eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 14/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2003
141 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Quo vadis, Bau-Projektmanagement?

31
2003
Dietmar Marohn
Die Bauwirtschaft ist seit einiger Zeit von einer starken Rezession betroffen, ein Ende ist nicht so richtig in Sicht. Um andere Branchen macht diese Rezession auch keinen Bogen, doch scheint es, als ob dort wesentlich mehr und intensiver auf Projektmanagement als Methodik für effektive Geschäftsprozesse zurückgegriffen wird, als dies im Bauwesen der Fall ist. Sicher lässt sich eine schlechte Auftragslage allein nicht mit den Methoden des Projektmanagements bekämpfen. Die weit verbreitete Ablehnung und Skepsis von Projektmanagement gerade im Bauwesen am Anfang des 21. Jahrhunderts müssen einem aber dennoch stark zu denken geben.
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29฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 Quo฀vadis,฀ Bau-Projektmanagement? 12฀streitbare฀Thesen฀zum฀derzeitigen฀Stand฀des฀Projektmanagements฀im฀Bauwesen฀ in฀Deutschland Dietmar฀Marohn Die฀Bauwirtschaft฀ist฀seit฀einiger฀Zeit฀von฀einer฀starken฀Rezession฀betroffen,฀ein฀Ende฀ist฀ nicht฀so฀richtig฀in฀Sicht.฀Um฀andere฀Branchen฀macht฀diese฀Rezession฀auch฀keinen฀Bogen,฀ doch฀scheint฀es,฀als฀ob฀dort฀wesentlich฀mehr฀und฀intensiver฀auf฀Projektmanagement฀als฀ Methodik฀für฀effektive฀Geschäftsprozesse฀zurückgegriffen฀wird,฀als฀dies฀im฀Bauwesen฀der฀ Fall฀ist.฀Sicher฀lässt฀sich฀eine฀schlechte฀Auftragslage฀allein฀nicht฀mit฀den฀Methoden฀des฀ Projektmanagements฀bekämpfen.฀Die฀weit฀verbreitete฀Ablehnung฀und฀Skepsis฀von฀Projektmanagement฀gerade฀im฀Bauwesen฀am฀Anfang฀des฀21.฀Jahrhunderts฀müssen฀einem฀aber฀ dennoch฀stark฀zu฀denken฀geben. Z unächst sei erst einmal definiert, was hier unter Bau-Projektmanagement verstanden sein soll: das Management von Projekten der Entwicklung, Planung, Errichtung und/ oder Betreibung von Gebäuden und/ oder Anlagen der technischen Infrastruktur sowie der Raum-, Regional- und Stadtplanung (nachfolgend Bau-PM oder Bau-Projekte genannt). Insofern werden Begriffe wie Immobilienmanagement, Facility-Management, Raumordnungsmanagement u. a. m. hier mit eingeschlossen. Die nachfolgenden Thesen stellen derzeit häufig anzutreffende Probleme beim Umgang mit Projektmanagement in (zumeist mittelgroßen) Bau-Projekten dar. Einige Lösungsansätze werden aufgezeigt. These฀1: ฀Bauprojekte฀können฀sowohl฀interne฀als฀ auch฀externe฀Projekte฀sein.฀Der฀interne฀Charakter฀ der฀Projekte฀wird฀häufig฀übersehen฀oder฀unterschätzt. In der in Abb. 1 gezeigten Portfolio-Übersicht werden die feinen Differenzen in der Art von Bauprojekten deutlich. Obwohl allgemein Bauprojekte zu externen Projekten gezählt werden, ist diese Zuordnung ein wenig zu global. Das Projektergebnis (das Bauwerk) kann sowohl für einen Dritten (externe Projekte) oder für den Eigenbedarf (interne Projekte) bestimmt sein. Der Anteil von eigenen und fremden (externen) Projektmitarbeitern ändert daran nichts. Selbst der Extremfall, bei dem ein Kunde bei einem Generalübernehmer oder Bauträger ein schlüsselfertiges Gebäude inkl. Planung bestellt, stellt für den Kunden ein internes Projekt dar: Es müssen durch den Kunden der Leistungsumfang und die Qualität