PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Dank Projektmanagement kamen die Schätze pünktlich an den Rhein
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Oliver Steeger
Das Gold verehrten die alten Ägypter als Zeichen der ewigen Sonne, als Symbol der Wiedergeburt nach dem Tod. Rund dreitausend Jahre später zieht das Edelmetall weiterhin die Menschen in seinen Bann - besonders, wenn es aus dem alten Ägypten stammt. Die Stadt Bonn fiel ins Pharaonen-Goldfieber, als hier 130 Schätze aus der Grabkammer Tutanchamuns ein halbes Jahr zu sehen waren. Rund 700.000 Besucher bestaunten die Pretiosen in der „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“ am Rande des ehemaligen Regierungsviertels. Präzise war die über mehrere Jahre vorbereitete Ausstellung durchgeplant. „Nur mit Projektmanagement können wir heute solche Ausstellungen ermöglichen“, sagt Maja Majer-Wallat, Sprecherin der bundeseigenen Institution. Doch Projektmanagement funktioniert in der Kulturszene „anders“. Auf welche Weise - das zeigen die Bonner Ausstellungsmacher.
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3 DankProjektmanagementkamen TutanchamunsSchätzepünktlich andenRhein MitperfektenAusstellungenpflegtdie„Bundeskunsthalle“inBonnweltweitihrImage OliverSteeger DasGoldverehrtendiealtenÄgypteralsZeichenderewigenSonne,alsSymbolderWiedergeburtnachdemTod.RunddreitausendJahrespäterziehtdasEdelmetallweiterhindieMenschen inseinenBann-besonders,wennesausdemaltenÄgyptenstammt.DieStadtBonnfielinsPharaonen-Goldfieber,alshier130SchätzeausderGrabkammerTutanchamunseinhalbesJahrzu sehenwaren.Rund700.000BesucherbestauntendiePretioseninder„Kunst-undAusstellungshallederBundesrepublikDeutschland“amRandedesehemaligenRegierungsviertels.Präzise wardieübermehrereJahrevorbereiteteAusstellungdurchgeplant.„NurmitProjektmanagement könnenwirheutesolcheAusstellungenermöglichen“,sagtMajaMajer-Wallat,Sprecherinder bundeseigenenInstitution.DochProjektmanagementfunktioniertinderKulturszene„anders“.Auf welcheWeise-daszeigendieBonnerAusstellungsmacher. E in Fernsehteam des amerikanischen Senders ABC hat sich angemeldet. Die TV-Journalisten aus Übersee wollen über die Schätze des Pharaos Tutanchamun (regierte etwa 1347 bis 1339 v. Chr.) in Bonn berichten. Mit achtzehn Jahren verstorben, wäre der altägyptische Regent heute nicht einmal für Fachleute spannend. Posthum wurde der Kindkönig allerdings Teil eines neuzeitlichen Archäologie-Abenteuers. 3.600 Jahre nach dessen Beisetzung stieß der Brite Howard Carter auf sein unberührtes Grab. Er hob 1922 einen archäologischen Schatz. Der Name Tutanchamun ging um die Welt; der Gottkönig wurde, wie die Bonner Ausstellung wieder zeigte, zu einer Art Popstar der Archäologie. Bewahrt werden seine Schätze heute in Kairo. Nur selten gehen sie auf Reisen; es gilt als Ausnahme, dass 130 kostbare Fundstücke nach Bonn ausgeliehen werden. Dort nun wollen die amerikanischen Fernsehleute drehen. Auch ein Interview mit Dr. Wenzel Jacob, dem Intendanten der „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“, ist vorgemerkt. Für Projektleiterin Susanne Kleine, die die sechsmonatige Schau vorbereitet hat, bedeutet dies einen zusätzlichen Termin im übervollen Kalender. Gleich mehrere Projekte laufen bei ihr parallel: stattfindende, geplante und „angedachte“ Ausstellungen. Mit sieben Kolleginnen und einem Kollegen arbeitet sie an 20 Vorhaben insgesamt - im Schnitt mehr als zwei Projekte pro Person. Doch das TV-Interview muss sie dazwischenschieben. Die ABC-Sendung erreicht zwölf Millionen Amerikaner. „Da müssen wir präsent sein.