PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.E-Business – Erfolg durch Strategieentwicklung und Programmmanagement
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Peter Michael Frieß
E-Business und Global Economy sind Herausforderungen, denen sich neue und etablierte Unternehmen nicht entziehen können. Aktuelle Erfahrungen zeigen jedoch, dass zahlreiche Projekte fehlschlagen, da vielfach Erfahrungswerte und eine geeignete Vorgehensweise fehlen. Hierzu werden nach kurzer Einführung in die E-Business-Thematik typische Problemstellen und Fallen aufgezeigt. Im Folgenden wird dann ein E-Business-Programmansatz dargestellt, welcher es Unternehmen ermöglicht, dennoch erfolgreich ins E-Business einzusteigen oder ihr E-Business auszubauen.
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P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 19 E-Business - Ernüchterung nach dem anfänglichen Hype E-Business und Global Economy sind zur Zeit in aller Munde. Insbesondere nach dem Jahr-2000-Problem und vor der Euro-Umstellung wenden sich zahlreiche Firmen im deutschsprachigen Raum verstärkt der E-Business-Thematik zu. Aggressive Wettbewerber und neue Konkurrenten sowie drängende Kundenanforderungen zwingen die Unternehmen, E-Business für sich strategisch zu besetzen und erfolgreich zu realisieren. Laut einer Studie von Meta Group ([1], S. 60), in der 421 deutsche im E-Business tätige Unternehmen (zwei Drittel im Mittelstand, ein Drittel Großunternehmen) befragt wurden, lag das Investitionsbudget 1999 bei 73 Prozent der Unternehmen unter 250.000 DM. 8 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, 1999 schon 1-5 Mio. DM in E-Business investiert zu haben. Im Jahr 2001 wird bei 11 Prozent der befragten Unternehmen das Projektvolumen im siebenstelligen Bereich liegen; 3 Prozent erwarten sogar ein Volumen von über 5 Mio. DM mit deutlich steigender Tendenz in den folgenden Jahren. Die Steigerung des Marktvolumens für E-Business-Investitionen wird von 3,5 Mrd. DM in 1999 auf 18 Mrd. DM in 2003 beziffert ([1], S. 56). Dieses Investitionswachstum gipfelt in Aussagen wie z. B. der von Andy Grove, Mitbegründer und Vorsitzender der Intel Corporation, wonach es zukünftig zwischen Business und E-Business keinen Unterschied mehr geben wird ([2], S. 4). Nur zögerlich setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass das E-Business der aktuellen Stunde ein höchst komplexes Vorhaben ist, das sich nicht nur darauf beschränkt, ein neues Web-Design oder Datenbankanbindungen an vorhandene Legacy-Systeme zu realisieren, sondern dass strategische Geschäftsmodelle, Unternehmensprozesse und -organisation, Kompetenz und Motivation der Mitarbeiter sowie IT-Systeme und -Infrastruktur in bisher nie gekanntem Ausmaß zusammenspielen. Erschwerend kommt hinzu, dass Fehler im E-Business im Zeitalter von weltumspannender E-Mail- Kommunikation und von Meinungsportalen beängstigend schnell eine negative Außenwirkung entfalten können. Betrachtet man zudem im Detail die aktuelle Situation in den Unternehmen, so findet sich insbesondere auf der Ebene der Strategieentwicklung und Koordination ein deutlicher Nachholdbedarf. Häufig existiert keine dediziert ausgearbeitete E-Business-Strategie, welche mehr ist als eine um „E-Termini“ ergänzte IT-Strategie. Ergänzend tummelt sich in den Unternehmen eine Vielzahl an E-Business-Initiativen und -Projekten, die nicht immer den unternehmerischen Gesamtrahmen und -nutzen berücksichtigen. