PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2001
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wissensmanagement in der Software-Entwicklung
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2001
Jürgen Schmied
Gedacht als Hilfsmittel zur Sicherstellung von Qualität in Software-Entwicklungsprozessen, leiden herkömmliche Handbücher häufig unter mangelnder Akzeptanz. Die Gründe liegen in der Regel im nicht adäquaten Umgang mit der Ressource „Wissen“ und in der mangelnden Flexibilität dieses
Hilfsmittels, so zum Beispiel hinsichtlich unterschiedlicher Projekte und unterschiedlicher Qualitätsniveaus: Denn in einer Zeit, in der Produktzyklen immer kürzer werden, die dazu korrespondierenden Entwicklungsprozesse immer schneller ablaufen und das Know-how der Mitarbeiter von essentieller Bedeutung für das gesamte Unternehmen ist, müssen neue und flexiblere Konzepte
für das Management des Wirtschaftsgutes „Wissen“ eingesetzt werden. Ein Ansatz, der mit Hilfe von einzelnen „Beschreibungsbausteinen“ die „Schlüsselprozesse“ des Software-Engineering beschreibt,
die zudem unterschiedlich kombiniert werden können, kann hier Abhilfe schaffen.
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P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 1 12 Zusammenfassung Gedacht als Hilfsmittel zur Sicherstellung von Qualität in Software-Entwicklungsprozessen, leiden herkömmliche Handbücher h ä ufig unter mangelnder Akzeptanz. Die Gründe liegen in der Regel im nicht ad ä quaten Umgang mit der Ressource „Wissen“ und in der mangelnden Flexibilität dieses Hilfsmittels, so zum Beispiel hinsichtlich unterschiedlicher Projekte und unterschiedlicher Qualitätsniveaus: Denn in einer Zeit, in der Produktzyklen immer kürzer werden, die dazu korrespondierenden Entwicklungsprozesse immer schneller ablaufen und das Know-how der Mitarbeiter von essentieller Bedeutung für das gesamte Unternehmen ist, müssen neue und flexiblere Konzepte für das Management des Wirtschaftsgutes „Wissen“ eingesetzt werden. Ein Ansatz, der mit Hilfe von einzelnen „Beschreibungsbausteinen“ die „Schlüsselprozesse“ des Software-Engineering beschreibt, die zudem unterschiedlich kombiniert werden können, kann hier Abhilfe schaffen. Abstract Although handbooks are considered an aid to qualit y assurance in software development, they often suffer from poor acceptance. Frequently this is a result of poor management of the „knowledge“ resource and the fact that this aid cannot easily be adapted to a variet y of projects and qualit y levels. Nowadays product development cycles are becoming shorter and shorter and the related development processes become faster and faster. Today the knowledge and experience of our employees are essential for the company as a whole and so new and flexible concepts must be introduced to manage the economic propert y known as „knowledge“. One solution to this problem is to describe the key processes of software engineering with building blocks capable of being flexibly combined. Schlagwörter Hypertext, Methodenbaukasten, Projektmanagement, Prozessdefinition, Qualitätssicherung, Wissensmanagement 1 EINLEITUNG SchnelllebigeProdukteunddiedarausresultierendenimmerkürzerwerdenden Entwicklungsprozesse zwingenUnternehmenzueinermöglichst effizientenProjektdurchführung.Es gilt nicht mehr zwangsläufig der Grundsatz„DerGrößereistdemKleinerenüberlegen“,stattdessenwächst daskleinereUnternehmen-dameist flexiblerundschneller-stärkeralsder Großkonzern. Entscheidender WettbewerbsvorteilistdabeidieFähigkeit zur Kommunikation im UnternehmenunddamitdieFähigkeitErfahrungen und Wissen auszutauschen. Während Unternehmen in der Vergangenheit nach ihren materiellen SachgüternwieProduktionsanlagen und Immobilien bewertet wurden, istheutedasKnow-howeinerFirma einwesentlicherFaktorbeiderUnternehmensbewertung (wir betrachten