PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Nachrichten
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P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 37 Multiprojektmanager: Navigatoren für „Projektflotten“ ■ Der tägliche Kampf um Fachleute und Budget: Auf dem Weg zu ihren Zielen müssen Projektmanager mit anderen Projekten zunehmend um Ressourcen ringen. Viele Spezialisten - so ein großes Problem - sind in Unternehmen überbucht, manchmal in drei oder vier Projekte eingebunden. Schlimmer noch, auch Projektmanager müssen auf mehreren Hochzeiten tanzen. Sie führen Projekte gleichzeitig und arbeiten parallel die Liste ihrer Linienaufgaben ab. Ordnung ins (Projekt-)Chaos bringen sollen so genannte Multiprojektmanager. Sie halten Übersicht über laufende Projekte und helfen damit, so Projektmanagement-Experte Gero Lomnitz, die „Projektelandschaft zu steuern“. Sie sind gewissermaßen Navigatoren, die eine ganze Flotte von Projekten auf dem Radarschirm beobachten. Aus dieser Position liefern sie wichtige Informationen für die Planung und Steuerung. Ihr Job: die Projekte gebündelt überschauen, strukturieren, Projektmanagement-Standards setzen - nicht aber in einzelne Projekte eingreifen und als „Projektpolizei“ die Teams beaufsichtigen. Gero Lomnitz erläutert im Gespräch die komplizierte Leuchtturm-Position der Multiprojektmanager. Wöchentlich, fast täglich die gleiche Herausforderung für Projektleiter. Sie müssen um Mitarbeiter ringen, auf Spezialisten für ihr Projekt warten. Bringt Multiprojektmanagement die ersehnte Lösung? Gero Lomnitz: Multiprojektmanagement ist ein wichtiger Schritt in die Richtung. Ein Multiprojektmanager wird aber dem Projektleiter nicht die Aufgabe abnehmen, sein Team zusammenzustellen und Fachkräfte zu gewinnen. Er kann ihm auch keine Mitarbeiter zuteilen. Er hat keine Ressourcenverantwortung. Keine Ressourcenverantwortung? Gero Lomnitz: Nein. Er hat generell keine Entscheidungsverantwortung für das einzelne Projekt. Der Multiprojektmanager bewilligt auch keine Projekte. Dafür sind definitiv andere zuständig. Ganz deutlich: Der Multiprojektmanager ist kein Entscheider, der die Priorität der Projekte bestimmt. Der Multiprojektmanager - also ein König ohne Land …? Gero Lomnitz: Er ist kein König, eher der königliche Staatssekretär, der mit seinen Informationen die Entscheidungen erheblich beeinflussen kann. Der Multiprojektmanager hat wichtige Aufgaben. Er hält Übersicht über das Projektportfolio, prüft die Vernetzung der einzelnen Projekte unter anderem in puncto Ressourcen, zeitliche Abhängigkeiten und Inhalte. In einem Schweizer Finanzdienstleistungsunternehmen ist es beispielsweise heute üblich, dass der Multiprojektmanager jedes neue Projekt vor der Beauftragung überprüft, ob es in das Projektportfolio passt, mit bislang laufenden Projekten kompatibel ist und sich inhaltlich in die Unternehmensstrategie fügt. Ein Multiprojektmanager wird dabei auch prüfen, ob es zwischen einzelnen Projekten Synergien oder Redundanzen gibt. Aber Entscheidungsbefugnis hat er nicht? Gero Lomnitz: Nein, wie gesagt, Entscheidungen zu treffen ist und bleibt Aufgabe des Managements, der Auftraggeber und der Lenkungsausschüsse einzelner Projekte sowie des Projektportfolio-Boards für die Projektelandschaft. Der Multiprojektmanager greift auch nicht direkt in Projekte ein, das ist Aufgabe der Projektleiter. Er sammelt Informationen, bereitet Entscheidungen vor, damit das Top-Management die richtigen Entscheidungen treffen kann. Also auch kein „Aufpasser“ für Projektleiter …? Gero Lomnitz: Er ist kein Aufpasser, aber zu seinen Aufgaben gehört in manchen Unternehmen, Reviews zu veranlassen, manchmal auch selbst durchzuführen. Es gibt Unternehmen, die ordnen dem Multiprojektmanagement auch die Aufgabe zu, schlimmstenfalls Projekte zu retten. Kernaufgabe ist