eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 11/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2000
113 Gesellschaft für Projektmanagement

Der professionelle Projektstart

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2000
Roland Gareis
Die Durchführung eines professionellen Projektstarts stellt einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Projektmanagement-Qualität in Projekten dar. Im Projektstart-Prozess werden die Grundlagen für die folgenden Projektmanagement-Teilprozesse geschaffen. Voraussetzung für einen professionellen Projektstart ist die Definition der Ziele, des Ablaufs und der Methoden zur Gestaltung des Projektstart-Prozesses.
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P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 22 zu unserer Identität passen. Wir richten unser Verhalten nach unseren Regeln. Für die Zusammenarbeit wichtige Sätze der Wertekaskade: ● Personen meiden Mühen, die ihren Zwecken nicht nützen. ● Spitzenleistungen bringen wir daher nur für unsere eigenen Zwecke. Für die Zwecke anderer setzen wir uns nur halbherzig ein, soweit wir sie als Mittel benutzen können für unsere eigenen Zwecke. Das horizontale Wechselspiel Wechselwirkung der Kulturen: Konkurrenz der Zwecke erzwingt Misstrauen, Gegeneinander und gemeinsame Minderleistung.Dann lehnen die einen die Überzeugungen der anderen eher ab. Gegenseitige Förderung der Zwecke dagegenistVoraussetzung für Vertrauen, Miteinander und überdurchschnittliche gemeinsame Leistung. Dann übernehmen die einen eher die Überzeugungen der anderen. Denn wer seinen Konkurrenten fördert oder ihm zu leicht glaubt, schadet sich selbst. Wo sich die Zwecke aber fördern, spart jeder Mühe durch Kooperation. Methoden Zur Gestaltung einer Kultur sind zahlreiche Methoden verfügbar: ● die Rahmenanleitung, der Zyklus methodischer Kulturgestaltung (Abb. 1), ● Kulturanalyse: Kulturmatrix, Ermitteln bewusster Überzeugungen, Ermitteln unbewusster Überzeugungen, Erkennen verdeckter Primärdefekte, ● Kulturentwurf: zielorientierter Entwurf Soll-Kultur, ● Planung: Zielformulierung, Reihenfolge der Schritte, Wahl der Werkzeuge und Erfolgskontrolle, ● Werkzeuge: Gemeinschaften ansprechen, Xerxes (verfeindete Gemeinschaften einen), Gemeinschaft formen mit dem ghZ, Gemeinschaft formen durch Abgrenzung, Gemeinschaft intensivieren mit der Sternstunde, Überzeugungen prägen durch Erfahrung, Vorbild, Umdeuten von Überzeugungen, Überzeugungen in Wissen umwandeln (Aufklärung), Überzeugungen aus Wissen ableiten (Routine), Konfliktlösestrategie „Herkules“, Konflikte lösen durch Aufklärung, Timeline (Zukunftsplanung für Gemeinschaften). Literatur [1] Peters, Thomas J.: Auf der Suche nach Spitzenleistungen. Moderne Industrie, Landsberg/ Lech 1988 [2] Dilts, R. B.: Identität, Glaubenssysteme und Gesundheit. Junfermann, Paderborn 1991 [3] Schein, Edgar: Unternehmenskultur - Ein Handbuch für Führungskrä fte. Campus, Frankfurt 1995 [4] Horn, Wolfgang: Ist Charisma erlernbar? In: Gabler’s Magazin 10/ 97 Autor Dipl.-Ing. Wolfgang Horn, „hemds ä rmeliger“ Projektleiter seit 1984 für ein weltweit tätiges Unternehmen der Mess- und Funktechnik. Projektsanierer. Als Leiter der Akademie für natürliche Führung zeigt er Führungskrä ften, wie sie höhere Ziele erreichen mit den allen Menschen angeborenen Führungsfä higkeiten. Anschrift Akademie für natürliche Führung Ampfingstr. 