PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Projektvergleichstechnik – das „zweite Bein“ der Projektbewertung
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„Nutzt die Erfahrungsdaten früherer Projekte“, fordern Verfechter der Projektvergleichstechnik. Geht es darum, Schwierigkeit und Güte eines Projekts zu messen, haben sie ein bestechendes Konzept entwickelt. Sie legen zusammenfassende Messzahlen vor, die sie aus vergangenen Projekten ermittelt haben - und heben die Projektbewertung auf eine sachliche Ebene. Sie lassen fundierte Zahlen sprechen, wenn andere mit Missverständnissen und ungewollten Kränkungen über die Güte eines soeben abgeschlossenen Projekts streiten. Bei der Projektvergleichstechnik geht es um nüchterne, aussagekräftige Zahlen - und auch darum, was am Ende „herumgekommen“ ist, wie es also um Budget, Termine und Qualität steht.
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8 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 9 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 „NutztdieErfahrungsdatenfrühererProjekte“,fordernVerfechterderProjektvergleichstechnik.Gehtesdarum,SchwierigkeitundGüteeinesProjektszumessen,habensieein bestechendesKonzeptentwickelt.SielegenzusammenfassendeMesszahlenvor,diesieaus vergangenenProjektenermittelthaben-undhebendieProjektbewertungaufeinesachlicheEbene.SielassenfundierteZahlensprechen,wennanderemitMissverständnissenund ungewolltenKränkungenüberdieGüteeinessoebenabgeschlossenenProjektsstreiten.Bei derProjektvergleichstechnikgehtesumnüchterne,aussagekräftigeZahlen-undauchdarum,wasamEnde„herumgekommen“ist,wieesalsoumBudget,TermineundQualitätsteht. Projektvergleichstechnik- das„zweiteBein“derProjektbewertung Prognose,Trendermittlung,Benchmarking D ie Erfahrungsdaten abgeschlossener Projekte nutzen? Aber ja, meinen Projektvergleichstechniker. Für sie liegt auf der Hand: Abgeschlossene Projekte sind eine wertvolle Informationsquelle. Fachmännische Vergleiche zwischen beendeten Projekten erbringen objektive Maßstäbe, die auch für neue Vorhaben nützlich sind. Die Daten, die in den Projektakten gesammelt sind, bilden ein breites Fundament für Benchmarking, Trendermittlung und Prognose. Benchmarking: Wie schneidet ein bestimmtes Projekt im Vergleich ab? Was lässt sich daraus lernen? Wie schlägt sich der beschrittene Weg im Ergebnis nieder? Trendermittlung: Sind die Projektergebnisse allgemein auf Kurs? Wie haben sie sich im Lauf der vergangenen Jahre entwickelt? Stimmt der projektübergreifende Trend mit den Unternehmenszielen überein? Prognose: Die Prognosen unterstützen die Projektplanung. Fundierte Erfahrungswerte helfen, Budgets zu planen sowie die Termine der Meilensteine zu setzen. Beispielsweise: Wie lange würde ein Tunnelbau im Vergleich mit anderen Projekten dauern? Was wären angemessene Kosten, wie gut würde die Qualität abschneiden - immer ermittelt am Maßstab anderer Projekte? Kurz: Wo werden die entscheidenden Werte eines Projekts - nach aller Erfahrung - liegen? Solche Methoden zur Prognose setzen US-Unternehmen seit den sechziger Jahren ein. Einige tausend Unternehmen in den USA nutzen sie heute zur Kostenschätzung. Europäische Unternehmen zogen zehn bis zwanzig Jahre später nach und entwickelten auch einen breiteren Ansatz. Dennoch, die Projektvergleichstechniker wirkten hierzulande bislang im Stillen. Jetzt aber hat sich eine GPM-Fachgruppe dieses Themas angenommen und auch kostenlose Anwendersoftware zum Benchmarking mit Projektvergleichstechnik bereitgestellt. ZielmerkmaleundParameter