eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 12/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
61
2001
122 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Die Existenz gründet auf Projektmanagement

61
2001
Renate Raschke
Projektmanagement als geplante und strukturierte Vorgehensweise gestaltet die Projektarbeit effizient. Der spezielle Fall einer Existenzgründung als Projekt wird bisher aber wenig beachtet. Durch die Darstellung einer Fallstudie aus dem Multimedia-Bereich soll Existenzgründern die Möglichkeit gegeben werden, den Nutzen des Projektmanagement-Rüstzeugs auch für den eigenen Bedarf zu erkennen. die einzelnen Schwerpunkte der Projektplanung werden in dem entsprechenden Zusammenhang dargestellt und besprochen. Diese Fallstudie zeigt eine spezifische Anwendung der Projektmanagement-Methodik. Es ist durchaus möglich, angebracht und sinnvoll, die praktischen Ansätze an die eigenen Bedürfnisse zu adaptieren. Gerade das reale Beispiel soll zur Nachahmung bei jeder Existenzgründung anregen. Die Fallstudie zeigt zudem neue Anknüpfungspunkte für das Betätigungsfeld der erfahrenen Projektmanager. Existenzgründer und Projektmanager könnten ein perfektes Team sein.
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P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 1 18 WISSEN Die Existenz gründet auf Projektmanagement Renate Raschke Projektmanagement als geplante und strukturierte Vorgehensweise gestaltet die Projektarbeit effizient. Der spezielle Fall einer Existenzgründung als Projekt wird bisher aber wenig beachtet. Durch die Darstellung einer Fallstudie aus dem Multimedia-Bereich soll Existenzgründern die Möglichkeit gegeben werden, den Nutzen des Projektmanagement- Rüstzeugs auch für den eigenen Bedarf zu erkennen. Die einzelnen Schwerpunkte der Projektplanung werden in dem entsprechenden Zusammenhang dargestellt und besprochen. Diese Fallstudie zeigt eine spezifische Anwendung der Projektmanagement-Methodik. Es ist durchaus möglich, angebracht und sinnvoll, die praktischen Ansätze an die eigenen Bedürfnisse zu adaptieren. Gerade das reale Beispiel soll zur Nachahmung bei jeder Existenzgründung anregen. Die Fallstudie zeigt zudem neue Anknüpfungspunkte für das Betätigungsfeld der erfahrenen Projektmanager. Existenzgründer und Projektmanager könnten ein perfektes Team sein. Gates und Goethe „Was immer du tun kannst, oder wovon du träumst - fange es an. In der Kühnheit liegt Genie, Macht und Magie. Beginne es jetzt sofort“, schrieb J. W. von Goethe. Dieser Satz entstand schon vor 200 Jahren. Heute hat sich das Umfeld gravierend verändert. Hat damit auch dieser Spruch seine Gültigkeit verloren? Wohl kaum! In jedem von uns steckt vielleicht ein kleiner Bill Gates. Bei manchen macht er sich deutlich bemerkbar und strebt nach Selbstständigkeit und Erfolg. Eine Idee ist geboren und der Wille zur Umsetzung entfacht. Ein Unternehmen soll gegründet werden. Eine Existenzgründung - wie Politiker und Banken so schön formulieren - steht an. Eine Existenzgründung ist immer eingeflochten in ein soziales Geflecht. Sie ist einmalig, zeitlich begrenzt, von der finanziellen Seite her limitiert und unterliegt sowohl gesetzlichen als auch verwaltungstechnischen Zwängen. Eine Menge interner und externer Einflussfaktoren ist zu berücksichtigen. Somit kann eine Existenzgründung grundsätzlich als Projekt behandelt werden. Projektmanagement (PM) als geplante Vorgehensweise will die Projektarbeit effizient gestalten. Die Zahl der Überraschungen kann im Vergleich zum