eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 13/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2002
131 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektmanager und Sportspieltrainer: Zwei Seiten einer Medaille?

31
2002
Stefan König
Im vorliegenden Beitrag werden Gemeinsamkeiten und parallele Strukturen von Projektmanagement in der Wirtschaft und dem Management einer Saison in den Sportspielen herausgearbeitet. In beiden Bereichen zeigt sich, dass der Projektleiter bzw. der Trainer als zentraler Erfolgsfaktor gilt und Erfolg im Projekt bzw. in der Saison zu einem großen Teil von den steuernden Maßnahmen dieser Personen abhängt. Folglich sind für beide Stellen spezifische Schlüsselqualifikationen (Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz) notwendig. Entscheidend für die Umsetzung dieser Kompetenzen sind letztendlich angemessene Techniken und Methoden, die sich nach Sizemore House [26] in drei Blöcke aufgliedern lassen: Formale Planungs- und Kontrollmethoden, Methoden der internen Integration und Methoden der externen Integration. Da sowohl in der Unternehmens- wie auch in der leistungssportlichen Praxis die Bedeutung einer effektiven Teamarbeit häufig betont wird, bedarf es in beiden Bereichen einer intensiven empirischen Überprüfung der jeweiligen Empfehlungen aus Theorie und Praxis. Dies erfolgt im Rahmen einer Untersuchung, die sich mit Maßnahmen zur Teambildung von Sportspieltrainern auseinander setzt.
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P R O J E K TMANA G E M E N T 1 / 2 0 0 2 19 WISSEN Projektmanager und Sportspieltrainer: Zwei Seiten einer Medaille? Stefan König Im vorliegenden Beitrag werden Gemeinsamkeiten und parallele Strukturen von Projektmanagement in der Wirtschaft und dem Management einer Saison in den Sportspielen herausgearbeitet. In beiden Bereichen zeigt sich, dass der Projektleiter bzw. der Trainer als zentraler Erfolgsfaktor gilt und Erfolg im Projekt bzw. in der Saison zu einem großen Teil von den steuernden Maßnahmen dieser Personen abhängt. Folglich sind für beide Stellen spezifische Schlüsselqualifikationen (Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz) notwendig. Entscheidend für die Umsetzung dieser Kompetenzen sind letztendlich angemessene Techniken und Methoden, die sich nach Sizemore House [26] in drei Blöcke aufgliedern lassen: Formale Planungs- und Kontrollmethoden, Methoden der internen Integration und Methoden der externen Integration. Da sowohl in der Unternehmenswie auch in der leistungssportlichen Praxis die Bedeutung einer effektiven Teamarbeit häufig betont wird, bedarf es in beiden Bereichen einer intensiven empirischen Überprüfung der jeweiligen Empfehlungen aus Theorie und Praxis. Dies erfolgt im Rahmen einer Untersuchung, die sich mit Maßnahmen zur Teambildung von Sportspieltrainern auseinander setzt. Z wischen Spitzenleistungen im Mannschaftssport und Spitzenleistungen in der Wirtschaft gibt es Parallelen. Beide Bereiche können voneinander lernen.“ Ausgehend von dieser These hat Dieter Frey, Organisationssoziologe aus München, seinen Vortrag auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie 1995 in Tübingen eröffnet und in diesem Referat deutlich gemacht, dass die Aufgaben einer Führungsperson in der Wirtschaft und eines Trainers im hochleistungsorientierten Mannschaftssport sehr ähnlich sind [1]. Diese Parallelität soll in einem ersten Abschnitt herausgearbeitet werden, indem Gemeinsamkeiten zwischen Projektmanagement und einer Sportspielsaison aufgezeigt werden. Da es letztendlich im Sport und in der Wirtschaft zuallererst um Erfolg geht, steht die Analyse des Projektleiters als Erfolgsbzw. Misserfolgsfaktor im Mittelpunkt des zweiten Abschnitts. Die beiden folgenden Kapitel