PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Die „Digitale Fabrik“ als neue Wissensdrehscheibe zwischen OEM und Zulieferer
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Dieter Geckler
Claudia Rehnelt
Die Digitale Fabrik fasst als Sammelbegriff die Konstruktions-, Abbildungs- und Simulationstechniken zur CAD-Unterstützung in der Fabrikplanung zusammen. Strukturiert man die Elemente, so entsteht ein digitaler Projektstrukturplan, der das Rückgrat der Projektkommunikation zwischen den am Projekt beteiligten Unternehmen bildet. Zusätzlich kann
diese Struktur zur Projektfortschritts- und Reifegradmessung genutzt werden. Durch die Zuordnung von Projekterfahrung zu Bibliothekselementen entsteht eine lernende Digitale Fabrik.
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26 WISSEN 27 Die „Digitale Fabrik“ als neue Wissensdrehscheibe zwischen OEM und Zulieferer Dieter Geckler, Claudia Rehnelt Die Digitale Fabrik fasst als Sammelbegriff die Konstruktions-, Abbildungs- und Simulationstechniken zur CAD-Unterstützung in der Fabrikplanung zusammen. Strukturiert man die Elemente, so entsteht ein digitaler Projektstrukturplan, der das Rückgrat der Projektkommunikation zwischen den am Projekt beteiligten Unternehmen bildet. Zusätzlich kann diese Struktur zur Projektfortschritts- und Reifegradmessung genutzt werden. Durch die Zuordnung von Projekterfahrung zu Bilbliothekselementen entsteht eine lernende Digitale Fabrik. J edes neue Kommunikationsmedium hat bisher die kulturelle Landschaft verändert. Diese Regel wird auch für die Digitale Fabrik gelten und ebenso für die betroffenen Automobilhersteller wie auch die Zulieferer. Es lohnt sich daher, einen Blick auf die digitalen Planungsmethoden und die damit zu erwartenden Veränderungen zu werfen. Die ersten Einsätze von CAD-gestützter Computertechnik in der Fertigungsplanung erfolgten in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals wurden die ersten Fabrik-Layouts mit 2-D-Darstellungen erstellt und die ersten Fertigungsprozesse rechnergestützt simuliert. In den 80er-Jahren wurden die ersten CAD/ CAM-Anwendungen einem breiteren Anwenderkreis zugänglich gemacht. Diese ermöglichten die Nutzung von CAD- Geometrien der Konstruktion zur Programmierung von NC-gesteuerten Maschinen in der Fertigungsplanung. Gleichzeitig wurde es möglich, die ersten Architekturmodelle von Fertigungsanlagen dreidimensional zu entwerfen. In dieser Zeit entstand der Traum von CIM, der Computer-integrierten Fertigung, bei der alle Fertigungsprozesse von automatisierten Maschinen ausgeführt und von einer zentralen Fertigungssteuerung geleitet werden sollten. In einem dritten Ast entstanden in dieser Zeit die ersten FEM-gestützten Simulationsmethoden, die z. B. zur Analyse von Umformprozessen, Gussprozessen oder dem Verhalten von Werkzeugen bei spanender Fertigung genutzt wurden. Dieser Traum wurde aber in den 90er-Jahren aufgegeben. Es stellte sich heraus, dass die zentrale Steuerung ganzer Fertigungsanlagen zu unflexibel ist. Zudem war das japanische Konzept des Lean Manufacturing, welches eine sinnvolle Nutzung menschlicher Kreativität und Anpassungsfähigkeit vorsah, wesentlich flexibler und erfolgversprechender. Vom CIM-Gedanken blieb aber eine ganze Palette bis dahin erarbeiteter rechnergestützter Methoden in der Fertigungsplanung bestehen. Diese wurden in dem Konzept der „Digitalen Fabrik“ neu zusammengefasst. Die Digitale Fabrik sollte jetzt nicht mehr die Fertigung steuernd übernehmen, sondern als Planungsinstrument die kommende Fertigung vorausschauend planen. Zum Leitmotiv wurde der Satz: „Jede Fertigung muss vorab in der Simulation zeigen, dass sie die an sie gestellten Anforderungen erfüllen wird.