eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 17/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
61
2006
172 Gesellschaft für Projektmanagement

Erfolgsfaktor Projektteam

61
2006
Thomas Jurisch
Jessica von Zitzewitz
Erfolgreiche Teams machen Projekte erfolgreich! Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein gelungenes Projekt ist die richtige Zusammenstellung eines erfolgreichen Projektteams. Dieser Artikel betrachtet dazu die Situation eines großen IT-Projekts und setzt sich vor allem mit der Frage auseinander, wie die Rollen im Projektteam optimal zu besetzen und die geeigneten Kandidaten auszuwählen sind. Es wird ein Modell vorgestellt, das dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, die Auswahl der internen wie auch externen Teammitglieder sowie die Zusammenstellung des Projektteams aktiv zu beeinflussen.
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21 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell Erfolgsfaktor Projektteam Strukturierte Besetzung des Projektteams in komplexen IT-Projekten Thomas Jurisch, Jessica von Zitzewitz Erfolgreiche Teams machen Projekte erfolgreich! Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein gelungenes Projekt ist die richtige Zusammenstellung eines erfolgreichen Projektteams. Dieser Artikel betrachtet dazu die Situation eines großen IT-Projekts und setzt sich vor allem mit der Frage auseinander, wie die Rollen im Projektteam optimal zu besetzen und die geeigneten Kandidaten auszuwählen sind. Es wird ein Modell vorgestellt, das dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, die Auswahl der internen wie auch externen Teammitglieder sowie die Zusammenstellung des Projektteams aktiv zu beeinflussen. E rfolgreiche Teams machen Projekte erfolgreich! Dieser plakative Ausspruch hat durchaus seine Richtigkeit. Denn das Scheitern von Projekten, in diesem Falle von großen IT-Projekten, ist meist nicht das Resultat von Problemen mit Software und/ oder Technologie. Für Projektkrisen sind in erster Linie Projektorganisation, -prozesse und vor allem die Beteiligten, also das Projektteam, verantwortlich. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein gelungenes Projekt ist daher die Zusammenstellung eines erfolgreichen Projektteams. Die Kernfragen in diesem Zusammenhang sind: o฀ Welche Rollen im Projektteam fordert das Projekt? o฀ Welche Aufgaben und Ziele sind mit diesen Rollen verbunden? o฀ Wie besetze ich die Rollen optimal, und wie wähle ich die geeigneten Kandidaten aus? In diesem Artikel wollen wir uns mit diesen Kernfragen beschäftigen und am Beispiel eines Projekts zur unternehmensübergreifenden Einführung eines ERP-Systems (siehe Kasten) ein Modell vorstellen, das dem Auftraggeber in komplexen IT-Projekten erlaubt, aktiv Einfluss auf die Auswahl der internen wie auch externen Teammitglieder und die Zusammenstellung des Projektteams zu nehmen. Eigenheiten eines ERP-Projekts Ein komplexes IT-Projekt, wie die Einführung einer neuen ERP-Software, gehört für die meisten Unternehmen nicht zum Tagesgeschäft, sondern stellt eine außergewöhnliche und oft einmalige Herausforderung dar. Es ist ein Projekt, das die Abläufe im Unternehmen genau wie seine Zukunftsfähigkeit massiv beeinflusst. Es ist ein Vorhaben, das spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse, Erfahrung und methodisches Know-how erfordert. Im Regelfall wird es nicht vom Unternehmen alleine bewältigt, sondern mit Unterstützung durch den Anbieter der ausgewählten Software bzw. einen damit beauftragten Implementierungsdienstleister. Der Implementierer (oder das Systemhaus) hat die Aufgabe, die Software im Unternehmen einzuführen. Dabei übernimmt er in Zusammenarbeit mit dem internen Projektleiter das Projektmanagement und ist vor allem zuständig für Installation und Customizing der Software, die Erstellung von Individualprogrammierungen sowie je nach