PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Des „Kaisers General“ machte die Weltmeisterschaft zum Projekterfolg
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Oliver Steeger
Nach dem Schlusspfiff im Berliner Olympiastadion stand fest: Die italienische Fußballnationalmannschaft errang im Sommer zum vierten Mal den Pokal – und Deutschland wurde, wie es hieß, „Weltmeister der Herzen“. Mit einer perfekt organisierten FIFA-Fußballweltmeisterschaft hat sich Deutschland („Zu Gast bei Freunden“) die Sympathie der Fußballfreunde weltweit erobert. Millionen Fans lagen im Fußballfieber, feuerten in den zwölf Stadien die Mannschaften an oder säumten bei strahlendem Sommerwetter die Fanmeilen. Das Organisationskomitee um Franz Beckenbauer nahm das Lob, das von allen Kontinenten kam, gerne entgegen. Fünf Jahre lang hat die Mannschaft des süddeutschen „Fußball-Kaisers“ das Großereignis vorbereitet. Für das Projektmanagement holte man den österreichischen Spezialisten Heinz Palme in die Zentrale nach Frankfurt. Er stellte ein Projektmanagement auf die Beine, das ebenfalls „Weltmeister-Qualitäten“ hatte.
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2 EDITORIAL aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 D as ist - leider - das letzte Heft unserer Zeitschrift, das mein Kollege Prof. Seibert als Chefredakteur der Ressorts „Report, PM-Software, Karriere, Nachrichten und GPM intern“ mitgestaltet hat. Er verlässt nicht nur den Vorstand der GPM, sondern scheidet auch aus der Chefredaktion der Zeitschrift aus. Natürlich respektiere ich diese Entscheidung, ich bedauere sie aber auch außerordentlich. Wir haben hervorragend zusammengearbeitet - bei Professoren durchaus nicht die Regel. Siegfried Seibert hat bei unserer Zeitschrift in relativ kurzer Zeit einen großen Qualitätssprung erreicht. In einer Umfrage haben uns das auch unsere Leser bestätigt. Mein Kollege hat nicht nur das Layout völlig neu gestaltet und im wörtlichen Sinn Farbe in die Zeitschrift gebracht. Sein großes Fachwissen und sein enormes Engagement haben vor allem den Reportteil zu einem Lesevergnügen gemacht. Ich möchte als Beispiele unter vielen nur das Interview mit dem auf der ganzen Welt bekannten Barry W. Boehm (1/ 2005) und das Gruppeninterview zur Zukunft des Projektmanagements im Heft 4/ 2004 erwähnen. Auch das Interview zur Fussball-WM in diesem Heft wurde von ihm initiiert. Der Karriereteil in projektMANAGEMENTaktuell geht ausschließlich auf seine Vorschläge zurück. Das gilt auch für die Internetseite der Zeitschrift, die von ihm eigenständig konzipiert und realisiert wurde. In eigener Sache Auch den Wissensteil hat er mit kritischem und unbestechlichem Verstand mitgeprägt. Für die Schwächen und Stärken eines Beitrags hatte er immer ein untrügliches Gespür. Einen großen Teil der Schwerpunktthemen verdanken wir seinen Anregungen. Wie ernst Siegfried Seibert seine Aufgabe genommen hat, zeigen die ungezählten E-Mails an mich. Viele davon sind am sehr späten Abend, also kurz vor Mitternacht, verschickt worden. Diesen letzten Satz würde ich gerne denen ins Stammbuch schreiben, die zurzeit mit wenig Hintergrundwissen die Frage der Ehrenamtlichkeit in der GPM diskutieren. Cicero sagte: „Denn keine Pflicht ist unvermeidlicher als die, Dank abzustatten.“ Lieber Siegfried, für mich ist die Danksagung, auch im Namen der Leser und des Vorstands, keine Pflicht, sondern ein Bedürfnis. Ich hoffe, dass Du mir noch gelegentlich mit Rat und Tat beistehst. Du hast die Messlatte sehr hoch gesetzt. Schade für unsere Gesellschaft und alle, die an der Weiterentwicklung der Disziplin „Projektmanagement“ interessiert sind, dass Du Dein Engagement bei uns reduzierst. Ich wünsche Dir für die Zukunft alles Gute. Projekte erfolgreich managen Das bewährte Loseblattwerk gibt Ihnen einen umfassenden Einblick in den Stand von Theorie und Praxis des modernen Projektmanagements. Nutzen Sie das methodische Instrumentarium erfolgreicher Projekt-Profis! 