“ Unter diesem Motto wurden an Universitäten und in zukunftsgerichteten Unternehmen, Abb. 1: Elemente der Digitalen Fabrik aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 aktuell 26 WISSEN 27 besonders in der Luftfahrtindustrie, die ersten Systeme zur digitalen Planung aufgebaut. Die Digitale Fabrik stellt in der Fläche höhere Anforderungen an die Hard- und Software als die digitale Konstruktion mit CAD-Techniken, da sie neben dem Produkt auch noch die erforderlichen Produktionsmittel abbilden und in der Simulation berücksichtigen muss. Um den Jahrtausendwechsel wurde es möglich, die erforderliche Technik ersten Pilotanwendern in der Automobilindustrie zur Verfügung zu stellen. Mit der ständig wachsenden Leistungsfähigkeit der Computertechnik ist es heute aber absehbar, dass die Methoden der Digitalen Fabrik kurz vor dem Durchbruch zur flächendeckenden Nutzung stehen. Damit wird die „Zeichnung“ oder auch der 2-D-Plot im Zusammenhang mit losgelösten Arbeitsplänen und schematisierten Layoutzeichnungen als zentrales Medium der Fertigungsplanung abgelöst (Abb. 2). An die Stelle dieser Daten treten zusammenhängende Fertigungsrepräsentationen mit bewegten dreidimensionalen Modellen, die nicht nur eine virtuelle Analyse des geplanten Fertigungsprozesses ermöglichen (Abb. 3), sondern über die rein technischen Funktionen hinausgehen werden, für die sie ursprünglich entwickelt wurden. So wie sich heute die Entwicklung abzeichnet, werden diese Modelle auch eine zentrale Rolle in der Abwicklung der Fabrikplanungsprojekte der Automobilindustrie spielen. Die Fabrikplanungsprojekte in der Automobilindustrie Als Massenprodukte werden Automobile zum größten Teil mit spezialisierten Fertigungseinrichtungen gefertigt, die eine wirtschaftliche Herstellung bei hoher Stückzahl ermöglichen. Daher ist es notwendig, bei jedem Modellwechsel die entsprechenden Fertigungsanlagen an das neue Modell anzupassen. Davon sind die meisten aller Spezialbetriebsmittel betroffen. Diese sind im Wesentlichen alle Um- und Urformwerkzeuge bei der Einzelteilfertigung; Greifer, Vorrichtungen und Roboter im Karosseriebau; häufig müssen auch alle Roboter im Karosseriebau neu aufgebaut werden, wenn das neue Fahrzeugmodell eine neue Fertigungsanordnung und Fügeverfahren mit sich bringt; Spezialeinrichtungen und Vorrichtungen in der Lackiererei und am Montageband; Maschinen und Werkzeuge in der Aggregatefertigung. Mit diesen Umfängen erreichen die Projekte zum Umbau der Produktionsanlage bei einem Modellwechsel häufig eine Größenordnung von einigen 100 Millionen bis zu wenigen Milliarden Euro. Sie dauern mehrere Jahre, beschäftigen mehrere hundert Ingenieure und verteilen sich bei den meist global agierenden Automobilherstellern auf mehrere Kontinente. Dabei stehen diese Projekte meist unter starkem Zeitdruck, denn für die Automobilhersteller ist die rechtzeitige Markteinführung neuer Modelle in der aktuellen Wettbewerbssituation zu einem zentralen Erfolgsfaktor geworden. Die erfolgreiche Durchführung der Planungsprojekte wird damit zu einem wesentlichen „Muss“ in der Automobilindustrie. Mit dem „Simultaneous Engineering“ läuft der Fabrik-Planungsprozess (Abb. 4) parallel zur Produktentwicklung ab. Schon in der Designphase werden im neuen Fahrzeugentwurf fertigungstechnische Aspekte berücksichtigt. Das besondere Interesse gilt dabei, neben der reinen Herstellbarkeit, den zu erwartenden Fertigungskosten. Diese werden durch den Fertigungsstandort, die Fertigungstiefe sowie den Fertigungsprozess bestimmt. Während das neue Fahrzeugmodell auskonstruiert wird, beginnt die Produktion mit der Detailplanung des Fertigungsprozesses und schreibt die Änderungen an den Fertigungsanlagen an die Lieferanten aus. Mit Abschluss und Genehmigung der Fahrzeugkonstruktion erfolgt die endgültige Beauftragung der Hersteller der Fertigungseinrichtungen, da erst ab diesem Zeitpunkt die exakten, geometrischen Maße der neuen Karosse feststehen. Während die neuen Fertigungsanlagen angefertigt werden, entstehen im Versuchsbau Prototypen, mit denen ������ ������ �� �� ���� ������ ������� ������ ����� �� ������ ������ Abb. 2: Wandel der Repräsentation der Daten einer einzelnen Fertigungsanlage � ����� ��� ������� �������� � � ����� ��� �������� ��� �������� � � ����� ��� �������� � � ������ ��� ����������� � � ���������������������� � � ������ ��� ��������� � � ������ ��� ������������ � ���������� ������� ��� ��� �������� ������ ����������� ���� Abb. 3: Beispiel für eine technische Untersuchung ��� ������� ������������� ������������ ������������ ��� ��� ��� ������ ������������ ���������� ����������� ��� ��� ��� �������� �������������� ������� ������� ������ ����������� Abb. 4: Der Produktentstehungsprozess in der Automobilindustrie aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 aktuell 28 WISSEN 29 die neuen Modelle intensiv getestet werden. In dieser Phase ergeben sich zwangsläufig zahlreiche Anforderungen an Produktänderungen, die wiederum zu Anpassungen an die Spezialbetriebsmittel führen. Der gesamte Prozess der Fertigungsrealisierung wird daher stark von Änderungen beeinflusst. Das erste wirkliche neue Auto des neuen Typs, das mit der exakten Fertigungstoleranz der neuen Fertigungsanlage gefertigt wurde, kann aber erst entstehen, wenn die neue Fertigung in Betrieb genommen wurde. Daher sind die endgültigen Produktabnahmen erst nach der Produktionsversuchsserie (PVS) und der O-Serie (O-S) möglich. Erst nach diesen Abnahmen und dem Einfahren der Fertigungsanlagen beim OEM und seinen Zulieferern beginnt die eigentliche Serienproduktion (Start of Production, SOP). Aufgrund dieses zwangsläufig notwendigen Produkt- Entstehungsprozesses sind die Prozesse der Produktionsplanung mit einer in sonstigen Projekten unbekannt hohen Änderungszahl belastet. Daher ist bei der Planung und Realisierung der Fabriken eine besonders hohe Flexibilität aller Projektbeteiligten notwendig. Aus diesem Grund ist ein dynamisches Konfigurationsmodell über den Projektumfang von besonderer Bedeutung. Für diese Rolle bietet sich die Digitale Fabrik an, da sie weit über einen normalen Projekt-Struktur-Plan (PSP) hinaus der Komplexität und Dynamik des Planungsprozesses gerecht wird. Diese Rolle kann die Digitale Fabrik aber nur spielen, wenn sie möglichst früh, am besten gleich zu Projektbeginn, in den Grundstrukturen aufgebaut und danach mit einem transparenten Änderungsmanagement und einer kontinuierlich wachsenden Detaillierung ständig aktuell gehalten wird. Elemente der Digitalen Fabrik Damit werden die Elemente der Digitalen Fabrik deutlich. Die Basis bildet eine historisch änderbare vollständige Struktur aller Elemente der zu planenden Fertigungsanlage. Diese lehnt sich stark an das zu fertigende Produkt und die zur Herstellung notwendigen Fertigungsschritte an, berücksichtigt aber auch alle vorhandenen Elemente einer evtl. schon bestehenden Fertigungshalle (Abb. 5). Über diese Struktur ordnen sich die 3-D-Elemente der Fertigungsanlagen zur Darstellung des Layouts, sei es als 2-D-Plot oder als 3-D, z. B. zur Navigation auf dem Bildschirm bis hin zur Abbildung in einer Virtual-Reality-(VR-)Darstellung, teils mit stereoskopischen Effekten. Auf diesen Modellen setzen die Simulationen auf. Im Vordergrund stehen dabei die Produktanalyse nach fertigungstechnischen Gesichtspunkten, die stoffbezogenen Simulationen zur Analyse von Werkstoffeigenschaften und ihrer Dynamik in Fertigungsprozessen, die geometrisch gestützte Prozessplanung zur dynamischen Analyse einzelner Fertigungsprozesse, zur ergonomischen Analyse manueller Tätigkeiten oder zur Online-Programmierung automatischer Fertigungseinrichtungen sowie die dynamische Analyse von Fertigungsflüssen und logistischen Abläufen. Neben diesen technischen Anwendungen bauen sich auf der Grundstruktur der Digitalen Fabrik die Funktionen zur Planungssteuerung auf. Diese umfassen z. B. die Erstellung der Ausschreibung, die Termin-, Qualitäts- oder die Kostenverfolgung. Aus diesen Daten leitet sich dann das