dies aber nicht. Wenn ich das skizzierte Bild eines Multiprojektleiters überblicke - er scheint ein Fachmann zu sein, der zwischen allen Stühlen sitzt. Gero Lomnitz: Ich gebe Ihnen zum Teil recht. Er befindet sich in Spannungsfeldern. Er muss Widersprüchlichkeiten eines Unternehmens bewältigen können. Bei den Ressourcen beispielsweise wird das schnell deutlich. Aber er ist alles andere als ein Blitzableiter. Seine Aufgabe ist es, koordinierend Entscheidungen vorzubereiten und herbeizuführen. Muss der Multiprojektmanager in jedem Projekt zu Hause sein? Gero Lomnitz: Nein, das kann nicht seine Aufgabe sein. Er ist kein Oberprojektleiter, das ist nicht sein Job. Allein schon aus praktischen Gründen nicht. Selbst dann, wenn er nur für einen Projektbereich eines Unternehmens zuständig ist, beispielsweise IT oder Forschung und Entwicklung - selbst dann wird die Vielzahl laufender oder geplanter Projekte einfach seine Leistungsfähigkeit übersteigen. Er ist Generalist. Er muss die Projekte verstehen und überblicken, mehr nicht. Die Details bleiben beim Projektleiter. Die Projektteams müssen selbst wissen, wo sie stehen und ihren Statusbericht an das Multiprojektmanagement regelmäßig liefern. Und dafür muss im Unternehmen die Projekttransparenz zum Standard gesetzt werden. Nochmals zurück zu den Kernaufgaben. Er überwacht und steuert das Projektportfolio. Ein wichtiges Thema sind dabei die Ressourcen. Welche Aufgaben hat er noch? Gero Lomnitz: Ein Multiprojektmanager wird das Projektmanagement in seinem Unternehmen wei- Gero Lomnitz, Experte für Multiprojektmanagement aus Köln Foto: privat NACHRICHTEN P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 38 NACHRICHTEN terentwickeln. Er ist zuständig für PM-Guidelines, für klare Prozessbeschreibungen und für optimale Tools. Eine weitere Aufgabe besteht darin, dass er gemeinsam mit dem Projektteam Projekte qualifiziert auswertet und dieses Wissen regelmäßig in die Organisation einspeist. Gehört die Qualifizierung von Projektleitern auch zu seinem Job? Gero Lomnitz: Als gemeinsame Aufgabe mit der Personalentwicklung - ja. Was hat der einzelne Projektleiter davon, dass es Multiprojektmanagement gibt? Gero Lomnitz: Er profitiert. Der häufig politisch ausgetragene Kampf um Ressourcen in Unternehmen wird im Idealfall nach transparenten Regeln ausgetragen. Die Prioritäten der Projekte werden sicher gesetzt, die Entscheidungen letztlich verbessert. Das vermindert den Druck, unter dem Projektleiter heute vielfach stehen. Natürlich kommen auch neue Aufgaben auf den Projektleiter zu. Er muss beispielsweise monatlich einen Bericht für das Multiprojektmanagement aufsetzen oder andere Standards einhalten, die im Einzelfall durchaus lästig sein können. Für die Steuerung der Projektlandschaft ist dies allerdings unumgänglich. Multiprojektmanager - auch eine Karrierechance für Projektleiter? Gero Lomnitz: Meiner Erfahrung nach muss ein Multiprojektleiter das Projektmanagement-Handwerk sehr gut kennen - und zwar aus Erfahrung, nicht nur aus der Theorie. Aber er braucht weitere Qualifikationen, soziale Kompetenz beispielsweise. Er arbeitet ständig mit Konflikten und muss sich mit der Politik auseinander setzen. Er muss über die Fähigkeit verfügen, Komplexität zu denken, Organisationen zu verstehen, Wechselwirkungen und Abhängigkeit von Strukturen und Verhalten zu begreifen und zu beeinflussen. Ein Komplexitätsmanager? Gero Lomnitz: Ja, klar, auf jeden Fall. Er braucht eine solide theoretische Basis, sollte Kenntnis von Systemtheorie haben und sollte Veränderungsmanager sein. Er muss auch was von Risikomanagement und Projektcontrolling verstehen. Wenden wir den Fokus dem Thema Einführung zu. Was muss beachtet werden, wenn Multiprojektmanagement eingeführt werden soll? Gero Lomnitz: Zunächst einmal sollte klar sein, wer als „Auftraggeber“ Multiprojektmanagement