untersuchen die Methodenkompetenz von Projektleitern, wobei diese zunächst allgemein und anschließend in Bezug auf das Projektteam diskutiert wird. Da Trainer in einer besonderen Situation 1 sind, berichtet der fünfte Abschnitt von einer empirischen Untersuchung aus der Sportwissenschaft, die Planungs- und Kontrollprozesse von Trainern in Bezug auf den Erfolgsfaktor „Teamentwicklung“ analysiert. Ziel des Beitrages ist es somit, parallele Strukturen zwischen Projektmanagement und Saisonmanagement aufzuzeigen, um letztendlich das spezifische Wissen dieser beiden Konzepte Gewinn bringend für das jeweils andere einzusetzen. 1. Projekte: Gemeinsamkeiten von Wirtschaft und Sport Das in der Betriebswirtschaftslehre entwickelte Projektmanagement kann als Leitungs- und Organisationskonzept zur Durchführung komplexer Vorhaben bezeichnet werden [2, 3, 4, S. 19]. Dieser theoretische Ansatz ist insofern auf die Situation „Erfolgsplanung im Mannschaftssport“ übertragbar, als die folgenden sechs Parallelen vorliegen: ❏ Komplexität und zeitliche Begrenzung sind zentrale Merkmale wirtschaftlicher Projekte [5, 6, 7]. Auch eine Sportspielsaison kann als komplexe, aber zeitlich begrenzte Aufgabe betrachtet werden. Sie ist insofern komplex, als sie Teilaufgaben wie Trainingssteuerung, Spielerrekrutierung, Mannschaftsentwicklung, Spielvorbereitung und -steuerung etc. umfasst. Die zeitliche Begrenzung ergibt sich aus der Tatsache, dass sich dies alles in der Regel auf ein Jahr bezieht [8]. ❏ Einzelne Projekte haben im Rahmen der Implementierung einer längerfristigen Unternehmensstrategie eine große Bedeutung, da langfristige Zielsetzungen nur 1 Alltagsbeobachtungen zeigen, dass Trainer im Erfolgsfall alles richtig gemacht haben und hochgejubelt werden, sie zeigen aber auch, dass im Falle einer nach unten verlaufenden Erfolgskurve sich ihre Macht sehr schnell in Ohnmacht verwandelt und die Entlassung droht, was eine anerkannte süddeutsche Zeitung mit der Aussage kommentiert, dass sich die „Haltbarkeitszeit von Trainern immer mehr verringert“ [37]. P R O J E K TMANA G E M E N T 1 / 2 0 0 2 20 WISSEN dann realisierbar sind, wenn Teilziele und damit Projektziele erreicht werden [5, S. 64]. Auch eine sportliche Planung über mehrere Jahre ist nur dann realisierbar, wenn Teiletappen und damit Saisonziele erreicht werden [8]. ❏ Betrachtet man Projekte aus einer organisationstheoretischen Perspektive, dann zeigen sich ebenfalls Parallelen zwischen Projekten in der Wirtschaft und Saisonprojekten in den Sportspielen. Beck [5] hat deutlich gemacht, dass Projekte durch eine triadische Grundstruktur gekennzeichnet sind, die aus Auftraggeber, Projektleitung und dem Projektteam besteht. Mit dem Präsidium bzw. dem Management als oberstem Lenkungsgremium, dem Trainer als Projektleiter und der Mannschaft als Projektteam liegt im Mannschaftssport eine vergleichbare Struktur vor. ❏ Projektphasen, Problemlösezyklen und Wissensübertragung sind weitere wichtige Vorgänge und Fragestellungen, mit denen sich Projektmanagement befasst [9, 5, 10]. Trainingsphasen, Phasen der Mannschaftsentwicklung, Konflikte zwischen Spielern, Misserfolgsserien und Informationspolitik gegenüber einzelnen Spielern und der gesamten Mannschaft sind nur einige Beispiele, die auch bezüglich dieser Fragestellungen parallele Strukturen aufzeigen, wobei allerdings Zeit- und Öffentlichkeitsdruck eine spezifische Betrachtung erfordern. ❏ Gruppen- und Interessenkonflikte führen relativ schnell zur Nichtbefriedigung individueller Interessen, wodurch Krisen entstehen. Gerade weil auch in Projekten das Team im Mittelpunkt steht [11, 12], hat sich ein Bereich der Forschung mit Krisenmanagement in Projekten auseinander gesetzt und Strategien erarbeitet, die auch auf Mannschaften