WissensmanagementimKontextder Informationstechnologie: Hiergelten dieseAussagenumsomehr,dennes gibt genügend Beispiele von Unternehmen am „Neuen Markt“, deren Wissensmanagement inderSoftware-Entwicklung Eine Voraussetzung für effiziente Qualitätssicherung und Projektmanagement J Ü R G E N S C H M I E D 13 Aktienkurse weniger durch materielleGüteralsüberdasFirmen-Knowhow, deren Ideen und Visionen zustandekommen). Je größer ein Unternehmen ist, umsowichtigerwirddabeidasWissensmanagement,dennwährendin kleinerenUnternehmenmeisteinengerKontaktzwischenallenKollegen besteht und damit ein reger Erfahrungsaustauschgefördertwird,findet imGroßkonzernkaumbereichsübergreifender Wissensaustausch statt. Im Gegenteil, ändert der MitarbeiterseinenTätigkeitsschwerpunkt im Unternehmen - beispielsweise durch Umstrukturierungsmaßnahmen oder Versetzung -, gerät das einmalerworbeneund(leidermeist) nicht dokumentierte Wissen in Vergessenheitundwirdsomitwiederabgebaut. Wissensmanagementistnichtnur auf Unternehmensebene wichtig, sondern ist von essentieller BedeutungfürderenMitarbeiter: Gerade IT-Wissen veraltet sehr rasch,eswirdvon„Halbwertszeiten“ von drei bis vier Jahren gesprochen. Schnelllebige Produkte sorgen für kurze Projektlaufzeiten und damit für einen hohen Projektdruck. Letzteres sorgt dafür, dass kaum ZeitfürregelmäßigeSchulungenverbleibt, stattdessen ist „Just-in-time“- Lernen üblich, d.h., Mitarbeiter- QualifikationwirdkurzfristiginAbhängigkeit vom aktuellen Projekt durchgeführt. Eine systematische langfristig angelegte Weiterbildung desMitarbeitersbleibtoftihmselbst überlassen. So düster wie dieses Szenario aus Sicht des Mitarbeiters auch klingen mag, es lohnt sich ein genauerer Blick,denndiesepauschalisierteAussagekanndifferenziertwerden: (IT-)- Wissen lä sst sich nämlich klassifizieren, und für diese Wissensklassengeltendurchausunterschiedliche „Verfallszeiten“: „Methodenwissen“ veraltet am langsamsten. Unter MethodenwissenwerdenSoftware-Engineering-Methoden verstanden, wie zumBeispielTechniken zurAnforderungsanalyse(UseCaseAnalysis, Joint Application Design, Corporate Requirements Captureetc.),Designtechniken(Unified Modeling Language, Strukturierte Analyse und Design, SDL,SADTetc.),Testverfahren und vieles mehr. Halbwertszeiten im Bereich von Jahrzehnten sind durchaus keine Seltenheit, man denke nur an „Zustandsautomaten“, die von Mealy und Moore in den 50er Jahren definiertwurdenundauchheuteregelmäßig verwendet werden (allerdings meist in der Weiterentwicklung nach Harel [5]), oder VorteiledesMethodenbaukastens-eineBeispielimplementierung desWissensmanagementsfürdasSoftware-Engineering Nachschlagewerk: JederamSoftware-EntwicklungsprozessBeteiligte kannimBaukastenBegriffe,Verfahren,NotationenoderRichtlinien nachschlagen.SowohlneueMitarbeiteralsaucherfahreneEntwickler habeneinenschnellenundeinfachenZugriffaufdiebenötigteInformation. Vorlagenarchiv: EswerdenDokumentvorlagenzurVerfügunggestellt, diedieArbeitseffizienzdesEntwicklersdurcheinvordefiniertesLayout,dieGliederungundHilfestellungeninderVorlageerhöhen. Harmonisierung des Software-Entwicklungsprozesses: Eine gute KommunikationimEntwicklerteamisteinewichtigeVoraussetzung für effiziente Software-Entwicklung. Damit eine gute Kommunikation zustandekommenkann, sollten alleüber eingemeinsamesVerständnisverfügen.ImBaukastenwerdendeshalbBegriffesowieNotationenoderRichtlinienzumEinsatzvonMethodendefiniert. Prozess-Beschreibung und -Tailoring: Die Flexibilität des BaukastensbietetdieMöglichkeit,denSoftware-EntwicklungsprozessindividuellanverschiedeneBedürfnisseanzupassen.Erdefiniert,werwelche Arbeiten wann zu erledigen hat, beschreibt den Informations- undArbeitsfluss,legtVerantwortlichkeitenfestunddecktAbhängigkeiteninnerhalbdesEntwicklerteamsauf. LebenslangesLernen: DasWissenaufdemIT-Sektorveraltetschnell