eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 16/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
61
2005
162 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„Energiesparendes Projektmanagement“ durch lernende Teams

61
2005
Oliver Steeger
Köpfe sind gleichsam Kapital. In ihnen ist Know-how - all die täglich gewonnenen Erfahrungen und Einsichten - gespeichert. Und an dieses Know-how will Peter Ueberfeldt herankommen. Im Laufe von Projekten sammelt sich ein wahrer Erfahrungsschatz an, und dieser Schatz fasziniert ihn. Eine enorme und vielfach unerschlossene Ressource. Manche Unternehmen scheinen gar nicht zu wissen, was sie wissen und welches Kapital in den Köpfen ihrer Mitarbeiter steckt. Die Lufthansa Systems will den Schatz heben: Die IT-Dienstleister in Kelsterbach krempeln die Ärmel auf. Man will die Ressource Wissen und Erfahrung nutzen. Projektretrospektive steht auf dem Programm.
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3฀฀ „Energiesparendes฀Projektmanagement“฀durch฀lernende฀ Teams Lessons฀Learned: ฀Lufthansa฀Systems฀hebt฀Erfahrungsschatz Oliver฀Steeger Köpfe฀sind฀gleichsam฀Kapital.฀In฀ihnen฀ist฀Know-how฀-฀all฀die฀täglich฀gewonnenen฀Erfahrungen฀und฀Einsichten฀-฀gespeichert.฀Und฀an฀dieses฀Know-how฀will฀Peter฀Ueberfeldt฀ herankommen.฀Im฀Laufe฀von฀Projekten฀sammelt฀sich฀ein฀wahrer฀Erfahrungsschatz฀an,฀und฀ dieser฀Schatz฀fasziniert฀ihn.฀Eine฀enorme฀und฀vielfach฀unerschlossene฀Ressource.฀Manche฀Unternehmen฀scheinen฀gar฀nicht฀zu฀wissen,฀was฀sie฀wissen฀und฀welches฀Kapital฀in฀ den฀Köpfen฀ihrer฀Mitarbeiter฀steckt.฀Die฀Lufthansa฀Systems฀will฀den฀Schatz฀heben: ฀Die฀IT- Dienstleister฀in฀Kelsterbach฀krempeln฀die฀Ärmel฀auf.฀Man฀will฀die฀Ressource฀Wissen฀und฀ Erfahrung฀nutzen.฀Projektretrospektive฀steht฀auf฀dem฀Programm. W enn Peter Ueberfeldt über den Erfahrungsschatz von Unternehmen spricht, meint er nicht allein rares Spezialistentum oder Koryphäenwissen. Nicht nur die „großen Scheine“ dieses Vermögens. Er redet von alltäglichen Erfahrungen und zielt gewissermaßen auf das „Kleingeld“ des Know-hows. Das rutscht den Unternehmern gleichsam wie Centmünzen durch die Finger, sagt der Leiter des Project Management Development. Genauer: Landauf, landab lernen täglich Projektmanager und ihre Teams dazu. Doch ihre Unternehmen haben wenig davon. Sie ziehen kaum Profit aus diesem Kapital. „Gleich in welcher Branche, wir wiederholen im Projektmanagement Fehler, die wir schon vor zehn oder fünfzehn Jahren gemacht haben“, sagt Peter Ueberfeldt. Unternehmensberater Uwe Feddern aus Bonn pflichtet bei: „Aus den gemachten Erfahrungen wird nur selten für die Zukunft gelernt.“ Gewissermaßen wechseln die Projektleiter, doch die Probleme bleiben. Peter Ueberfeldt: „Das ist ja das Kernproblem. Wir müssen Wege finden, individuelle Lessons Learned zum Know-how des Unternehmens zu transformieren. Damit wollen wir unsere Projektmanagement-Prozesse professioneller und energiesparender gestalten.“ Teams฀lassen฀Projekte฀Revue฀passieren Seit knapp neun Monaten macht sich der Mann stark für solch energiesparendes Projektmanagement. Er will nun mit System den Erfahrungsschatz heben. Er will, dass die Teams während und nach dem Projekt ihre Erfahrungen Revue passieren lassen und die Essenz daraus aufzeichnen. Er will, dass andere Teams auf diese Erfahrungen zugreifen und Nutzen ziehen aus dem, was andere ihnen empfehlen. In den letzten Wochen hat Peter Ueberfeldt den Begriff „Lessons Learned“ so häufig verwendet, dass er ihn auf das Kürzel „LL“ eingedampft hat. Mit diesen Lufthansa฀Systems฀in฀Kelsterbach฀will฀die฀Ressource฀ „Erfahrungen฀und฀Know-how“฀intensiver฀nutzen. Foto: ฀Lufthansa฀Systems projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 2/ 20 0 5 aktuell 4฀฀ REPORT rem voraus, dass ein Unternehmen sein Wissen ständig revidiere und „prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource“ betrachte. Solche Botschaften des Top-Managements sind Wasser auf die Mühlen der „LL“-Verfechter. Die Retrospektive wird in der Projektmanagement-Szene zwar immer wieder angesprochen, doch nie gründlich vertieft. Man tastet sich voran. Ein Automobilzulieferer, der nicht genannt werden will, probiert seit einem Jahr Knowledge Management und revidiert nun die Erfahrungen. Ein Finanzdienstleister vermeldet einzelne ermutigende Beispiele, hat aber noch kein Gesamtkonzept. Andere beklagen, dass die Lessons Learned zwar durchgeführt, aber die Ergebnisse nicht genutzt werden. Umfangreicher฀Plan฀für฀die฀Lufthansa฀Systems Für Lufthansa Systems hat Peter Ueberfeldt einen umfangreichen Plan entworfen. Das Unternehmen hat im September 2003 ein „Wissens-Netzwerk“ seiner Projektleiter ins Leben gerufen. Dem haben sich damals spontan zwei Dutzend Projektleiter angeschlossen; inzwischen ist das Netzwerk auf knapp 110 Projektleiter gewachsen. Auch technisch ist das Netzwerk herangereift. Anfangs gab es eine Mail-Sammeladresse, über die Projektmanager ihre Kollegen bei Problemen „anfunkten“ und Rat erbitten konnten. Heute steht ihnen im Intranet ein so genannter „Collaboration Room“ mit Dikussionsforen offen. Zudem findet viermal jährlich eine halbtägige Konferenz statt. Dafür steht dann auch das Senior Management für Gastreden zur Verfügung. Nach dem Vortrag tauscht sich der Kollegenkreis in kleinen „topic-groups“ zu selbst gewählten Themen aus. beiden Buchstaben „im Gepäck“ ist er bei dem Spezialisten für Airlines und Luftfahrt unterwegs. Schätzungsweise ein Drittel der Analysten bezieht bei Unternehmensbewertungen den Umgang mit der Ressource Wissen mit ein. Dieses Argument dürfte bei Top- Managern Interesse wecken. So stellt Lufthansa Systems seinen Projektmanagern eine Datenbank in Aussicht, in der Lessons Learned der Kollegen abgespeichert sind. Peter Ueberfeldt arbeitet an diesem Datensystem im Intranet. „An diesen Berichten lässt sich erkennen, auf welche Art und Weise bestimmte Aufgaben und Schwierigkeiten des Projektmanagements bei uns erfolgreich gemeistert wurden“, sagt er. Und er widerstreitet der Meinung, mit dem herkömmlichen Projektabschlussbericht werde bereits ausreichend Retrospektive betrieben. „Diese Berichte sind weich gespült und dürfen doch niemandem wehtun“, sagt Peter Ueberfeldt. Echten Nutzen könne ein Unternehmen daraus nicht ziehen. Falls doch: Es fehlen Mitarbeiter, die diese Berichte auswerten und aufbereiten. Auch daran muss gedacht werden. Sechs฀Kernbotschaften฀des฀Vorstands Die Front derjenigen, die solcherlei Rückblicke auf Projekte für Zeit- und Geldverschwendung halten, scheint peu à peu aufzuweichen. Kürzlich erhielt Peter Ueberfeldt Schützenhilfe von Dr. Thomas Endres, CIO der Lufthansa AG. Auf einer Konferenz im Dezember letzten Jahres (siehe gesonderten Kasten) hatte Endres sechs Kernbotschaften intelligenter Projektarbeit formuliert. Neben der Forderung nach Auftragsklärung, Portfoliomanagement und Lifecycle-Management fiel an prominenter Stelle das Stichwort „Erfahrung“. „Wir müssen“, sagte er, „das Wissen und die Erfahrung aus unseren Projekten bereitstellen.