Betriebskonzept auch für den späteren Betrieb der Anwendung bzw. die Planung desselben. Er wirkt bei der Gestaltung der Geschäftsprozesse mit, denen die Software zugrunde liegt, und hat damit maßgeblichen Einfluss auf die spätere Arbeitsweise jedes Einzelnen im Unternehmen. Meistens werden jedoch die Personen, denen dieser Gestaltungsfreiraum anvertraut wird - nämlich das Projektteam des Implementierungspartners -, nicht vom auftraggebenden Unternehmen geprüft und ausgewählt, sondern der Vorschlag des Implementierungspartners wird unkritisch entgegengenommen. Kaum einer würde jemanden einstellen, den er vorher noch nie gesehen, geschweige denn gesprochen hat. Kaum einer würde wettbewerbsrelevante Fragen und unternehmenskritische Entscheidungen Personen anvertrauen, die er noch nie gesehen, geschweige denn gesprochen hat. Und doch geschieht dies immer wieder in großen IT-Projekten. Im Idealfall werden die Software-Lösung und der Implementierungspartner noch sorgfältig ausgewählt; die einzelnen IT-Fachberater werden keinem weiteren Auswahlverfahren unterzogen. Doch ein am Markt erfolgreicher Implementierer ist noch lange kein Garant für eine kompetente Beratermannschaft. Nicht ein großer Name des Beratungshauses, sondern der einzelne Berater entscheidet über den Erfolg! Unter „Enterprise Resource Planning“ versteht man die möglichst effiziente Planung der in einem Unternehmen vorhandenen Ressourcen (Personal, Kapital, Sachmittel …) für den betrieblichen Ablauf. ERP-Systeme unterstützen diesen Planungsprozess und bilden unter anderem weitgehend alle Geschäftsprozesse in einem Unternehmen ab. Im Allgemeinen werden ERP-Softwarelösungen im Rahmen eines relativ komplexen Projekts in Unternehmen eingeführt. Das Auftragsvolumen und die Teamgrößen solcher Projekte variieren je nach Anzahl und Tiefe der einzuführenden Funktionalitäten und Module sowie nach den individuellen Anforderungen des Unternehmens. ERP = Enterprise Resource Planning 22 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Teamzusammenstellung im Phasenverlauf Die logische Konsequenz kann nur sein: Der Auftraggeber muss im Rahmen seiner Möglichkeiten die Zusammensetzung des Projektteams - intern und extern - aktiv gestalten und dessen Leistungsfähigkeit stetig überwachen. Die Auswahl aller Teammitglieder sollte einem strukturierten Verfahren mit fünf wichtigen Phasen folgen: o฀ Phase 1: Auswahl des Implementierungspartners und Vertrag o฀ Phase 2: Profildefinitionen o฀ Phase 3: Internes Auswahlverfahren o฀ Phase 4: Assessment Center o฀ Phase 5: Team-Kick-off Die Teamzusammenstellung in ERP-Projekten sollte auf Seiten des Auftraggebers durch den designierten Projektleiter und den Projektsponsor in Abstimmung mit den jeweiligen Fachabteilungen und mit Unterstützung durch die Personalabteilung erfolgen. Zur fachlichen Unterstützung und zur professionellen Durchführung des fünfstufigen Verfahrens kann zusätzlich ein externer Managementberater hinzugezogen werden. Der Implementierungspartner wählt sein Projektteam zunächst selbständig aus. Teamzusammenstellung als kritischer Erfolgsfaktor Die Zusammenstellung des Teams ist eine eigenständige und bedeutende Aufgabe in der Projektvorbereitung. Die sorgfältige Auswahl der internen und externen Ressourcen für das Team stellt eine erste Maßnahme zur Risikominimierung dar und legt die Grundlage für effiziente Projektarbeit und die Erreichung des gewünschten Ziels. Phase 1: Auswahl des Projektpartners (Implementierer) und Vertrag (LOI) Ein strukturiertes Auswahlverfahren des Implementierungspartners und die Absicht, einen soliden Projektvertrag abzuschließen, sind Voraussetzung für das weitere Vorgehen. Die Zusammenstellung des Projektteams und die Konzeption und Verhandlung des Projektvertrags können von diesem Punkt an parallel bearbeitet werden. Der Auftraggeber muss den Wunsch nach späterer Einflussnahme auf die Auswahl der