definiert, Kosten und Termine vereinbart, Verträge verhandelt, die Finanzierung gesichert werden u. a. m. Insofern unterscheidet sich auch der eben geschilderte Neubau-Prozess vom Kauf einer bestehenden Immobilie. Letzteres stellt kein Projekt dar. Es scheint vielleicht übertrieben, einem Käufer eines Reihenhauses erklären zu wollen, dass er ein internes Projekt betreibt, jedoch wird dies sehr schnell bei größeren Projekten einleuchten, bei denen z. B. ein neues Produktionsgebäude entstehen soll. Diese Erkenntnis wird oft genauso übersehen oder ignoriert wie die Besonderheit der externen Projekte, die darin liegt, dass diese auch einen internen Charakter haben, ein internes Moment. Jedes (Bau-)Projekt besteht aus Teilprojekten, die jeweils von verschiedenen Gruppen, darunter ggf. auch externe Gruppen, bearbeitet werden. Diese externen Gruppen (Architekten, Statiker, Baufirmen etc.) müssen das ihnen übertragene Teilprojekt zu „ihrem“ Projekt machen. Damit das (Teil-)Projektergebnis extern weitergereicht werden kann, muss es erst einmal zu einem internen Projektergebnis werden. Daraus wird deutlich, dass die Anwendung von PM-Methoden nicht nur Sache eines ggf. eingeschalteten Projektsteuerers ist, sondern im entsprechenden (Teil-)Umfang Sache aller (externen) Projektbeteiligten. Dies müssen noch viele Planungsbüros und Baufirmen verinnerlichen. These฀2: ฀Die฀Akzeptanz฀von฀PM฀ist฀im฀Bauwesen฀in฀ Deutschland฀unterentwickelt฀und฀konzentriert฀sich฀ ausschließlich฀auf฀Großprojekte. Es geht hier nicht darum, bei jedem Projekt einen (externen) Projektsteuerer einzusetzen. Bei kleineren Projekten reicht es völlig aus, wenn die Erkennntnisse der 1. These beherzigt werden. Es geht darum, dass Projektmanagement noch zu häufig als nutzlose Geldausgabe für überflüssige Leistungen, gewissermaßen als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für eine in den letzten 10 bis 15 Jahren entstandene Gilde von theoretischen Besserwissern angesehen wird, die sowieso nur 30฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 WISSEN die Kosten für eine ansprechende Bauwerksgestaltung streichen und damit der natürliche Feind der Architekten sind. „Wir sind bisher auch ohne PM ausgekommen“, „Die PM-Ergebnisse sind sowieso nur Theorie, in der Baupraxis muss operativ entschieden werden“, „Wenn mit dem Architekten eine Bonus-Malus-Regelung bezüglich der Einhaltung der Kosten vereinbart wird, kann man auf PM-Leistungen verzichten“. Solche und ähnliche Argumente kann man leider noch allzu oft besonders bei mittelgroßen Bauvorhaben zu hören bekommen. Darin spiegelt sich die noch große Unkenntnis über Umfang, Inhalt und Nutzen von Bau-PM-Leistungen wider (siehe auch These 3). Mitunter wird auch die Übertragung von PM-Leistungen an einen (externen) Projektsteuerer als Entthronung des Architekten angesehen. Dabei ist dies doch nur das Ergebnis der Notwendigkeit einer Arbeitsteilung in einem immer komplizierter werdenden Bauprozess. Der Verfasser konnte z. B. eine Erweiterung eines Schulgebäudes in Norditalien mit einem Umfang von ca. 1 Mio. Euro besichtigen, bei der ein externer Projektsteuerer eingesetzt wurde. Bei diesem Bauvolumen wäre es in Deutschland undenkbar, einen Bauherrn zum Nachdenken über den PM-Einsatz zu bewegen! Es ist