undregelmäßigeSchulungenkönnenausZeitmangeloftnichtdurchgeführtwerden.DasimBaukastendokumentierteWissenkannmit denErfahrungenderEntwicklerwachsen.EinzelneMitarbeiterübernehmendazudiePflegeeinesWissensgebietes,sodassneueErfahrungenallenanderenEntwicklernauchzurVerfügungstehen. P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 1 14 etwa im Bereich der ApplikationsentwicklungmitDatenbanken an die Entity-Relationship- Diagramme,dieChen[4]inden 70erJahreneinführte. „Produktwissen“ - sei dies nun Wissen über Tools zur Entwicklung von Produkten oder auch Wissen über Produkte für den Endverbraucher-veraltetwesentlich schneller. Heute am Markt, sind Produkte meist morgen schonwiederverschwundenoder durchneueVersionenersetzt. „Kundenwissen“-d.h.genaueres Wissenüberaktuelleoderpotenzielle Kunden, insbesondere derenBedürfnisseundBeziehungen untereinander - veraltet in der Regel noch etwas schneller. Produkte werden für Kunden und derenAnforderungengeschaffen, d.h.veränderteProduktewerden zwangsläufigmiteinemgewissen zeitlichen Versatz zu den veränderten Kundenbedürfnissen auf denMarktgebracht. Die vierte Kategorie „Marktwissen“definiertsichausdemWissen über Marktgegebenheiten, wie zum Beispiel Wissen über Konkurrenten, deren Produkte und Marktanteile.Damanjedochin derRegelnurwenigWissenüber seine Konkurrenten hat (deren Produkte, aber viel wichtiger deren Produktideen oder langfristige Roadmaps etc.) und da zudem Hersteller sehr schnell auf veränderteKundenbedürfnissereagierenmüssen,istdasMarktwissendasunsichersteundgleichzeitigdasamschnellstenveraltende Wissen,sofernesdennüberhaupt imDetailvorhandenist. Sicherlichlassensichnochweitere Wissensklassen definieren, aber bereits diese beispielhafte Klassifizierungzeigtdeutlich,dasssichausMitarbeitersichtdieRubrik„Methodenwissen“ am meisten lohnt, um langfristigangelegteWeiterbildungzubetreiben, und dass die Aussage über dieHalbwertszeitvonIT-Wissennur einen Durchschnittswert über mehrereWissensklassendarstellenkann. Sowohl aus Unternehmenssicht wieauchausMitarbeitersichtistWissensmanagement also eine lohnenswerteAngelegenheit. 2 WISSENSMANAGEMENT UND WICH- TIGE RANDBEDINGUNGEN Um Wissensmanagement in einemUnternehmenerfolgreicheinzuführen,bedarfesvorallenDingeneineroffenenundfairenKommunikation.BegangeneFehlerdürfennicht alsKritikpunkteverstandenwerden, sondernalsChance,diesezusammen mit den Lösungsans ätzen weiterzugeben, so dass Kollegen aus den begangenen Fehlern lernen und diese nichtselbstbegehen.DerTeamgeist unddaskooperativeVerhaltenunter denMitarbeiternmüssendeshalbbesonders gefördert werden. Wissensmanagement muss als wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur verstanden werden, von dem alle einenNutzenhaben.DasBeispielder Software-Entwicklungnimmtsicherlich eine Sonderstellung ein, da in diesem schnelllebigen Bereich die Akzeptanz eines solchen Vorgehens vonHaus aus größer als in anderen Bereichen ist: Die beteiligten Personensinddaraufangewiesenständig hinzuzulernen. Auch die Nutzung des Intranets - die ideale Kommunikationsplattform zur Umsetzung desWissensmanagements-isteine Selbstverständlichkeit. Unternehmensweites Wissensmanagement ist eine Ressourcenfrage, weshalb die Beteiligung des Managements eine unabdingbare Voraussetzung ist. Der Aufbau und die„Verinnerlichung“einesWissensmanagements benötigen genauso wie „Softwareprozessverbesserungsprogramme“ (in [7] wird zum Beispielregelmäßigaufdas„höhereManagement“verwiesen)zweierlei: die Einbeziehung, Motivation und Akzeptanz der beteiligten Mitarbeitersowie die Einsicht der Notwendigkeit und infolgedessen die Genehmigung des Budgets bzw. zus ätzlichen Personals durch das Management. Wesentliche Kernanforderungen an ein Wissensmanagementsystem imIT-Bereichsind dieHandlungsorientierung,d.h., es dürfen keine abstrakten Beschreibungen (wie sie zum Beispiel oft in QM-Handbüchern zu finden