eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 16/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
91
2005
163 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

C4P: Die 4 C des Projektmanagements bei der Dräxlmaier Group

91
2005
Hubertus C. Tuczek
Die Anforderungen an das Projektmanagement sind in den letzten Jahren in der Automobilindustrie durch die Globalisierung und die damit verbundene höhere Komplexität erheblich gestiegen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, braucht man ein übergreifendes Konzept, das den Projektteams ein erfolgreiches Arbeiten ermöglicht. Bei der Dräxlmaier Group wurde hierzu der Ansatz des C4P-Projektmanagements entwickelt. Es stellt eine Weiterentwicklung und Verknüpfung der bisher bestehenden Projektmanagement-Elemente bei Dräxlmaier dar. Die 4C bilden ein eingängiges Leitmotiv, das über die üblichen verfahrenstechnischen Kernelemente des Projektmanagements hinausgeht und das Unternehmen als Ganzes einbindet.
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21฀฀ C4P: ฀Die฀4฀C฀des฀Projektmanagements฀bei฀der฀Dräxlmaier฀Group Erfolgreiches฀Projektmanagement฀im฀komplexen฀Umfeld฀der฀Automobilindustrie฀ Hubertus฀C.฀Tuczek Die฀Anforderungen฀an฀das฀Projektmanagement฀sind฀in฀den฀letzten฀Jahren฀in฀der฀Automobilindustrie฀durch฀die฀Globalisierung฀und฀die฀damit฀verbundene฀höhere฀Komplexität฀erheblich฀ gestiegen.฀Um฀diesen฀Anforderungen฀gerecht฀zu฀werden,฀braucht฀man฀ein฀übergreifendes฀ Konzept,฀das฀den฀Projektteams฀ein฀erfolgreiches฀Arbeiten฀ermöglicht.฀Bei฀der฀Dräxlmaier฀ Group฀wurde฀hierzu฀der฀Ansatz฀des฀C4P-Projektmanagements฀entwickelt.฀Es฀stellt฀eine฀ Weiterentwicklung฀und฀Verknüpfung฀der฀bisher฀bestehenden฀Projektmanagement-Elemente฀ bei฀Dräxlmaier฀dar.฀Die฀4C฀bilden฀ein฀eingängiges฀Leitmotiv,฀das฀über฀die฀üblichen฀verfahrenstechnischen฀Kernelemente฀des฀Projektmanagements฀hinausgeht฀und฀das฀Unternehmen฀ als฀Ganzes฀einbindet. Automobilindustrie฀heute Die Automobilindustrie ist gekennzeichnet durch einen globalen Wettbewerb, der durch den Kampf um Marktanteile in den verschiedenen Regionen geprägt wird. Hierzu werden von den Automobilherstellern (OEM) mittlerweile in zunehmendem Maße erhebliche Rabatte auf die Volumenmodelle gewährt (Push-Prinzip, Fahrzeuge werden in den Markt gedrückt), während über vielfältige Nischenmodelle zusätzliche Käuferschichten erschlossen werden sollen. Um profitabel zu sein, müssen derartige Nischenmodelle mit spitzem Bleistift geplant werden, da sie meist nur in vergleichsweise geringen Stückzahlen verkauft werden. Darüber hinaus werden neue Modelle in immer kürzeren Zyklen auf den Markt gebracht. Technische Innovationen sind hierbei ein Muss und die stetig steigenden gesetzlichen Anforderungen, speziell im Bereich der Sicherheit, erhöhen die technische Komplexität. Dieser Kosten- und Leistungsdruck überträgt sich in starkem Maße auf die Zulieferer, da ihr Wertschöpfungsanteil mittlerweile deutlich über 50 % liegt. Auswirkungen฀auf฀das฀Projektmanagement Dieses komplexe Umfeld wirkt sich unmittelbar auf die Anforderungen an das Projektmanagement in der Branche aus. Heute müssen Neuentwicklungen mit höchsten Qualitätsanforderungen in zum Teil nur noch der halben Entwicklungszeit abgearbeitet werden, wie wir es noch vor wenigen Jahren gewohnt waren. Gleichzeitig wurden Ressourcen, sprich Budgets und infolgedessen Entwicklungskapazitäten, für ein Projekt deutlich reduziert, was ganz neue Anforderungen an die Effizienz in der Projektarbeit bedingt. Dazu kommt, dass durch die globale Verteilung der Wertschöpfungsketten die Projekte in zunehmendem Maße in internationalen Netzwerken abgearbeitet werden müssen, z. B. Entwicklung in Europa und Produktion in Nord-Amerika. Dies wird zum einen durch den Einsatz von fortschrittlichen Simulations-Tools ermöglicht. Diese „virtuellen“ Entwicklungsprozesse ersetzen in zunehmendem Maße den Bau von Prototypenwerkzeugen und sparen somit Zeit und Geld. In der digitalen Welt werden die einzelnen Komponenten auch hinsichtlich ihrer ZB(Zusammenbau)- Konfiguration optimiert, so dass der erforderliche Reifegrad für eine unmittelbare Erstellung von Serienwerkzeugen gegeben ist. Die Verifikation der Entwicklungsergebnisse mittels Qualifikationstests mit realer Hardware kann dadurch freilich nicht ersetzt werden. Zum anderen werden die Methoden des Projektmanagements verfeinert, um die effektive Zusammenarbeit im Projekt über die gesamte Lieferkette, d. h. vom OEM über den Tier 1 (System- oder Modullieferanten) bis zu den jeweiligen Unterlieferanten (Tier 2 - n), zu gewährleisten (Abb. 1). In der Dräxlmaier Group als System- Abb.฀1: ฀Gestiegene฀Anforderungen฀für฀das฀Projektmanagement projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 22฀฀ WISSEN und Modullieferant für Elektrik/ Elektronik und Fahrzeuginterieur wurde folglich diesem Bereich verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Projektmanagement฀bei฀Dräxlmaier: ฀Der฀C4P-Ansatz Die erfolgten Strukturierungen im Projektmanagement bei Dräxlmaier lassen sich mit 4 C bzw. dem Kürzel C4P anschaulich beschreiben. Die 4 C stehen hierbei für die Leitbegriffe Commitment, Competence, Cooperation und Communication (Abb. 2). Die englischsprachige Definition hierbei wurde gewählt, um den internationalen Anforderungen des Projektmanagements in der Dräxlmaier Group gerecht zu werden. Commitment ist die Ausgangssituation allen Handelns. Es bezieht sich auf die Verpflichtung der Leitung wie auch der Mitarbeiter für die jeweilige Aufgabe. Dies beinhaltet die Vereinbarung von Zielen (bzw. auch einer Vision) sowie die sich aus der Verpflichtung ergebenden Konsequenzen bei der Durchführung. Competence fächert sich in zwei Dimensionen auf. Zum einen bezieht sich der Begriff auf die geeignete Qualifikation der Mitarbeiter im Projekt, ohne die das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Den zweiten wichtigen Aspekt stellt die Entscheidungsbefugnis (Führungskompetenz) des Projektleiters und der Projektmitarbeiter gegenüber den Linienfunktionen dar. Cooperation beschreibt die Art und Weise der Zusammenarbeit. Hierzu gehört die konsequente Definition der zugehörigen Prozesse ebenso wie die Festlegung der Verantwortlichkeiten. Aus dieser Logik ergibt sich dann auch die Aufstellung in Form der Projektorganisation. Communication stellt eine der schwierigsten Disziplinen im Projektmanagement dar. Es geht hierbei in erster Linie nicht darum, die Informationen für alle zugänglich zu machen, sondern aus der Fülle der Informationen die notwendigen Inhalte an die jeweiligen Projektmitarbeiter zu bringen und diese auch mit dem Projektfortschritt aktuell zu halten. Darüber hinaus müssen auch Eskalationsmechanismen für Konfliktsituationen vorgesehen werden. Im Folgenden werden die vier Leitmotive im Einzelnen erläutert. Commitment Viele Projekte scheitern schon beim Startschuss. Werden