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 75 Prozent der E-Business-Projekte aus Gründen mangelnder Kundenorientierung erfolglos bleiben (z. B. [3]); nichtsdestoweniger gibt es aber auch viel versprechende E-Business- Programme und -Projekte (z. B. [4]). Der Artikel möchte daher einen Weg aufzeigen, wie Unternehmen aus der Sicht eines Programm-Managements erfolgreich ihr E-Business fortsetzen oder ins E-Business einsteigen können. E-Business als neues Unternehmensverständnis Die konsequente Abwicklung aller Geschäftsvorfälle auf der Basis von Internet-Standards und moderner Informationstechnologie - E-Business - verändert das Wirtschaftsgeschehen sowie öffentliche und private Bereiche grundlegend. Auf dem Weg zum E-Business werden Geschäftsmodelle sowie die Unternehmens- und Kommunikationsprozesse und letztendlich auch die Unternehmenskultur einem fundamentalen Wandel unterworfen. Dieser Wandel geschieht je nach Branche und Marktsituation sowohl langsam als auch in Sprüngen. Aber auch wenn Märkte und Technologien heute schnelle Lösungen erfordern, ist es aufgrund der Komplexität (vgl. Abb. 1) nicht ratsam, eine „große Lösung“ anzustreben, sondern besser, stufenweise vorzugehen und E-Business - Erfolg durch Strategieentwicklung und Programmmanagement Peter Michael Frieß E-Business und Global Economy sind Herausforderungen, denen sich neue und etablierte Unternehmen nicht entziehen können. Aktuelle Erfahrungen zeigen jedoch, dass zahlreiche Projekte fehlschlagen, da vielfach Erfahrungswerte und eine geeignete Vorgehensweise fehlen. Hierzu werden nach kurzer Einführung in die E-Business-Thematik typische Problemstellen und Fallen aufgezeigt. Im Folgenden wird dann ein E-Business-Programmansatz dargestellt, welcher es Unternehmen ermöglicht, dennoch erfolgreich ins E-Business einzusteigen oder ihr E-Business auszubauen. P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 20 WISSEN der eigenen Organisation Zeit zum Lernen zu geben. Ein erfolgreiches E-Business ist immer in eine bestehende oder zukünftige Unternehmensstrategie integriert - einerseits als Umsetzungsbasis für neue Geschäftsmodelle, andererseits als Befähiger für neue Geschäftsideen. Wie auch immer Unternehmen in Richtung E-Business bewegt werden - sei es durch ultimative Forderungen der Kunden, Verbesserung der Reichweite und Ausweitung des Umsatzes oder gar durch neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen -, die Kernzielsetzungen für die Realisierung von E-Business lassen sich auf drei Punkte fokussieren: ❏ Kostensenkungen durch Prozessverbesserung (z. B. standardisiertes Bestellwesen) und das Ausnutzen von Synergien, ❏ Erhöhung der Kundenbindung durch profunde Kenntnis des persönlichen Bedarfs, individuelles Marketing sowie ein erweitertes oder neues Produkt- und Dienstleistungsangebot und ❏ Erschließung neuer und zukunftssichernder Märkte durch innovative Geschäftsmodelle und Allianzen. E-Business-Entwicklungspfad Die Entwicklung eines Unternehmens hin zum E-Business verläuft in der Regel in vier Stufen (vgl. Abb. 2 und z. B. [5]). Jedes Unternehmen wird für sich entscheiden müssen, wo es sich befindet und wann die nächste Stufe in Abhängigkeit der Marktsituation anzugehen ist. Folgende Stufen können unterschieden werden: ❏ Stufe 1: Präsenz/ Information: In dieser Stufe wird im Wesentlichen die Außenwirkung des Unternehmens durch eine Präsenz im Internet erhöht oder verbessert. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung und dem Austausch allgemeiner sowie produkt- und dienstleistungsspezifischer Informationen. Viele Unternehmen sind dabei, diese Stufe bereits zu verlassen und in die nächsthöhere aufzusteigen. ❏ Stufe 2: Interaktion: In der zweiten Stufe kann über die Internetpräsenz hinausgehend bereits intensiver mit einem Unternehmen auf der Basis von Computern oder mobilen Endgeräten kommuniziert werden. Durch Konfiguration und Personalisierung werden individuelle Informationen bereitgestellt sowie die Kundenbedürfnisse explizit berücksichtigt. Über Firmenportale für die Mitarbeiter eines Unternehmens werden aber auch die internen Interaktionsprozesse unterstützt. ❏ Stufe 3: Transaktion: In der dritten Stufe erfolgt eine noch stärkere Integration von Kunden und Geschäftspartnern; so werden diese durch personalisierte Workflows in die Geschäftsprozesse und IT-Systeme eines Unternehmens eingebunden. Die Unternehmensgrenzen werden durchlässig, und Kunden, Geschäftspartner und die Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten über die Wertschöpfungskette hinweg in Allianzen, Partnerschaften oder sog. Communities zusammen. ❏ Stufe 4: vollständige Adaptation: In dieser Stufe sind Internet sowie Intranet und Extranet über feste und mobile Zugangsportale mit den Geschäftsprozessen und IT-Systemen vollständig integriert; Prozesse und Organisation sind über eine fortlaufende Optimierung für das E-Business ausgerichtet worden. Darüber hinaus ermöglichen die vorhandenen IT-Technologien eine bisher unerreichte Durchdringung des gesamten Lebensraumes mit Internet-Technologien und -standards (sog. Pervasive computing). Dieser Entwicklungspfad gilt für bereits bestehende Unternehmen. In jüngster Zeit entstandene Internet-basierte Unternehmen - vernetzt agierende Personen, Gruppen und Unternehmen, die neue Geschäftsideen (z. B. Meinungsportale, Kaufbörsen, …) umsetzen - beginnen ihre Entwicklung bereits in Stufe 3 oder 4. Darüber hinaus unterliegen sie, bedingt durch wechselnde Kooperationen, Wettbewerbsfelder sowie Technologien, schnelleren Veränderungstendenzen als bereits bestehende, eher traditionell geprägte Unternehmen (vgl. [6]). Handlungsfelder für die E-Business-Realisierung Für die Realisierung des E-Business haben sich in der Literatur sowie in der Praxis mehrere Handlungsfelder herauskristallisiert (vgl. [5], [7] u. a.); im Einzelnen sind dies: ❏ E-Commerce: Vertrieb und Verkauf von Produkten und Dienstleistungen an Kunden und Partner über das Internet; hierbei ist neben der Internetpräsenz Unternehmensstrategie Wertschöpfungskette Geschäftsprozesse Vertrieb IT-Infrastruktur Produktentwicklung Knowledge- Managem. Unternehmenskultur Marketing Personalentwicklung E-Business- Gestaltungsfelder Abb. 1: E-Business-Gestaltungsfelder Präsenz/ Information Zeit/ Investitionsvolumen Reifegrad/ Erfolg Interaktion Transaktion vollständige Adaption Abb. 2: E-Business-Entwicklungspfad P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 21 und Kostensenkung auch die Reichweitenerhöhung ein wichtiger Aspekt, ❏ E-Procurement: in Verbindung mit einem umfassenden Verständnis der Logistikkette (Supply Chain Management); steht für Kostensenkung und Optimierung der Beschaffungsprozesse durch Standardisierung (Katalogsysteme), aber auch durch Ausschreibungen und Auktionen bzw. Reverse Auctions, ❏ E-Development: gemeinsame, standort- und unternehmensübergreifende Produktentwicklung auf der Basis von Internet-Technologien, ❏ E-Service für Kunden: schnelle Bearbeitung und Beantwortung von Kundenanfragen und -problemen rund um die Uhr, aber auch Newsgroups, Foren und Wissens- und Produktdatenbanken, ❏ E-Learning für Angestellte: Förderung der dezentralen und individuell gesteuerten Weiterbildung (z. B. in der Form von computerbasierten Lehrgängen, Wissensdatenbanken und Foren) durch Internet-Technologien, ❏ E-Care für „Influencers”: sachliche Information und personalisierte Betreuung von öffentlichkeitsrelevanten Personen und Gruppen eines Unternehmens (z. B. Journalisten, Analysten) über das Internet, ❏ E-Intelligence: umfassende Auswertung der durch die Internet-Präsenz anfallenden Kundendaten als Basis für das Kundenbeziehungsmanagement (CRM), die kundenbezogenes