14-Tage-Testbestellung unter www.tuev-media.de inkl. 3500 Seiten auf CD-ROM Anzeige PM_4_06.indd 2 26.09.2006 16: 06: 38 Uhr 3 REPORT projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 aktuell Die FIFA-Fußballweltmeisterschaft war ein voller Erfolg. Deutschland feierte begeistert mit seinen Gästen aus aller Welt. Wie fühlen Sie sich als Projektmanager, der bei dieser riesigen Veranstaltung die Fäden in der Hand hatte? Heinz Palme: Ich bin sehr zufrieden und schließe das Projekt mit einem wirklich angenehmen Gefühl ab. Im Vorfeld der Weltmeisterschaft wurden ja viele Sorgen und Befürchtungen geäußert, doch das Sportereignis verlief reibungslos. Fällt Ihnen da der sprichwörtliche Stein vom Herzen? Nicht nur mir, sondern dem ganzen Projektteam. Und freilich auch dem Präsidium des Organisationskomitees um Franz Beckenbauer, Horst R. Schmidt, Dr. Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach. Wir alle gehen aus dem Projekt gestärkt und voller Energie hervor. Sie, Herr Palme, haben seit Mai 2001 in dem Komitee 20 Projektprogramme mit über 150 Einzelprojekten koordiniert. Dieses umfangreiche Unternehmen ist nun abgeschlossen … Nein, abgeschlossen ist es noch nicht ganz. Offiziell beendet wird es am 31. Dezember dieses Jahres. Wir haben bis dahin noch Schlussberichte, Schlussrechnungen und Dokumentationen zu bearbeiten. Das Endspiel war nicht auch der Endpunkt für unsere Arbeiten. Aus der Perspektive des Projektmanagers gefragt: Was waren die größten Herausforderungen bei der Organisation der Fußballweltmeisterschaft? Des „Kaisers General“ machte die Weltmeisterschaft zum Projekterfolg Heinz Palme, Chef-Projektmanager der FIFA-Fußballweltmeisterschaft Oliver Steeger Nach dem Schlusspfiff im Berliner Olympiastadion stand fest: Die italienische Fußballnationalmannschaft errang im Sommer zum vierten Mal den Pokal - und Deutschland wurde, wie es hieß, „Weltmeister der Herzen“. Mit einer perfekt organisierten FIFA-Fußballweltmeisterschaft hat sich Deutschland („Zu Gast bei Freunden“) die Sympathie der Fußballfreunde weltweit erobert. Millionen Fans lagen im Fußballfieber, feuerten in den zwölf Stadien die Mannschaften an oder säumten bei strahlendem Sommerwetter die Fanmeilen. Das Organisationskomitee um Franz Beckenbauer nahm das Lob, das von allen Kontinenten kam, gerne entgegen. Fünf Jahre lang hat die Mannschaft des süddeutschen „Fußball-Kaisers“ das Großereignis vorbereitet. Für das Projektmanagement holte man den österreichischen Spezialisten Heinz Palme in die Zentrale nach Frankfurt. Er stellte ein Projektmanagement auf die Beine, das ebenfalls „Weltmeister-Qualitäten“ hatte. Fünfjähriges „Auswärtsspiel“ für den österreichischen Projektmanagementfachmann Heinz Palme (48): Das Organisationskomitee der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006 holte den gebürtigen Liezener (Steiermark) als Koordinator und Projektmanagement-Chef ins Team. Heinz Palme hat eine kurze Karriere als Fußballer gemacht, bevor er das Verbandsmanagement beim Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) lernte. Von 1978 bis 1985 leitete er das Jugendsekretariat. Bis 1997 arbeitete er als Pressechef des Verbandes und Organisationschef der österreichischen Nationalmannschaft, bis 1999 leitete er das österreichische Bewerbungsprojekt für die