“ Dies sei die Basis für Mehrfachnutzung des Wissens. Professor Helmut Willke von der Universität Bielefeld bestätigt Endres’ Feststellung. Der Wissenschaftler hebt den Begriff des „Organisationalen Lernens“ hervor. Organisationales Lernen setze unter ande- „Wir฀müssen฀Wege฀finden,฀individuelle฀Lessons฀Learned฀zum฀Know-how฀des฀ Unternehmens฀zu฀transformieren“,฀meint฀Peter฀Ueberfeldt,฀Leiter฀des฀Project฀ Management฀Development฀bei฀Lufthansa฀Systems. Mind฀Map฀mit฀den฀Zielen฀der฀„Lessons-Learned“-Workshops฀bei฀Lufthansa฀Systems Foto: ฀Lufthansa฀Systems Foto: ฀Lufthansa฀Systems aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 2/ 20 0 5 5฀฀ Schön und gut, doch dieses Netzwerk reicht dem Kelsterbacher IT-Dienstleister nicht. Er lässt jetzt einen zweiten Schritt folgen, und der ist weit schwieriger zu tun. In einer Intranet-Datenbank soll der Erfahrungsschatz der Projektmanager gespeichert werden. „Die Lessons Learned sollen eng an der Prozessstruktur unseres Projektmanagements organisiert sein“, erklärt Peter Ueberfeldt. Der Prozess beschreibt das „what-to-do“, die Lessons Learned das „how-to-do“. Seine Vision: Zu jedem einzelnen Baustein des Prozesses stehen Handlungsempfehlungen aus zurückliegenden oder noch laufenden Projekten bereit. Muss ein Projektleiter beispielsweise die Risiken seines Projektes einschätzen, so kann er nachlesen, wie seine Kollegen vorgegangen sind, aus welchen Fehlern sie gelernt haben und welche Empfehlungen sie geben. ■ Eine „Projektleiche“ wird in die Pathologie eingeliefert. Wer hat sie umgebracht? Dem Pathologen widerstrebt es, sie stillschweigend dem Aktenschredder zu überantworten. Also stellt er mit ermittelnden Detektiven Fragen. Und am Ende (der Mörder ist nicht immer der Gärtner) finden sie einen ganzen Täterkreis. Interne Auftraggeber, Top-Manager, Kunden, Projektleiter - jeder hat „weggeguckt“ und sich damit schuldig gemacht. Unterlassene Hilfeleistung, so die Anklage. Mit dem (selbst geschriebenen) Theaterstück „Dem Projektmörder auf der Spur“ eröffneten die Initiatoren eine ungewöhnliche Projektmanagement-Tagung am 3. und 4. Dezember letzten Jahres. Den fünfzig Teilnehmern, die unter dem Rubrum „Performance Improvement in Projektorganisationen“ zusammengefunden hatten, lieferten sie mit dem Stück eine gehörige Portion Diskussionsstoff. Und den konnten die Projektmanager, Personalentwickler, Stabsstellenleiter und Berater für die nachfolgenden fünfzehn Open-Space-Veranstaltungen gut brauchen. Nach zwei Tagen Erfahrungsaustausch und Diskussion resümierten sie: Mit intelligenter(er) Projektarbeit lässt sich die Wertschöpfung der Unternehmen deutlich verbessern. „Projektarbeit gewinnt unternehmensstrategische Bedeutung, alle wichtigen Vorhaben und Innovationen in den Unternehmen werden heute in der Arbeitsform Projekt durchgeführt“, erklärt Uwe Feddern (step process management), einer der fünf Tagungsinitiatoren. Doch zu dieser Feststellung passe seine Beobachtung nicht, dass sich die Qualität der Projektarbeit in den Unternehmen nur zögerlich verbessert. „Seit rund 15 Jahren werden bekannte Fehler in der Projektdurchführung wiederholt, nur selten wird aus gemachten Erfahrungen für die Zukunft gelernt.