die Ziele eines Projektes und die Bedeutung für das Unternehmen nicht zu Beginn von der Leitung deutlich gemacht, dann fehlt es schon an der richtigen Ausrichtung. Die verantwortliche Leitung muss ihre persönliche Verpflichtung auf die Projektziele zum Ausdruck bringen und auch während der Projektlaufzeit diese Verpflichtung (Commitment) erlebbar machen. Zum Beispiel durch persönliche Reviews oder Ansprechbarkeit bei Konfliktsituationen. Ebenso müssen sich auch die Mitarbeiter für das Projekt verpflichten. Dies bedeutet, sich konstruktiv mit dem Projektteam auseinander zu setzen und sich auch auf Phasen intensiver Arbeitsbelastungen einzustellen, die sich unweigerlich einstellen. Die Ziele bzw. ggf. auch eine Vision sind klar zu formulieren und müssen auch an den einzelnen Mitarbeiter kommuniziert werden. Darüber ist es sinnvoll, Spielregeln für die Zusammenarbeit festzulegen, was speziell bei internationalen und interkulturellen Projekten hilfreich ist. Aus der Verpflichtung für die Projektziele ergibt sich auch die Konsequenz bei der Umsetzung. Nur nachhaltiges Vorgehen, das auch vor Schwierigkeiten nicht zurückschreckt, bringt den Projekterfolg. Damit bildet das Commitment den Rahmen für die gesamte Projektarbeit und ist folglich für die Projektlaufzeit durchzuhalten. Das Commitment der Leitung wie auch der Mitarbeiter auf das gemeinsame Ziel ist die Grundvoraussetzung für eine motivierte und erfolgreiche Projektarbeit. Competence 1. Qualifikation der Mitarbeiter (persönliche Kompetenz) Der Qualifikation der Mitarbeiter im Projekt kommt entscheidende Bedeutung zu. ❏฀ Fachliche Kompetenz: Sowohl technische als auch kaufmännische Fähigkeiten sind heute gefragt, um die vielfältigen Hürden zu einem erfolgreichen Projektverlauf überwinden zu können. Der hohe Komplexitätsgrad bei der Erfüllung der Spezifikationen eines Automobilproduktes verbunden mit Risiken, die sich aus geforderten Innovationen oder Veränderungen zwecks Kosteneinsparungen ergeben, erfordert fundiertes fachliches Beurteilungsvermögen. Ebenso lassen sich die strengen Qualitätsanforderungen, die heutzutage wieder aktueller sind denn je, nur durch konstruktive Lösungen erreichen. Das verlangt eine konsequente technische Vorausplanung, die auch die Möglichkeiten der Produktion mit in Betracht zieht. Die notwendige Kostendisziplin bedingt ein umfangreiches und nachhaltiges Kostenmanagement im Projekt, das auch gegenüber dem Kunden in professioneller Weise vertreten werden muss. ❏฀ Soziale Kompetenz: Die knappen Ressourcen im Projekt verbunden mit einem extrem zeitlich verdichteten Entwicklungsablauf führen zu einem hohen Grad der Anspannung im Projekt. Den daraus resultierenden zwischenmenschlichen Spannungen müssen der Pro- Abb.฀2: ฀Projektmanagement฀bei฀Dräxlmaier: ฀Der฀C4P-Ansatz aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 23฀฀ jektleiter und die Schlüsselpersonen im Projekt mit einem abgeklärten Führungsverhalten und einer unerschrockenen Konfliktlösungskompetenz begegnen. Besonders an der Kundenschnittstelle treten jedoch durch den permanenten Kostendruck teilweise derart schwierige Projektphasen auf, dass das Projektteam an die Grenzen seiner Belastbarkeit kommt. Hier muss der Projektleiter seiner Rolle als dickhäutiger Motivator gerecht werden und das Team nach vorne ziehen. Da heutzutage in den Projekten in der Wertschöpfungskette firmenübergreifend (Cross Company) mit Lieferanten oder Systempartnern gearbeitet wird, müssen sich der Projektleiter und seine Mitarbeiter auch in diesem Umfeld souverän bewegen. ❏฀ Interkulturelle Kompetenz: Projekte erfolgen in zunehmendem Maße in einem internationalen Kontext. Sei es, dass in Deutschland entwickelt und in den USA oder einem anderen Land dieser Erde produziert wird oder gar Entwicklungs- und Produktionsressourcen aus verschiedenen Regionen parallel zu koordinieren sind. Damit wird der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen zu einem immer wichtigeren Faktor, zumal die Nichtbeachtung dieses Faktors auch der meistunterschätzte Grund für den Misserfolg von Projekten ist. Beispiele gibt es hierfür genug. Hierbei gilt es deutsche Geradlinigkeit mit englischer Gelassenheit oder amerikanischem Teammanagement auszubalancieren. Speziell bei USA-Projekten unterliegen die Projektmitarbeiter so zum Beispiel oft dem so genannten „Similarity Trap“. Das heißt, der Amerikaner sieht genauso aus wie wir und ist aber doch in vielen Dingen anders geprägt. Dieses Anderssein muss verstanden und auch für die Verhaltensweisen in der Projektarbeit berücksichtigt werden. Die฀Nichtbeachtung฀interkultureller฀Faktoren฀ist฀der฀ meistunterschätzte฀Grund฀für฀Projektmisserfolge Insgesamt ist festzustellen, dass diese Kompetenzen natürlich durch Seminare und Fortbildungen vertieft werden können. Wirklich wirksam ist aber nur die langfristige Qualifikation des Projektleitungsnachwuchses, die schon durch geeignete Assessments auch die grundsätzliche Eignung der Mitarbeiter feststellt. Eine Projektfunktion sollte folglich als Karrierebaustein bei der Mitarbeiterentwicklung vorbereitet werden, die dann sowohl dem Projekt wie auch dem Mitarbeiter gerecht wird. Die Praxis ist natürlich unabdingbar, um auf der Projektkarriereleiter weiter nach oben zu kommen und so eines Tages die Disziplin zu beherrschen, um die es im Projektgeschäft heutzutage geht: Den Mangel zu managen! 2. Entscheidungsbefugnisse des Projektleiters und des Projektteams (Entscheidungskompetenz) Bei den Entscheidungsbefugnissen für Projektleiter drückt man sich gerne vor einer genauen Festlegung. Die Problematik liegt im Verhältnis von Projekt zu Linie in der Matrixorganisation. Klassischerweise hatten in diesem Spannungsfeld in der Vergangenheit die Linienfunktionen die Oberhand. Die technische Kompetenz stand im Vordergrund. Mit der zunehmenden Bedeutung der effizienten Projektabwicklung gewinnt die Projektdisziplin an Einfluss. Man wäre versucht zu sagen, projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 24฀฀ WISSEN das Projekt hat Vorfahrt! Dies kann aber so nicht gelten, da auch technische Neuerungen und Innovationen heute wichtige Marktanforderungen sind. Generell lässt sich das Spannungsfeld am besten dadurch lösen, dass der Projektleiter über die finanziellen Mittel verfügt und die Linie die fachlichen Ressourcen abstellt. Konflikte müssen durch das Management gelöst werden, was einen hohen Anspruch an eine konsensfähige Unternehmenskultur setzt. Cooperation Um die Zusammenarbeit im Projekt zu organisieren, bedarf es zunächst einer Definition der zugehörigen Abläufe/ Prozesse. Aus diesen ergeben sich die Rollen und Verantwortlichkeiten der jeweiligen Projektmitglieder, die letztendlich in eine aus den Prozessen abgeleitete Projektorganisation münden. Dies stellt einen wichtigen Aspekt dar, um nicht schon mit einer nicht geeigneten Projektorganisation