Marketing (One-to-one-Marketing) und die Markenführung durch einen „E-Brand“ ermöglichen. Deutliche Favoritenthemen und heiße Eisen um diese Handlungsfelder herum sind derzeit Portale, Marketplaces, Supply Chain Management, Corporate Websites, Shops und Mobile Internet. E-Business-Management Der Weg vom „Doing E-Business“ zum „Being E-Business“ ist ein immer wieder und mit wandelnder Geschwindigkeit zu beschreitender Pfad - Verbraucherverhalten, Wettbewerb und Technologie führen dazu, dass E-Business keine Eintagsfliege oder Einmalaktivität, sondern eine ständige Aufgabe für die nächsten Jahre sein wird. Aus der Sicht der Unternehmensführung ist dies eine besondere Herausforderung, die nur durch ein spezifisches E-Business-Management-System zu bewältigen sein wird. Dieses wird durch folgende Zielsetzungen und Aufgabenfelder bestimmt: ❏ das E-Business-Programm (Strategie, Geschäftsmodelle, Marketing und Innovation) eines Unternehmens zu entwickeln und voranzutreiben, ❏ die Umsetzung des E-Business-Programms zu koordinieren und zu unterstützen, ❏ den Lebenszyklus von Web-Produkten (z. B. einem Online-Versicherungsverkauf) zu verfolgen und zu unterstützen, ❏ den IT-Infrastrukturbetrieb für das E-Business (Applikations-Integration, Webhosting, Netzwerke, Updates, Security, …) und beteiligte Partner zu koordinieren und zu überwachen. Wo liegen die Probleme in E-Business-Projekten? E-Business-Projekte beinhalten eine nicht zu unterschätzende Komplexität, die Geschäftsstrategie und -modelle, Prozesse und Organisation, IT-Infrastruktur, Webdesign und Marketing einschließt. Verglichen mit Business Process Reengineering oder IT-Projekten ist ihre Komplexität deutlich höher, da die Geschäftsprozesse über die Organisationsgrenzen hinausgehen und umfangreiche IT-Systeme zu verknüpfen sind. Darüber hinaus haben im Zeitalter des „Der-Wettbewerber-ist-nur-einen-Klick-entfernt“ gut gestaltete Webpages sowie eine reibungslose Funktionalität eine eminente Wichtigkeit für den Geschäftserfolg. Ein Nichtbeherrschen der komplexen Materie eines E-Business-Projektes äußert sich in Realisierungsschwächen und Fehlschlägen, von denen einige in Abb. 3 auszugsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgelistet sind. Was sind nun die übergeordneten Ursachen für die Fehlschläge? Im Rahmen der Beratungspraxis konnte festgestellt werden, dass Misserfolge von E-Business-Projekten aus dem Zusammenwirken „klassischer Projektmanagementfehler“, den speziellen Schwierigkeiten von E-Business-Projekten sowie den Auswirkungen vergangener Managementtrends resultieren. Im Einzelnen bedeutet dies: ❏ Zerstückelung der E-Business-Einführung in ein Konglomerat von Projekten und Einzelaktivitäten: Hierbei wird nicht selten versucht, E-Business-Aktivitäten politisch geschickt durch eine „scheibchenweise“ Realisierung in die Tat umzusetzen. Auch wenn dies opportun erscheint, so ist doch die Komplexität eines E-Business-Projektes in dieser Weise nicht zu bewältigen (vgl. auch [8]). Ebenso werden nicht selten ähnliche Projekte mit unterschiedlichen Dienstleistern parallel gestartet und nicht miteinander abgeglichen; ❏ Reduktion von E-Business auf informationstechnologische Aufgabenstellungen: Da die Zuständigkeit für E-Business-Projekte in vielen Fällen bei der IT-Leitung angesiedelt ist (62 Prozent von 835 deutschen Unternehmen ([1], S. 25), besteht die deutliche Gefahr, dass der Geschäftsfokus (z. B. relevante Produkte und Dienstleistungen, Markterfordernisse, Kundensegmente, Allianzen) aus dem Blickfeld gerät und informationstechnologische Aufgabenstellungen (z. B. Shopanbindung) im Vordergrund stehen; ❏ Know-how-Probleme für E-Business: E-Business-spezifische Geschäfts-, Prozess- und