Projektberichtswesen ab. Aufgabe der Grundstruktur ist eine kontinuierlich aktuelle Referenz auf alle verwendeten Daten der Digitalen Fabrik in der richtigen Version und Planungsalternative mit gleichzeitig richtiger Referenz zum aktuellen Konstruktionsstand des Produktes. Optimierung des Planungsprozesses durch die Digitale Fabrik Mit diesem strukturierten Aufbau werden durch die Digitale Fabrik mehrere Ziele erreicht: Die Daten werden über Internet-Technologien in einem ganz anderen Maße als bisher transportabel und ermöglichen eine weltweit aktuelle Verfügbarkeit. Damit entfällt mit der Übergangsdauer zwischen zwei Prozessbeteiligten ein wesentlicher Bestandteil der bisherigen Gesamtprozessdauer. Zusätzlich können die Daten parallel bearbeitet werden und müssen nicht mehr sequentiell in Folge mehrere Stationen durchlaufen. Dadurch lassen sich die Prozesse noch weiter beschleunigen. Diese Bearbeitungsart bewirkt aber noch eine weitere Umstellung. Eine bisher nachfolgend angeordnete Bearbeitungsstelle in einem Prozess kann nicht mehr einen vollständig ausgearbeiteten Datensatz als Input erwarten. Vielmehr arbeiten die Prozessbeteiligten an einem gemeinsam reifenden Datenmodell. Durch diese Prozessanordnung ergeben sich neue Anforderungen in der Zusammenarbeit der Prozessbeteiligten und bei der Prozesssteuerung. Ein weiterer Vorteil digitaler Daten ist ihre Variabilität. Jeder, der einmal mit einem modernen Textbearbeitungssystem gearbeitet hat, kennt die Vorzüge der schnellen Änderung. Mit der Variabilität schrumpfen daher die reinen Änderungszeiten auf ein Minimum zusammen. Gleichzeitig wachsen aber auch die Anforderungen an eine durchgängige Änderungsdokumentation. Erst wenn es gelingt, alle relevanten Änderungen allen Betroffenen sofort mitzueilen, ist die Vision des gemeinsam reifenden Datenmodells möglich. Kombiniert man das gemeinsam reifende Datenmodell mit einem entsprechenden Berichtswesen, so entsteht eine ständig aktuelle Projekttransparenz (Abb. 6). Dabei können zur Reifegradmessung sowohl individuelle Einschätzungen der Projektbeteiligten als auch di- � ������������������������ � ������������������� � ����������� � ������������� � ����������� � ������������� � ������������ � ������������������ � �������������������� � ������������������� � ����������������� � �������������������� � ���� � ��������������� � ������������������������������� � ������������� � ���������� �������� ������ Abb. 5: Die Haupt-Daten der Digitalen Fabrik aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 aktuell 28 WISSEN 29 rekte Messungen des Datenstandes und Ergebnisse von Simulationsrechnungen genutzt werden. Dies verkürzt wiederum die Prozessdauer, da die Zeiten für die manuelle Berichterstellung entfallen. Zudem erhalten die Entscheidungsträger eine wesentlich präzisere und aktuellere Informationsgrundlage. Eine sichere Entscheidungsgrundlage entseht aber erst, wenn das System zuverlässig zwischen aktuellen „Skizzen“, geprüften sowie verabschiedeten Daten unterscheiden kann. Die Digitale Fabrik als Kommunikationsplattform Eine besondere Komplexität erhält dieser Anspruch der kontinuierlichen Aktualität der Digitalen Fabrik, wenn man beachtet, dass sie nicht aus einem Guss im Hause des Automobilherstellers entsteht, sondern, wie auch die Fertigung selbst, sich aus Komponenten unterschiedlicher Zulieferer zusammensetzt (Abb. 7). Für eine durchgängig digitale Planung von Projektbeginn an ist es daher unerlässlich, über digitale Bibliothekselemente von allen angebotenen Komponenten der Betriebs- und Produktionsmittellieferanten zu verfügen. Damit wird es absehbar, dass künftige Kataloge über Maschinen und Standardwerkzeuge nicht mehr nur in gedruckter, sondern auch in digitaler Form als parametrisierbare und animierbare 3-D-Modelle vorliegen werden. Bei vielen Herstellern ist dies auch schon der Fall, da die Vorteile gesehen werden, die Kunden