im Spitzensport übertragbar sind [13]. ❏ Projektmanagement beschäftigt sich im Rahmen der Analyse von Gestaltungselementen der Projektorganisation auch mit dem Verhältnis zwischen geplanter und spontaner Entstehungsweise und hat hierzu Modellvorstellungen vorgelegt [5, S. 173]. Da eine Saison durch Verfehlen von Teilzielen, durch falsche Spielerpolitik und viele weitere Faktoren eine enorme Eigendynamik entwickeln kann, müssen Planung und Organisation auch flexibel und spontan möglich sein. Diesen Parallelen zwischen wirtschaftlichem Projektmanagement und Leistungsplanung im Mannschaftssport sind auch einige Unterschiede gegenüberzustellen, die bei einer solchen theoretischen Analyse zu beachten sind. Zu nennen sind hier insbesondere die unmittelbaren, konkreten und vor allem emotional erfassbaren Erfolge und Misserfolge im Sport, die starke körperliche Komponente der Sportspiele sowie die enorm hohe Geschwindigkeit, mit der sich Fehler in den Mannschaftssportarten rächen können. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Gemeinsamkeiten bei weitem überwiegen, sodass als Fazit im Sinne einer ersten Parallele festgehalten werden kann, dass Projektmanagement und das Management einer Sportspielsaison vergleichbare Aufgabenbereiche umfassen. 2. Der Projektleiter als Erfolgsfaktor Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass „erfolgreiches Projektmanagement die Kenntnis der potenziellen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren voraussetzt“ [6, S. 11], ist festzuhalten, dass im Bereich des Projektmanagements eine große Zahl an Arbeiten zu den Erfolgsfaktoren von Projekten existiert (vgl. u. a. [5, 11, 12, 14, 15, 16, 17, 18, 19]). Zwischen dem Anspruchsniveau, das an solche Effizienzbehauptungen herangetragen wird, sowie der Menge und der Qualität ihrer empirischen Überprüfungen besteht allerdings des Öfteren ein Gegensatz. Dennoch haben zunächst Gemünden [16] 11 und später Lechler [20] 44 Studien gefunden, die Erfolgsfaktoren empirisch überprüft haben. Ein Review dieser Untersuchungen macht deutlich, dass insgesamt elf verschiedene und empirisch überprüfte Faktoren für Erfolg in Projekten vorliegen [20], wobei allerdings festzuhalten ist, dass für die einzelnen Bereiche eine unterschiedliche Untersuchungsdichte existiert. Ein Vergleich dieser Studien zeigt darüber hinaus, dass die Projektleitung bzw. der Projektleiter als eine der zentralen Größen im gesamten Netz der Erfolgsforschung zu betrachten ist, Erfolg folglich zu einem großen Teil auch von den Befugnissen, vor allem aber von den steuernden Maßnahmen des Projektleiters [18, S. 182] und somit sehr stark von der Person [4, S. 170] und der Persönlichkeit [21] des Projektleiters abhängt. Insofern kommt der Besetzung dieser Stelle eine entscheidende Bedeutung zu, zumal sie als „höchst anspruchsvoll“ [7, S. 90] gilt und vielschichtige Qualifikationen erfordert [4, 6, 10, 22]. Was solche spezifischen Qualifikationen bzw. das Know-how von Projektleitern anbelangt, hat die Fachliteratur unterschiedlichste Profile vorgelegt (vgl. zusammenfassend [6]), die bei einem Vergleich aber alle folgenden drei Schlüsselkompetenzen umfassen: ❏ eine Fachkompetenz, die mit der jeweiligen spezifischen Aufgabenstellung zusammenhängt und von Kenntnissen über betriebliche Abläufe bis zu EDV- Kompetenz reicht; ❏ eine Methodenkompetenz, die als zentrales Standbein der Projektleiterkompetenz betrachtet wird und das Beherrschen von Methoden und Techniken des Projektmanagements beinhaltet; ❏ eine Sozialkompetenz, die sich auf das Beherrschen von Gesprächsführung, individuelles Durchsetzungsvermögen und Fähigkeiten zur Gruppenführung bezieht. Damit zeigt sich an dieser Stelle eine zweite Parallele zwischen Projektmanagement und