eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 12/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
121
2001
124 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Ab ins „Netz“ mit dem Projekt?

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2001
Oliver Steeger
Mit der Devise „Projekte ins Netz“ drängen Internet-Anbieter zunehmend auf den Projektmanagement-Markt. Kernidee ihrer Dienstleistung: Sie bieten Projektteams „Projektbüros“ im Internet. Auf den virtuellen Schreibtischen findet das Team Projektakten, kann seine Arbeit erledigen, Botschaften hinterlassen oder sich zu Meetings treffen. Ähnliches bieten zwar auch die Intranets vieler Unternehmen, doch die hausinternen Systeme verwehren externen Partnern wie Kunden, Lieferanten oder Beratern den Zugang. So stoßen Intranets beim modernen Projektmanagement schnell an die Grenzen. Die Versuche vieler Projektmanager, Partner immer stärker ans Projekt zu binden, können mit den neutralen Internet-Plattformen besser gelingen.
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P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 7 S tecker rein und mittendrin im Projektgeschehen: Lieferanten aus Brasilien, der Kunde in Berlin, der Werkleiter in Bayern, der Projektleiter in Essen und die Entwickler in Holland haben ihre Zelte im Internet aufgeschlagen und dort ihr gemeinsames Büro angemietet. Dort hat jeder seinen Schreibtisch. Es gibt „Besprechungsräume“ mit Flipcharts zum Skizzieren, gemeinsame Kalender, gemeinsame Aktenschränke und schwarze Bretter. Zusammen über Plänen sitzen und diskutieren, im Archiv nach Unterlagen suchen, SMS versenden, Arbeiten planen, Zeiten protokollieren - das Projektbüro ist überall dort, wo die Mitarbeiter sind. Zumindest virtuell. Aus den USA kommt der Trend, digitale Projektbüros und Arbeitsräume einzurichten. Derzeit fasst er auch in Deutschland Fuß. So nutzen nach Angaben des Anbieters „eRoom“ beispielsweise Siemens, Hewlett-Packard, Sony, Adidas-Salomon und Bertelsmann den Service. Teams aus rund fünfhundert Unternehmen hat der Provider unter Vertrag und vermietet die digitalen Inter- Oliver Steeger Mit der Devise „Projekte ins Netz“ drängen Internet-Anbieter zunehmend auf den Projektmanagement-Markt. Kernidee ihrer Dienstleistung: Sie bieten Projektteams „Projektbüros“ im Internet. Auf den virtuellen Schreibtischen findet das Team Projektakten, kann seine Arbeit erledigen, Botschaften hinterlassen oder sich zu Meetings treffen. Ähnliches bieten zwar auch die Intranets vieler Unternehmen, doch die hausinternen Systeme verwehren externen Partnern wie Kunden, Lieferanten oder Beratern den Zugang. So stoßen Intranets beim modernen Projektmanagement schnell an die Grenzen. Die Versuche vieler Projektmanager, Partner immer stärker ans Projekt zu binden, können mit den neutralen Internet- Plattformen besser gelingen. Ab ins „Netz“ mit dem Projekt? Übers Internet mit weltweit verteilten Projektpartnern zusammenarbeiten: Teams können bei Providern virtuelle Projektbüros anmieten. Foto: Klee.ac - advanced communication P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 8 REPORT Datenklau oder im Netz verlorene Dateien - eine Horrorvision für Projektmanager. Bevor Sie im Netz ein virtuelles Projektbüro einrichten, sollten Sie die Sicherheitstechnik der Provider prüfen. Provider, die ihre Karten in puncto Sicherheit nicht offen legen (wollen), sollten nicht in die engere Wahl kommen. 1. Verfügbarkeit. Prinzipiell müssen die Daten und Funktionen sieben Tage pro Woche rund um die Uhr verfügbar sein. Die Provider müssen garantieren, dass niemand auf seine Daten warten muss, Verbindungen stabil sind und das Login zügig geschieht. 2. Verschlüsselung. Unverschlüsselt gleichen im Internet verschickte Dateien den Postkarten: Sie sind für jedermann einsehbar. Spezielle Verschlüsselungen - beispielsweise der SSL-Standard des Homebankings - schützen alle Daten vor unbefugten Mitlesern. Manche Provider lassen ihre Sicherheitstechnik von unabhängigen Sachverständigen regelmäßig überprüfen. Lassen Sie sich die Sicherheitstechnik erklären. Fordern Sie Nachweise. 