ungeplanten „Durchwursteln“ verringert werden. Als systematisch eruierte Erfolgsfaktoren gelten dabei die Bestimmung von Struktur- und Planungsebenen sowie die Definition von Lebensphasen eines Projektes [6]. Bisher wird von Seiten der PM-Literatur wenig auf den speziellen Fall einer Existenzgründung eingegangen. Dass die strukturierte Vorgehensweise dennoch eine sinnvolle Unterstützung für den Existenzgründer ist, soll anhand eines Beispiels aus der Medien-Branche dargestellt werden. Existenzgründung - ein Fall für Projektmanagement Das allgemeine Verfahrensschema der PM-Methodik (vgl. [5]) gliedert sich in zehn Schritte, die in der Regel sequenziell abgearbeitet werden: 1. Zieldefinition → Zielpyramide 2. Projektorganisation → Projektteam 3. Risikoanalyse → Machbarkeitsstudie 4. Kick-off → Projektstart 5. Leistungserfassung → Projektstrukturplan 6. Leistungsbeschreibung → Arbeitspaket-Beschreibung 7. Ablauf-/ Terminplanung → Netz- und Balkenplan. Überlappend zur Terminplanung (7.) wird die 8. Kapazitäts-/ Kostenplanung → Kapazitätsplan & Kosten-/ Budgetplan vorgenommen. Das 9. Projektinformationswesen → Berichte, Protokolle, Dokumentation wird bereits ab dem Kick-off-Meeting (4.) in Gang gesetzt. Es bildet auch die Basis für den 10. Regelkreis Planung/ Kontrolle/ Steuerung → aktualisierte Pläne, der sich an die Erstplanung aller Planungselemente (Struktur, Leistung, Termin, Kapazität und Kosten) anschließt. Die Literatur, die den Existenzgründer ansprechen soll, enthält in der Regel keine Querverweise auf diese PM-Methodik (vgl. [1, 2, 3]). Den meisten Gründern ist demnach der Zusammenhang nicht bewusst. Aber auch die PM-Know-how-Träger haben das weite Feld der Existenzgründer noch nicht fokussiert. Mit folgender Fallstudie soll eine Lanze für die Existenzgründer aus Sicht des PM gebrochen werden. Das Verfahrensschema der PM-Methodik kommt zur Anwendung. P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 1 19 Fallbeispiel: mecca neue medien GmbH & Co KG Der Jahreswechsel 1995/ 96 wurde für drei Personen, die sich bereits mit der neuesten Technologie der Medien- Branche beschäftigten, die entscheidende Weichenstellung ihrer beruflichen Laufbahn. Sie erwogen, die unterschiedlichen Schwerpunkte ihrer bisherigen Tätigkeit in einem Unternehmen zusammenzuführen, um eine optimale Symbiose zu erzeugen: ❏ Person A repräsentierte den Visionär und Charismatiker, ❏ Person B symbolisierte den Techniker und Pragmatiker, ❏ Person C verkörperte den Graphiker und Künstler. Anstoß zu diesem Zusammenschluss bildete die Aussicht auf einen Auftrag aus der Biotechnologie: Es galt schwer erklärbare Prozesse multimedial zu visualisieren. Das Triumvirat wollte sich auf dem Feld der Projektdienstleistung betätigen. 1. Zieldefinition Das gemeinsame Ziel wurde folgendermaßen formuliert: Gründung einer selbstständigen Firma mit dem Namen „mecca neue medien“ unter drei gleichberechtigten Partnern mit dem Ziel, Projektdienstleistung anzubieten. Die Projekte sollen die Entwicklung und Produktion von visuellen Medien mit dem Anspruch an Funktionalität, Marktgängigkeit und Ästhetik umfassen. Durch diesen ersten entscheidenden Schritt, ein gemeinsames Ziel zu formulieren, war die solide Basis für alle weiteren notwendigen Aktivitäten geschaffen. Die Vision einer Existenzgründung beginnt meist als nebulöses Etwas. Die Formulierung der Geschäftsidee und die konkrete Ein- und Abgrenzung bilden für manchen Fantasten bereits die erste Hürde, die nicht jeder mit Bravour nimmt. Wenn jedoch das Ziel nicht klar