44 D -81671 München Tel.: 0 89/ 4 36 17 37 Fax: 0 89/ 4 36 35 18 E -Mail: Wolfgang_Horn@aknf.de Internet: http: / / www.aknf.de Abb. 10: Die Wertekaskade - so beeinflussen die Werte der Kultur das Ergebnis ■ 23 Zusammenfassung Die Durchführung eines professionellen Projektstarts stellt einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Projektmanagement- Qualität in Projekten dar. Im Projektstart-Prozess werden die Grundlagen für die folgenden Projektmanagement-Teilprozesse geschaffen. Voraussetzung für einen professionellen Projektstart ist die Definition der Ziele, des Ablaufs und der Methoden zur Gestaltung des Projektstart-Prozesses. Abstract By performing a professional project start an important contribution to ensure project management qualit y in projects can be made. In the project start process the basics for the following project management subprocesses are developed. For a professional project start the definition of its objectives, its functions and methods is required. Schlagwörter Projektmanagement-Prozess, Projektstart, Projektstart-Workshop, Standardprojektpl ä ne 1 DER PROJEKTMANAGEMENT- PROZESS Projektmanagement ist ein Managementprozess Projektorientierter Unternehmen. Der Projektmanagement-Prozess dient zur Steuerung von inhaltlichen Prozessen, deren Durchführung zur Realisierung der Projektziele notwendig ist. Inhaltliche Prozesse z. B. eines Anlagenbau-Auftragsprojekts sind die Planung der Anlage, das Beschaffen der Anlagenkomponenten, die Logistik etc., inhaltliche Prozesse eines Event-Organisationsprojekts sind die Planung, die Vorbereitung, die Durchführung und die Nachbereitung des Events. Der Projektmanagement-Prozess beinhaltet die Teilprozesse nach Abb. 1. Der Projektmanagement-Prozess beginnt mit dem Projektauftrag des Projektauftraggebers an das Projektteam. Der Projektmanagement-Prozess endet mit der Abnahme der Projektergebnisse durch den Projektauftraggeber. Der Projektstart, das Projektcontrolling, die Bewältigung einer Projektdiskontinuität und der Projektabschluss stellen Situationen im Projekt dar, die einer spezifischen Managementaufmerksamkeit bedürfen. Systemisch betrachtet ist es Ziel des Projektstarts, das Projekt als soziales System zu etablieren, Ziel des Projektcontrollings, die Evolution des Projekts zu fördern, Ziel der Bewältigung einer Projektdiskontinuität, die Projektidentität zu ändern, und Ziel des Projektabschlusses, das Projekt als soziales System aufzulösen. Die Erfüllung des Projektkoordinations-Prozesses erfolgt laufend, die Durchführung der sonstigen Projektmanagement-Teilprozesse erfolgt „energetisch“ und jeweils zeitlich befristet. Per Definition werden der Projektstart- und der Projektabschlusspro- Der professionelle Projektstart R O L A N D G A R E I S P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E Projektauftrag Projektstart Projektcontrolling Management einer Projektdiskontinuität Projektabschluss Projektabnahme Laufende Projektkoordination Abb. 1: Der Projektmanagement-Prozess P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 24 zess jeweils einmal durchgeführt. Der Projektcontrolling-Prozess ist mehrmals in einem Projekt zu durchlaufen und findet periodisch und/ oder zu Projektmeilensteinen statt. Die Notwendigkeit der Bewältigung einer Projektdiskontinuität, d. h. einer Projektkrisenbewältigung, einer Projektchancennutzung oder der Durchführung eines Projektphasenübergangs, ist von der jeweiligen Projektsituation abhängig. Der Vorteil der Betrachtung des Projektmanagement-Prozesses als Ganzes - und nicht nur der einzelnen Teilprozesse - liegt einerseits in der Sicherung der Durchgängigkeit des zur Anwendung gelangenden Projektmanagement-Ansatzes und andererseits in der Berücksichtigung der Zusammenhänge zwischen den Projektmanagement-Teilprozessen (siehe Abb. 2). Der Projektstart ist der wichtigste PM-Teilprozess, da während des Projektstarts die Grundlagen für die folgenden PM-Teilprozesse, wie z. B. die Projektpläne, die Projektorganisationsstrukturen, die Beziehungen zu relevanten Projektumwelten, geschaffen werden. 