PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2002
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Was erwartet die Wirtschaft vom Diplom-Projektmanager?
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2002
Nino Grau
Richard Roth
Ulrich Vossebein
Seit einiger Zeit zeigt sich, dass immer mehr Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, die nicht nur über Kenntnisse bzw. Erfahrungen im Projektmanagement verfügen, sondern dies auch durch entsprechende Nachweise belegen können. Die Frage, die oft diskutiert wird, ist, welchen Stellenwert ein Hochschuldiplom in einem solchen System hätte. In einer Expertenbefragung, die im Rahmen einer Personalmesse von Mitarbeitern der Fachhochschule Gießen-Friedberg durchgeführt wurde, wurde dieser Frage nachgegangen. Die Befragung wurde persönlich anhand eines teilstrukturierten Fragebogens durchgeführt.
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26 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 27 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WaserwartetdieWirtschaftvom Diplom-Projektmanager? NinoGrau,RichardRoth,UlrichVossebein SeiteinigerZeitzeigtsich,dassimmermehrUnternehmenMitarbeiterinnenundMitarbeitersuchen,dienichtnurüberKenntnissebzw.ErfahrungenimProjektmanagementverfügen,sonderndiesauchdurchentsprechendeNachweisebelegenkönnen.DieFrage,die oftdiskutiertwird,ist,welchenStellenwerteinHochschuldiplomineinemsolchenSystem hätte.IneinerExpertenbefragung,dieimRahmeneinerPersonalmessevonMitarbeitern derFachhochschuleGießen-Friedbergdurchgeführtwurde,wurdedieserFragenachgegangen.DieBefragungwurdepersönlichanhandeinesteilstrukturiertenFragebogens durchgeführt. Z iel der Untersuchungen war es, den Bedarf und das Anforderungsprofil von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Hochschulausbildung im Bereich Projektmanagement zu erfassen. Darüber hinaus sollte auch aufgezeigt werden, in welcher Art und Weise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Aufgaben im Rahmen von Projekten bisher vorbereitet wurden. Nicht zuletzt sollte die Analyse Hinweise dafür liefern, welche Inhalte in einem akademischen Weiterbildungsstudiengang, der zum Abschluss „Diplom-Projektmanager“ führt, aus Sicht der Unternehmen benötigt werden. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Zugangsvoraussetzung für das Weiterbildungsstudium ein abgeschlossenes Studium (i. d. R. der Ingenieurwissenschaften) ist. Insgesamt wurden in der qualitativen Studie auf der Personal-Messe der DGFP (Deutsche Gesellschaft für Personalführung) 33 Personen befragt. Die Gruppe setzte sich wie in Abb. 1 dargestellt zusammen. Die Verteilung in Abb. 1 zeigt, dass die wesentlichen Branchen, in denen Projektmanagement vielfältig eingesetzt wird, in der Studie vertreten sind. Dadurch, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten aus dem Personalbereich kam (siehe Abb. 2) und in diesem Bereich in Führungspositionen anzutreffen ist (siehe Abb. 3), ist gewährleistet, dass die geäußerten Meinungen hohe Relevanz aufweisen. Aus der Zuordnung einiger der Befragten zu den beiden Kategorien „Projektmanagement-Teammitglied“ und „PL-Projektleiter“ wird aber auch deutlich, dass es bisher offensichtlich keinen „normalen“ Karriereaufstieg im Projektmanagement gibt, wie dies in den anderen Funktionsbereichen (Gruppen-, Abteilungs- Hauptabteilungs-Bereichsleiter) der Fall ist. Dieser Aspekt sollte an anderer Stelle aktiv aufgegriffen und diskutiert werden. Von den Befragten gaben über die Hälfte an, dass über 50 % der unternehmerischen Tätigkeiten im Rahmen von Projekten erfolgen. Hierbei sind bei über einem Drittel der Unternehmen mehr als 50 % aller Mitarbeiter in Projekte eingebunden. Auch wenn diese Werte von Branche zu Branche deutlich schwanken, belegen sie eindeutig die Bedeutung des Projektmanagements. In einer Folgeuntersuchung, die für dieses Jahr geplant ist, werden diese Werte sicherlich noch höher liegen, da rund 2 ⁄ 3 der Unternehmen angaben, dass zukünftig noch mehr Aufgaben im Rahmen von Projekten bewältigt werden sollen. Ein großer Schub in diese Richtung wird hierbei von den Themenbereichen E-Commerce und E-Business ausgehen. Nachdem der erste Anlauf in vielen Unternehmen diesbezüglich gescheitert ist, wird man beim zweiten Anlauf versuchen, die bisher begangenen Fehler zukünftig zu vermeiden. Einer der Hauptfehler lag in vielen Fällen darin, dass ohne klare Organisations- und Verantwortungsstruktur erst