“ Gemeinsam mit seinen Mitstreitern (Friedhelm Müller, TiBa Managementberatung; Stephan Reichold, KWP Unternehmensberatung; Günther Thoma, step process management; Peter Ueberfeldt, Lufthansa Systems Group) hat er sich in einem kleinen Netzwerk zusammengeschlossen und diese Tagung initiiert. Als Referenten gewannen sie Dr. Thomas Endres (CIO Lufthansa AG) und Professor Helmut Willke (Universität Bielefeld). Dr. Endres berichtete aus Sicht der Unternehmensführung. Er stellte die Projekt-Wertschöpfung der Lufthansa Systems Group vor und beschrieb „intelligente Projektarbeit“ in sechs Kernbotschaften. Sie benötigt erstens formulierte Unternehmensstrategien als Fundament. Zweitens fängt sie weit vor dem eigentlichen Projekt an - nämlich bereits beim Portfoliomanagement, das Wirtschaftlichkeit und Risiken berücksichtigt; sie fordert von der Projektleitung ein aktives Nutzenmanagement für die Projektdurchführung ein. Drittens verschafft sie in der Auftragsklärung verbindliche Klarheit über den Projektumfang und überprüft viertens iterativ Randbedingungen der Projekte, beispielsweise die Dynamik des Projektumfelds. Fünftens versteht sie sich als Lernendes Projekt, das Wissen und Erfahrung bereitstellt und damit eine Basis für Mehrfachnutzen bietet. Sechstens sichert sie den Projekterfolg durch Nachhaltigkeit des Projektversprechens und Innovationen. Den Punkt „Lernendes Projekt“ griff Professor Helmut Willke auf. Unter der Überschrift „Lernen aus systemischer Perspektive“ beschrieb er, wie in Organisationen „Intellectual Capital“ aufgebaut werden kann. „Die grundlegenden Probleme von organisationalem Lernen kreisen um die Frage, wie das Zusammenspiel von personalem und organisationalem Wissen verstanden und organisiert werden kann“, erklärte er. Organisationales Lernen setze voraus, dass das Wissen kontinuierlich revidiert, ständig als verbesserungsfähig angesehen und prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet werde. Eine solche Intelligente Organisation lernt beständig in Strukturen und Prozessen; sie schafft Geschäftsprozesse, die das Lernen befördern. Und sie fragt täglich neu: „Was würde Lernen antreiben, fördern? “ Mit diesem geistigen Rüstzeug diskutierten die Teilnehmer ihre selbst gewählten Themen in Open- Space-Arbeitsgruppen. Themen waren unter anderem „Wertschöpfung durch Lessons Learned“, „Hinderungsgründe für intelligente Projektarbeit“, „Idealtypische Besetzung von Projektteams“, „Kompetenzentwicklung - Der Projektleiter als sozialer Architekt“ und die „Projektorganisation als Voraussetzung für intelligente Projektarbeit“. Die Initiatorengruppe dieses Fachkongresses besteht seit Mitte 2003. Sie ist aus einer Netzwerkveranstaltung der Unternehmensberatung step process management hervorgegangen und bearbeitet seither das Thema „Lernen in Projektorganisationen“. Die Gruppe besteht derzeit aus fünf Mitgliedern und trifft sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch. Die Fachtagung in Würzburg sieht sie als ersten Schritt, ihr Thema im größeren Fachkreis voranzutreiben. Ergänzende Veranstaltungen sollen folgen. Oliver฀Steeger Würzburger฀Tagung฀zur฀Leistungsverbesserung฀in฀Projektorganisationen: ฀„Wider฀das฀Weggucken! “ projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 2/ 20 0 5 aktuell 6฀฀ REPORT Auf฀Workshops฀sammeln฀Teams฀Erfahrungen฀ein Mit eigens konzipierten „Lessons-Learned“-Workshops will Lufthansa Systems nun diese individuellen Erfahrungen und Empfehlungen ihrer Projektleiter einsammeln. „Wir geben dem Team Raum, die Höhen und Tiefen seiner Arbeit zu reflektieren“, berichtet er. Keine Checklisten, sondern offene Fragen: Was ist gelungen? Auf was ist die Mannschaft stolz? Was hat sie gut beherrscht? Und was war geschehen, als Schwierigkeiten auftauchten? An solchen markanten Ereignissen ist Peter Ueberfeldt gelegen. Im Dezember letzten Jahres hat er den ersten dieser Workshops geleitet. 