eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 13/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
61
2002
132 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften

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2002
Roland Gareis
Martina Huemann
Gesellschaften, die Projekte und Programme als temporäre Organisationen zur Durchführung relativ einzigartiger Prozesse mittleren bis großen Umfangs einsetzen, können als Projektorientierte Gesellschaften wahrgenommen werden. Ziel der Forschungsinitiative „Project-oriented Society“ der IPMA - International Project Management Association ist es, ein Modell der „Projektorientierten Gesellschaft“ (POG) zu entwickeln und dieses zur Beurteilung und zum Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften einzusetzen. Eine erste Gruppe Projektorientierter Gesellschaften, nämlich Dänemark, Großbritannien, Österreich, Rumänien, Schweden und Ungarn, haben sich bereits einem Benchmarking unterzogen. Die Teilnahme weiterer nationaler Gesellschaften ist geplant.
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P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 17 Roland Gareis, Martina Huemann Gesellschaften, die Projekte und Programme als temporäre Organisationen zur Durchführung relativ einzigartiger Prozesse mittleren bis großen Umfangs einsetzen, können als Projektorientierte Gesellschaften wahrgenommen werden. Ziel der Forschungsinitiative „Project-oriented Society“ der IPMA - International Project Management Association ist es, ein Modell der „Projektorientierten Gesellschaft“ (POG) zu entwickeln und dieses zur Beurteilung und zum Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften einzusetzen. Eine erste Gruppe Projektorientierter Gesellschaften, nämlich Dänemark, Großbritannien, Österreich, Rumänien, Schweden und Ungarn, haben sich bereits einem Benchmarking unterzogen. Die Teilnahme weiterer nationaler Gesellschaften ist geplant. Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften Projekt- und Programmmanagement sowie Projektportfolio-Management in verschiedenen europäischen Staaten 1. IPMA-Forschungsinitiative „Project-oriented Society“ Die IPMA - International Project Management Association führt seit 1999 die Forschungsinitiative „Projectoriented Society“ unter der Leitung des Autors durch. Ziel mehrerer Forschungsprojekte ist es, ein Modell der Projektorientierten Gesellschaft (POG) zu entwickeln und anzuwenden. In einem Projekt „POG-Konzeption“ wurde das Modell der POG entworfen. Basierend auf diesem Modell wird zurzeit das Projekt „POG-Benchmarking“ durchgeführt. Die Ziele dieses Projekts sind die Beurteilung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften, die Analyse von Gemeinsamkeiten und von Unterschieden Projektorientierter Gesellschaften und die Entwicklung von Strategien zur Weiterentwicklung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften. Eine erste Gruppe Projektorientierter Gesellschaften, nämlich Dänemark, Großbritannien, Österreich, Rumänien, Schweden und Ungarn, haben im Zeitraum Oktober 2000 bis März 2001 ein Benchmarking durchgeführt. Die Forschungsarbeit konzentriert sich auf die Entwicklung von Modellen und von Hypothesen. Die Beurteilung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften und deren Benchmarking unterstützt die Entwick- Anzeige WISSEN P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 18 WISSEN lung eines „viablen“ Modells der POG. Der Forschungsprozess verläuft in mehreren Schleifen der Informationssammlung, Hypothesenentwicklung und Reflexion. Als Methoden kommen dabei Fragebögen, Dokumentenanalysen, Beobachtungen und Gruppendiskussionen zur Anwendung. Die Interpretation der Daten und das Generieren von Hypothesen erfolgen in Workshops gemeinsam mit Vertretern der verschiedenen Projektorientierten Gesellschaften. Die Qualität der Beurteilungsergebnisse ist vom Prozess in den einzelnen POGs abhängig. Sie repräsentieren die Sichtweisen der Beurteilungsteams der jeweiligen Projektorientierten Gesellschaften. 