einmal angefangen wurde. Die Einführung des E-Commerce bzw. die Umstellung des Unternehmens auf E-Business Abb.1: BranchederBefragten Abb.2: StrukturFunktionszuordnungderBefragteninihrem Unternehmen 28 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 29 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 sind klassische Projekte, die entsprechend gemanagt werden müssen. Erstaunlich waren die Ergebnisse zur Vorbereitung der Mitarbeiter auf die Tätigkeit in Projekten. Fast die Hälfte der Unternehmen gab an, dass so gut wie keine Vorbereitung stattfindet (vgl. Abb. 4). Bei einem weiteren Drittel beträgt die Vorbereitungszeit weniger als drei Tage, wohingegen nur sechs Befragte 4-14 Tage bzw. ein Befragter eine Ausbildung im Bereich Projektmanagement angaben. Erstaunlich war auch, dass keine Antwort zu der Frage nach einem Abschluss im Bereich Projektmanagement kam. Die obigen Angaben gewinnen insbesondere deshalb an Bedeutung und zeigen ein großes Defizit in den Unternehmen auf, da nur vier Befragte angaben, dass die Mitarbeiter, die hauptsächlich in Projekten eingesetzt werden, über intensive Kenntnisse im Bereich Projektmanagement verfügen. Die Antworten auf die Frage, welche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen im Bereich Projektmanagement notwendig sind, zeigten sehr deutlich, dass es nicht ausreichend ist, wenn die Grundlagen (Systemdenken, Projektziele, Projekterfolgs- und -misserfolgskriterien, Projektphasen- und -lebenszyklen, Normen und Richtlinien im PM) und Methoden des Projektmanagements (Projektstrukturierung, Ablauf- und Terminmanagement, Ressourcenmanagement) beherrscht werden, sondern dass zu einer erfolgreichen Arbeit in einem Projekt auch soziale Kompetenzen benötigt werden. Der Begriff Sozialkompetenz wurde in der Umfrage mit Wahrnehmung, Kommunikation und Motivation, soziale Strukturen sowie Selbst- und Konfliktmanagement inhaltlich beschrieben. Bei der differenzierten Befragung nach den Inhalten der sozialen Kompetenz wurde die der Kommunikation am häufigsten genannt. Auf die Frage nach den notwendigen Sprachkenntnissen gab es eine eindeutige Antwort. Englisch als Wirtschaftssprache wurde überwiegend als notwendig angesehen, wohingegen Französisch, Spanisch oder andere Sprachen als nicht relevant bewertet wurden. Wie sollte ein Weiterbildungsstudium im Bereich Projektmanagement aufgebaut sein? Dieser Fragenkom- Abb.3: PositionderBefragteninihremUnternehmen Abb.4: VorbereitungaufdieTätigkeitinProjekten Abb.5: NotwendigeKenntnisseimPM 28 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 29 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 plex bezog sich einerseits auf die Gesamtdauer des Studiums, andererseits auf die Verteilung der Lernphasen. Der Ansatz, den Weiterbildungsstudiengang über insgesamt drei Semester (= 1,5 Jahre) gehen zu lassen, fand große Zustimmung. Bei der Frage, wie viele Stunden in dieser Zeit zur Vermittlung der Inhalte notwendig sind, gab es keine eindeutige Aussage, wobei sich aber ein Schwerpunkt zwischen 600 und 700 Stunden abzeichnete. Wichtig war es vielen Befragten aber, dass die Zeit außerhalb des Unternehmens möglichst gering gehalten wird und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht jede Woche für einen Tag oder einen Abend das Unternehmen verlassen, um an einer Präsenzveranstaltung teilzunehmen, da dadurch zu viel Zeit für die eigentlichen Aufgaben am Arbeitsplatz verloren gehen würde. Häufig wurde vorgeschlagen, eine Kombination aus Präsenz-, Fern- und Selbststudium zu versuchen. Die Bereitschaft, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen eines Weiterbildungsstudiums zu unterstützen, war vielfach vorhanden, wobei vielen Unternehmen offensichtlich eine finanzielle Unterstützung leichter fällt als eine zeitliche. Aufgrund der oben dargestellten Ergebnisse sowie zahlreicher Gespräche, die mit Unternehmensvertretern aus allen Branchen geführt wurden, erhielt der erste deutschsprachige Weiterbildungsstudiengang Projektmanagement einer staatlichen deutschen Hochschule folgende Struktur (siehe Abb. 6): Die erste Säule bilden die Themen des Projektmanagements. Der Umfang deckt im Wesentlichen die Inhalte des PROJECT-MANAGEMENT-KANON der GPM ab. Die zweite Säule umfasst das General Management mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Controlling/ IT. Die dritte Säule „Kultur/ Kommunikation“ greift die genannten Anforderungen an die soziale Kompetenz der