ist, sind alle anderen Aktivitäten sinnlos. Die mecca-Gründer haben aus ihrer noch recht allgemein gefassten Formulierung eine Zielpyramide (Abb. 1) abgeleitet, die auch bereits ein Phasenkonzept (Abb. 2) erkennen ließ. Der gesamte Komplex mecca neue medien wurde in zwei Bereiche gegliedert: Bereich 1: die Existenzgründung; Bereich 2: die Unternehmensfortführung. Zunächst einmal wurde die Existenzgründung als Projekt in die Realität umgesetzt. Darunter wurde jedoch mehr als nur die reine Firmengründung (Phase 1) verstanden. Durch die Eintragung ins Handelsregister ist zwar ein entscheidender Meilenstein erreicht, aber erst anschließend kann eine Geschäftstätigkeit aufgenommen werden. Deshalb wurden die ersten drei Geschäftsjahre mit in das Projekt Existenzgründung einbezogen. Damit hatte man die besonders kritische Startphase in ihrer Bedeutung für die Existenz des Unternehmens entsprechend beachtet, gewürdigt und eingeordnet. Die anschließend angestrebte Unternehmensfortführung wurde zwar bereits zu diesem Zeitpunkt als Wachstumsphase (Phase 3) und Bestandssicherungsphase (Phase 4) erkannt, aber zunächst einmal ganz klar vom Projekt Existenzgründung abgegrenzt. Dennoch konnte das künftige Unternehmen mecca neue medien in seiner Komplexität von Anfang an global berücksichtigt werden. Für jede Phase wurden ganz konkret spezifische Teilziele formuliert. Für die Firmengründung musste zunächst ein Unternehmenskonzept ausgearbeitet werden. Dabei wurden bereits Berater (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar etc.) hinzugezogen, die helfen konnten, die gesetzlichen Grundlagen für das Unternehmen zu schaffen. Unabhängig davon lief die Akquisition von Kundenaufträgen, um nach Eintrag ins Handelsregister sofort mit der Auftragsabwicklung beginnen zu können. Abb. 1: Zielpyramide Abb. 2: Phasenkonzept P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 1 20 WISSEN Alle drei Gründer formulierten schon jetzt gemeinsam die Teilziele der Startphase (Phase 2). Man wollte nicht blauäugig die Dinge auf sich zukommen lassen: ❏ Garantieauslastung: Die Mitarbeiter müssen auf Dauer beschäftigt werden können; ❏ Annahme aller realisierbar erscheinenden Aufträge: Wir wollen mittels der Aufträge wachsen. Kapazität darf keine Restriktion darstellen; ❏ Anwendung der neuesten etablierten Technologien: Die Mitarbeiter agieren immer an der Spitze der technologischen Entwicklung; ❏ Qualitätssicherung und -management als Funktion: Wir wollen von Anfang an ein gelebtes Qualitätsbewusstsein; ❏ Beschränkung auf den deutschen Markt. Durch das für mecca neue medien gewählte Geschäftsfeld der Projektdienstleistung bildet jeder Kundenauftrag für sich ein eigenes Projekt. Es ergab sich demnach die Situation, dass die Existenzgründung zwar als Projekt behandelt wurde, aber innerhalb dessen wiederum einzelne Projekte akquiriert und durchgeführt wurden. Die Methodik des Projektmanagements half mecca neue medien sich zu formieren, andererseits wollte das Unternehmen Projektmanagement als Geschäftsfeld nutzen. 