das Vorhaben zu gefährden. Bei internationalen Projekten der Dräxlmaier Group wird zum Beispiel darauf geachtet, dass in den Teilprojekten sowohl die fachliche Kernkompetenz als auch die regionale Kompetenz nachhaltig vertreten ist. Wichtig ist hierbei auch die Einbindung der Führungskräfte aus den verschiedenen Bereichen. Diese können als „Executive Champions“ mit Querschnittsverantwortung für einzelne Teilbereiche, z. B. Produktgruppen, aktiv integriert werden. Ein Projektleiter muss bis Abschluss des Projektes (SOP) auch verantwortlich sein. Dies ist an sich eine Selbstverständlichkeit, aber in der Praxis doch nicht immer gegeben. Eine umfassende Kapazitäts- und Kostenplanung zu Beginn des Projektes ist ebenso Standard. Sie ist jedoch herunterzubrechen auf eine detaillierte Produktgruppenebene mit separater Target-Bildung für jeden Teilprojektleiter. Für Fahrzeugprojekte wurde ein Dräxlmaier-spezifischer Standardentwicklungsprozess definiert: der Simultaneous Engineering Prozess (SEP) (Abb. 3). Er bildet die Prozesse und Verantwortlichkeiten in einem Gesamtmodell ab und ist ein wesentlicher Baustein im Projektmanagement der Dräxlmaier Group. Die vielfältigen Abhängigkeiten der Unternehmensprozesse werden speziell auf die Belange der Projektarbeit hin beschrieben. Damit ist das Projektmanagement systematisch in das Dräxlmaier Management-System (DMS) integriert. Durch Verankerung von präventiven Elementen im Entwicklungsprozess werden bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Entwicklungsprojekt eine hohe Produkt- und Prozessreife erreicht. Gleichzeitig werden die Aktivitäten der verschiedenen im Projekt mitwirkenden Fachbereiche aufeinander abgestimmt. Es gilt im „Gleichschritt“ das Projekt zu durchlaufen und tatsächlich ein Simultaneous Engineering zu realisieren (Abb. 4). Dies umfasst auch die Lieferanten. Neben den Prozessen und Verantwortlichkeiten werden hierbei auch die weiteren Elemente der eingesetzten Methoden, der Informationsobjekte und Daten sowie der zugehörigen IT-Tools erfasst. Zur durchgängigen Steuerung der Prozesse gehören auch Kennzahlen, mittels deren der jeweils aktuelle Status ermittelt werden kann. So sind zum Beispiel Kennzahlen bezüglich der Durchlaufzeiten im Änderungsmanagement oder der Problembehebung aufschlussreich. Mit der Anzahl der i.o.-Teile bei „First of Tool“* kann die Qualität der Entwicklung per Simulation (Virtual Series) bewertet werden. Reifegradbewertungen von Produkt und Prozess zeigen die Differenz zur Serienqualität auf. Sowohl für eine effektive Projektsteuerung als auch für ein wirksames Projektcontrolling wird das Projekt in einzelne Phasen gegliedert. Die Projektphase wird jeweils durch einen Meilenstein beendet (Stage-Gate-Modell). Sind zu diesem Zeitpunkt die Aufgaben in der geforderten Qualität abgearbeitet, kann die Phase abgeschlossen oder auch das „Gate durchschritten“ werden. Des Weiteren sind Instrumente verankert, mit denen einerseits eine kontinuierliche Projektüberwachung und andererseits an den Phasengrenzen eine tief greifende und umfassende Statuserfassung durchgeführt wird. Über eine Ampelschaltung werden Eskalationsmechanismen aktiviert. So ist bei ROT - Gefährdung der Projektziele - die Geschäftsleitung einzubinden. Bei einem Projektreview sollte immer auch dem Team eine Chance zur Reflexion gegeben werden, um eventuell aufgetretene Spannungen oder Missverständnisse aufzuklären. Die฀Synchronisation฀der฀simultanen฀ Prozesskette฀ist฀ein฀wesentlicher฀Baustein฀für฀ erfolgreiche฀Fahrzeugentwicklungsprojekte Neben der Anwendung von Methoden zur effektiven Produkt- und Prozessentwicklung, den Werkzeugen zur vorausschauenden Qualitätsplanung und einer konsequenten Projektüberwachung und -steuerung ist schließlich die Synchronisation der simultanen Prozesskette ein wesentlicher Baustein zur erfolgreichen Abwicklung von * Mit „First of Tool“ sind die ersten Teile aus dem Werkzeug gemeint. Wenn die zu einem hohen Anteil i. O., das heißt in Ordnung sind, spricht das für die Güte der „virtuellen“ Entwicklung. Mit anderen Worten: Die Rate der i.O.-Teile „First of Tool“ ist ein Messkriterium für die Qualität der virtuellen Entwicklung. Abb.฀3: ฀Der฀Simultaneous-Engineering-Prozess฀(SEP)฀bei฀Dräxlmaier aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 25฀฀ Fahrzeugentwicklungsprojekten. Die Aufgabe ist firmenübergreifend zu lösen, d. h. Cross Company und reicht vom OEM über den Tier 1 bis zum Tier n. Nur wenn alle Parteien zu einem definierten Zeitpunkt („Gates“) ihren Entwicklungsfortschritt mit einem einheitlichen Stand zusammenfahren, kann das Gesamtergebnis beurteilt werden. Dies hört sich einfacher an, als es ist! Lastenhefte und Spezifikationen gilt es über die gesamte Prozesskette abzustimmen und wenn man dann - sozusagen beim letzten Tier (Tier n) - angekommen ist, wieder rückwärts anzupassen. Verschiedene Konstruktionsstände müssen harmonisiert und wiederum mit Prozessplanungsständen abgeglichen werden. Und das Ganze wird von einem dynamischen Änderungsmanagement überlagert, dessen konsequente Verfolgung das gesamte Projektteam vor Herausforderungen stellt. Zumal die erforderlichen kaufmännischen Abgleiche oftmals zähe Entscheidungsprozesse mit sich ziehen, die den Anforderungen zur technischen Umsetzung hinterherhinken. Die Werkzeugfreigabe ist hierbei ein ganz wesentlicher Meilenstein, da spätere Änderungen aufwendig und teuer werden. Nicht synchronisierte Umfänge bei der Teilebemusterung am Ende der Vorserie schlagen dann voll in den Serienanlauf durch. Bei komplexen Produkten wie einem Gesamtinterieur gibt es letztendlich nur eine Antwort für diese Herausforderung: eine vorausschauende Kooperation sowie eine effiziente Kommunikation von allen Beteiligten in der Prozesskette. Communication Die Kommunikation ist sicher nach wie vor der am meisten unterschätzte Faktor im Projekt. Gerade bei internationalen Projekten wird durch räumliche und sprachliche Trennung die Komplexität der Informationsweitergabe zu einer echten Hürde für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Missverständnisse oder Defizite bezüglich aktueller Informationen werden zum Teil erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung wahrgenommen, so dass ihre Auswirkungen umso schwerwiegender sind. Der Start eines Projektes mit einem umfassenden Kickoff-Workshop ist unumgänglich, um alle Teammitglieder Abb.