Mannschaftssport: Bezieht man sich nämlich in diesem Zusammenhang auf Überlegungen zur Trainerausbildung [23, 24], dann wird deutlich, dass auch für den Trainerberuf diese Kompetenzen eingefordert werden. Projektmanagement und das Management einer Sportspielsaison sind folglich nicht nur vergleichbare Aufgabenbereiche, vielmehr erfordern die dort anfallenden Aufgaben auch analoge Kompetenzen, sodass die Fortsetzung des begonnenen Vergleichs auf der Ebene Projektmanager und Trainer legitimiert wird. 3. Techniken und Methoden im Projektmanagement Entscheidend für eine effektive Umsetzung der vom Projektleiter geforderten Kompetenzen und damit letztendlich auch für den Erfolg eines Projekts sind entsprechende Techniken und Methoden [25, S. 25], über die Projektleiter verfügen sollten. Interessant für das vorliegende Problem ist in diesem Zusammenhang der Sys- P R O J E K TMANA G E M E N T 1 / 2 0 0 2 21 tematisierungsversuch von Sizemore House [26], die in enger Anlehnung an McFarlan [27] drei Methodenbereiche für Projektmanager unterscheidet (vgl. Abb. 1). Dabei fällt auf, dass der Begriff „Methode“ weit gefasst verstanden wird und beispielsweise auch Vorgehensweisen bei der Bewältigung von Konflikten im Team und Maßnahmen zur Projektteambildung umfasst. Im Einzelnen sind unter den genannten drei Sammelbegriffen die folgenden Methoden und Techniken zu verstehen: ❏ Formale Planungs- und Kontrollmethoden: Projekterfolg hängt nicht zuletzt von einer realistischen Zielplanung sowie einer angemessenen Projektsteuerung ab, die jeweils verschiedene Teilaufgaben und Arbeitsschritte umfassen. Hierfür hat die Betriebswirtschaftslehre effiziente Methoden entwickelt (vgl. u. a. [28, 4, 7]). Im Mannschaftssport stehen in diesem Bereich dagegen Methoden im Mittelpunkt, mit denen Trainer Saisonziele, Zwischenziele sowie Training und Wettkämpfe planen und kontrollieren. ❏ Methoden der internen Integration: Projektmanagement ist ein Führungskonzept, das mit dem Faktor Mensch steht und fällt. Insofern haben personale Faktoren einen wesentlich höheren Einfluss auf den Pro- 1. Formale Planungs- und Kontrollmethoden 2. Methoden der internen Integration 3. Methoden der externen Integration Erfolg im Projekt Abb. 1: Methoden der Erfolgsplanung im Projektmanagement P R O J E K TMANA G E M E N T 1 / 2 0 0 2 22 WISSEN jekterfolg als technokratische Instrumente [11, 12]. Mitarbeiterorientierung, das Schaffen von Freiräumen für Eigenverantwortlichkeit und die Unterstützung einer „Team Identity“ durch entsprechende Arbeits- und Moderationstechniken sind deshalb zentrale Aufgaben für Projektleiter [28, 6]. Für die Sportspiele bedeutet dies, dass die Zusammenarbeit mit den Spielern bzw. ihre Integration in das Projekt „Saison“ einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt und somit die Art und Weise, wie Trainer die Spieler in ihren Planungen berücksichtigen, wie sie ihr Projektteam „zusammenschweißen“ und wie sie Konflikte lösen, von großem Interesse sind. Darüber hinaus ist Erfolg im Projekt wahrscheinlicher, wenn eine Funktionstrennung zwischen Projektleiter und Prozessbegleiter vorgenommen wird [19]. Auf eine Mannschaft übertragen bedeutet dies, dass neben dem Trainer, der für das Produkt verantwortlich ist, ein Prozessbegleiter zu implementieren ist, der für den Gesamtablauf verantwortlich zeichnet. Hier ist zu fragen, ob und welche Personen Trainer neben sich akzeptieren und wie sie mit dieser Person zusammenarbeiten. ❏ Methoden der externen Integration: Auch die systematische Gestaltung der Beziehungen zum Auftraggeber und zu allen anderen Interessenten [29] spielt bei Effizienzüberlegungen im Projektmanagement eine Rolle. Trainer sind deshalb zu befragen, ob und, wenn ja, wie sie Beziehungen nach außen, also zu Sponsoren, Zuschauern und weiteren Abnehmern, gestalten. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass Projektmanagement Erfolgsfaktoren kennt und für deren Realisierung Methoden und Techniken anbietet, die zu großen Teilen vom Projektleiter einzusetzen sind. Damit ergibt sich eine weitere (dritte) Parallele zwischen Projektmanagement und der Führung von Sportspielmannschaften: Auch Trainer benötigen entsprechende Techniken und Methoden, um erfolgreich arbeiten zu können, wobei davon ausgegangen wird, dass ein ausgewählter Systematisierungsversuch [26] durchaus übertragbar ist. 4. Teamarbeit - wenig erforschter Erfolgsfaktor im Projektmanagement Sowohl in der Unternehmenswie auch in der leistungssportlichen Praxis wird die Bedeutung einer effektiven Teamarbeit immer wieder betont. Dabei ist sich die Betriebswirtschaftslehre klar darüber, dass „gute Teamarbeit beeinflussbar, ihre Entwicklung jedoch nicht umsonst zu haben ist“ [11, S. 226]. Erster Schritt einer guten Teamarbeit ist die Teamentwicklung [30], die vor allem durch die Kohäsionsfunktion des Projektleiters [31] vorangetrieben werden soll. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, benötigen Projektleiter angemessene Techniken und Methoden der internen Integration, die sie in der Projektarbeit einsetzen (vgl. Kapitel 3) und mit Hilfe deren sie einerseits Beziehungen im Team gestalten und andererseits genauso auf tatsächliche oder potenzielle Störungen im Team reagieren können [25, S. 18]. Genau an dieser Stelle zeichnet sich eine weitere und damit vierte Parallele zwischen Projekten in der Wirtschaft und im Mannschaftssport ab: Sowohl im Projektmanagement der Wirtschaft wie auch im Mannschaftssport bedarf es noch einer intensiven empirischen Überprüfung der in diesem Bereich gemachten Empfehlungen, was letztendlich einen erheblichen Fortschritt gegenüber den meist undifferenzierten Ratschlägen, die aus Praxis und Theorie kommen, bedeuten würde. Wechselt man an dieser Stelle nun wieder die Perspektive und bezieht sich auf die Planung und das Management einer Saison, dann haben die bisherigen Ausführungen mehrfach deutlich gemacht, dass Trainer auf verschiedenen Ebenen der Projektplanung, der Projektdurchführung und der Projektkontrolle im Mittelpunkt stehen und letztendlich für den Erfolg des jeweiligen Projekts die Verantwortung tragen. Aufgrund fehlender empirischer Untersuchungen ist es deshalb angezeigt, im Sinne von Fallstudien Trainer bezüglich ihrer persönlichen Managementprinzipien zu befragen, um das Wissen und die Methoden kennen zu lernen, die erfolgreiche Trainer im Alltag anwenden und die sie letztendlich auch auszeichnen. Diese gilt es anschließend auf ihre Übertragbarkeit auf das klassische Projektmanagement zu überprüfen. 5. Empirische Untersuchung Um eine Fundierung alltagstheoretischen Wissens zu erreichen, wird es aus forschungsmethodologischer Sicht notwendig, den Trainer „als Macher und Experten in die Untersuchung hereinzuholen“ [32, S. 85]. Hieraus resultiert auch die besondere Eignung des Expertenansatzes für das vorliegende Forschungsproblem. Erste Erfahrungen im Bereich der Rekonstruktion von Alltagstheorien zum Techniktraining im Sport [33] haben hierbei deutlich gemacht, dass sich halbstandardisierte, fokussierte Interviews als Datenerhebungsinstrument eignen. Insgesamt betrachtet ergibt sich für die hier dargestellte Untersuchung folgendes Design: Für die Untersuchung der spezifischen Planungs- und Kontrollprozesse von Trainern wurden Führungsprinzipien bezüglich des gesamten Projekts „Sportspielsaison“ ausgewählt. Insofern bezogen sich die Interviews auf die eher komplexen Aufgaben, die Trainer zu erfüllen haben. Insgesamt wurden in einer ersten Studie acht Trainer aus den Sportarten