wünscht und welche Ziele damit verfolgt werden sollen. Das klingt banal, ist aber von zentraler Bedeutung, denn Multiprojektmanagement sollte in der Hierarchie möglichst hoch aufgehängt werden. Hat der Multiprojektmanager keine starke Rückendeckung, ist er im Kraftfeld der Organisation fast immer chancenlos. Bei den Zielen gilt es wichtige Fragen zu klären: Soll der Multiprojektmanager beispielsweise auch die wirtschaftliche und strategische Ausrichtung einzelner Projekte überprüfen? Wie wichtig ist es, Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären? Gero Lomnitz: Erfolgreiches Multiprojektmanagement steht und fällt mit der Klarheit der Rollen. Ich nenne Ihnen einige Schlüsselfragen. Was ist Aufgabe der einzelnen Projektleiter? Welche Aufgabe hat die Geschäftsführung oder das Portfolio-Board? Welche formalen Einflussmöglichkeiten hat der Multiprojektmanager? Ein weiterer Punkt: Auch Standards und Prozesse des Projektmanagements müssen geklärt werden. Und nicht zu vergessen die Toolfrage: Der Multiprojektmanager braucht Planungs- und Reportingtools, die Multiprojektmanagement ermöglichen beziehungsweise unterstützen. Sie müssen Abhängigkeiten zwischen einzelnen Projekten abbilden. Die Abhängigkeit von Ressourcen oder Terminen abzubilden ist dabei nicht das schwierigste Problem. Schwieriger ist es, inhaltliche Abhängigkeiten abzubilden. Pläne managen und Bauprojekte controllen P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 38 NACHRICHTEN terentwickeln. Er ist zuständig für PM-Guidelines, für klare Prozessbeschreibungen und für optimale Tools. Eine weitere Aufgabe besteht darin, dass er gemeinsam mit dem Projektteam Projekte qualifiziert auswertet und dieses Wissen regelmäßig in die Organisation einspeist. Gehört die Qualifizierung von Projektleitern auch zu seinem Job? Gero Lomnitz: Als gemeinsame Aufgabe mit der Personalentwicklung - ja. Was hat der einzelne Projektleiter davon, dass es Multiprojektmanagement gibt? Gero Lomnitz: Er profitiert. Der häufig politisch ausgetragene Kampf um Ressourcen in Unternehmen wird im Idealfall nach transparenten Regeln ausgetragen. Die Prioritäten der Projekte werden sicher gesetzt, die Entscheidungen letztlich verbessert. Das vermindert den Druck, unter dem Projektleiter heute vielfach stehen. Natürlich kommen auch neue Aufgaben auf den Projektleiter zu. Er muss beispielsweise monatlich einen Bericht für das Multiprojektmanagement aufsetzen oder andere Standards einhalten, die im Einzelfall durchaus lästig sein können. Für die Steuerung der Projektlandschaft ist dies allerdings unumgänglich. Multiprojektmanager - auch eine Karrierechance für Projektleiter? Gero Lomnitz: Meiner Erfahrung nach muss ein Multiprojektleiter das Projektmanagement-Handwerk sehr gut kennen - und zwar aus Erfahrung, nicht nur aus der Theorie. Aber er braucht weitere Qualifikationen, soziale Kompetenz beispielsweise. Er arbeitet ständig mit Konflikten und muss sich mit der Politik auseinander setzen. Er muss über die Fähigkeit verfügen, Komplexität zu denken, Organisationen zu verstehen, Wechselwirkungen und Abhängigkeit von Strukturen und Verhalten zu begreifen und zu beeinflussen. Ein Komplexitätsmanager? Gero Lomnitz: Ja, klar, auf jeden Fall. Er braucht eine solide theoretische Basis, sollte Kenntnis von Systemtheorie haben und sollte Veränderungsmanager sein. Er muss auch was von Risikomanagement und Projektcontrolling verstehen. Wenden wir den Fokus dem Thema Einführung zu. Was muss beachtet werden, wenn Multiprojektmanagement eingeführt werden soll? Gero Lomnitz: Zunächst einmal sollte klar sein, wer als „Auftraggeber“ Multiprojektmanagement wünscht und welche Ziele damit verfolgt werden sollen. Das klingt banal, ist aber von zentraler Bedeutung, denn Multiprojektmanagement sollte in der Hierarchie möglichst hoch aufgehängt