฀4: ฀Sychronisation฀der฀simultanen฀Prozesskette฀(Cross฀Company) projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 26฀฀ WISSEN auf den gleichen Stand zu bringen und auch die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern durch persönliche Kontakte (Face Time) zu unterstützen. In diesem Rahmen sollte auch die Freigabe des Projektes durch das zuständige Topmanagement erfolgen. Sinnvoll ist die Wiederholung dieser Workshops, sozusagen als Synchronisationspunkte, in einem Zeitraum von cirka sechs Monaten. Das Feedback der Teammitglieder stellt eine wichtige Information für das Management zur Bewertung des Projektes dar. Regelmäßige Abstimmung in einem Steuerkreis (Steering Committee, STC) sichern die Regelkommunikation mit dem Management. Diese Steuerkreise dürfen nicht nur in der Zentrale tagen, sondern müssen auch am Orte des Geschehens, also dort, wo entwickelt und später das Produkt produziert wird, organisiert werden. Dies gewährleistet die regionale Einbindung. Neben den persönlichen Kontakten gilt es, die Informationen im Projekt effizient zu organisieren. Eine Projektdatenbank auf einem allgemein verfügbaren Laufwerk stellt hierbei einen üblichen Standard dar. Darüber hinaus bieten heute aber so genannte „E-Rooms“ Plattformen an, in denen sich Informationen in übersichtlicher Weise aktuell halten lassen. Weiterhin können in solche Plattformen auch interaktive Komponenten integriert werden, mittels deren die Projektmitglieder sich in einem informellen Rahmen zu den Themen austauschen können. So kann in einem Kreis von Experten ein Erfahrungsaustausch zu konkreten aktuellen Fragestellungen organisiert werden. Eine strukturierte Verteilermatrix zu den diversen Besprechungsprotokollen (gezielte Information! ) macht die Informationsverbreitung übersichtlich. Eindeutige Kommunikationswege zum Kunden sind unabdingbar, um zum aktuellen Zeitpunkt auch die jeweils aktuelle und richtige Information weitergeben zu können. Missverständnisse können hier schnell zu einem erheblichen Mehraufwand an Kommunikation führen! Ein ständiges Auf-dem-Laufenden-Halten aller Beteiligten zu allen Themen ist auch kontraproduktiv, da dies nur zu einem Hetzen von Besprechung zu Besprechung führt, ohne dass die Arbeit erledigt wird. Hierfür gibt es Meilensteine, zu denen eine definierte Synchronisation durchgeführt wird. Ein gewisses Vertrauen in die Arbeit des anderen - auch firmenübergreifend - ist dabei Grundvoraussetzung. Bei Beachtung des zweiten C (Competence) sollten die Grundlagen dafür gegeben sein. Die Durchführung von Lieferantentagen unterstützt die Kommunikation entlang der Prozesskette. Nicht zuletzt ist auch ein „Lessons Learned“-Prozess zu organisieren, der die gewonnenen Erfahrungen anderen Projektteams zugänglich macht, zum Beispiel durch Schulungen zu Projektbeginn. Hierzu eignen sich auch Wissensspeicher und KVP-Prozesse, über die u. a. Erkenntnisse aus der Serienproduktion zu den Entwicklern zurückgespielt werden. Fazit Um den heutigen Rahmenbedingungen für das Projektmanagement gerecht zu werden, müssen die Prozesse und Strukturen für die Projektarbeit (Cooperation) weiterentwickelt werden. Darüber hinaus sind weiter gehende Anforderungen an die Verpflichtung des Managements bzw. der Mitarbeiter (Commitment), die Qualifikation derselben (Competence) als auch an den Informationsfluss (Communication) zu erfüllen. Dies alles ist in einem ganzheitlich vernetzten Ansatz umzusetzen. Daher sind im C4P-Konzept alle vier Schlüsselfaktoren gleichermaßen bedeutsam und konsequent zu beachten, um den Projekterfolg zu gewährleisten. Darüber hinaus muss aber auch das Zusammenspiel derselben effektiv und effizient gestaltet werden, um den maximalen Wirkungsgrad zu erreichen. Dies gilt für die gesamte Projektlaufzeit. Abschließend ist zu bemerken, dass Spielregeln auch gelebt werden müssen. Dafür steht das erste C mit dem Commitment des Managements und der Mitarbeiter. ■ Literatur [1]฀Hab,฀G.; ฀Wagner,฀R.: ฀Projektmanagement฀in฀der฀Automobilindustrie.฀Wiesbaden฀2004฀(siehe฀hierzu฀die฀Besprechung฀ auf฀Seite฀39฀in฀diesem฀Heft) [2]฀Hoffmann,฀H.; ฀Schoper,฀Y.; ฀Fitzsimons,฀C.฀(Hrsg.): ฀Internationales฀Projektmanagement.฀München฀2004 [3]฀Tuczek,฀H.: ฀Projektmanagement฀in฀dem฀sich฀wandelnden฀ Umfeld฀der฀Automobilindustrien.฀Tagungsband฀GPM-Expertentagung,฀Darmstadt฀2003 [4]฀Tuczek,฀H.: ฀Projektmanagement฀im฀Spannungsfeld฀ von฀Qualitätsanforderungen฀und฀knappen฀Ressourcen.฀ Tagungsband฀GPM-Expertentagung,฀Darmstadt฀2004 Schlagwörter Kommunikation฀in฀Projekten,฀Projektmanagement฀in฀der฀ Automobilindustrie,฀Qualifikation฀der฀Projektbeteiligten,฀ Simultaneous฀Engineering,฀Stage-Gate-Modelle Autor Dr.-Ing.฀Hubertus฀C.฀Tuczek; ฀nach฀ dem฀Studium/ Promotion฀der฀Elektrotechnik฀an฀der฀TU฀München฀mit฀ Auslandsstudium฀in฀Australien฀und฀ Frankreich฀übernahm฀er฀eine฀leitende฀ Funktion฀im฀Qualitätsmanagement฀des฀ DaimlerChrysler-Konzerns.฀Seit฀1997฀ ist฀er฀bei฀der฀Dräxlmaier฀Group.฀In฀ der฀Geschäftsleitung฀verantwortet฀er฀den฀Bereich฀„International฀Business“฀sowie฀die฀Zentralfunktionen฀Corporate฀ Quality฀und฀Einkauf. Anschrift Dräxlmaier฀Group Geschäftsleitung Landshuter฀Straße฀100 D-84137฀Vilsbiburg Tel.: ฀0฀87฀41/ 47฀10฀05 E-Mail: ฀Tuczek.Hubertus@draexlmaier.de www.draexlmaier.de aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 27฀฀ Management฀der฀Projektqualität Begriffliche฀und฀konzeptionelle฀Grundlagen Hans฀Knöpfel Ziele฀und฀Rahmenbedingungen฀von฀Projekten฀sind฀in฀der฀Realität฀sehr฀viel฀komplexer฀ und฀vielfältiger,฀als฀oft฀angenommen฀wird.฀Dies฀erfordert฀immer฀auch฀Überlegungen฀zum฀ Management฀der฀Projektqualität,฀mit฀dem฀die฀Erreichung฀der฀Projektziele฀gesichert฀werden฀ soll.฀Dabei฀geht฀es฀darum,฀gewünschte฀neue฀Systeme฀oder฀gewünschte฀neue฀Zustände฀von฀ bestehenden฀Systemen฀bis฀zu฀bestimmten฀Terminen฀mit฀Hilfe฀geeigneter฀Aktionen฀und฀Ressourcen฀im฀Rahmen฀vorgegebener฀Budgets฀in฀einem฀bestimmten฀Umfeld฀zu฀erreichen฀und฀ damit฀Mehrwerte฀zu฀schaffen.฀Im฀vorliegenden฀Artikel฀werden฀die฀begrifflichen฀und฀konzeptionellen฀Grundlagen฀für฀ein฀solches฀Management฀der฀Projektqualität฀erarbeitet.฀Dabei฀wird฀ von฀den฀Erkenntnissen฀des฀systemorientierten฀Managements฀ausgegangen.฀Das฀Denken฀ in฀Systemen฀und฀die฀Verwendung฀der฀Qualitätsmanagement-Prozesse฀helfen฀den฀Projektbeteiligten฀beim฀durchgängigen฀Aufarbeiten,฀Vereinbaren,฀Steuern฀und฀Beherrschen฀einer฀ vielfältigen฀und฀nachhaltigen,฀teilweise฀aber฀auch฀unsicheren฀und฀variablen฀Projektqualität. 1฀ Begriff฀der฀Projektqualität Allgemein wird in den Qualitätsnormen (speziell ISO 8402) Qualität als die Gesamtheit der Eigenschaften einer Einheit definiert, um festgelegte und vorausgesetzte Anforderungen zu erfüllen. Analog dazu verstehen wir unter Projektqualität die Erreichung der Gesamtheit der Eigenschaften eines Projektes, um gestellte und vorausgesetzte Projektanforderungen zu erfüllen (Abb. 1). Projektqualität in diesem Sinne ist nicht zu verwechseln mit der damit verwandten Projektmanagement-Qualität, auf die im vorliegenden Artikel nicht näher eingegangen wird. Qualität besteht in der Übereinstimmung der tatsächlich erreichten Ergebnisse mit den vereinbarten Zielen für ein bestimmtes spezifisches Projekt (Abb. 2). Die Projektbeteiligten versuchen nicht, eine maximale Qualität zu erreichen, sondern die vereinbarte Qualität; manchmal etwas mehr oder etwas weniger, je nach der Beziehung zu den Stakeholdern. Wenn das Projektmanagement mehr als die vereinbarte Qualität realisiert, übererfüllt es die gestellte Aufgabe, und die Projektbeteiligten sind unter Umständen unzufrieden, weil sie zu viel geleistet haben. Wenn das Projektmanagement weniger als die vereinbarte Qualität realisiert, untererfüllt es die Aufgabe, und die Kunden sind wahrscheinlich nicht zufrieden und verlangen Anpassungen und zusätzliche Leistungen (Abb. 3). Die Projektziele sind die konkret geforderten, wichtigen Eigenschaften des Projekts. In der Regel geht es darum, gewünschte neue Systeme oder gewünschte neue Zustände von bestehenden Systemen bis zu bestimmten Terminen mit Hilfe geeigneter Aktionen und Ressourcen im Rahmen vorgegebener Budgets in einem bestimmten Umfeld zu erreichen und damit Mehrwerte zu schafverlangt (vom Kunden) geliefert (von der Projektorganisation) Q Abb.