falsch, die Frage nach Einsatz eines (externen) Projektsteuerers von einem bestimmten Schwellenwert des Bauvolumens abhängig zu machen. Einzig der Grad der Komplexität, die zur Verfügung stehende Zeit und das Budget können diese Frage beantworten. So kann es z. B. auch bereits bei einer Umbaumaßnahme kleineren Bauvolumens bei laufendem Betrieb mit vielleicht auch noch verschiedenen Nutzern erforderlich sein, einen (externen) Projektmanager einzusetzen. These฀3: ฀Die฀Kenntnis฀dessen,฀was฀als฀Bau-Projektsteuerungsleistungen฀abverlangt฀werden฀kann฀bzw.฀ muss,฀ist฀bei฀vielen฀Auftraggebern฀unterentwickelt. Die Leistungsbilder der „klassischen“ Planungs- und Bauleistungen sind allgemein weiter und besser verbreitet, als dies beim PM-Leistungsbild der Fall ist. Dass es eine HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) gibt, in der die Leistungen bzw. Aufgaben der Planer beschrieben sind, ist noch bekannt (einmal abgesehen davon, dass die Teile der HOAI zur Vergütung dieser Leistungen immer unbekannter werden). Die Kenntnis der Existenz einer AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V.) und deren Inhalt mit präzise beschriebenen Handlungsbereichen und Leistungsphasen für Bau-PM-Leistungen jedoch fehlen vielfach. Hinzu kommen nebulöse Vorstellungen über den Zweck von Bau-PM, das in erster Linie keine Planungs-, sondern eine Koordinations- und Steuerungsleistung darstellt, die nur voll wirksam werden kann, wenn sie direkt und unabhängig dem Bauherrn bzw. Auftraggeber unterstellt ist. Die gemeinsame Vergabe von Planungs- und Projektsteuerungsleistungen an ein und dasselbe Büro ist so unsinnig, dass man auch gleich darauf verzichten kann. Dies darf aber keinesfalls mit den Aussagen der These 1 verwechselt werden. Dort geht es um den Einsatz von Projektmanagement als Methode, hier um den Einsatz von Projektmanagement als (externe) Leistung. Projektrealisierung erfolgt mit … … vorwiegend eigenem Projektteam z. B.: Ein Bauträger baut ein Wohngebäude zum Verkaufen. z. B.: Ein Bauträger baut ein Wohngebäude zum Vermieten. … vorwiegend fremdem Projektteam z. B.: Ein Bauträger baut ein Gewerbeobjekt für ein anderes Unternehmen. z. B.: Ein Bauträger baut für den Eigenbedarf ein Wohn- und Geschäftshaus. extern intern Projektart Der Kunde des Projektergebnisses ist … … ein anderes Unternehmen/ anderer Käufer. … das eigene Unternehmen. Abb.฀1: ฀Charakter฀von฀Bauprojekten 31฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 These฀4: ฀Bau-Projektmanagementleistungen฀werden฀ -฀wie฀andere฀Planungsleistungen฀auch฀-฀einem฀ Preisdumping฀unterworfen,฀bei฀dem฀letztlich฀einzig฀ und฀allein฀die฀Qualität฀leidet. Preiswettbewerb ist das eine. Dies kann aber nicht so weit gehen, dass eine Luxuslimousine zum Preis eines Kleinwagens erwartet wird. Ein anderer Fall scheint aber im Bauwesen viel verbreiteter zu sein: In Unkenntnis des Auftraggebers über den Qualitätsunterschied zwischen der Luxuslimousine und dem Kleinwagen ist keine monetäre Vorstellung über den Wert der eingekauften Ware (bzw. Leistung) vorhanden, da auch keine Vorstellungen über die Soll-Qualität vorhanden sind. Man will eben ein Auto, aber worauf geachtet werden muss, ist unklar (siehe These 3). These฀5: ฀Projektsteuerungsleistungen฀werden฀zu฀ spät฀beauftragt. Ebenfalls