PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2003
143
Gesellschaft für ProjektmanagementIn eigener Sache
91
2003
pm1430033
34 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 WISSEN 35 P R O J E K TMANA G E M E N T 3 / 2 0 0 3 Leserbriefe Exconiunctionelux! EineAntwortaufSchellesKritikamPMBOKGuidevonManfredSaynisch; Exoccidentelux? Projektmanagementaktuell,Heft1/ 2003,S.39 S chelle beschreibt zunächst in einem mustergültigen Überblick die neun Wissensgebiete des PMBOK Guide, bevor er mit seinen kritischen Bemerkungen beginnt. Sein Absicherungshinweis, dass er mit der Perspektive eines GPM-Mitgliedes möglicherweise parteiisch argumentiert, war unnötig. Seine Kritikpunkte sind sorgfältig begründet und entbehren jeglicher vereins- und machtpolitischen Argumentationen. Mit einer Reihe von Schelles Aussagen stimme ich überein. Aber einiges sehe ich anders oder sehe ich noch zusätzlich, indem ich noch andere bzw. weitere Perspektiven einbeziehe. Dabei diskutiere ich nicht nur aus der Sicht eines GPM-Gründungs- und Ehrenmitglieds, das auch an der Entwicklung der deutschen Standards (u. a. im DIN-Normenausschuss) beteiligt war, sondern auch aus der Sicht eines der ersten PMI-Mitglieder aus Deutschland, das die Entwicklung des PMBOK Guide von Beginn an (1985) mitverfolgen konnte und an der deutschen Übersetzung des PMBOK Guide (Ausgabe 1996) mitgewirkt hat. 1 Kritik,dieichunterstreiche Die Beschreibung der neun Wissensgebiete (Kap. 4 bis Kap. 12) weist Mängel auf. Der dargelegte Wissensstand ist teilweise recht traditionell und in einigen Fällen stark mechanistisch orientiert. Schelle kritisiert hier u. a. die starke Orientierung an Modellen des Operations Research, die sich in der Praxis als wenig hilfreich erwiesen haben. Besonders dürftig ist die Darlegung im Hauptprozess „Teamentwicklung“ des Wissensgebietes „Personalmanagement in Projekten“ (Kap. 9). Organisationspsychologie und Sozialwissenschaften bieten heute eine Vielfalt von Konzepten und Methoden, aus denen nur marginal adaptiert wurde. Da ist die Reichhaltigkeit in den entsprechenden europäischen und deutschen Ausarbeitungen (z. B. ICB, PM-Kanon) größer. Nun, mechanistische Denkweisen sind ein Privileg der angelsächsischen Kultur. Da ist es kein Wunder, dass der PMBOK Guide Schwierigkeiten hat, den mechanistischen Teil auf das Sinnvolle zu beschränken. In Europa (und speziell in Deutschland) haben wir die Romantik gehabt und tun uns daher z. B. mit holistischen Denkweisen einfacher. Diese spielen ja oft in der Organisationspsychologie eine Rolle, und wir neigen aus dieser Sicht manchmal zur Einseitigkeit (alles ist Soft-Faktor! ). Der PMBOK Guide entstand vor 20 Jahren insbesondere aus der Gedankenwelt und den Anforderungen des Anlagenbaus (das Wissenselement „Procurement“ ist ein Überbleibsel daraus). Das umfangreiche Wissen und die Strukturen, die in dem Urkonzept des PM in der Aerospace&Defense-Branche bereits seit 40 Jahren existierten, wurden nicht einbezogen. So ist es auch nachvollziehbar, dass unter dem Schirm einer mechanistischen Denkweise Gebiete wie „Neuorientierung im PM“ und „Neue Wege im PM“ nicht im PMBOK und seinem Umfeld überhaupt ansatzweise angegangen wurden, sondern im deutschen Sprachraum entstanden. Diese Themenkreise beschäftigen sich mit den neueren Sichtweisen und Erkenntnissen in den Natur- und Sozialwissenschaften und zeigen neue Wege für das Management von Projekten auf. Hier spielen evolutionäre, systemische und organismische Aspekte eine Rolle, und das ist der absolute Gegenpol von mechanistischen Betrachtungen. Ein weiteres Beispiel, das in der Mängelliste von Schelle nicht erwähnt wird: Das Konfigurations- und Änderungsmanagement wird zwar in den beiden Wissensgebieten „Integrationsmanagement“ (Kap. 4) und „Inhalts- und Umfangsmanagement“ (Kap. 5) jeweils als Hauptprozess definiert, aber inhaltlich gemäß „DIN EN ISO 10 007“ nicht richtig bzw. widersprüchlich wiedergegeben. Schelle führt allerdings einige fehlende Themen an wie „Projektorientierte Organisation“, „Projektauswahl“ oder „Multiprojektmanagement“. Diese Themen sind meiner Ansicht nach entsprechend dem Aufbau und „Scope“ des jetzigen PMBOK Guide zu Recht als Wissenselement nicht behandelt worden, obwohl es natürlich wichtige Themen sind. Doch dazu später mehr. Zugute halten muss man dem PMBOK Guide allerdings, dass er nur die Verfahren wiedergeben will, die allgemein anerkannt sind, die sich auf die meisten Projekte anwenden lassen und bei denen ein breiter Konsens über ihren Wert und Nutzen besteht. Trotzdem, der Anspruch, die Gesamtheit des Projektmanagementwissens darzustellen, wird nur teilweise erfüllt. Nicht nur Schelle hadert mit der deutschen Übersetzung der für das PMBOK wichtigen Begriffe wie „Scope Management“ oder „Human Resource Management“. Mir erging es ebenso, als ich vor 15 Jahren erstmals mit diesen Begriffen konfrontiert wurde. Das Wörterbuch gab da keine Hilfe. Nun, seit wenigen Jahren gibt es eine deutsche Übersetzung des PMBOK Guide, Stand 1996. Das erwähnt Schelle nicht. Hier hat man sich