฀1: ฀Projektqualität verlangt geliefert verlangt geliefert oder Q Q Abb.฀2: ฀Unterschiedliche฀Projektqualitäten „untererfüllt“ verlangt geliefert verlangt geliefert „übererfüllt“ noch weder Q Q Abb.฀3: ฀Abweichungen฀von฀der฀Projektqualität projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 28฀฀ WISSEN fen. Genau das erwarten die Stakeholder (Anspruchsträger) des Projektes. Wenn das Projekt während des Projektablaufes und am Ende des Projektes die Ziele der Anspruchsträger sowie die Rahmenbedingungen aus dem Umfeld erfüllt, ist die vereinbarte Projektqualität erreicht. Eine potenzielle Abweichung von der Erfüllung der Projektziele und Rahmenbedingungen ist eine Chance (im günstigen Fall) oder ein Risiko (im ungünstigen Fall). Eine effektive Abweichung von vereinbarten Projektzielen und Rahmenbedingungen ist eine Differenz zur vereinbarten Qualität. 2฀ Projektziele฀und฀Rahmenbedingungen 2.1฀ Erfassung฀der฀Projektziele Ein elementares Konzept für die Projektqualität Q ist in Abb. 4 dargestellt. Projektqualität ist danach die richtige Kombination von Leistungen, Terminen und Kosten. Diese drei Parameter werden so lange variiert, bis die optimale Gesamtqualität erreicht ist (z. B. etwas kürzere Termine, dafür etwas höhere Kosten; etwas niedrigere Kosten, dafür etwas geringere Leistungen). Das so genannte „magische Dreieck“ (Abb. 5) sollte nicht mehr verwendet werden. Erstens ist Magie kaum ein geeignetes Mittel, um Projektqualität zu erreichen. Zweitens ist dieses Dreieck nicht vereinbar mit der Qualitätsdefinition in der Norm ISO 9000 [3]. Die Projektqualität bezieht sich auf alle bewerteten Eigenschaften eines Projektes. Einen vereinbarten Meilensteintermin zu erreichen ist Projektqualität. Das Risiko einer Kostenüberschreitung bei einer wichtigen Leistung auf dem vereinbarten Niveau zu halten ist ebenfalls Projektqualität. Entscheidend ist nun natürlich, welche Eigenschaften des Projektes zur Qualität gezählt werden. Im Vordergrund stehen Eigenschaften, die bei einem Projekt als direkte, voneinander unabhängige Ziele der Stakeholder zu betrachten sind. Beispielsweise kann eine gute Stimmung in der Projektorganisation einerseits als Mittel zum Zweck (die eigentlichen Projektziele zu erreichen) angesehen werden. Andererseits kann die gute Stimmung als ein eigenständiges Projektziel vereinbart sein. Eine gegenüber Abb. 4 erweiterte Sicht ist in Abb. 6 dargestellt. Drei zusätzliche Eigenschaften werden hier mit einbezogen: ❏฀ Der Nutzen, den die Projektergebnisse stiften, wird als eigene Größe eingeführt. ❏฀ Die Projektbeteiligten und ihre Ziele und Zufriedenheit werden berücksichtigt. ❏฀ Die Projekte werden in der Regel in einem bestimmten Kontext durchgeführt, was den Freiheitsraum einschränkt, weil das Umfeld Ansprüche stellt. Im Projektmanagement sollte man damit rechnen, dass sich die Projektbeteiligten und die Umfeldbedingungen und -einflüsse im Projektablauf ändern können (Dynamik von Projektorganisation und Projektumfeld). Ziele werden durch Personen und Organisationen gesetzt und sind abhängig von ihrer Kultur und ihren projektbezogenen Erwartungen [1, 6]. Die in der Regel zahlreichen Personen und Organisationen, die an einem Projekt beteiligt sind, haben individuelle, unterschiedliche Ziele, Interessen, Pflichten und Verantwortungen. In Abb. 7 ist einerseits die (temporäre) Projektorganisation und andererseits eine (ständige) Stammorganisation, zum Beispiel ein Benutzer oder Lieferant, dargestellt. Die Stellen innerhalb dieser Organisationen haben eigene Ziele, Aufgaben und Verantwortungen. Dargestellt sind der Vertreter des Auftraggebers bzw. des Steuerungsausschusses (VAG), der Gesamtprojektleiter (GPL), der Leiter der Planung (LP), der Leiter einer Fachplanung (LFP) sowie der externe Leiter der Ausführung (LA), der sich auf die Mitarbeiter der Fachabteilungen (MFA), die Q Leistungen Termine Kosten + Optimierung Projekt- Management Termine Kosten Qualität Abb.฀4: ฀Elementares฀Konzept฀der฀Projektqualität Abb.฀5: ฀Nicht฀konform฀zu฀ISO฀9000 Nutzen? (Was? Wieso? ) Leistungen Termine Kosten Physisches, ökonomisches und soziales Umfeld (Wie? ) Projektbeteiligte (Wer? ) GPL LA Projektorganisation Stammorganisation VAG LP LFP AR MFA MFA LFA GL Abb.฀6: ฀Erweiterte฀Sicht฀der฀Projektqualität Abb.฀7: ฀Projektbeteiligte aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 29฀฀ Leiter der Fachabteilungen (LFA), die Geschäftsleitung (GL) und den Aufsichtsrat (AR) stützt. Die Projekte sind manchmal in Subprojekte unterteilt, womit auch die Ziele und Rahmenbedingungen für diese Subprojekte zu vereinbaren und einzuhalten sind. Für die Kunden sind zunächst die Leistungen (Deliverables), die Termine (Time Schedule) und die Kosten (Investment Cost) wichtig. Eine neue Dimension der Projektziele und Rahmenbedingungen wird jedoch durch die Tatsache eröffnet, dass die Kunden in der Regel noch mehr daran interessiert sind, was das Projekt nach Projektende bewirkt. Dieser spätere Nutzen ist in der Regel (wenn die Projektergebnisse nicht mit dem Projektende verkauft werden) der eigentliche Grund, weshalb ein Projekt durchgeführt wird. In Abb. 8 sind die Qualitätskomponenten des Kunden für ein neues öffentliches Transportmittel dargestellt. Der wirkliche Projekterfolg wird erst (weit) in der Zukunft, im Lebenszyklus dieses neuen Systems, realisiert werden. Im Projektablauf wird man mit entsprechenden Plangrößen und -werten arbeiten. Um die prognostizierte Projektqualität etwas besser abzustützen, wird man zudem Risiko- und Empfindlichkeitsanalysen durchführen. Es stimmt zwar, dass die Projektziele und Rahmenbedingungen tendenziell zu Beginn eines Projektes zu erfassen und zu vereinbaren sind. In der Realität ist das Vorgehen aber differenzierter. Der Zielsetzungsprozess und das entsprechende Engagement der Stakeholder begleiten ein Projekt über seine gesamte Laufzeit. Beispielsweise werden die Ziele und Rahmenbedingungen für die Inbetriebnahme eines Systems oder einer Anlage zu Projektbeginn wohl kaum im Einzelnen festgelegt. Das Projektmanagement muss jedoch darauf achten, dass sich aus diesen später festgelegten Zielen nicht ein unkontrollierter Freiraum für sich ändernde Projektziele und entsprechende Änderungen auftut. 