sind) verwaltet, sondern praxisbezogene und konkrete Hilfsmittel zur Verfügung gestelltwerden.DieskönntenBeispiele zur Umsetzung von Software-Engineering-Methodensein (soetwabranchenorientierteBeispielezurUmsetzungvonDesigntechniken, Testverfahren etc.) oderMustervorlagenundChecklistenzurProjektdokumentation. EinweitererwesentlicherAspekt istdieVerständlichkeit,d.h.,die Texte müssen die Mitarbeiter - indiesemFalledenSoftware-Entwickler-direkt ansprechen: „In 15 der Kürze liegt die Würze“ gilt auch hier, denn kein Software- Entwickler will langatmige Beschreibungen lesen. Ideal sind kurze und prägnante BeschreibungenähnlichdenKurzreferenzhandkartenvonTools: Aufwenigen Seiten sollte das Wichtigste zusammengefasst sein. Denn es giltandieserStellenichteinLehrbuch zu ersetzen, sondern einen schnellenEinstiegundIdeenfür die zielgerichtete Umsetzung zu liefern. Wer mehr wissen will, sollte auch weiterhin zum Lehrbuchgreifen. EinunternehmensweitesWissensmanagementsystem muss den direkten zwischenmenschlichen Informationsaustausch fördern. D.h.,diedahinterstehendeTechnik (z.B. eine Implementierung auf Basis des Intranets) dient nurals„MittelzumZweck“.Gewollt ist eine Implementierung, diekommunikationsförderndunter den Mitarbeitern wirkt, so etwa Telefonnummern von Experten zu bestimmten Themen innerhalbdesUnternehmensenthältoderinErgänzungzunichtvirtuellen (! ) Vortragsreihen virtuelleDiskussionsforenanbietet. DerBegriff„Wissensmanagement“ wurde in diesem Artikel schon sehr häufig benutzt, aber was wird eigentlichdarunterverstanden? Abb.1 zeigt in Anlehnung an [6] die einzelnen Aktivitäten, die darunter zusammengefasst werden und auf die in den nachfolgenden Abschnitten im Kontext des Software-Engineering eingegangen wird. Diese Abbildung zeigt zus ätzlich sehr schön die Analogie des Wissensmanagements zum Projektmanagementzyklus„plan,do,studyandact“: Zuerst werdendieWissenszieleidentifiziert undaufgestellt,anschließenderfolgt dieUmsetzung(„do“: untereHälfte in Abb. 1), um schließlich mit der Wissensbewertung („study“) in eineneue„Umdrehung“derSchleife zu münden. Durch das gewonnene FeedbacksindnatürlichdieWissensziele und deren Inhalte zu überdenkenundgegebenenfallszuaktualisieren(„act“wirddamitzumBestandteilderneuenSchleife). 2.1Wissensziele-aberwelche ? Wissensmanagement muss durch klar definierte Ziele geleitet sein, denn sonst besteht sehr schnell die Gefahr, dass die Wissensbasis zu einemfürdasUnternehmenmehroder weniger relevanten „Sammelsurium“ von Wissenselementen verkommt (einextremerAnsatzwäre,Wissensmanagement über eine Sammlung von„Mitarbeiter-Homepages“imIntranet zu realisieren, ohne konkrete Vorgaben bezüglich der Inhalte zu machen.Eswürdeein„Wissensnetz“ ähnlich dem World Wide Web entstehen: Nichtumsonstwirdvonder „Wüste Internet“ gesprochen, in der zwarvieleInformationenvorhanden sind, aber nur sehr schwer die richtigeInformationzufindenist). Welche Wissensziele sollten nun vonderUnternehmensführungdefiniertwerden? Abb.2zeigtdie„Topdown“-KonkretisierungvonWissenszielenüberdieHierarchiestufeneines Konzernshinweg.Üblicherweisegliedert sich ein Konzern aufgrund seinerKonzernzieleundderdamitverbundenen Konzernstrategie in mehrere Geschäftsbereiche. In Anlehnung an das eigene Unternehmen könnten dies etwa ein Geschäftsbereich „Automotive“, „Medizintechnik“und„Industrieautomatisierung“ sein.AufdieserUnternehmensebene istvorallemdasWissenüberMärkte, insbesondere über Konkurrenten, Marktanteile, (mögliche) Kunden und deren prinzipielle Bedürfnisse wichtig. Geschäftsbereiche gliedern sichweiteraufinmehrereGeschäftsfelder,diesichetwaeinembestimmten Produkt oder Produktgruppen widmen oder sich auf andere Art undWeiseaufeinenbestimmtenTeil desMarktesspezialisierthaben.Geschäftsfeldziele definieren sich zuallererstüberProduktefürdieverschiedenen Märkte und deren Umsatz. Daher korrelieren