gleich mit den digitalen Modellen arbeiten zu lassen. Problematisch ist dabei aber das Datenformat, da für die Repräsentation der Modelle noch keine ausgereifte Norm oder ein entsprechender Industriestandard gesetzt ist. Hier würde eine branchenweite Einigung der weiteren Einführung der Digitalen Fabrik wesentlichen Vorschub leisten. Im Projektverlauf wachsen in gemeinsamer Zusammenarbeit zwischen OEM und Zulieferern projektspezifische Gesamtmodelle der konkret geplanten Fertigung. Dabei wird der größte Teil der Daten durch die Lieferanten erstellt werden. Eine besondere Problematik entsteht dadurch, dass die unterschiedlichen Detaillierungen in der Lieferantenkette verteilt und unterschiedlich granuliert aufgelöst sind. Dem OEM bleibt die Aufgabe, die verschiedenen Modelle zusammenzuführen und in Datenformat, Version und Planungsstand konsistent und aktuell zu halten. Dies wird eine neue Form der Datenkoordination erfordern und stellt eine neue Herausforderung an alle Projektbeteiligten dar. Erst wenn es gelingt, diese Aufgabe zu meistern, wird die Digitale Fabrik ihren wesentlichen Nutzen zeigen. Die lernende Digitale Fabrik Werden die digitalen Planungsmethoden mit strukturierten konsistenten Daten über mehrere Projekte eingesetzt, so wird der Effekt der lernenden Digitalen Fabrik entstehen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei wieder den Bibliothekselementen zu. Sie werden in verschiedenen projektspezifischen Repräsentationen verwendet. In jedem Projekt sammeln sich dabei neue Erfahrungen (Abb. 8) in Form von Optimierungen der Anlage, Modernisierungen oder erkannten und gelösten Problemen. Um diese Erfahrungen zurückzuschreiben und zu speichern, muss bei der jeweiligen projektspezifischen Repräsentation eine Verknüpfung zu dem verwendeten Stammmodell bewahrt werden. Auf diese Weise wird die Stammbibliothek zu einem ständig wachsenden, projektunabhängigen Wissensspeicher, der einen Großteil des fertigungstechnischen Wissens der Planung konservieren wird. Dies wird dann auch der richtige Ort sein, um das Wissen ausscheidender Planer zu speichern, um es an jüngere Kollegen weiterzugeben und Erfahrungen schnell von einem aktuell laufenden Projekt ohne Kommunikationsverluste an ein anderes zu übergeben. �������� ������ � ������ � ������������� � ������������������� � ����������������� � �������������������� ����������������� ������������������ Abb. 6: Auswertung des Datenstandes der Digitalen Fabrik als Reifegradspiegel �������� ������ ��� ������ ����������� ����������� ���� ������������� ���� ������������� �������������������������� ������������������������� ���� ���� Abb. 7: Verteilung der Digitalen Fabrik auf mehrere Ebenen der Anlagenlieferanten ������������ ��������� ������������ ��������� ������������ ��������� ����������� ��� ��������� �������� ����������� � ���� ������� � ����� ��� ����������� � ���� ������� � ����� ��� ������ � ���������� Abb. 8: Die „lernende“ Digitale Fabrik aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 aktuell 30 WISSEN 31 Resümee Mit diesen Überlegungen wird die Digitale Fabrik zu mehr als „nur“ zu einer Spielwiese technischer Analysen. Schon dieser Aspekt würde ihren Einsatz unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten voll rechtfertigen. Um das Potential voll auszuschöpfen, sollten aber die Möglichkeiten der Prozessoptimierungen, der Transparenz im Projektmanagement und der Wahrung des Planerwissens nicht außer Acht gelassen werden. Literatur [1] Bracht, Uwe; Fahlbusch, Martin W.: Fabrikplanung mit Virtual Reality. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb. München, 96.2001, 1/ 2, S. 20-26 [2] Köth, Claus-Peter: Die Branche vor der nächsten Revolution. In: Automobil-Industrie, 48.2003, 7/ 8, S. 22-24 [3] Walter, Thomas J.: Einsatz von Methoden der Digitalen Fabrik bei der Planung von Produktionssystemen für die Automobilindustrie. Dissertation, TU Clausthal, Shaker Verlag, Aachen 2002 [4] Zäh, Michael F.: Die Digitale Fabrik: Definition und Handlungsfelder. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb. 98.2003, 3, S. 75-77. [5] N. N.: VDI-Fachausschuss „Digitale Fabrik“ gegründet. In: Hochschulzeitschrift TU Clausthal, TU Contact, Mai 2002. Schlagwörter Digitaler Projektstrukturplan, Kommunikationsplattform, Produktentstehungsprozess, Produktmodell, Projektfortschrittsmessung, Simultaneous Engineering Autor Dr.-Ing. Dieter Geckler, geb. 1956; studierte an der Universität Hannover Maschinenbau. Seit 1990 ist er bei der Volkswagen AG in Wolfsburg in der Produktionstechnik tätig. Dieser Bereich plant und projektiert den weltweiten Aufbau der Volkswagenwerke. H. Dr. Geckler steuert dort die Einführung von Fertigungsplanungs- und Projektmanagement-Software. Autorin Dipl.-Ing. Claudia Rehnelt, geb. 1977; studierte an den Fachhochschulen Niederrhein und Kiel Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Produktionstechnik und -wirtschaft. Seit 2002 ist sie als Doktorandin der TU Clausthal bei der Volkswagen AG in Wolfsburg im Bereich virtuelle Fabrik- und Fertigungsplanung tätig. Anschrift der Autoren Volkswagen AG Wolfsburg PP-F Planung Fahrzeugbau Projekt Digitale Fabrik Postfach 14 82 D-38436 Wolfsburg E-Mail: dieter.geckler@volkswagen.de Einen gut strukturierten Überblick über die verschiedenen Ansätze des Lernens aus Projekten geben Schindler, M., und Eppler, M. J., in „Harvesting project knowledge: a review of project learning methods and success factors“, erschienen im International Journal of Project Management 21, 2003, Seite 219-228. Die beiden Autoren gehen unter anderem auf Mikroartikel, Lerngeschichten und RECALL, eine von der NASA benutzte Methode, ein, arbeiten die Besonderheiten des Wissensmanagements in Projekten heraus und plädieren für eine projektbegleitende Erfahrungssicherung. Die psychologischen Hindernisse, die sich dem Wissensmanagement vor allem bei weniger erfolgreichen Projekten entgegenstellen, werden allerdings etwas heruntergespielt. Vgl. dazu die Besprechung des Buches Post Mortem von Norman L. Kerth auf der folgenden Seite. Bergmann, J.: Operation Saubermann. Ist es möglich, ein Großbauprojekt wie die Erweiterung des Frankfurter Flughafens ohne Korruption abzuwickeln? In: Brand Eins, Mai 2003, S. 38-41. Berichtet wird am Beispiel der Fraport AG, Eigentümerin und Betreiberin des Frankfurter Flughafens, über Korruptionsfälle beim Bau deutscher Flughäfen und eines neuen Flughafenterminals in Manila. Der Artikel stellt verschiedene Ansätze vor, insbesondere eine wachsame Innenrevision und Verhaltenskodices, wie sie der Professor für Wirtschaftsethik an der Universität Konstanz und Schöpfer eines so genannten Werte-Management-Systems, Josef Wieland, empfiehlt. Es werden auch eine Reihe von wertvollen Ratschlägen für das Projektmanagement gegeben, so etwa die Empfehlung zu verhindern, dass ein Projektleiter unter extremen Zeitdruck gerät und dann von den ausführenden Firmen erpresst werden kann. Die Schlussfolgerung des für Korruptionsprophylaxe und -bekämpfung zuständigen Mitarbeiters bei Fraport ist sehr vorsichtig: „Was wir tun können, ist, die Hemmschwelle zu erhöhen und deutliche Signale auszusenden, dass wir das Thema ernst nehmen.“ Fazit: Ein anregender Beitrag zu einem selten diskutierten Thema und vielleicht auch ein Anstoß, nochmals über den Ethikkodex der GPM nachzudenken. Den Volltext kann man sich über Subito, den Dokumentenlieferdienst internationaler Bibliotheken besorgen. Dieser Dienst ermöglicht nicht nur die Online-Recherche, sondern auch die Bestellung und direkte Lieferung von Fachliteratur an den Benutzerarbeitsplatz. Alles, was sie wissen müssen, einschließlich der jeweiligen Preise, erfahren Sie unter www.subito-doc.de. Für Sie gelesen: Lernmethoden und Korruption aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 aktuell