2.2฀ Gewichtung฀der฀Projektziele Zusätzlich zur Erfassung der Zielgrößen (Zielparameter) sind für die Bewertung von Lösungsvorschlägen die Gewichte der Zielgrößen und die Bewertung von Abweichungen von den vereinbarten Zielwerten nötig. Für das elementare Konzept in Abb. 4 kann zum Beispiel folgende Gewichtung festgelegt werden: ❏฀ Leistungen (Deliverables): 45 % (dabei sind viele einzelne Leistungen und ihre Gebrauchstauglichkeit wichtig); ❏฀ Termine (Time Schedule): 20 % (dabei steht in der Regel das Projektende im Vordergrund, es können aber auch Zwischentermine wie Phasenenden sehr wichtig sein); ❏฀ Kosten (Investment Cost): 35 % (dabei sind die Gesamtkosten, aber auch die Teilbeträge und die Verlässlichkeit der Kostenprognosen wichtig). Die Gewichtung kann bei einem anderen Projekt ganz anders sein. In Abb. 9 ist die Qualitätsvorgabe für die Auswahl eines Unternehmers für die Bauausführung dargestellt. Gebrauchstauglichkeit Sozialverträglichkeit Sicherheit Umweltverträglichkeit Nachhaltigkeit Wirtschaftlichkeit Anzeige Abb.฀8: ฀Beispiel฀Qualitätskomponenten a)฀ Eignung ฀ Leistungsfähigkeit฀(Kapazität) ฀ Projektorganisation฀und฀Verfügbarkeit฀Schlüsselpersonen฀und฀-ausrüstungen ฀ Referenzen฀über฀vergleichbare฀Projekte ฀ Qualitätsmanagementsystem ฀ Zahlungsfähigkeit฀letzte฀Jahre b)฀ Bedingungen ฀ Alle฀Leistungen฀sind฀gut฀definiert฀und฀gleich฀für฀alle฀Anbieter c)฀ Zuschlagskriterien ฀ Qualität฀der฀Referenzen฀10฀% ฀ Auftragsanalyse,฀Ressourcen฀und฀Termineinhaltung฀20฀% ฀ Angebotspreis฀70฀% Abb.฀9: ฀Beispiel฀Qualität฀Bauunternehmer projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 30฀฀ WISSEN Mit einer Vorauswahl auf Grund von Eignungskriterien und durch detailliert definierte Leistungen ist der Spielraum für die Endauswahl schon stark eingeschränkt. Für die verbleibenden Anbieter bekam der Angebotspreis mit 70 % ein sehr hohes Gewicht. Andererseits standen bei der Auswahl eines Projektierungsteams für ein Vorprojekt (Abb. 10) die Planungs- und Realisierungskompetenz im Vordergrund, während der Abgabetermin und die Vergütung nicht in die Bewertung eingingen, weil sie für alle Bewerber gleich vorgegeben wurden. Für die Bewertung der eingereichten Vorprojekte wurde eine ausgewogene Qualitätsvorgabe gewählt. Als auf die Kosten bezogener Qualitätsparameter zählen nicht die Investitionskosten, sondern die Wirtschaftlichkeit während der Nutzung. Man könnte argumentieren, dass die Gewichtung nicht interessant sei, weil schlicht die Projektziele (die vereinbarten Werte für die Qualitätsparameter) sowie die Rahmenbedingungen einzuhalten seien. Die Gewichtung ist jedoch für das Management der Projektqualität aus zwei Gründen erforderlich: ❏฀ Das Projektmanagement hat begrenzte Mittel; es kommt darauf an, wo die Aufmerksamkeit und Ressourcen eingesetzt werden, um die Risiken zu reduzieren, die Chancen wahrzunehmen und Abweichungen zu korrigieren. ❏฀ Es gibt immer Optimierungsmöglichkeiten; das Projektmanagement sollte dem Kunden und dem Projektteam sagen können, wie es solche Varianten aus Gesamtprojektsicht beurteilen würde. An Stelle von bzw. zusätzlich zu Gewichtungen können Zielkategorien eingeführt werden (zum Beispiel nach Priorität: fixe, verhandelbare und gewünschte Ziele sowie Ziele, bei denen es schön wäre, wenn sie erfüllt würden [nice to have]). Eine andere Klassifikation könnte nach der Bedeutung erfolgen: sehr wichtige, wichtige und weniger wichtige Ziele. Eine allgemeine, summarische Definition und Verwendung der Projektziele und Rahmenbedingungen ist für das Management der Projektqualität nicht genügend. Das Versagen einer kleinen, aber wichtigen Komponente (z. B. des Mikrofons in einem Vortragssaal) kann die Gesamtqualität und den guten Ruf des Projekts und des Projektmanagements „übermäßig“ in Frage stellen oder schädigen. Wenn das Risiko genügend groß ist, kommt wieder das klassische Vorgehen zum Zug. Die Anforderungen des Kunden und die Projektziele und Rahmenbedingungen für die kleine, aber wichtige Komponente werden erfasst, vereinbart und zu erreichen versucht. 2.3฀ Formalisierung In der Regel dienen Zielhierarchien mit gewichteten Zielen als Grundlage für die Projektbewertung. Zusammen mit den zu kontrollierenden Rahmenbedingungen ergibt sich eine Auswertungstabelle gemäß Abb. 11. Die Nutzwertanalyse [7] ist die bekannteste und allgemeinste Grundlage für das Management der Projektqualität. Sie hat den Vorteil, dass alle Kriterien (Zielkomponenten) grundsätzlich gleich behandelt werden und die Gesamtqualität in normalisierter Form (z. B. Summe aller Gewichte = 100 %) dargestellt wird. Wichtig ist, dass die Ziele vorerst relativ spontan mit Kreativitätsmethoden erfasst, nachher aber auf Logik, Lücken, Widersprüche und Mehrfachzählungen geprüft werden. Eine mögliche Weiterentwicklung dieser Vorgehensweise wäre eine „Balanced Scorecard für Projekte“. Dabei werden auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Zielen sowie die Beziehungen zwischen den Zielen und den Rahmenbedingungen berücksichtigt. a)฀ Kriterien฀für฀Projektierungsteams ฀ Ausgewiesene฀Kompetenzen฀in฀städtebaulichen฀Planungen฀40฀% ฀ Leistungsausweis฀in฀der฀Realisierung฀von฀ähnlichen฀Projekten฀45฀% ฀ Organisation฀und฀Leistungsfähigkeit฀des฀Planungsteams฀15฀% b)฀ Bedingungen ฀ Max.฀6฀Teams ฀ Fixe฀pauschale฀Vergütung฀pro฀Team ฀ Fixer฀Abgabetermin c)฀ Qualitätskriterien฀für฀Vorprojekte ฀ Städtebau฀und฀Architektur฀25฀% ฀ Nutzung฀25฀% ฀ Verkehr฀und฀Erschließung฀10฀% ฀ Nachhaltigkeit฀10฀% ฀ Wirtschaftlichkeit฀30฀% Abb.฀11: ฀Auswertungstabelle Nr.฀ Projektziele฀und฀Bewertungsmethoden Gewichtung Wert (Struktur) TOTAL 100฀% (Summe) Nr. Rahmenbedingungen฀und฀Bewertungsmethoden Bedeutung Kommentare (Struktur) Abb.