aus Unkenntnis über das Wesen und den Inhalt von Bau-Projektmanagement erfolgt mitunter ein zu später Einsatz von PM-Leistungen. Wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist (z. B. während der Realisierungsphase), kann man mit PM-Methoden allenfalls Schaden begrenzen. Gerade die vorausschauende Betrachtungsweise bzgl. eventueller Ereignisse oder Risiken ist zu einem derartigen Zeitpunkt kaum noch möglich. Aber auch der Einsatz eines Projektmanagers nach abgeschlossener Genehmigungsplanung und vor Baubeginn wird nur ein PM-Rudiment werden können. Die gesamte Problematik der Festlegung von Qualität und Zielen, Definitionen, Schnittstellen, Strukturbildungen u. a. m. in der Projekt-Start-Phase kann dann kaum noch behandelt werden, weil der Projektmanager vor vollendeten Tatsachen steht und sein Eingriff nur noch begrenzt etwas bewirken kann. These฀6: ฀Aus฀falsch฀verstandener฀Kostenminimierung ฀ werden฀von฀Auftraggebern฀Bau-PM-Leistungen฀in฀ notwendige฀und฀überflüssige฀Teilleistungen฀unterteilt.฀Nur฀die฀„notwendigen“฀Teilleistungen฀werden฀ beauftragt. Mitunter erscheinen Bau-PM-Leistungen dem Laien als ganz banal oder werden mit anderen betriebswirtschaftlichen Leistungen verwechselt. So besteht das Informations- und Dokumentationsmanagement eben nicht nur aus Faxe versenden und Pläne abheften. Eine Projektbuchhaltung ist eben nicht Teil der betrieblichen Buchhaltung, da schon allein die Buchhaltungssoftware gar nicht als Projektbuchhaltung geeignet und entwickelt ist. Terminplanung ist eben nicht nur die zeitliche Planung des Bauablaufes. Die Terminplanung der Bauplanung wird auf wenige Meilensteine reduziert, Zwischentermine zur Kontrolle des (Planungs-)Leistungsstandes sind daher nicht möglich. Und so geschieht dann, was häufig geschieht: Der Bau beginnt mit Plan- Vorabzügen, freigegebene Ausführungspläne kommen verspätet, teure und zeitaufwändige Rückbauarbeiten werden erforderlich. Projektmanagementleistungen sind nun einmal komplexe, ineinander greifende Leistungen, die nicht einfach nach Belieben „gekappt“ werden können. Wenn dies geschehen soll oder muss, dann ist sehr intensiv über das Legen der Schnittstellen nachzudenken, um das restliche PM-Leistungsgebilde nicht zu einem behinderten Torso werden zu lassen. Dies wird dann meist in der Praxis übersehen oder nicht intensiv genug betrieben. These฀7: ฀Auftraggeber฀erbringen฀Teilleistungen฀des฀ Bau-PM฀und฀sind฀hierfür฀oftmals฀völlig฀unzureichend฀ qualifiziert. Zweifelsohne ist es möglich, nur Teilleistungen extern zu beauftragen. Nur müssen die Schnittstellen wohl überlegt werden, was ohne Kenntnis des gesamten Bau-PM-Leistungsumfanges und seiner Zusammenhänge schlecht bewerkstelligt werden kann. Für die beim Auftraggeber verbleibenden Teilleistungen müssen genauso PM-Fachleute zum Einsatz kommen wie bei einer externen Beauftragung. Es bedarf dann weiterhin eines „Supervisors“, der die mitunter divergierenden Einzellösungen der Teilleistungen als Kompromiss zu einer Gesamtlösung führt. Hier sei an das magische Dreieck Kosten - Qualitäten - Termine erinnert. Diesen Supervisor gibt es aber in den wenigsten Fällen, so dass Fehlentscheidungen oder fehlende Entscheidungen dann das Ergebnis sind. These฀8: ฀Der฀Projektsteuerungsmarkt฀im฀Bauwesen฀ ist฀mehr฀als฀in฀anderen฀Branchen฀von฀selbst฀ernannten฀Projektmanagern฀überfüllt,฀die฀über฀unzureichende฀Management-Kompetenzen฀verfügen. Es schaudert einen, was alles für Büros, Unternehmensberatungen etc. von sich behaupten, Projektmanagementleistungen anzubieten. Wer einige Jahre in der Baubranche mit der Entstehung von Bauwerken beschäftigt war, hat sicher gute Voraussetzungen, ein Bau-Projektmanager zu werden, ist es damit aber automatisch noch nicht. Vor allem bei methodischen Grundlagen und sozialen Kompetenzen besteht akuter Weiterbildungsbedarf. Einerseits sind hier die Weiterbildungsmaßnahmen der GPM vorbildlich. Die Existenz des PM-Kanons, der gewissermaßen die Struktur der PM-Kompetenzen und des PM-Wissens darstellt, fehlt in ähnlicher Weise für andere Ausbildungsrichtungen. So ist z. B. nur nebulös formuliert, welche Kompetenzen einen Architekten oder einen Gutachter auszeichnen. Der PM-Kanon ist aber nur die Grundlage. Baufachliche Kompetenzen über rationelle Grundrisslösungen, wirtschaftliche Bauweisen, Bautechnologien u. a. m. können nicht ausgeklammmert werden. Hierauf brauchte in der Vergangenheit wenig Augenmerk gelegt zu werden, weil der Projektmanager sich aus der Berufspraxis herausqualifizierte. Seit einigen Jahren stimmt dies aber nicht mehr, da zunehmend Universitäten und Hochschulen PM-Studiengänge anbieten. Die Absolventen dieser Studiengänge verfügen sicher über gute PM-Kompetenzen, aber logischerweise noch über wenig baufachliche Kompetenzen. Andererseits wird im Bauwesen wesentlich weniger als in anderen Branchen Wert auf PM-Qualifikationen gelegt. Dazu ein Beispiel: In welcher Ausschreibung für Bau-PM-Leistungen wurde als Voraussetzung der Abschluss zum PM-Fachmann verlangt? Ob der Ab- 32฀฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 WISSEN schluss zum PM-Fachmann das alleinige Gütekriterium für Bau-Projektmanager sein kann und soll, sei jedoch einmal dahingestellt. Es ist klar umrissen, wann ein Architekt sich als solcher bezeichnen darf - nicht zu verwechseln mit der unscharfen Definition der Kompetenzen. Ob diese Zugangsvoraussetzungen noch zeitgemäß sind, sei auch einmal dahingestellt. Aber es ist erst einmal eine Hürde definiert, um den Status Architekt zu bekommen. Im Fall der Zulassung zum öffentlich bestellten Gutachter ist die Hürde noch höher. Für (zumindest) Bau-Projektmanager gibt es gar keine Hürde. Es muss hier der Weg zu einem allgemein anerkannten „Gütesiegel“ für Bau- PM-Leistungen, sinnvollerweise gestaffelt wie bei der IPMA-Zertifizierung von Projektmanagern, gefunden werden. These฀9: ฀Auf฀Grund฀fehlender฀Akzeptanz,฀unzureichender฀Qualifizierungen฀und/ oder฀mangelnder฀ Kompatibilität฀der฀Arbeitsmittel฀können฀PM-Methoden฀und฀-techniken฀nur฀begrenzt฀und฀nur฀bei฀wenigen฀Ausnahmeprojekten฀in฀zeitgemäßem฀Umfang฀ eingesetzt฀werden. Die Planungs- und Projektsteuerungsbüros sind alle mit Computern und entsprechender Software ausgestattet (sofern es sich um qualifizierte Büros handelt). Der Austausch unter den Büros geschieht vielfach schon digital. Der Dokumentenaustausch mit Bauherrren erfolgt derzeit noch zu 99 % in Papierform! Mit großen Plänen wird nicht nur in der Baubranche gearbeitet, hinsichtlich des Übertragungsmediums liegt die Baubranche gegenüber anderen