Fachberater frühzeitig äußern. Einfluss nehmen zu wollen auf die Zuteilung der Berater ist im IT-Projektgeschäft (noch) nicht selbstverständlich. Dem Softwarebzw. Implementierungspartner sollte die Möglichkeit gegeben werden, hierzu frühzeitig Stellung zu beziehen. Das Recht auf Einflussnahme und zur Durchführung eines Assessment Centers ist anschließend in den Verhandlungen vertraglich zu verankern. Der finale Vertragsabschluss darf jedoch noch nicht an dieser Stelle erfolgen! Stattdessen ist die gemeinsame Unterzeichnung eines Letter of Intent ausreichend, der finale Vertragsabschluss kommt erst nach dem Assessment Center zustande. Ersatzweise können auch entsprechende Rücktrittsklauseln in den Vertrag eingearbeitet werden. Sollte sich im Assessment Center herausstellen, dass die Verfügbarkeit ausreichender, qualifizierter Fachkräfte nur ein leeres Versprechen des Projektpartners bzw. Implementierers war, sollte die Auswahlentscheidung noch einmal sorgfältig überdacht werden. Phase 2: Definition der Anforderungsprofile Im nächsten Schritt werden die Anforderungsprofile für jede Rolle im konkreten Projekt definiert (Abb. 2). Das jeweilige Anforderungsprofil der Rolle beschreibt die Qualifikationen und Fähigkeiten, die zur Durchführung der jeweiligen Projektaufgabe beim potenziellen Kandidaten vorhanden sein müssen. Aus den Soll-Profilen werden Fragekataloge für den späteren Auswahlprozess erstellt. Die Anforderungen, die an die Kandidaten gestellt werden, basieren auf den in Abb. 3 gezeigten drei „Kompetenz-Schwerpunkten“. Fachkompetenz Fachkompetenz umfasst in diesem Zusammenhang fundierte Kenntnisse bezogen auf relevante Funktionen im Unternehmen, das jeweilige Anwendungsfeld der IT sowie IT-Kompetenz. Für die Gestaltung der Prozesse in der neuen Software- Lösung ist fachliches Know-how unerlässlich. Die eigenen Mitarbeiter der jeweiligen Fachabteilungen kennen am besten die unternehmensspezifischen Abläufe. Er- Abb. 1: Teamzusammenstellung für komplexe IT-Projekte im Phasenverlauf 23 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell folgskritisch bei der Einführung von integrierten ERP- Systemen ist vor allem auch eine starke Prozessorientierung. Dies ist eine besondere Herausforderung an die fachliche Kompetenz der Mitarbeiter. Übergreifendes Denken und Handeln integrativ über mehrere Einzelprozesse hinweg ist diesen oftmals noch fremd; sie sind funktionsorientiert ausgerichtet. Sind die Beschäftigten nicht sowieso aktiv an der Projektarbeit und der Gestaltung des neuen Systems beteiligt, werden sie zumindest als spätere Nutzer des Systems durch entsprechende Betreuung eingebunden. Die externen Fachberater sollten das einzuführende System genau kennen und die speziellen Anforderungen des Unternehmens (Branche, Größe, …) verstehen. Gemäß ihrer persönlichen Kernkompetenz werden sie in der Projektorganisation unterschiedlichen Abteilungen im Unternehmen zugeordnet. Reine Modulorientierung wird den Integrationsaspekten einer ERP-Software jedoch nur unzureichend gerecht. Aus diesem Grunde sollte bei den Beratern Wert auf tiefere Kenntnisse mindestens eines weiteren Moduls und ein übergreifendes Verständnis der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge in der gesamten Prozesskette gelegt werden. Methodenkompetenz Mit Methodenkompetenz ist die Beherrschung der gängigen Werkzeuge, Tools und Hilfsmittel des Projektmanagements gemeint. Unabhängige Projektmanagement- Zertifikate, wie zum Beispiel die PM-Zertifizierungen der GPM (Gesellschaft für Projektmanagement e. V.) sind ein verlässlicher Nachweis für die Beherrschung dieser spezifischen Fähigkeiten durch einen Kandidaten. Insbesondere die Projektleiter sowie stellvertretenden Projektleiter sollten dieses oder ein vergleichbares Know-how besitzen. Falls eine spezifische Einführungsmethodik/ -tool des implementierenden Beratungshauses zum Einsatz kommen wird, ist