2 DER ORGANISATIONSORIENTIERTE PROJEKTMANAGEMENT-ANSATZ Unterschiedliche Wahrnehmungen von Projekten führen zu unterschiedlichen Projektmanagement- Ans ätzen. Die traditionelle Wahrnehmung von Projekten als zieldeterminierte Aufgaben resultiert in einen planungsorientierten Projektmanagement-Ansatz, der durch die Betrachtungsobjekte Projektleistungen, Projekttermine und Projektkosten sowie den Einsatz von Projektmanagement- Methoden zur Planung und Kontrolle dieser Betrachtungsobjekte charakterisiert ist. Hier wird ein Projekt als temporäre Organisation zur Durchführung eines relativ einmaligen Prozesses mittlerer oder hoher Komplexität mit kurzbis mittelfristiger Dauer definiert. In Projektorientierten Unternehmen werden zus ätzlich zu permanenten Organisationen, wie z. B. Profit-Center, Expertenpool und PM- Office, temporäre Organisationen, nämlich Projekte und Programme, zur Erfüllung der Geschäftsprozesse eingesetzt. Geschäftsprozesse können nach der Komplexität, dem Wiederholungsgrad und der Dauer unterschieden werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Merkmale benötigen unterschiedliche Prozesse unterschiedliche Organisationen für deren Erfüllung (siehe Abb. 3). Die Wahrnehmung von Projekten als temporäre Organisationen resultiert in einen organisationsorientierten Projektmanagement-Ansatz, der charakterisiert ist durch die Anwendung von Methoden und Modellen der Organisationstheorie und der sozialen Systemtheorie. Der sozialen Systemtheorie von Niklas Luhmann folgend können Organisationen, und daher auch Projekte, als soziale Systeme wahrgenommen werden. Die sich daraus ergebende prozessorientierte Strukturierung von Projekten, das Empowerment von Projekten und von Projektteammitgliedern, die Entwicklung projektspezifischer Kulturen und die explizite Gestaltung der Projekt-Umwelt-Be- Monat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Konstruktion Einkauf Fertigung Logistik Bau Montage Schulung Projektmanagement Arbeitspaket Abb. 2: Die Projektmanagement-Teilprozesse im Zeitablauf ➔ ➔ ➔ Prozess-Charakteristika ein Prozess geringer Komplexität wiederholte Durchführung kurz- und mittelfristig ein Prozess mittlerer oder hoher Komplexität kurz- und mittelfristig ein Prozess hoher Komplexität einmalige Durchführung mittel- und langfristig einmalige Durchführung Organisationseinheit(en) der Stammorganisation Projekt Programm Organisation Abb. 3: Prozesse und Organisationen 25 ziehungen, schafft zus ätzliche Potenziale zum Management der Komplexität und Dynamik in Projekten und sichert eine entsprechende Projektmanagement-Qualität. Ein Projekt stellt eine relativ autonome Organisation auf Zeit dar. Durch den temporären Charakter erlangen die Etablierung des Projekts beim Projektstart sowie dessen formale Auflösung beim Projektabschluss besondere Bedeutung. 3 ZIELE DES PROJEKTSTART- PROZESSES 3.1 Ziele im Überblick Für den Projektstart ist eine entsprechende Managementaufmerksamkeit zu sichern. Aufgrund des Zeitdrucks von Projekten ist die Versuchung, sofort nach Erhalt eines Projektauftrags mit der inhaltlichen Projektarbeit zu beginnen, ohne einen entsprechenden Projektstart-Prozess durchgeführt zu haben, sehr groß. Aus dieser mangelnden Bereitschaft, die Projektplanung und das Design der Projektorganisation gemeinsam im Projektteam durchzuführen, resultieren aber oft ● unrealistische Projektziele, ● unklare Rollendefinitionen, ● fehlende organisatorische Regeln, ● inadäquate und unverbindliche Projektpläne und ● fehlende Vereinbarungen bezüglich der Gestaltung von