Branchen um Jahrzehnte zurück. Die Nutzung des Internets als zentraler Informationsspeicher wird nicht nur hartnäckig in der Baubranche negiert, auch die Bereitschaft, gemeinsam an einem Projekt im Internet zu arbeiten, beschränkt sich auf das Versenden von E-Mails. Andererseits erschweren die heillose Vielfalt von teilweise sehr teurer Software, der unterschiedliche Grad an Hardware-Ausstattung und die völlig unterentwickelte Definition von Datenaustausch-Standards die Akzeptanz einer verstärkten Digitalisierung von Informationen. Die DXF-Schnittstelle zum Datenaustausch von CAD-Zeichnungen ist völlig unzureichend und fehleranfälllig. Einen Standard zum Austausch von z. B. Terminplanungssoftware gibt es überhaupt nicht. Hier kann man nur hoffen, dass die Projektbeteiligten zufällig über die gleiche Software verfügen, was in der Praxis einem Sechser im Lotto gleichkommt. Schließlich kommen noch juristische Probleme der Echtheitserkennung von Originalen hinzu. Zwar ist die elektronische Unterschrift technisch bereits möglich, in der von Gerichtsprozessen gebeutelten Baubranche aber juristisch allgemein nicht sanktioniert! These฀10: ฀Bau-Projekte฀sind฀auf฀Grund฀spezifischer฀ nationaler฀oder฀regionaler฀Baugesetzgebung฀nur฀in฀ wenigen฀Ausnahmefällen฀internationale฀Projekte.฀ Dies฀führt฀zu฀einer฀überdurchschnittlich฀starken฀ Negierung฀der฀sozialen฀Komponenten฀in฀Projekten. Die zunehmende Internationalisierung von Projekten zwingt Projektmanager, ihre sozialen Kompetenzen zu erweitern, um soziale Konflikte aus dieser Internationalisierung im Umgang mit den verschiedenen Kulturen im Prozess zu beherrschen oder zu bewältigen. Bauprojekte sind selten internationale Projekte. Die Komplexität der Planungen sowie die teilweise sogar regional unterschiedlichen Baugesetzlichkeiten führen dazu, dass z. B. die in anderen Branchen praktizierte Projektbearbeitung „mit der Sonne um den Erdball“ kaum Einzug hält. Damit entfällt aber auch scheinbar der Zwang, sich mit sozialen Kompetenzen auseinander setzen zu müssen. Neuere Managementerkenntnisse auf diesem Gebiet, Erkennntnisse der Mitarbeiterführung, Motivationsmethoden u. a. m. haben offenbar überall, aber kaum im Bauwesen Einzug gehalten. Die Methode, die hier weit verbreitet ist, lautet: „Haut den Lukas! “ Nicht wenige Bauprojekte führten z. B. von Ablaufstörungen über soziale Konflikte zu eklatanten Projektkrisen! Letztlich wurde das Projekt mit viel Kraftaufwand abgearbeitet, das Ziel wurde aber nicht erreicht. Die Anwendung sozialer Kompetenzen wird allzu häufig noch als „Schwäche“ des Projektmanagers oder „Verrat“ an den Interessen des Bauherrn angesehen. Dass diese sozialen Kompetenzen jedoch Teil des Projekterfolges sind, hat sich erst begrenzt herumgesprochen. These฀11: ฀Vor฀allem฀deutschen฀Projektmanagern฀ wird฀ein฀starkes฀Harmoniebedürfnis฀nachgesagt.