PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2006
171
Gesellschaft für ProjektmanagementProjektmanagement-Normung in Deutschland
31
2006
Gernot Waschek
Die deutsche Projektmanagement-Normung begann 1965 und ist auch heute noch nicht abgeschlossen. Der Beitrag schildert ihre Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart und die Rolle der GPM.
pm1710037
37 1 Ausgangslage Vor über vierzig Jahren - also Anfang der Sechziger - kam das Projektmanagement in Form der Netzplantechnik (NPT) über den großen Teich auch zu uns herüber. Die damals gängigen Verfahren waren die Critical Path Method (CPM) und die Program Evaluation and Review Technique (PERT). Die zugrunde liegende Methode des Ersteren waren Vorgangspfeil-Netzpläne (VPN), bei dem Letzteren Ereignisknoten-Netzpläne (EKN). Besondere Merkmale dieser beiden Verfahren war bei CPM eine Kostenoptimierung durch eine systematische Art der Verkürzung von Vorgangs- und Projektdauer, bei PERT eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung von Zeitabständen und Projektdauer. Unter den deutschen NPT-Fachleuten herrschte anfangs eine große Begriffsverwirrung. Fast jeder deutsche Verfasser oder Übersetzer amerikanischer Originalliteratur hatte offenbar den Ehrgeiz, andere Benennungen für Vorgänge, Zeitpunkte, Pufferzeiten usw. zu erfinden, oder verwendete einfachheitshalber gleich die amerikanischen Bezeichnungen. Vorgangspfeil-Netzpläne wurden oft fälschlich als „PERT-Plan“ oder „PERT-Netzplan“ bezeichnet (und umgekehrt). Auch sprachen Anwender, die ihre Vorgangspfeil-Netzpläne ohne die bei CPM dazugehörige Kostenoptimierung benutzten, manchmal von „CPM-Netzplänen“, obwohl Vorgangspfeil-Netzplan richtig gewesen wäre. Als mit der in Frankreich entstandenen Metra-Potential-Methode (MPM) und dem amerikanischen Project Control System (PCS) auch noch die ersten Vorgangsknoten-Netzpläne (VKN) auftauchten, verschlimmerte sich diese Verwirrung noch. Auch die EDV-Hersteller, deren NPT-Programme in der amerikanischen Originalversion oder in deutscher Übersetzung (mit den oben genannten Problemen! ) angeboten wurden, trugen zum Chaos bei. Noch heute wird für „Vorgang“ oft die Benennung „Activity“ oder „Aktivität“ verwendet. 2 StrebennachVereinheitlichung 1964 gründeten NPT-Fachleute zum Erfahrungsaustausch im Arbeitskreis Operational Research (AKOR) die „Arbeitsgruppe Netzplantechnik“. 1965 fanden sich dort einige Interessenten zusammen, die sich zunächst als Arbeitsausschuss und später als eigenständige „Arbeitsgruppe Vereinheitlichung der Bezeichnungen in der Netzplantechnik“ mit dem Begriffsproblem befassten, weil sie das Chaos nicht länger hinnehmen wollten. Nachdem zwei Jahre später die ersten Listen mit Definitionen auf dem Tisch lagen, beschloss man, gleich Nägel mit Köpfen zu machen. Man wandte sich an das DIN, das damals noch DNA, also Deutscher Normenausschuss hieß, und schlug eine Begriffsnorm für Netzplantechnik vor. Nach der Zustimmung wurde 1967 die oben genannte AKOR-Arbeitsgruppe in Personalunion auch zum „Ausschuss für Netzplantechnik im DNA“. Da unsere deutschsprachigen Nachbarn Österreich und Schweiz sich ebenfalls für dieses Thema interessierten, arbeiteten Vertreter dieser beiden Länder direkt im deutschen Normenausschuss mit. Sogar zur damaligen DDR bestanden Kontakte. FastjederAutoroderÜbersetzerhatteden Ehrgeiz,andereBenennungenzuerfinden 1970 erschien das Normblatt DIN 69900 „Netzplantechnik, Begriffe“. Weil damals die meisten Netzpläne noch von Hand gezeichnet wurden (meist am Reißbrett), brachte der Normenausschuss 1974 als weitere Hilfestellung für den Anwender das Normblatt DIN 69900 Teil 2 „Netzplantechnik, Darstellungstechnik“ heraus. Gleichzeitig wurde nun die vorher entwickelte Begriffsnorm in DIN 69900 Teil 1 umbenannt. Inzwischen war als Sammelbegriff für Projektplanung und -steuerung sowie dazugehörige Gebiete die Benennung „Projektmanagement“ aufgekommen, wobei die Netzplantechnik nur eine von mehreren Möglichkeiten der Terminplanung war. Also nahm der Normenausschuss aus der DIN 69900 Teil 1 diejenigen Begriffe heraus, die nicht unmittelbar zur Netzplantechnik gehörten, ergänzte sie um weitere Begriffe und veröffentlichte sie 1980 als DIN 69901 „Projektmanagement, Begriffe“. Als Obertitel für die drei nun vorhandenen Normblätter wurde „Projektwirtschaft“ gewählt. Jetzt gab es noch zwei Bereiche, die mit einigen wenigen Begriffen in diese neue Norm gewandert waren, Projektmanagement-Normung inDeutschland Wieallesbegann-undwowirheutesind GernotWaschek DiedeutscheProjektmanagement-Normungbegann1965undistauchheutenochnicht abgeschlossen.DerBeitragschildertihreEntwicklungvondenAnfängenbiszurGegenwartunddieRollederGPM. projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd37 20.12.200517: 10: 31Uhr 38 WISSEN aber eine ausführlichere Darstellung verdienten: die Kosten- und die Einsatzmittelplanung. Dafür entwickelte man mit entsprechenden Ergänzungen die Normen DIN 69902 „Einsatzmittel“ und DIN 69903 „Kosten und Leistung, Finanzmittel“. Weil nun die dazu verwendeten Begriffe aus DIN 69901 entfernt werden mussten, wurden auch DIN 69900 Teil 1 und Teil 2 überarbeitet und alle fünf aufeinander abgestimmten Normblätter 1987 gleichzeitig herausgebracht. Damit konnte die Hauptarbeit der deutschen Projektmanagement-Normung als abgeschlossen betrachtet werden. Es gab dann aber später doch noch zwei Ergänzungen (mit unveränderter Beibehaltung von DIN 69900 bis 69903): 1990 die Norm DIN 69905 „Projektabwicklung, Begriffe“, die 1997 noch einmal wesentlich erweitert wurde, und 2000 die Norm DIN 69904 „Projektmanagementsysteme, Elemente und Strukturen“ (Abb. 1). 3 OrganisatorischeEntwicklung Daneben ereigneten sich auch wichtige organisatorische Veränderungen: Beim DIN war aus dem „Ausschuss für Netzplantechnik“ (AfN) in den Siebzigerjahren der „Ausschuss für Netzplantechnik und Projektmanagement“ (ANPM) geworden, wobei aus historischen Gründen die Netzplantechnik im Titel beibehalten wurde. 1994 wurde bei einer Rationalisierungswelle in der DIN-Organisation der ANPM dem „Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen“ (NQSZ) zugeschlagen. Der Wunsch, in dessen Titel auch das Wörtchen „Projektmanagement“ mit aufzunehmen, wurde wegen Überlänge abgelehnt. Aber in der neuen Bezeichnung des ehemaligen ANPM blieb es natürlich erhalten. Er wird seit der Neuzuordnung als „Arbeitsausschuss Netzplantechnik und Projektmanagement“ (NQSZ-4) geführt. Mit der GPM wurde seit ihrer Gründung 1979 immer enger Kontakt gehalten. Die Mehrzahl der Ausschussmitarbeiter und der Obmann waren ohnehin GPM-Mitglieder. Die Verbindung wurde noch enger, nachdem sich der Normenausschuss vom AKOR (inzwischen DGOR Deutsche Gesellschaft für Operations Research) gelöst hatte. Die GPM sorgte auch ständig für die Verbreitung der Normanwendung, indem sie unter anderem den Verfassern des Handbuchs „Projektmanagement Fachmann“, Trainern und Referenten die genormten Benennungen und Definitionen empfahl. Zur stärkeren Unterstützung der Normung schon während der Entwicklung wurde Jahre 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 _______________________________________________________________________________________________ DIN 69900-1 E------------Ü-------------------Ü----------------------Ü-------------------------------------------------- Netzplantechnik DIN 69900-2 E------------------Ü----------------------Ü--------------------------------------------------- Netzplantechnik DIN 69901 E----------------------Ü--------------------------------------------------- Projektmanagement DIN 69902 E--------------------------------------------------- Einsatzmittel DIN 69903 E--------------------------------------------------- Kosten und Leistung, Finanzmittel DIN 69904 E--- Projektmanagementsysteme DIN 69905 E-----------------------Ü--------------- Projektabwicklung Legende: E = erste Ausgabe Ü = überarbeitete Ausgabe Abb.1: ErscheinungsjahrederNormblätter DIN Präsidium GPM Gesamtvorstand Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statitstik und Zertifizierungsgrundlagen NQSZ Arbeitsausschuss Zertifizierungsgrundlagen NQSZ-3 Arbeitsausschuss Netzplantechnik und Projektmanagement NQSZ-4 Arbeitsausschuss Qualitätsmanagement NQSZ-1 Arbeitsausschuss Statistik NQSZ-2 Vorstand Projektmanagement- F & E und Facharbeit Weitere Fachgruppen Fachgruppe Projektmanagement- Normung Abb.2: EinbettungderPM-NormungindieDIN-undGPM- Organisation