“ Nicht so sehr wegen möglicher Touristen aus Übersee. Es geht vielmehr um die „Gesichtspflege“, um das Image bei den großen amerikanischen Museen und Sammlungen. Dort wollen „WirhabenflacheHierarchieninunsererOrganisationundkönnenvieleProjektfragenaufkurzemWegeabstimmen“,sagtDr.SusanneWichert-Meissner, LeiterinAusstellungsmanagementder„Kunst-undAusstellungshallederBundesrepublikDeutschland“(Bonn). Foto: OliverSteeger projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 0 5 aktuell 4 REPORT te ursprünglich Bonn auch kulturell zur Hauptstadt machen. Doch vieles kam anders. Louvre,VatikanischeMuseenund„MoMa“inBonn Noch vor Einweihung der Bundeskunsthalle musste die Stadt Regierung und viele Ministerien an Berlin abgeben. Die Häme war groß. In Bonn nun noch so aufzutrumpfen - das habe „etwas Anachronistisches, ja Absurdes“, ätzte die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Die Kulturszene fürchtete Verödung rund um den 1992 eröffneten Kulturbetrieb, wenn in Bonn die Lichter ganz ausgingen. So stand die Bundeskunsthalle von Anfang an unter Erfolgsdruck, ihre Existenz zu rechtfertigen. Nach zehn Jahren zog Dr. Wenzel Jacob Bilanz. Höflich im Ton kam der Intendant auf die damalige Kritik zurück: Zwischenzeitlich hatte das weltberühmte „Museum of Modern Art“ (New York) seine Schätze geschickt. Die Eremitage und das Russische Museum (Sankt Petersburg), das Petit Palais (Paris), das Moderne Museet (Stockholm), die Vatikanischen Museen (Rom) und der Prado (Madrid) folgten. Unter europäischen Kunstfreunden erwarb sich, daran ließ der Intendant keinen Zweifel, die zunächst totgesagte Bundeskunsthalle einen ausgezeichneten Ruf. Heute reisen vier von fünf Touristen der Ausstellungen wegen nach Bonn. Von Verödung keine Spur! Die Ausstellungsmacher der Bundeskunsthalle manövrierten, auch das muss gesagt werden, in günstigem Wind. Das Interesse an Kunst, Kultur und Geschichte wuchs. Museumsbesuche - ehemals Passion allein der so genannten Kulturelite - bekamen einen beliebten Platz im Familienprogramm. Die Museen nutzten die Chance: Museumspädagogen führen behutsam die mitunter nur vage vorinformierten Besucher an Kunst, Geschichdie Bonner auf sich aufmerksam machen, und ABC öffnet ein Fenster in die USA. Projektmanagementals„Trumpfkarte“ „Wir haben keine eigene Sammlung, die wir mit anderen Museen gegen deren Leihgaben tauschen können“, erklärt Maja Majer-Wallat, Pressesprecherin der Ausstellungshalle in Bonn. Im Klartext: Wollen die Rheinländer für eine ihrer Ausstellungen Gemälde oder Skulpturen leihen, können sie sich nicht mit Objekten aus dem eigenen Haus erkenntlich zeigen. Der verbreitete „Mein-Rembrandt-gegen-deinen-Picasso“-Handel funktioniert nicht. Folglich müssen sich die Bonner auf andere Weise als Partner begehrlich machen. Das Team um den Intendanten Dr. Wenzel Jacob will mit seinen Ausstellungen in der Weltliga spielen und auch mit respektablen Besucherzahlen glänzen. Es pflegt weltweit Kontakte zur Kulturszene, zu Politik, Wissenschaft und auch Wirtschaft. Und es hat den Vorsatz, seine Ausstellungen schlichtweg perfekt abzuwickeln. „Professionalität ist unsere wichtigste Trumpfkarte“, sagt Majer- Wallat. Und dazu gehört - auch - leistungsfähiges Projektmanagement. Nahezu 120 Schauen hat die „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“ in den vergangenen zwölf Jahren gezeigt. In der „Bundeskunsthalle“, wie der Rheinländer sagt, hat man Prominenz wie den französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, Königin Silvia von Schweden, den österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil und den Dalai Lama empfangen. 