3. Passwörter. Mitarbeiter können sich nur über Passwörter einwählen. Nutzen sie den Computer längere Zeit nicht, muss sich das System automatisch abmelden. Wichtige Frage: Wie sind Notebooks gegen fremden Zugriff abgesichert, wenn Mitarbeiter unterwegs sind? 4. Die Mitarbeiter des Providers. Der Provider sollte nachweisen, wie er den Zugriff seiner Mitarbeiter auf Projektunterlagen geregelt hat. Je weniger Dritte die Daten einsehen können, desto besser. 5. Serverarchitektur. Die Dateien werden an einem fremden Ort gespeichert. Welche Maßnahmen ergreift der Provider, um seine Server gegen unbefugten Zugriff zu schützen? Wie sichert er die Dateien? Einige Anbieter trennen den Applikationsserver (über den Anwendungen gestartet werden) von dem Server, der Dokumente speichert. Dieser Dokumentenspeicher ist physisch vom Internet getrennt. Dokumente können nur über den Applikationsserver gestartet werden. 6. Hotline. Der Provider muss ständig erreichbar sein und schnell helfen können, wenn es im System mal klemmt. Überprüfen Sie den Service. Stichwort: Sicherheit Projektdaten einem fremden Provider per Internet anvertrauen? „Die Daten auf unserem zentralen Server könnten nicht besser gesichert sein“, meint Mathias Malmgren, Managing Director Deutschland bei Projectplace. Der „virtuelle Schreibtisch“ ist überall erreichbar (und immer aufgeräumt! ). Benutzerfreundlichkeit ist entscheidend, damit die Zusammenarbeit via Internet im Team funktioniert. Foto: Projectplace Foto: Projectplace P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 9 Verbesserte Kommunikation, effiziente Nutzung des Know-hows und unkomplizierte Handhabung - Provider digitaler Arbeitsumgebungen sind um Argumente nicht verlegen, wenn sie ihre virtuellen Projektbüros anbieten. Argumente, die überzeugen: Mitarbeiter klinken sich von jedem beliebigen Ort zu jeder beliebigen Uhrzeit live ins Projektgeschehen ein. „Egal, ob Sie für ein Projekt mitbieten, Produkte entwickeln oder etwas herstellen - Sie erhalten Zugang zu den neuesten Daten und Informationen“, nennt Mathias Malmgren, Managing Director Deutschland bei Projectplace, ein Argument, das besonders für Ingenieur- und Bauprojekte zählt. Er argumentiert: „Solche Projekte werden von einem Konsortium verschiedener Unternehmen geführt. Sie benötigen eine gemeinsame, neutrale Arbeitsplattform, die sich auch von der Baustelle oder aus dem Büro beteiligter Partnerunternehmen erreichen lässt.“ Mitarbeiter greifen auf stets aktuelle Informationen zu. Dokumente sind zentral abgelegt und von überall erreichbar. Für Projektleiter bedeutet dies, über Informationen zu verfügen, die immer und automatisch auf dem neuesten Stand sind. Mitarbeiter brauchen Projektleiter nicht ständig um die aktuellen Informationen zu bitten. Wichtig für Entwickler und Bauingenieure: Die Arbeitsplattformen müssen mit der Software und den Dateiformaten harmonieren, die im Unternehmen verwendet werden. So sollten sie verbreitete Dateiformate beispielsweise von CAD-Plänen, Projektplänen und Tabellen unterstützen. Alle Projektbeteiligten in einem Boot. Prinzipiell ließe sich ein digitales Projektbüro im firmeneigenen Intranet einrichten. Problematisch wird es, wenn externen Partnern der Zutritt zu dem Büro gestattet werden soll. Hier kann in der Tat eine zentrale Plattform das Miteinander vereinfachen. Vorteil: Einige Provider stellen auch die benötigte Software und Anwendungen online zur Verfügung. Alle Teilnehmer können damit gängige Dokumente einlesen und bearbeiten. Probleme beim Austausch und beim Konvertieren von Dateien gehören der Vergangenheit an. Chancen für Ausbildung. Für Unternehmen, akademische Einrichtungen und Bildungsträger bieten sich die digitalen Arbeitsplattformen als Alternative zu Seminarräumen an. So lassen sich Lehrmittel über die Plattformen vertreiben, in Gruppen arbeiten, Probleme lösen, diskutieren oder Erfahrungen austauschen. In Schweden startet ein erstes Großprojekt: 170 Schulen werden an ein Gigabyte-Netzwerk angeschlossen. In einheitlicher IT-Umgebung werden rund achtzigtausend Schüler mit ihren Lehrern kommunizieren. Das Projekt soll nicht nur neue Wege des Schulbetriebs ausprobieren, sondern auch auf die Arbeitswelt von morgen vorbereiten. Kostenfaktor. Externe IT-Lösungen kosten Geld. Doch statt den „Zukauf“ der Leistungen zu verwerfen, sollten Teams mit dem spitzen Bleistift rechnen und die