PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2003
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Gesellschaft für ProjektmanagementWenn Leistung allein nicht voranbringt ...
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2003
Oliver Steeger
Leistung zählt, heißt es unter aufstiegswilligen Projektmanagern. Sie krempeln die Ärmel hoch. Mit jedem Projekt legen sie die Messlatte höher. Noch schwieriger, noch komplexer, technisch noch anspruchsvoller ist das Folgeprojekt. Irgendwann aber liegt die Messlatte zu hoch. Mit Misserfolg schließt das „finale“ Projekt ab - und beendet den Aufstieg des einst hoffnungsvollen, jetzt ratlosen Projektleiters. Eine heimtückische Karrierefalle. Und sie ist derzeit nicht die einzige Falle auf dem beruflichen Weg vieler Projektmanager
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8 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 9 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 K arriere als Projektmanager machen: Das kommt manchen wie die Quadratur des Kreises vor. Sie arbeiten hart. Doch die Personalverantwortlichen und Auftraggeber vergessen derlei Projekterfolge schnell. Angebote der Unternehmen, die Karriereleiter emporzuklettern, bleiben aus. So versuchen manche Projektleiter, durch mehr Leistung auf sich aufmerksam zu machen und den Anlauf auf dem schwierigen Karriereweg zu schaffen. Es hilft nicht viel, leider. Karrierestrategien, die in der Linie wie eine gut geölte Maschine funktionieren, versagen im Projektmanagement. „Hoffnungen, dass Leistungen in Projekten im Unternehmen auffallen und die Karriere fördern, werden häufig bitter enttäuscht“, meint Heinrich Keßler, Berater für Bildung, Organisationsentwicklung und Wissensmanagement. Seit mehr als 15 Jahren ist er in einem deutschen Automobilkonzern tätig und hat sich des Themas Karriereentwicklung angenommen. Er beobachtet: „Geht es beispielsweise darum, einen Linienmanager für ein Team mit einem Etat von zehn Millionen Euro zu finden, liegen gute Instrumente und Strategien für die Personalauswahl und -entscheidung bereit. Dagegen werden Projektleiter für ein Projekt mit einem Budget von zehn Millionen Euro eher auf Zuruf, manchmal auch durch Zufall berufen.“ In der Tat bemühen sich derzeit wenige Unternehmen, das Thema „Karriere im Projektmanagement“ voranzubringen. Konzerne wie die Deutsche Telekom, Lufthansa Systems oder Siemens haben eigene Karrieremodelle erprobt oder dauerhaft installiert. Vorhut bildet hier unter anderem die Software-Branche. So hat Lufthansa Systems ein Karrieresystem entwickelt und dabei auf das vierstufige Zertifizierungssystem der GPM-eigenen, unabhängigen Zertifizierungsgesellschaft PM-Zert aufgesetzt (siehe „Projektmanagement aktuell“, Heft 3/ 2002). Noch lässt sich nicht abschätzen, ob diese ersten Ansätze auf breiter Front Schule machen. Das Gros der bundesdeutschen Unternehmen ist von solchen Karrieremodellen weit entfernt. Hier macht sich mehr oder minder Hilflosigkeit unter Projektma- WennLeistungalleinnicht voranbringt... ProjektleitersolltenKarriereplanungzumeigenen„Projekt“machen OliverSteeger Leistungzählt,heißtesunteraufstiegswilligenProjektmanagern.SiekrempelndieÄrmel hoch.MitjedemProjektlegensiedieMesslattehöher.Nochschwieriger,nochkomplexer, technischnochanspruchsvolleristdasFolgeprojekt.IrgendwannaberliegtdieMesslatte zuhoch.MitMisserfolgschließtdas„finale“Projektab-undbeendetdenAufstiegdes einsthoffnungsvollen,jetztratlosenProjektleiters.EineheimtückischeKarrierefalle.Undsie istderzeitnichtdieeinzigeFalleaufdemberuflichenWegvielerProjektmanager. AufspringenaufdenKarrierezug-leichtgesagt! NochwenigeUnternehmen