auf dieser Ebene Abb. 1: Kreislauf des Wissensmanagements [6] Wissensziele Wissensbewertung Wissensidentifikation Wissensnutzung Wissenserwerb Wissensentwicklung Wissens(ver)teilung Wissensbewahrung Feedback P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 1 16 WissenszieleinersterLiniemitWissenüberdasAnwendungsumfeldder zuentwickelndenProdukte.AufProjektebene ist wichtig, Projekte im Rahmendesursprünglichaufgestellten Plans, d.h. bezüglich Zeit, Kosten und Anforderungen, umzusetzen. Hier ist Wissen über die konkreten Kundenanforderungen wichtig, aber natürlich auch Wissen zur Realisierung dieser Anforderungen, d.h. die Beherrschung von Software-Engineering-Methoden sowie sozialeKompetenzderTeammitglieder.Hiertreffensichdie„top-down“ abgeleiteten Ziele mit den Zielen derMitarbeiter: Fortentwicklungin fachlicherHinsichtundFortentwicklungdersozialenKompetenz. DieserArtikelbeschränktsichbewusst auf Wissensmanagement zur Unterstützungder Softwareentwicklung, d.h.Wissensmanagement auf Projektebene, und bedient damit gleichzeitig die Wissensziele von Projektteammitgliedern. ZurBeantwortungderFragenach dem „Was sollte mit Hilfe des Wissensmanagements auf Projektebene verwaltet werden? “ liefern Qualitätsmodelle erste Hinweise. So beschreibtbeispielsweisedasCapability MaturityModel(CMM)[7],welche Schlüsselprozesse(sieheAbb.3)ineinemUnternehmenetabliertwerden sollten und welche Aktivitäten dabei auszuführen sind. Auch wenn Qualitätsmodelle wie das genannte CMM - für andere Modelle wie SPICEundISO9000giltdiesinähnlicher Weise - typischerweise nicht das „Wie“ der Umsetzung beschreiben,sowerdendochbestimmteProzesseundArbeitsergebnissegefordert und Hinweise gegeben, welche Rollen anderErreichungderArbeitsergebnissebeteiligtseinsollten. Im Sinne des Wissensmanagements auf Projektebene liegt der SchwerpunktderProzessdarstellung aber nicht auf dem „Was“, sondern darauf,„Wie“derProzessmöglichst gutimUnternehmenumgesetztwird. Hierzu ist es notwendig, die WissensakquiseindenEntwicklungsablauf einzubetten und die Erkenntnisse mit einem möglichst flexiblen Medium zu dokumentieren. Aus dem „normalen Projektalltag“ ergebensichsoschnelldieElemente,die mitHilfedesWissensmanagements verwaltet werden sollten: Am BeispielvonSoftware-Entwicklungsprozessenwärendies MethodenwieetwadasChange Management, Review-Verfahren oder die Projektverfolgung mit Hilfe von Meilensteindefinitionen, aber auchDesigntechniken wie z.B. die „Strukturierte Analyse und Design“ oder die „UnifiedModelingLanguage“, die zu erzielenden Arbeitsergebnisse(d.h.dieDokumente),die innerhalbdes Projektes zu erstellensind, dieDefinitionvonRollen,dieim ProjektablaufdieVerantwortung füreinzelneArbeitsergebnissezu übernehmenhaben,und eine inhaltliche sowie zeitliche GliederungderEntwicklungsprojekte im Sinne eines Phasenmodells. DieswarennurdiewichtigstenElemente, weitere sind denkbar: etwa das Wissen über den Einsatz und Abb. 2: Top-down- Ableitung von Wissenszielen Konzern Geschäftsbereich Geschäftsfeld Projekt Mitarbeiter Konzernstrategie Konzernziele Geschäftsbereichsstrategie Geschäftsbereichsziele Produktstrategien Geschäftsfeldziele Projektsteuerungsgrößen ZieledeseinzelnenMitarbeiters Weiterentwicklung Reifegrad eingeführteVerfahren 5.OptimierenderProzess • Defektverhütung • Prozess-Änderungsmanagement • Technologie-Änderungsmanagement • ... 4.GeführterProzess • Prozess-Erfahrungsbewertung • Prozess-Metriken • Produkt-Metriken • ... 3.DefinierterProzess • Prozess-Definition • Trainingsprogramm • Teamkoordination • ... 2.WiederholbarerProzess • Projektmanagement • Anforderungsmanagement • Konfigurationsmanagement • ... 1.InitialerProzess --- Abb. 3: Skizze des Capability- Maturity- Modells [7] 17 die Nutzung von Tools. Beispiele für Wissenselemente auf den anderenEbenen(sieheAbb.2) sindSpezial-Wissen über konkrete Anwendungsgebiete oder das Wissen über konkreteAbläufeimUnternehmen, die nicht notwendigerweise direkt mit der Software-Entwicklung zusammenhängen müssen (z.B. ProzessderAngebotserstellungoderdas Mahnverfahren). 