EM 2004; zusätzlich war er tätig für die UEFA und die FIFA. Der verheiratete Vater einer Tochter betreibt seit dem Jahr 2000 die Firma „HPM - events, projects & more“ in Wien (www.hpm.co.at). Foto: privat PM_4_06.indd 3 26.09.2006 16: 06: 40 Uhr 4 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 Zunächst einmal mussten wir den Umfang dieses Großprojekts ermessen und uns die Frage stellen, wie wir es angehen und managen können. Wir hatten die vielfältigen Aufgaben aufzulisten, Schwerpunkte zu setzen, zu gliedern. Und wir mussten sicherstellen, dass wir an alles gedacht, alle Felder abgedeckt und zugeordnet hatten. Die Herausforderung war also, dieses gigantische Vorhaben zu strukturieren. Dafür ist ausgefeiltes Projektmanagement erforderlich, das ja in Ansätzen auch bei den Weltmeisterschaften von 1998 und 2002 vorhanden war. „Binnen kurzer Zeit einheitliches Projektmanagement aufgebaut“ Unter Projektmanagern kursiert die Redensart „Sage mir, wie Du Dein Projekt beginnst, und ich sage Dir, wie es endet“. Dies trifft auch ganz auf das Projektmanagement eines solchen Mega-Events zu. Wir haben am Anfang des Projekts das gesamte Themenspektrum analysiert, also die Auswahl und Vorbereitung der Stadien, den Bereich Ticketverkauf, die Unterbringung der Mannschaften mit Trainingsanlagen, das Thema Sicherheit, Infrastruktur und Verkehr. Diese Punkte haben wir dann 20 Bereichen zugeordnet. In diesen Bereichen haben wir wiederum Projektprogramme mit einer großen Zahl unterschiedlicher Einzelprojekte entwickelt. Welche Bereiche haben Sie beispielsweise gebildet? Marketing, Transport & Verkehr, Events, Sicherheit, Recht, Hospitality & Catering, Turnier- & Venue-Organisation, IT & Telekommunikation, Presse- und Medieneinrichtungen. Ihre Aufgabe dabei war … … die Koordinierung der Projekte. Ich war gewissermaßen die Schnittstelle zwischen diesen Bereichen und dem Präsidium des Komitees … „Alle Teams an den zwölf Standorten mussten die gleichen Projektmanagementmethoden verwenden.“ … des „Kaisers General“, wie eine Zeitschrift aus Ihrer österreichischen Heimat titelte. Auf Ihrer Visitenkarte steht „General Coordinator“. Wobei diese Koordinierung auch auf das Projektmanagement selbst zutraf. Denn ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor war es, binnen kurzer Zeit innerhalb unserer Organisation ein einheitliches und funktionstüchtiges Projektmanagement aufzubauen. Alle zwanzig Bereiche unseres Komitees und später die Außenteams an den zwölf Spielorten mussten die gleichen Methoden verwenden, um ihre Projekte zu planen, umzusetzen und zu überwachen. An dieser Herausforderung des einheitlichen Projektmanagements arbeiten manche Wirtschaftsunternehmen über Jahre … Bei uns musste dies von Anfang an gewährleistet sein. Wir haben unseren Projektverantwortlichen allerdings gewisse Freiheiten gelassen, die Vorgaben nach persönlichem Gusto abzuwandeln. Doch im Großen und Ganzen haben alle die gleichen Methoden verwendet. Wie ist es ihnen gelungen, diese Einheitlichkeit durchzusetzen? Fußballfieber in Deutschland: Hunderttausende Fans aus aller Welt säumen die Fanmeilen und feiern begeistert die Weltbegegnung des Sports. Hinter den Kulissen hatte das Projektteam um Heinz Palme fünf Jahre lang die Weltmeisterschaft vorbereitet. Foto: Bernhard Kunz PM_4_06.indd 4 26.09.2006 16: 06: 44 Uhr 5 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 aktuell Ich denke, mit „durchsetzen“ hatte dies in unserem Fall wenig zu tun. Wir konnten unser Team langsam und organisch wachsen lassen und haben unsere Mannschaft nach und nach aufgestockt. Das war ein großer Vorteil. Jeder, der neu hinzukam, wurde