฀10: ฀Beispiel฀Qualität฀Vorprojekt aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 31฀฀ Eine dritte Möglichkeit der Formalisierung ist die Erstellung eines speziellen Berichts über die Projektziele und Rahmenbedingungen, der in der Regel in einer frühen Projektphase bzw. im Zuge der Formulierung des Projektauftrages gemeinsam erstellt wird. Die Projektanforderungen, Projektziele und Rahmenbedingungen können auch durch ein Paket von Hauptdokumenten für das Projektmanagement definiert werden. Zu diesem Paket gehören z. B. Vorgaben aus der Sicht von Systemnutzung und -unterhalt, Beschreibungen der zu erbringenden Leistungen, ein Basisterminplan und ein strukturiertes Kostenbudget sowie eine Risikoanalyse. Diese Unterlagen bilden dann den Maßstab für das Erreichen der Projektziele. Auch eine Feasibility Study, in der die Machbarkeit und Wünschbarkeit des Projektes durch eine unabhängige Stelle geprüft und nachgewiesen wurden, kann als Basis für das Management der Projektqualität benützt werden. Allerdings muss ein solcher Bericht zu diesem Zweck zielorientiert und systematisch aufgebaut sein. Schließlich können Projektziele und Rahmenbedingungen ein entsprechend systematisch aufgebautes Kapitel (bzw. eine Anlage) im Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Projektmanagement bzw. zwischen einem Gesamtleistungserbringer und einem Subunternehmer sein. Projekte werden nicht immer einzeln und unabhängig voneinander bewertet. Beim Management eines Projektportfolios wird eine größere Menge miteinander konkurrierender Projekte priorisiert und gesteuert. Der systematische Aufbau und das durchgehende Erfassen und Nachführen der Projektziele und Rahmenbedingungen sind für das Management by Projects ❏฀ nötig für eine angemessene Vergleichbarkeit, ❏฀ vorteilhaft für die Erfahrungsbildung und Effizienz. Folgende weitere Qualitätskriterien werden zu diesen Zwecken bei den Projektzielen und Rahmenbedingungen einbezogen: ❏฀ strategische Bedeutung der Projekte für das Unternehmen, ❏฀ Abstimmung auf andere Projekte, ❏฀ Einbezug von unternehmensweit verwendeten Standards und Benchmarks, ❏฀ Interessen der ständigen Organisationseinheiten (Fach-/ Linienbereiche). Allgemein sind die Definition und die Nachführung der Projektziele und Rahmenbedingungen eine zentrale, wenn nicht die wichtigste Aktivität beim Management von Projekten. Dabei kommt man nicht an einer konsequenten, differenzierten Gesamtqualität mit sämtlichen Zielgrößen vorbei. Speziell auf Seiten des Kunden und der Gesamtprojektleitung wurden die Planung und Steuerung der Leistungen (Deliverables) im Vergleich zur Planung und Steuerung der Termine und Kosten lange vernachlässigt. Bei den Anforderungen des Auftraggebers an die Leistungen auf jeder Ebene bzw. bei jedem Glied der Leistungskette (Produktkette) und bei der Umsetzung dieser Anforderungen sowie bei der Auswahl der Projektbeteiligten liegt in der Regel das größte Optimierungspotenzial für die Projektarbeit. Deshalb hat das Management der Anforderungen von der Umsetzung unklarer Kundenerwartungen über die Begründung von inhaltlichen Lösungsvorschlägen bis zur konsequenten Steuerung und Abnahme bestellter Leistungen in letzter Zeit im Projektmanagement eine zentrale Bedeutung erhalten. Die mangelnde bzw. ungenügende Erarbeitung, Handhabung und Nachführung der Projektziele und Rahmenbedingungen ist immer noch der Hauptgrund für eine ungenügende Projektqualität und für Projekt-Misserfolge. Deshalb hat das entsprechende Kapitel im Projektmanagement-Fachmann [5] eine sehr hohe Bedeutung. 3฀ Denken฀in฀Systemen Im vorhergehenden Abschnitt stand das Definieren und Vereinbaren der Projektqualität im Vordergrund. Die Projektqualität wird jedoch erst verwirklicht, wenn die betreffenden Eigenschaften in den Systemen [6], die mit dem Projekt erstellt (Neubau), erneuert (Unterhalt) oder verändert (Umbau) werden, wirklich vorhanden sind. Für die Erzeugung der Projektqualität sind dabei folgende Voraussetzungen notwendig: ❏฀ das Definieren der Projektqualität mit den Stakeholdern, ❏฀ die Qualitätssicherung durch das Projektmanagement, ❏฀ und vor allem die Kompetenz und Motivation der Projektbeteiligten, die vereinbarte Projektqualität zu realisieren. Wie kann das Projektmanagement die knappen Ressourcen zu Gunsten der Erfüllung der Projektziele optimal einsetzen? Die Fähigkeit, in Systemen zu denken, ist eine projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 32฀฀ WISSEN der wichtigsten Kompetenzen von Projektmanagern. Mit dieser Kompetenz können sie ❏฀ die Eigenschaften und die Qualität für jeden Bereich, jedes Teilsystem und jede Komponente zusammen mit den Stakeholdern und den betreffenden Fachleuten festlegen, ❏฀ den Stand der Bearbeitung und die Entscheidung für jeden Bereich, jedes Teilsystem und jede Komponente erfassen, ❏฀ die Aufgaben, Ressourcen und Verantwortungen (einschließlich derjenigen des Kunden und des Projektmanagements) vor allem in jene Bereiche, jene Teilsysteme und jene Komponenten leiten, bei denen die höchste Priorität für die Weiterbearbeitung aus Sicht der Projektqualität besteht. Dabei muss das Projektmanagement beachten, dass Systeme (Organisationen, Bauten, IT-Anwendungen, Produkte, Gesetze etc.) in der Regel eine deutlich längere Lebensdauer haben als die Projekte zu ihrer Erstellung. Die in Systeme investierten Mittel sollen in der Regel während der mehrjährigen Nutzung auch mehr als einmal zurückfließen. Der Zusammenhang zwischen Unternehmensstrategie, System-, Projekt- und Nutzungsmanagement ist in Abb. 12 dargestellt. Die über Projekte erstellten bzw. veränderten Systeme sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Nutzung. Um die betreffenden Erwartungen erfüllen zu können, muss das Projektmanagement den Business Plan, der dem Projekt zu Grunde liegt, verstehen. Das Verständnis für die Geschäftsziele ermöglicht es dem Projektmanagement, die Erwartungen der Stakeholder zu erfüllen. Systeme, mit denen das Projektmanagement zu tun hat, sind in der Regel offene, dynamische Systeme. Die klassische Gliederung eines offenen Systems ist in Abb. 13 dargestellt. Verschiedene natürliche und konstruierte, physische und abstrakte Systeme (z. B. ein Wald, eine Gruppe von Personen, ein Gebäude, ein ökologischer Bereich, ein Mobiltelefon, ein Flugzeug, eine Dokumentation, eine Datenbank, ein Management-Cockpit) werden in Projekten unter Leitung des Projektmanagements analysiert, entworfen, erstellt, verändert und eventuell entsorgt. Systeme sind in zweierlei Hinsicht dynamisch: ❏฀ Während der Nutzung produzieren sie Output aus Inputs (über Prozesse, Durchlaufzeiten etc.). ❏฀ Ihre Ziele, Grenzen, Strukturen und Eigenschaften können durch Projekte geändert werden. Die gesteuerte Änderung von Systemen ist in Abb. 14 dargestellt. Alle Aktivitäten, die durch das Projektmanagement geleitet werden, laufen nach diesem Prinzip der Veränderung von Systemen ab. Das Projektmanagement hat es mit folgenden hauptsächlichen Systemarten zu tun: ❏฀ dem bereits erwähnten System, das mit dem Projekt neu erzeugt oder verändert werden soll (z. B. eine Organisation, die entwickelt werden soll; die Produkte und Märkte eines Unternehmens, die verändert werden sollen; ein IT-System, das auf einen neuen Stand gebracht werden soll; eine bauliche Anlage, die neu errichtet werden soll; ein Gesetz, das an Stelle von mehreren veralteten Gesetzen neu geschaffen werden soll); ❏฀ den Projektdokumenten, die (mit im Projektablauf steigender Detaillierung und Präzision) zeigen, wie das Lebenszyklusmanagement für dieses System Projekt für neues System Nutzung (kein Projekt) Projekt für Unterhalt Projekt für Umbau Projekt für Rückbau Betrieb und Überwachung des Systems Systemmanagement der Stammorganisation Strategisches Management der Stammorganisation Abb.