werden. Hat der Multiprojektmanager keine starke Rückendeckung, ist er im Kraftfeld der Organisation fast immer chancenlos. Bei den Zielen gilt es wichtige Fragen zu klären: Soll der Multiprojektmanager beispielsweise auch die wirtschaftliche und strategische Ausrichtung einzelner Projekte überprüfen? Wie wichtig ist es, Aufgaben und Zuständigkeiten zu klären? Gero Lomnitz: Erfolgreiches Multiprojektmanagement steht und fällt mit der Klarheit der Rollen. Ich nenne Ihnen einige Schlüsselfragen. Was ist Aufgabe der einzelnen Projektleiter? Welche Aufgabe hat die Geschäftsführung oder das Portfolio-Board? Welche formalen Einflussmöglichkeiten hat der Multiprojektmanager? Ein weiterer Punkt: Auch Standards und Prozesse des Projektmanagements müssen geklärt werden. Und nicht zu vergessen die Toolfrage: Der Multiprojektmanager braucht Planungs- und Reportingtools, die Multiprojektmanagement ermöglichen beziehungsweise unterstützen. Sie müssen Abhängigkeiten zwischen einzelnen Projekten abbilden. Die Abhängigkeit von Ressourcen oder Terminen abzubilden ist dabei nicht das schwierigste Problem. Schwieriger ist es, inhaltliche Abhängigkeiten abzubilden. Pläne managen und Bauprojekte controllen Planung Dr. Ullrich Bauch (Kaiser BRB-Baucontrol Ingenieurgesellschaft): „Bei vielen Bauprojekten werden die neuen, effizienten EDV- Tools nicht optimal eingesetzt.“ ■ Bauprojektteams ziehen nicht nur Wände, sondern auch Papiertürme hoch. Stapelweise erstellen sie Pläne, die zur Korrektur und Freigabe den Weg durch die Ingenieurbüros nehmen. Allein der fast abgeschlossene Umbau des Nürnberger Hauptbahnhofs „kostete“ rund 1.000 Einzelpläne. Doch längst sammeln sich die Pläne nicht mehr in Leitz- Ordnern, sondern auf den Festplatten von Rechnern. Seit den neunziger Jahren erleichtern EDM-Systeme den Projektteams die Aufgabe, Pläne zu verwalten und rundzusenden. Die „Elektronischen Dokumentenmanagementsysteme“ haben sich in der Baubranche bewährt - ebenso wie andere EDV-Tools, die Zeit sparen, Arbeitsabläufe beschleunigen und das Projekt strukturieren helfen. Vielmehr: helfen könnten. „Bei vielen Bauprojekten werden die EDV-Tools noch nicht optimal eingesetzt“, hat Experte Dr. Ullrich Bauch festgestellt. Auch trüben überzogene Erwartungen den Erfolg. „Ein neues EDV-Tool kann zur Effizienz beitragen, nicht aber ganze Projekte retten.“ Computer sind in der Baubranche nichts Neues. So ist die computergestützte Software für Projektplanung - seit rund zehn Jahren im Handel - weitgehend verbreitet. Rund 90 % aller Büros verwenden Software-Tools. Standardprogramme wie Microsoft Project haben längst Meilensteine gesetzt. Ein ähnliches Bild in puncto Software für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung: Auch hier haben die Bauingenieure verstanden, dass Kollege Computer dem Bleistift so weit Foto: privat P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 39 voraus ist wie ein Kipplaster der Handschaufel. Vergleichsweise neu sind viele rechnergestützte Management-Tools, die in der Baubranche noch selten genutzt werden. An erster Stelle steht das Planmanagement, das so genannte EDM-System, das seit rund zehn Jahren am Markt Platz gefunden hat. In anderen Branchen wird EDM unternehmensweit eingesetzt. In der Baubranche dagegen arbeiten bestenfalls Großunternehmen und Projektteams gewaltiger Bauvorhaben damit. So verwendet das Projektteam, das das ICE-Neubaustrecken-Projekt zwischen Nürnberg und Ingolstadt ins Rollen brachte, EDM-Software. Was bei dem Bahnbauprojekt tadellos funktioniert, muss nicht immer funktionieren. Projektteams müssen die Software, so mahnen Experten, auf ihren Einsatz vorbereiten. „Die Projektstrukturen und Prozesse müssen quasi im Rechner abgebildet werden“, betont Dr. Ullrich Bauch. Und: „Sind die Strukturen einmal abgebildet, müssen sich alle Projektbeteiligten an diese Spielregeln halten.