eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 11/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2000
113 Gesellschaft für Projektmanagement

Projektmanagement in der Schweiz: Praxis und Ausbildung

91
2000
Ruedi Niederer
Stephanie Greiwe
Christoph Minnig
Thomas Schwarb
Eine repräsentative Studie des Institutes für interdisziplinäre Wirtschafts- und Sozialforschung (IWS) der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz hat die Forderungen und Anforderungen von deutschschweizerischen Betrieben an die Fachhochschulausbildung im Bereich Projektmanagement untersucht. Zudem wurde die Situation des Projektmanagements innerhalb der Betriebe analysiert. Die Untersuchung wurde von schweizerischen Fachhochschulen und von SwissPM (einer Institution der SPM Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement) in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in diesem Artikel präsentiert und interpretiert.
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29 verwendet werden. Ein Beispiel eines Standardinhaltsverzeichnisses für die Projektmanagement-Dokumentation ist in Abb. 7 dargestellt. 6 UNTERSCHIEDLICHE PROJEKTSTARTS FÜR UNTERSCHIED- LICHE PROJEKTARTEN Unterschiedliche Projektarten führen zu unterschiedlichen Anforderungen und Potenzialen für den Projektstart: ● Ein Konzeptions- und ein Realisierungsprojekt stellen eine Projekte-Kette dar. Im Konzeptionsprojekt werden bereits grobe Projektpläne für das eventuell folgende Realisierungsprojekt erstellt.Diese stellen eine wesentliche Grundlage für den Projektstart des Realisierungsprojekts dar. ● Für repetitive Projekte können Projektpläne standardisiert werden. Bei einmaligen Projekten sind hingegen neuartige Problemlösungen notwendig. Daher sind im Projektstart-Prozess spezifische Arbeitsformen und Kreativitätstechniken einzusetzen. ● In Projekten zur Abwicklung eines Auftrags für einen externen Kunden sind Vertreter des Kunden aktiv in den Projektstart-Prozess einzubeziehen. Diese können sowohl Mitglieder der Projektauftraggeber-Gruppe als auch Mitglieder des Projektteams werden. 7 DIE QUALITÄT DES PROJEKTSTARTS KANN GEMESSEN WERDEN Durch eine Evaluierung der Ergebnisse und der Dauer bzw. der Kosten des Projektstart-Prozesses kann die Qualität des Projektstart-Prozesses gemessen werden. Wie bereits erwähnt, stellen die aus der Anwendung der Projektmanagement-Methoden resultierenden Dokumente die Ergebnisse des Projektstart-Prozesses dar. Im Rahmen eines Benchmarkings der Projektstart-Praxis von 9 österreichischen Unternehmen im Jahr 1998 wurden deren Praktiken mit der „Best Theory“ der PROJEKTMA- NAGEMENT GROUP der Wirtschaftsuniversität Wien verglichen. Ein Beispiel der Auswertung des Benchmarkings ist in der Abb. 8 dargestellt. Die Frage lautete: „Welche Planungsdokumente für die Projektziele, den Projektumfang, die Projektplanung, die Projektressourcen und die Projektkosten sind Ergebnisse des Projektstart-Prozesses? “ ■ Literatur A shby, W. R.: An Introduction to Cybernetics. Chapman & Hall, London 1956 Egger, M.: Coaching von Projekten und Programmen. Dissertation. Wirtschaftsuniversität Wien, Wien 1998 Gareis, R.: Research Report: Benchmarking the PM-Process. Universit y of Economics and Business Administration, Wien 1998 Luhmann, N.: Social Systems. Stanford Universit y Press, Stanford 1995 Autor Univ.