ein Nachweis des designierten externen Projektleiters darüber, dass er diese Methodik bzw. dieses Tool beherrscht, unbedingt erforderlich. Persönliche Kompetenz Darunter fallen Aspekte wie Teamfähigkeit, Kommunikationsvermögen, Umgang mit Krisen, Motivation und dergleichen. Auch Autorität, Entscheidungsgewalt und intern extern Projektsponsor - Lenkungsausschussmitglied Lenkungsausschussmitglied Projektleiter intern Projektleiter extern Stellvertreter PL intern Stellvertreter PL extern Process-Owner Fachberater Key-User Fachberater User - Abb. 2: Projektrollen intern und extern Fachkompetenz Methodenkompetenz Persönliche Kompetenz Abb. 3: Kompetenz-Schwerpunkte 24 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 Führungsqualifikation zählen dazu. Ein erfolgreiches Projekt braucht Mitarbeiter mit der Befugnis, sinnvolle Veränderungen auch gegen Widerstände durchzusetzen, und der Fähigkeit, Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen. Dabei ist zwischen Autorität qua Hierarchie und Autorität qua expliziter Ausstattung für die Projektlaufzeit zu unterscheiden. Vorsicht jedoch vor der „Eier legenden Wollmilchsau“! Dieser scherzhafte Begriff soll verdeutlichen, dass Anforderungskataloge gerne zu breit angelegt werden und sich nicht auf das Wesentliche beschränken - Anforderungsprofile nicht zu breit anlegen, sondern Prioritäten setzen! Selbstverständlich sind die Anforderungsprofile gemäß Projektrolle unterschiedlich. Phase 3: Teamzusammenstellung intern Im Idealfall kann aus einem größeren Pool an potenziellen Kandidaten gewählt werden. Nicht immer besteht jedoch für jede der intern zu vergebenden Projektstellen die Möglichkeit der Wahl. Oftmals steht das spätere interne Projektteam aufgrund von mangelnden Ressourcen oder anderen Rahmenbedingungen von vornherein fest. In diesem Fall werden die verfügbaren Mitarbeiter auf die Rollen im Projekt verteilt und das „Auswahlverfahren“ dient nur noch dazu, das Delta zwischen Anforderungsprofil der einzelnen Rolle und den Kompetenzen des jeweiligen Mitarbeiters aufzuzeigen. Das ermittelte Delta kann dann durch gezielte Weiterbildung und andere Maßnahmen ausgefüllt werden. In jedem Fall empfiehlt sich jedoch die Unterstützung durch einen neutralen, externen Experten, der den Prozess gestaltet und überwacht und bei einer ausreichend großen Anzahl von Mitarbeitern die notwendige Objektivität sicherstellt, damit nicht unternehmenspolitische Strömungen den Entscheidungsprozess einseitig beeinflussen können, sondern die Bewerber allein auf Basis ihrer Kompetenz und Eignung dem Team zugeteilt werden. Das interne Auswahlverfahren wird am zweckmäßigsten durch ein „Auswahl-Duo“, bestehend aus einem externen Managementberater und Beteiligten aus den unternehmenseigenen Reihen, durchgeführt. Das Modell des Auswahl-Duos eignet sich am besten, um den objektiven Blickwinkel zu erhalten und gleichzeitig sicherzustellen, dass das zukünftige Team ausreichend in die Auswahl mit einbezogen wird. Die Vorauswahl der Bewerber kann durch den jeweiligen Fachvorgesetzten erfolgen. Er kennt die fachlichen Stärken seiner Mitarbeiter am besten. Die Prüfung der persönlichen Kompetenz bildet im internen Auswahlverfahren damit den Schwerpunkt, gefolgt von der Methodenkompetenz. Anhand der vorbereiteten Fragebögen werden die Kompetenzen überprüft. Das Auswahl-Duo interviewt dazu die Kandidaten und trägt die Bewertung in die Fragebögen ein. Ein Gespräch dauert circa eine Stunde. Die Fragebögen werden am Ende des Tages konsolidiert. Soll- und Ist-Profil werden in eine gemeinsame Bewertungsskala transferiert und vergleichbar gemacht. Der Bewerber, dessen Ist-Profil am geringsten vom Soll-Profil abweicht, ist der optimale Kandidat für die Rolle. Das Netzdiagramm in Abb. 4 veranschaulicht beispielhaft das Soll- und Ist-Profil eines Projektleiters. Phase 4: Assessment Center extern Unter Assessment Center („Assessment“ heißt aus dem Englischen übersetzt Einschätzung, Bewertung) verstehen wir in diesem Zusammenhang ein strukturiertes Auswahlverfahren, bei dem die Bewerber umfassende allgemeine Fragen zu Fach und Person beantworten wie auch Aufgaben lösen, die in der entsprechenden Projektsituation auf sie zukommen könnten. Nach erfolgreicher Besetzung des internen Projektteams wird das Modell des Assessment Centers für die Auswahl der externen Projektmitglieder verwendet. Die Einstellung neuer Mitarbeiter speziell für das Projekt wäre ebenfalls zur Auswahl Externer zu zählen. Im ersten Schritt besetzt der Implementierer eigenständig sein Projektteam und stellt es dem Kunden vor. Im Rahmen eines Assessment Centers wird dieses Team dann umfassend analysiert und bewertet. Pro Kandidat sollte man dazu circa eine Stunde einplanen. Anders als im internen Auswahlprozess führt ein „Auswahl-Trio“, bestehend aus einem externen Berater, dem internen Projektleiter und dem internen Counterpart, zu der jeweiligen Projektrolle das Assessment Center durch. Gegebenenfalls können noch weitere interne Fachkräfte zum Beispiel aus der Personalabteilung hinzugezogen werden. Gerade bei der Auswahl der externen Teammitglieder sollte über die Unterstützung durch einen externen Experten nachgedacht werden, der den Prozess professionell leitet und gestaltet. Gleichzeitig sollte er über einschlägige Erfahrung im Management von komplexen IT-Projekten sowie das notwendige fachliche Know-how verfügen. Das Unternehmen selbst verfügt meist (noch) nicht über die fachliche Kompetenz und vor allem die notwendige Erfahrung in Bezug auf ein ERP-Projekt und das einzuführende ERP-System. Außerdem bewahrt ein externer unabhängiger Berater in der Auswahl die gebotene Objektivität und Sachlichkeit. Gegenseitige Sympathie spielt für ein starkes Team eine große Rolle, sollte jedoch niemals an erster Stelle stehen. Das etwa eintägige Assessment Center besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden anhand der Fragebö- Profilnetz Projektleiter Fachkompetenz Persönliche Kompetenz Methodenkompetenz Soll Ist 0 1 2 3 4 5 Abb. 4: Soll- und Ist-Anforderungsprofil 25 projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 aktuell gen die verschiedenen Kompetenzen abgefragt und beurteilt, wobei insbesondere auch die vom Kandidaten angegebenen Referenzprojekte besprochen werden. Im zweiten Teil erarbeiten die Teilnehmer selbständig einen Kurzvortrag zu einer spezifischen Fragestellung. Die Fragestellung (das so genannte „Benchmark“) wird für Fachberater von der jeweiligen Fachabteilung vorgegeben, für den Projektleiter und seinen Stellvertreter gibt das Auswahl-Trio eine Problemstellung vor, die sich sehr konkret an der spezifischen Aufgabenstellung des Unternehmens orientieren sollte. Die Themen für diese Kurzvorträge könnten zum Beispiel lauten „Abbildung kritischer Business-Szenarien“, „Diskussion möglicher Varianten der Einführungsstrategie“, „Vergleich von Migrationsverfahren“ oder „Notwendige Mitwirkungspflichten des Auftraggebers“. Die Aufgabe lautet nun, im Kurzvortrag zunächst allgemein in die Problematik einzuführen und anschließend konkrete Lösungsansätze im neuen System vorzustellen. Auf diese Weise lassen sich eine systematische und organisatorische Arbeitsweise, Transferleistung, Beraterkompetenz und Verhalten in Stresssituationen testen. Gut ausgeprägte kommunikative Eigenschaften sind für Fachberater extrem wichtig, denn was bringt ein fachliches Genie, das sein Wissen nicht an andere vermitteln kann? Das Auswahl-Trio trägt am Ende des Tages seine Bewertungen zusammen und bespricht die Ergebnisse. Im Idealfall entsprechen alle Kandidaten weitgehend den Anforderungen der Profile und können angenommen werden. Bei kleineren Abweichungen ist die Planung von Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel Workshops oder die Einstellung eines Beraters zur