“ Die Ordnung im Projekt helfe nicht nur dem Rechner bei der Arbeit, sondern dem gesamten Team. „Der Zwang zur Strukturierung hat mit Sicherheit günstige Effekte auf die Projektarbeit“, meint Dr. Ullrich Bauch. Weshalb muss die EDM-Software das Projekt so gut „kennen“, damit sie pannenfrei funktionieren kann? Der Grund für die strengen Regeln liegt auf der Hand. Der Rechner „schickt“ die Pläne selbstständig durch die Planungsstadien und Genehmigungsprozesse. Von den ersten Zeichnungen bis zum genehmigten Endplan überwacht das EDM- System jeden Schritt, verteilt die Dokumente an alle Beteiligten, die sie bearbeiten, korrigieren, gegenzeichnen, bestätigen und Genehmigungen erteilen. Die Software überwacht den Status und stellt sicher, dass niemand außer autorisierten Mitarbeitern auf den Plan zugreifen kann - eine wichtige Hilfe bei mehreren hundert Planungsvorgängen, die bei Großprojekten aufeinander aufbauen und ineinander verschachtelt sind. EDM verhindert, dass ein Planer irrtümlich seine eigene Arbeit auf einen noch nicht endgültig verabschiedeten Plan aufsetzt. Für den Projektleiter entscheidend: Er kann jederzeit beobachten, in welchem Stadium die Planungen sich befinden. Zugleich legt das System automatisch eine Planungschronologie an und übernimmt einen Teil der Projektdokumentation. Die Möglichkeiten, die das System eröffnet, klingen verlockend. Funktionieren kann die Software allerdings nur, wenn Projektteams sie systematisch und sorgfältig einführen. Dr. Ullrich Bauch hat ein Konzept entwickelt, mit dem er in seinen Projekten vorgeht. Nach der Wahl eines geeigneten Systems muss das Team die Software sorgfältig an seine Projektstruktur anpassen und gewissermaßen Organigramm und Zuständigkeiten abbilden. Dann kann das EDM-System den Workflow darstellen: Wer arbeitet wem Lückenschluss der Bahn AG: 18,4 Kilometer lang ist der Abschnitt Mitte der neuen ICE-Verbindung zwischen Nürnberg und Ingolstadt, sieben Brücken und drei Tunnel gehören mit zu dem 327-Millionen-Euro-Großprojekt. Beim Projektmanagement wird auch neuartige Planungsmanagement-Software eingesetzt. Foto: Hochtief P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 40 NACHRICHTEN müssen anwenderfreundlich sein, das ist das oberste Gebot bei der Auswahl“, hat Dr. Ullrich Bauch festgestellt, „sie müssen Mitarbeitern sinnvoll und nützlich erscheinen.“ Er habe gute Erfahrungen mit systematischen Schulungen und anschließendem Coaching der Mitarbeiter gemacht: eine Investition, die sich zumeist rentiert. „In zehn Jahren sind diese Softwaretools ohnehin Standard.“ Ideal sei es, bei Großprojekten einen Mitarbeiter eigens für das System und die Schulungen abzustellen, der zudem als zentraler, leicht erreichbarer Ansprechpartner bereitstehe. Er müsse neben EDV-Kenntnissen und Branchenwissen auch firm sein in Methoden, Teammitarbeitern die Software „schmackhaft“ zu machen und Akzeptanz herzustellen. O. Steeger Bauch, moderne Baucontrolling- Software viel Rechenarbeit automatisieren und Listenerstellen abwickeln. Lohnt sich die Software-Investition ins Baucontrolling? „Controller haben im Bauprojektmanagement eine herausragende Position und müssen in die Prozesse eingreifen können“, betont Dr. Ullrich Bauch. So beziehen sie Vergleichsprojekte bei ihren Hochrechnungen ein und geben Projektleitern Fakten für die Kursbestimmung. „Je mehr Daten sie ,bewältigen‘ können, desto zuverlässiger arbeiten Baucontroller“, erklärt der Experte. Wichtig auch das Tempo: Prognoserechnungen sind meistens eilig. Da kann Computerpower Entscheidungen beschleunigen. Experten verweisen immer wieder auf den „human factor“, der über Erfolg und Scheitern des Softwareeinsatzes entscheidet. „Die Tools zu? Wer hat wann Zugriffsrechte? Welchen Weg müssen welche Pläne von Station zu Station nehmen? „Je gründlicher das