2.2Wissensidentifikation, Wissenserwerbund-entwicklung AufgabederWissensidentifikation sind die Ortung von Wissensträgern innerhalb des Unternehmens sowiederenWissenüberdiedefiniertenWissensziele (z.B.Abläufe,Dokumente,Verantwortlichkeiten,Software-Engineering-Methoden, Tools etc.). Wissenserwerb und WissensentwicklungsollenaufgedeckteWissenslücken schließen. Beispiele für Wissenserwerb sind gezielte Unternehmensfusionen, Einbindung von Unterauftragnehmern in Projekte, gezieltePersonalakquise,freieMitarbeiterundexterneBerateroderauchdie Einbindung von Schlüsselkunden. D.h.,Wissenserwerbbeschäftigtsich mit dem „Einkaufen“ von Wissen durchexternesPersonal/ Firmen.DagegengehtesbeiderWissensentwicklung um die Fortentwicklung des vorhandenenPersonalsdurchTagungen,Seminare,Workshopsoderdie EtablierungvonfirmeninternenDiskussionsforen,„geistigenTurnhallen“ unddieregelmäßigeSelbstreflexion („lessons learned“ zum Projektabschluss). DasThema„Wissensidentifikation“ bzw.welcheWissenselementezurBeschreibung von Software-EntwicklungsprozessenvonBedeutungsind, wird nachfolgend anhand eines BeispielsimDetailerläutert: 2.2.1 Die Elemente der Prozessbeschreibung Für die Definition des Software- Entwicklungsprozesseswurdeinunserem konkreten Fall nach dem Baukastenprinzip vorgegangen. Ein Baukasten für die Definition von Software-Entwicklungsprozessenbeinhaltet Beschreibungselemente für dieeinzelnenProzessaspekte(Phase, Rolle,MethodeundTeilergebnis)sowieVorschriftenfürderenKombinationsmöglichkeiten.DiePhasenstellen eine Art innere Uhr von Projekten dar. Die Rollen regeln die Fragen„Wermachtwas? “bzw.„Werist für was verantwortlich? “. Teilergebnisse sind in der Software-EntwicklungimmerDokumente; Methoden beschreiben, wie Abschnitte des einenoderanderenDokumentsentstehen. DieeinzelnenProzessaspektekönnenaufverschiedeneArtundWeise miteinanderinBeziehungstehen: So können beispielsweise mehrere MethodenineinerPhaseeingesetztwerden,ebensoistesmöglich,dasssich ein Methodeneinsatz über mehrere Phasenhinwegerstreckt.EineRolle ist für mehrere Dokumente verantwortlich oder ein Dokument wird vonmehreren Rollen gemeinsam erarbeitet. 2.2.2PhasenundProzessmodelle DiePhaseisteinZeitabschnittin einemProjekt.EsgibtmehrereProzessmodellemitPhasendefinitionen: z.B.Wasserfall-, Spiral- und V-Modell [1, 2, 8, 9]. Alle eben genannten Modelle haben die folgenden Gemeinsamkeiten: DieBedingungenfürdenEintritt ineinebestimmtePhasesindgenaudefiniert. Die Phase ist gekennzeichnet durchihreErgebnisse. Die Bedingungen für den AustrittauseinerbestimmtenPhase sindgenaudefiniert. 2.2.3Methoden Jede Software-Entwicklung sollte durcheinmethodischesVorgehengeprägtsein.ImBaukastenstehendie MethodenbeschreibungenfürVorgehensweisen,diefürdieErstellungder Teilergebnisse vorgeschrieben sind. Im Allgemeinen lassen sich solche Methoden einteilen in organisatorische, analytische und konstruktive Verfahren. Beispiele für organisatorische Methoden sind das Konfigurationsmanagement,ChangeManagement oderAnforderungsmanagement.Als analytische Methoden lassen sich diverseReview-Techniken,Test-MethodenundMetrikenangeben.Die konstruktiven Methoden beinhaltenSoftware-Entwicklungsverfahren wiez.B.strukturierteAnalyse,strukturiertes Design, objektorientiertes Design etc. und deren Einzelverfahren wie den Einsatz von Objektmodellen, Zustandsautomaten oder Sequenzdiagrammen. 2.2.4Rollen Verantwortlichkeitenwerdeninnerhalb eines Software-EntwicklungsprojektesmitHilfevonRollenzugeordnet.Rollendefinierensichalsdie Summe von zusammenhängenden Teilaufgaben,dieimAllgemeineneinerPersonodereinerGruppevonPersonenzugeordnetwerden.JedeRolle hatdieAufgabe,ihrevordefinierten Zielezuerreichen.BeispielefürRol- P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 1 18 len im Software-Entwicklungsprozesssind: Projektmanager,Software- Entwickler, Qualitätsmanager etc. InnerhalbkleinererProjektekönnen einerPersonauchmehrereRollenzugeordnetwerden. 