl jedem Vielflieger klar - die Größen wie Vortrieb, Geschwindigkeit, Abtrieb, Auftrieb, Höhenruder sind nicht unabhängig voneinander (Abb. 9), sondern ein Wechselspiel verkoppelt sie alle miteinander. Daher erzeugt der Zug am Höhenruder neben der gewünschten Wirkung auch Nebenwirkungen wie Minderung von Geschwindigkeit und Auftrieb. Motorflug ist eben kein Muster von Größen, sondern das Wechselspiel zwischen den Größen macht ihn zum System. Vögel und gute Piloten fliegen elegant, weil sie dies Wechselspiel „im Gefühl“ haben. Wer das Fliegen begreifen will, lernt die Gesetze der Aerodynamik. Zu allen Zeiten gab es gute Projektleiter, die eine intakte Projektkultur „nach Gefühl“ geschaffen haben. Um diese Kunst zu begreifen, tun wir einen Schritt wie den vom Vogelflug zur Aerodynamik. Die Grundlagen Von Robert B. Dilts [2] haben wir die Idee, wie sich Kultur als System verstehen ließe. Er hatte innere Konflikte eines Klienten gedeutet als Folgen einer falschen Rangordnung dessen innerer Werte. Beispiel: Herr Müller, fanatischer BMW-Fahrer, hat einen Ferrari geschenkt bekommen. Nun fährt er ihn nur nachts, wo ihn keiner erkennt. Seine Identität „Ich bin BMW- Fahrer“ blockiert das Verhalten „Ferrari sichtbar fahren“. Seine Identität dominiert sein Verhalten. Diese Rangordnung modellierte Dilts als „Modell der logischen Ebenen“. Ähnliche Zusammenhänge bestehen im Projektteam zwischen seinen Überzeugungen und seinem Verhalten; ebenso in allen Gemeinschaften beliebiger Größe, vom Ehepaar bis zum Staatenbund. In großen Gemeinschaften sind aber viele Subgemeinschaften zu finden, beispielsweise Entwickler und Vertriebsleute. Beide haben eigene typische Überzeugungen, nach denen sie ihr Verhalten richten. Sie haben eine eigene Subkultur. Mal grenzen sie sich voneinander ab, mal stehen sie zusammen. Zwischen den Subgemeinschaften geschieht also auch etwas. Die Wertekaskade ist die Erweiterung von Dilts’ Modell. Sie eignet sich auch für zerstrittene Gemeinschaften. Der Schritt von Dilts’ Modell zur Wertekaskade ist, wie wenn man statt eines Baumes nicht nur viele Bäume sieht, sondern ein „Ökosystem Wald“. Definition: Kultur (= Wertesystem) einer Gemeinschaft heiße das System der Überzeugungen, nach denen die Angehörigen ihr Verhalten richten oder über die sie uneins sind. Definition: Überzeugung heiße eine Information, nach der eine Person ihr Handeln richtet, ohne deren Richtigkeit dem Zuhörer belegen zu können. Belegbare Informationen nennen wir hier Wissen. Ob Wissen oder Überzeugung, das entscheidet jeder Zuhörer für sich. Zu den Überzeugungen z ählen wir auch Glauben, Werte, Ahnungen, Neigungen und Geschmack. Definition: Intakt nennen wir eine Kultur, wenn die Gemeinsamkeit der Überzeugungen so groß ist, dass man alle Differenzen gemeinsam lösen kann. Das Wechselspiel in der Kultur einer Gemeinschaft lä sst sich leichter begreifen, teilen wir es auf in ein vertikales und in ein horizontales. Das vertikale Wechselspiel Dies verdeutlichen die Wertekaskade nach Abb. 10 und die Wertekaskadenregel: Zweck dominiert Identität, Identität dominiert Regeln, Regeln dominieren Verhaltensweisen, der Markt (oder das Umfeld) belohnt bestimmte Verhaltensweisen und bestraft andere. Erläuterungen: Zweck heiße, wofür sich eine Person letztlich einsetzt. Zu den Zwecken z ählen Wohlgefühl, Familie, Zukunft, Gehalt, Sicherheit des Arbeitsplatzes. Unsere persönlichen Zwecke sind uns wichtiger als alles andere in der Arbeit. Wir akzeptieren aber nur die Regeln, die Abb. 9: Das System „Flugzeug in der Luft“ P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E