System vorbereitet wird, desto effizienter und zuverlässiger kann es arbeiten“, hat Dr. Ullrich Bauch festgestellt. Indes, zwei weitere Vorbereitungsschritte sollten Teams nicht unterschätzen. Zum einen sollten sie ihre Mitarbeiter ständig schulen, mit dem System umzugehen. „Schaffen Sie Akzeptanz im Team und bleiben Sie auch nach dem Systemstart dran“, empfiehlt der Experte. Zum anderen gilt: Der Hersteller sollte an dem System beteiligt werden. Im Notfall muss er erreichbar sein und bei Pannen binnen kurzer Zeit dem Team aus der Klemme helfen können. Also schon bei der Wahl der Software sicherstellen, dass im Fall des Falles der Bau nicht ruht. Ihren ganzen Segen entfalten die Systeme dann, wenn möglichst viele Projektbeteiligte an den Rechner angeschlossen sind, beispielsweise Genehmigungsbehörden. Das Eisenbahnbundesamt in Nürnberg arbeitet als Prüfinstanz mit einem EDM- System, eine weitere süddeutsche Stadt will probeweise folgen. Dr. Ullrich Bauch ist sich sicher: „Das System wird kommen.“ Auch, um im Genehmigungsverfahren Kopierkosten zu sparen. So summieren sich bei Großprojekten Kopierkosten auf gut und gerne 50.000 Euro, wenn eine Genehmigungsbehörde zwanzig komplette Plansätze einfordert. Neben dem EDM-System hält peu à peu auch andere Spezialsoftware Einzug in Bauprojekte. Eigens für die Branche konzipierte Programme erleichtern das Baucontrolling. Die Aufgabe: Baucontroller versorgen die Projektleiter zügig mit Zahlenfakten, etwa die Kostenschätzung während Planungsarbeiten, Ergebnisse der Auftragsvergabe sowie Hochrechnungen und Prognosen. Kompliziert wird es, wenn Controller die Budget-Chronologie festhalten müssen: Was wurde wann freigegeben und abgerechnet? Wie wirken sich erfolgte Abrechnungen und Nachforderungen auf das Budget aus? Ebenfalls tückisch sind spezielle, im Bauwesen nach DIN-Standard vereinheitlichte Kostengliederungen, die von sonst üblichen Strukturen abweichen. Hier könne, so Dr. Ullrich Mindmapping-Software für Projektmanagement ■ Ordnung in die Gedanken bringen: „Mindmapping“ hilft, Ideen und Informationen zu gliedern und übersichtlich zu Papier zu bringen. Schlüsselwörter werden gesammelt, dann mit Pfeilen und Symbolen verbunden, Bezüge skizziert, neuen Ideen und Aspekten mit gezeichneten „Ästen“ Stichworte angefügt. Am Ende bildet das MindMap wie eine Landkarte die Überlegungen in allen Verästelungen und Zusammenhängen ab. Also ein gutes Werkzeug, um umfangreiche Projekte geistig in den Griff zu bringen? Das meinen zumindest Software- P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 42 NACHRICHTEN befriedigend zu lösen.“ Das ist der erste Schritt. Schritt zwei - „Was ist los? “ Sofort Partei für eine Streitpartei zu ergreifen, davon raten die Experten meist ab. „Reagieren Sie nicht zu schnell. Drängen Sie anfangs nicht zu sehr zu einer Lösung“, warnt Renate Koppmann, Psychologin und Konfliktberaterin aus Lindau. Besser ist es, sorgfältig den Parteien zuzuhören, zu vermitteln, Gemeinsamkeiten in der Auseinandersetzung zu finden. Die Grundeinstellung, dass jeder der Kontrahenten aus seiner Perspektive - gewissermaßen - Recht hat, hilft beim Sondieren. Unterschiedliche Sichtweisen, Gefühle, Bedürfnisse und auch Wertvorstellung (Arbeitstempo gegen Qualitätsdenken) werden deutlich - allesamt „Material“, mit dem der Projektleiter später die Parteizerfallen ist, mit Schuldzuweisungen am sozialen Dynamit. Zuletzt stellt jemand den Sinn des ganzen Unternehmens in Frage. Das Projekt: ein Minenfeld aus Grundsatzdebatten, Streitereien, Scharmützeln, Grabenkämpfen und persönlichen Feindseligkeiten. Ein Einzelfall? Kein Einzelfall. Kaum ein Projektleiter, der im Laufe seines Projekts nicht über offene und verborgene Konflikte klagt. Derlei Streitereien zerren an der Motivation und gefährden ernsthaft den Projekterfolg. So weit