2. Organisation Die bevorstehenden Aufgaben galt es nun auf die Beteiligten zu verteilen. Während der Phase 1 (Firmengründung) wurden sehr viele Aktivitäten gemeinsam durchgeführt, so dass noch nicht von einer systematischen Aufgabenverteilung gesprochen werden konnte. Lediglich Teilaufgaben wie Raumbeschaffung oder Entwicklung einer Marketingstrategie lagen schwerpunktmäßig in einer Hand; in welcher, wurde situativ entschieden. Für die Phase 2 (Existenzgründung) wurde folgende organisatorische Aufteilung vorgenommen: ❏ Person A: Personal und Organisation Einkauf und Unterauftragnehmer-Steuerung Öffentlichkeitsarbeit Vertrieb (Internet/ Terminalprojekte) ❏ Person B: Finanz- und Rechnungswesen Marketing Hardware Vertrieb (Multimedia/ Computer Based Training) ❏ Person C: Produktion Projektplanung und -controlling Die Leitung der einzelnen Kundenprojekte lag beim Akquisiteur. Für den Kunden gab es nur einen Ansprechpartner: vom Angebot bis zum Projektabschluss. Während der Phase 1 war kein zusätzliches Personal geplant. Man wollte und konnte Unterkapazitäten mit studentischen Hilfskräften abfangen. Ab Phase 2 wurde die Möglichkeit des Personalaufbaus eingeräumt. Dies wurde jedoch bedarfsorientiert und auftragsabhängig entschieden. 3. Risikoanalyse Die Begeisterung und die Euphorie, die bei den Gründern herrschte, konnte sie nicht dazu verführen, alles nur im Sonnenschein zu sehen. Ihnen war bewusst, dass ein steiniger Weg vor ihnen lag, den sie durch eine Risikoanalyse entschärfen wollten. In einem Brainstorming wurden Horrorszenarien kreiert, um die Einflussfaktoren auf das Existenzgründungsprojekt definieren zu können. In der Risikosystemstruktur (Abb. 3) wurden die Erkenntnisse festgehalten. Innerhalb ihres Teams sahen die Gründer keine fachlich-sachlichen Risiken oder Schnittstellenprobleme. Dafür war ihnen bewusst, dass der menschliche Aspekt wegen ihrer unterschiedlichen Charaktere und Mentalitäten ein Risiko darstellte. Genauso wie sich ein Unwetter nicht erst mit Blitz und Donner ankündigt, sondern durch atmosphärische Spannungen, so signalisieren Spannungen im Team Diskrepanzen. Man achtete ganz bewusst auf solche Anzeichen. Während der 2. Phase sollte den vorhandenen und neuen Mitarbeitern besondere Aufmerksamkeit zukommen, damit deren Identifikation mit und Integration in die Unternehmenskultur gewährleistet werden konnten. Man erkannte eine Reihe von Faktoren, die imstande waren, das Existenzgründungsprojekt von außen zu beeinflussen. Diese stellten zwar noch keine Probleme dar, konnten sich aber jederzeit zu solchen entwickeln. Während der Phase 1 wurden folgende Risiken erkannt: ❏ Finanzierungslücken ❏ Infrastruktur ❏ Kunden(des)interesse ❏ Marktentwicklung ❏ Eintragungszeitpunkt ins Handelsregister Für Phase 2 galt in Bezug auf Risiken folgende Aufstellung: ❏ technologische Entwicklung ❏ Know-how-„Klau“ ❏ persönliche Lebenssituation Abb. 3: Risikosystemstruktur P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 1 21 ❏ „ewige“ Projekte ❏ Zahlungsmoral der Kunden ❏ Großunternehmen Die Tatsache, dass der Medien- Markt immer dringender nach Problemlösungen im visuellen Bereich verlangte, verstärkte die positive Wertung einer Unternehmensgründung und ließ eine detailliertere Machbarkeitsstudie zu diesem Zeitpunkt überflüssig erscheinen. 4. Kick-off Nach all diesen theoretischen Überlegungen war das Bestreben groß, konkret an der praktischen Umsetzung der Gründungsidee zu arbeiten. Das Projekt bekam seinen offiziellen Startschuss, indem der Beschluss gefasst wurde, die Unternehmensgründung als gemeinsame Sache zu verwirklichen. Man begann die erforderlichen Unterlagen zu erstellen bzw. Nachforschungen zu betreiben. Was im Einzelnen zu tun war, wurde systematisch in einer Projektstruktur herausgearbeitet. 