2. Das Modell der Projektorientierten Gesellschaft Definition und Kontext der Projektorientierten Gesellschaft In vielen nationalen Gesellschaften werden verstärkt Projekte und Programme in Unternehmen, aber auch in anderen Organisationen, wie z. B. in kleinen Gemeinden, in Schulen und sogar in Familien, durchgeführt. „Management by Projects“ wird zu einer Organisationsstrategie von Gesellschaften, um mit der steigenden Komplexität und Dynamik der Umwelt umzugehen. Die Globalisierung der Wirtschaft, neue Technologien mit immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen, die Anwendung eines neuen Management-Paradigmas, charakterisiert durch virtuelle Organisationen, „Empowerment“, Wissensmanagement etc. unterstützen die Anwendung von Projekt- und Programmmanagement. Nicht nur die Industrie, sondern auch Non-Profit-Organisationen und Familien sehen Projekte und Programme als adäquate Organisationsformen, um relativ einzigartige (Geschäfts-)Prozesse mittleren bis großen Umfangs durchzuführen. Neue Anwendungsgebiete und neue Projektarten, wie beispielsweise Marketing-, Produktentwicklungs- und Organisationsentwicklungsprojekte, gewinnen an Bedeutung. Eine Gesellschaft, die Projekte und Programme als temporäre Organisationen zur Durchführung relativ einmaliger Prozesse mittleren bis großen Umfangs einsetzt, kann als Projektorientierte Gesellschaft wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung einer Gesellschaft als POG ist eine Konstruktion. Sie setzt die Beobachtung der Gesellschaft durch eine „spezifische Brille“, nämlich die Brille der Projektorientierung, voraus. Dabei werden jene Kommunikationen der Gesellschaft, die im Zusammenhang mit Projekten, Programmen und Projektportfolios stehen, betrachtet. Die Bedeutung von Projekten und Programmen in der Gesellschaft, die Struktur der Gesellschaft, ihre Geschichte sowie Erwartungen bezüglich ihrer Zukunft beeinflussen die Entwicklung der Kompetenzen der POG. Die Bedeutung von Projekten und Programmen in einer Gesellschaft kann durch die Anzahl der Projektorientierten Industrien und sonstiger Projektorientierter Organisationen bestimmt werden. Praxis Projektorientierter Organisationen und PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen Das „POG-Modell“ berücksichtigt einerseits die Praxis Projektorientierter Organisationen (POO) im Projektmanagement, Programmmanagement, Projektportfolio- Management, Personalmanagement und in deren organisatorischen Designs. Andererseits beschreibt das Modell PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen, die die Anwendung von Projekt-, Programm- und Projektportfolio-Management in der Praxis fördern. PM-bezogene Dienstleistungen werden von PM-Ausbildungs-, PM-Forschungs-, PM-Marketing- und PM- Standardisierungs-Institutionen erfüllt. Das „POG-Modell“ kann in Form eines Spinnennetzes visualisiert werden (siehe Abb. 1). Die Achsen des Spinnennetzes repräsentieren einerseits die Dimensionen der Praxis Projektorientierter Organisationen und andererseits die PM-bezogenen Dienstleistungen von Institutionen. Im Folgenden werden die Achsen des Spinnennetzes 0 20 40 60 80 100 Praxis des Projektmanagements Praxis des Programmmanagements Praxis des Projektportfolio- Managements Praxis des Personalmanagements Praxis des organisatorischen Designs Dienstleistungen der PM- Ausbildung Dienstleistungen der PM-Forschung Dienstleistungen des PM-Marketings Dienstleistungen der PM- Standardisierung Abb. 1: Modell der Projektorientierten Gesellschaft (Spinnennetzdarstellung) P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 19 stimmten Zeitpunkt durchführt. Das Projektportfolio ist mehr als die Summe der einzelnen Projekte, da es die Beziehungen zwischen Projekten berücksichtigt. Eine Projektportfolio-Datenbank ermöglicht die Erstellung von Projektportfolio-Berichten, sie