30.000 Gruppen wurden durch die Hallen mit den drei markanten Lichtschächten geführt. Rund 12 Millionen Besucher zählte man bislang. Der mächtig-moderne und architektonisch elegant wirkende Museumskomplex, in den 80er Jahren geplant, soll- AusstellungseröffnungensindnichtnureinKulturereignis,sondernaucheinwichtigerMeilensteinimProjektfahrplander Ausstellungs-Macher. Foto: OliverSteeger aktuell projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 0 5 5 te, Natur und Technik heran. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Besucher selbst ihren Reim auf die Dinge in den Vitrinen machen mussten und allein die Restauratoren über die Präsentation entschieden. Beispiel Tutanchamun: Lesefreundliche Wandtafeln, Videofilme und Computeranimationen begleiten die Besucher in die Welt der Pharaonen. Eine aufwändige Nachbildung der Grabkammer vermittelt einen Eindruck von dem Bild, das sich dem Archäologen Howard Carter beim Eindringen in die letzte Ruhestätte des Pharaos bot. Historische Schwarz-Weiß-Fotos von unrestaurierten Fundstücken und ihrer Bergung lassen Besucher jene Euphorie und Ehrfurcht nachfühlen, die die Archäologen damals erfasst haben müssen. Für Kinder hat die Bundeskunsthalle spezielle Führungen und Broschüren entwickelt. Ein Tutanchamun-Café und ein Museumsshop, der auch Wünsche von Souvenirjägern bedient, runden die Ausstellung ab. „Über-Nacht-Aktionen“fürProjektmanager „Unsere Aufgabe ist es heute doch, die Exponate mit den Augen unserer Besucher zu sehen und neu zu entdecken“, meint Maja Majer-Wallat. Der unter Projektmanagern wohl bekannte Begriff „Kundenorientierung“ fällt nicht ausdrücklich. Dennoch weiß man in der Bundeskunsthalle sehr wohl, wie die Bedürfnisse und Erwartungen der Besucher (man spricht in Museumskreisen auch von „Rezipienten“) zu ermitteln sind. Wiederholt befragte das Team der Bundeskunsthalle seine Besucher und bat sie um ihre Meinung: zum künstlerischen Ausdruck von Ausstellungen, zu Schauen und Retrospektiven, zu den Werken und ihrer Darbietung, zur Atmosphäre, Kataloggestaltung, zu Führungen, zur Freundlichkeit des Personals und zum Service an Kasse und Information. Das Feedback solcher Qualitätsschleifen fließt sowohl in geplante als auch in noch laufende Ausstellungen ein. Auch über beanstandete Petitessen geht man nicht hinweg und bessert nach - buchstäblich über Nacht, wenn es geht. Projektleiterin Kleine berichtet: Für die Tutanchamun-Ausstellung konnten Besucher Audioguides leihen, handyähnliche Geräte mit gesprochenen Erklärungen zu einzelnen Exponaten. Ausgewählte Vitrinen sind mit Nummern versehen; Besucher tippen sie in die Audioguides ein, um die Erklärung abzuspielen. „Uns haben Klagen erreicht, dass diese Nummern zu tief angebracht sind“, berichtet Susanne Kleine, „wir haben die kleinen Schilder in der nächsten Nacht höher gehängt.“ Nicht nur bei solchen „Über-Nacht-Aktionen“ fassen die Projektleiter selbst mit an. „Projektleitung bedeutet bei uns die Umsetzung von Ausstellungsideen“, erklärt Pressesprecherin Majer-Wallat. Das heißt für sie: Projektleitung „bildet eine Anlaufstelle, eine Art Trichter“ für alle anfallenden Aufgaben, Fragen, Probleme und Änderungen. „Für die inhaltliche Gestaltung der Ausstellung zeichnet in der Regel die jeweilige Kuratorin oder der Kurator verantwortlich“, ergänzt sie. Das sind Wissenschaftler, die sich teilweise seit Jahrzehnten mit dem Thema einer Ausstellung beschäftigen. Die Projektleiter der Bundeskunsthalle kümmern sich um die Details. Sie verstehen sich als Dienstleister, als Problemlöser und Troubleshooter. Tutanchamunkamals„fertigeAusstellung“-zum