sorgfältig in unsere Arbeitsweise eingeführt. Zudem hatten wir sehr schlanke Strukturen und wenige Hierarchiestufen. „Anspruchsvolle Meilensteine und Etappenerfolge“ Eine schlanke Organisation gilt bei vielen Projekten als Erfolgsfaktor. In Ihrem Bereich waren rund 260 fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt, dazu kamen nochmals 240 Personen von der FIFA. Wie ist es Ihnen gelungen, dieses doch recht große Team zu formen? Wir konnten das Team, wie gesagt, im Laufe der Zeit organisch wachsen lassen. So konnten wir jeden Mitarbeiter in seine Tätigkeit einführen und ihm die Vorgehensweise näherbringen. Persönlich hatte ich den Vorteil, dass ich im Aufbau von vielen der 20 verschiedenen Bereiche involviert und dadurch mit den einzelnen Aufgaben gut vertraut war. Spitzenleistungen im Sport hängen - neben Technik und Training - auch stark von der Motivation der Mannschaft ab. Im Projektmanagement ist dies wohl nicht wesentlich anders, zumal dann, wenn das Team über fünf Jahre lang gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet. Zunächst einmal das Projekt selbst: Für viele unserer Mitarbeiter ist es eine enorme Motivation gewesen, an der Vorbereitung der Weltmeisterschaft mitwirken zu können. Wir hatten allerdings auch anspruchsvolle Meilensteine in unseren Projekten und dabei Etappenerfolge zu erzielen, die unserem Team zusätzlichen Auftrieb gaben. Wir konnten also schon während des Projekts Erfolge feiern, und so etwas beflügelt ein Team. Zum Beispiel? Die Endrunden-Auslosung im November 2005. Die Veranstaltung in Leipzig haben wir allein organisiert, also keine Eventagentur beauftragt. Das war auch für uns die letzte Gelegenheit, neue Mitarbeiter ins Projekt einzuführen, mit unserem Projektmanagement vertraut zu machen und sie im Team zu verankern. Dieses organische Wachstum, von dem wir sprechen, muss sorgfältig vorbereitet … … und geplant sein, selbstverständlich. Ich habe im Jahr 2001 einen Plan für das Personal und dessen Entwicklung erarbeitet, der bis auf geringfügige Änderungen auch umgesetzt wurde. Organisches Wachstum Franz Beckenbauer Präsident Marketing* Thomas Aschauer Sonja Sättele Nationale DFB Kulturstiftung WM 2006 Fedor H. Radmann Berater Präsidium Beauftragter Kunst & Kultur, Tourismus Präsidialbereiche Horst R. Schmidt 1. Vizepräsident & stellvertretender Präsident Wolfgang Niersbach Vizepräsident (gf) Dr. Theo Zwanziger Vizepräsident (gf) PR, Medien & Kommunikation Gerd Graus Jens Grittner IT & Telekommunikation Ralph Dietz Akkreditierung Cornelia Ljungberg Presse & Medieneinrichtungen Gerd Graus Support P&P Events Eike Brouwer Sicherheit Helmut Spahn Unterbringung, Tourismus/ FIFA Kongress* Michaela Radmann Ticketing Willi Behr Transport & Verkehr Andreas Maatz Turnier- & Venue- Organisation Helmut Sandrock Stadien Peter Schliesser Personal Dr. Stefan Schmidt Recht Dr. Stefan Schmidt Volunteer- Programm Volker Stark Finanzen & Logistik Stefan Hans Heinz Palme General Coordinator Projektmanagement & Protokoll * Außenstelle München Organisationskomitee Deutschland Organigramm mit Ansprechpartnern (Stand: 13.02.2006) Zentrale Dienste Dr. Stefan Schmidt Koordination Kunst & Kultur Hospitality & Catering Urs Bischof Flache Hierarchien in einer leistungsstarken Organisation: Heinz Palme koordinierte Projekte und Projektmanagement zwischen dem Präsidium und den zwanzig Bereichen. Effizientes Kommunikations- und Informationsmanagement zeichnete das Projekt „FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006“ aus. Schaubild: mit freundlicher Genehmigung des Organisationskomitees FIFA WM 2006 PM_4_06.indd 5 26.09.2006 16: 06: 