ist die Basis für das Projektportfolio-Management. Projektportfolio-Berichte unterstützen Entscheidungen, ob Projekte gestartet bzw. abgebrochen werden sollen, und helfen bei der Prioritätensetzung zwischen Projekten. Personalmanagement in Projektorientierten Organisationen: Prozesse des Personalmanagements in POOs sind die Einstellung, die Disposition und die (Weiter-)Entwicklung von Projektpersonal. Grundlage für die Personalentwicklung kann ein PM-Karrierepfad darstellen, der die Stufen Junior-Projektmanager, Projektmanager, Senior-Projektmanager und PM-Executive beinhalten kann. Organisatorisches Design Projektorientierter Organisationen: Spezifische Strukturen Projektorientierter Organisationen sind einerseits permanente Organisationseinheiten, wie z. B. ein PM-Office, eine Projektportfolio- Group und Expertenpools, und andererseits integrative Hilfsmittel, wie z. B. Richtlinien zum Projekt- und Programmmanagement und zum Projektportfolio-Management und Standardprojektpläne. PM-Ausbildung: Formale PM-Ausbildungsprogramme können von privaten und öffentlichen Ausbildungsinstitutionen angeboten werden. Sie können zu einem akademischen Abschluss im Projektmanagement (z. B. Masbzw. die diesen Achsen zugrunde liegenden Begriffe und Modelle kurz beschrieben. Die detaillierten Inhalte der einzelnen Achsen werden aus den Fragen des Fragebogens zur Beurteilung der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften ersichtlich. Projektmanagement: Ein Projekt ist eine temporäre Organisation zur Durchführung eines relativ einmaligen, kurzbis mittelfristigen Prozesses mittleren bis großen Umfangs. Projektmanagement (PM) ist ein Geschäftsprozess Projektorientierter Organisationen. Der PM- Prozess beginnt mit der Projektbeauftragung und endet mit der Projektabnahme. Der PM-Prozess besteht aus den Subprozessen Projektstart, Projektkoordination, Projektcontrolling, der Bewältigung einer Projektdiskontinuität und dem Projektabschluss. Programmmanagement: Ein Programm ist eine temporäre Organisation zur Durchführung eines einmaligen, mittelbis langfristigen Prozesses großen Umfangs. Ein Programm besteht aus mehreren Projekten und Maßnahmen, die durch eine gemeinsame Zielsetzung eng gekoppelt sind. Programme sind zeitlich und budgetär begrenzt. Programmmanagement ist ein Geschäftsprozess Projektorientierter Organisationen, der aus den Subprozessen Programmstart, Programmkoordination, Programmcontrolling, Programmabschluss und manchmal aus der Bewältigung einer Programmdiskontinuität besteht. Projektportfolio-Management: Ein Projektportfolio besteht aus der Anzahl von Projekten (und Programmen), die eine Projektorientierte Organisation zu einem be- Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 20 WISSEN ten Organisationen und andererseits zur Bereitstellung von PM-bezogenen Dienstleitungen. Der Prozess der Beurteilung und des Benchmarkings der Kompetenzen Projektorientierter Gesellschaften wird wie folgt durchgeführt: ❏ Jede POG nominiert ein Institutionenteam und ein Praxisteam, das aus Vertretern der nationalen Projektmanagement-Vereinigung, von Projektorientierten Unternehmen und von Universitäten (PM-Forscher und PM-Studenten) besteht. Ein Koordinator je POG repräsentiert die POG im POG-Koordinationsteam. ❏ Die PM-bezogenen Dienstleistungen werden von dem Institutionenteam erhoben und beschrieben. Die Analyse wird mit Hilfe des POG-Fragebogens durchgeführt. Es werden Internetrecherchen, Dokumentenanalysen und Interviews mit Vertretern von Institutionen, die PM-bezogene Dienstleistungen anbieten, durchgeführt. ❏ Die Beurteilung der Praxis der Projektorientierten Organisationen wird durch das Praxisteam in Workshopform durchgeführt. Das Praxisteam lädt zu diesem Workshop PM-Experten unterschiedlicher Industrien und von Non-Profit-Organisationen ein, um eine möglichst repräsentative Expertenmeinung zur Praxis Projektorientierter Organisationen zu erlangen. Im