bietenderzeitProjektmanagerneinattraktivesKarrieremodell.Aber: Tendenz steigend… Foto: Nokia 8 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 9 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 nagern breit, wenn es nicht um das Fortkommen des Projekts, sondern um die eigene Entwicklung geht. „Sinnvoll wäre es, die Karriere wie ein eigenes Projekt zu managen, statt auf Initiativen des Unternehmens zu warten“, meint Keßler, „Projektmanager sollten jedenfalls im Fünf-Jahres-Rhythmus ihren Karrierekurs neu bestimmen.“ Wichtige Empfehlungen dabei: Auf dem Weg nach oben nicht „verbrennen“: Raus aus dem Hamsterrad immer neuer, anspruchsvollerer Projekte! Wer zu hoch gepokert hat, kann die „Narbe“ im Lebenslauf kaum noch tilgen. Der Misserfolg mag nicht „aktenkundig“ sein - wissen wird jeder davon. „Wichtig ist, seine Grenzen zu kennen und unter Umständen Hilfe ins Projekt zu holen“, meint Keßler und schlägt beispielsweise Coaches, Mentoren und Projektberater vor. Grenzen erkennen und in der Karriereplanung akzeptieren kann auch heißen, klugerweise sich mit dem Erreichten (vorerst) zufrieden zu geben. Ruhepausen einplanen: In der Linie sind Ruhepausen beispielsweise in der schwachen Saison oder im Sommer üblich. Projektleiter müssen sich dagegen ihre Ruhepausen zwischen zwei Projekten nehmen, um sich zu regenerieren und Kraft zu schöpfen. Die Pause kann auch der Qualifizierung dienen. Einige Projektleiter nutzen die Zeit, um andere Projektleiter zu beraten oder ihre Fachkompetenz auszubauen. Vorsicht aber, wenn Vorgesetzte Leistungen und Verhalten des Projektleiters in einer solchen Pause von beispielsweise vier Monaten stärker HeinrichKeßler,BeraterfürBildung,OrganisationsentwicklungundWissensmanagement: „DieHoffnungvielerProjektleiterwirdenttäuscht,dassihreLeistungeninProjektenauffallenundimUnternehmenihreKarrierebefördern.“ Foto: privat 10 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 11 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 wahrnehmen als den gelungenen Projektabschluss vor vier Monaten. „Rückendeckung und die Fokussierung auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit kann hier die Dokumentation der im letzten Projekt bewiesenen Kompetenz geben“, so der Berater. Lebensplanung und eigene Grenzen ins Kalkül ziehen: Viele Projektleiter sind ausgesprochene Macher-Typen und wollen etwas bewegen. Das muss so sein, aber fordert einen persönlichen Preis. Die Annahme wird selten bestätigt, dass mit einer höheren Karrierestufe auch mehr Freiraum für Persönliches offen steht. (Zu den Karrierestufen im Projektmanagement siehe oben stehende Grafiken.) Eigene Grenzen ermitteln: Vor dem Sprung auf die nächste Karrierestufe sollten Projektmanager prüfen, ob sie für die neue Position (bereits) die fachliche und persönliche Eignung mitbringen. Entsprechen die Anforderungen den Neigungen, dem Alter, der beruflichen Biographie? Ist Bereitschaft vorhanden, sich zu verändern, hinzuzulernen und neue Erfahrungen zu machen? Stimmen körperliche und geistige Fitness mit den neuen Anforderungen überein? Wenn ja, sollte sich niemand vertrösten lassen - auch nicht durch ein neues Projekt, in welchem man sich (nochmals) bewähren müsse. Karriere-MöglichkeitenimUnternehmenprüfen Wie Projektleiter ihre eigene Kompetenz prüfen, sollten sie auch die Karrieremöglichkeiten in ihrem Unternehmen sorgfältig unter die Lupe nehmen. Bietet es wirklich die erwünschten und benötigten (Projekt-)Perspektiven? „Ich vertrete die These, dass Projektleiter