46 Uhr 6 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 muss sorgfältig geplant werden, dies hat unser Vorhaben deutlich gezeigt. „Im Sommer 200 Pflichtenheft für die Stadien fertig“ Die Kundin Ihres Projekts war die FIFA, der 1904 gegründete Weltfußballverband mit Sitz in Zürich. Wie haben Sie die Ziele mit Ihrer Kundin erarbeitet? Durch Verträge zwischen der FIFA und dem Deutschen Fußball-Bund waren bereits wesentliche Ziele des Projekts vorgegeben. Kurz zum Verständnis: Die FIFA hat den Deutschen Fußball-Bund beauftragt, und der wiederum hat das Organisationskomitee um Franz Beckenbauer eingesetzt … Richtig. In dem Vertragswerk, das zwischen der FIFA und dem DFB geschlossen wurde, hatte man bereits Meilensteine fixiert und damit schon vor Projektstart festgelegt. Die einzelnen Punkte aus diesem und anderen Verträgen haben wir verfeinert und zu einem Projekt-Masterplan ausgearbeitet. Das heißt, Sie konnten nicht gemeinsam mit der FIFA die Eck- und Zwischentermine bestimmen? Wir hatten die vertraglichen Vorgaben umzusetzen. Doch wir haben unsere internen Meilensteine selbst gesetzt - übrigens deutlich vor den FIFA-Terminen. Wie darf ich das verstehen? Ein Beispiel: Bis zum 15. Mai 2003 sollte nach Forderung der FIFA über die Stadionvergabe entschieden sein. Bis dahin mussten also die Pflichtenhefte für die Stadien erarbeitet, Verhandlungen abgeschlossen und eine Auswahl getroffen werden. Wir haben intern diesen Meilenstein für den 15. April 2002 terminiert - und den Termin auch gehalten. „Wir haben unsere internen Meilensteine selbst gesetzt - deutlich vor den FIFA-Terminen.“ Als Sie im Mai 2001 Ihre Arbeit für die Organisation der Weltmeisterschaft aufnahmen - was waren Ihre ersten Aufgaben? Wie gesagt, es ging zunächst darum, Strukturen zu schaffen und Verträge zu sichten. Erst danach konnten wir einen ersten Roh-Projektplan und die Personalpläne erstellen. Im Sommer 2001 waren die Pflichtenhefte für die Stadien fertig, im April 2002 konnten wir die zwölf Spielstätten auswählen. Im November 2002 haben wir die erste große Präsentation veranstaltet: Das Logo und der Slogan „Zu Gast bei Freunden“ wurden vorgestellt. Die Präsentation fand also ein halbes Jahr nach der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea statt … Wir sind mit 20 Mitarbeitern zu dieser Weltmeisterschaft gereist und haben das Ereignis intensiv beobach- Lernte Projektmanagement als hilfreiches Instrument kennen: das Präsidium des Organisationskomitees der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2006 (Dr. Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach, v. l. n. r.) Foto: Bernhard Kunz PM_4_06.indd 6 26.09.2006 16: 06: 53 Uhr 7 projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 aktuell tet. Dabei haben wir die Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten der dortigen Organisatoren genau untersucht und die Ergebnisse für uns intensiv nachbereitet. Erst danach sind wir an die Öffentlichkeit getreten. Wie wichtig waren diese Besuche anderer Meisterschaften? Sehr wichtig. Auch den FIFA Confederations Cup 2003 in Frankreich und die Europameisterschaft 2004 in Portugal - beides ebenfalls wichtige Fußball-Ereignisse - haben wir beobachtet, von dort Anregungen mitgenommen und daheim systematisch ausgewertet. Dabei geht es nicht darum, die Veranstalter zu kritisieren, sondern von ihnen zu lernen. Wir haben anhand unserer Beobachtungen an den Feinabstimmungen unserer eigenen Pläne arbeiten können. „Belastung und Entlastung gleichermaßen“ Ein solcher FIFA Confederations Cup, der ja auch als Mini-WM gilt, fand im Jahr 2005 in Deutschland mit acht Nationalmannschaften