Workshop werden die Fragen des „POG-Fragebogens“ diskutiert und beantwortet. ❏ Die Analyse und die Diskussion der Ergebnisse der Beurteilungen der einzelnen Gesellschaften finden im POG-Koordinationsteam statt, das sich aus Vertretern der einzelnen POGs zusammensetzt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen POGs werden analysiert und interpretiert. Darauf basierend werden Strategien für die Weiterentwicklung der Kompetenzen der einzelnen POGs entwickelt. ❏ In einem POG-Benchmarking-Bericht werden die Benchmarking-Ergebnisse zusammengefasst. Der Bericht dient als Grundlage für weitere Publikationen und für die Kommunikation der Ergebnisse in den einzelnen POGs. 4. Benchmarkingergebnisse: Praxis Projektorientierter Organisationen Die Daten zur Praxis der Projektorientierten Organisationen sind Durchschnittswerte aller Branchen einer Projektorientierten Gesellschaft. Die in Abb. 2 nach Branchen differenzierten Antworten wurden zur Entwicklung einer integrierten Gesamtaussage für die Gesellschaft verwendet. Abb. 3 visualisiert die Kompetenzen der Projektorientierten Gesellschaften Österreichs (AT), Dänemarks (DK), Ungarns (HU), Rumäniens (RO), Schwedens (SE) und Großbritanniens (UK) für den Projektstartprozess. In Abb. 4 werden die Kompetenzen der Projektorientierten Gesellschaften bezüglich der weiteren PM-Subprozesse (Projektkoordination, Projektcontrolling, Bewältigung einer Projektdiskontinuität und Projektabschluss) dargestellt. In allen Projektorientierten Organisationen Österreichs werden die PM-Methoden zur Projektplanung (z. B. Projektzieleplan, Projektstrukturplan, Balkenplan, Projektkostenplan, Projektressourcenplan, Business Case Analyse etc.), zur Projektkontextanalyse (z. B. Projektumweltanalyse), zur Gestaltung der Projektorganisation (Projektter in Project Management) führen. PM-Ausbildungsprogramme können sich hinsichtlich der Anzahl der angebotenen Kurse und hinsichtlich des vermittelten PM- Ansatzes unterscheiden. PM-Forschung: Dienstleistungen, die von PM-Forschungsinstitutionen angeboten werden, sind PM-Forschungsprojekte und -programme, PM-Publikationen und PM-Forschungsevents. In Gesellschaften kann es PM-bezogene Forschungsfinanzierungen geben. PM-Marketing: PM-Marketingaufgaben in POGs werden vor allem von nationalen Projektmanagement-Vereinigungen wahrgenommen. Dienstleistungen nationaler Projektmanagement-Vereinigungen sind Mitgliederbetreuung, Zertifizierung von PM-Personal, Durchführung von PM-Events etc. PM-Standardisierung: Dienstleistungen von PM-Standardisierungsinstitutionen sind die Erstellung von PMbezogenen Normen, die Definition formaler Mindestanforderungen im Projektmanagement für öffentliche Ausschreibungen etc. 3. Beurteilung und Benchmarking von Kompetenzen der POG Der POG-Fragebogen Zur Beurteilung und zum Benchmarking Projektorientierter Gesellschaften wurde der „POG-Fragebogen“ entwickelt, der aus folgenden Teilen besteht: ❏ Teil A: Kontext der POG und Bedeutung von Projekten und Programmen in der POG ❏ Teil B: PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen der POG ❏ Teil C: Praxis Projektorientierter Organisationen der POG In Abb. 2 ist eine Musterfrage des Teils C des „POG- Fragebogens“ dargestellt. Beurteilung und Benchmarking der Kompetenzen von POGs: Prozess Projektorientierte Gesellschaften benötigen Kompetenzen, d. h. Wissen und Erfahrungen, einerseits zur Durchführung der spezifischen Prozesse von Projektorientier- Abb. 2: Musterfrage des „POG-Fragebogens“ Im Projektstartprozess werden folgende PM-Methoden zur Gestaltung der Projektorganisation angewandt: Projektorganigramm, Projektrollenbeschreibungen, Projektfunktionendiagramm In der Projektorientierten Gesellschaft In der IT-Branche In der Telekommunikationsbranche Im Anlagenbau In der Baubranche In Banken und Versicherungen In Non-Profit-Organisationen Andere Branchen 1 … immer, 2 … oft, 3 … manchmal, 4 … selten, 5 … nie