Glück! Im Gespräch mit den Projektleitern wird schnell deutlich, dass ihre Arbeit alles andere ist als in Geschichte und Schöngeistigem zu schwelgen. Ihre Aufgaben sind sachlicher Natur: planen, Arbeitspakete schnüren, delegieren, steuern und überwachen. Das Pensum sollte man nicht unterschätzen. Es überrascht Außenstehende, wie viel Arbeit es ist, aus einem Konzept eine Ausstellung zu entwickeln - inklusive Katalogen, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Rahmenprogramm. „Am Anfang steht eine Idee oder der Hinweis auf ein interessantes Thema“, so Majer-Wallat. Diese Idee wird ausgearbeitet, mit Recherchen unterfüttert und gewissermaßen in einer Machbarkeitsstudie geprüft. Hat der einmal jährlich tagende Programm-Beirat den Plan befürwortet, beginnen die Vorbereitungen - mindestens neun Monate, zumeist eineinhalb bis drei Jahre, gelegentlich fünf Jahre lang. Zunächst stehen Reisen an, Recherchen im Ausland, Besichtigung historischer Stätten und Museen, die langwierige Suche nach Informationen, möglichen Exponaten, Förderern und weiteren DerEingeweidesargTutanchamuns,einKunstwerkausGold,Karneol,Bergkristall,ObsidianundGlas.DerfiligrangearbeiteteKopfmitNemes-Kopftuchwar auchLogound„Eyecatcher“derBonnerArchäologie-Ausstellung. Foto: OliverSteeger projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 0 5 aktuell 6 REPORT Wissenschaftlern. Über die Botschaften und Kultusministerien werden Verbindungen zu anderen Museen geknüpft. „Da läuft“, sagt Majer-Wallat, „vieles über die obersten Ebenen.“ SorgfältigeProjektübergabeistPflicht! Sind Verträge über Leihgaben unterschriftsreif, schaltet Dr. Susanne Wichert-Meissner eine Projektleiterin ein. Die promovierte Kunsthistorikern und Psychologin ist Multiprojektmanagerin und Leiterin des „Project Office“, auch wenn nicht diese Bezeichnung, sondern „Leiterin Ausstellungsmanagement“ auf dem Schild an ihrer Bürotür vermerkt ist. Die Ausstellungsmanagerin steht an zweiter Stelle in der Bundeskunsthalle, sie vertritt den Intendanten und hat als oberste Projektleiterin eine bemerkenswert günstige Position. „Wir legen Wert darauf, unsere Projektleiterinnen und Projektleiter langsam ins Projekt einzuführen“, sagt sie. Rahmen und museumspädagogische Botschaft der Ausstellung stehen bei der Projektübergabe fest. Die künftige Projektleiterin begleitet die letzten Missionen in Sachen Recherche, Besichtigung und Diplomatie. Sie wird in die Kreise der Leihgeber, Förderer und Wissenschaftler „ihrer“ Ausstellung eingeführt. Bei der Tutanchamun-Ausstellung hatte die Bundeskunsthalle hinsichtlich des Projektmanagements Glück: Sie holte die fertige Ausstellung nach Deutschland. Das hat dem Team Monate, wenn nicht sogar ein Jahr mühevoller Arbeit erspart. Dennoch standen für Projektleiterin Kleine die typischen Aufgaben an, die mit jeder Ausstellung einhergehen. Arbeit im Museum und am Schreibtisch. Die „Kärrnerarbeit“, die sie leistet, unterscheidet sich wenig von der ihrer Kollegen in Wirtschaft und Industrie. Ihr oblag die Aufgabe, umfangreiche Detaillisten über Exponate zu erstellen, über ihre Provenienz, ihren Zustand, über Versicherungen und über die Art und Weise, wie die Leihgeber in Vitrinen und Katalogen genannt werden wollen. Sie besorgte Fotos zu den Exponaten, auch jenes von dem zierlichen Eingeweidesarg, einer Art Mini-Goldmaske, die später die Plakate schmückte und Eyecatcher auf fast allen Unterlagen war. Für den fast vierhundertseitigen Kunstdruck-Katalog beauftragte Projektleiterin Kleine Autoren mit Fachtexten für Katalog und Ausstellung. Sie diskutierte mit den hauseigenen Restauratoren