Organisationsmodelle, rasante Innovationen in der Informationstechnologie, kundenorientiertes Informationsmanagement, Webdesign und Online-Marketing erfordern ein hohes fachliches Wissen, das nur partiell oder gar nicht in den Unternehmen vorhanden ist. Darüber hinaus haben, bedingt durch eine fortgeschrittene Dezentralisierung der Geschäftsbereiche, immer weniger Personen das erforderliche Wissen, E-Business-Themen bereichsübergreifend bearbeiten zu können; ❏ Mängel in Strategie-, Entscheidungs- und Controllingprozessen: Schwierigkeiten einer erfolgreichen Realisierung von E-Business-Projekten begründen sich auch durch unzureichende Strategieentwicklungsprozesse. So gaben 64 Prozent der in 1999 befragten Unternehmen an, noch keinerlei Strategie für den Einsatz einer E-Business- oder E-Commerce-Lösung zu haben ([1], S. 8). Entscheidungen sind häufig nur von statischem Kosten-Nutzen-Denken geprägt und werden durch budgetäre Bereichsegoismen weiter verzögert. Das Controlling fußt meist auf traditionellen P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 22 WISSEN Größen wie ROI, richtet sich an einem binnenorientierten Unternehmenskonzept aus und greift auf falsche Erfahrungswerte zurück (vgl. [9]); ❏ Ressourcenengpässe in den Unternehmen sowie in den Beratungs- und Dienstleistungsfirmen: Der Ressourcenbedarf umfassender E-Business-Projekte, die zeitgleich mit anderen internen Projekten durchgeführt werden, kann häufig nicht ausreichend gedeckt werden, da nach Abbau zahlreicher interner Stabs- und Supportabteilungen das erforderliche qualifizierte Personal für Reorganisation, Programmierung, Webdesign und Projektmanagement fehlt. Zudem sind die Personalmärkte in diesen Wissensgebieten leergefegt. Aber auch Beratungs- und Dienstleistungsfirmen kämpfen mit dem Problem, für ihre Kundenprojekte ausreichend qualifiziertes Personal bereitstellen zu können; ❏ belastete Dienstleistungsbeziehungen: In den vergangenen Jahren wurden in vielen Unternehmen Teile der unternehmerischen Leistungserstellung ausgegliedert, um sich auf die Kernaufgaben zu konzentrieren und Kosten zu senken. Insbesondere aufgrund des letzten Punktes existieren häufig von einem finanziellen „Nullsummenspiel“ und Misstrauen geprägte Dienstleistungsbeziehungen, deren Denkhaltung und Know-how auf beiden Seiten nicht geeignet sind, nun plötzlich hoch anspruchsvolle E-Business-Projekte kreativ, schnell und motiviert durchzuführen (vgl. [1], S. 15); ❏ unzeitgemäßer Führungsstil im E-Business und in E-Business-Projekten: Es gelingt häufig nicht, die unterschiedlichen Kompetenzen und Mentalitäten zu integrieren und Synergien aus einem gemeinsamen Vorgehen zu gewinnen. Obwohl temporär und punktuell immer wieder Höchstleistungen gefordert werden, wird zu wenig für ein teamorientiertes und stimulierendes Klima in produktiver Arbeitsatmosphäre gesorgt. Erfolgreiche E-Business-Realisierung durch Programmmanagement Wie bereits gezeigt, ist der Weg ins E-Business aufgrund seiner dynamischen Kontexte (Märkte, Technologien, Partnerschaften, Arbeitskulturen) und der Vielzahl der beteiligten Akteure besonders komplex. Umso schwieriger und von zahlreichen Unsicherheiten geprägt ist daher auch das Management des Weges in Richtung E-Business. Ein Projektmanagement, welches nur auf eine Einzelprojektbetrachtung abhebt (und dies ist häufig noch der Fall), genügt nicht mehr, da es für die hohen Unsicherheiten des E-Business zu kurz greift. In Anlehnung an vorhandene Definitionen (vgl. [10], S. 6; [11], S. 16) sollte für die E-Business-Einführung ein entsprechender Programmansatz zur Anwendung kommen, welcher vernetzte Einzelprojekte vereint und die vorhandenen Unsicherheiten durch eine übergeordnete Strategieentwicklung und -verfolgung kompensiert (vgl. Abb. 4). E-Business-Strategieentwicklung als wesentliche Basis des Programmmanagements Die Entwicklung einer E-Business-Strategie speist sich aus der Unternehmensstrategie, dem vorhandenen IT- E-Commerce erbringt keinen Mehrwert für das Unternehmen Kunden mit Kaufprozess unzufrieden (Artikel nicht verfügbar, Fehllieferungen, Verzögerungen, falsche Bepreisung, …) Interaktion im Internet unzumutbar (lange Antwortzeiten, Navigation irreführend, Browserfehlfunktion) Callcenter-Dienstleistungen unzureichend (nicht verfügbar, nicht kompetent oder überfordert) Security-Probleme (Kunden-/ Firmendaten gehen verloren oder werden manipuliert, Systeme werden lahm gelegt) … Geschäftsstrategie und -modelle Prozesse und Organisation IT-Infrastruktur Webauftritt Marketing • Produkte-/ Dienstleistungen nicht aus Unternehmensstrategie abgeleitet • Business Case unzureichend • Dienstleistungen nicht in Geschäftsmodell eingebunden • Reibungsverluste zwischen Internet- und anderen Vertriebskanälen • Vertriebsanbindung unzureichend • Logistikprozess nicht auf E-Commerce abgestimmt • Mitarbeiter unzureichend geschult • Brüche zwischen Vertriebs- und After-Sales-Prozess • fehlende Zuständigkeiten und Prüfungsprozeduren • fahrlässiger Umgang seitens der Mitarbeiter • Fehlinvestitionen in Hardware und Software • Integration der einzelnen IT- Systeme unzureichend • Kapazität der IT- Systeme falsch und nicht skalierbar ausgelegt • Callcenter-Support- Systeme zu langsam • Kunden- Datenbanken veraltet • fehlendes State-ofthe-art-Sicherheitskonzept • Systeme fehlerhaft konfiguriert Schwachstellen in folgenden Bereichen • Bedienungsoberfläche unterstützt Kunden nicht und lässt Fehleingaben zu • Informationsdesign unzureichend • Standards nicht eingehalten • keine sichere Dateneingabe möglich • keine spezifische Vermarktung des Internethandels • zu umfangreiche Werbung stört Kunden im Kaufprozess • Ladezeit fressende Werbung Typische Fehlschläge von E-Business-Projekten Abb. 3: Typische Quellen für Fehlschläge von E-Business-Projekten P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 23 Potenzial und Geschäftsgelegenheiten; bestehende E-Business-Initiativen und Projekte werden zusammengefasst und in einen Gesamtkontext gestellt. Die Strategie dient im Wesentlichen der Festlegung eines E-Business-Entwicklungspfades (nicht einer Marschrichtung! ) und reduziert die E-Business-Komplexität für ein Unternehmen in Bezug auf Entwicklung und Priorisierung von E-Business-Initiativen und -Projekten. Eine E-Business-Strategie ist der Startpunkt für das E-Business-Programmmanagement. Sie unterliegt einer periodischen Verbesserung durch Erfahrungen und Erkenntnisse in den einzelnen E-Business-Projekten sowie einer schnellen Anpassung an Markt- und technologische Chancen. Ziel des Strategieprojektes sind die Entwicklung und grobe Beschreibung folgender Inhalte: ❏ Geschäftsmodelle: Welche Produkte und Dienstleistungen auf Basis der Internettechnologien werden mit welchen Partnern wie erbracht? Wie ist Customer-Relationship-Management umzusetzen? ❏ Prozess- und Organisationskonzept: Welche Geschäftsprozesse und welche Organisationsstruktur werden für diese Geschäftsmodelle benötigt? ❏ Marketing-Konzept: Wie werden die Produkte und Dienstleistungen zukünftig offline und online vermarktet? Welche externe und interne Corporate Identity wird benötigt? ❏ Webauftritt: Welche Gestaltung begeistert unsere Kunden? Welche Navigationslogik ist erforderlich? Wie realisieren wir das Content Management? Mit welchen Partnern wollen wir wie zusammenarbeiten? ❏ IT-Infrastruktur: Welche Funktionalität und Performance werden benötigt? Welche Systeme werden zukünftig eingesetzt? Wie werden