PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2004
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Projekte – Wertgewinner oder Wertvernichter?
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Oliver Steeger
„Deutschlands Projekte vernichten jährlich 150 Milliarden Euro“ – diese Schätzung ging im
Frühsommer mehrfach durch die Presse. Professor Manfred Gröger, Autor der Studie „Projektmanagement: Abenteuer Wertvernichtung“, schlug Alarm. Der Warnruf des Experten an der Fachhochschule München sollte nicht so sehr die Projektmanager treffen. Vielmehr nahm er die bundesdeutschen Unternehmenslenker ins Visier. Denn die Ursachen für einen Großteil der Misere, so meint Gröger, finden sich beim Top-Management. Hier würden häufig strategisch falsche Projekte in Auftrag gegeben und die Führungsaufgaben vernachlässigt. projektMANAGEMENTaktuell hinterfragte Prämissen und Konsequenzen der Studie.
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12 REPORT 13 Projekte - Wertgewinner oder Wertvernichter? Nachgefragt: Manfred Gröger zu seiner spektakulären Studie Oliver Steeger „Deutschlands Projekte vernichten jährlich 150 Milliarden Euro“ - diese Schätzung ging im Frühsommer mehrfach durch die Presse. Professor Manfred Gröger, Autor der Studie „Projektmanagement: Abenteuer Wertvernichtung“, schlug Alarm. Der Warnruf des Experten an der Fachhochschule München sollte nicht so sehr die Projektmanager treffen. Vielmehr nahm er die bundesdeutschen Unternehmenslenker ins Visier. Denn die Ursachen für einen Großteil der Misere, so meint Gröger, finden sich beim Top-Management. Hier würden häufig strategisch falsche Projekte in Auftrag gegeben und die Führungsaufgaben vernachlässigt. projektMANAGEMENTaktuell hinterfragte Prämissen und Konsequenzen der Studie. Herr Gröger, in puncto Projektmanagement schreiben Sie der deutschen Wirtschaft wenig Schmeichelhaftes ins Stammbuch. 87 Prozent aller Projekte seien reine Wertvernichter. Ein hartes Urteil … … und doch nach unseren Erkenntnissen ein Faktum. Wir haben nach der Projekteffektivität gefragt, also danach, ob die richtigen Projekte durchgeführt wurden. Dann die Frage nach der Projekteffizienz … … einen Moment bitte! Wie hoch war die Effektivität? Sie betrug 43 Prozent. Genauer: 43 Prozent der Projektarbeit rentieren sich deshalb, weil die strategisch richtigen Projekte durchgeführt wurden. 31 Prozent rentierten sich, weil die Projekte effizient, also operativ richtig, durchgeführt wurden. Kombiniert zeigen uns diese beiden Zahlen, dass nur 13 Prozent der Projektarbeit zur Wertsteigerung der Unternehmen beitragen. Ist das nicht eine sehr gewagte Annahme, da gerade die effektiven Projekte meist wohl auch effizienter gemanagt werden als die weniger effektiven? Wir sind von einer Gleichverteilung der Kostenanteile effektiver und effizienter Projekte ausgegangen. Und dem ist so? Wir haben das zwar nicht explizit überprüft, haben aber auch keinen gegenteiligen Hinweis in unserer Erhebung gefunden. Es würde auch nicht zu einem grundsätzlich anders gerichteten Befund führen. Wen haben Sie denn in der Untersuchung befragt? Wir haben in vier Jahren 962 Führungskräfte aus der deutschen Wirtschaft und Verwaltung befragt. Darunter waren Führungskräfte der Hälfte aller Dax-100-Unternehmen. Gab es Branchenschwerpunkte? Nein, wir haben alle Branchen befragt, die sich mit Projekten und Projektmanagement beschäftigen. Dort haben wir Projektmanager, Projekt-Coaches, Top-Führungskräfte und Vorstände um ihre Einschätzung gebeten. „Nur rund zehn Prozent der Unternehmen haben einen Überblick, wie hoch ihre Projektkosten tatsächlich sind.