Experten empfehlen Einsteigern in die Projektvergleichstechnik, zuerst ihre vorhandenen Daten nach untereinander ähnlichen Projekten zu ordnen, dann nach Zielmerkmalen und Parametern. Das sind Begriffe der Projektvergleichstechnik. Zielmerkmale sind die wählbaren Größen, die die wichtigsten Eckwerte DieProjektvergleichstechnikgibtbereitsbeiderPlanungAnhaltspunkteandie Hand.WielangewürdeeinTunnelbauimVergleichmitanderenProjektendauern? WaswärenangemesseneKosten,wiegutwürdedieQualitätabschneiden? Foto: OliverSteeger 10 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 11 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 des Projekts beschreiben, beispielsweise Projektdauer, Projektkosten, möglicherweise Reparaturkosten und Betriebskosten des Objekts - also bedeutsame Anforderungen an das Projekt, die auf den Ablauf, die Wirtschaftlichkeit und die Qualität zielen. Unter Parametern verstehen Projektvergleichstechniker die Größen, die die Werte der Zielmerkmale prägen, von denen diese also maßgeblich abhängen. Beispiele: bei Tunnelbauprojekten die Tunnellänge, bei Softwareprojekten der Aufgabenumfang oder die Zahl der Function Points. Parameter und Zielmerkmale sind auch die entscheidenden Ausgangsdaten der Anwendersoftware, die die GPM-Fachgruppe zur Projektvergleichstechnik bereitstellt. Das Tool, das die GPM seit kurzem kostenlos im Internet zum Download anbietet, errechnet zunächst die mittleren Zusammenhänge zwischen Parametern und Zielmerkmalen, dann Kennzahlen zur Projektbewertung (kostenfreie Software auf der GPM-Homepage www.gpm-ipma.de; dort in der Rubrik „PM-Entwicklung und Projekte“ unter „Fachgruppe Projektvergleichstechnik“). „Essenz“ausdemErfahrungsschatzerrechnen Die mittleren Zusammenhänge zwischen Parametern und Zielmerkmalen sind, so pointiert ein Projektvergleichstechniker, die „Essenz“ des Erfahrungsschatzes, der in den abgeschlossenen Projekten gespeichert ist. Sie liefern Richtwerte der Zielmerkmale mit Bezug auf die Parameter. Die ermittelten Richtwerte selbst dienen der Prognose. Die Abweichungen der einzelnen Projekte von diesen Richtwerten liefern die Kennzahlen zum Benchmarking. Dabei betonen die Projektanalytiker: Entscheidend ist, dass die Vergleiche richtig durchgeführt werden. Andernfalls droht Gefahr, dass nicht die maßgeblichen Projekteigenschaften, sondern sprichwörtlich Äpfel und Birnen in Relation gesetzt werden. Beispiel Tunnelbau: Abwegig wäre es, die Daten aus Tunnelbauprojekten allein nach der Länge des Baus zu vergleichen und die Härte des zu durchbohrenden Gesteins außen vor zu lassen. Hier werden Analytiker auch Parameter der geologischen Verhältnisse verwenden. Sie schließen aus, dass Tunnelbauten durch Granit Maßstab werden für Tunnel durch Sandboden. Projekte durch das Daten-Duo Parameter und Zielmerkmale vergleichbar machen und dann auch vergleichen - diese Strategie mutet simpel an. Sie erinnert an die Basics der Ingenieurwissenschaften: Es wird gemessen, nicht geraten. Analytiker versichern denn auch, dass ihre Technik transparent, effektiv und häufig sogar einfach ist. In Großunternehmen mit großem Projektgeschäft liegen auch die erforderlichen Daten früherer Projekte in großer Menge vor. NeueInformationenfürProjektmanager Macht die Methode Schule, können Projektmanager mit genaueren Informationen als bislang rechnen. Liegt ihr Projekt in Relation zu früheren Projekten in gutem Rahmen? Entspricht es den Richtwerten langjähriger Erfahrung - und am Ende deren Ergebnissen? „Diese Informationen sind hilfreich und unangenehm zugleich“, meint der Münchner Projektmanagementexperte Erwin von Wasielewski, „aber es verhält sich prinzipiell nicht anders als beim Controlling, in der Schule oder bei jedem Sportwettbewerb. Hauptsache, es wird nicht willkürlich geurteilt und wir lernen aus unseren Projekten.