über die Präsentation der Exponate. Sie organisierte Rahmenprogramme wie Vortragsreihen, Kulturnächte („Tutanchamun-Nächte“) und Kindernachmittage zur Veranstaltung, führte VIP-Gäste durch die Ausstellung, gab Interviews und plante sechs Wochen vor Ausstellungsende (Anfang Mai) den Abbau und Rücktransport der gezeigten Kulturgüter. „Festigkeit“durchBudgetüberwachung In Sachen „Änderungsmanagement“ unterscheidet sich ein solches Projekt kaum von den IT-Vorhaben aus Softwarehäusern oder von Organisationsprojekten. Immer wieder muss umgeplant und neu organisiert werden. Vorgesehene Exponate können nicht entliehen werden, oder ihr Transport ist zu teuer. Restauratoren fordern mit Verweis auf den Zustand des Exponats Planungsänderungen. Sicherheitstechniker melden Bedenken an und fordern Änderungen im Ausstellungsdesign. Für überraschend angekündigte Vorab-Dreharbeiten von Fernsehteams müssen schon einmal eiligst erste Vitrinen hergerichtet werden, derweil anderes noch in Bau ist. „Da sind wir froh, dass wir flache Hierarchien in unserer Organisation haben und vieles auf kurzem Wege abgestimmt werden kann“, sagt Ausstellungsmanagerin Wichert- Meissner. Intendant und Kuratoren entscheiden bei Bedarf schnell; man will es sich nicht leisten, Projektmanager mit ihrem Vorhaben im Regen stehen zu lassen. Gewissermaßen „Festigkeit“ in die Projektarchitektur bringt die Budgetüberwachung. Die Bundeskunsthalle ist verpflichtet, sogar kleinere externe Arbeiten europaweit auszuschreiben. Solch ein Prozess dauert Monate, manchmal ein halbes Jahr - und erfordert sorgfältige Planung der Aufträge und Ausgaben. Sehr früh müssen die Projektleiter einzelne Budgetposten planen; versäumte Arbeiten lassen sich nur schwer kurzfristig nachbeauftragen. Die Projektleiter sehen sehr früh, an welchem Punkt ihr Projekt finanziell aus dem Ruder läuft und wie sie gegensteuern können. Die zusätzlichen Kosten auf der Schlussetappe eines Projekts halten sich im Rahmen. VirtuosesStakeholdermanagementgefordert Eine nahezu schlafwandlerische Sicherheit hat sich die Bundeskunsthalle im Umgang mit ihren Stakeholdern erarbeitet. Da sind die Leihgeber, die besorgt um ihre Schätze jeden Handgriff der Restauratoren im Museum überwachen und für ihren Beitrag gewürdigt und geehrt werden wollen. Da sind die Restauratoren im eigenen Haus: Ihnen allein ist es vorbehalten, die Kulturschät- SicherheitundOrganisationgroßgeschrieben: Rund700.000Besucherbinnen eineshalbenJahresmusstedie„Kunst-undAusstellungshallederBundesrepublikDeutschland“inBonnbewältigen.SelbstdieProjektleiterinnenhatteneinen solchenErfolgnichterwartet. Foto: OliverSteeger aktuell projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 0 5 7 ze in den Vitrinen zu berühren. Sie wachen mit Argusaugen über die Unversehrtheit der Exponate. Da sind hohe Regierungsbeamte, Kulturattachés der Botschaften, Direktoren bedeutender Sammlungen, angesehene Wissenschaftler und Künstler: Sie alle können Türen zu bedeutenden Exponaten öffnen oder auch verschließen. Die Fähigkeit, mit diesen Gruppen gewandt umzugehen, Meinungsverschiedenheiten auszugleichen und bei Konflikten zu moderieren - das gehört zum Rüstzeug der Projektleiter. Zu ihren Aufgaben gehört es, Dankesbriefe vorzubereiten, besorgte Leihgeber mit den hauseigenen Restauratoren bekannt zu machen und VIP-Besucher durch die Ausstellung zu begleiten. „Das hat bei uns hohe Priorität und ist eine fest definierte Projektaufgabe“, sagt Frau Wichert-Meissner, „die Anforderungen an das diplomatische Geschick erklärt auch, weshalb unsere Projektleiter Fremdsprachenkenntnisse benötigen.