vorhandene Systeme verbunden und/ oder integriert? Welches Sicherheitskonzept ist erforderlich? Sind externe Dienstleister eingebunden? ❏ Personal (Human Resources): Was ist der Qualifizierungsbedarf, wie werden vorhandene Mitarbeiter weiterentwickelt und wie werden passende neue Mitarbeiter für das E-Business gewonnen? Wie wird das Wissensmanagement gestaltet? sowie ❏ Return on Web-Investment (ROWI): Welche Investitionen sind erforderlich? Wie und woran wird der Erfolg der E-Business-Initiativen und Projekte gemessen und bewertet? ❏ Unternehmens-/ Arbeitskultur („E-Culture“): Wie wird oder muss die zukünftige Form der Arbeit, der Zusammenarbeit und des Lernens im Unternehmen und mit den Geschäftspartnern aussehen? ❏ Transformationsplanung: Wo steht das Unternehmen, und welche Maßnahmen und welches interne Marketing sind für die Transformation des Unternehmens in Richtung „Being E-Business“ erforderlich? Funktion und Aufgaben des E-Business-Programmmanagements Das E-Business-Programmmanagement agiert auf der strategischen und der operativen E-Business-Ebene und verknüpft diese. Auf der strategischen Ebene sind insbesondere das Aufsetzen des E-Business-Strategieprojektes sowie die Weiterentwicklung der E-Business-Strategie von Bedeutung. Auf der operativen Ebene gilt es, die E-Business-Initiativen und -Projekte anzustoßen und zu koordinieren, laufende E-Business-Projekte zu unterstützen und deren Resultate einem kontinuierlichen E-business-Management zuzuführen. Weitere, wesentliche Bestandteile des E-Business-Programmmanagements sind die Verknüpfung von strategischer Konzeption und konkreter Realisierung sowie die Förderung von Lernprozessen auf und zwischen diesen Ebenen. Darüber hinaus ist das Lifecycle-Management von Webprodukten, d. h. die Konzipierung, Realisierung und Weiterentwicklung von Internet-spezifischen Produkt- und Serviceangeboten, zu unterstützen. Erfolgreiche E-Business-Projekte und erfolgreiches E-Business sind das gelungene Zusammenspiel zahlreicher unternehmensinterner und externer Kompetenzen, Funktionen und Personen (vgl. Abb. 5). Das E-Business-Programmmanagement muss hierbei dafür Sorge tragen, dass die Zusammenarbeit funktioniert und Konflikte zielorientiert, letztendlich im Sinne des Kunden gelöst werden. Hieraus können für das E-Business-Programmmanagement folgende Aufgaben abgeleitet werden: ❏ Vorantreiben der Entwicklung und Fortführung einer E-Business-Strategie und einer E-Business-Roadmap, ❏ Entwicklung und Koordination von E-Business-Initiativen und -Projekten, ❏ Gestaltung und Unterstützung des strategischen und operativen Partner- und Dienstleister-Managements für das E-Business, ❏ Coaching und Review von E-Business-Projekten, Online/ Offline Marketing Programmmanagement Prozessoptimierung Aufbau/ Ausbau IT-Infrastruktur Kompetenzentwickl./ Kulturwandel Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Review/ Finetuning E- Business-Strat. Realisierungsprojekte Entwicklung E- Business- Strategie Finetuning E- Business- Strategie strategisch operativ Review/ Finetuning E- Business-Strat. Abb. 4: Ablauf E-Business-Programmmanagement P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 1 24 WISSEN ❏ Entwicklung von Standards für die effiziente Bearbeitung von E-Business-Projekten, ❏ Budgetvorbereitung sowie Wirtschaftlichkeits- und Erfolgsbetrachtungen für das E-Business, ❏ Dokumentation und Kommunikation wesentlicher Ergebnisse sowie Erfahrungen/ Erkenntnisse (Knowledge-Management), ❏ Durchführung von Benchmarks, ❏ Unterstützung des Lifecycle-Managements von Webprodukten, ❏ Unterstützung und ggf. Koordination der E-Business- Transformation, ❏ Advokat und „Nervenzentrale“ für das E-Business (Visionen, Trends, Veränderungen, Marketing, …). Für