5. Projektstrukturplan Bei diesem Existenzgründungsprojekt schien es sinnvoll, für jede Phase einen eigenen Strukturplan zu erstellen. Aus der Zielpyramide ließ sich für die Phase 1 bereits die erste Detaillierungsebene ablesen. Durch Kreativitätstechniken wie Mindmapping oder Brainstorming wurde in Teamarbeit eine weitere Detaillierung bis hin zur Ebene der Arbeitspakete vorgenommen (Abb. 4). Die Arbeitspakete verstand man als eine Art „To-do-Liste“. Hier waren Aktivitätenbündel definiert, die systematisch abgearbeitet werden mussten. Für Phase 2 gliederte man das Geschäftsfeld „Projektdienstleistung“ in sachliche Angebotspositionen. Diese Aufgliederung konnte ähnlich einer Speisekarte für die Akquisition beim Kunden genutzt werden. Die vom jeweiligen Auftraggeber gewählten Angebotspositionen sollten als tatsächliches Projekt in den Strukturplan Eingang finden (Abb. 5). 6. Arbeitspaketbeschreibung Da der Titel der Arbeitspakete unterschiedlich interpretiert werden konnte, wurde für jedes Arbeitspaket eine separate Beschreibung erstellt (Abb. 6). Darin wurde festgehalten, wer verantwortlich zeichnete. Das bedeutete nicht, dass derjenige alles selbst machen musste. Er konnte delegieren oder Fachleute hinzuziehen, musste aber dafür sorgen, dass das Arbeitspaket erledigt wurde. Außerdem wurden die Schnittstellen zu den anderen Arbeitspaketen als „Voraussetzungen“ definiert. Die Leistungsbeschreibung dokumentierte unmissverständlich, welche Aktivitäten in diesem Arbeitspaket zusammengefasst waren. Auch was als klares Ergebnis nach Erledigung des Arbeitspaketes (AP) vorliegen musste, wurde mittels der AP-Beschreibung festgelegt. Jede AP-Beschreibung wurde von allen drei Gründern abgezeichnet. Damit war die Basis für eine systematische, effiziente und allgemein gültige Vorgehensweise geschaffen. 7. Ablauf- und Terminplanung Bei der Ablauf- und Terminplanung war für die mecca- Gründer zunächst nur die erste Phase des Existenzgründungsprojektes interessant. Mit dem Meilenstein „Ein- Abb. 4: Projektstrukturplan Phase 1 Abb. 5: Projektstrukturplan Phase 2 P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 1 22 WISSEN tragung ins Handelsregister“ wurde das zeitliche Raster begrenzt. Gemäß dem PM-Grundsatz, phasenabhängig die Detaillierung bei der Planung vorzunehmen, wurde Phase 1 exakt geplant, während Phase 2 zunächst nur mit Eckdaten versehen wurde. Je mehr sich Phase 1 ihrem Ende näherte, umso konkreter wurde Phase 2 erkennbar. Der zeitliche Aspekt bei einer Existenzgründung wird von den Betroffenen oft unterschätzt - auch in diesem Fall. Da aus der Ablaufplanung (leider) keine Terminplanung mit Dauern und Kalenderdaten erarbeitet wurde, konnten negative zeitliche Auswirkungen von Störungen nur gefühlsmäßig erfasst werden. So standen z. B. Branchendaten, die für die Marktanalyse Voraussetzung waren und die man sich von den Kreditinstituten erhofft hatte, nicht zur Verfügung. Die mecca-Gründer machten aus der Not eine Tugend und erarbeiteten sich aus eigener Kraft die notwendigen Informationen, die anschließend den Kreditinstituten zur Verfügung gestellt wurden. Die zeitliche Verzögerung des Projektes hierdurch war aber nicht konkret erkennbar. Der hohe Motivationsgrad und der vermeintlich geringe Aufwand ließen die baldige Eintragung ins Handelsregister erhoffen. Erst die praktische Erfahrung zeigte jedoch, dass ein Zeitraum von etwa ¾-1 Jahr für eine Firmengründung als realistisch gilt. 8. Kapazitäts- und Kostenplanung Eine explizite Kapazitätsplanung wurde für das Existenzgründungsprojekt nicht aufgestellt. Die Notwendigkeit dazu wurde nicht gesehen. Alle drei Beteiligten arbeiteten auf Zuruf direkt Hand in Hand. Die Folge davon war, dass die tägliche Inanspruchnahme für jeden Einzelnen immens hoch war, da zahlreiche Aufgaben sofort