mehrmals in ihrem Berufsleben die Organisation wechseln sollten“, erklärt Keßler. Das kann ein Sprung in andere Bereiche, in eine Konzerntochter oder andere Unternehmen sein - oder auch der Weg als freiberuflicher Projektleiter. Ein vernünftiges Maß Selbstbewusstsein bewahren: Obwohl viele Unternehmen ihre Projektleiter stiefmütterlich behandeln, sind die Karrierechancen insgesamt gut. Projektleiter werden in der deutschen Wirtschaft gesucht. Die Zahl der Projekte nimmt zu. Sogar operative Aufgaben - beispielsweise die Jahresproduktion von Bremsen - werden heute als Projekte abgewickelt. Kompetenz dokumentieren: Erfolgreiche Projekte sind schnell vergessen - und damit auch die Leistungen des Projektleiters. „Deswegen ist es notwendig, dass die persönliche Kompetenz dokumentiert wird“, erklärt Heinrich Keßler. Hier stehen unterschiedliche Instrumente bereit. Entscheidend für die Karriereplanung ist, dass diese Instrumente aussagekräftig die Leistungen Legende: NebendendreiDimensionenSchwerpunktdesPM,ErfahrungundVerantwortung, FunktionsymbolisierendiePfeileeinevierteDimensionvomAusgangspunktüber dieSchwerpunktezudeneinzelnenVerantwortungsstufenundeinefünfteDimensionvomAusgangspunktüberdieeinzelnenErfahrungsstufenzudeneinzelnen Verantwortungsstufen. DieViertelkreisemarkiereneinesechsteDimension,z.B.dieMethodikder Projektunterstützung,derProjektleitung,desWissensmanagements,desProgrammmanagements,derUnternehmensleitungdesProjektmanagementsbiszur KulturbildungimProjektmanagement. FernermarkierendieViertelkreiseeinesiebteDimension,z.B.dieMethodikder Kleinprojekte,derProjektevonOrganisationsteilen,derOrganisationsprojekte,der Inter-OrganisationsprojekteundderinterkulturellenProjekte. DieSchnittpunktederPfeileundderViertelkreisekönnenalsachteDimension gelesenwerden,diez.B.mitderVerantwortungfürdieProjektmanagementunterstützungfürdieMethodikvonKleinprojektenbeginntundzurVerantwortungfür dieMethodikvonInterkulturprojektenführt. DieSchnittpunktederPfeileundderViertelkreisezeigenauchdieneunteDimensionauf,diez.B.mitderVerantwortungfürdieKulturbildungfürKleinprojekte beginntundzurKulturbildungfürinterkulturelleProjekteführt. DieFelder,diesichzwischendenLinienbilden,könnenalszehnteDimension gelesenwerden,inderesdarumgeht,innerhalbderjeweiligenFelderdie„Ganzheitlichkeit“sicherzustellen,d.h.alleFragenzubeantworten,alleProzessezu organisierenundalleMaßnahmendurchzuführen,diesichausdenvorgenannten Dimensionenergeben. KarrieredimensionenimProjektmanagement[2] KarrierestufenimProjektmanagement[1,S.52] 10 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 11 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 des Projektmanagers ermitteln. Der HCPM-Pass [3] (Human Capital Project Management) beispielsweise dokumentiert die bewiesene Kompetenz im Projektmanagement auf Basis der Ergebnisse des jeweils zuletzt geleiteten Projekts (siehe Kasten auf dieser Seite). Als Instrument steht in der Fachdiskussion auch das „People Capability Maturity Modell“, das den „Reifegrad“ von Personal beurteilen hilft. Entwickelt wurde dieses Modell von dem renommierten Software Engineering Institute [4]. Der richtige Zeitpunkt für Karriereschritte: Viele Projektleiter versuchen, direkt nach einem erfolgreichen Projekt die nächste Karrieresprosse zu erklimmen. Das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. Doch eignen sich weder das Ende oder der Start eines Projektes noch die Projektlaufzeit für den Karriereschritt. „Günstiger ist die Zeit zwischen Projekten“, empfiehlt Heinrich Keßler, „in der ruhigen Zeit können Projektmanager