-Prof. Dkfm. Dr. Roland Gareis, Studium an der Hochschule für Welthandel in Wien. Habilitation an der Technischen Universität Wien am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft. 1979-1981 Professor am Georgia Institute of Technology in Atlanta, Georgia. Gastprofessor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (1982), an der Georgia State University of Technology in Georgia (1987) und an der University of Quebec in Montreal, Kanada (1991). Universitätsprofessor für Projektmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien. Leiter des Universitätslehrgangs Internationales Projektmanagement. Facult y Advisor of the European Programme for Project Executives. Vorstandsvorsitzender von PROJEK T M ANAGE - MENT AUSTRIA. Chairman of the PM Research Committee of the IPM A International Project Management A ssociation. Project Manager of the IPM A Research Project: POS-Benchmarking. Facilitator of the International PM Research Network. Gesch ä ftsführender Gesellschafter der RO - L AND GAREIS CONSULTING. Anschrift Wirtschaftsuniversität Wien Franz-Klein- Gasse 1 A-1190 Wien Tel.: ++43/ 1/ 42 77-29 401 Fax: ++43/ 1/ 368 75 10 E -Mail: pmg@wu-wien.ac.at P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E Partner 1 Partner 2 Partner 3 Partner 4 Partner 5 Partner 6 Partner 7 Partner 8 Partner 9 Best Theory Liste der Betrachtungsobjekte Projektstrukturplan Arbeitspaketspezifikationen Meilensteinliste Projektterminplan Balkenplan Projektfunktionendiagramm Personalressourcenplan Projektfinanzplan Projektkostenplan Projekt-Kosten-Nutzen-Analyse immer manchmal selten oder nie Abb. 8: Auswertung eines Benchmarkings des Projektstart- Prozesses (Beispiel) P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 30 Projektmanagement in der Schweiz : Praxis und Ausbildung Repräsentative Untersuchung zum Stellenwert des Projektmanagements R U E D I N I E D E R E R , S T E P H A N I E G R E I W E , C H R I S T O P H M I N N I G , T H O M A S S C H W A R B Zusammenfassung Eine reprä sentative Studie des Institutes für interdisziplin ä re Wirtschafts- und Sozialforschung (IWS) der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz hat die Forderungen und Anforderungen von deutschschweizerischen Betrieben an die Fachhochschulausbildung im Bereich Projektmanagement untersucht. Zudem wurde die Situation des Projektmanagements innerhalb der Betriebe analysiert. Die Untersuchung wurde von schweizerischen Fachhochschulen und von SwissPM (einer Institution der SPM Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement) in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in diesem Artikel prä sentiert und interpretiert. Abstract A representative survey of the Institute of Interdisciplinary Economic and Social Studies (IWS) at the Universit y of Applied Sciences Northwestern Switzerland (UAS) analysed the requirements of Swiss- German companies regarding education and study programmes in the field of project management at the UAS. The situation of project management within the respective companies was a second focus of the study. Swiss Universities of Applied Sciences and SwissPM (an institution of the Swiss Societ y of Project Management) charged the IWS with this survey. This article outlines and interprets the results of the study. Schlagwörter Fachhochschulunterricht, Projektmanagement-Problemfelder, Projektmanagement- Ausbildung, Projektorientiertheit, Zufriedenheit I n der Schweiz wurden 1998 neben den universitären Hochschulen auch sieben Fachhochschulen eingerichtet. Die Fachhochschulen haben Leistungen in den vier Produktegruppen Ausbildung, Weiterbildung, Beratung und Forschung/ Entwicklung zu erbringen. Die Curricula der Fachhochschulen sind zur Zeit im Aufbau. Sie sind deshalb einem dynamischen Entwicklungsprozess unterworfen. Es stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des Projektmanagements (im Folgenden PM abgekürzt) in der Aus- und Weiterbildung der Fachhochschulen. Diese Frage sollte nicht am grünen Tisch entschieden werden, sondern unter Einbezug der betroffenen Firmen und der Fachverbände geklärt werden. Aus diesem Anlass beauftragte eine Kerngruppe für das Projektmanagement der Fachhochschulen in Zusammenarbeit mit SwissPM - einer Institution der Schweizerischen Gesellschaft für Projektmanagement SPM - das Institut für interdisziplinäre Wirtschafts- und Sozialforschung IWS der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz mit der Durchführung einer Studie. 