Projektmitglieder auf. (Nähere Informationen zum Weiterbildungsstudiengang ab S. 40.) Der Bedarf an einer akademischen Ausbildung im Bereich Projektmanagement wird laut unserer Umfrage als sehr hoch eingeschätzt. Dies betrifft sowohl die „klassischen“ projektorientiert arbeitenden Branchen als auch Branchen, die sich erst langsam dieser Form der Aufgabenbewältigung nähern. Insgesamt wurde von den befragten Unternehmen für die nächsten Jahre ein Bedarf von über 1.000 Mitarbeitern mit akademischer Ausbildung im Bereich Projektmanagement genannt. Weitere Informationen sowie die Anmeldeunterlagen zum ersten Diplomstudiengang Projektmanagement im deutschsprachigen Raum können unter nachfolgender Adresse bezogen werden: Dipl.-Ing. (FH) Monika Gonka, Fachhochschule Gießen-Friedberg, Wilhelm- Leuschner-Straße 13, D-61169 Friedberg, E-Mail: Monika.Gonka@wp.fh-friedberg.de, http: / / www.fhfriedberg.de/ fachbereiche/ wp/ pm/ index.htm. Studiengang Projektmanagement Projektmanagement General Management Kommunikation und Kultur Diplomarbeit Abb.6: StrukturdesWeiterbildungsstudiengangsProjektmanagementanderFHGießen-Friedberg Literatur [1]Grau,N./ Roth,R./ Vossebein,U.: E-Commerce-Risksandopportunitiesfor anentrepreneur.In: 2ndInternationalConferenceonDynamicEnterprises. Portoroz2001,S.92-100 [2]GrauN./ Feyerabend,F.-K./ Vossebein,U.(Hrsg.): E-Life-mehralsBusiness. Aachen2001 [3]Grau,N./ Roth,R./ Vossebein,U.: CustomerLoyaltyManagement(CLM)and SuccessinE-Commerce.In: 3rdInternationalConferenceonDynamicEnterprises.Portoroz2001,S.81-90 Schlagwörter PersonalentwicklungfürProjektmanager,PM-Anforderungen,PM-Bedarf,PM- Diplom,PM-Studium,WeiterbildungsstudiumProjektmanagement Autor Prof.Dr.NinoGrau,Jahrgang1950,istseit1991Professoru.a.fürProjekt-undProzessmanagementan derFachhochschuleGießen-FriedbergimFachbereich WirtschaftsingenieurwesenundProduktionstechnik. NachdemStudiumderInformatikinErlangenunddes WirtschaftsingenieurwesensanderTUMünchenwarer knapp1JahrzehntinderIndustrietätig-imIT-Bereich zuletztalsOrganisations-undEDV-Leiter.Seineheutigen SchwerpunktesindProjekt-undProzessmanagement.GrauistMitgliedder GPM,woeralsVorstandfürdenBerufsverbandderimProjektmanagement tätigenPersonenzuständigist.Erwarbzw.istMitgliedimProgrammkommitee zahlreichernationalerundinternationalerTagungenundAutorverschiedener VorträgeundVeröffentlichungenimBereichProjektmanagement.GrauistProjektleiterfürdieEinführungdesneuenWeiterbildungsstudiengangszumDipl.- Projektmanager(FH)bzw.Dipl.Projektmanagerin(FH),derimSeptember2002 mitdenerstenVorlesungenstartet. Autor Prof.Dr.RichardRoth,Jahrgang1952,istseit1995ProfessoranderFachhochschuleGießen-FriedbergimFachbereichWirtschaftsingenieurwesenundProduktionstechnik. SeineLehrgebietesindMarketing-Management,Führung undOrganisation,Grundlagendeswissenschaftlichen Arbeitens.NachdemStudiumderBetriebswirtschaftslehreanderUniversitätMannheimwarerüber14Jahrein derIndustrie,zuletztalsMarketingleitereinesUnternehmensderKonsumgüterindustrie,tätig.SeineForschungsschwerpunkteliegen 30 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 WISSEN 31 P R O J E K TMANA G E M E N T 4 / 2 0 0 2 imBereichService-Marketing,Kundenzufriedenheitund BiometrischeIdentifikation.EristAutorundCo-AutorzahlreicherVeröffentlichungensowieVorträgezudenThemen Service-Marketing,Innovation,Informationsmanagement, Electronic-CommerceundBiometrischeIdentifikation. Autor Prof.Dr.UlrichVossebein,1957, studiertevon1978bis1983ander Johann-Wolfgang-vonGoethe-UniversitätinFrankfurta.M.Volkswirtschaftslehreundpromovierte währendseinerTätigkeitalswissenschaftlicherMitarbeiteranschließend anderselbenUniversität.Nachseiner Promotionwarervon1988bis1992beiderEckesAGim BereichMarktforschung-zuletztalsAbteilungsleiterim UnternehmensbereichAfG-beschäftigt.Seit1992hater eineProfessurfürAllgemeineBetriebswirtschaftslehre, insbesondereMarketinganderFachhochschuleGießen- Friedberg.SeineHauptforschungsschwerpunkteliegenim BereichstrategischeMarktforschung,Marketing-Controlling,undInnovationsmanagement.ImMai2000gründete erzusammenmitProf.Dr.KlausTölledasInstitutfür MarktanalysenundUmfrageforschung(IMU).Prof.Dr. VossebeinistAutorzahlreicherPublikationenundals Seminar-undTagungsleitertätig. AnschriftderAutoren UniversityofAppliedSciences FachhochschuleGießen-Friedberg Wilhelm-Leuschner-Str.13 61169Friedberg E-Mail: Nino.Grau@wp.fh.friedberg.de Richard.Roth@wp.fh-friedberg.de Ulrich.Vossebein@wp.fh-friedberg.de www.fh-friedberg.de/ pm