Kosten kalkulieren, die sich ergeben, wenn sie auf eigene Faust im Intranet ein virtuelles Büros einrichten und pflegen. Ebenfalls ein nachvollziehbares Argument der Provider: Als „Spezialisten“ verfügen sie über eine sichere und erprobte Plattform, die mit aktueller Software arbeitet. Finanziell interessant sind auch verschiedene Ansätze, das Büro nicht zu mieten, sondern nach Nutzung zu zahlen. Digitales Projektbüro - weshalb? net-Büros. Der aus Skandinavien stammende Provider „Projectplace“ zählt weltweit bereits siebzigtausend registrierte Anwender aus fünftausend Unternehmen, darunter BP, Avis, Ericsson sowie die Universitäten von Amsterdam und Maastricht. Die Dienstleister offerieren ihren Service zunehmend deutschsprachig, ein entscheidender Schritt, um die Plattformen hier zu etablieren. „Viele Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter, die unsicher sind im Umgang mit der englischen Sprache“, hat Prof. Dr. Joachim Schuler, Experte für Management Information Systems an der Fachhochschule Pforzheim, festgestellt. Wichtig ist auch, dass die Anbieter Dokumente und Dateien in Echtzeit zugänglich machen. Nur so können Teams gleichzeitig an ihren Unterlagen arbeiten, virtuelle Gruppen bilden und die Dokumente gemeinsam erörtern und ergänzen. Längst steht im WWW-Projektbüro mehr als nur ein „Aktenschrank“, der Projektunterlagen aufnimmt und weltweit erreichbar macht. Viele Provider richten im virtuellen Büro Besprechungsräume, schwarze Bretter und gemeinsame Terminkalender ein. Zum Mindestangebot gehören Chat-Funktionen, also Netz-Meetings, zu denen sich Mitarbeiter treffen können. Beim Chat tippt ein Mitarbeiter beispielsweise Fragen ein, auf die andere antworten. So können fast unbegrenzt viele Teammitglieder diskutieren, Ideen entwickeln und Informationen austauschen. Praktisch: Der schriftlich geführte Chat lässt sich abspeichern. Der Anbieter eRoom hat diese Chat-Funktion verfeinert. Er ermöglicht Whiteboard- und Brainstorming- Sitzungen, bei denen Teilnehmer ihre Ideen live visualisieren und bei der Diskussion eindeutig gekennzeichnete „Stifte“ verwenden. Weitere Kommunikationsofferte: Besprechungsgruppen können gewissermaßen ihre Bildschirme miteinander vernetzen. Beispielsweise ruft ein Mitarbeiter Anwendungen, Websites oder Dokumente auf, derweil die anderen Teilnehmer via Internet zuschauen. Das, was auf dem einen Monitor abgebildet ist, zeigt sich auch auf den anderen Bildschirmen. Diese Desktop-Steuerung kann die Gruppe dann problemlos von einem Benutzer zum anderen übergeben. Entscheidend für die Wahl eines Providers sind neben der Datensicherheit (siehe Kasten) die Features, mit de- P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 1 10 REPORT nen er sich auf die Bedürfnisse der Projektteams spezialisiert hat. Einige Anbieter haben sich hervorragend auf Projektarbeit eingestellt. Beispielsweise mit der „Feedback“- Funktion: Was hat sich in den letzten 24 Stunden im Projekt getan? Bei Projectplace erhalten die Mitglieder eines Projekts automatisch einen Ereignisbericht, der sie über die Geschehnisse und Aktivitäten auf dem Laufenden hält. Rote Symbolflaggen kennzeichnen auf dem Bildschirm Bereiche, die sich verändert haben. Im Dokumentenarchiv geben Verlauf und Versionierung Übersicht, wer was wann im Projekt durchgeführt hat. Mit seinem Projektbüro ins Netz „umzuziehen“ kann sich auch in puncto Budget rentieren. Die Dienstleister stellen Server-Hardware, Infrastruktur und Software zur Verfügung. Mehr als einen PC oder ein Notebook, ein Modem und einen Telefonanschluss brauchen die Nutzer nicht. Lizenzgebühren für Software, Kosten für Serverwartung und Hardware entfallen weitgehend. Einige Anbieter lassen sich ihren Service nach einem neuen Tarifmodell bezahlen: Statt ihre Kapazitäten nach Pauschalpreisen zu vermieten, berechnen sie nach dem „Pay-per- Use“-System nur die Leistungen, die das Team tatsächlich nutzt. Als Mittelwert gibt ein Anbieter zwölf Euro pro Teilnehmer und Monat an. Infos: www.eroom.com, www. projectplace.de, www.collaboration-tools.com ■ Mal eben im „virtuellen Projektbüro“ vorbeischauen: Projektmitarbeiter und Partner können alle wichtigen Daten abrufen, Dokumente ansehen, sich an Diskussionen beteiligen oder Termine verwalten.