an fünf Spielorten statt. Auch diese Veranstaltung haben Sie organisiert. War dies - ein Jahr vor der WM - nicht eine zu starke Zusatzbelastung? Es war gleichermaßen Belastung und Entlastung. Der FIFA Confederations Cup 2005 war sehr wichtig für uns. So, wie dieses Ereignis als Generalprobe für die Weltmeisterschaft gilt, so war es auch eine Generalprobe für unser Projektmanagement. Das Team war zu diesem Zeitpunkt aufgebaut. Diese Generalprobe half, die organisatorische Struktur probeweise zu belasten und zu festigen. Zudem haben wir aus den Erfahrungen gelernt. Viel gelernt? Wir haben uns mit sämtlichen Projekten aller Abteilungen noch einmal beschäftigt. Im September 2005 lagen dann alle überarbeiteten Projektpläne vor, und damit begann für uns auch die richtig heiße Phase. Der FIFA Confederations Cup 2005 wurde an fünf Spielorten in Deutschland ausgetragen, die Weltmeisterschaft ein Jahr später an zwölf Spielorten. Die Zentrale des Komitees war in Frankfurt beheimatet. Wie haben Sie von dort aus die Spielorte betreut und die dortigen Projekte vor Ort gemanagt? Wir haben unsere Organisation erst zentral aufgebaut und dann, ab der zweiten Jahreshälfte 2004, die Außenstellen an den jeweiligen Spielorten wie München, Berlin, Dortmund und Köln begründet. Zunächst waren nur vier oder fünf Mitarbeiter vor Ort. Nach und nach haben wir die Außenstellen erweitert, bis wir dort genau die Struktur der Zentrale abgebildet hatten. Ich habe dies richtig verstanden: Die Organisationsstruktur Zentrale war also das Muster oder Modell für die Außenstellen …? Ja, so konnten wir am besten schrittweise die Verantwortung an die Außenstellen abgeben. In jeder Außenstelle gab es die gleichen Funktionen und Abteilungen wie in der Zentrale. Ihnen stand jeweils ein Regio-Manager vor. Die Mitarbeiter wurden von uns vorbereitet, geschult und gebrieft, sodass sie sich um die dortigen Projekte kümmern konnten. Anzeige PM_4_06.indd 7 26.09.2006 16: 06: 59 Uhr 8 REPORT aktuell projekt M A N A G E M E NT 4/ 20 0 6 „Strukturiertes Reporting-Werkzeug im Internet“ Zwanzig Abteilungen in der Zentrale, zwölf Außenstellen mit jeweils nochmals zwanzig Abteilungen - wie haben Sie die Kommunikation und das Reporting bewältigen können? Die Kommunikation musste natürlich strukturiert und geplant werden. Aber auch sie ist, wie unser Team, dann organisch gewachsen. Zunächst haben uns die Abteilungen und Außenstellen wöchentlich berichtet. Während des FIFA Confederations Cup haben wir dann das Reporting auf täglichen Rhythmus umgestellt und einen Testlauf gemacht und … … das hat funktioniert? Das hat sogar sehr gut funktioniert. Die „Tournament Operations Group“ im Turnier-Hauptquartier hat morgens ab sieben Uhr getagt und über die gemeldeten Vorfälle und Nachrichten beraten. Die Außenstellen hatten dann bis neun Uhr unsere Empfehlungen und Anweisungen. Da ging kaum Zeit verloren. Wir konnten bei Bedarf schnell handeln. Wie haben Sie die große Zahl eintreffender Meldungen gesichtet? Dafür hatten wir ein Reporting-Werkzeug auf Basis des Internets. Unsere Mitarbeiter konnten uns also von jedem Ort aus Meldungen zusenden. Wir haben eine strukturierte Eingabe-Maske vorbereitet, in die beispielsweise auch die Priorität der Meldung oder ein Wunsch oder Anliegen an das Präsidium eingegeben werden konnte. Zusätzlich haben unsere zentralen Abteilungen die Informationen ausgewertet und die Prioritäten gewichtet. Während des FIFA Confederations Cup 2005 konnten wir dieses System noch einmal anpassen und verbessern, sodass es zur WM perfekt lief. „Das Risiko eines Imageschadens darf man bei solchen Großereignissen nicht unterschätzen.