2.2.5Dokumente Dokumente sind die TeilergebnisseimSoftware-Entwicklungsprozess.BeispielesindProjektpläneund -berichte, Entwurfsdokumente, Review-ProtokolleodereinProgrammlisting. Ein Methoden-Baukasten (siehe auchAbb.4und[3]) enthält Beispiele,ChecklistenundVorlagen fürdieseDokumente. 2.3Wissens(ver)teilungund Wissensbewahrungdurchein Hypertext-Informationssystem Wissens(ver)teilung geschieht im Wesentlichenaufdiefolgendenzwei Arten: Groupware-Systeme reprä sentierendenaktivenAnsatz,d.h.,Informationen werden in AbhängigkeitbestimmterBedingungen aktiv durch das System an den Nutzer geschickt. Beispielsweise könntedurcheinGroupware-SystemnichtnureineneueAktivität einemProjektteammitgliedzugeordnetwerden,sonderngleichzeitigHilfsinformationenzurDurchführungdieserAktivität. Intranet-basierte NachschlagewerkestellendenpassivenAnsatz dar,d.h.,derNutzermussdiegewünschtenInformationenbeiBedarf selbst abrufen. Eine Informationsüberflutung wird damit vermieden (was interessiert den Nutzer die Hilfsinformation für eineAktivität,wennersieschon mehrfach problemlos durchgeführthat? ). UnterWissensbewahrungwirddie AblagedesWissensmitbestimmten Techniken/ Tools(Datenbank,XML- oder HTML-Dateien etc.) verstanden. Im konkreten Fall des MethodenbaukastensfürdieSoftware-Entwicklungistdieser-umeinenschnellen Zugriff auf Informationen zu gewährleisten - als Hypertext auf derBasisvonXMLundHTMLimplementiert worden (siehe Abb. 4). EinweitererVorteildieserVorgehensweiseist,dassWeb-Browserwieder InternetExploreroderderNetscape NavigatormittlerweilezurStandardausstattung von Entwicklerarbeitsplätzengehören,sodasskeinegesonderte Installation von zus ätzlichen WerkzeugenfürdieClientsdesWissensmanagementsystems nötig ist. Auf der anderen Seite bietet das Medium HTML zus ätzliche Möglichkeiten,Informationeninteressant undeinprägsamzugestalten. In dem Hypertext-Medium wird navigiert,indemmanbeispielsweise ausderNavigationsleistedasPhasenmodellanwählt(Knopf„Phasen“in Abb. 5). Von dort gelangt man auf die Leitseite für die jeweilige Phase, dieVerweiseaufdieDokumenteenthält, die in dieser Phase zu bearbeitensind.WähltmaneinDokument aus,soerhältmanweitereInformationenbezüglichdesVerantwortlichen fürdiesesDokumentundderbeim BearbeitendesDokumentsanzuwendenden Vorgehensweisen („Methoden“). Darüber hinaus wird auf Beispieldokumente,MustergliederungenundChecklistenverwiesen. 2.4Wissensnutzungund -bewertung Genauso, wie bei den Prozessabläufen eine ständige Weiterentwicklung in Richtung Optimum anzustreben ist, ist das WissensmanagementeinkontinuierlicherProzess,in dem die Inhalte einem steten Wandel unterliegen, aber gegebenenfalls auchdieArtderDurchführungdes Wissensmanagements zu verbessern ist. Nichts ist für ein Wissensmanagement schlimmer als veraltetes Abb. 4: Ausschnitt aus dem „Methodenbaukasten“ 19 Wissenzubeherbergen(Abb.6): Ist dasWissenvonschlechterQualität, so wird das Vertrauen in das dargestellteWissenabnehmen,unddamit auch über kurz oder lang die NutzungdesSystems.Miteinergeringen NutzungdesSystemswirdwiederum die Bereitschaft des Managements abnehmen, Investitionen für dieses Wissensmanagementsystembereitzustellen, wodurch die Wissensqualität(aufgrundderfehlendenRessourcen) noch schlechter wird. Diesen Teufelskreis gilt es von Anfang an durchgenaudefinierteWissensziele, EinbindungundMotivationderspäterenNutzer,regelmäßigesFeedback durch eine Wissensbewertung und ausreichende Unterstützung durch dasManagementzuvermeiden.Wissensbewertung kann beispielsweise dieDefinitionundAuswertungvon Metriken wie Zugriffshäufigkeiten und Benotung der Wissensseiten durch die Nutzer bedeuten, aber auch die Einbindung eines ChangemanagementsystemsfürdasWissensmanagement. 