฀12: ฀Lebenszyklus฀von฀Systemen Umfeld Beziehungen Umfeldelement Schnittstelle System System im Umfeld Systemgrenze Element Abb.฀13: ฀Systemgliederung Management (nächste Ebene) Ausführung (Leistungen, Termine, Kosten) Definition des Auftrages Kontrolle der Ergebnisse Aktivität Zustand S1 Wert V1 Zeit T1 Zustand S2 Wert V2 Zeit T2 Abb.฀14: ฀Veränderung฀von฀Systemen aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 33฀฀ angestrebte System aussehen soll, und somit eine vorauserstellte Abbildung des erzeugten bzw. veränderten Systems sind; ❏฀ der Projektorganisation (dem produzierenden System), die das neue bzw. veränderte System plant, erzeugt bzw. übernimmt und verändert und (wieder) an die Stammorganisation zur Nutzung übergibt. Das Projektmanagement sorgt dafür, dass die Qualität dieser Systeme auf differenzierte und koordinierte (integrierte) Weise definiert, gesteuert und realisiert wird. 4฀ Qualitätsmanagement-Prozesse In der IPMA Competence Baseline (ICB, [4]) haben mehrere Elemente, Prozesse und Aspekte mit dem Qualitätsmanagement zu tun. Wir konzentrieren uns hier auf den eigentlichen Qualitätsmanagement-Prozess. Eine entsprechende Übersicht [2] ist in Abb. 15 dargestellt. Aus dieser Abbildung sind zwei Hauptprozesse ersichtlich: Management der Projektqualität auf der Kundenseite: ❏฀ Erfassen (und Nachführen) der Projektziele, Rahmenbedingungen und Anforderungen des Kunden, ❏฀ Analysieren und Evaluieren (und Anpassen) der Projektrisiken und -chancen, ❏฀ Erstellen (und Ändern) des Qualitätsmanagementplans des Kunden, ❏฀ Vereinbaren (und Anpassen) der Qualitätsmanagement-Vereinbarung mit den Auftragnehmern, ❏฀ Durchführen der Qualitätskontrollen auf der Kundenseite, ❏฀ Verarbeiten der Feedbacks aus der Qualitätskontrolle und -steuerung. Management der Projektqualität auf der Auftragnehmerseite: ❏฀ Analysieren und Evaluieren (und Anpassen) des Angebotes und der Projektziele und Rahmenbedingungen des Auftragnehmers, ❏฀ Vereinbaren (und Anpassen) der Qualitätsmanagement-Vereinbarung mit dem Kunden, ❏฀ Erstellen (und Ändern) des Qualitätsmanagementplans des Auftragnehmers, ❏฀ Durchführen der Qualitätskontrollen des Auftragnehmers, ❏฀ Verarbeiten der Feedbacks aus der Qualitätskontrolle und -steuerung. Der Teilprozess „Analysieren und Evaluieren (und Anpassen) der Projektrisiken und -chancen“ dient dazu, dass das Management der Projektqualität auf die Bereiche, Teilsysteme und Komponenten mit den größten Risiken und Chancen konzentriert werden kann (QM- Schwerpunkte). Der Teilprozess „Erstellen (und Ändern) eines Qualitätsmanagementplans“ kann in folgende Schritte aufgeteilt werden: ❏฀ relevante Risiken und Chancen inklusive deren Auswirkungen auf die Projektziele und Rahmenbedingungen analysieren, ❏฀ Eigenschaften und Werte sowie Messbzw. Beurteilungsmethoden für das Qualitätsmanagement erfassen, ❏฀ vorbeugende Maßnahmen festlegen (z. B. Reviews), ❏฀ Maßnahmen für den Fall von kritischen Abweichungen planen, ❏฀ Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zuweisen. Der Teilprozess „Verarbeiten der Feedbacks aus der Qualitätskontrolle und -steuerung“ ist in Abb. 16 als Prinzip dargestellt. Eine typische Qualitätssteuerungssituation wird in Abb. 17 gezeigt. Kundenziele, Rahmenbedingungen, Anforderungen Analyse und Evaluation von Risiken und Chancen Qualitätsmanagementplan des Kunden Qualitätsvereinbarung Qualitätskontrolle des Kunden Angebotsanalyse Qualitätsmanagementplan des Auftragnehmers Qualitätskontrolle des Auftragnehmers Kundenziele, Rahmenbedingungen, Anforderungen Analyse und Evaluation von Risiken und Chancen Qualitätsmanagementplan des Kunden Qualitätsvereinbarung Qualitätskontrolle des Kunden Angebotsanalyse Qualitätsmanagementplan des Auftragnehmers Qualitätskontrolle des Auftragnehmers Feedbacks Abb.฀15: ฀Prozesse฀für฀das฀Management฀der฀Projektqualität projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5 aktuell 34฀฀ WISSEN Das Konzept für die Qualitätsmanagement-Prozesse kann über mehrere Glieder einer Produktkette ausgedehnt werden, zum Beispiel ❏฀ Qualitätsmanagement für das Mandat des Projektmanagements, ❏฀ Qualitätsmanagement für das Mandat eines Dienstleisters, ❏฀ Qualitätsmanagement für den Vertrag eines Sachleisters, ❏฀ Qualitätsmanagement für einen Subunternehmervertrag. 5฀ Schlussbemerkung Das Management der Projektqualität ist keine Generalistentätigkeit (die von allem wenig weiß), sondern eine Spezialistenaufgabe, die Projektmanagementfunktionen mit bestimmten Inhalten, Methoden, Ressourcen und Qualitätskriterien wahrnimmt. Grundlagen für das Management der gesamthaften Projektqualität sind vor allem ❏฀ ein differenziertes, fein abgestimmtes, konkretes System von Projektzielen und Rahmenbedingungen, ❏฀ das Denken in Systemen und ❏฀ die Qualitätsmanagement-Prozesse. ■ Literatur [1]฀Schoper,฀Y.: ฀Interkulturelle฀Unterschiede฀in฀der฀Qualitätsauffassung.฀Tagungsband฀zum฀GPM-Forum฀2004,฀Nürnberg฀2004,฀Seite฀115-124 [2]฀Schweizerischer฀Ingenieur-฀und฀Architektenverein: ฀SIA฀ Merkblatt฀2007.฀Zürich,฀Ausgabe฀2001 [3]฀Quality฀Management฀Systems,฀Standard฀ISO฀9000: 2000 [4]฀IPMA฀Competence฀Baseline฀(ICB).฀Version฀2.0b,฀Bremen฀ 1999 [5]฀GPM/ RKW฀(Hrsg.): ฀Projektmanagement-Fachmann.฀ Kapitel฀1.6฀Projektziele,฀4.฀Auflage,฀Eschborn฀1998 [6]฀Knöpfel,฀H.: ฀Culture฀through฀project฀management฀-฀project฀management฀culture,฀handbook฀of฀the฀management฀by฀ projects.฀P.฀141,฀Vienna฀1990 [7]฀Zangemeister,฀Ch.: ฀Nutzwertanalyse฀in฀der฀Systemtechnik.฀München฀1971 Schlagwörter Denken฀in฀Systemen,฀Projektqualität,฀Projektziele,฀Qualitätsmanagement,฀Qualitätssteuerung Autor Hans฀Knöpfel,฀Dr.฀sc.฀techn.,฀Dipl.-Ing.฀ ETH.฀Mitglied฀der฀Geschäftsleitung฀ der฀Firma฀Rosenthaler฀+฀Partner฀AG,฀ Management฀und฀Informatik.฀Entwicklung฀eines฀systematischen฀Projektmanagements.฀Visiting฀Associate฀ Professor.฀Interimistische฀Leitung฀ der฀Lehre฀und฀Forschung฀im฀Bereich฀ Bauplanung฀am฀Institut฀für฀Bauplanung฀und฀Baubetrieb฀der฀ ETH฀Zürich.฀Projektleitung,฀Beratung฀und฀Controlling฀von฀ Projekten฀in฀der฀Praxis.฀Diplomausbildung฀und฀Weiterbildung.฀Autor฀von฀über฀fünfzig฀Publikationen฀auf฀Deutsch฀und฀ Englisch.฀Leitende฀Arbeit฀in฀nationalen฀und฀internationalen฀ Fachorganisationen.฀Urassessor฀und฀Validator฀für฀das฀ universelle฀Vier-Ebenen-Zertifizierungssystem฀(4-L-C)฀der฀ IPMA. Anschrift Rosenthaler฀+฀Partner฀AG Management฀und฀Informatik Baumackerstrasse฀24 CH-8050฀Zürich E-Mail: ฀Kn@rpag.ch Anforderungen (Ziele, Rahmenbedingungen) Überwachung (Zustand) Ergebnisse (Zufriedenheit der Stakeholder) Vergleich I NPUT S OU P UTS T Korrekturmaßnahmen (Feedback) Realität (Ist) Abb.฀16: ฀Prozess฀zur฀Steuerung฀der฀Projektqualität Steuerung Zielgröße Zielwert Prognose Zeit Planwert Ist-Wert geplant (neu) geplant (bisher) Bezugsdatum Ziel-Zwischenwert Abb.฀17: ฀Typische฀Situation฀der฀Qualitätssteuerung aktuell projekt฀ M A N A G E M E NT ฀ 3/ 20 0 5