eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 14/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2003
141 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„Projektmanagement meist erst, wenn es kriselt“

31
2003
Oliver Steeger
Nicht alle Tage wird eine so umfangreiche Studie zum Thema Projektmanagement vorgestellt. Grund genug für Projektmanagement aktuell, mit dem Initiator der ab Seite 4 vorgestellten Studie Kontakt aufzunehmen. Redakteur Oliver Steeger sprach mit Karsten Schmidt von „Volkswagen Coaching ProjektManagement“ über Ergebnisse und Perspektiven der Studie, die seit Juni 2002 unter dem Titel „Stand und Trend von Projektmanagement in Deutschland“ vorliegt.
pm1410008
8฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 Mit Ihrer Studie haben Sie eine Bestandsaufnahme des deutschen Projektmanagements vorgelegt. Was hat Sie zu dieser Studie motiviert? Karsten Schmidt: Es ging uns in erster Linie darum, das Verständnis von Projektmanagement, die Erfolgsfaktoren und quasi die aktuelle Situation des Projektmanagements zu ermitteln. Gibt es da Bedarf? Karsten Schmidt: Aber ja. Praxiserfahrungen haben gezeigt, dass mehr Kenntnisse über die Realität von Projektarbeit notwendig sind, da Projektmanagement in Deutschland unterschiedlich eingesetzt und gestaltet wird. Abstimmungen zwischen Lehre und Praxis erscheinen notwendig, um die aus diesem Spannungsfeld entspringenden Fragen zur Umsetzung von Projektmanagement zu klären. Des Weiteren benötigen wir diese Informationen für unsere Projektmanagementberatung. Die Frage war hier, was müssen wir wie auf dem Markt für Projektmanagementdienstleistungen anbieten. Und? Sie haben Antworten auf diese Fragen gefunden? Karsten Schmidt: Antworten vielleicht nicht, aber viele wichtige Informationen. Wir können beispielsweise nachweisen, dass einerseits zwischen dem Anspruch an Projektmanagement aus Wissenschaft und Lehre, andererseits der Projektmanagementpraxis in Unternehmen zum Teil eine große Lücke klafft. Dieses Ergebnis ist nicht neu. Eine alte Vermutung scheint damit bestätigt zu werden. Karsten Schmidt: Richtig. Aber wir haben differenzierte Informationen bekommen. Wir können sagen, dass die Idee von einer breit angelegten Projektmanagementkultur, die sich als umfassender Führungsansatz in Unternehmen durchsetzt, eine Vision ist. In der Praxis sieht es um den Stellenwert von Projektmanagement anders aus. Dort wird Projektmanagement häufig eingesetzt, wenn es in einem Projekt eng wird. Also die blanke Not treibt zum Projektmanagement? Projektmanagement als Feuerwehrinstrumentarium? Karsten Schmidt: Das lässt sich mit Sicherheit nicht so verallgemeinern. Aber ein gewisser Druck gehört offenbar dazu, dass Projektmanagament zum Zuge kommt. Wir haben vier Treiber für Projektmanagement festgestellt. Sich schnell ändernde Märkte, erhöhte Anforderungen an die Flexibilität eines Unternehmens, Komplexität von Vorhaben und starker Termindruck - das sind die Motoren für Projektmanagement. Projektmanagement wird also nicht proaktiv eingeführt, im Sinne einer vorsorgenden Maßnahme? Karsten Schmidt: Der Impuls kommt aus zwei Richtungen. Zum einen fürchten Führungskräfte um ihre Marktposition und drängen deshalb auf den Einsatz von Projektmanagement. Das ist durchaus proaktiv. Im฀Gespräch: ฀Karsten฀Schmidt฀ von฀Volkswagen฀Coaching฀ ProjektManagement Foto: ฀Oliver฀Steeger „Projektmanagement฀meist฀erst,฀ wenn฀es฀kriselt“ Projektmanagement-Experte฀Karsten฀Schmidt,฀VW฀Coaching฀ProjektManagement,฀ bestätigt฀Lücke฀zwischen฀Theorie฀und฀Praxis Oliver฀Steeger Nicht฀alle฀Tage฀wird฀eine฀so฀umfangreiche฀Studie฀zum฀Thema฀Projektmanagement฀vorgestellt.฀Grund฀genug฀für฀Projektmanagement฀aktuell,฀mit฀dem฀Initiator฀der฀ab฀Seite฀4฀vorgestellten฀Studie฀Kontakt฀aufzunehmen. Redakteur฀Oliver฀Steeger฀sprach฀mit฀Karsten฀Schmidt฀von฀„Volkswagen฀Coaching฀Projekt- Management“฀über฀Ergebnisse฀und฀Perspektiven฀der฀Studie,฀die฀seit฀Juni฀2002฀unter฀dem฀ Titel฀„Stand฀und฀Trend฀von฀Projektmanagement฀in฀Deutschland“฀vorliegt. 9฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 Häufig kommt aber auch das Signal aus konkreten Projekten, quasi reaktiv auf Probleme in den Vorhaben. Welche Erfolgsfaktoren haben Sie für Projektmanagement ermittelt? Karsten Schmidt: Hier haben uns die Ergebnisse nicht sonderlich überrascht. Sie haben uns wiederum bestätigt. Fast die Hälfte der Befragten gaben an, dass Projektmanagement nur erfolgreich funktionieren kann, wenn das Top-Management dahinter steht und es unterstützt. Diese Unterstützung ist der wichtigste Erfolgsfaktor. Projektmanagement benötigt kräftigen Rückenwind aus den Chefetagen - das ist in der Tat nicht überraschend … Karsten Schmidt: Nein, es ist aber ein wichtiges Signal, das Management stärker beispielsweise in die Projektkommunikation, in die Ausbildung und in die Prozesse einzubeziehen. Auch das Projektmarketing sowie die gezielte Ausbildung der Top-Führung erhalten im Licht dieses Ergebnisses einen neuen Stellenwert. Welche weiteren Erfolgsfaktoren sind noch bedeutend für Projektmanagement? Karsten Schmidt: Auch hier gibt es keine Überraschungen, sondern wichtige Bestätigung. Saubere, vernünftige Methodik und ausreichende Qualifizierung spielen eine große Rolle. Einbindung des Top-Managements, Methodik und Qualifizierung - was heißt dies für die Dienstleistungen von VW Coaching ProjektManagement? Karsten Schmidt: Unsere Dienstleistung ruht auf drei Säulen, der Beratung, Projektmanagement in konkreten Projekten und der Projektqualifizierung, die sowohl Projektleiter als auch Führungskräfte und Mitarbeiter umfasst. Wir wurden durch die Studie bestätigt, dass wir damit die Bedürfnisse des Marktes gut abdecken. Welche Studienergebnisse haben Sie überrascht? Karsten Schmidt: Die reine Projektmanagementsoftware hat offenbar keine Priorität. Nur drei Prozent rechnen sie zu den Erfolgsfaktoren. Software ist damit unwichtig? Karsten Schmidt: Nein, wir haben das Ergebnis hinterfragt. Heute kommt kein Projekt ohne spezielle Software aus. Doch scheint die Bedeutung der reinen Software nicht so groß zu sein. Aber die Methode, die von der Software abgebildet wird, hat hohe Priorität. Welchen Schluss ziehen Sie daraus? Karsten Schmidt: Für uns ist klar: Die Projektmanagementsoftware darf die Methode nicht verordnen. Bei komplexen Projekten kann dies zu erheblichen Problemen führen. 10฀฀ REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 Konkret? Karsten Schmidt: Entscheidend ist, dass die Software nach der Methode ausgewählt wird. Hier sind also Vielfalt und Unterordnung der Software unter die individuelle Projektmanagementmethode gefordert … Welche Ergebnisse haben Sie noch überrascht? Karsten Schmidt: Die Aussagen zur Reifeentwicklung des Projektmanagements in Unternehmen. Man geht gerne davon aus, dass Projektmanagement, wenn es einmal eingeführt ist, sich fast automatisch entwickelt und dabei reift. Genau diese Strategie geht nicht auf? Karsten Schmidt: Nein, offenbar nicht in dem erhofften Umfang. Das Rezept, dass sich Projektmanagement von einer Insel her über das gesamte Unternehmen verbreitet, scheint nicht zwangsläufig zu funktionieren. Was schlagen Sie für die Projektmanagementeinführung vor? Karsten Schmidt: Zumindest für große Unternehmen und Konzerne muss das Prinzip der Vielfalt gelten. Die Methodik, die für Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gilt, muss nicht zwangsläufig beispielsweise für Organisationsprojekte geeignet sein. Sehe ich das richtig? Bedeutet dies den Abschied von einem unternehmensweit gültigen, einheitlichen Projektmanagementstandard? Karsten Schmidt: Nein, das nicht. Doch ist unter einem einheitlichen Dach die Balance zwischen Standardisierung und individueller Anpassung für einzelne Bereiche zu schaffen. Das heißt …? Karsten Schmidt: Es sollten Standards für das Projektmanagement definiert werden, die als strategische und operative Leitlinien dienen. Auf dieser Grundlage können für jeden Bereich detailliertere Vorgehensweisen entwickelt werden, die wiederum für jedes Projektprogramm spezifiziert werden. Konkret, was bedeutet dies für einen unternehmensweit gültigen Patentprozess für Projektmanagement? Karsten Schmidt: Größere Unternehmen und Konzerne sollten zumindest Vorsicht walten lassen bei einer einheitlichen Festschreibung zu „strenger“ Projektmanagementregularien. Es ist erforderlich, einen Rahmen vorzugeben. Dieser muss aber einzelnen Organisationseinheiten genügend kreativen Spielraum lassen. Ihre Studie haben Sie im Juni letzten Jahres erstmals vorgestellt. Eine umfangreiche Broschüre ist erschienen, die demnächst auch über den Buchhandel zu beziehen ist. Sind damit Ihre Forschungsarbeiten abgeschlossen? Karsten Schmidt: Die Studie wird auch auf Englisch erscheinen, das ist sicher. Möglicherweise werden wir auch das deutsche Projektmanagement mit dem Projektmanagement Japans, Frankreichs oder der USA vergleichen. Hier werden wir unseren Fokus auf interkulturelle Aspekte lenken. Weitere Informationen zur Studie „Stand und Trend von Projektmanagement in Deutschland“ bei Volkswagen Coaching ProjektManagement, Karsten Schmidt, Tel.: 0 53 61/ 8 97-35 61, Karsten.Schmidt@volkswagen.de 