Qualitätssicherung und zum Risikomanagement ausreichend, bei erheblichen Mängeln jedoch muss eine Neu-Auswahl unter den Mitarbeitern des Implementierers vorgenommen werden. Muss man erkennen, dass die Qualifikation sämtlicher Mitarbeiter des Implementierungspartners nicht den Erwartungen entspricht, ist die Entscheidung für diesen Dienstleister noch einmal genau zu überdenken. Im Zweifel kehrt man zu Schritt 1 des Phasenmodells zurück. Um für einen solchen Fall gerüstet zu sein, empfiehlt es sich, von vornherein einen zweiten Implementierer in die nähere Betrachtung mit einzubeziehen. Dieser und der Implementierer, der als erste Wahl aus dem Auswahlprozess hervorgegangen war, sollten über die Wendung, die das Verfahren an dieser Stelle nehmen kann, informiert werden. Der Ersatz-Dienstleister erhält gegebenenfalls eine zweite Chance; der erstausgewählte Partner kann sich seiner Sache niemals zu sicher sein. Erst wenn auf alle Rollen definitiv ein Kandidat zugeteilt wurde, wird das Projektteam vom Auswahl-Trio bestätigt und die nächste Phase kann eingeleitet werden. Meilenstein: Finaler Vertragsabschluss Ist das Projektteam vollständig besetzt, kann der Projektvertrag endgültig unterzeichnet werden. Phase 5: Team-Kick-off Das Team-Kick-off-Meeting schließt die Zusammenstellung des Projektteams ab. In einem eintägigen Workshop werden Projektorganisation, Projektprozesse und Kommunikationsprozeduren festgelegt, Ansprechpart- 26 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT aktuell projekt M A N A G E M E NT 2/ 20 0 6 ner definiert sowie Teambuilding-Maßnahmen durchgeführt. Mit Letzterem sind keine hochtrabenden psychologischen Spiele gemeint, sondern gemeinsame Aktivitäten, die Platz lassen zum Kennenlernen und Diskutieren - auf fachlicher und vor allem menschlicher Ebene. Gerade der Aspekt „Teambuilding“ darf nicht zu kurz kommen, gilt es doch bei einer heterogenen Zusammenwürfelung unterschiedlicher Charaktere Teamgeist zu wecken. Der Team-Kick-off leitet dann in die eigentliche Durchführung des Projekts über. Mit einem sorgfältig ausgewählten Team ist bereits vieles getan, um das Projekt zum Erfolg werden zu lassen! Schlagwörter Assessment Center, ERP-Projekt/ IT-Projekt, Projektrolle und Anforderungsprofil, Projektteamauswahl Autor Dr. rer. pol., Dipl.-Ing. Thomas Jurisch wurde im Jahr 2000 Geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Böhmer, Uhrig & Partner, der heutigen INTAR- GIA Managementberatung GmbH. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen u. a. Entwicklung übergreifender IT-Strategien, Coaching von Top-Managern und CIOs aus Industrie und öffentlichem Dienst, Turn-around- und Krisenmanagement in komplexen IT-Projekten, verantwortliches Projektcontrolling in großen IT-Projekten sowie die Mitarbeit in IT-Ausschüssen und -Steuerungskomitees von Kunden. Er studierte Maschinenbau an der Technischen Hochschule Darmstadt und promovierte berufsbegleitend an der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Von 1987 bis 2000 war Dr. Thomas Jurisch in Zentral- und Spartenfunktionen der Linde AG tätig, zuletzt als CIO der Sparte Kältetechnik (6.500 Mitarbeiter weltweit). Autorin Dipl.-Kffr. Jessica von Zitzewitz ist seit 2003 Beraterin bei der INTARGIA Managementberatung GmbH. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen unter anderem IT-Strategie, Qualitätssicherungs- und Risikomanagement in komplexen IT-Projekten, interkulturelle Zusammenarbeit und IT-Vertragsmanagement. Jessica von Zitzewitz studierte Betriebswirtschaftslehre in Göttingen, Fontainebleau und Berlin mit den Schwerpunkten Internationales Management und Organisation. Sie ist Zertifizierte Projektmanagerin der GPM Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Anschrift der Autoren INTARGIA Managementberatung GmbH Max-Planck-Straße 20 D-63303 Dreieich Tel.: 0 61 03/ 50 86 0 E-Mail: jessica.zitzewitz@intargia.com