Basketball, Fußball, Handball und Volleyball interviewt. Durch Hinzunahme von zwei Explorationsgesprächen (ein Basketballtrainer, ein Handballtrainer) aus einer zweiten (Längsschnitt-)Studie zum gleichen Thema erhöhte sich die Zahl auf zehn Probanden. Tabelle 1 gibt einen Überblick über das Untersuchungskollektiv sowie über die Daten (Datum, Ort, Dauer und Manuskriptumfang) der einzelnen Interviews. Die Gesamtheit der Untersuchungsergebnisse würde den an dieser Stelle möglichen Rahmen sprengen. Insofern erfolgt eine exemplarische Präsentation der Resultate, die sich auf die Zusammenstellung der Mannschaft, auf ihre Struktur sowie auf Struktur bildende Maßnahmen durch den Trainer beziehen. Begründet wird diese Auswahl mit der Tatsache, dass im Rahmen des Projektmanagements dem Faktor Mensch und dem Projektteam eine sehr große Bedeutung zukommt [16, 11, 12]. Mannschaftszusammenstellung, Mannschaftsstruktur und Struktur bildende Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang über die Items Spielerrekrutierung (16), Kohäsion (18) und Hierarchie (20) sowie über die Items Maßnahmen des Trainers bezüglich Kohäsionsförderung (19) und Maßnahmen des Trainers be- P R O J E K TMANA G E M E N T 1 / 2 0 0 2 23 züglich Hierarchiebildung (21) analysiert. Insgesamt ergaben sich die folgenden Ergebnisse: ❏ Zusammenstellung der Mannschaft: Bei der Zusammenstellung des Teams zu Beginn einer Saison lassen sich im Prinzip zwei zentrale Managementstrategien unterscheiden. Personalentscheidungen sind zum einen durch das angestrebte taktische Konzept determiniert, wobei in diesem Zusammenhang Trainer bestrebt sind, jede Spielposition und damit jede Spezialistenaufgabe doppelt zu besetzen, um gegen Ausfälle jeglicher Art gerüstet zu sein. Das zweite entscheidende Kriterium ist die Persönlichkeitsstruktur der Spieler. Als Auswahlmerkmale nennen Trainer (1) Ehrgeiz, Fleiß und Motivation, (2) eine gute Teamfähigkeit, aber auch (3) die Tendenz, Querdenker zu verpflichten, um einer „heilen Welt“, die für Trainer leistungshemmend ist, entgegenzuwirken. ❏ Kohäsion und Leistung: Neun von zehn Trainern sehen einen Zusammenhang zwischen dem Zusammenhalt einer Mannschaft und ihrer Leistung, wobei die Einschätzungen der Bedeutung von „sicherlich dienlich“ (Trainer Fußball, 2. Bundesliga) bis „sehr hoch“ (Trainer Handball, 2. Bundesliga) reichen. Deutlich wird auch, dass sich der Zusammenhalt der Mannschaft insbesondere auf die Attraktivität der Aufgaben und Ziele sowie vor allem auf die Geschlossenheit hinsichtlich der Aufgaben und Ziele bezieht. ❏ Maßnahmen zur Förderung von Kohäsion: Bis auf zwei der befragten Trainer haben alle Interviewpartner eine klare Vorstellung von den Maßnahmen, die sie zur Förderung der Kohäsion ihrer Mannschaft planen. Diese reichen von eher traditionellen Dingen (gemeinsam weggehen oder zusammensitzen) über Spiele zur Entwicklung der Gruppendynamik bis hin zu Maßnahmen, die von professionellen Unternehmen geplant und durchgeführt werden. Insofern zeigt sich eine eindeutige Tendenz, dass Trainer die Bedeutung von Synergieeffekten für die eigene Mannschaft nutzen wollen und dafür auch investieren. ❏ Hierarchie und Leistung: Ganz eindeutig favorisieren alle zehn befragten Trainer die Existenz einer Hierarchie innerhalb der Mannschaft. Auffallend bei diesem Ergebnis ist, dass die Trainer einer Hierarchie offensichtlich mehr Bedeutung beimessen als der Kohäsion, da nahezu alle Aussagen eindeutig sind. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls erwähnenswert, dass der Zusammenhang zwischen Hierarchie und Leistung auch andersherum gesehen wird: „… wenn es nicht funktioniert (die Hierarchie) innerhalb einer Mannschaft, dann wirkt sich das immer leistungsmindernd aus.