“ „NutztdieErfahrungsdatenfrühererProjekte“,fordernVerfechterderProjektvergleichstechnik.Gehtesdarum,SchwierigkeitundGüteeinesProjektszu messen,habensieeinbestechendesKonzeptentwickelt.Sielassenfundierte Zahlensprechen,wennanderemitMissverständnissenundungewolltenKränkungenüberdieGüteeinessoebenabgeschlossenenProjektsstreiten. Foto: Nokia EineGPM-FachgruppehateinekostenloseAnwendersoftwarezumBenchmarkingmitProjektvergleichstechnikimInternetbereitgestellt. Foto: Nokia 10 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 11 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 Was manchen auffällt: Die Projektvergleichstechnik lässt das Projektmanagement als solches unberücksichtigt. Wie Projektmanager vorgehen, das bleibt ihnen überlassen, im Vergleich werden diese „weichen“ Faktoren eines Projekts bislang nicht betrachtet. So geben die Vergleiche nur mittelbar Auskunft über die Managementqualität - nämlich, inwieweit der gewählte Weg erfolgreich war und ans Ziel geführt hat. Genau dies unterscheidet die Vergleichstechnik von Projektmanagement-Bewertungstechniken. Bei Projektbewertungen beispielsweise nach dem Reifegradmodell oder nach „PM-DELTA“ beurteilen Experten das Management nach einem Vorgehensmodell. Zugleich schöpfen sie für ihre Einschätzungen aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz. Dabei kann, so geben Vergleichstechniker zu bedenken, das zahlenmäßige Projektergebnis ins Hintertreffen geraten. Statt der so genannten „Zielerreichung“ steht das Management im Fokus. Eben diese Zielerreichung ermitteln die Projektanalytiker mit ihrer Technik und schaffen damit ein „zweites Bein“ der Projektbewertung. „Der Zielerreichung eines Projekts wird in Bewertungen oft zu wenig Beachtung geschenkt“, mahnt Erwin von Wasielewski. Werde Management bewertet, müsse man auch nachmessen und in voller Bedeutung berücksichtigen, wie effizient das Ziel erreicht wurde. „Hier liegt noch viel Lernpotenzial“, meint er, „am besten nutzt man es, wenn man Projektvergleichstechnik und Managementbewertungen zusammen einsetzt.“ MaßstäbefürProjekte Verfechter der Projektvergleichstechnik fürchten die Zahlenanalyse, die Maßstäbe keineswegs - weder für eigene Projekte noch für das Projektmanagement in Deutschland. Ganz im Gegenteil, Erwin von Wasielewski meint, die Vergleichstechnik beflügele das Lernen aus Projekten und damit den Fortschritt des Managements: „Mit ihr wird der Erfahrungsschatz eines Unternehmens oder der Branche erst ganz ausgeschöpft“. Sie sichere und benütze Know-how: „Zum Beispiel quantitative Prognosen wären mit herkömmlicher Managementbewertung gar nicht möglich.“ Indes, Verfechter der Projektvergleichstechnik wissen auch, wo ihre Methode Grenzen findet. Dort nämlich, wo sich zu wenig Einflussfaktoren von Projekten quantifizieren und in Zahlen ausdrücken lassen. „Man kann Kompromisse schließen“, erläutert Erwin von Wasielewski, „gefährlich aber wird es, wenn man Parameter verwendet, die sich überhaupt nicht glaubwürdig beziffern lassen.“ Dennoch ist er zuversichtlich, dass sich die Projektvergleichstechnik bei viel mehr Projektarten als bisher mit Gewinn anwenden lässt. BauprojektelassensichproblemlosmitderProjektvergleichstechnikanalysieren. Foto: Bayer