die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Arbeitspsychologen und Soziologen haben in der „Konfliktforschung“ handfeste Ergebnisse gesammelt, von denen auch Projektmanager profitieren. Konflikte, meinen die Fachleute, gehören unweigerlich zum Projektmanagement. ■ Das Joint-Venture-Projekt zweier Chemieriesen droht zu platzen. Schon wenige Wochen nach Projektstart zeichnen sich im Team Konflikte ab, zunächst nur Spannungen, dann lähmende Streitereien. Die Atmosphäre in den Meetings ist geladen, die Diskussionen drehen sich um Projekttools und um die Prioritätenfrage, ob Termindruck oder Qualitätsanspruch Leitlinie der Arbeit ist. Später zündelt das Team, das längst in zwei Lager In fünf Schritten Teamkonflikte lösen Expertin Gissou Assmann über den ersten Schritt, Streitigkeiten im Team zu bewältigen: „Äußern Sie die Absicht, den Konflikt befriedigend zu lösen.“ Projektarbeit ist auch Konfliktarbeit. Mehr noch, Arbeitspsychologen haben beobachtet, dass Konflikte festes Element der Teambildung sind. Sie sprechen von einer „Konfliktphase“, die jede Mannschaft durchmacht, bevor sie sich wirklich als effizient arbeitendes Team fühlt. Ähnlich wie in einer Ehe, in der „überwundene“ Konflikte zur Harmonie führen, schweißen bewältigte Auseinandersetzungen ein Team zusammen und stärken es. Andersherum bleibt ein Team, das den Zoff nicht durchgemacht hat, unter seinen Möglichkeiten. Zwietracht und Spannungen letztlich als Motivationsfaktor? Konflikte als Rückenwind für ihre Projektarbeit zu nutzen, davon sind die meisten Projektmanager entfernt. Sie stellen nur fest, dass die Streitigkeiten im Team die Arbeit lähmen und Meilensteine gefährden. Plötzlich bilden sich im Team kleine Grüppchen, drehen Mitarbeiter Endlos-Diskussionsschleifen zur Vorgehensweise und Methodik, machen Schuldzuweisungen die Runde und finden Erörterungen kein Ende. Mit einem Mal zieht das Team, um Munition für seine Kleinkriege zu haben, längst Beschlossenes in Zweifel; oder greift den Projektleiter an. An derlei Alarmzeichen lässt sich ablesen, dass im Teamklima das Barometer fällt und die Stimmung auf Sturm steht. Projektmanager haben Probleme, der auf Krawall gebürsteten Mannschaft beizukommen. Nachfolgend fünf Schritte zur Konfliktbewältigung: Schritt eins - „Oha, ein Konflikt …“ Die Erkenntnis, dass der Haussegen schief hängt, bringt Projektleiter bereits voran. Profis sehen die Konfliktsymptome ohnehin als Chance und begrüßen sie. „Jeder, der einen Konflikt zum Thema macht, weist auf ein Problem hin“, erklärt Gissou Assmann, Projektmanagementberaterin bei Consensa in Hamburg. Im Klartext: Tragen Mitarbeiter einen Streit im Team zum Projektleiter, sollte er ihn nicht nach dem „Auch-das-noch! “-Muster überspringen. Gissou Assmann: „Äußern Sie die Absicht, den Konflikt Foto: privat Konfliktberaterin Renate Koppmann: „Reagieren Sie bei einem Konflikt im Team nicht zu schnell. Drängen Sie nicht zu sehr zu einer Lösung.“ Foto: privat en zusammenführen kann. „Es ist, als ob man mit einem Scheinwerfer das Konfliktfeld ausleuchtet“, meint Projektmanagement-Berater Kristoffer Krsmanovic (Consensa, Hamburg), ein Prozess, der manchmal schon heilsam wirkt. Schritt drei - „Woran liegt’s? “ Erst nach diesem Ausleuchten lohnt es sich, die Differenzen zu bearbeiten. Gemeinsam mit den Parteien analysiert der Projektleiter die Situation, setzt Prioritäten, forscht P R O J E K TMANA G E M E N T 2 / 2 0 0 2 43 müssen sich später weniger über Konflikte ärgern. Ähnliches gelte für eine gewissenhafte Projektumfeldanalyse und für Planungstechniken. Zudem empfiehlt sie, in Projekten Spielregeln zu vereinbaren - eine simple Technik, die sie gerne in Trainings-Teams zur Aufgabe macht. Derlei Spielregeln entschärfen Konfliktpotential auf der Beziehungsebene zwischen den Mitarbeitern. Umfassende Richtlinien brauchen die Teams dabei nicht zu ersinnen. Praktische Regeln sind gefragt, Spielregeln nach dem Muster, dass beispielsweise jeder täglich dreimal seine E-Mails abruft und beantwortet, dass das Team bei Brainstormings Ideen nicht sofort kritisiert oder bei Problemen nicht Schuldige, sondern Lösungen sucht. Renate Koppmann warnt allerdings: „An diese Spielregeln muss sich jeder halten, auch die Projektleitung.