“ Englisch? Nein, Mongolisch beispielsweise (für die seit Juni 2005 laufende Ausstellung „Dschingis Khan und seine Erben“) oder Arabisch (für die bis 21. August stattfindende Ausstellung „10.000 Jahre Kunst und Kultur aus Jordanien“). Zu groß ist die Gefahr, dass sich bei englischsprachigen Verhandlungen und Korrespondenzen Missverständnisse oder Verstimmungen ergeben. Regelkommunikationam„rundenTisch“ Alle zwei Wochen treffen sich die Projektleiter am „runden Tisch“ bei der Ausstellungsmanagerin. Der aktuelle projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 0 5 aktuell 8 REPORT Projektstand, Schwierigkeiten und Probleme stehen auf der Agenda. Mit dabei sind auch die Abteilungsleiter aus der Verwaltung, den Abteilungen „Katalog & Marketing“ sowie „Infrastruktur & Technik“. Bemerkenswert an diesem Kommunikationskonzept: Alle Beteiligten werden einbezogen - auch dann, wenn sie aktuell (noch) nicht mit dem Projekt beschäftigt sind. „So ist jeder über den Stand der laufenden Arbeiten unterrichtet und weiß, was auf ihn zukommt“, sagt Susanne Wichert-Meisser. Die Projekt-Chefin hat es sich zur Pflicht gemacht, in der Projektleiterrunde angesprochene Probleme noch am gleichen Tag zu lösen - meistens in Einzelgesprächen direkt nach der Projektbesprechung. Schnelle Entscheidungen entlasten ihre Projektmanager. Und sie sind ein Signal, dass die Spitze der Bundeskunsthalle hinter ihren Projekten steht und die Zusage der Unterstützung kein Lippenbekenntnis ist. Ihren Jour fixe nutzen die Bonner zudem, um den Projektmanagement-Nachwuchs in seine künftigen Aufgaben einzuweisen. Sie setzen auf „Learning by Doing“. Am runden Tisch lernen die Einsteiger mögliche Schwierigkeiten des Projektalltags kennen und studieren gängige Lösungswege. „Wir arbeiten Hand in Hand, auch zwischen den Projekten“, hebt Maja Majer-Wallat die Kollegialität als Geist des Kulturbetriebs hervor. Projektmanagement,woesnötigist Wer in der Bundeskunsthalle nach einem ausführlich niedergeschriebenen Leitfaden sucht, der sucht vergebens. Auf die in der Wirtschaft gebräuchlichen Prozessbeschreibungen mit Pflichtaufgaben wie Risikomanagement wird verzichtet. Zu unterschiedlich sind die Projekte und die damit verbundenen Arbeitsschritte wie Kontaktaufnahmen in alle Welt, Gespräche und die damit verbundenen Reisen, Vertragsverhandlungen, Recherchen und kreativen Planungen. „Selbstverständlich haben wir kleinere Prozesse, die sich bei jeder Ausstellung wiederholen“, erklärt Wichert-Meissner. Kleinere Prozesse? „Die Erstellung des Katalogs, der Transport, die Entwicklung von Logos und Plakaten - wichtige Aufgaben, die vom Ablauf her dem gleichen Muster folgen.“ Auch wiederholen sich die Meilensteine: Vertragsunterzeichnung für Leihgaben, Planung der Ausstellung, Transport, Restaurierung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Katalogproduktion, Eröffnung und der Abbau. Eine engere Formalisierung würde die Projekte wohl eher lähmen als voranbringen, versichert man in der Bundeskunsthalle. Der „reinen Lehre“ folgt dies nicht. Dennoch, der Erfolg scheint den Bonnern Recht zu geben. In den zwölf Jahren ihres Bestehens haben sie noch keinen Eröffnungstermin verschieben müssen. Das, so Majer- Wallat, wäre schlichtweg undenkbar: Die Besucher um eine Woche Geduld bitten? Unmöglich. Sie räumt ein, dass sehr gelegentlich zur Pressekonferenz „die Kataloge noch warm von der Trocknung“ sind. Solch ein „Missgeschick“ ist denn auch verzeihlich und geht höchstens als Anekdote in die ungeschriebene Museumsgeschichte ein. Info: www.bundeskunsthalle.de ■ aktuell projekt M A N A G E M E NT 3/ 20 0 5