erledigt werden mussten. Sicherlich hätte die rechtzeitige Überlegung, wie viele Stunden jeder täglich zur Verfügung stehen kann und welche Aufgaben in welcher Zeit erledigt werden können, für Entspannung gesorgt. Auch eine separate Projektkostenplanung wurde nicht erstellt. Dies ist jedoch akzeptabel, da der Businessplan für das zu gründende Unternehmen die Kosten des Existenzgründungsprojektes umfasste. Die notwendigen Informationen waren auf alle Fälle vorhanden. Kosten- und Finanzierungsübersichten sind Aufstellungen, die von den Kreditinstituten unnachgiebig gefordert werden und deshalb von keinem Gründer übergangen werden können. Außerdem existiert ausreichend Literatur, die sich mit der Erstellung des Businessplans befasst (z. B. [3, 4]). Hier soll deshalb nicht näher darauf eingegangen werden. 9. Projektinformationswesen Bei einer Existenzgründung unter Freunden ist es notwendig, bewusst leicht „schizophren“ zu agieren. Einerseits ist das blinde Verständnis und Vertrauen untereinander sehr wichtig. Andererseits muss so gehandelt werden, dass für den Fall eines Zerwürfnisses alles schriftlich festgehalten ist, was vereinbart und beschlossen wurde. Das gilt für die Gesellschafterverträge genauso wie für alle Protokolle. Der Existenzgründungsprozess muss lückenlos nachvollziehbar sein. Zusätzlich zu der formalen Informationsweitergabe und Dokumentation hatte sich mecca neue medien bewusst eine informelle Informationskultur geschaffen. In einem Besprechungsraum saß man oft zusammen, um den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Auch gemeinsame Kaffeepausen wurden nicht als unproduktiv abgestempelt. Der berufliche Alltag war nicht scharf von der privaten Sphäre getrennt. Man wollte der Tatsache gerecht werden, dass jede Person als Ganzes im Unternehmen wirkt. 10. Regelkreis Planung/ Kontrolle/ Steuerung In den obigen Ausführungen wurden bei der Darstellung des Projektstarts teilweise einige Aspekte und Erkenntnisse aus der Projektabwicklung schon vorweggenommen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal klar unterschieden werden zwischen: ❏ Erstplanung eines Projektes und ❏ revidierter Planung im Rahmen der Planungszyklen. Alle Abschnitte von 1. Zieldefinition bis 9. Projektinformationswesen wurden zu Beginn des Projektes Existenzgründung von den mecca-Gründern als Ausgangsbasis erarbeitet. Im Laufe der Projektabwicklung wurde immer wieder die Realität mit den Plänen verglichen (Projektkontrolle). Daraus haben sich oft Abweichungen ergeben, so dass die zuletzt gültige Planung überarbeitet werden musste, um das Projektziel wie gewollt zu erreichen (Projektsteuerung). Dieses Prozedere wird als Regelkreis der Projektplanung/ -kontrolle/ -steuerung verstanden und wiederholt sich, bis das Projekt abgeschlossen ist. Abb. 6: Arbeitspaketbeschreibung P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 1 23 Im Rahmen dieses Regelkreises wurde jeweils ein Problemlösungszyklus durchlaufen, der folgende Fragen aufwarf [6]: ❏ Was wollen wir erreichen? ❏ Welchen Tatsachen sehen wir uns gegenüber? ❏ Welche Probleme resultieren daraus? ❏ Welche Lösungen sind denkbar? ❏ Was wollen wir tun? ❏ Welche Ergebnisse werden erzielt? Im Oktober 1996 war es endlich so weit: mecca neue medien wurde als GmbH & Co KG ins Handelsregister eingetragen. Die ersten Aufträge waren auch bereits an Bord. So konnte Phase 2 übergangslos anschließen. 