“ Ihrer Studie liegen also persönliche Einschätzungen, nicht die Zahlen der Unternehmen selbst zugrunde? Nach unseren Ergebnissen haben nur rund zehn Prozent der Unternehmen eine Übersicht darüber, wie hoch ihre Projektkosten tatsächlich sind. Repräsentative Studien können damit nur auf Basis von Einschätzungen der Befragten vorgenommen werden. Wie sind Sie bei der Befragung vorgegangen? Aus anderen Studien sowie aus meiner Beratungs- und Lehrtätigkeit kenne ich die Kardinalfehler der Projektarbeit. Wir haben zehn Kardinalfehler formuliert und dazu die Einschätzungen eingeholt. Zum Beispiel? Wir haben beispielsweise gefragt, wie viel Arbeitszeit durch mangelhaft definierte Projektziele verloren geht. In Zahlen …? Nur in 19 Prozent der Fälle werden die Projektziele und der Projektauftrag klar und eindeutig formuliert. Die als Resultat dieser meist vagen und unklaren Vorgaben und den daraus folgenden Unklarheiten in der Projektabwicklung verschwendete Arbeitszeit schätzen wir auf immerhin fast 10 %. Halten Sie solche Einschätzungen wirklich für stichhaltig? aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 4 aktuell 12 REPORT 13 ������������������������������� ���� ���������������������������������� ��������������������������������� ���������� �������������������������������� ehem. ������������������������������������� ���������� ���������������������������������� Anzeige Es gibt dabei ein psychologisches Problem. Befragte sind beim Schätzen von Missständen immer geneigt, Probleme überzubewerten. Deshalb waren wir bei unseren Auswertungen und Berechnungen sehr vorsichtig und sind eher von niedrigen Werten ausgegangen. Trotzdem: Die Datenbasis bleibt relativ weich. Den allerhöchsten Ansprüchen der Statistik genügt sie nicht. Aber damit gerät die Untersuchung doch ins Schwimmen? Wir sind bei der Auswertung auf der sicheren Seite geblieben. Unsere Berechnungen sind konservativ. Nun bringen Sie eine weitere Zahl ins Gespräch: 150 Milliarden Euro werden bundesweit jährlich durch unwirtschaftliches Projektmanagement vernichtet. Wie kommen Sie darauf? Zugrunde gelegt haben wir die Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik, die um den Anteil der Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern bereinigt wurde; auch Branchen ohne Projekte wurden nicht einbezogen, beispielsweise die Landwirtschaft oder die Gastronomie. Außerdem haben wir nur die Lohnkosten herangezogen, nicht die sonstigen Kosten wie Raummieten, Kosten für externe Dienstleistungen und Materialkosten. Sie erklären, Ihre Studie sei die erste, die die Wertvernichtung in Euro berechnet … Prof. Dr. Manfred Gröger studierte Soziologie, Psychologie, Volks- und Betriebswirtschaft. Drei Jahre lang leitete er das Kostencontrolling in einem Werk im Siemens-Konzern. Seit 1995 ist er Professor für Rechnungswesen und Controlling im Fachbereich Betriebswirtschaft der Fachhochschule München. Dort beschäftigt er sich vornehmlich mit der Frage, welche Führungsstrukturen und Führungsabläufe Voraussetzung für erfolgreiche Projektarbeit sind. Foto: privat aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 4 aktuell 14 REPORT 15 Ja. Zwei Punkte dazu. Meine wissenschaftliche Heimat ist das Rechnungswesen und Controlling. Das erklärt meinen Fokus auf die Kosten. Zweitens: Es gibt viele Studien über Projektmanagement, die Mängel nachweisen … … aber kaum eine beziffert den Schaden … Genau. Die Ergebnisse anderer Studien klingen fast wie ein moralischer Appell. Das ist so, als würde man die Leute warnen, bei Rot über die Ampel zu gehen, weil dies gefährlich ist. Wenn sie es eilig haben, tun sie es dann aber doch. Wir wollen mit dieser Studie jetzt den Spiegel vorhalten und Konsequenzen aufzeigen. Was nützen fähige, erfahrene Projektleiter, wenn Unternehmen die falschen Projekte auswählen? Ein erhobener Zeigefinger Richtung Projektmanager? Was nützen fähige, erfahrene Projektleiter, wenn Unternehmen die falschen Projekte auswählen? Wenn die Vorselektion der Projekte und die Priorisierung nicht stimmen? Wie gesagt, nur 43 Prozent der Projekte sind nach unserer Studie wirklich nützliche Projekte, die dem Unternehmen dienen und Probleme lösen. Die anderen? 