Ein„Pass“fürProjektmanager Der so genannte HCPM-Pass dokumentiert die bewiesene Kompetenz des Projektmanagers. Basis für diese Kompetenzbewertung ist das Anforderungsprofil des zuletzt geleiteten Projektes und der Leistungen des Projektmanagers für dieses Projekt. Vorteil: Neue Projekte können mit dem bisherigen Erfahrungsprofil des Projektleiters verglichen werden, da der HCPM-Pass (Human Capital Project Management) wie der Projektindex aufgebaut ist. Im Projektindex wird ein Projekt bewertet nach Kriterien, die unabhängig vom Inhalt des Projekts sind. Damit macht der Index die Anforderungen verschiedener Projekte an das Projektmanagement deutlich. So kommen als Kriterien für diesen Projektindex beispielsweise das Umfeld, die Merkmale oder die Struktur des Vorhabens in Frage. Konkret: Das Kriterium „Komplexität der Beziehungen“ wird beispielsweise mit null Punkten bewertet, wenn zu den Schlüsselpersonen des Projekts gute Beziehungen bestehen. In diesem Fall bestanden keine oder geringe Herausforderungen an das Projektmanagement. Angenommen, in dem Umfeld des Projekts sind mehrere Schlüsselpersonen in Interessenkonflikte verstrickt - dann wird dieses Kriterium mit einer höheren Punktzahl bewertet. Immerhin ist das Projektmanagement (und damit der Projektleiter) erheblich mehr gefordert. Auf diesen Projektindex setzt der Projektmanagerindex auf. Bei ihm werden die gleichen Kriterien wie bei dem Projektindex verwendet - nun aber bezogen auf die Leistungen des Projektleiters im zuletzt geleiteten Projekt. Dokumentiert wird die Leistung im HCPM-Pass. Als Urkunde erhellt das Dokument die Leistungen des Projektmanagers unabhängig vom Projektinhalt. Im Idealfall verwaltet ein HCPM-Manager die Anforderungsprofile der Projekte und die Projektmanagerindizes. Er kümmert sich im Betrieb um die Human Capitals für das Projektmanagement. 12 REPORT P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 13 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 ihre Perspektiven mit Vorgesetzten, Personalabteilungen und Projektauftraggebern klären.“ Karrierevorschläge der Unternehmen sorgfältig prüfen: Nur wenige Projektmanager wollen nach dem abgelaufenen Projekt wieder ihre „Heimatposition“ in der Linie besetzen. Sie fordern neue Projekte - und laufen Gefahr, mit einem zweitrangigen Projekt „beschäftigt“ zu werden. Diese Projekte können unterfordern oder im Unternehmen schlecht verankert sein. Auch Angebote, direkt nach Projektende in der Linienhierarchie aufzurücken, wertet Heinrich Keßler kritisch. „Das Management von Projekten und in der Linie unterscheiden sich stark“, betont er, „die Strategie, aus Projektleitern einen Teil des Top-Managements zu rekrutieren, geht leider selten auf.“ Denken Sie auch über Karrieremöglichkeiten außerhalb von Projekten nach. Der Karriereweg eines Projektmanagers kann auch außerhalb von Projekten voranführen. PM-Wissensmanager, die Projekterfahrungen systematisch erfassen, Mentoren für Projektleiter, Programm-Manager, Projektmanagement-Trainer sowie (interne) Berater sind Beispiele dafür. Literatur [1]Keßler,Heinrich/ Hönle,Claus: KarriereimProjektmanagement.Springer-Verlag,2002 [2]Keßler,Heinrich: KarrieremachenimunddurchProjektmanagement.In: Schelle/ Reschke/ Schnopp/ Schub: Projekteerfolgreichmanagen.Loseblattwerk,Kapitel8.4, TÜV-Verlag,derzeitinder20.Aktualisierung [3]InformationenzumHCPM-Passunterhttp: / / www.human-kapital.de [4]SoftwareEngineeringInstitute,http: / / www.sei.cmu.edu ProjektleitermitKarriereambitionensindgutberaten,ihrepersönlicheLebensplanungindieKarriereplanungeinzubeziehen. Foto: Nokia