11. Anmerkungen Das Existenzgründungsprojekt wurde von mecca neue medien erfolgreich abgeschlossen. Die Phase 1 lief ohne nennenswerte Komplikationen ab. In der Phase 2 ereignete sich ein Vorfall, der an den Grundfesten des Unternehmens rüttelte. Einer der Geschäftsführer stieg aus dem Unternehmen aus, da sich ein Zielkonflikt aufgetan hatte. Den beiden übrigen Partnern ist es jedoch gelungen, die Geschäftsanteile zu übernehmen und das Unternehmen sicher durch die Klippen zu manövrieren. Damit wird die Forderung nach einer ganz konkreten, schriftlichen Zielformulierung vor Start des Projektes nochmals deutlich untermauert. Projektmanagement als Basiswissen Jeder Existenzgründer tut auf alle Fälle gut daran, sich intensiv mit dem Thema Projektmanagement auseinander zu setzen. Nur wenige schaffen eine Gründung „aus dem Bauch“ heraus. Viele bleiben auf der Strecke: Das beweist die hohe Sterblichkeit von jungen Unternehmen. Können wir uns diesen Verschleiß an Energie leisten? 68,6 % aller Pleiten bei Existenzgründungen sind durch Finanzierungsmängel mit verursacht [3]. Durch gute Planung und Vorbereitung lassen sich solche Finanzierungslücken vermeiden. Bei 30,1 % aller Insolvenzen von Jungunternehmen sind Planungsmängel zu beobachten [3]. Die spezifische Stärke des Projektmanagements - die strukturierte Vorgehensweise und die Möglichkeit, bewusst mit der Komplexität und Unsicherheit von Aufgaben umzugehen - kann all diese Planungsmängel abfangen. Planungsmöglichkeiten und -bedarf hängen stark vom Komplexitätsgrad des jeweiligen Vorhabens ab. Es erscheint wenig sinnvoll, undifferenziert die Gesamtheit der Planungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Vielmehr muss die Projektplanung am Planungsbedarf ausgerichtet werden [6]. Übersichtliche, realistische und bedarfsorientierte Planung ist das grundlegende Handwerkszeug jedes Projektmanagers. Was liegt also näher, als dass erfahrene Projektmanager den Existenzgründern die Steigbügel halten … „Was immer du tun kannst oder wovon du träumst - fange es an. Durch die Anwendung von Projektmanagement wird dir Gutes gelingen! “ ■ Literatur [1] Handbuch StartUp - Der Gründungswettbewerb. Eine Initiative von STERN, Sparkassen und McKinsey & Company. Gruner + Jahr, Hamburg 1999 [2] Industrie- und Handelskammer zu Aachen: Existenzgründung mit der IHK. Informationen und Orientierungshilfen für den erfolgreichen Unternehmensaufbau. Juni 1999 [3] Opoczynski, M./ Fausten, W.: Existenzgründung. Ein Ratgeber der ZDF-Wirtschaftsredaktion. Ueberreuter, Wien/ Frankfurt 1998 [4] Sattler, R. R.: Unternehmerisch denken lernen. Das Denken in Strategie, Liquidität, Erfolg und Risiko. Beck, München 1998 [5] Schelle, H.: Projekte zum Erfolg führen. Beck, München 1996 [6] Steinle, C./ Bruch, L.: Projekt Management. Instrument effizienter Dienstleistung. Frankfurter Allgemeine Buch, 2. Auflage, Frankfurt 1998 Schlagwörter Arbeitspaketbeschreibung, Existenzgründung, Fallstudie, Organisation, Projektphasen, Projektplanung, Risikoanalyse, Strukturplan, Unternehmensführung, Zieldefinition Autorin Renate Raschke, Jahrgang 1956; Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Berufsakademie Stuttgart in Verbindung mit der Standard Elektrik Lorenz AG, Schwerpunkt Projektmanagement. Anschließend in demselben Unternehmen als Projektsystemplaner für die Entwicklung von PM-Verfahren, die PM-Dienstleistung und das PM-Training zuständig. Seit 1996 selbstständig tätig als Unternehmensberaterin (Themenbereiche: Aufbau-/ Ablauforganisation und Projektmanagement). Anschrift ProjektBüro Raschke Kranichweg 8 D-52223 Stolberg Tel.: 0 24 02/ 3 71 08 Fax: 0 24 02/ 3 71 18 E-Mail: PBR@PM-Profi.de