“ Man hat vor der Weltmeisterschaft auch öffentlich über die Risiken eines solchen Sportereignisses diskutiert. Das Risikomanagement ist eine wichtige Aufgabe im Projektmanagement. Und dies galt auch für unser Projekt. Wir haben unser Risikomanagement im Jahr 2003 gestartet. Die möglichen Risiken haben wir zunächst gesammelt, katalogisiert und dann bewertet unter den Gesichtspunkten der Eintrittswahrscheinlichkeit und des möglichen Schadens. Finanziellen Schadens? Zum einen hinsichtlich des finanziellen Schadens, dann aber auch hinsichtlich des Imageschadens, den man bei solchen Ereignissen nicht unterschätzen darf. Welche Risiken stachen hervor? Das eines möglichen Terroranschlags? Das war einer der bedeutsamen Punkte, die wir berücksichtigt haben. Es gab allerdings noch eine Reihe anderer Risiken, beispielsweise die Unbespielbarkeit von Spielfeldern, der allgemeine Sicherheitsbereich und der Ausfall von IT- und Elektroniksystemen. „Krisensimulationstag als Härtetest“ Wir hatten pünktlich mit der WM-Eröffnung in Deutschland traumhaftes Wetter, „Kaiser-Wetter“, wie man in Deutschland erleichtert meinte. Wie haben Sie die Gefahr von Schlechtwetter in Ihrer Risikoanalyse bewertet? Schlechtes Wetter hätte sicherlich die Stimmung unter den Fans getrübt. Für die Austragung selbst bedeutete es kein so großes Risiko. Wie sind Sie mit dem Risikokatalog während des Projekts umgegangen? Wir haben ihn uns regelmäßig vorgenommen und die Risiken neu bewertet. Einige Risiken, die wir zunächst als mittelbedeutsam eingeschätzt haben, konnten wir in der Priorität noch weiter zurückstufen. Weil sich die Umstände verändert haben? Das auch, ja. Oder wir hatten genug Vorkehrungen getroffen. Die Wahrscheinlichkeit schwand, dass dieses Risiko die Weltmeisterschaft gefährden konnte. Dies war ja das Ziel des Risikomanagements. Die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkung des Risikos reduzieren - und falls es doch eintritt, dann die richtigen Pläne für Gegenmaßnahmen in der Schublade zu haben. Zuletzt haben wir vier Wochen vor Turnierbeginn noch eine sogenannte „Readyness Exercise“, einen Krisensimulationstag, durchgeführt, bei dem alle Abteilungen der Zentrale, unsere Außenstellen sowie die FIFA und andere Organisationspartner mit mehr als 270 potenziellen Turnierrisiken konfrontiert wurden. Ein „Härtetest“ zur direkten Vorbereitung also. Sie sprachen eben von dem Imageschaden, der durch die Risiken entstehen konnte. Anders als bei Projekten, die bei Firmen „hinter den Kulissen“ stattfinden, stand Ihr Projekt ja buchstäblich im Rampenlicht. Eine Fußballweltmeisterschaft ist ein Ereignis von nahezu globalem Interesse. Entsprechend lang dürfte auch die Liste der Stakeholder sein, die es beim Projektmanagement zu berücksichtigen gilt. Wir hatten eine sehr lange Liste mit Interessengruppen. Greifen wir einige heraus? Die FIFA beispielsweise … Mit dem Weltverband haben wir eng zusammengearbeitet, die FIFA ist Veranstalterin und damit unsere Kundin. In den ersten Projektphasen haben wir uns drei- oder viermal jährlich getroffen, um über Projektfortschritte zu berichten. Später wurden auf Arbeitsebene „Working Groups“ eingerichtet. Vorteilhaft war es, dass von Frankfurt als Sitz der Organisationskomitees aus die FIFA in Zürich gut zu erreichen ist. Der persönliche Kontakt hat vieles erleichtert. Die Bundesrepublik, die Länder und Kommunen? Für den Bund war der Innenminister unser Haupt- Ansprechpartner. Er war im Aufsichtsrat des Organisationskomitees vertreten, was uns sehr geholfen hat. Man hat im Innenministerium einen eigenen Stab „WM PM_4_06.indd 8 26.09.2006 16: 07: 00 Uhr