1 HÖHERER STELLENWERT DES PROJEKTMANAGEMENTS IN DER FH-AUSBILDUNG Die Studie beinhaltet eine schriftliche Befragung von zufällig ausgewählten deutschschweizerischen Betrieben mit mindestens sechs Mitarbeitenden. Von den insgesamt 2.560 angeschriebenen Betrieben antworteten 842 Betriebe, was einer Nettorücklaufquote von 35 % entspricht. Die Forschungsfragen zielen auf die Ausbildung von Projektmanagement an den Fachhochschulen und auf die Situation des PM in der Praxis. Was den Stellenwert der Projektmanagement-Ausbildung an den Fachhochschulen (FH) betrifft, sind die Ergebnisse eindeutig. 77 % stimmen der These zu, dass Projektmanagement in der FH-Ausbildung als obligatorisches Fach unterrichtet werden muss, und über die Hälfte (56 %) wünschen einen eigenen Studiengang 31 Projektmanagement in der FH-Ausbildung. Die PM-Ausbildung darf nach Angaben der Betriebe allerdings nicht isoliert unterrichtet werden, sondern muss mit einem starken Praxisbezug wie beispielsweise Praktika vermittelt werden. So stimmen 90 % der These zu, dass die PM-Ausbildung mit dem Einsatz in der Wirtschaft kombiniert werden muss. 87 % der antwortenden Betriebe sind davon überzeugt, dass Kompetenz im PM die Arbeitsmarktchancen der Absolventinnen und Absolventen wesentlich erhöht. 2 WESENTLICHE UNTERRICHTSINHALTE Neben der Untersuchung des Stellenwertes von PM stellt sich auch die Frage nach den Inhalten einer PM-Ausbildung. Dazu sollten die Betriebe 22 verschiedene Themenbereiche des Projektmanagements nach ihrer Priorität für die Ausbildung einschätzen. Grunds ätzlich wurden alle Themenbereiche als wichtig bewertet, was nochmals den Stellenwert unterstreicht, den die Betriebe dem PM in der Ausbildung beimessen. Dennoch gibt es gewichtige Unterschiede. Als besonders wichtig bzw. prioritär für die Ausbildung werden Themenbereiche wie Anforderungen und Ziele setzen, Risiken abschätzen, Führungs- und Motivationsaufgaben, Ablauf- und Terminplanung und die Fragen nach der Wirtschaftlichkeit eingeschätzt. Weniger wichtig (aber immer noch wichtig) sind dagegen Themen wie Kundenschulung oder rechtliche Aspekte. Mittels einer Faktorenanalyse ließen sich die 22 Themenbereiche zu sechs Themenfeldern, die ein Modell für die PM-Ausbildung darstellen, verdichten (siehe Abb. 1). Die Themenfelder im Innern des Modells sind angelehnt an Neumann/ Bredemeier [1] und bilden die Kernkompetenzen; die Felder außen stellen die erweiterten Fähigkeiten des Projektmanagements dar. 3 PROJEKTMANAGEMENT IN DEN BETRIEBEN Das zweite Feld von Forschungsfragen zielt auf die Praxis des Projektmanagements ab. 42 % der befragten Betriebe geben an, dass sie keine Projekte durchführen. Es sind dies beispielsweise Restaurants, Malerbetriebe oder Notariate. Die restlichen 58 % der antwortenden Betriebe geben an, Projekte durchzuführen. Allerdings wenden dabei nur knapp die Hälfte spezifische Projektmanagementmethoden an. Ob in einem Betrieb Projekte durchgeführt werden oder nicht, hängt erwartungsgemäß wesentlich von der Anzahl der Mitarbeitenden im Betrieb ab. Bei den Betrieben mit 6-10 Mitarbeitenden beträgt der Anteil der Betriebe mit Projekten weniger als die Hälfte, bei Betrieben mit mehr als 100 Mitarbeitenden praktisch 100 %. Die Arbeit in Projekten ist stark funktionsbezogen. Besonders die Aufgaben in den Bereichen Informatik/ Organisation und Logistik/ Beschaffung werden projektartig bearbeitet. Rund die Hälfte der Betriebe mit Projekten gibt an, in diesen Bereichen Projekte einzusetzen. Dagegen hat nur etwa ein Viertel der Betriebe nach eigenen Angaben Projekte in den Bereichen Beratung/ Weiterbildung, Forschung und Entwicklung und Rechnungswesen/ Controlling. 