Projekt- Umwelt-Beziehungen. Folgende Ziele sind daher im Projektstart-Prozess zu verfolgen: ● Informationstransfer aus der Vorprojektphase in das Projekt, ● Definition von Erwartungen an die Nachprojektphase, ● Entwicklung adäquater Projektpläne zum Management der Projektziele, -leistungen, -termine, -ressourcen und -kosten, ● Design der Projektorganisation, adäquate Integration des Projekts in die Stammorganisationen, ● Entwicklung der Projektkultur, ● Etablierung von Kommunikationsbeziehungen zwischen dem Projekt und anderen Projekten und relevanten Projektumwelten, erstes Projektmarketing, ● Definition der Strukturen für die folgenden Projektmanagement- Teilprozesse und ● Vermittlung des „Big Project Picture“ an alle Mitglieder der Projektorganisation. 3.2 Ziele im Einzelnen 3.2.1 Informationstransfer Vor-/ Nachprojektphase Die Vor- und die Nachprojektphase beeinflussen die Projektstrukturen. Durch die Definition des Projektstart- und des Projektendereignisses entstehen die Vorprojekt- und die Nachprojektphase als Projektkontext. Projekte haben meist eine lange Vorgeschichte. Informationen über die Gründe, die zu einem Projekt geführt haben, und über Entscheidungen, die vor dem formalen Projektstart getroffen wurden, sind relevant für das Verständnis der Bedeutung des Projekts und für die Entwicklung adäquater Projektstrukturen. Aber auch Erwartungen bezüglich Handlungen und Entscheidungen in der Nachprojektphase beeinflussen sowohl den zu erfüllenden Leistungsumfang als auch die Strategien zur Gestaltung der Projekt-Umwelt-Beziehungen. 3.2.2 Projektplanung Der Multi-Methoden-Einsatz unterstützt das Management von Projektkomplexität. Entsprechend Ashby’s Law der „Requisite variety“ ist eine entspre chende Komplexität eines sozialen Systems die Voraussetzung, um mit der (unendlich) komplexen Umwelt des Systems umgehen zu können. Durch den gleichzeitigen Einsatz unterschiedlicher Projektmanagement-Methoden, wie z. B. Projektstrukturplan, unterschiedliche Projektterminplanungsmethoden, Projektkostenplan, Projekt- Umwelt-Analyse und Projektorganigramm, kann eine adäquate Komplexität aufgebaut werden. Dieser Multi-Methoden-Einsatz ermöglicht weiterhin die Herstellung einer entsprechenden Projektmanagement- Qualität, indem die Ergebnisse der einzelnen Planungen miteinander in Beziehung gebracht werden. So kann z. B. der Projektstrukturplan aufgrund von Erkenntnissen aus der Terminplanung noch weiterentwickelt werden. Die diversen Projektmanagement- Methoden sind zentrale Instrumente zur Strukturierung der Kommunikation im Projektstartprozess. 3.2.3 Projektorganisation Jedes Projekt benötigt ein spezifisches organisatorisches Design. Die Wahrnehmung von Projekten als temporäre Organisationen fördert das Bewusstsein, dass jedes Projekt ein Recht auf ein spezifisches organisatorisches Design hat. Erst durch die Gestaltung der jeweils adäquaten Projektorganisation können Wettbewerbsvorteile für das Projektorientierte Unternehmen geschaffen werden. P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 26 Das organisatorische Design von Projekten geht über den Einsatz eines/ r Projektmanagers/ in und die Definition dessen/ deren Verantwortungen hinaus. Zus ätzliche projektspezifische Rollen sind zu definieren, vor allem jene des Projektauftraggebers, projektspezifische Kommunikationsstrukturen sind zu vereinbaren und projektspezifische Organisationsregeln sind festzulegen. Wichtige Kommunikationsstrukturen in Projekten sind Workshops (z. B. Projektstart-Workshop), Teamsitzungen (z. B. Projektteamsitzungen, Projektauftraggebersitzungen, Subteamsitzungen) und Einzelgespräche zwischen dem/ der Projektmanager/ in und einzelnen Projektteammitgliedern. 