26 Prozent der Projekte werden halbherzig angeschoben und dann allein gelassen, bis sie „verhungern“. Das sind so genannte „Dürre-Projekte“. Weiterer Schaden entsteht durch wenig wirtschaftliche „Prestige-Projekte“, „Alibi-Projekte“ und „U-Boot-Projekte“. Wenn nun 150 Milliarden Euro Verluste mit Projekten gemacht werden - weshalb fällt dies niemandem auf? Es müsste doch einen Aufschrei geben … Es fehlt an Transparenz. Nur die wenigsten Unternehmen wissen wirklich, wie viel Geld ihre Projekte kosten. Personalkosten beispielsweise werden nur selten exakt nachgehalten. Das sind häufig so genannte „Eh-da“- Kosten. Die Leute sind „eh da“, also kosten sie nichts. Diese Kosten fallen unter den Tisch. Was schlagen Sie zur Abhilfe vor? Projekte werden quer zur Linienorganisation durchgeführt. Das kann in einem Unternehmen mit hohem Projektaufkommen nicht gelingen. Deshalb schlage ich vor, eine Auftragnehmer-Auftraggeber-Struktur aufzubauen. Projekte kaufen in der Linie Dienstleistungen ein, und diese Kosten werden ausgewiesen. Das nenne ich „project based accounting“. … und es klingt aufwändig … Halten Sie mal die Wertvernichtung dagegen! Projekte sind doch Katalysatoren des Wandels. Jetzt schon fließen 29 Prozent der jährlichen Gesamtkosten eines Unternehmens in die Projektarbeit. Diese Quote wird stark steigen. Können wir es uns leisten, weiterhin Projekte zu fahren, von denen nur ein geringer Teil zur Wertsteigerung eines Unternehmens beiträgt? Die Frage ist nicht so sehr, wie Projekte priorisiert werden, sondern wer die Prioritäten vergibt. Augenblick! Die Projektarbeit mag noch so gut funktionieren: Werden die strategisch falschen Projekte ausgewählt, hilft auch „project based accounting“ nur bedingt. Das ist richtig. Im Top-Management muss die Bereitschaft geweckt werden, sich mit dem Projektmanagement auseinander zu setzen und die Rolle als Projektauftraggeber auszufüllen. Wir brauchen also ein neues Rollenverständnis. Wir brauchen den Mut, Projekte mit Prioritäten zu versehen - und Projekte dann nicht zu starten, wenn sie keinen Sinn machen. Deshalb beginnt „project based accounting“ mit der Frage nach dem Unternehmenswert eines Projektes und der daraus abgeleiteten Priorisierung … Bleiben wir bei der Priorisierung. Wo liegt das Problem? Es gibt doch hervorragende Instrumente dafür … Die Frage ist nicht so sehr, wie priorisiert wird … … sondern …? … sondern wer die Prioritäten vergibt. Wenn das Top- Management nur sagt, dass alles wichtig sei, werden die Projektmitarbeiter selbst die Prioritäten setzen. Diese Delegation der Führungsverantwortung führt dazu, dass die Prioritäten nicht mehr nach strategischen Maßstäben gesetzt werden, sondern nach Sympathie oder danach, welches Team am kräftigsten die Werbetrommel für sich rührt. Was können nun Projektleiter beitragen, um Projekte zu Wertgewinnern zu machen? Eine fachmännische Auftragsklärung ist ein guter Anfang. Hier zeigt sich, ob ein Projekt wirklich Problemlöser ist - oder nur Alibifunktion hat, zum Austrocknen verurteilt ist, allein Prestige bringen soll oder ein U-Boot-Dasein fristet. Dann muss man sich so vollständig wie möglich um Transparenz und Monitoring bei den Kosten bemühen. Weitere Infos: www.mba-beratung.de 194 112 150 Mittelwert Minimalwert Maximalwert In Mrd. � 200 100 0 Ein kaum vorstellbares Volumen zwischen 112 und 194 Mrd. Euro soll 2002 nach Schätzung von Manfred Gröger in der deutschen Wirtschaft aufgrund mangelnder Projektkompetenz verschwendet worden sein. Grafik: MBA Management Beratungsgesellschaft mbH aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 4 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 4 aktuell