eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 15/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2004
151 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Wissensmanagement in Projekten

31
2004
Heinz Schelle
Kerth, N. L.: Post Mortem. Projekte erfolgreich auswerten. Deutsche Übersetzung des in den USA erschienenen Werks „Project Retrospective“. mitp-Verlag Bonn 2003, ISBN 3-8266-1348-1, 347 S., 24,95 EUR
pm1510031
30 WISSEN 31 W issensmanagement in Projekten hat Hochkonjunktur. Es vergeht kein Monat, in dem dem Rezensenten nicht ein Artikel zu diesem Thema angeboten wird. Alle Autoren sind sich darin einig, dass Erfahrungen, die in Projekten gemacht wurden, systematischer als bisher ausgewertet, gespeichert und für neue Vorhaben genutzt werden müssen. Eine ganze Reihe von Werkzeugen ist dafür in den letzten Jahren entwickelt worden, so etwa so genannte Mikroartikel und Lerngeschichten, mit denen eine uralte Tradition der Menschheit z. B. im Sufismus wieder aufgenommen wurde (vgl. dazu auch „Für Sie gelesen“ auf S. 30). Schon Ende der 60er-Jahre hat die NASA den Ansatz der „experience retention“ vorgestellt. Unternehmen wie McKinsey und Arthur D. Little geben - wenn man den Berichten in der Literatur Glauben schenken kann - ihren Mitarbeitern, die ihr gewonnenes Know-how mit anderen teilen, Prämien und berücksichtigen derartige Sonderleistungen sogar bei Gehaltsbesprechungen. In der Informatik werden ständig neue Ansätze für die Speicherung und schnelle Wiederauffindung der Informationen erarbeitet. Trotz dieser durchaus löblichen Bemühungen wird ein meiner Meinung nach ganz wesentlicher Aspekt vernachlässigt. Die Parabel vom Betrunkenen kommt mir in den Sinn. Der Mann hat in der Nacht seinen Haustürschlüssel verloren und sucht ihn unter einer Straßenlaterne, wo es am hellsten ist, obwohl er trotz seines alkoholisierten Zustands wohl weiß, dass er woanders liegen muss. Auf das Thema des Wissensmanagements von Projekten bezogen, bedeutet das: Wir beschäftigen uns nicht mit den wirklichen Problemen der Erfahrungssicherung, sondern geben uns mit der viel einfacheren Entwicklung neuer Tools zufrieden. Dabei müssten aber zunächst einige kritische Fragen zur Motivation der Wissensträger gestellt werden:  Warum sollen Mitarbeiter, die in einem nicht sonderlich erfolgreichen oder gar fehlgeschlagenen Projekt gearbeitet haben, sozusagen vor der gesamten Öffentlichkeit der Organisation Fehler eingestehen und sie für alle Zeit aktenkundig machen?  Was sollte Projektbeteiligte, die ein erfolgreiches Vorhaben hinter sich gebracht haben und die dabei wertvolle Einsichten gewonnen haben, dazu bewegen, ihren Wissensvorsprung bereitwillig mit anderen zu teilen, insbesondere dann, wenn sie die Absicht haben, die Organisation in nächster Zeit zu verlassen? Weitere Fragen schließen sich an:  Wie kann man verhindern, dass der Workshop, der häufig empfohlen wird, zu einer Veranstaltung ausartet, in der schmutzige Wäsche gewaschen wird und nur noch gegenseitige Vorwürfe ausgetauscht werden?  Ist es ratsam, Auswertungsteams mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Hierarchiestufen zusammenzustellen?  Wie geht man mit so genanntem implizitem Wissen um? Norman L. Kerth, der sich als Berater auf Projektauswertungen spezialisiert hat, kennt die angesprochenen Probleme und andere, die hier nicht erwähnt wurden, sehr genau. Er hat ein umfangreiches Inventar an Instrumenten entwickelt, um trotzdem zu einer erfolgreichen Erfahrungssicherung zu kommen. An einer instruktiven Fallstudie („Anatomie einer Projekt-Retrospektive“) erläutert er das „Drehbuch“ für Wissensmanagement in Projekten und zeigt mit vielen Tipps und Übungen für die Teilnehmer, wie man die zahlreichen Fallen, die auf dem Weg aufgestellt sind, umgehen kann. Ganz nebenbei: Auch wenn das Buch sich explizit auf IT-Projekte bezieht, ist die Methodik selbstverständlich auch auf andere Projektarten anwendbar. Der Autor lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass eine Projektrückschau sorgfältig geplant werden muss und nicht zum Nulltarif zu haben ist - Fakten, die in der Praxis oft allein schon ausreichen, um Projektauswertungssitzungen zu verhindern. Jedem, der zu Wissensmanagement in Projekten nicht nur ein Lippenbekenntnis ablegen und sich nicht nur mit dem Erwerb von wohlfeilen Tools ein Alibi verschaffen will, sei dieses innovative Buch ans Herz gelegt. Dem mitp-Verlag ist für die gute und flüssige Übersetzung - heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr - zu danken. Nur eine kritische Frage sei an die Verantwortlichen am Schluss gestellt: Haben sie wirklich keinen besseren Titel gefunden als „Post Mortem“. Kerth hat ihn nämlich ausdrücklich für die amerikanische Ausgabe verworfen. Die Assoziation mit Leichenschau und Autopsie drängt sich geradezu auf. Zuzugeben ist freilich, dass die Gedankenverbindung bei manchen Projekten, vor allem im IT-Bereich, so abwegig nun auch wieder nicht ist. Heinz Schelle, Oberau  Buchbesprechung Wissensmanagement in Projekten Kerth, N. L.: Post Mortem. Projekte erfolgreich auswerten. Deutsche Übersetzung des in den USA erschienenen Werks „Project Retrospective“. mitp-Verlag Bonn 2003, ISBN 3-8266-1348-1, 347 S., 24,95 EUR aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 4 aktuell