3 DER EINSATZ EINES METHODENBAU- KASTENS In mittleren und größeren Unternehmen ist ein sinnvoll geplantes unddurchgeführtesWissensmanagement nicht nur ein deutlicherWettbewerbsvorteil,sonderninbesonders schnelllebigen Bereichen ein absolutes „Muss“.Wissensmanagementist dabeialseinkontinuierlicherProzess hinzurständigenVerbesserungund alsTeilderUnternehmenskulturaufzufassen.DasfirmeneigeneIntranet, dasinderIT-Branchealsvorhanden angenommenwerdenkann,dientdabei als ideales Medium zur Umsetzung. DerbeschriebeneAnsatzdes„Methodenbaukastens für die Software- Entwicklung“ entstand und reifte imLaufverschiedenerBeratungsprojekte, in denen 3SOFT mehreren Unternehmen dabei half, Wissenssysteme für das firmeneigene Intranet aufzubauen. Die Unternehmen alsGanzes,aberauchdieeinzelnen an den Software-Entwicklungsprojekten beteiligten Mitarbeiter könneninmehrfacherHinsichtNutzen aus dem Methoden-Baukasten zie- Abb. 5: Methodenbaukasten: Skizze der Navigationsstruktur Wissensqualität NutzungdesSy stems VertrauenindasWissen Investitionen ...wirdnochschlechter ...nimmtweiterab ...gehtweiterzurück ...werdennicht vorgenommen Abb. 6: Teufelskreis einer Wissensbasis P M - V E R F A H R E N / K O N Z E P T E P R O J E K T M A N A G E M E N T 1 / 2 0 0 1 20 hen (siehe Kasten auf S. 13). Das Spektrum umfasst dabei sowohl kleine und mittlere Unternehmen als auch Großunternehmen, bei denen der dort eingesetzte Methoden- Baukastendieunternehmensweitverbindliche Entwicklungsleitlinie darstellt.EntsprechendkönnendieProjektgrößen von Kleinprojekten (ca. 5Mitarbeiter)biszuechtenGroßprojektenineinerGrößenordnungvon 100Mitarbeiternvariieren. Literatur [1] Balzert, H.: Lehrbuch der Software-Technik: Software-Entwicklung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1996 [2] Balzert, H.: Lehrbuch der Software-Technik: Software-Management, Software- Qualitätssicherung, Unternehmensmodellierung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1998 [3] Barthel, A./ Hindel B./ Schmied J.: Stein auf Stein - Definition des Software-Entwicklungsprozesses nach einem Baukasten. In: Qualität und Zuverl ä ssigkeit. Hanser Verlag, April 2000 [4] Chen, P.: The Entit y-Relationship Model - Towards a Unified View of Data. In: ACM Transactions on Database Systems, Vol. 1, No. 1, Mä rz 1976, S. 9-36 [5] Harel, D.: A Visual Formalism for Complex Systems. In: Science of Computer Programming. Elsevier Science Publishers (North Holand), 1987 [6] Probst, G./ Romhardt, K.: Bausteine des Wissensmanagements - ein praxisorientierter Ansatz. In: Dr. Wieselhuber & Partner Unternehmensberatung (Hrsg.): Lernende Organisation. Gabler-Verlag, 1997 [7] Software Engineering Institute: Capability Maturity Model (CMM). http: / / www.sei.cmu.edu/ cmm/ cmms/ cmms.html [8] Sommerville, I.: Software-Engineering. Addison-Wesley, 1996 [9] Wallmüller, E.: Ganzheitliches Qualitätsmanagement in der Informationsverarbeitung. Hanser Verlag, 1995 Autor Dr. Jürgen Schmied, geb. 1967, studierte und promovierte im Fach Informatik an der Universität Würzburg mit dem Schwerpunkt Dokumentenmanagement und -reprä sentation; parallel führte er Lehraufträ ge zum Thema „Betriebssysteme“ an der Fachhochschule Fulda durch; seit Anfang 1998 ist er als Berater für die Themen Software- Qualität und Software-Entwicklungsprozesse bei der 3SOFT GmbH tätig und leitet seit dem Frühjahr 2000 das Gesch ä ftsfeld SPI. Parallel hierzu tritt er bei internationalen Fachtagungen und Seminarveranstaltungen als Referent rund um das Thema „Software Process Improvement“ auf. Anschrift 3SOFT GmbH Gesch ä ftsfeld SPI Wetterkreuz 19a D -91058 Erlangen Tel.: 09131/ 77 01-1 46 Fax: 09131/ 77 01-3 44 E -Mail: Juergen.Schmied@3SOFT.de Internet: http: / / www.3SOFT.de