3.2.4 Projektkultur Jedes Projekt hat eine Projektkultur. Die Entwicklung einer spezifischen Projektkultur ist eines der Ziele des Projektstart-Prozesses. Methoden zur Schaffung einer entsprechenden Projektidentität sind z. B. Projektname, Projektlogo, Projektwerte, Projektleitbild, Projektslogans und eine projektspezifische Sprache. Für die Entwicklung der Projektkultur ist soziale Kompetenz im Projekt, z. B. Kenntnisse und Erfahrungen im symbolischen Management, bedeutend. 3.2.5 Kommunikationsbeziehungen Der Projekterfolg ist von den Beziehungen zu den relevanten Umwelten abhängig. Die relevanten Umwelten stellen den sozialen Kontext eines Projekts dar. Diese relevanten Umwelten können in einer Projekt-Umwelt-Analyse konstruiert werden. „Relevant“ sind alle sozialen Umwelten (Organisationen, Gruppen, Personen), die einen Einfluss auf den Projekterfolg haben können. Es kann zwischen projektexternen Umwelten, wie z. B. Kunden, Lieferanten und Medien, und projektinternen Umwelten, wie z. B. Projektauftraggeber und Projektteam, unterschieden werden. Strategien und konkrete Maßnahmen zur Gestaltung der Projekt-Umwelt-Beziehungen sind zu vereinbaren. 3.2.6 Folgeprozesse Im Projektstart-Prozess werden die Grundlagen für die nachfolgenden Projektmanagement-Teilprozesse geschaffen. Einerseits stellen die im Projektstart-Prozess getroffenen Vereinbarungen, die entwickelten Projektpläne und die geschaffene Projektkultur die Grundlagen für die Durchführung der folgenden Projektmanagement-Teilprozesse dar. Andererseits sind im Projektstart-Prozess die Strukturen für die laufende Projektkoordination, das Projektcontrolling und den Projektabschluss zu definieren. Für jeden Projektmanagement-Teilprozess sind die Ergebnisse und die Kommunikationsstrukturen festzulegen. Für die unterschiedlichen Workshops und Sitzungen sind jeweils die Ziele, die Teilnehmer und die Termine zu planen. Ergebnisse des Projektcontrolling-Prozesses sind z. B. Projektfortschrittsberichte und adaptierte Projektpläne. 3.2.7 Vermittlung von Orientierung Das „Big Project Picture“ gibt allen Mitgliedern der Projektorganisation Orientierung. Durch die Mitarbeit der Projektteammitglieder im Projektstart-Prozess, das gemeinsame Vereinbaren von Zielen, von Strategien und von Verantwortungen im Projektteam und zwischen dem Projektteam und dem Projektauftraggeber sowie durch die Kommunikation der Ergebnisse des Projektstart-Prozesses mit Hilfe der entwickelten Projektmanagement-Dokumentation entsteht als Ergebnis des Projektstart- Prozesses das „Big Project Picture“. Dieses soll allen Mitgliedern der Projektorganisation Orientierung für die Projektarbeit, d. h. einerseits für die Erfüllung der Arbeitspakete und andererseits für das Verhalten gegenüber Vertretern relevanter Umwelten, geben. 4 ABLAUF DES PROJEKTSTART- PROZESSES Der Ablauf des Projektstart-Prozesses kann beschrieben werden, indem die Phasen und die zu erfüllenden Funktionen gelistet werden, die organisatorischen Zuständigkeiten zur Erfüllung dieser Funktionen definiert werden und die im Prozess einzusetzenden Methoden und die Ergebnisse des Prozesses dargestellt werden. Diese Darstellungen können in einem Funktionendiagramm vorgenommen werden. Sowohl der Projektstart-Prozess als auch die anderen Projektmanagement-Teilprozesse können in die Phasen Planung, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung gegliedert werden. Zuständig für die Durchführung der einzelnen Funktionen können der Projektauftraggeber, der/ die Projektmanager/ in, das Projektteam oder einzelne Projektteammitglieder sein. Eventuell kann 27 auch ein Projektcoach hinzugezogen werden (siehe Abb. 4). 