4 UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN BRANCHEN Betrachtet man die Branchen, so werden große Unterschiede sichtbar. Die Branchen Bau/ Architektur und öffentliche Verwaltung haben anteils- Abb. 1: Modell der Projektmanagement- Ausbildung P M - A U S - / W E I T E R B I L D U N G P R O J E K T M A N A G E M E N T 3 / 2 0 0 0 32 mäßig nur wenige Projekte im Bereich Marketing. Dagegen führen in der Branche Banken/ Versicherungen mehr als vier Fünftel der Betriebe Marketingprojekte durch. Bei den Banken und Versicherungen mit Projekten hat die Hälfte der Betriebe Projekte im Funktionsbereich Beratung und Weiterbildung, während die Branchen Telekommunikation/ Informatik und Industrie/ Produktion hier nur einen geringen Anteil an Projekten aufweisen. Für die Analyse der Häufigkeit der Projekte je Funktionsbereich ist das Modell der Wertschöpfungskette nach Porter [2] aufschlussreich. Abb. 2 zeigt (aufgeschlüsselt nach Branchen) die Funktionsbereiche, in denen die meisten Projekte angesiedelt sind. Die Projekte sind in der Regel in den betrieblichen Bereichen angesiedelt, die bei diesen Branchen besonders erfolgsrelevant sind. 5 DIE ZUFRIEDENHEIT MIT DEM EIGENEN PROJEKTMANAGEMENT Eine weitere Forschungsfrage im Untersuchungsfeld der Projektmanagement-Praxis zielt auf die Projektzufriedenheitim Zusammenhang mit den auftretenden Problemen während des Projektverlaufs. Grunds ätzlich sind die antwortenden Betriebe, die Projekte durchführen, mit ihrer Projektarbeit zufrieden. Etwa drei Fünftel antworten, dass sie zufrieden bzw. eher zufrieden sind, während nur etwa ein Zehntel der Betriebe sagen, dass sie mit dem Projektmanagement in ihrem Betrieb unzufrieden sind. Die Zufriedenheit mit dem eigenen Projektmanagement hängt aber stark von den auftretenden Problemen während des Projektverlaufs ab. Aus den Antworten wird deutlich, dass die Zufriedenheit wesentlich durch die Stärke der methodischen und organisatorischen Probleme bestimmt wird. Das heißt: Je größer die methodischen und organisatorischen Probleme bei Projekten sind, desto geringer ist die Zufriedenheit mit dem Projektmanagement. Probleme bei der Zusammenarbeit haben ebenfalls einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Projektmanagement. Dieser ist aber wesentlich geringer als bei methodischen und organisatorischen Problemen. Fachliche Probleme schließlich beeinflussen die Zufriedenheit mit dem Projektmanagement nur wenig. Das kann so interpretiert werden, dass die Betriebe im fachlichen Bereich auch keine bzw. nur wenig Probleme haben. Diese Ergebnisse stützen die These, dass Organisation und Methodik wesentliche Faktoren für den Erfolg eines Projektes sind und in der Ausbildung besondere Beachtung finden müssen. Die Studie „Projektmanagement - Praxis und Ausbildung“ kann kostenlos bezogen werden bei der SwissPM Geschäftsstelle, Frau Conny Sennhauser, Junkholzweg 1, CH-4303 Kaiseraugst, E-Mail: swisspm@swisspm.ch oder von der SwissPM-Homepage www.swisspm.ch heruntergeladen werden. ■ Abb. 2: Funktionsbereich mit den meisten Projekten im Modell der Wertschöpfungskette nach Porter ([2], S. 62) Abb. 3: Die Zufriedenheit mit dem Projektmanagement, gemessen an den Problemen während des Projektverlaufs