P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 21 organigramm, Projektrollenbeschreibung etc.) und die PM-Methoden für das Projektrisikomanagement (z. B. Projektrisikoanalyse) im Projektstartprozess manchmal eingesetzt. Selten hingegen werden in der Praxis Projektorientierter Organisationen im Projektstartprozess PM- Methoden zur Gestaltung der Projektkultur (z. B. Projektname, Projektlogo, Projektleitbild etc.) und zum Projektdiskontinuitätenmanagement (Projektszenarioanalyse, alternative Projektpläne etc.) eingesetzt. Ein ähnliches Bild wie in Österreich zeigt sich in Dänemark, mit dem Unterschied, dass in Dänemark PM-Methoden zur Gestaltung der Projektorganisation manchmal angewandt werden. In Ungarn werden in den Projektorientierten Organisationen im Projektstartprozess PM-Methoden zur Gestaltung der Projektorganisation und PM-Methoden zur Gestaltung der Projektkultur nur manchmal eingesetzt, andere PM-Methoden selten. Projektorientierte Organisationen in Schweden haben entsprechend den Benchmarkingergebnissen die höchsten Kompetenzen. In Projektorientierten Organisationen in Großbritannien werden im Projektstartprozess alle PM-Methoden manchmal angewandt. Abb. 3: Benchmarkingergebnisse: Projektstartprozess Projektstart: Projektplanung Projektstart: Projektkontextanalyse Projektstart: Projektorganisation Projektstart: Projektkultur Projektstart: Projektrisikomanagement Projektstart: Projektdiskontinuitätenmanagement keine Projektstartprozess AT DK HU RO SE UK nie selten manchmal oft immer Abb. 4: Benchmarkingergebnisse: Andere PM-Teilprozesse (Legende siehe Abb. 3) Projektkoordination: Sitzungen, To-do-Listen, AP-Abnahmen Projektcontrolling: Adaptierung Projektpläne Projektcontrolling: Adaptierung Projektorganisation Bewältigung einer Projektdiskontinuität: Szenarioanalyse etc. Projektabschluss: Projektabschlussbericht, Planung Nachprojektphase Projektworkshops: Start-, Controlling-, Abschluss- Workshop Andere PM-Prozesse AT DK HU RO SE UK Teilnahme von Vertretern relevanter Projektumwelten in Workshops Projektspezifische IT-Infrastruktur Projektspezifische Telekommunikations-Infrastruktur P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 22 WISSEN deren POGs weniger PM-Methoden eingesetzt. Schweden und UK haben die höchsten Kompetenzen. In Großbritannien werden Vertreter relevanter Umwelten (beispielsweise Kunden und Lieferanten) immer zu Projektworkshops eingeladen. Solche Projektworkshops (wie z. B. Projektstartworkshop, Projektabschlussworkshop) werden allerdings nur manchmal im PM-Prozess eingesetzt. Generell lässt sich Folgendes zu den Kompetenzen der betrachteten POGs zur Durchführung der PM-Teilprozesse Projektkoordination, Projektcontrolling, Bewältigung einer Projektdiskontinuität und Projektabschluss sowie zur Gestaltung des PM-Prozesses sagen: ❏ Die höchsten Kompetenzen haben die betrachteten Gesellschaften in der Projektkoordination. ❏ Die Kompetenzen zum Projektcontrolling und zur Bewältigung von Projektdiskontinuitäten sind sehr unterschiedlich. Zusammenfassend kann zur Praxis der Gestaltung des Projektstartprozesses festgestellt werden, dass zwischen zwei Gruppen von POGs unterschieden werden kann. Rumänien und Ungarn zeigen weniger Kompetenzen im Vergleich zu den anderen betrachteten POGs. Weiterhin ist zu beobachten, dass Methoden zum Projektrisikomanagement und zum Projektdiskontinuitätenmanagement im Projektstart nicht so häufig eingesetzt werden wie andere PM-Methoden. Österreich, Dänemark und Ungarn zeigen ähnliche Kompetenzen für die Durchführung der PM-Teilprozesse Projektkoordination, Projektcontrolling und Projektabschluss. In allen genannten POGs werden die PM- Methoden im Projektkoordinationsprozess oft eingesetzt. Die Projektpläne (Projektziele, Projektstrukturplan, Projektzeitpläne, Projektkostenplan etc.) werden im Projektcontrollingprozess hingegen nur manchmal adaptiert. In Rumänien werden im Vergleich zu den an- Abb. 