5 PLANUNG DES PROJEKTSTART- PROZESSES Folgende Elemente sind bei der Planung des Projektstart-Prozesses zu berücksichtigen: ● die Kommunikationsformen, ● der Einsatz von Standardprojektplänen, ● der Einsatz von IT- und Telekommunikations-Instrumenten, ● der Einsatz von Projektcoaches und ● der Einsatz von Checklisten. Es gibt keinen Projektstart ohne Projektstart-Workshop. Im Projektstart-Prozess können die Kommunikationsformen Einzelgespräche, Kick-off-Meeting und Projektstart-Workshop(s) kombiniert werden. Zur Sicherung der entsprechenden Projektmanagement-Qualität ist in jedem Fall ein Projektstart- Workshop durchzuführen (siehe Abb. 5). Das Ziel eines Einzelgesprächs des/ der Projektmanagers/ in mit einem Projektteammitglied ist es, Informationen über das Projekt und wechselseitige Erwartungen bezüglich der Zusammenarbeit auszutauschen. Diese grunds ätzliche Orientierung stellt eine gute Basis für die Teilnahmen bei den weiteren Kommunikationsformen dar. Das Ziel eines Kick-off-Meetings ist die Information des Projektteams über das Projekt durch den Projektauftraggeber und den/ die Projektmanager/ in. Es handelt sich dabei um eine „Einwegkommunikation“ im Umfang von 2 bis 3 Stunden mit wenig Möglichkeit zur Interaktion. Das Ziel eines Projektstart-Workshops ist es, gemeinsam im Projektteam das „Big Project Picture“ zu entwickeln. Durch die Interaktionen der Teammitglieder im Workshop wird ein wesentlicher Beitrag zur Projektkulturentwicklung geleistet. Ein Projektstart-Workshop dauert 1 bis 3 Tage und findet in moderierter Form meist außerhalb des täglichen Arbeitsplatzes, eventuell in einem Seminarhotel, statt. Ein typisches Design eines Projektstart-Workshops ist in Abb. 6 dargestellt. In Großprojekten können Kombinationen mehrerer Kick-offs und Projektstart-Workshops mit unterschiedlichen Zielgruppen an unterschiedlichen Standorten notwendig sein. Für repetitive Projekte können Standardprojektpläne eingesetzt werden. Zuständigkeit Vorgänge Projektauftraggeber Projektmanager/ in Projektteam Projektteammitglieder Projektcoach Externe Dokumente Planung Projektstart • Check: interner Projektauftrag u. Ergebnisse d. Vorprojektphase D • Auswahl der Startkommunikationsform D • Auswahl der Projektteammitglieder (und eines Projektcoach) D • Auswahl d. einzusetzenden PM-Methoden u. d. PM-Dokum.form D • Abstimmung mit Projektauftraggeber M D 1) Vorbereitung Startkommunikation • Beschaffung Projektcoach (eventuell) D (M) • Vorbereitung Startkommunikation I, II,... D (M) • Einladung Teilnehmer D 2) • Dokumentation der Ergebnisse der Vorprojektphase D M (M) M • Erstansätze für Projektplanung, -organisation, -marketing D M (M) M • Erstellung Info-Material für Startkommunikation D M (M) M 3) Durchführung Startkommunikation • Verteilung Info-Material an Teilnehmer D • Durchführung Startkommunikation I M D (M) M • Erstansatz PM-Doku „Projektstart" D (M) • Durchführung Startkommunikation II, ... M D (M) M Nachbereitung Startkommunikation • Fertigstellung PM-Doku „Projektstart" D (M) • Abstimmung mit Projektauftraggeber M D 4) • Projektmarketing: Erstinfo M D (M) M • Verteilung PM-Doku „Projektstart" D • Ablage PM-Doku „Projektstart" M D M Erste inhaltliche Arbeiten (parallel) D D Legende: D … Durchführung M … Mitarbeit I … Information Dokumente: 1) Liste einzusetzender Projektmanagement-Methoden 2) Einladung an Teilnmehmer zu Projektstart-Workshop 3) Info-Material für Projektstart-Workshop 4) Projektmanagement-Doku „Projektstart“ Abb. 4: Funktionendiagramm Proj Ressourcenbedarf ektmanagement- Qualität hoch hoch mittel mittel niedrig niedrig Projektworkshop Einzelgespräche Projektsitzung Abb. 5: Kommunikationsformen im