“ (Volleyballtrainer, 1. Bundesliga). ❏ Maßnahmen zur Förderung von Hierarchie: Entsprechend der hoch anzusiedelnden Bedeutung von Hierarchie innerhalb einer Mannschaft planen Trainer im Rahmen ihres Saisonmanagements detailliert die Beeinflussung dieses Bereichs der Mannschaftsstruktur. Die Anfangsaufstellung (z. B. „Starting Five“), die Vergabe von Spielzeiten, Häufigkeit von Auswechslungen, die Zentrierung taktischer Maßnahmen auf ausgewählte Spieler, Festlegung von Mannschaftsrat und Spielführer, gezielter Einsatz von Kommunikation (Häufigkeit und Dauer von Gesprächen mit Spielern) und die Übertragung von Teilverantwortung sind Maßnahmen, mit denen Hierarchie geplant und auch regelmäßig gesteuert wird. 6. Zusammenfassung und Ausblick Übergeordnetes Ziel dieses Beitrages war eine Auseinandersetzung mit den parallelen Strukturen von Projektmanagement und Mannschaftssport. Die Sportwissenschaft profitiert von diesem Ansatz insofern, als sie von einer eindimensionalen und teildisziplinorientierten Sichtweise Abstand nehmen und dadurch das gesamte Problem angehen kann. Da Spitzentrainer häufig unter noch größerem Druck als Manager arbeiten müssen, ist es denkbar, dass die Betriebswirtschaftslehre in diesem speziellen Fall auch profitiert, indem sie Planungs- und Kontrollstrategien von Trainern in ihre Programme implementiert. Dies hätte zur Konsequenz, dass sportwissenschaftliche Ergebnisse (vgl. oben) Ausgangspunkt für betriebswirtschaftliche Untersuchungen, vor allem aber für Trainingsprogramme, sein könnten. Ein weiteres Ausdifferenzieren dieses Ansatzes erfordert allerdings eine weitere Überlegung: Es ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Trainer - im Übrigen wie Manager - Aufgaben unterschiedlicher Komplexität zu erfüllen haben. Orientiert man sich auch in diesem Zusammenhang an einem Modell der Wirtschaftswissenschaften, dann ist eine Unterscheidung in langfristigstrategische, taktische und operative Aufgaben üblich [34, 35]. An diesem Raster haben sich weitere Untersuchungen zu orientieren [36]. Insgesamt scheint der von Frey [1] begonnene Weg lohnenswert, Theorien und Erkenntnisse der Theorie der Sportspiele und der Betriebswirtschaftslehre gegenseitig Gewinn bringend einzusetzen, zumal Erfolg, ob in Form von Finanzen oder Toren, in beiden Bereichen in der Zwischenzeit das Maß aller Dinge ist und auch in Zukunft sein wird. ■ Interviewpartner Spielklasse Datum/ Ort Dauer (min)/ Umfang Basketballtrainer 1 1. Bundesliga (F) 9. 7. 2000, E 120/ 37 Basketballtrainer 2 1. Bundesliga (F) 10. 7. 2000, WÜ 90/ 25 Handballtrainer 1 2. Bundesliga (M) 11. 7. 2000, TÜ 75/ 25 Fußballtrainer 1 1. Bundesliga (M) 19. 7. 2000, UL 50/ 14 Volleyballtrainer 1 2. Bundesliga (M) 31. 8. 2000, MÜ 75/ 30 Volleyballtrainer 2 1. Bundesliga (M) 31. 8. 2000, M 80/ 25 Handballtrainer 2 2. Bundesliga (M) 31. 1. 2001, GP 80/ 25 Fußballtrainer 2 2. Bundesliga (M) 14. 2. 2001, RT 55/ 24 Basketballtrainer 3 2. Bundesliga (M) 2. 10. 2000, TÜ 35/ 11 Handballtrainer 3 2. Bundesliga (M) 22. 3. 2001, S 65/ 29 Tabelle 1: Untersuchungskollektiv der Trainerstudie (grau unterlegte Zeilen verdeutlichen die Zugehörigkeit zur 2. Studie). F = Frauen, M = Männer. P R O J E K TMANA G E M E N T 1 / 2 0 0 2 24 WISSEN Literatur [1] Frey, D.: Notwendige Bedingungen für dauerhafte Spitzenleistungen in der Wirtschaft und im Sport: Parallelen zwischen Mannschaftssport und kommerziellen Unternehmen. In: Conzelmann, A./ Gabler, H./ Schlicht, W. (Hrsg.): Soziale Interaktionen und Gruppen im Sport. Bps 1995, S. 18 [2] Rinza, P.: Projektmanagement, Planung, Überwachung und Steuerung von technischen und nichttechnischen Vorhaben. Düsseldorf 1985, 5 [3] Wischnewski, E.: Modernes Projektmanagement. 2. 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