“ Da gebe es keine Ausnahmen. Hinweis am Rande: Gissou Assmann, Renate Koppmann und Kristoffer Krsmanovic haben vor GPM- Regionalgruppen zum Thema Konflikte Vorträge gehalten. O. Steeger keit, verschiedene Konfliktarten erkennen zu lernen. Kracht es auf der Beziehungsebene, sind die meisten Sachdiskussionen nur Scheingefecht. Krsmanovic: „Hier ist es sehr wichtig herauszuhören, aus welchem Grund die beiden Parteien wirklich streiten.“ Wer solche Beziehungskonflikte lösen will, muss den Kontrahenten zwei Dinge ermöglichen: ihre Sichtweise offen darzulegen sowie dabei eine wertschätzende Haltung dem anderen gegenüber einzunehmen. Krsmanovic: „Ein Arbeitsklima der Wertschätzung und Anerkennung ist ohnehin wichtige Grundlage, um andere überhaupt auf Konflikte im Projekt anzusprechen und sie zu lösen.“ Vielen Konflikten, so meinen Experten, können Teams ohnehin aus dem Wege gehen. Mit vorbeugenden Maßnahmen lassen sich Wogen glätten. Bemerkenswert, dass gerade saubere Projektmanagement-Methodik dazu beiträgt, Streitigkeiten im Keim zu ersticken. Renate Koppmann hat beobachtet: Projektleiter, die zu Anfang sorgfältig Auftrag und Ziel ihres Vorhabens klären, nach Ursachen und skizziert mögliche Lösungen. Wird es ganz knifflig, führt zunächst die Frage weiter, wo - neben all den Differenzen - letztlich Gemeinsamkeiten sind, bei denen man ansetzen kann. Ohnehin befriedet es die Parteien mehr, wenn nicht die eine Fraktion den Sieg, die andere die Niederlage davonträgt. Kompromisse, bei denen sich beide bewegen müssen und der Verlust geteilt ist, wirken nachhaltig. Noch besser: eine Lösung, bei der alle Parteien ihr Ziel erreichen und die in eine Win-Win-Situation mündet. Indes, die Experten warnen auch, mit zu viel „Kuschelführung“ Konflikte zu lösen. Manche Auseinandersetzungen sind gewaltig eskaliert. Projektleiter können die Streitigkeiten nur noch im Auge behalten - und müssen sie notfalls per Machtdekret lösen. „Sie können nur so lange moderieren, wie beide Seiten bereit sind, aufeinander zuzugehen“, zieht Gissou Assmann die feine Linie zwischen lösbaren und den unlösbaren Konflikten. Schritt vier - „Was tun wir jetzt? “ Eine Lösung ist in Sicht, die Gemüter beruhigen sich - doch mit seiner Schlichtung ist der Projektleiter noch nicht am Ende. In Schritt vier überprüfen die Parteien, ob die Lösungen tatsächlich realisierbar sind. Stehen die Aussichten gut, treffen sie klare Abmachungen und verteilen Aufgaben. Ein Protokoll nach dem „Wir-haben-vereinbartdass …“-Muster ist hilfreich. Schritt fünf - „Und? Alle zufrieden? “ Aus Konflikten können Mitarbeiter lernen - sowohl für das Projekt als auch für sich selbst. Sprechen Sie die Kontrahenten darauf an, ob sie mit der Lösung zufrieden sind, wie das Gespräch auf sie gewirkt hat und welche „Lehren“ sie daraus ziehen. Indes, bevor Projektleiter Konflikte lösen helfen, sollten sie feststellen, um welche Art von Konflikten es sich handelt. Erst dann können sie geeignete Lösungswege suchen (siehe Kasten auf S. 44). Beziehungskonflikte, bei denen es nicht mehr in erster Linie um die Sache geht, sind besonders „heikel“. „Projektleiter machen häufig den Fehler, die Beziehungskonflikte zu ignorieren oder allein auf der Sachebene lösen zu wollen“, hat Krsmanovic festgestellt und betont die Dringlich- „Häufig machen Projektleiter den Fehler, Konflikte allein auf der Sachebene zu schlichten“, hat Projektmanagement-Berater Kristoffer Krsmanovic festgestellt. Foto: privat