Projektstart-Prozess P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 28 Wenn ein Projektorientiertes Unternehmen wiederholt eine Projektart durchführt (z. B. Auftragsprojekte eines IT-Unternehmens), können für diese Projektart Standardprojektpläne entwickelt werden. Diese Standardisierung stellt ein Instrument des organisatorischen Lernens bzw. des Wissensmanagements dar. Projektpläne, die standardisiert werden können, sind z. B. Projektstrukturpläne, Arbeitspaketspezifikationen, Objektstrukturpläne, Meilensteinlisten, Projektorganigramme und Projektfunktionendiagramme. Die Effizienz des Projektstart-Prozesses kann durch den adäquaten Einsatz von Standardprojektplänen wesentlich gesteigert werden. Die Standards sind denjeweiligen Projektbedingungen entsprechend zu adaptieren. Professionelles Projektmanagement setzt den Einsatz von IT- und Telekommunikations-Instrumenten voraus. Speziell in virtuellen Projektorganisationen mit Projektteammitgliedern, die in unterschiedlichen Standorten arbeiten, stellt die Planung der im Projekt einzusetzenden Software und Hardware eine Herausforderung im Projektstart-Prozess dar. Der Einsatz einer einheitlichen Projektmanagement- und Office-Software ist zu sichern, die entsprechende Hardware ist zur Verfügung zu stellen. Weiterhin ist über den Einsatz neuer Kommunikationstools, wie z. B. Videokonferenzen, zu entscheiden. Projektcoaching verbessert die Qualität des Projektmanagements. Projekte stellen neue Beratungsobjekte dar. Projektcoaching kann als die Projektmanagement-Beratung eines Projekts definiert werden. Aufgrund der sozialen Komplexität des Projektstart-Prozesses empfiehlt sich der Einsatz eines Projektcoaches bei Großprojekten. Die Entscheidung bezüglich des Einsatzes eines Projektcoaches sollte gemeinsam im Projektteam getroffen werden. Der „Projektcoach“ ist eine projektexterne Rolle, die entweder von einem Mitarbeiter des Projektorientierten Unternehmens oder einem externen Berater wahrgenommen werden kann. Der Einsatz von Checklisten steigert die Effizienz im Projektstart-Prozess. Für den Projektstart-Prozess können Checklisten, wie z. B. ● eine Checkliste zur Vorbereitung eines Projektstart-Workshops, ● eine Checkliste mit einzusetzenden Projektmanagement-Methoden, ● ein Standardinhaltsverzeichnis für die Projektmanagement-Dokumentation, Projektstart-Workshop: Design ● Einleitung ● Erwartung des Projektauftraggebers, des Projektteams, der Partner, der Lieferanten, der Berater etc. bezüglich des Projekts ● Information über den Projektauftrag und Ergebnisse der Vorprojektphase ● Klärung der Projektziele und der Betrachtungsobjekte ● Fertigstellung der Projektpläne und der Projektorganisation ● Präsentation der erzielten Ergebnisse vor dem Projektauftraggeber ● Planung der nächsten Schritte Abb. 6: Design eines Projektstart- Workshops Projektmanagement 1 Projektkoordination 1.1 TO-DO-Liste 2 Projektstart 2.1 Projektorganisation und -kultur 2.1.1 Projektauftrag 2.1.2 Projektkommunikationsstrukturen 2.1.3 Projektfunktionendiagramm 2.2 Projektkontext 2.2.1 Vorprojekt- und Nachprojektphase 2.2.2 Projektumweltengraphik 2.2.3 Projektumweltbeziehungen 2.2.4 Projektmarketing 2.3 Projektplanung 2.3.1 Projektziele 2.3.2 Projektstrukturplan 2.3.3 Projektmeilensteine 2.3.4 Projektbalkenplan 2.3.5 Projektkostenplan 2.3.6 Projektpersonaleinsatzplan 2.4 Projektrisikoanalyse 2.4.1 Projektrisikoanalyse 2.4.2 Projektszenarien 2.4.3 Alternative Projektpläne 3 Projektcontrolling 3.1 Projektfortschrittsberichte 3.2 Protokolle der Projektcontrollingsitzungen 4 Projektabschluss 4.1 Projektabschlussbericht Abb. 7: Standardinhaltsverzeichnis für die Projektmanagement-Dokumentation