16 Mitglieder des Teams haben einen Tag lang teilgenommen. Auch der Projektleiter war dabei; „LL“ können nicht delegiert werden. Für seine „LL“-Workshops hat sich Peter Ueberfeldt einen Fahrplan zurechtgelegt. Schritt eins: Die Bühne wird bereitet. „Das Team muss erkennen, was Sinn, Nutzen und kritische Erfolgsfaktoren dieses Workshops sind“, erläutert Peter Ueberfeldt. Schritt 2: Das Projekt wird vom Start bis zum Ende (oder bis zum jüngst erreichten Meilenstein) „in toto“ erörtert. Im Gespräch tritt die Vielfalt des Projekts hervor. Unterschiedliche Sichtweisen und Wahrnehmungen kommen zur Diskussion. Im dritten Schritt richten Kleingruppen den Fokus auf Details. Sie halten ihre Erfahrungen und Empfehlungen fest - idealerweise auf einem einzigen, bereits vorstrukturierten Arbeitsblatt. Zu den Angaben zählen neben Namen der Autoren ein prägnanter Titel sowie der Bezug zu einem (Teil-)Prozess, Softwaretool oder anderen Arbeitsmitteln. Notiert werden die Situation, in der die Erfahrung „entstand“, eine Step-by-step-Beschreibung des Wegs, dem das Team gefolgt ist, sowie der Nutzen für künftige Projekte. Wichtig dabei: Die Teams entscheiden selbst, welche Erfahrungen für ihr Unternehmen erhaltenswert sind. Rückmeldungen฀der฀Nutzer฀gefragt Diese Arbeitsblätter werden dann „qualitätsgesichert“, wie Peter Ueberfeldt sagt, in die Datenbank eingestellt. Metadaten wie Schlagwörter und Querverweise helfen bei der Suche nach den Lessons Learned. Wächst die Datenbank zu einem Wissensspeicher heran, können Projektleiter zu jedem Prozessschritt eine Reihe von Erfahrungsberichten abrufen. „Teams, die diese Lessons Learned verwenden, geben dann eine kurze Rückmeldung über den Nutzwert der Informationen“, fügt Peter Ueberfeldt an, „durch diese Rückkoppelung wollen wir die Qualität der Datenbank kontrollieren und steigern.“ Vor drei Jahren wurde Peter Ueberfeldt auf das „Knowledge Management“ aufmerksam. Er verfolgte die Diskussion und setzte sich kritisch mit diesem Schlagwort auseinander. „Ich wollte gewissermaßen hinter die Fassade dieses populären Management-Begriffs blicken“, sagt er. In ihm reifte die Erkenntnis, dass Wissen die entscheidende Ressource für Kopfarbeiter bildet. Wissen ist das Material, mit dem Kopfarbeiter zu Werke gehen. Wo Menschen zusammenarbeiten, sind sie auf einen gemeinsamen Fundus von Wissen und Erfahrung angewiesen. Wissen ist ein Produktionsfaktor - ähnlich zu managen wie Zeit, Qualität und Budget. Aber: Dieser gemeinsame Fundus muss verknüpft sein mit einer allerseits geteilten Prozessstruktur. Das ist der springende Punkt. Peter Ueberfeldt unterstreicht: „Lessons Learned stellen ‚nur‘ Informationen dar. Erst durch eine Kontextualisierung beeinflussen sie das Wissen des Nutzers.“ Will meinen: Informationen ohne Zusammenhang mit der täglichen Arbeitswelt sind kein Wissen. Sie sind nur beschriebenes Papier. Begriff฀„Projektretrospektive“฀erweitern Wie das Schlagwort „Knowledge Management“ prüfte Peter Ueberfeldt auch den Begriff „Projektretrospektive“. Ein Punkt missfällt ihm. Retrospektive bedeutet, erst am Ende eines Projekts zurückzublicken. Bei längeren Projekten verblassen die Erinnerungen bis zum Ende. Teams verallgemeinern spannende Themen zu Lehrbuchweisheiten. Lessons-Learned-Workshops will er deshalb während des Projekts - beispielsweise zu jedem Meilenstein - durchführen. Dann, meint er, können Projektteams auch selbst ihre Erfahrungen für die restliche Laufzeit nutzen. Und den anderen stehen die Erfahrungen schon früher zur Verfügung. Wissen, so weiß man, ist frisch besonders kostbar. Aus einem weiteren Grund trifft der gängige Begriff der „Projektretrospektive“ nicht ganz den Kern der