฀ Dies฀ist฀für฀Bau-Projektmanager฀bei฀Projekten฀in฀ Deutschland฀wegen฀der฀weit฀verbreiteten฀„Streitwut“฀ein฀unabdingbares฀Erfordernis. Wahrscheinlich wird in keiner Branche so viel gestritten wie in der Baubranche. Obwohl allgemein der „Nutzen“ von gerichtlichen Bauprozessen auf Grund des hohen Kostenaufwandes, der langen Prozessdauer und des ungewissen Ausganges von vielen (Gerichts-)Prozessbeteiligten angezweifelt wird, Einfluss auf mögliche Vermeidung von unnötigen gerichtlichen Streiten hat dies offenbar nur wenig. Umso mehr muss Augenmerk auf das Vermeiden oder außergerichtliche Schlichten von Konflikten besonders durch die Bau-Projektmanager gelegt werden. Hier zeigt sich wieder die Notwendigkeit der Beherrschung sozialer Kompetenzen, aber auch von Mediationstechniken, die erst seit kurzer Zeit vorsichtig auch Einzug im Bauwesen halten. These฀12: ฀Die฀Anwendung฀von฀PM-Wissen฀bei฀Bau- Projekten฀ist฀in฀den฀letzten฀Jahren฀stehen฀geblieben. Während in anderen Branchen die Vorteile moderner IT-Verfahren zur Verbesserung der PM-Methoden genutzt werden, scheint im Bauwesen das „Wir können schon alles“-Syndrom umzugehen. Es gibt noch richtige weiße Flecken auf der Bau-PM-Landkarte: die Anwendung von PM-Methoden in der Raum-, Regional- und Stadtplanung z. B. zur Verkürzung der extrem lang gewordenen Bearbeitungs- und Genehmigungszeiten von (regionalen) Raumordnungsplänen. Strukturierungsmethoden, Stakeholder-Analysen, Risikoanalysen und Terminmanagement sind hier potentielle Anwendungsfälle. Aber auch Spezialdisziplinen wie das Facility-Management oder das Immobilienmanagement bedürfen der 33฀฀ ฀ P R O J E K TMANA G E M E N T ฀ 1 / 2 0 0 3 noch stärkeren Integration von PM-Methoden sowie der Erreichung deren allgemeiner Akzeptanz. Lösungsansätze Es ist sicher nachvollziehbar, dass hier weder vollständige noch allheilende Lösungsansätze aufgezeigt werden können. Wichtig erscheint zukünftig, das Augenmerk auf folgende Ansätze zu richten:  verstärkte Qualifizierung von Projektmanagern für interne Projekte. Hier hat u. a. auch die öffentliche Hand (Bauämter, Staatsbauämter, Straßenbauämter) einen erheblichen Nachholbedarf;  verstärkte Publikation der wesentlichen Bau-PM- Inhalte, deren Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten zur Qualifizierung von potentiellen Bauherren auf diesem Gebiete: Es reicht also nicht aus, nur die Fußballmannschaft zu trainieren und die Vereinsleitung weiß gar nicht, was Fußball ist!  Schaffung eines „Gütesiegels“ für Bau-PM-Leistungen und Definition von Qualitätsanforderungen für Bau-Projektmanager;  neben der Qualifizierung von Baufachleuten zu Projektmanagern muss verstärkt auch eine Weiterbildung von Projektmanagern zu Baufachleuten erfolgen;  verstärkte Zuwendung zur anwendungsorientierten Forschung zur Erhöhung des PM-Wissens im Bauwesen;  Verstärkung der Fachgrupppenarbeit in der GPM. Hier sei auf die neu gegründete GPM-Fachgruppe „PM am Bau“ hingewiesen.  Schlagwörter Berufsstand,฀Forschungsbedarf,฀PM฀im฀Bauwesen,฀PM- Akzeptanz,฀PM-Methodenvorrat,฀PM-Qualifikation Autor Dr.-Ing.฀Dietmar฀Marohn,฀Architekt,฀geb.฀1958; ฀Studium฀Stadt-฀und฀ Gebietsplanung฀an฀der฀Bauhaus- Universität฀Weimar,฀Promotion฀über฀ mehrkriteriale฀Entscheidungsfindung฀ in฀der฀Stadt-฀und฀Gebietsplanung.฀ Tätigkeit฀als฀Referatsleiter฀Hochbau฀ bei฀der฀Telekom,฀Abteilungsleiter฀Projektmanagement฀bei฀der฀De.Te.Bau,฀Niederlassungsleiter฀ bei฀der฀IPRO฀Dresden.฀Seit฀1997฀selbständig฀als฀Projektsteuerer,฀Architekt฀und฀Gutachter.฀Gründungsmitglied฀der฀ GPM-Fachgruppe฀„PM฀im฀Bau“. Anschrift MAROHN฀+฀Partner freie฀Architekten฀und฀Ingenieure Bruhl฀9 D-99423฀Weimar Tel.: ฀0฀36฀43/ 5฀92฀52 Fax: ฀0฀36฀43/ 5฀92฀55 E-Mail: ฀d.marohn@heusle.de