PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Rundum-Service über die Werkshallen hinaus
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Oliver Steeger
Eine Welt wird transparent - so wirbt Volkswagen für seine neue „Gläserne Manufaktur“ in Dresden, wo der Konzern seit Dezember 2001 Luxusautos unter den Augen von Kunden und Öffentlichkeit fertigen lässt. Ähnlichen Einblick gewähren die Wolfsburger seit Jahresbeginn in ihr Projektmanagement. Wenngleich unspektakulär: Fast zeitgleich mit der Eröffnung der Manufaktur fiel der Startschuss für das „Projektmanagement Kompetenz Center“. Es soll, so das hohe Ziel, Projektmanagement-Praxis verbessern, und das nicht nur im eigenen Hause. Wie der Konzern Autos verkauft, wird er auch Projektmanagement „verkaufen“ - sogar über die Branchengrenzen hinaus.
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P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 15 D ie Pläne sind ehrgeizig. Im September 2001 nickte der Vorstand das „Projektmanagement Kompetenz Center“ ab. Zum Jahreswechsel ging es an den Start. In fünf Jahren werden es - wenn alles gut geht - 60 Consulter sein, die beraten, coachen, managen, trainieren und schulen. Doch bis dahin liegt ein Stück Weg vor dem Team. Zwar sind bis zu 9.000 VW- Mitarbeiter mit Projektarbeit betraut, ein fruchtbarer Acker für die Consulter - doch gibt es für die Projektmanager im Konzern keinen „Zwang“, die hauseigenen Experten ins Boot zu holen. Ganz im Gegenteil, das Center steht im Wettbewerb zu konzernfremden Beratern. Anders als „Project Offices“ hat Volkswagen sein Kompetenz Center als eigenständiges Profit Center organisiert, um dort sein Projektmanagement-Know-how zu bündeln - und es auch über die Werkstore hinaus anbieten zu können. Immerhin die Hälfte seiner Kapazität will das Center Unternehmen außerhalb des Konzerns andienen. Bei der Branche legt sich das Team keine Fesseln an. Der Schwerpunkt wird bei Automotive liegen, daran kein Zweifel, doch existiert bereits als „Branchenfremder“ ein Telekommunikationsunternehmen im Kundenkreis der niedersächsischen PM-Spezialisten. Berührungsängste und Erbhofdenken - davon haben sich die Berater verabschiedet. Volkswagen hat in Sachen Projektmanagement-Service nicht nur mobil gemacht, um sein eigenes Projektmanagement zu verbessern und lukrativen Service zu bieten. Priorität hat auch ein weiteres Ziel: Die Berater ho- Oliver Steeger Eine Welt wird transparent - so wirbt Volkswagen für seine neue „Gläserne Manufaktur“ in Dresden, wo der Konzern seit Dezember 2001 Luxusautos unter den Augen von Kunden und Öffentlichkeit fertigen lässt. Ähnlichen Einblick gewähren die Wolfsburger seit Jahresbeginn in ihr Projektmanagement. Wenngleich unspektakulär: Fast zeitgleich mit der Eröffnung der Manufaktur fiel der Startschuss für das „Projektmanagement Kompetenz Center“. Es soll, so das hohe Ziel, Projektmanagement-Praxis verbessern, und das nicht nur im eigenen Hause. Wie der Konzern Autos verkauft, wird er auch Projektmanagement „verkaufen“ - sogar über die Branchengrenzen hinaus. Rundum-Service über die Werkshallen hinaus Volkswagen eröffnet „Projektmanagement Kompetenz Center“ Bis zu 9.000 Mitarbeiter sind im Volkswagen- Konzern mit Projektarbeit beschäftigt. Foto: Volkswagen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 16 REPORT len aus anderen Branchen frische Impulse in den Wolfsburger Konzern, die sich für das eigene Management verwerten lassen. Weshalb nicht beispielsweise von der Telekommunikation, von der Bauwirtschaft, der Informationstechnik oder der Biochemie lernen? Zudem: Kompetenz sammeln die VW-Projektmanager auch bei der GPM, mit der das Center Schulterschluss sucht und deren Normen es teilweise übernimmt. So müssen alle Berater des Kompetenz-Centers den „Projektmanagement-Fachmann“ des Fachverbands