die Umsetzung dieser Aufgaben bedarf es einer firmenspezifischen Zielsetzung und Arbeitsplanung des Programmmanagements, der Definition der erforderlichen Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus gilt es für die Beteiligten des E-Business- Programmmanagements, Maßnahmen bezüglich Stakeholder-Management, Marketing und Kommunikation sowie der Weiterentwicklung der persönlichen Wissensbasis zu ergreifen. Fazit und Ausblick Die Herausforderungen an das E-Business-Programmmanagement für ein erfolgreiches E-Business sind vielfältiger Natur: Vorantreiben des E-Business, Verknüpfung verschiedenster und teilweise weltweiter Projekte und Initiativen, Umgang mit ungleichen Unternehmen, Kulturen und Menschentypen sowie das Zusammenspiel sozialer und technischer Systeme. Auf der Habenseite steht die gute Chance, erfolgreich am Markt zu bestehen und die Position auszubauen oder verlorenes Terrain wiederzugewinnen. Im E-Business werden von allen Beteiligten zeitintensive und intellektuell anspruchsvolle Höchstleistungen gefordert, die nur in einem teamorientierten Klima erbracht werden können. Der Spaß am E-Business-Programmmanagement liegt hierbei auch in der Möglichkeit, eine „E-Culture“ mit gestalten zu können. Literatur [1] Meta Group: Electronic Business in Deutschland. Meta Group GmbH, Ismaning 2000 [2] Wirtz, Bernd: Electronic Business. Gabler, Wiesbaden 2000 [3] Peiner, Werne: Elektronischer Handel krempelt die Logistik um. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 1. 2001 [4] Butt, Joseph L./ Rutstein, Charles/ Howe, Carl D./ Kim, Steven D.: Staples’ Path To Nonstop eBusiness. The Forrester Report. Forrester Research, Cambridge 2001 [5] IBM: e-business Strategy and Governance. International Business Machines Corporation, Armonk 1999 [6] Tapscott, Don/ Ticoll, David/ Long, Alex (Hrsg.): Digital Capital. Harvard Business School Press, Boston 2000 [7] Dörken, Jost: Spurensuche auf elektronischen Pfaden. E-Intelligence, Wirtschaftlichkeit messen. In: Computerwoche extra, 5/ 2000, S. 52-55 [8] Waterhouse Change Integration Team: Das Management-Paradox. Campus, Frankfurt/ Main 1997 [9] Cameron, Bobby/ Meringer, Julie/ Dawe, Christopher/ Jastrzembski, Emily: Measuring eBusiness Success. The Forrester Report. Forrester Research, Cambridge 2000 [10] Gareis, Roland: Programmmanagement und Projektportfolio-Management. In: Projektmanagement 1/ 2001, S. 4-11 [11] Patzak, Gerold/ Rattay, Günter: Projekt Management. Linde, Wien 1996 Schlagwörter E-Business, E-Business-Entwicklungspfad, E-Business- Gestaltungsfelder, E-Business-Strategie, Programmmanagement Autor Dr.- Ing. Peter Michael Frieß (36); Diplom-Ingenieur Luft- und Raumfahrttechnik. Promotion zum Dr.-Ing. über systemisches Organisationsprojektmanagement. Teamleiter E-Business Strategie & Design Consulting und Themenverantwortlicher Portale im IBM E-Business Innovation Center Hamburg. Zuvor Projektmanager IT bei Philips Semiconductors Hamburg sowie Beratung von Unternehmen und Non-Profit-Organisationen. Assessor und Teamleiter für den Deutschen PM- Award 1998, 1999 und 2000. Zahlreiche Fachpublikationen. Aktives Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement und im Programm „Neue Wege im Projektmanagement“ (www.gpm-ipma.de/ 04-1_wege.htm). Anschrift Gärtnerstraße 101 D-20253 Hamburg Tel./ Fax.: 0 40/ 43 18 03 40 E-Mail: peterfriess@lycos.de Projekt n Projekt 2 Projekt 1 Programmmanagement Strategischer Berater/ Partner Top- Management IT-Provider Multimedia- Agentur Marketing- Agentur Prozess- Beratung Rechtsberatung Web-Produkt- Management IT-Management Marketing- Management .... .... weitere Funktionen Abb. 5: Schema E-Business-Programmmanagement-Organisation