5: Benchmarkingergebnisse: Programmmanagement (Legende siehe Abb. 3) Durchführung Programmstart, -controlling und -abschluss Anwendung Programmmanagement-Methoden Design einer Programmorganisation Programmmanagement AT DK HU RO SE UK Abb. 6: Benchmarkingergebnisse: Projektportfolio-Management (Legende siehe Abb. 3) Durchführung Projektportfoliokoordination, Netzwerken Anwendung von Projektportfoliomanagement- Methoden Existenz einer Projektportfolio-Group Projektportfolio-Management AT DK HU RO SE UK PM-Ausbildung Projektorientierte Gesellschaft Abb. 7: PM-Ausbildung AT keine manche möglich keine 3 Institutionen 3 Institutionen Primäre Ausbildung im PM Sekundäre Ausbildung im PM Doktorate im PM „PM Master Degrees“ „PM Bachelor Degrees“ (FH) PM-Diplome Tertiäre Ausbildung im PM DK keine manche möglich keine 1 Institution keine HU keine manche möglich 2 Institutionen keine keine RO keine keine keine 2 Institutionen keine keine SE keine manche möglich 2 Institutionen keine keine UK keine keine 13 Institutionen 13 Institutionen 3 Institutionen 3 Institutionen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 23 ❏ Ungarn hat doch deutlich höhere Kompetenzen als Rumänien in den betrachteten PM-Teilprozessen. ❏ Nachvollziehbar erscheint der Einsatz von IT- und Telekommunikations-Infrastruktur in Schweden. Außer der Projektmanagement-Praxis wurde auch die Praxis im Programmmanagement, Projektportfolio-Management, Personalmanagement und des organisatorischen Designs Projektorientierter Organisationen beurteilt. Die Auswertungen zum Programmmanagement und zum Projektportfolio-Management sind in den Abbildungen 5 und 6 exemplarisch dargestellt. Es ist offensichtlich, dass die diesbezüglichen Kompetenzen schwächer als die PM-Kompetenzen ausgeprägt sind. Eine Ausnahme stellt Schweden bezüglich des Programmmanagements dar. 5. Benchmarkingergebnisse: PM-bezogene Dienstleistungen von Institutionen Im Folgenden werden die Dienstleistungen, die von PM- Ausbildungs-, PM-Forschungs-, PM-Marketing- und PM-Standardisierungsinstitutionen in den kooperierenden POGs angeboten werden, beschrieben und miteinander verglichen: PM-Ausbildung In allen betrachteten POGs wird PM-Ausbildung von Institutionen im tertiären Ausbildungsbereich (Programme von Universitäten, Fachhochschulen und Colleges) angeboten. Beeindruckend ist das Angebot an „PM Master Degree“-Programmen in Großbritannien. In Österreich und Dänemark hingegen existieren keine Programme, die zu formalen Titeln im Projektmanagement führen. In Rumänien wurden im Jahr 2000 an zwei Universitäten „PM Master Degree“-Programme im Rahmen eines TEMPUS-Projekts etabliert. In Dänemark, Österreich und Schweden wird im sekundären Ausbildungsbereich (Mittelschulen, Handelsakademien; 11bis 18-jährige Schüler) Projektmanagement-Unterricht angeboten. In allen POGs, außer Rumänien, wird in den primären Ausbildungsangeboten (Volksschule, 6bis 10-jährige Schüler) Projektarbeit in den Unterricht integriert. Formaler PM-Unterricht wird in dieser Ausbildungsstufe allerdings nicht durchgeführt. Während in Rumänien und Ungarn der in den Ausbildungsprogrammen vermittelte PM-Ansatz eher planungsorientiert ist, wird in Dänemark, Österreich und Schweden ein eher organisationsorientierter PM-Ansatz angeboten. In Großbritannien existieren verschiedene PM-Ansätze. Es werden traditionell planungsorientierte, aber auch organisationsorientierte PM-Ansätze unterrichtet. PM-Forschung In keiner der betrachteten POGs existieren nationale Institutionen zur Koordinierung von PM-Forschungsaktivitäten. In Großbritannien wird diese Koordinationsaufgabe von der nationalen PM-Vereinigung durchgeführt. In Dänemark, Österreich, Schweden und Großbritannien wurden in den letzten fünf Jahren einige PM-Forschungsprojekte (und -programme) durchgeführt, wäh- Anzeige P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 24 WISSEN Dänemark wird eine PM-Baseline entwickelt. In Ungarn kommen das PMBoK und Prince als PM-Standards zur Anwendung. In Rumänien existieren noch keine Normen oder Standards zum Projektmanagement. In Österreich wird die Anwendung von Projektmanagement auch durch Normen (DIN, ÖNORM) standardisiert. In Großbritannien werden in öffentlichen Ausschreibungen formale PM-Voraussetzungen verpflichtend nachgefragt. 