nachweisen. Zudem nutzen sie obligatorisch das computergestützte PM-Assessment „PM DELTA compact“ der GPM, um die Qualität des Projektmanagements ihrer Klienten zu überprüfen. Partnerschaftliches Konzept Derweil viele Unternehmen derlei Projektmanagement- Stellen per Vorstandsdekret einrichten, gingen bei Volkswagen Initiative und Vorschlag von der Basis aus. Dort wünscht man sich ein partnerschaftlich orientiertes Konzept, um das Projektmanagement im Konzern zu verbessern. Die derzeit 15 Experten wollen nur beraten und unterstützen, nicht das Projektmanagement im Hause überwachen und auf seine Qualität hin kontrollieren. Sensibilisieren für Projektmanagement, ein kooperatives Miteinander zwischen den Beratern und den Projektmanagern suchen, Projektmanagement „von unten“ implementieren - so umreißen die Berater ihre Aufgabe. Seit rund 25 Jahren arbeitet der Automobilhersteller mit Projektmanagement. Sein Problem ist: In der weiten Konzernlandschaft werden die Tools und Techniken unterschiedlich intensiv genutzt. Insellösungen und unvollständige Ansätze prägen - wie in Großorganisationen häufig - das Bild. Beispielsweise bei der Fahrzeugentwicklung gehört gutes Projektmanagement zum Tagesgeschäft. Bei der Ersatzteillogistik oder bei Organisationsprojekten allerdings kann es Lücken aufzeigen. Für die Projektmanagement-Profis aus dem neuen Center bedeutet dies, zunächst gewissermaßen Projektmanagement-Inventur zu machen und Bedarf zu ermitteln. Keine leichte Aufgabe. Um festen Grund unter den Füßen zu bekommen, hat das „Projektmanagement Kompetenz Center“ eine Studie zum Thema Projektmanagement unter anderem in der Automotive-Branche aufs Gleis geschoben. Mit rund 500 Interviews wird der Konzern eine Bestandsaufnahme machen und untersuchen, welchen Trend das Projektmanagement nimmt. Der Fokus richtet sich weit über VW hinaus, auch wird sich die Studie nicht allein mit der Automotive-Branche beschäftigen. Veröffentlichungstermin: Frühjahr oder Sommer 2002. Drei Säulen des Kompetenz-Services Das Team des Kompetenz Centers will künftig nicht nur Projektmanagement in Organisationen aufbauen. Die Implementierung, so betont VW-Projektmanagement- Fachmann Karsten Schmidt, ist nur eine von drei Säulen, auf die sich Angebot und Service stützen. Die beiden anderen Schwerpunkte setzt das Kompetenz Center bei der Steuerung konkreter Projekte und bei der Qualifizierung. So rücken die Fachleute bei Projekten an und helfen dort aus, wo es im Projekt zu Engpässen kommt. Beispielsweise stellen sie Backoffices bereit, helfen bei Planung und Projektstart, übernehmen das Controlling oder optimieren den Ablauf. Wichtiges Ziel: Das Projektteam soll dabei von den Experten lernen. Im Idealfall schieben die Wolfsburger Fachleute das Projekt mit an, zeigen, wie es geht - und ziehen sich dann peu à peu zurück. Coaching-Absichten schwingen, so Karsten Schmidt, bei allen Dienstleistungen mit. Schnell haben die Wolfsburger begriffen, wie wichtig in ihrem Konzept das Top-Management ist - egal, ob sie inhouse oder in fremden Betrieben tätig werden. Implementieren sie Projektmanagement, stimmen sie die Erwartungen der obersten Führungscrew mit den Leistungen ab, die Projektmanagement wirklich bieten kann. Auch offeriert das Center den Top-Managern gesonderte Expertenwissen-Workshops, um sie über ihre Rolle im Projektmanagement zu orientieren. Wie Projektführung besetzen? Weshalb ist ein Projektleiter „Geschäftsführer auf Zeit“? Wie Entscheidungen kommunizieren, wie mehrere Projekte steuern? „Hier geht es nicht darum, Wissen zu vermitteln oder gar zu trainieren“, erläutert VW-Projektmanagement-Fachmann Karsten Schmidt, „wir wollen für Projektmanagement sensibilisieren.“ ■ Volkswagen gibt Gas - auch in Sachen Projektmanagement. Ein eigenes Kompetenz-Center bietet jetzt Projektmanagement an. Foto: Volkswagen