Sache. Bei den Workshops sollen die Mitarbeiter zwar in den Rückspiegel schauen, aber den Blick eigentlich nach vorne richten. Was kann das Unternehmen künftig anders (und besser) machen? Was ist für künftige Projekte wissenswert und erhaltenswert? „In diesen Lernprozessen müssen Erkenntnisse von den Personen ganz gelöst und zu Leistungen des Systems und der Organisation gemacht werden“, sagt Peter Ueberfeldt. Nicht sofort stoßen diese Schleifen der Reflexion auf Gegenliebe. Im Gegenteil: Projektteams können dies als „Arbeit unter verschärfter Beobachtung“ oder gar als Projekt-Beichte missverstehen. Da ist die Versuchung groß, bei zurückliegenden Missgeschicken nicht Einsichten und Lehren zu suchen, sondern den Schuldigen. „In der Tat fürchten einige Projektleiter, in einen ungewünschten Lichtkegel zu geraten“, sagt er. Überhaupt: Aus welchem Grunde sollte ein Projektleiter sein Wissen In฀Workshops฀lassen฀Projektteams฀ihr฀Projekt฀Revue฀passieren฀und฀zeichnen฀ Erfahrungen฀auf. Foto: ฀Lufthansa฀Systems aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 2/ 20 0 5 7฀฀ teilen? Know-how ist ein Wettbewerbsvorteil für Unternehmen - und auch für den einzelnen Projektmanager auf der Karriereleiter. „Intellektuelles฀Kapital“฀wird฀belohnt Solche Fragen, räumt Peter Ueberfeldt ein, bewegen auch ihn. Illusionen über Vertrauen, Geduld und Freigebigkeit will er sich nicht machen. Trotzdem ist er optimistisch. Er tritt in Gesprächen unermüdlich der Annahme entgegen, dass Wissen in Unternehmen persönliches Eigentum sei. Es ist eine Ressource, und dann ist es klug, zu geben und zu nehmen. Mit der erfolgreichen Nutzung ergibt sich dann der Gewinn für den Einzelnen. „Wer sich hier bedeckt und kooperationsfeindlich verhält, wird schnell isoliert“, meint Peter Ueberfeldt. Auf der anderen Seite: Das eigene Wissen durch andere geschätzt und verwendet zu sehen weckt Befriedigung und streichelt das Ego. Es spricht sich herum, wer viel Erfahrungen teilt und sich als Fachmann ausweist. „Vielleicht werden wir künftig diejenigen besonders belohnen, die durch ihren Umgang mit Wissen einen Beitrag zur Steigerung des intellektuellen Kapitals unseres Unternehmens leisten“, so Ueberfeldt. Letztlich hängt alles an der Unternehmenskultur, daran, wie man mit Fehlern, Motivation und Kollegialität umgeht. Verstehen Projektteams solche Lessons-Learned-Workshops als Bereicherung oder Verhör? Können sie ungestraft über zurückliegende Fehler räsonieren? Gelingt es, gute und schlechte Erfahrungen von den Personen gleichsam zu lösen? Und wie kann dies funktionieren in kulturell gemischten Teams, bei denen einige Mitarbeiter panisch den Gesichtsverlust befürchten? An solchen Fragen nach Unternehmenskultur und Arbeitsklima kommen selbst leidenschaftliche Verfechter des „Lessons Learned“ nicht vorbei. Bei der Lufthansa Systems fügen sich, so Ueberfeldt, zwei Dinge glücklich zusammen: Die Geschäftsleitung promotet das Thema Wissen. Und die Projektbeteiligten arbeiten engagiert zusammen. „Damit sind wir auf einem guten Weg“, ist er überzeugt. ■ Weitere฀Informationen [1]฀Kerth,฀Norman฀L.: ฀Post฀Mortem.฀mitp-Verlag,฀Bonn฀2003 [2]฀Lientz,฀Bennet฀P.; ฀Rea,฀Kathryn฀P.: ฀Breakthrough฀Technology฀Project฀Management.฀Academic฀Press,฀San฀Diego฀ 2001 [3]฀Willke,฀Helmut: ฀Systemisches฀Wissensmanagement.฀ Lucius฀und฀Lucius,฀Stuttgart฀1998 [4]฀http: / / llis.nasa.gov/ llis/ plls/ index.html [5]฀http: / / www.uni-bielefeld.de/ pet/ willke.html [6]฀http: / / www.step-pro.de Anzeige projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 2/ 20 0 5 aktuell