6. POG-Kompetenz-Kennzahlen Einerseits kann die Kompetenz einer Gesellschaft als Projektorientierte Gesellschaft in einem Spinnennetzmodell visualisiert werden, andererseits können POG- Kennzahlen berechnet werden. Die POG-Kennzahl ist eine gewichtete Summe der Kompetenzen bezüglich der einzelnen Prozesse des POG-Modells. Da Projektmanagement als wichtigster Prozess der Projektorientierten Gesellschaft angesehen wird, wird er mit 20 % gewichtet. Alle anderen Prozesse haben ein Gewicht von 10 %. Die Gewichtung der einzelnen Fragen ist proportional zur Anzahl der Fragen pro Prozess. Die Abb. 8 zeigt die Kompetenzen Projektorientierter Organisationen im Projekt- und Programmmanagement, Projektportfolio-Management etc. und bezüglich PM-bezogener Dienstleistungen von Institutionen. Daraus werden für jede POG Kennzahlen für die Praxis Projektorientierter Organisationen, für PM-bezogene Dienstleistungen und eine POG-Kennzahl für die Gesamtkompetenz der POG errechnet. Großbritannien hat die höchste POG-Kompetenz-Kennzahl und Rumänien die niedrigste. Grundsätzlich können drei Gruppen von POGs unterschieden werden. Im Vergleich zu einer maximal erreichbaren POG-Kompetenz-Kennzahl von 1.000 haben Großbritannien und Schweden Kennzahlen über 500, Österreich und Dänerend in Ungarn wenig PM-Forschung zu beobachten war. In Rumänien ist die PM-Forschung noch nicht etabliert. PM-Marketing In allen betrachteten POGs existieren PM-Vereinigungen. Die jüngste PM-Vereinigung befindet sich in Rumänien. Sie wurde im Jahr 2000 gegründet und hat bereits einen Antrag auf IPMA-Mitgliedschaft gestellt. Die PM-Vereinigungen in Dänemark, Österreich, Schweden und Großbritannien bieten eine Vielzahl von Dienstleistungen an. Als Dienstleistungen, die zum Marketing von Projektmanagement wesentlich beitragen, gehören PM-Veranstaltungen, PM-Publikationen, PM-Diskussionsplattformen, Entwicklung von PM-Standards etc. In Österreich, Dänemark, Schweden und Großbritannien werden Zertifizierungen für PM-Personal nach IP- MA-Standards durchgeführt. APM, die IPMA-Vereinigung in Großbritannien, hat über 9.000 individuelle Mitglieder und ist somit die größte nationale Vereinigung. In Österreich und Dänemark existieren sehr aktive PM-Vereinigungen. In keiner der Gesellschaften wird Projektmanagement bereits als formal etabliertes Berufsbild betrachtet. In Österreich (programm | austria) und in Schweden werden derzeit PM-Initiativen durchgeführt, die unter anderem der Weiterentwicklung des Berufsbilds Projektmanager/ -in in der jeweiligen Gesellschaft dienen. In Dänemark, Österreich, Ungarn, Rumänien, Schweden und Großbritannien existieren auch Niederlassungen von PMI (Project Management Institute). PM-Standardisierung In Österreich und in Großbritannien gibt es nationale PM-Wissensbasen, die sich auf das Referenzdokument ICB-International Competence Baseline beziehen. In PM-Ausbildung 40 30 30 30 40 80 PM-bezogene Dienstleistungen und Praxis Projektorientierter Organisationen AT DK HU RO SE UK PM-Forschung 40 30 20 10 40 70 PM-Marketing 50 50 20 10 50 80 PM-Standardisierung 40 30 10 0 30 60 Kennzahl: PM-bezogene Dienstleistungen 170 140 80 50 160 290 Projektmanagement 87 92 84 63 127 111 Programmmanagement 30 37 37 17 70 30 Personalmanagement in POOs 50 50 46 26 62 58 Organisatorisches Design von POOs 35 55 35 30 65 40 Kennzahl: Praxis Projektorientierter Organisationen 237 277 239 145 380 269 POG-Kompetenz-Kennzahlen 407 417 319 195 540 559 Projektportfoliomanagement 35 43 37 10 57 30 Abb. 8: POG-Kompetenz-Kennzahlen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 