aktuell projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 PM_1_06.indd38 20.12.200517: 10: 32Uhr 39 eine eigene Fachgruppe „Projektmanagement- Normung“ eingerichtet (Abb. 2). Diese GPM-Fachgruppe arbeitet seit kurzem an einer Neustrukturierung der bisher sieben Normblätter. Das Ergebnis wird dann an das DIN zur Veröffentlichung als DIN 69901 „Projektmanagementsysteme“ eingereicht werden und aus voraussichtlich fünf Teilen bestehen. Der Ersatz des Titels „Projektmanagement“ durch „Projektmanagementsysteme“ geschieht analog zur Namensänderung bei den Normen der Familie ISO 9000, wo aus dem früheren Titel „Qualitätsmanagement“ inzwischen ebenfalls „Qualitätsmanagementsysteme“ wurden. Auch bei dieser Überarbeitung ist der übliche Ablauf für Normungsprojekte einzuhalten (Abb. 3). 4 HeutigerStand Bis zum Erscheinen der neuen Norm gelten aber weiterhin die sieben Normblätter DIN 69900-69905. Sie sind erst kürzlich unter dem Titel „DIN Normen im Projektmanagement“ in einer Sammelausgabe erschienen. Dort wurden folgende redaktionelle Beiträge vorangestellt: ❏ Gernot Waschek: Deutsche Normen im Projektmanagement ❏ Klaus J. Bechler: Kommunikation im Projekt ❏ Joachim C. Ohlig: Projektsprache und Projekterfolg ❏ Dr. Dietmar Lange: Projektcontrolling im Wandel ❏ Dr. Dieter Coy: Die Vereinfachung von Projektabwicklungen durch Modellierung der Projektabläufe auf der Basis der DIN 69904 ❏ Manfred Saynisch: Die Praxis des Konfigurationsmanagement Wer alle Projektmanagement-Normen besitzen möchte, die in Deutschland gültig sind, braucht als Ergänzung zu diesem Buch nur noch die ISO 10006 entweder als englischsprachige Original-Ausgabe „ISO 10006, Quality management systems - Guidelines for quality management in projects (2003)“ oder als deutsche Übersetzung „DIN-Fachbericht ISO 10006, Qualitätsmanagementsysteme - Leitfaden für Qualitätsmanagement in Projekten (2004)“. Beide Veröffentlichungen sind vom Beuth- Verlag, Berlin, zu beziehen. Der Preis für den DIN-Fachbericht beträgt 39,50 EUR, der Preis für die englischsprachige Ausgabe ist zu erfragen, liegt aber sicherlich höher. ISO 10006 ist zwar genau genommen keine Projektmanagement-, sondern als Bestandteil der Familie ISO 9000 eine Qualitätsmanagement-Norm. Aber wer ein Qualitätszertifikat nach ISO 9001 anstrebt, das auch Projektmanagement-Prozesse mit einschließt, sollte sich danach richten. Und auch für andere Projektmanagement-Anwender gilt: Der Leitfaden gibt handfeste Empfehlungen für qualitativ „gutes“ Projektmanagement - und wer möchte das nicht haben? ■ Schlagwörter DIN,ISO,Netzplantechnik,Normung,Projektmanagementsysteme Autor Dipl.-Ing.GernotWaschek, geb.1935; Einführungder Netzplantechnikbeider RobertBoschGmbH; dann beiderLufthansaAGin FrankfurtimEDV-Bereich: AufbaueinerStabsstelle fürTermineundKosten, ProjektleiterMIS,AbteilungsleiterSoftware- Entwicklung; danebenGründungsmitgliedund LeiterNormenausschuss„NPTundPM“imDIN, MitverfasserISO10006,GPM-Fachgruppenleiter „PM-Normung“,GPM-Fachgruppenleiter„PM- AssessmentsmitPMDELTA“,GPM-RegionalgruppenleiterFrankfurt. Anschrift ProjektmanagementberatungWaschek Westendstr.7a D-63322Rödermark Tel.: 06074/ 922323 Fax: 06074/ 922324 E-Mail: gernotwaschek@t-online.de So genannte „interessierte Kreise“ wenden sich an das DIN und schlagen eine neue Norm vor Ausschuss erarbeitet Manuskript für einen Normentwurf Druck und Veröffentlichung Normentwurf durch Beuth-Verlag Stellungnahmen zum Normentwurf durch Leser (gemäß Einspruchsfrist) Normenprüfstelle prüft erneut und stimmt bei Bedarf ab, DIN erstellt Druckvorlage Druck und Veröffentlichung der Endfassung durch Beuth-Verlag Manuskript wird von Normenprüfstelle inhaltlich (Abstimmungsbedarf mit anderen Ausschüssen? Überlappungen mit anderen Normen? ) und redaktionell (Einhaltung der DIN-Regeln) überprüft, Ergebnis mit Ausschuss abgestimmt, DIN erstellt Druckvorlage DIN prüft (nach Zustimmung), Thema zu einem vorhandenen Ausschuss passt oder eine Neugründung erforderlich ist Ausschuss überarbeitet Normentwurf unter Berücksichtigung der Stellungnahmen, erstellt Manuskript für Endfassung Abb.3: ProjektablaufbeiderNormung € 2��� projekt M A N A G E M E NT 1/ 20 0 6 aktuell PM_1_06.indd39 20.12.200517: 10: 35Uhr