25 mark Kennzahlen über 400 und Ungarn und Rumänien Kennzahlen unter 400. Während die Kennzahlen für die PM-bezogenen Dienstleistungen und die Praxis Projektorientierter Organisationen in Österreich und Dänemark relativ ähnlich sind, zeigen sich zwischen diesen Kennzahlen in Schweden und Großbritannien große Unterschiede. Großbritannien hat im Vergleich zu Schweden eine höhere Kennzahl für PM-bezogene Dienstleistungen und eine niedrigere Kennzahl für die Praxis Projektorientierter Organisationen. Daraus lässt sich interpretieren, dass umfangreiche PM-bezogene Dienstleistungen keine Garantie für eine hohe Kompetenz in der Praxis Projektorientierter Organisationen sind. Der Transfer von PM- Wissen in die tägliche Praxis ist gezielt zu organisieren. Die POG-Kompetenz-Kennzahlen müssen in ihrem jeweiligen nationalen Kontext interpretiert werden. Die maximal anzustrebende Kennzahl ist sicherlich nicht 1.000 und wird sich für die einzelnen Projektorientierten Gesellschaften in Abhängigkeit ihres aktuellen Entwicklungsstandes unterscheiden. 7. Schlussfolgerung und Ausblick Projekte und Programme als temporäre Organisationen werden eine immer weiter verbreitete Organisationsform zur Durchführung relativ einmaliger Prozesse mit mittlerem bis großem Umfang. Projekt- und Programmmanagement haben nicht nur mikroökonomische, sondern auch makroökonomische Bedeutung. Das POG-Modell wurde mit einer ersten Gruppe Projektorientierter Gesellschaften getestet und als „viabel“ erkannt. Die an diesem Benchmarking teilnehmenden POGs schafften sich einen Überblick über angebotene PM-bezogene Dienstleistungen und über die Praxis Projektorientierter Organisationen. Diese Daten stellten die Grundlagen für einen Vergleich der POGs dar. Es konnte festgestellt werden, dass alle teilnehmenden POGs noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium stehen. Daher bestehen hohe Entwicklungspotentiale als POGs. Es wurden Strategien zur Weiterentwicklung der POGs definiert, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Es ist zu erwarten, dass die Kompetenzen der POGs in einigen Jahren wesentlich höher sein werden. Das durchgeführte Benchmarking hat einen Beitrag zum PM-Marketing in den POGs geleistet und das PM- Bewusstsein gesteigert. Es ist geplant, im ersten Halbjahr 2002 ein weiteres Benchmarking mit einer zweiten Gruppe POGs durchzuführen. Dadurch soll das POG- Modell weiterentwickelt werden und die Datenbasis erweitert und qualitativ verbessert werden. ■ Literatur [1] Gareis, R./ Huemann, M.: 2001 Assessing and Benchmarking Project-oriented Societies. In: Project Management - International Project Management Journal, Project Management Association Finland, Norwegian Project Management Forum, Vol. 7, Nr. 1, S. 14-25 Schlagwörter Benchmarking, Programmmanagement, Projektmanagement, Projektorientierte Gesellschaft, Projektorientierte Organisation, Projektportfolio-Management Autor Univ. Prof. Dkfm. Dr. Roland Gareis, Professor für Projektmanagement, Projektmanagement Group der Wirtschaftsuniversität Wien; Leiter des Universitätslehrgangs „Internationales Projektmanagement“; Vorstandsvorsitzender von Projektmanagement Austria; Director of Project Management Research of the IPMA - International Project Management Association, Programmmanager von programm I austria - Die österreichische Projektmanagement Initiative; Geschäftsführender Gesellschafter von Roland Gareis Consulting. Autorin Dr. Martina Huemann, Universitätsassistentin für Projektmanagement, Projektmanagement Group der Wirtschaftsuniversität Wien; Projektmanagerin in programm | austria - Die österreichische Projektmanagement Initiative; Trainerin und Beraterin bei Roland Gareis Consulting. Anschrift der Autoren Projektmanagement Group Wirtschaftsuniversität Wien Franz-Klein-Gasse 1 A-1190 Wien Tel.: ++43/ 1/ 42 77-2 94 01 Fax: +43/ 1/ 3 68 75 10 E-Mail: pmg@wu-wien.ac.at Internet: www.wu-wien.ac.at/ pmg Anzeige